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Was die Hitze des Sommers nicht alles bewirken kann...

The Vessel and the Fallen 1
von

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Täuschung

 

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„Alles in Ordnung?“, neckte Hakuren, sobald sie sich zwischen den Stämmen der hohen Bäume in einem Teil der Anlage befanden, wo sie niemand zufällig entdecken würde. Hoffentlich. Noch immer stiegen vereinzelte Feuerwerkskörper krachend in den Himmel und tauchten ihn in ein Meer aus Farben, doch die beiden ignorierten sie nun. Koumei stieß erleichtert die Luft aus und hechelte ein wenig von dem schnellen Lauf. Seine Kondition war so erbärmlich… Es war ihm peinlich, dass der andere, dessen Puls immer noch vollkommen ruhig war, während sein Herz raste, als wolle es davon stürmen, ihn so erschöpft sah. Nach diesem winzigen, wenn auch zügigen, Marsch. Er starrte geknickt zu Boden und unterdrückte ein Seufzen. Dieser Tag wollte ihn wohl persönlich angreifen, so furchtbar wie er bis jetzt gewesen war. Aber Hakuren strahlte ihn nur an. „Du gefällst mir, wenn du so außer Atem bist. Das lässt dich richtig gesund aussehen!“, rief er aus und drückte ihm, bevor er sich verlegen abwenden konnte, schnell einen Kuss auf die Stirn. Typisch. Manchmal fragte er sich ernsthaft, ob der andere blind war. Was sollte an einem angestrengt röchelnden Menschen schon gesund wirken? Und was war daran so bemerkenswert? Wirkte er ansonsten kränklich? Egal. Koumei lächelte, als eine tiefe Zufriedenheit durch ihn hindurch strömte, hervorgerufen durch diese Zärtlichkeit. Doch dieses Behagen wandelte sich schnell wieder in ängstliches Bedauern. Jeder, außer Hakuren, hätte ihn wegen dieser Schwäche verachtet. Er war eben viel dürrer und kraftloser als jeglicher Heranwachsende in seinem Alter, konnte lediglich seinen Kopf anstrengen, was allerdings niemandem einen Vorteil zu bringen schien. Nutzlos. Mehr eine Belastung. Der zweite kaiserliche Prinz war der einzige, der gut und vorbehaltlos von ihm dachte. Aber morgen schon wäre er wieder alleine. Und dann würde er wieder auf Vater und Kouen hören müssen. Seine Arbeit erledigen. Lernen. Lesen. Aufzeichnungen anfertigen. Alleine. Verlassen. Herrje… Die dumpfe Traurigkeit, die ihn nie losgelassen hatte und bei der Betrachtung der Lichtspiele wieder über ihn gekommen war, überfiel ihn abermals.
 

Bald würde er mitansehen müssen, wie sein Geliebter eine Frau ehelichte, die er nicht einmal wirklich kannte. Schon jetzt wusste Koumei, dass er diese nicht mögen würde. Gleichgültig, ob das nun begründet oder einfach nur kindisch war. Schließlich war er auch noch ein halbes Kind. Zumindest seine kleine Statur ließ ihn das hoffen, auch wenn er mit diesem Tag offiziell erwachsen geworden war, dabei fühlte er sich nicht groß oder überlegen. Nein, er konnte nur noch seltsam niederträchtige Dinge denken, die sich nicht aus seinem Geist verbannen ließen. Diese Prinzessin aus einem unbedeutenden Königreich würde ihm seinen Hakuren stehlen. Dann konnte er nur noch zusehen, wie der Prinz sein eigenes Leben lebte, in die Regierungsangelegenheiten Kous verwickelt wurde, sich um seine Gattin kümmerte und früher oder später vielleicht Vater von einigen neuen Prinzen werden würde. Schließlich schien dem älteren Hakuyuu noch keine Heirat bevor zu stehen und von sonstigen Söhnen oder Töchtern hatte man noch nichts gehört, dabei kam er langsam in das passende Alter, wenn er sich die Geschichten über ihre Väter anhörte. Also würden ihm wohl die Kinder seines Bruders auf den Thron folgen müssen. Unter den langen Ärmeln des Festgewandes ballte Koumei die Hände zu Fäusten. Es war so ungerecht. Wieso konnte er nicht anstelle dieser Prinzessin sein? Wie sehr er sie beneidete! Dabei war es so beschämend, Hass und Abneigung gegen eine Person zu empfinden, die er noch nie gesehen hatte. Wie schlimm musste es erst Hakuren gehen? „Koumei? Was ist denn heute nur los mit dir? Du wirkst die ganze Zeit so… na ja, einfach traurig.“ Er hatte Recht. Unglaublich Recht. Aber er sollte es nicht erfahren. „Mmh…“ Es wäre so eigennützig und egoistisch es ihm zu sagen, vor allem wenn er es  nach all den versteckten Anzeichen immer noch nicht begriff. Oder sollte er doch? Nein, er konnte es ihm nicht sagen! Warme Hände umschlossen ihn behutsam und die blauen Augen forschten mühsam in seinem Gesicht nach einer Antwort. Weshalb musste Hakuren es ihm nur so schwer machen? Sein Entschluss geriet bedenklich ins Wanken.
 

