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Das Leben liebt die Unsterblichkeit

~'*Legolas & Aragorn*'~
von

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*~lhind~*

Aragorn:
 

Ich hatte das Gefühl, die Zeit bliebe stehen und doch bewies mir jedes Wellenschlagen, dass sie weiterlief... grausam und hetzend. Wir hatten soeben den Tolfalas hinter uns gelassen und Ethir Anduin passiert, der uns durch einen Nebenfluss in den Anduin selbst brachte. Der leichte Rumpf hatte wenig Tiefgang, so dass es kein Hindernis darstellte, jenen Zustrom zu nehmen. An den Hauptmast gelehnt, sah ich zu, wie die Wolken an uns vorüberzogen, dunkler und dichter wurden... als würde der Himmel uns warnen wollen, unseren Weg fortzusetzen... als würde uns Schreckliches erwarten. Ich seufzte schwer und sah mich um, ohne Aussicht etwas tun zu können, um die lange Zeit zu vertreiben. So war ich völlig nutzlos auf diesem Schiff und alles schien nur dahinzuschleichen.

Immer und immer wieder gerieten meine Gedanken zu Legolas, der sich sicher im Krieg befand und kämpfte... der sich wacker schlug, um Minas Tirith und sein eigenes Leben kämpfte... und trotzdem auf Unterstützung hoffte. Ja, sie waren zu wenige... zu wenige, um zu siegen und lobenswürdig war dennoch ihr eiserner Entschluss, in den Kampf zu ziehen.

Respekt bis ins Tiefste meines Bewusstsein für das Wissen, dabei zu sterben. Eine Hoffnung schöpfend, die sie nicht vor Augen haben konnten. Doch hier war sie und bei ihnen würde sie sehr bald sein... bald nur, wenn sie durchhielten.

Unschlüssig fuhr ich mir mit der Hand durch's Haar, strich mir ein paar Strähnen aus dem Gesicht und sah über die Reling. An den Ufern zu unseren Seiten erstreckten sich noch grüne Wiesen, Wälder und Bäume, die sich im Wind wiegten und unzählige Blätter, die in ihm tanzten. Ein sinnloses Spektakel, das durch die von der Sonne durchtränkten Wolken in einen unbehaglichen Rotton getaucht wurde, das all ihre Schönheit dämpfte.

Ja, und selbst wenn diese Trübsinnigkeit nicht vorhanden wäre und scheinheilig der blaue, freie Himmel alles im Glanz der Natur erstrahlen lassen würde, wüsste man doch, dass man dies ein letztes Mal nur sehen konnte. Verloren wir den Kampf... verlor Mittelerde seine Schönheit... mit allem, was in dieser Welt lebte.

Stöhnend wandte ich mich ab, holte Luft und setzte mich erneut an den Mast. Müde verschränkte ich die Arme vor der Brust und schloss die Augen. Noch ein wenig Kraft schöpfen und die Zeit verfliegen lassen, wie die Zweifel, die mir den Sinn vernebelten und die Zuversicht nahmen...

Ich befürchtete, dass mich der lange Lauf durch das Totenreich sehr viel Kraft gekostet hatte, denn sehr schnell kehrte ich den Geräuschen meiner Umwelt den Rücken und tauchte ein in meine alte Dunkelheit, doch jäh wurde sie durchdrängt von wirren Farben, die wie Schleier an mir vorbeitanzten, mich annähernd überrannten mit ihrer Intensität.

Grelle Rottöne, wie Flammen, tiefes Grau, wie Rauch... dann sah ich Leichen... starre Gesichter, verzerrt und leer an Leben... ein Gestank von Verwesung und Tod...

Mit einem Mal schrak ich auf und sprang auf die Beine, ohne zu bemerken, dass ich wieder wach war. Die Farben waren verschwunden, doch ebenso auch das blasse Licht der Sonne. Kahle Felsen zu meiner Rechten, tote Erde zu meiner Linken und wenige Meilen entfernt... Minas Morgul.

Doch der Gestank blieb, beißend und warnend durchflutete er die Luft und ich trat vor zum Bug. Wir hatten unser Ziel erreicht! Ich sah die grauen Mauern Osgiliath' und den Ankerplatz. Der Totenkönig selbst erschien lautlos neben mir und ich blickte ihn an, nun wacher und reger denn je. Schreie in der Ferne erreichten mein Ohr... das Grölen der Orks und die Todesschreie der Krieger... das Dröhnen schwerer Beine erschütterte sogar das Wasser und ich glaubte meinen Sinnen nicht, als ich die Laute hörte...

Olifanten...

"Lasst Euch vom Feind nicht sehen, ehe ich voranschreite."

Er nickte zu meinen Worten und augenblicklich verschwanden sie im Nichts. Ich selbst ging in Deckung, als es nur noch eine halbe Meile war und wartete geduldig. Es war verblüffend, wie die Schiffe von selbst steuerten... und nahe bei dem Gebrüll der Feinde selbstständig zum Halt kamen. Ich hörte die Rufe näher kommen, ehe sich eine grausige Stimme über sie erhob.

"Zu spät, wie immer, das Piratenpack! Hier gibt es Messerarbeit zu erledigen! Kommt schon, ihr Seeratten! Runter von euren Schiffen!"

Ihre Blicke wollte ich sehen, ihre Verunsicherung... und dann ihren Fall. Rasch legte ich die Hand auf die Reling, stand auf und schwang mich leichtfüßig über sie. Aus den abwartenden und gar erfreuten Gesichtern, trat eine Überraschung hervor, die man zu selten genießen konnte. Ich sah sie an und mit bodenloser Erschütterung erwiderten sie meinen Blick, vor und zurücktretend, ohne über den Fortgang dieses Ereignisses Bescheid zu wissen. Mit aller Ruhe, die ich noch besaß und mit neuen Kräften in meinen Gliedern, ging ich langsam auf sie zu... und sobald sie ihre Verwunderung selbst überwunden, erwiderten sie dies fauchend und zischend mit erhobenen Schwertern. Und auch ich zog das Schwert aus der Scheide und rannte. Nun würden sie für die Schuld einstehen, die es zu begleichen galt!

Sogleich, als ich den Schritt beschleunigte und sie in ihrer Übermut dasselbige taten, blieben sie nur nach einem kurzen Laufschritt wie erstarrt vor Angst und Schrecken stehen.

Allein war ich nicht und jene, die ich zur Unterstützung rief, folgten mir und leisteten ihren Schwur!

Mit geballter Kraft hob ich das Schwert, durchschnitt den ersten Leib, der gelähmt vor Furcht bewegungsunfähig geworden war und gleichsam fielen sie alle unter den Klingen der Untoten, als wären sie vom Wind selbst zerrissen worden. Und Schutz hatte ich an allen Seiten, war mir der Weg durch die übernommene Stadt Osgiliath wie ein Spaziergang über Wiesen freigelegt und von einer unbesiegbaren Macht geführt.

"Richtet Eure Schwerter zu allererst auf die Feinde in der Weißen Stadt! Schützt das Volk in ihm! Rettet Ihr diese Menschen... rettet Ihr diese Stadt, dann sehe ich Euren Eid als erfüllt an!!"

Die erwiderten Rufe der Toten schien die Hölle selbst herauszuwürgen und doch überflutete mich diese mit einem Gefühl der Zuversicht und des Mutes, Leben noch zu retten und alles zum Guten zu wenden! Die Tore Osgiliath ließen wir schnell hinter uns und mit ihnen einen Berg von Leichen des Feindes. Doch vor mir, der ich unermüdlich rannte und zeitgleich einen Überblick zu erlangen versuchte, zeigte sich ein Feld von schreienden Kämpfern, von wildem Geheul... und zahlreiche leblose Körper, die sich in ihrer Zahl auf dem zertretenden Boden sammelten. Die leuchtende Meute der Untoten spaltete sich gleich eines Meeres, das auf eine Klippe traf und jeder Feind, der ihren Weg kreuzte, fiel ihren Klingen zum Opfer.

Ich selbst kämpfte mich durch die Angreifer, die mich als Einzelnen sahen, hechtete mich unter einer Klinge hinweg und durchbrach die Panzerung am Rücken, ehe ich wieder aufsprang und einer anderen zur Seite auswich. Im Gegensatz zu ihnen, war ich noch voller Kraft, voller Tatendrang und in ihrer Verzweiflung vor der Überschwemmung einer neuen Macht, handelten sie unüberlegter als je zuvor.

Wie durch einen gespannten Fäden durchglitt die Schärfe Anduríls den Rumpf eines Orks, zerschnitt im Schwung den Arm des Nächsten und bohrte sich gnadenlos in das stinkende Fleisch. Die Wärme des feindlichen Blutes haftete an meinen Händen und ich schlug mit der Linken zu, um es sie selbst kosten zu lassen, ehe sie ihr Leben aushauchten. Die Erde bebte und dröhnend ging ein Olifant zu Boden und verblieb regungslos. Ich rannte weiter, sobald ich mich von den ersten Angreifern lösen konnte, blickte mich gehetzt um und suchte, als ich einigen Männern in scharlachroter Kleidung und scharfen Säbeln entgegenkam. Haradrim, wilde Menschen aus Umar und dem Haradwaith. Drei an ihrer Zahl griffen mich gemeinsam an, stießen ihre Klingen nach mir, doch packte ich den einen in weiser Vorsicht am angreifenden Arm und parierte mit dessen Schwert die Klinge des Zweiten. Ein Tritt allein genügte um den Dritten von mir zu stoßen, ehe ich mein eigenes Schwert benutzte und in einer schnellen Kreisbewegung die anderen Beiden zu Fall brachte. Mein Atem fiel schneller, doch meine Glieder regten sich, als wäre sie nicht von mir selbst geleitet, als ich dem letzten die Kehle durchschnitt. Dann eilte ich weiter und sah um mich, suchte unter den Kämpfenden den einen, der meine Gedanken kontrollierte. Doch so viele waren noch in Kämpfe verstrickt, trockene Erde wurde wie Nebel aufgewühlt und nur zahllose Stimmen gaben zu erkennen, wer in der Nähe kämpfte. Tiefe Schreie, Keuchen und Klirren und ich begann schon seinen Namen zu rufen, in der Hoffnung, ihn unter den Lebenden wiederzufinden.