Plötzlich umklammerte Koumei die Arme des anderen. Ehe er darüber nachdenken konnte stieß er hastig hervor: „Du darfst nicht wieder in den Palast gehen!“ Verdammt, dabei hatte er das niemals gestehen wollen. Er hätte sich schlagen können. Hakuren nickte betrübt. Dann brach ein ganzer Schwall an Worten aus ihm hervor: „Ich weiß … Mir graut es auch schon davor. Es ist wirklich traurig. Ich fühle mich auch elend, bei dem Gedanken an Morgen. Ich wünschte, ich könnte für immer hier bleiben. Mit dir fortgehen. Oder dich mitnehmen. Für immer. Wenn du nur eine Frau wärst, ich hätte Vater sicherlich davon überzeugen können, dich für mich auszuwählen. Aber so… das wird er niemals dulden. Und dein Vater Koutoku… er würde dich bestrafen, da bin ich mir sicher, nachdem was du eben alles erzählt hast. Und eigentlich… weiß ich es ja selbst genauso gut, wie du. Ich finde es nur verrückt, dass sie alle nicht mit ein wenig Andersartigkeit zurechtkommen. Es tut mir so leid. Die einzige Möglichkeit, dich dauerhaft mit in den Palast zu bekommen, wäre, dass Yuu dich als seinen Berater auswählt, sobald er die Thronfolge antritt. Aber das wird ewig dauern. Und er bevorzugt Kouen. Nur weil dein Bruder diese beiden Metallgefäße besitzt. Eigentlich sollte mein Bruder über diese Kraft verfügen, aber angeblich haben sich diese Dschinns für Kouen entschieden. Nun denkt Hakuyuu sicher, dass er einen guten Unterstützer abgibt. Lächerlich! Wenn ich nur der erstgeborene Sohn wäre, würde ich dich sofort an meine Seite berufen. Es gibt niemand besseren, den ich mir als Berater wünschen könnte.“
 

Koumei schniefte bedrückt. Hakuren wollte ihn wirklich bei sich haben, er war ihm wichtig, doch auch er sah die unüberwindlichen Hindernisse ein. Genau das, was der Schwarzhaarige an Möglichkeiten aufgezählt hatte, hatte er sich so sehr gewünscht, doch auch der Ältere hielt es für vollkommen lächerlich. Dabei war Koumei es selbst schuld, hatte er ihm eben noch einreden müssen, dass niemand ihr Verhältnis tolerieren würde. Es war die reine Wahrheit. Trotzdem ungeheuer schmerzlich. „A-aber du bist ein Prinz“, brachte er mit bebender Stimme hervor, „du kannst alles befehlen, was du willst!“ Wie verzweifelt er war, wenn er schon versuchte, seine eigenen Argumente außer Kraft zu setzen. Koumei wollte sich am liebsten in Luft auflösen. Sein unverschämtes Verhalten ließ sich nicht tolerieren. Es beleidigte den Prinzen und seine eigene Familie. „Du doch auch irgendwo“, stritt Hakuren ab. Koumei schluckte. So sehr wie ihn sein eigenes Betteln auch anwiderte, er konnte es nicht lassen. „Nein, ich bin kein Prinz, Ren. Vielleicht gehöre ich zum Adel, aber ich bin wertlos, gegen euch. Nicht annähernd so wichtig. Nicht so machtvoll. Nicht so stark. Wenn du etwas möchtest, dann gibt man sich alle Mühe, dir diesen Wunsch zu erfüllen. Ich kann nicht mal bestimmen, was ich jeden Tag esse. Bleib hier oder nimm mich mit! Bist du vielleicht froh, wenn du dich nicht mehr mit mir herumschlagen musst?“, jaulte er niedergeschmettert und blickte verloren zu ihm auf. „Koumei…“ Hakuren schüttelte gequält den Kopf. Seine Stimme versagte und er presste den anderen hastig an sich, als er den hoffnungslosen Schimmer in den roséfarbenen Augen erkannte. „Denkst du wirklich, dass es so ist?“, fragte er entsetzt.
 

Keine Antwort. Hakuren schluckte schwer. Dann wisperte er leise: „Du bist mir wichtiger als alles andere, Mei. Glaub mir das doch endlich. Wie oft habe ich dir das in den letzten Wochen gesagt? Immer wieder. Ich liebe dich. Es ist vollkommen krank und widernatürlich, aber ich liebe dich mehr, als ich diese Prinzessin je lieben könnte. Verdammt, ich habe sie nur ein einziges Mal in meinem Leben gesehen! Sie wirkte so verbittert und kalt, ich interessiere mich doch überhaupt nicht für sie. Was soll ich mit dieser verhärmten Prinzessin anfangen? Ich glaube, sie hasst mich. Ist genauso abgeneigt, wie ich. Ich will diese Frau nicht heiraten. Aber mir bleibt nun einmal keine andere Wahl! Bitte glaub mir doch! Das, was ich fühle, wenn ich dich auch nur flüchtig ansehe, ist etwas völlig anderes, so viel stärkeres, als ich es jemals bei jemand anderem gefühlt habe! Wie kannst du mir nur unterstellen, dass du mir egal bist und ich dich loswerden möchte?“ Seine Stimme klang immer lauter und wütender durch die tiefe Nacht. Koumei bekam es mit der Angst zu tun. Die Umklammerung um seine Seiten wurde beinahe schmerzhaft. Er wollte am liebsten im Erdboden versinken vor Scham, den Prinzen so sehr gekränkt zu haben. Natürlich, er vertraute ihm blind. Eigentlich. Aber irgendetwas in seinem Inneren erfüllte ihn mit Zorn über diese himmelschreiende Ungerechtigkeit. Verlieh ihm das eigenartige Gefühl, dass Hakuren viel mehr mit seinem eigenen Schicksal haderte, als sich tatsächlich um ihn zu sorgen. Natürlich, es war nur zu verständlich, schließlich durfte selbst der zweite kaiserliche Prinz sich kaum über gesellschaftliche Normen hinweg setzen. Und irgendwann wäre er sicherlich glücklich mit dieser Entscheidung. Hakuren war ein Mann, sie war eine Frau. Koumei fühlte sich momentan weder wie ein erwachsener Mann noch wie ein kleiner Junge, sondern irgendetwas dazwischen. Weder Kind noch Erwachsener, nein, etwas Unbestimmtes, Erbärmliches. Schließlich war er nur ein enttäuschender Sohn von Koutoku Ren, dem jüngeren Bruder des Kaisers. Eigentlich hätte er das niemals bedauert, aber nun… Er war unnütz. Wieso sollte sich sein ehemals bester Freund auch für ihn entscheiden? Er war nur schwach, klein und es nicht wert, liebenswert genannt zu werden. Dabei brauchte er Hakuren doch so sehr. Er konnte ihn nicht mehr als Freund betrachten. Es ging einfach nicht mehr. Immer wenn er an ihn dachte, wurde er von diesem brennenden Gefühl heimgesucht, dass ihr altes, so herrlich unkompliziertes Verhältnis zerstört hatte. Sehnte sich mit jeder Faser nach seiner Nähe. Und jetzt wollte Hakuren ihn verlassen. Nein, er musste. Wie konnte er nur ohne ihn weiterleben? Hakuren hatte ihm doch versprochen, für immer zu bleiben. Aber nun schien der Prinz sich mit einem Mal seinem Schicksal zu fügen. Vergaß darüber alles andere. Am Anfang war er so viel aufmerksamer gewesen.
 