"Legolas!!"

Anstelle einer Antwort, vernahm ich nach einigen Rufen einen gellenden Schrei, hell und klar... und mir bekannt. Ich rannte dem entgegen und der Staub legte sich, während meine Augen die Körper der vielen Toten durchforsteten. Noch einmal ertönte dieser markerschütternde Schrei und ich blieb stehen. Ich wollte meinen Augen nicht trauen, als ich sah, wer dort gebeugt über den Leib eines toten Pferdes schrie und schluchzte. Aber das lange, gewellte Haar, trotz Schmutz und Blut in seinem Blond, widerlegte einen jeden Zweifel. Éowyn, die blonde Maid Edoras' hockte dort und ihre Schultern bebten unter schweren Atemstößen und Tränen. In einer schweren Rüstung gekleidet, lag in ihrer einen Hand ein blutdurchtränktes Schwert... doch in der Anderen hielt sie die Hand eines Mannes, der von der Last des Pferdes erdrückt worden war. Ich öffnete den Mund, ohne auch nur einen Ton von mir zu geben, zog zischend die Luft ein und stieß sie voller Schwermut aus. Die Hand, die von jener Frau gehalten wurde... war keine andere, als die vom König selbst.

König Théoden war gefallen.

Ich erkannte nach wenigen Augenblicken sein Gesicht. Starr sahen die leeren Augen in den Himmel, die Lippen leicht geöffnet, als wäre mit dem letzten Atem ein Wort gefallen... Schmutz und Blut haftete auf der Rüstung und dem Handschuh, welcher so fest von der Frau gehalten wurde. So hatte er doch... viele Kämpfe überstanden und war ein guter Herrscher gewesen, der seine Liebe zu seinem Volk und seinen Verbündeten in Gutmütigkeit zeigte und für ihren Frieden kämpfte.

Er war ein Kind, als ich seinen Vater sterben sah und nun hatte er selbst den Tod gefunden... doch nicht umsonst, sondern ruhmreich... der Weg zu seinen Ahnen war ihm gewiss. Rohes Gebrüll zu meiner anderen Seite erreichte meine Sinne und ich blickte zurück zu einer Meute fliehender Orks. Ein Kämpfer kam ihnen entgegen und fiel sofort ihren Klingen zum Opfer und sie würden diesen Weg fortsetzen. Ich wandte mich ab von der blonden Maid und setzte den Kampf fort, gleichzeitig, um ihr ein Schutzwall in ihrer Trauer zu sein. Tröstende Worte konnte ich ihr erst spenden, wenn dieser Kampf endete.

... ja... und auch die Suche nach dem Elb musste ich unterbinden, musste darauf hoffen, dass er überlebte und wir uns nach der Schlacht wiedersahen. Flink tat ich im rechten Moment einen Schritt zur Seite und ein Ork verlor sogleich das Gleichgewicht und ging fauchend zu Boden. Verhasstes Knurren nahe neben mir und ich zog den Kopf zurück, ehe der Säbel mich erreichte. Rasch hob ich den Arm und schlug mit dem Ellenbogen in das Gesicht des Ungetüms und spaltete seinen Schädel in der nächsten Bewegung. Kurz sah ich auf, als ich weiter hinten einen Krieger entdeckte, der ebenso wacker, doch schon schwankend kämpfte. Den Helm schien er verloren zu haben, denn sein langes Haar wehte zerzaust im starken Wind. Ich drehte ihm flüchtig den Rücken zu, glaubte etwas Unübliches gesehen zu haben und sah bald noch einmal hin, nachdem ich dem am Boden liegenden Ork die Klinge durch den Körper gejagt hatte. Zerfetzt war die Kleidung, befleckt von dunklem Blut und Erde. Der Mann wandte das Gesicht zur Seite und ich erkannte einen tiefen Kratzer auf seiner Wange und hauchfeine rote Flüsse, die bereits getrocknet schienen... bis hin zum freien Hals verlaufend.

Dieses Profil...

Erneut holte mich ein Fauchen aus meiner Beobachtung und ich rollte mich zur Seite, ehe ich das Bein ausstreckte und den Feind in seiner Eifrigkeit zu Fall brachte. Rastlos hob ich den Arm und durchdrang das stinkende Fleisch mit dem Schwert. Keuchend rang ich nach Luft und kam wieder auf die Beine, doch sofort den Blick auf den einen Krieger richtend, der immer noch kämpfte.

Diese Bewegungen... und in meiner Ungläubigkeit erkannte ich, dass das Haar in seiner Wanderung einen blonden Schein unter den roten Tönen warf und jede Vorstellung eines brünetten Kämpfers durch herabfallende Erde widerlegt wurde. Glaubenslos trat ich über die toten Leiber meiner Feinde hinweg und blieb doch wieder stehen, einer Reaktion unfähig.

War er das...?

Geschickt und seiner schwächelnden Glieder zum Trotz, entkam er einem Säbel und streckte den Feind zu Boden. Der Lärm um mich herum wurde nicht weniger und doch glaubte ich seinen Atem zu hören... sogar das blaue Funkeln seiner Augen zu erkennen.

War er das wirklich...?

Noch einen Schritt tat ich, nur um erneut der Bewegungsunfähigkeit zu erliegen. Ich verzog die Brauen und hörte meinen Puls in meinem Trommelfell widerhallen. Mein Herz schlug in schnellem Takt und hart gegen meine Brust... als sage es, wenn ich schon nicht meinen Augen traute... ich es doch meinem Herzen glauben konnte.

Er war es... er kämpfte... und still begriff ich eine Tatsache, die mir das schwere Herz ein wenig erleichterte und den Blick klärte.

Er lebte.

~*~
 

Legolas:
 

Mit zusammengebissenen Zähnen und schmerzenden Gliedern, obgleich ich schweren Verwundungen bisher entgangen war, entwich ich einer von vielen tödlichen Klingen, hechtete mich an ihr vorbei, warf mich gegen den Leib des Feindes und rammte mit aller Wucht die Säbel in diesen. Nahe lehnten wir aneinander und gemeinsam stolperten wir zurück. Stinkender Atem schlug mir entgegen und ächzend zog ich die Klingen aus seinem Körper, bevor er einen letzten röchelnden Atem ausstieß und sein Blut, welches er mit sich brachte, meinen Hals säumte. Ekel griff nach mir und schnell versuchte ich ihn loszuwerden, stieß ihn von mir, strauchelte zur Seite und wischte das Blut von meiner Wange. Noch in dergleichen Bewegung verstaute ich den Säbel in der Scheide, sah für eine Hand bessere Möglichkeiten, als diese Waffe zu führen. So packte ich den Arm des folgenden Angreifenden, zog ihn mit mir und kurz glaubte ich, meine Augen würden einen grünen Schatten erspähen, der sich rasch und abnorm in weiter Entfernung bildete. Ich blinzelte, wurde kurz abgelenkt durch diesen Anblick und der Ork prallte gegen mich. Verbissen klammerte ich mich um seinen Arm, legte den eigenen keuchend um seinen Hals, zerrte ihn zu mir und strauchelte zurück.

Erneut bemerkte ich dieses Gebilde...

Gleich einer Flut fiel es über das Schlachtfeld herein, bäumte sich auf, brauste weiter...

Eine Faust traf meinen Bauch und ich zuckte zusammen, packte den Ork fester, rang mit ihm und ging zu Boden, als wir über unsere Beine stolperten. Ich ächzte, er fauchte und ich klammerte mich an ihn, durfte seiner Klinge keine Freiheit gewähren. Weich lag ich auf den Körpern der Gefallenen, kämpfte damit, dem aufgebrachten Ork meine Kontrolle aufzuzwingen und nach einem kurzen Handgemenge ertastete ich an seiner Rüstung einen Griff. Zitternd versuchte ich ihn zu fassen, als sich seine Hand um meinen Hals legte und ich den Säbel losließ, um mich gegen sein Würgen zu wehren. Verfault roch sein Atem, benebelnd für meine Sinne, starr die hellen Augen, die hasserfüllt auf mich gerichtet waren.

Ich schloss die Eigenen, fand durch einen lauten Aufschrei neue Kraft und packte den Dolch, den er selbst im Gürtel trug. Gleichsam gelang es mir, mich aufzurichten und ehe er zum Streich ausholen konnte, versenkte ich die Klinge tief in seinem Rücken und er würgte schrille Laute hervor, fiel nach hinten und zog mich mit sich, indem er seine Hand auch weiterhin verkrampft um meinen Hals klammerte. Ich hustete, als ich auf ihn fiel, zerrte seine Hand fort und wand mich, um von ihm runterzukommen. Röchelnd und ermattet kroch ich auf den Knien über die Toten. Geweitet starrten mich die leblosen Augen der Menschen an, stinkend umgaben mich die Kadaver und ich quälte mich damit, sie nicht anzusehen. Unsicher griff ich nach dem Säbel, legte die Hand auf die Rüstung eines toten Orks, stützte mich ab und stemmte mich hinauf.