Koumei zwang mit aller Macht ein trockenes Schluchzen zurück. Wieder wollten die Tränen fließen. Nein. Er durfte nicht weinen. Hatte solange, etliche Jahre, nicht mehr geheult weil ihm etwas nicht gefiel, wie er es als kleiner, schüchterner Junge getan hatte. Es ziemte sich schließlich nicht für einen Mann, also konnte er damit nicht plötzlich wieder anfangen, nur weil er schrecklich deprimiert war. Was sollte denn Hakuren denken? Er weinte niemals und wenn Koumei seinem inneren Drängen nachgäbe, würde er ihn sicherlich für kindisch halten und ihn nie wieder auch nur ansehen. Ihn noch schneller für sein neues Leben aufgeben. Also sträubte er sich lediglich gegen dessen zu festen Griff. Überrascht lösten sich die Arme von seinem Körper und ließen ihn gehen. „Koumei? Was machst du?“ Er konnte nichts erwidern. Sonst wäre der Kloß aus seinem Hals herausgebrochen und hätte ihn in ein Meer aus Tränen gestürzt. Er musste es verdrängen, bis er sich beruhigt hatte. So taumelte er zitternd den kleinen Pfad zurück. So einsam. Achtete nicht mal auf den Weg. Wasser stieg in seine Augen. Schwindel ließ ihn beinahe stürzen. Die teuren Gewänder verfingen sich in den hervorstechenden Zweigen, doch er lief einfach weiter. Fort. Kümmerte sich nicht um das reißende Geräusch, wenn Dornen die edle Seide zerfetzten. Brombeerranken zogen an seinen Beinen, aber er war wie taub und blind. Lief stur gradeaus, lediglich noch in der Lage, dem Pfad zu folgen.
 

Doch plötzlich drang das Geräusch von hastigen Schritten in sein Bewusstsein. „Mei! Warte, du tust dir noch weh!“, flehte Hakuren, doch der Gerufene drehte sich nicht um. Nur weg. Er konnte ihm nicht länger unter die Augen treten. Nicht so erbärmlich. Doch die Fußtritte kamen immer näher. Eine Hand packte ihn an der Schulter. Riss dabei versehentlich an seinen Haaren und brachte ihn zum Winseln. „Mei, jetzt reicht es aber, du kannst doch nicht einfach blindlings durch den dunklen Garten stürmen!“, rief Hakuren aufgebracht. Panisch. Er war gerannt? Koumei schnappte nach Luft. Das hatte er nicht bemerkt. Es musste stimmen, so gierig, wie seine Lungen den Sauerstoff einsogen. Wie auf ein geheimes Zeichen wurden seine Knie weich und schwach. Die Finger auf seiner Schulter erfüllten ihn mit einer unstillbaren Sehnsucht und nahmen ihm all seine Kraft. Er wollte doch nur, dass Hakuren ihn wieder so ansah, wie er ihn vorher betrachtet hatte. Wirklich sah, nicht unbeteiligt schaute. Sich um ihn sorgte.
 

Ein leidendes Stöhnen entrang sich seiner Kehle. Er stolperte nach hinten. Wie von selbst gaben die Beine unter ihm nach. Er stürzte. Direkt in die Arme des Prinzen, dessen Gesicht mit einem Mal reine Furcht ausdrückte. Die Wärme und der Duft seines Gefährten hüllten ihn unendlich wohltuend ein. Koumei blinzelte hilflos zwischen flatternden Augenlidern hervor. Traf das tiefe Blau und erkannte es an dem verzweifelten Blick: Er hatte ihn. Wie immer. „K-Koumei!“ „Ah…“, stieß er gequält hervor und ließ sich mit seinem ganzen Gewicht gegen Hakuren sinken. Überrumpelt wankte der unter dieser zusätzlichen Last, ehe er ihn wieder auffing. „Mei! Sag doch was! Geht es dir nicht gut? Was hast du?!“ Unüberhörbare Panik. Der Rothaarige stieß hervor: „Kümmere dich… um das Land… und… hilf deinem Bruder…“ Der Ältere rief seinen Namen, aber Koumei stöhnte nur.  Hakuren wirkte mit einem Mal so herrlich angespannt.
 