Als stünde ich das erste Mal auf den Beinen, als wären sie meine Last nicht gewöhnt...

Ich fand mich unsicher auf ihnen, tat einen benommenen Schritt, um das Gleichgewicht zu suchen. Gerötet waren meine Augen, in ihren Fähigkeiten gehemmt, durch den Staub, der sich in eine jede Pore setzte. Und dennoch fiel es mir leicht, mein altes Ziel wiederzufinden. Kurz konnte ich mir eine Unaufmerksamkeit leisten und desorientiert blickte ich nach beiden Seiten, sah hinüber zu den grünen Wogen, die sich unauffällig in hellen Schatten wiederspiegelten und gleich einer allesverzehrenden Macht, preschten sie gegen die geschundenen Mauern Minas Tirith'.

Ich wusste, wer sie waren... ja, ich wusste es. Doch stand ich diesem Wissen mit Ungläubigkeit gegenüber. Meine Augen brannten, als mich eine Brise dreckigen Staubes erfasste und ich hob schützend die Hand, erblickte kurz darauf einen Schatten, der sich mir näherte und nahm eine verräterische Bewegung wahr. Trotz der marternden Schwäche war es mir ein Leichtes, der Klinge zu entkommen. Das Haar peitschte in mein Gesicht, als ich mich eilig drehte, mich aus dem Schlag herauswand und mit einem raschen Hieb die Schwachstelle der Panzerung fand. Besiegt fiel auch dieser Ork nieder und meine Lippen öffneten sich einen Spalt weit, als die grüne Flut leuchtend und beängstigend schnell einen Weg in die Stadt fand und sich in ihr ausbreitete.

Die Bewohner des Nebelgebirges...

Die Toten, die dennoch im Diesseits hingen...

Laut stieß ich den Atem aus, schloss den Mund, schluckte schwer und blinzelte zur Seite. Ich glaubte ihn zu spüren... seine Präsenz an diesem Ort...

Und es fühlte sich an wie ein Schlag in´s Gesicht, sich dessen bewusst zu werden.

Was war mit mir?

Was fühlte ich nur in diesen kurzen Momenten des Innehaltens?

Hatte ich ihm nicht mein Vertrauen geschenkt, den Glauben, dass er auch diese Prüfung bestehen würde?

Hatte ich mich nicht auf ihn verlassen?

War ich mir nicht sicher gewesen, auf seine teure Hilfe bauen zu können?

Weshalb fand ich mich nun so überrascht vor, dass es beinahe schon an Entsetzen grenzte?

Das Vertrauen war keine Selbstbelügung gewesen, um mir neuen Mut zu schenken.

Nein, wie Selbstbelügung aussah, wusste ich sehr wohl.

Verworren waren meine Gefühle, meine Gedanken nicht offen für Ordnung, zu kurz war der Augenblick, in dem ich mir Zeit für sie nahm... zu unvorhergesehen, hatte ich doch geglaubt, bald würden sie schlummern und davor verschont sein, sich mit jeglichen Sorgen und Nöten auseiandersetzen zu müssen.

War ich, der in dem Tod die Gewissheit sah, nun dennoch offen und bereit für das lange Leben, welches viele Geschehnisse für mich bereit hielt...?

Ein erschreckendes Geräusch drang mir entgegen und ich folgte ihm, riss meine Aufmerksamkeit von den Gedanken los und drehte mich geschwind um. Aufgebracht nach hastigen Angreifern suchend, übersah ich eine Gestalt, die reglos dortstand. Als nähme sie nicht am Kampf teil, war sie für mich nicht von Bedeutung und fahrig hielt ich nach Orks Ausschau, klammerte mich an meinen Säbel und sah die einzigen Feinde in sicherer Entfernung. Ich musste einer Täuschung unterlegen sein. Zu strapaziert waren meine Sinne, geschwächt durch die gnadenlose Beanspruchung, der auch mein Körper bald erliegen würde. Aufgebracht, beinahe schmerzhaft schlug das Herz in meiner Brust, einjedes Pulsieren schien meinen Körper in Schaudern und Zittern zu stürzen und fremder Schmerz schien von außen in mich einzudringen, ließ sich bei jeder Bewegung spüren.

Grausam war dieser Krieg und dennoch sollten mir Schlimmere bevorstehen, sollte mir dieser das Leben lassen. Ich zog die Nase hoch, strauchelte hilf- und orientierungslos, starrte um mich und zu unüblich war die Ruhe, die jene Gestalt inmitten der Schlacht zu wahren schien. Durch Staub und Dreck sah ich sie erneut und lange blieb mein Blick an ihr haften. Unschlüssig und unwissend, bis mir eine scharfe Böe die genauere Sicht zurückbrachte und ich mir auf einen Schlag der bekannten Züge bewusst wurde. Stärker als jeder Schmerz, den ich bisher verspürte, stach ein erschrockenes Zucken in mir, raubte mir mit seiner Intensität die Kontrolle und ließ mich erstarren. Meine Augen weiteten sich und nur mit größter Anstrengung konnte ich meine Hand davor bewahren, den Säbel freizugeben.

Dort stand er... gleich eines Traumgebildes. Und doch war er so reell, wie man es nur sein konnte. Er war erschienen... ja, er war hier.

War mir der Atem doch gerade noch so rasend und unkontrolliert entwichen, schien er sich zu beruhigen, scheinbar zu verstummen. Ich nahm seine Laute nicht mehr wahr, stand dort und sah ihn an. Und er erwiderte meinen Blick, hatte mich früher erspäht und schien meine Emotionen wiederzuspiegeln, so sehr ähnelten sie sich.

Verwunderung... das Entsetzen des unvorhergesehenen Aufeinandertreffens, welches wir beide wohl nicht erwartet hätten. Ganz ohne gleichen war es wohl ein Anlass zur Freude und wirklich ließ sich auch etwas spüren, das mit Erleichterung zu vergleichen war. Erst spät griff dieses Gefühl nach mir, doch vermochte es nicht nach außen zu dringen und ich zeigte mich auch weiterhin versteinert.

Welch ein Erfolg... welch ein Triumph, welch ein Glück und welch Rettung sein Erscheinen nur mit sich brachte! Er hatte gesiegt und nun stand er mir gegenüber. In jener unerschütterlichen Haltung, in der Hand das stolze Schwert Narsil, welches ich mit Verwirrung erspähte und welches dennoch so manche Erklärung mit sich brachte.

Er besaß es! Das Schwert der Könige...?

Der Kampf schien ihn bisher mehr verschont zu haben, als mich. Gezeichnet war sein Gesicht nur mit wenigen Kratzern, Stärke schien seinem Körper noch innezuwohnen und er, als der Retter in der Not, stellte genau dies dar. Wacker und kräftig... entschlossen und...

Ich blinzelte, kurz entfloh ich seinem Blick, spürte, wie sich ein Lächeln seinen Weg durch die Kraftlosigkeit bahnte, sich zögerlich entfaltete. Und ich presste die Lippen aufeinander, senkte den Kopf und sah ihn kurz darauf wieder an. Wie gut tat sein Anblick, wie beruhigend war seine Anwesenheit, wie glücklich war ich, ihn vor mir zu sehen. Lebendig, triumphal... unverletzt. Ja, in diesen Momenten war ich stolz auf ihn, scholt mich selbst meiner Zweifel und tat einen zaghaften Schritt nach vorn, mich ihm zu nähern...

Und ich tat es nur langsam, hielt den Säbel gesenkt, ebenso den Kopf und die Kraft, die ich mir nicht zugemutet hatte, verriet das Lächeln, ließ es schwinden und mein Gesicht in ausdrucksloser Mimik verharren. Ich fühlte mich hin und hergerissen zwischen Freude und jenen andere Gefühlen, die ich noch nicht zu definieren wusste. Noch zaghafter wurden meine Bewegungen und kurz hielt ich inne und schloss die Augen...

Nicht grundlos hatten mich Sorgen gequält...

Nicht grundlos hatte ich gegen mich selbst gekämpft...

Nicht grundlos hatte ich im Dreck gekauert...

Mit Grauen erinnerte ich mich an die Nacht, auf die der Aufbruch folgte. Leidend und ratlos, ebenso hiflos und unentschlossen war ich gewesen... hatte mich verraten gefühlt. Und ich war seinen Intrigen erlegen. So aufrichtig diese auch waren... ich war ihnen erlegen!

Meine Augenbrauen verzogen sich und langsam setzte ich mich erneut in Bewegung.

Auf eine andere Art und Weise befasste ich mich nun mit jenen Geschehnissen, trat mit einem Schritt über einen Toten und führte meinen Weg fort.

Wie sehr hatte ich ihn verflucht...

Wie sehr hatte ich mich verdammt...

Und noch immer kannte ich keinen der Gründe. Noch immer wusste ich nicht, weshalb er eine solche Kluft herbeiführte, selbst den unerschütterlichen Zwerg in Zweifel und Wut trieb. Ja, auch mein Gemüt hatte der Zorn erfasst. Nichts derartiges war es gewöhnt und es war ihm unterlegen... schien mich nun erneut zu übermannen.