„Sag, hast du heute irgendetwas gegessen, dass merkwürdig geschmeckt oder gerochen hat? Etwas Seltsames getrunken? Etwas, das niemand sonst getrunken hat? Hast du deinen Kelch irgendwo stehen lassen und ihn dann weiter benutzt?“ Koumei lächelte innerlich. Genau richtig. Hakuren stiegen schon die schrecklichsten Szenarien zu Kopf. Weshalb jemand ihn vergiften sollte, leuchtete ihm zwar nicht ein, aber wenn der Schwarzhaarige das befürchtete, gefiel es ihm. Diesen Verdacht konnte er leicht unterstützen. Der Jüngere atmete immer angestrengter. Ließ ein wenig Speichel aus seinem Mundwinkel tropfen, was den anderen in bodenlose Verzweiflung stürzte. „Hey! Atme! Verdammt! Hilfe!“ Koumei lallte irgendetwas Unverständliches in seine Zotteln. Sollte Hakuren doch überlegen, was er ihm scheinbar trotz seiner Qualen so dringend sagen wollte. „Was? Mei, ich kann dich nicht verstehen!“, heulte es. Nun gut, vielleicht sollte er etwas deutlicher reden, nur einen Hauch verständlicher. „Müde“, nuschelte er matt und ließ seine Hände ein wenig zittern. „Sooo müde…“ „I-Ich weiß. Aber du darfst jetzt nicht schlafen, bitte!“ „Aber… der Mond… kommt so nah… und… zerbricht…“ „Was redest du da?“, flüsterte Hakuren entsetzt. Aber Koumeis Kopf fiel ohne Antwort nach hinten. Die schmalen Augen geschlossen. Schon spürte er ein hektisches Rütteln. „Mei! Wach auf! Bitte, ich tue auch alles, was du willst! Aber wir müssen dringend zurück ins Haus! Du brauchst sofort Hilfe!“ Interessant. Langsam wurde es ein wenig gemein. Der Rothaarige linste hilflos unter den langen Wimpern hervor. Hauchte entkräftet: „Du musst mich tragen…“ Kaum hatte er diese Worte ausgesprochen, wurde er auch schon in die Höhe gehoben und spürte, wie Hakuren keuchend zwischen den Büschen hindurch raste.
 

Während er allem Anschein nach sterbend, zumindest dachte das Hakuren, unter Aufbietung von dessen letzten Kräften, nach Hause getragen wurde, begann ein wenig Reue an seinem Triumph zu nagen. Wie hinterhältig ihn wieder auf diese Weise zu betrügen. Hakuren litt sicherlich seelische Qualen. Vielleicht sollte er ihn beruhigen, sonst konnte dieser Abend böse enden. Außerdem sollte er ihn nicht zu einem der Heiler bringen, das wäre wirklich ungünstig.  Hoffentlich hatte er sie mit diesem Trick nicht in Schwierigkeiten gebracht. Hakuren nahm die Angelegenheit sehr ernst. Koumei konnte gut lügen, aber für einen begnadeten Schauspieler hielt er sich auch wieder nicht. Doch der Blauäugige fiel natürlich auf ihn herein. Wie immer. Er legte die Strecke, für die sie vorher mindestens fünf Minuten gebraucht hatten, in lediglich zwei davon zurück. Stürmte durch die geöffnete Terrassentür in Koumeis Zimmer und legte ihn röchelnd, aber bewundernswert sanft auf das Bett. Dann schnellte er wieder hoch. Mist. Koumei erwischte ihn im letzten Moment an seinem Ärmel und zog einmal kräftig daran. Verwundert hielt der andere inne. Starrte auf ihn hinab. Ihre Blicke trafen sich. Dann weiteten sich Hakurens Augen. „Mei? Geht es noch?“, fragte er angstvoll. Man merkte ihm an, dass vor seinem inneren Auge bereits Todesszenarien abliefen. „Ja“, murmelte Koumei und das Nuscheln verschwand. Überrascht starrte Hakuren ihn an, als er sich langsam regte und aufsetzte. „Was geht hier vor? Ging es dir gar nicht schlecht?“, hakte er streng nach. „Na ja… wie gesagt… ich bin müde“, erwiderte Koumei leise und fing den nun aufgebrachten Blick des Prinzen auf. Blau, wie die tosende See. Ein Schaudern erfasste ihn. „War das… nur eines deiner Spielchen?“, brachte der Prinz schließlich außer Atem hervor. Der junge Mann zögerte betreten. „Na ja… nein… vielleicht… Bist du jetzt wütend?“, entgegnete er beschämt. Der Schwarzhaarige zögerte erschöpft. Die Erleichterung lag wie ein Schleier über seinem Gesicht. Dann stöhnte er: „Nein. Ich habe mir nur schreckliche Sorgen gemacht. Ich dachte wirklich, jemand hätte dich vergiftet oder so. Jetzt bin ich froh, dass ich mal wieder zu dumm war, um dich zu durchschauen. Du spielst deine Rolle zu überzeugend.“ Koumei seufzte gelöst. Er hätte etwas anderes erwartet. Umso mehr freute er sich über die ruhige Reaktion.
 

„Aber du willst nicht ernsthaft mit den Schuhen im Bett liegen bleiben, oder?“, fragte Hakuren plötzlich. Verwirrt wackelte Koumei mit den Füßen. Ach ja, daran hatte er gar nicht gedacht. An den Sohlen klebten noch feuchte Erde und zerrissene Blätter, welche das weiße Laken beschmutzten. „Nein, eigentlich nicht. Aber genau genommen kann ich auch nichts dafür, dass ich sie noch trage“, meinte er vorsichtig und warf dem Älteren einen bedeutungsvollen Seitenblick zu. Dieser verdrehte die Augen. „Ohne Diener wärst du ziemlich aufgeschmissen, Mei!“ „Ich weiß, aber ich bin zu ungeschickt dafür…“ Bittend sah er zu Hakuren auf. „Na schön Prinzessin, dann kümmere ich mich eben darum“, gab dieser nach. „Manchmal frage ich mich, wer von uns beiden der Kaiserssohn ist“, brummte er. Koumei lächelte triumphierend in sich hinein. Fürsorglich beugte sich der Prinz über ihn und zog ihm sanft die schmutzigen Schuhe von den Füßen, bevor er sie säuberlich neben dem Bett aufstellte, wobei er es sich nicht nehmen ließ, zärtlich über seine Beine zu streichen. Es fühlte sich so angenehm an. „Danke…“, schnurrte Koumei und drückte sein Gesicht schläfrig in die Kissen. Jetzt konnte er zufrieden einschlafen. Seine Lider schlossen sich müde. „Soll ich dich vielleicht auch noch zudecken?“, schnaubte es da neben seinem Ohr. „Das wäre großartig, Ren. Du bist einfach zu liebenswürdig…“, gähnte er, die Finger bereits in den weichen Troddeln der Kissen vergraben. „Ach ja…“, seufzte er, bereits den lange ersehnten Träumen nahe.  „Vergiss es“, entgegnete Hakuren mit einem Mal lachend und zog ihm eines der Kissen über den Kopf.
 

Ungehalten schlug der Rothaarige die Augen wieder auf. Hatte ihm nicht eben jemand versprochen, alles zu tun, wonach Koumei der Wille stand? Wieso schlug er ihn dann ohne Vorwarnung? Na ja, vielleicht hatte Hakuren recht. Heute früh zu schlafen wäre eine Verschwendung. Aber er war so erschöpft. Andererseits hatte der Prinz nur für ihn die Mühe auf sich genommen, hierherzukommen. Er konnte wirklich noch nicht schlafen, das wäre zu undankbar. Jedoch war ans Aufstehen auch nicht zu denken. Also klopfte er lediglich einladend auf die freie Fläche neben sich. Platz gab es in diesem Bett schließlich genug. Natürlich sagte Hakuren da nicht nein. Nach der ganzen Aufregung wollte er nicht all die verbleibende Zeit steif herumstehen. Schnell streifte er seine verdreckten, schwarzen Stiefel ab und legte sich mit etwas Abstand neben Koumei.

 

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