Erneut stieg ich über eine Leiche... keinen Schritt konnte ich auf den Boden setzen, ohne dies zu tun. Eine kalte Böe erfasste mich, kitzelnd glitt eine blonde Strähne über mein dreckiges Gesicht und meine Augen tasteten sich über den Boden.

Entschlossen war ich nun in meinem Weg und rasend tobten die Gedanken in mir, die Eindrücke, Erinnerungen, die mich mit sich rissen, mich glauben ließen, in die Vergangenheit zurückversetzt zu werden, all dem näher zu sein, als ich wollte.

Schwere Schritte gingen auf den Boden nieder. Rasch näherten sie sich mir, eine Rüstung schepperte eine Klinge durchschnitt die Luft... wollte sich jedoch durch mehr fressen als nur das. Noch immer hielt ich den Blick auf dem Boden, ging ruhig vorwärts und hielt inne, als ich die Kreatur aus den Augenwinkeln erspähte. Als gönne mir die Schwäche eine kurze Rast, entwich ich der Klinge, beugte mich zurück und noch während der Ork an mir vorbeistolperte, schlug ich die Hand in seinen Nacken, klammerte die Finger in sein verfaultes Fleisch und mit einem surrenden Hieb zerschmetterte ich seine Rüstung am Rücken, zertrümmerte seine Wirbelsäule, stieß ihn gar noch hinab zu meinen Füßen, als er längst dem Tode geweiht war und stieg über ihn hinweg, als wäre er nichts weiter als eine lästige Hürde, die es leicht zu überwinden galt. Gleichsam lenkte ich den Blick zurück auf Aragorn und trat näher zu ihm, auf dass ich ihn bald erreichte. Ich war nicht darauf aus, meine Emotionen zu verbergen, trug keine Schuld an meiner Ausdruckslosigkeit und beinahe erschreckte es mich, als ich ein leichtes Zucken in meinen Augenwinkeln spürte.

Er war von uns gegangen! Und das in einem Egoismus, der dem Normalen nicht entsprach und dennoch nur schwerlich durch eine Entschuldigung zu bereinigen war!

Als wäre er sich der Gefühle der Gefährten nicht bewusst!

Der Gefährten... von denen nicht mehr zurückgeblieben war, als ein kläglicher Rest, der nur wenig bewirken konnte. Und das ohne jeglichen Ansporn...

Verlassen von ihm...

Niemand sah sich hier als Anführer, niemand glaubte, seine Bürden tragen zu können und so war er es doch, der von größter Wichtigkeit war! Ein Anführer, der ebensolche Pflichten trug!

... der nicht so handeln durfte!

Wie hatte Gimli getobt!

Wie hatte ich mich gequält!

Wie hatte sich nur Merry fühlen müssen, als ihn die erschreckende Nachricht ereilte!

Meine Miene begann zu schmerzen, verzog sich und ich sah ihn dort stehen, als wäre er sich keiner Schuld bewusst! Als entsprächen all seine Pläne der reinen Normalität! Als wäre nur er es gewesen, der Ängste hatten durchstehen müssen!!

Nein... Ängste...

Ich sah ihn vor mir, erreichte ihn.

... sie hatten nicht nur ihn zerfressen!

Und ich schlug zu.

Mit geballter Faust, als stelle er einen Feind dar, den es zu bezwingen galt. Mit zusammengebissenen Zähnen schlug ich ihm in das Gesicht und ich wünschte, er hatte Schmerzen dabei... ich wünschte, er spürte es deutlich und würde es noch lange spüren. So, wie ich mich gewunden hatte. Und unsere Ängste waren nur durch ihn zum Leben erwacht! Nie hatten sie an diesem Kampf gehaftet... nie an dem Tod, der in diesen Umständen einer Gewissheit glich!

Ich selbst verlor das Gleichgewicht, war nahe davor, über einen Kadaver zu stolpern und mit letzter Kraft drückte ich die Knie durch, hielt mich oben. Als wäre ich aus einem Traum erwacht, in dem nichts zu mir drang...

Mein Atem... laut und gehetzt rauschte er in meinen Ohren.

Mein Herz... dumpf und schnell raste es in meiner Brust.

Mein Körper... kraftlos kontrollierte ich ihn.

Und meine Hand... die ich ermattet sinken ließ.

Nicht nur er hatte gelitten...

~*~
 

Aragorn:
 

Ich fühlte dieses Glück... ein endloses Gefühl von Befreiung. Er lebte... wenn auch mit letzten Kräften, doch er warf den Feind zu Boden und als ich flüchtig zu den Mauern der Stadt blickte, war diese vom Leuchten der unbesiegbaren Kämpfer erfüllt.

Ja... auch wenn seine Kräfte am Ende waren... mehr benötigte er nicht mehr. Der Kampf am Pelennor war beinahe beendet und der Sieg nahe. Rasch kehrte meine Aufmerksamkeit zu Legolas zurück und kurz darauf hatte auch er mich gesichtet. Seine Verblüffung zeigte er offen und es erfreute mich innerlich so sehr, dass es sich wohl nicht mehr beschreiben ließ. Es waren nur einige Stunden gewesen...

Wenige Stunden im Grunde genommen, in denen wir voneinander getrennt waren und doch war es mir eine schiere Ewigkeit gewesen, als ich ihn zuletzt gesehen hatte. So viel Angst und Sehnsucht hatte ich gespürt, in dem Glauben, ich würde ihn zuletzt in einem Totenbett sehen dürfen... nur noch seine blasse Miene. Und doch hatte mich das Fünkchen Hoffnung daran erinnert, zu wissen, dass er lebte.

Mein Herz hatte es mir nur zu leise zugeflüstert...

Geduldig und abwartend, dazu jedoch nur von dieser einfachen Freude, die sich hinter meiner emotionslosen Miene verbarg, stand ich dort und sah ihm zu, wie er den Kopf senkte und das Haar sich über seine Schultern legte. Seine Kleidung, sein Antlitz... alles war übersäht von Dreck und Blut und dennoch vermochte es niemand, ihm die Schönheit zu nehmen... und die Kräfte, die in seinen Augen glänzten... und all das, was ich an ihm liebte.

Ich sah ein Lächeln... schwach und zerbrechlich aber es war da, wenn auch nur für wenige Augenblicke. Er tat einen Schritt... zögerlich und es irritierte mich leicht und dann verschwand das Lächeln hinter einer seltsamen Mimik.

Ruhig verharrte ich an dem Punkt, wo ich stand und wartete... ich wollte mir diese Begegnung nicht nehmen lassen, zumal ich kaum Feinde in unserer Nähe erspähte. Nur der Wind hob die staubige Erde erneut und hüllte uns ein in einen nebelhaften Dunst, der bisweilen den Blick ins Ferne verbot. Mein Augenmerk jedoch, sehnte sich nicht nach der weiten Sicht, war meine Beobachtung nur auf Legolas konzentriert, der über einen Toten stieg und für einen Moment die Augen schloss.

Welche Gedanken tobten in seinem Kopf... welche Erinnerungen rief er gerade hervor, so dass er in der mir bekannten Abwesenheit verschwand und dennoch seines Weges ging?

Gern wäre ich ihm entgegengekommen, doch ich tat es nicht. Nichts konnte diese Lähmung beschreiben, in der ich als einzige Reaktion Anduríl zischend in die Scheide gleiten ließ und den Elb anblickte. Vielleicht erwog ich nur die Gelegenheit, ihn zu umarmen und berühren zu dürfen oder vielleicht war es eigenes Hadern, das mich zum Einhalten gebot. Nicht zuletzt nahm mir diese nun angespannte Beobachtung die Schnelligkeit, dem aus dem Nichts kommenden Ork ein Gegenspieler zu sein, zu spät hatte ich ihn bemerkt.

Doch selbst wenn ich eine Regung offenbaren könnte, so war mir Legolas meilenweit voraus. Er war plötzlich ganz anders, als hätte sich jemand seines Körpers bemächtigt. Annähernd mühelos wich er der Klinge aus, packte den Feind am Nacken und zerstörte die Rüstung. In völliger Gleichgültigkeit ließ er den Ork zu Boden gehen und stieg über ihn hinweg, als ob dieser Feind schon tot war, ehe er angegriffen hatte. So müde und von allen Kräften verlassen der blonde Elb eben noch gewirkt hatte, umso fester wirkte nun seine Haltung. Ich löste mich aus meiner eigenen Beklommenheit und lockerte meine Festigkeit, abschätzend und weiter in Geduld... ich erkannte ein Zucken in der Miene des Blonden und konnte es nicht deuten. War jetzt nicht der gewünschte Zeitpunkt, an dem voller Freude die Hände aneinandergeschlagen und die Last von den Schultern genommen wurde?

Unwissend verzog ich die Brauen, als er mich schon beinah erreichte und ich dennoch zu keinem Ergebnis kam. Hatte ich etwas übersehen?

Seine letzten Schritte kamen schnell, doch ebenso ungestüm hob sich auch sein Arm. So rasch fand ich wahrhaftig keine Zeit zur Reaktion und eisern traf mich seine geballte Faust, wuchtig und stark, als hätte er die Kraft nur für diesen Schlag aufbewahrt. Die Heftigkeit riss mein Gesicht zur Seite, ich verlor mein Gleichgewicht und taumelte einige Schritte zurück. Fast wäre ich über einen Toten gestolpert, doch fand ich im letzten Moment noch keuchend Halt.

Diese Wut... nie zuvor hatte er sie ohne Worte zum Ausdruck gebracht. Nie zuvor hatte ich sie so gespürt und meine Beine ließen etwas nach, ehe ich sie wieder strecken konnte. Ich fühlte eine seltsame Hitze auf meiner Lippe und zögerlich hob ich die Hand und fuhr sie mit den Fingerkuppen nach. Etwas Blut... ein leiser Schmerz und das Pochen in ihnen... langsam richtete ich mich auf und sah auf meine Hand, starr und nun wohl selbst etwas abwesend.

Ich war ein solcher Tölpel...

Meine anfängliche Verblüffung, die sich mit dem wunderlichen Schrecken vermischt hatte, zog sich zurück. Noch deutlich sah ich vor dem geistigen Auge die Ereignisse meines Verschwindens. Die Lüge und Hinterhältigkeit, die anderen, doch wohl am meisten ihm zugesetzt hatte. Es war ein verräterisches Spiel gewesen... ein Netz, in welches ich ihn boshaft hineinlaufen ließ, ohne ihm eine Gelegenheit gegeben zu haben, seine Meinung zu äußern.

Meine Hand sank hinab, ebenso wie mein Blick, der wirsch den Boden abtastete, ohne etwas zu suchen. Ich spürte, wie sich meine Stirn in Falten legte und wie sich meine ganze Mimik veränderte. Ich war mir der Schuld bewusst... stärker und untrüglicher konnte dieses

Bewusstsein nicht sein. Langsam und ruhig hob ich den Kopf und holte tief Luft. Ich schloss für einen Moment der Verinnerlichung die Augen und öffnete sie wieder, sie direkt auf Legolas richtend. Ich hatte ihm Leid zugefügt, durch eine Entscheidung, die ihm nichts anderes als Sorgen bereitete. Und wie ich es mir schon vor der Abreise selbst

schwor... wollte ich ihm sagen, dass ich ein vollkommener Narr war... dass ich ihn untertänigst und auf Knien um Vergebung bitten wollte...

Dass ich der Letzte sein wollte, der ihm wehtat.

Leise seufzend wandte ich mich wieder an ihn, ließ den Schmerz, Schmerz sein. Ich verdiente ihn und weitaus mehr von seiner Wut. Er hatte alles Recht auf seiner Seite. Ich schluckte schwer, ballte kurz selbst die Hände zu Fäusten und ging dann langsam und bedächtig auf ihn zu. Es tat mir leid... so unendlich leid.

"Legolas, ich..."

Ein dünner Schrei unterbrach mich in meiner Ausführung und urplötzlich spürte ich eine jähe Herzbeklemmung durch diesen grausamen und bitterkalten Klang, der mich in der Bewegung erstarren ließ. Ich erblickte nur, so geschwind, wie sich ein Schatten an Hauswänden auftun konnte, wie eine riesige Gestalt aus den Lüften niederstieß und mit diesem gellenden Schrei Klauen nach mir griffen. Ein gedrungenes Ächzen drang aus meiner Kehle, als ich gepackt und mir der Boden unter den Füßen geraubt wurde. Der kalte Wind peitschte mir gegen den Körper, fest und schmerzhaft tief bohrten sich die riesigen Krallen in mein Fleisch. Die Erde unter mir wurde kleiner und wir stiegen hinauf, während mein Herz und Leib bebte und vor Schmerz und Kälte zuckte.

Das eisige Fauchen klang spöttisch und wie ein Lachen voller Hochmut.

Mit marternden Gliedern verdrängte ich in aller Eiligkeit die Lage, in der ich mich befand, sah nur, wie das Schlachtfeld selbst immer unkenntlicher wurde und ich darüber hinwegfegte.

... er stieg höher und doch war dies kein Anzeichen von Mordung... er trug mich davon!

Beißend war der tiefe Schmerz dieser festen Krallen in meinem Körper, schwer gelang es mir, Atem zu holen und klare Gedanken zu sammeln. Ich durfte nicht fort! Nicht jetzt! Nicht so!! Mit aller Kraft versuchte ich die Klauen zu öffnen, ganz gleich, wie tief ich fallen sollte, doch so gigantisch, wie die geflügelte Schreckensgestalt war, so viel Stärke schien sie ebenso zu besitzen! Fester wurde der Griff nun, entlockte mir einen qualvollen Schrei, der die Schmerzen weiter anschürte! Gehetzt sah ich mich um, keuchend, stöhnend und der Hilflosigkeit schreckensnah!!

Dennoch war ich noch nicht bei ihr, mutfassend eher noch...

Ich ertastete die Scheide meines Schwertes und zog es mit letzter Kraft hinaus. Mit einem verzweifelten Schrei hob ich das Schwert und versetzte dem geflügelten Wesen einen Hieb über die Klaue. In jenem Moment krächzte das Geschöpf schmerzvoll auf, verfestigte gar

seinen Griff erneut und bäumte sich fahrig auf, unkontrolliert und rasend. Es hob die Klaue weit und ich hörte das erneute schneidende Fauchen des Nazgûl.

Dann, eine Bewegung! Eine schwungvolle Bewegung hinab und mit einer Schnelligkeit, der ich nicht gewachsen war... er ließ los. Mir verblieb keine Zeit, einen Ton von mir zu geben, nicht einmal Luft hatte ich holen können... doch ich spürte den Aufprall auf dem Boden in aller Deutlichkeit... ein einziges, tiefes Stechen in der Seite und ein irres Dröhnen in meinem Kopf... ein leichter Abhang, den ich völlig benommen hinabrollte... ein grausamer Druck in meinem Bauch und das Knirschen der Knochen...

Ich kam zum Stillstand, bemerkte es durch die einzige Sicht, die mir gegönnt war, in der sich die Farben nicht mehr im Kreise drehten und die Welt verschwommen und schleierhaft erwachte. Ein Nachdruck bildete sich sogleich in meinem Magen und ich begann zu

husten, röchelnd, ehe ich ohne jegliches Gleichgewicht den Kopf hob. Die Welt um mich herum veränderte sich und doch blieb sie gleich... das Gestein unter mir rasselte im heftigen Wind... und verfärbte sich rot. Ich hustete weiter, spuckte Blut und blickte mit schwachem Blick über die Ebene... ich erkannte nichts... Anduríl war nicht hier...

Mein Kopf wurde schwerer und ich kämpfte mit aller Macht gegen die Bewusstlosigkeit an, versuchte einen Arm zu strecken, doch versagte er mir nach wenigen Bewegungen den Dienst. Alles drehte sich... und ich ließ den Kopf zur Seite fallen und wand mich quälend auf die Seite... Einzelne Strähnen legten sich auf meine Stirn, kühl und feucht... von Schweiß oder Blut getränkt. Es gelang mir nicht, die Gedanken zu sammeln, eine weitere Bewegung auszuführen... doch ich hörte diesen Schrei, diesen erbosten, unbarmherzigen Schrei! Er wurde lauter und der Wind heftiger... ich konnte ihm nicht entkommen.

~*~
 

Legolas:
 

Seine Lippe bluteten...

Und als wolle er sich von der Wahrheit dieses Schmerzes überzeugen, hob er stockend die Hand, um die Wunde zu fühlen, die ich ihm zugefügt hatte...

Und wie sehr wünschte ich, er würde auch die spüren, die nicht weniger durch seine Hand, in mir klaffte. Ich wurde hin und hergerissen zwischen der Entschlossenheit, in der mir meine Taten nicht als Ungerechtigkeit erschienen und der verbitterten Angst, dass er mir erneut die Kontrolle raubte, was so beängstigend in seinen Fähigkeiten lag.

Nicht weniger entsetzt starrte ich auf das Blut an seinen Lippen und er säumte die eigenen Fingerkuppen mit ihm, den Kopf stets gesenkt haltend... es betrachtend.

Reglos stand er dort, die Hand erhoben, den Blick auf die Finger gerichtet. Und er wirkte so abwesend wie noch nie zuvor, annähernd erstarrt, als sähen seine Augen längst nicht mehr das Blut, als schweiften sie hinab in tiefere Gefilde, die mit dieser Situation durch keinerlei Zusammenhänge verbunden waren. Mir selbst gelang es nicht, mich mitreissen zu lassen, hielt mich fest, wenn auch unbeabsichtigt in der Realität und verfolgte mit rasendem Atem, wie er die Hand nach einer langen Zeit sinken ließ. Auch den Kopf, bis er das Kinn beinahe auf dem Schlüsselbein bettete und zu Boden starrte.

Ich vermochte nicht zu sagen, ob mir die marternde Schwäche ein trügerisches Bild offenbarte, doch wirkte er weniger befangen, als er nun zum Leben zu erwachen schien. Seine Stirn legte sich kraus, seine Augen beschrieben peinigende Gefühle und ich wagte es nicht, mich ihm zu nähern, verharrte an meinem Platz, in der einen Hand den Säbel, die andere noch immer zur Faust geballt. Als hätte dieser Schlag ihn aus einer verborgenen Benommenheit gerissen, als fanden erst jetzt Erinnerungen zu ihrer alten Existenz zurück und von einem Augenblick zum nächsten, schien er sich in seinem Leib nicht mehr wohlzufühlen. Seine Miene zeigte offene Wehleidigkeit und dennoch verlangte es mir nicht viel ab, die entfremdende Distanz zu wahren, die wir durch das Zurückstolpern zwischen uns geschaffen hatten.

Seine Schultern hoben sich unter einem tiefen Atemzug, sanken sie hinab und ebenso taten es seine Lider, als hätten sie keinerlei Kraft mehr inne. Er selbst hat sich in jenes Leid gestürzt, sagte ich mir. Ich führte einfach die Gedanken, legte keinen Wert darauf, zu sehen, ob sie sich als Selbstbelügung oder als Wahrheit entpuppten. Ich dachte es mir und es schien ohnegleichen sinnlos, denn nichts veränderte sich an dieser Lage. Ich fühlte mich schlecht, stand zitternd auf meinen Beinen und die plötzliche Begegnung schenkte mir das verwirrende Gefühl der Überforderung, mit dem ich nicht umzugehen wusste. Ich fand mich unfähig etwaiger Gedanken, unfähig auch, meinen Körper sprechen zu lassen und doch fand er die Kraft dazu. Starr und doch wankend sah ich, wie er sich aufrichtete, wie sich seine Augen öffneten und sich die blauen Augen geradlinig und zielstrebig auf mich richteten. Ohne abzuschweifen, trafen sie mich und ein Flehen loderte in ihnen, welches mir das Herz zusammenkrampfte.

Was stand er nun dort und suchte nach Vergebung?

Ich allein konnte sie ihm nicht geben...

Seine Hände verrieten Beunruhigung, als sich sie kurz ballten, seine Augen hingegen, bedienten sich einer anderen Sprache. Und sie waren es, auf die ich meine Beachtung lenkte. Ein kaltes Beben durchzog fröstelnd meinen Leib und ich erschauderte sichtlich, klammerte mich um den Säbel, als wolle ich ihn gegen einen Feind erheben. Kurz ballte sich meine freie Hand zur Faust erschlaffte ebenso schnell und stockend wich ich zurück, als er sich mir in langsamen Schritten näherte.

Die Nähe, die er suchte, kam zu rasch... ich fühlte mich ihr nicht gewachsen, fürchtete mich gar vor ihr. Unruhig und doch nicht hetzend, setzte ich den Fuß zurück, spürte einen leblosen Leib an meiner Ferse und hielt inne.

"Legolas."

Nur leise sprach er meinen Namen aus, sein Flüstern drang zu mir und nichts schien diesem die Intensität rauben zu können, mit dem es mich erreichte. "Ich..."

Das kalte Grauen griff nach mir, als sich der Himmel über uns verdunkelte. Von einem Augenblick zum Nächsten wurde er durch einen riesigen Schatten verdunkelt und noch ehe ich aufblicken konnte, erhob sich ein grässlicher Laut, der schmerzhaft und tief in mein Innerstes drang. Ein Schrei... so grausam und tosend, so schrill und sinnesbetäubend, dass der Säbel meiner Hand entglitt und ich unter einem lauten Aufschrei beide Hände auf die Ohren presste. Ein kolossaler Schatten entfaltete sich über uns... schneidiges Frösteln durchfuhr mich... die Temperatur schien stetig zu fallen, nichts blieb von der Hitze des Körpers zurück, die durch den Krieg entfacht, fiebernd und lodernd in einjedem Kämpfer brannte. Ein plötzlicher und erschütternd heftiger Windstoß erfasste mich und ohne dass ich einen Schritt tun konnte, stützte ich zurück, stolperte über jenen Leib und ging zu Boden. Dumpf hallte der Aufschlag in meinem Kopf wider, Staub umstiebte mich, drang in meinen Hals, meine Nase, meine Augen und in den ersten Momenten restlos der Beweglichkeit beraubt und der Benommenheit übergeben, blieb ich liegen und räkelte mich, wie durch ein Gift betäubt. Ich wand mich, keuchte, ächzte abgehakt, meinte, nun auch die letzte rettende Kraft verloren zu haben und nicht dazu imstande zu sein, mich ein weiteres Mal auf die Beine zu kämpfen.

Hatte soeben noch gespenstische Stille zwischen uns gelegen, umfingen mich die bekannten und gleichermaßen gefürchteten Geräusche des Krieges, der noch immer tobte, jedoch bereits sein Ende zu nehmen schien. Schreie, scheppernde Rüstungen, das Stampfen der kolossalen Füße, das Brechen des massiven Gesteins, rasselnde Ketten...

Furchtsam löste ich die Hände von meinen Ohren, blinzelte und rieb die Augen, als sie vor Staub brannten. Hastiger wurden meine Bewegungen, fahrig und unkontrolliert wischte ich über mein Gesicht, zwang mich zum atmen, ebenso meinen Körper, sich aufzurichten... sich wenigstens einer geringen Bewegung hinzugeben!

Matt kämpfte ich mich also in eine aufrechte Haltung, kauerte im Meer der Toten, hob mich jedoch von ihnen ab, als ich meinen Kopf hob, als ich hochschaute und meine Augen durch die schwere Wolke aus Staub und Dreck drangen.

Ich war alleine hier...

Alleine hockte ich auf dem Schlachtfeld... waren wir doch soeben noch zu zweit gewesen...

Vorerst unklar, dann erschreckend deutlich, tat sich eine fliegende Kreatur hervor. Rauschend streckte sie die Flügel, pfeifend erhob sie sich in die Lüfte und fortwährend vernahm ich ihr Fauchen, weniger grausam als der laute Schrei und dennoch nahe an der Grenze des Unerträglichen.

Panisch suchten meine Augen nach Aragorn, zitternd beugte ich mich nach vorn, stützte mich ab und kämpfte gegen den Schwindel, der mich übermannen wollte. Kurz verzog sich die Gegend in gespenstischen Bewegungen, verschmolz miteinander und ich schüttelte den Kopf, um mich von jenen Trugbildern zu befreien. Und von weit her schien ein qualvoller Schrei zu mir zu stoßen. Mein Atem stockte, schmerzhaft zurrte sich meine Lunge zusammen und ich rang nach Sauerstoff... war mir dieser Schrei doch so vertraut gewesen. Oft hatte ich ihn vernommen im tosenden Lärmen des Krieges, welches er durch seine Kraft dennoch niederrang und übertönte.

Aragorn!!

Ich riss die Augen auf, meine Hände stemmten sich hinab auf den Boden und strauchelnd erhob ich mich, kam auf die Beine, suchte verzweifelt nach ihm, starrte um mich, doch dröhnte das röchelnde Keuchen so stark in meinen Ohren, dass mich die Befürchtung verzehrte, jegliche Laute zu überhören!

"Aragorn!!" Kraftlos schrie ich nach ihm, stolperte zur Seite, drehte mich, blickte hinauf in den Himmel. "Aragorn!!"

Ein mächtiger Flügelschlag teilte die dichte Wolke des Staubes und erschreckend deutlich erkannte ich die Kreatur über mir, weit in den Höhen des Himmels. Und das Entsetzen ließ mich aufschreien, laut und fahrig nach Luft ringen.

Es hielt ihn in seinen Klauen!!

Nur undeutlich erspähte ich ihn in der tödlichen Lage und mit einem lauten Klirren schien jegliche Erleichterung des Wiedersehens zu zerbrechen. Es wollte ihn forttragen, wollte ihn entführen! Weshalb?!

Ich vermochte es nicht, mich zu regen, hielt den Hinterkopf im Nacken und starrte auf, ohne zu einer Reaktion imstande zu sein. Die Angst lähmte meinen Körper, tobte schmerzhaft in meinem Kopf, die letzte gesunde Farbe wich aus meinem Gesicht und Wogen der Erschütterung durchfluteten mich quälend, führten mir hämisch vor Augen, wie reell dieses Geschehen war, welches doch mehr einem Alptraum glich.

Unberührt lag der Säbel vor meinen Füßen, das Haar nahm mir für kurze Zeit die Sicht und ich blinzelte, als eine Strähne über meine Augen glitt. Und gleichsam nahm ich dort oben eine Bewegung wahr, undeutlich und doch vorhanden. Der Schatten löste, teilte sich... Aragorn stürzte hinab... nein, wurde vielmehr hinabgeschmettert, als wäre es der Kreatur ein Unmögliches, ihn länger zu halten. Gescheitert in ihrem Versuch, stieß sie einen dumpfen Schrei aus, die Zügel in ihrem Maul zurrten sich fest, gehalten von dem Nazgûl, der auf ihr saß. Es schien, als würde die Zeit stehenbleiben... und doch... er fiel... stürzte hinab...

Ich stieß ein einen lautlosen Schrei aus, versuchte das Entsetzen aus meinem Kopf zu verbannen und dennoch blieb ich untätig... auch, als Aragorn aufschlug. Lautlos sah ich, wie er brutal zu Boden ging, Staub wirbelte um ihn auf und von der Wucht des Sturzes erfasst, überschlug er sich, glitt durch den Dreck und blieb alsbald reglos liegen. Meine Augen weiteten sich und kreischend schlug die Kreatur am Himmel mit den Flügeln.

Als wäre er nur einer von vielen Toten, lag er dort... und mein Atem stockte.

Erneute Kälte umfing mich, der Wunsch, dass all das der Realität widersprach. Der Wunsch, für dessen Erfüllung ich in diesen Augenblicken alles getan hätte. Der Nazgûl entwich meinem Blickfeld, schwebte verschwommen unter den Wolken und mit glasigen Augen starrte ich auf die reglos Gestalt, auf die Staub niederrieselte. Wind erfasste ihn, durchkämmte sein Haar... glitt über ihn wie er über das Meer des Todes hinwegfegte, als wolle er den zerschmetterten Leibern den Vorgeschmack ewiger Einsamkeit zusenden.

Meine Augen begann zu brennen, tränten vor Staub und Kälte und ich blinzelte.

Wie sehr verdammte ich mich meiner Untätigkeit, wie sehr belud ich mich mit Selbsthass, als ich ihm keine Hilfe bieten konnte... ich konnte es wirklich nicht!

Wie sehr hatte er sich um mein Wohlergehen gesorgt, wie sehr hatte er sich selbst gequält, um mich vor schlimmem Wissen zu schonen. Und ich...?

Meine Miene verzog sich, das schiere Entsetzen hinderte mich an etwaigen Gedanken, mit den ich mich hätte selbst zerstören können! Diese Phein... sie würde mich zerfressen, wäre ich mir ihrer deutlicher bewusst!

Und er bewegte sich!

Nur unauffällig waren seine Regungen... so schwächlich, dass sie unbeholfen wirkten... unkontrolliert. Und trotz ihrer Unauffälligkeit durchzog mich ein erschrockenes Zucken. Ich fuhr in die Höhe... als wäre ich seinem Tod mit Sicherheit begegnet! Als hätte ich kein Leben mehr in seinem Körper erwartet.

Er wälzte sich auf die Seite... und lautlos kreiste der Nazgûl über ihm, gleich eines Raubvogels, der heimtückisch seine Beute belauerte.

Und erst in diesen Momenten wurde ich mir der grausamen Gefahr bewusst, der Möglichkeit, Aragorn zu verlieren! Nur auf ihn hatte es der übermächtige Feind abgesehen und besaß er das Recht, seine Pläne erfolgreich in die Tat umzusetzen?? Durfte es ihm gelingen, mir Aragorn zu nehmen, wenn es doch jemanden gab, der nahe genug war, eine Rettung darzustellen? Zu retten... wenn er nur die Starre aus seinen Gliedern nehmen könnte!! Weniger war es die Furcht, die mich zögern ließ, als die Panik, Aragorn sterben zu sehen! Ich konnte es verhindern und arg ineinander verhakt, tobten diese beiden widersprüchlichen Wege in mir.

Wie viel hatten wir gemeinsam durchgestanden... wie viel Kriege hatten wir geschlagen... wie hatten wir uns miteinander gequält... wie hatten wir gestritten... uns unterstützt... wie war die Wahrheit über uns hereingebrochen und wie grausam hatten sich unsere Wege getrennt. Wie schwer hatte das Leiden auf mir gelastet, wie stark war der Wunsch gewesen, Antworten zu geben, Antworten zu hören... aus seinem Munde.

Und nun waren wir uns begegnet, als hätte das Schicksal die gütige Hand über das Schlachtfeld gelegt, uns einen Weg geebnet, der zum anderen führte...

Die Flügel des Kreatur verloren an Bewegung, verblieben reglos und sie ließ sich fallen, stürzte zielgerade und gleich eines Pfeiles hinab. Und wie dankte ich meinem Körper, als er letzte ungeahnte Kräfte spüren ließ. Wie dankte ich meinen Beinen, als sie sich geschwind und leichtfüßig in Bewegung setzten. Ich stieß mich ab, bückte mich tief, griff nach dem Säbel und und rannte los... zu Aragorn. Und ich war nicht der einzige, der sich ihn zum Ziel nahm. Mit einem Satz sprang ich über leblose Leiber, begann zu sprinten, meinem Körper das Letzte abzuverlangen. Peitschend schlug mir der Wind entgegen, das poröse Gestein brach unter meinen Füßen, als sie sich flüchtig darauf absetzten, neuen Schwung holten...

Noch nie zuvor war ich so gerannt.

Stechend jagte der Puls in meinem Hals, schwer nur füllte sich meine Lunge mit Sauerstoff und röchelnd drang er wieder nach außen. Keinen Blick warf ich hinauf zu meinem Rivalen, einzig und allein auf Aragorn fixierte ich mich in den Augenblicken, die rasend an mir vorbeizogen und nur aus den Augenwinkeln wurde ich mir der Dringlichkeit bewusst, als sich der Schatten dort abzeichnete, das Ziel eher zu erreichen drohte, als ich. Erneut sprang ich, setzte den Fuß auf den leblosen Körper eines Kriegers, stieß mich ab und kam ihm mit einem Sprung recht nahe, peitschend dröhnten die mächtigen Flügel in meinen Ohren, deutlich schon roch ich den fauligen Gestank der Kreatur und ich holte aus und schleuderte den Säbel von mir. Knackend bohrte sich seine Klinge in die Erde, nahe bei Aragorn und ich ging in die Knie, hechtete mich zu ihm, erreichte ihn!

Ächzend rammte ich beide Hände in seine Weste und packte zu, sollte ich ihm auch Schmerzen zufügen. Ich warf mich über ihn, schlug derb mit dem Rücken auf. Steine bohrten sich in mein Rippen und mit einem lauten Aufschrei suchte ich nach Kraft, ihn über mich zu zerren. Die eigene Wucht des Sprunges kam mir zu Hilfe und wirklich gelang es mir, seinen ermatteten Leib über den eigenen hinwegzuhieven, ihn zur Seite zu ziehen und knapp neben mir bohrten sich die messerscharfen Klauen der Kreatur in den trockenen Boden. Gestein prasselte mir entgegen und ich ließ mich durch ihn nicht aufhalten. Ein letztes Mal schob ich mich gegen Aragorn, drückte ihn weg, rollte ihn auf den Rücken und sah die Kreatur vor mir. Tückisch den länglichen Kopf gesenkt, die scharfen Zähne gefletscht, wurde sie von ihrem Reiter zurückgezerrt. Peitschend schlug der kantige Schwanz hinab auf den Boden, die Flügel in stetiger Bewegung, wich es geduckt zurück. Meine Augen weiteten sich, als ich mich für einen kurzen Augenblick als wehrloses Opfer widerfand. Noch zögerte die Kreatur und ich stemmte mich mit den Armen nach oben, warf mich zu meinem Säbel, umfasste ihn und riss ihn aus dem Boden. Keuchend rappelte ich mich auf, kam schwankend auf die Beine und während ich mit einem stolpernden Schritt vor Aragorn trat, verließ auch der zweite Säbel die Scheide und von Blut und Dreck besudelt, präsentierten sich die reinen Klingen dennoch blitzend und funkelnd.

Das schwarze Gewand des Nazgûl' flatterte im scharfen Wind, deutlich vernahm ich seinen zischenden Atem und trotz der leeren Finsternis, die gespenstisch unter seinem Helm klaffte, spürte ich dennoch, wie er mich sah, mich musterte und ich verzog die Miene, als würde er mir eisigen Atem entgegenhauchen. Frostig legte er sich auf meine Haut und fauchend schüttelte das Monstrum, auf dem er saß, die spitze Kandarre im Maul.

Ja... dieser Feind stürzte mich in Furcht.

Es war nicht seine Größe, nicht der erschreckende Anblick seiner Kreatur...

Alles an ihm war mir so grausam unangenehm, dass mein Atem oft stockte und ich mich mit allen Mitteln dazu zwang, stehen zu bleiben, mich ihm in den Weg zu stellen. Kurz meinte ich, Aragorns Ächzen hinter mir zu vernehmen. Vielleicht war es nur der Wind, der in meinen Ohren pfiff... und alles stellte Nebensächlichkeiten dar, denn die Konzentration musste allein auf diesem Feind liegen, der eine größere und beiweitem grausamere Gefahr darstellte, als einjeder Ork oder die mächtigeren Geschöpfe mit dem Wappen der weißen Hand.

Die eisernen Klauen, die Rüstung, die seine Hände in sich verbarg, bewegte sich kratzend und schabend, als er die Zügel der Kreatur zu sich zog und diese zu weiterem Zögern zwang. Ja, nicht nur ich war es, der sich vor einem sofortigen Angriff zurückhielt... wir beide waren erfasst von starker Verunsicherung.

Ich, der Elb... geboren in gleißendem Licht.

Er, der oberste aller Nazgûl... den die Dunkelheit ausgespiehen hatte.

Die einzige Verbindung bestand aus holistischen Gegenteilen und wir beide stießen einander ab. Quälend empfanden wir den Anblick des Anderen, er stürzte uns in Leid und Zaudern... und doch waren wir es, die sich Gegner nannten.

Und wir würden uns bekämpfen.

Langsam richtete er sich im Sattel auf, bohrend lastete sein stechender Blick auf mir, der die Position hielt. Wenn auch mit zusammengebissenen Zähnen und vor Krampf erstarrtem Griff um die Säbel. Frierend und mit rasendem Herzen... und dennoch, ich hielt stand.

Pfeifend holte er Atem.

"Komm nicht zwischen den Nazgûl und seine Beute!", stieß mir sein heißeres Flüstern entgegen und mein Körper bewegte sich von selbst. Stockend wich er um einen Schritt zurück und es verlangte mir viel ab, ihm zum Stehen zu zwingen.

Was verwunderte ihn mein Handeln!

Was gedachte er, würde ich durch diese Drohung tun?

Mich zurückziehen?!

Ihm meinen treuen Gefährten überlassen, dem ich mehr schuldete, als mein Leben?!

Ich senkte den Kopf, meine Miene zuckte unter erboster Wut und ich lockerte die Finger, als ich einen Schritt nach vorn setzte, wortlos meinen Widerstand offenbarte.

Wir beide würden es schwer haben, einander zu nähern...

Und durch diese beiderseitigen Nachteile, waren wir uns dennoch wieder ebenbürtig.

Nein...

Ich schüttelte den Kopf, lodernd stieg der Zorn auch in meine Augen ich ihn ließ ihn meinen Gegner spüren, der sich schweigend in den Sattel zurücksetzte.

Niemand nahm ihn mir...

Ein humorloses Grinsen zog an meinen Lippen, als ich mit einem knappen Nicken nach hinten wies.

"Versuch dich seiner zu bemächtigen", sagte ich herausfordernd. "Doch lass dir eines gesagt sein." Ich verengte die Augen. "Komm nicht zwischen Aragorn und mich!"

Der Nazgûl spieh ein Fauchen aus, pendelnd zwischen höhnischem Gelächter und teuflischem Fauchen, begann er wild an den Zügeln der Kreatur zu zerren, sie gegen mich aufzuhetzen und weit bäumte sie sich in die Höhe, pleckte die langen Zähne und schüttelte den Kopf. Mächtig spreizte sie die Flügel nach beiden Seiten und ich ließ mich leicht in die Knie sinken, die Säbel von mir gestreckt, beugte ich mich auch nach vorn und mit knisternder Konzentration verfolgten meine Augen einjede ihrer Bewegungen.

Von oben stieß sie auf mich herab, mit weit geöffnetem Maul schnappte sie nach mir und ich wirbelte zur Seite, bettete einen Säbel auf meinem Bauch, den anderen auf meinem Rücken, ging tiefer in die Knie und duckte mich tief unter dem rechten Flügel. Nicht lange durfte ich Aragorn der Schutzlosigkeit überlassen und ich rammte die Säbel nach oben, stieß sie durch die ledernen Flügel, ließ sie sich schneidig hindurchfressen und mit einer schnellen Bewegung drehte ich mich, schnitt weiter, durchtrennte einen starken Muskel und hörte gar einen Knochen brechen. Unter einem ächzenden Aufschrei holte ich aus, die Spitzen der Klingen erreichten flüchtig den ungeschützten Leib der Kreatur, hinterließen tiefe Schnitte, aus denen sofort das schwarze Blut quoll. Und noch während ich mich zurückzog und unter dem Flügel auftauchte, um mich erneut vor Aragorn zu stellen, begann die Kreatur zu schreien. Sie spieh, fauchte, ächzte und torkelnd verlor sie das Gleichgewicht, als der zerschnittene Flügel nicht mehr von Nutzen war.

~*~
 

Aragorn:
 

Bitter war der Geschmack des Blutes in meinem Mund, doch vermochte er es nicht, mich wacher zu machen, in mir Bewegungen zu wecken. Mein Körper fühlte sich so taub an... als wäre er mit jenem Aufprall nicht mehr funktionstüchtig, nicht mehr fähig, meinem Willen zu folgen. Meine Sinne gaben nach... die Umgebung verschwamm vor meinen Augen und einjedem Geräusch wurde keine Aufmerksamkeit geschenkt, als wäre es nicht vorhanden... so dumpf war alles um mich herum... dumpf und schwach. Und dennoch spürte ich diesen Wind, das kalte Pfeifen einer kräftigen Böe, die vom Himmel aus, zu mir gebracht wurde... ich hörte diesen schrillen Schrei, wie er näher kam und mir einen eisigen Schauer durch die geschwächten Knochen jagte und ein Zittern in ihnen verursachte.

Das... war mein Schicksal?

Ihn endlich im Krieg wiederzubegegnen, mit Hoffnung im Rücken und einem winzigen Moment, in dem ich nur zwei Worte aussprechen konnte?

Das gnädige Schicksal, ihn ein letztes Mal zu sehen, ehe das Unvorgesehene eintraf?

Das grausame Schicksal, mir ein Licht zu spenden, welches gnadenlos erstickt wurde?

Ich hatte noch so vieles zu sagen...

Der Schrei ertönte erneut, schallend und stark drängte er sich an mein Trommelfell und ich schloss die Augen, um all das im Dunkeln hinter mich zu bringen, doch spürte ich schnelle Schritte durch den Boden, nahe bei mir, die mit einem Schlag wieder verschwanden und ehe mir ein Gedanke kam, spürte ich einen festen Griff an meiner Weste und einen tosenden Schmerz in der Seite, als ich urplötzlich herumgerissen wurde. Ich wollte ihn hinausschreien, doch vernahm ich meine Stimme nicht, als ich verkrampft die Augen schloss und den Mund öffnete. Ich roch diesen Duft... das Schreien... das Keuchen... er war es!

Ächzend schob er mich über seinen Körper hinweg und ich keuchte schwer auf, als ich den harten Boden wieder unter meinem Rücken spürte und seine Hände sich von mir lösten. Ich konnte nicht anders, legte den Kopf zur Seite und öffnete die Augen einen Spalt weit. Die Erde erbebte, als die geflügelte Gestalt nicht weit entfernt landete. Schleier der Umnachtung mussten es sein, die mir weismachten, dass er mir das Leben rettete und beinahe der Stärke dieser Klauen erlag!

Das Fauchen schien sich wie ein Echo über den Boden zu verbreiten und ich rang nach Luft, versuchte die Hände zu Fäusten zu ballen und Kräfte zu erlangen... nicht zuletzt, um die nahende Betäubung aus meinem Kopf, aus meinem Leib zu vertreiben!

Ich musste aufstehen! Ich konnte doch nicht zusehen, wie er mit dem einen kämpfte, der von aller Welt gefürchtet war! Meine Hilflosigkeit durfte kein Anlass zu solch einer Begegnung sein!! Und doch weigerten sich meine Hände, sich zu bewegen, sich zu rühren, mir ein Fünkchen Kraft zu offenbaren!

Stockend sog ich die Luft in meine Lungen, drehte den Kopf hoch und blinzelte.

Schleier.... wie Wasser, welches Wellen schlug, gaben mir meine Augen den Himmel preis. Erneut ein kräftiger Windstoß, erneut dieses Fauchen.

"Le..."

Meine Stimme war nichts weiter als ein Hauchen, das vom Winde davongetragen wurde, sobald es erklang und jeder darauffolgende Atemstoß versetzte mir einen qualvollen Stich, den ich nicht zu bezwingen vollbrachte.

Ich war machtlos! So schrecklich machtlos und bewegungsunfähig... der Ohnmacht so elendig nahe, dass es meinem Körper regelrecht danach verlangte, ihr nachzugeben! Eine schmerzhafte Gänsehaut legte sich auf meine Arme. Das Zischen weckte mich und ich legte erneut den Kopf zur Seite, versuchte, wenn auch nur Silhouetten wahrnehmend, einen Blick zu erhaschen. Vielleicht konnte ich ihn warnen! Vielleicht konnte ich ihn bitten, zu gehen!

Ein Aufeinandertreffen von Licht und Dunkelheit, von Ewigkeit und Ewigkeit!

Dieses Treffen war verheerend... nein... es brachte den Tod.

Ich bewegte die Lippen. Kein Ton folgte... ich sah das blonde Haar in den strengen Luftzügen wehen und den dunklen Körper zucken... doch keine Bewegung, die einen Kampf offenbarte. Ja, als wäre die Zeit stehen geblieben...

"Komm nicht zwischen den Nazgûl und seine Beute!" Ich nahm diesen Befehl wahr und schluckte schwer... es wurde dunkel und ich zwinkerte diese Dämmernis meiner Sinne davon. Ich hoffte, Legolas gab nach, hoffte, er würde sein eigenes Leben retten und sich zurückziehen! Kein Fluch würde ihn verfolgen, würde er diesem Befehl folgen, würde er mich in dieser Bestimmung zurücklassen. So dankbar war ich, dass ich ihn gesehen hatte und er wohl auf war... In keiner Sekunde meines verfluchten Daseins wollte ich, dass er sich meinetwegen in Gefahr brachte!!

Er sollte fort!

Fort!!

Und ja, er tat einen Schritt! Zurück, ich erkannte es und begrüßte seinen Spürsinn für die endlose Gefahr, der er sich da entgegenstellte! Doch dann verblieb er erneut reglos...

Ich glaubte, er musste selbst vom Wahnsinn befallen sein, als diese erneute Starrheit durch einen neuen Schritt nach vorn unterbrochen wurde!

"..."

Kein Ton!

Kein verstockter Ton kam über meine Lippen und doch war es alles, was ich noch tun wollte! Schwerlich holte ich erneut Luft, biss die Zähne so arg aufeinander, dass sie knirschten und versuchte die Schmerzen zu unterbinden, während ich mit aller Macht versuchte, mein Bein anzuwinkeln. Befehle verweigernd! Nichts stellte sich mir so sehr in den Weg, wie mein eigener Körper, der sich nur widerspenstig und brennend regte! Was war ein Wille, der nicht einmal gegen die eigene Hülle anzukämpfen wusste?! Ich hob den Kopf und wie schwer fühlte er sich an, als ich ihn wieder sinken ließ und hinabschaute.

Meine Arme regten sich... ruckweise, als wären sie von einer fremden Hand gelenkt, die nicht wusste, wie man Puppenfäden führte! Ich suchte Halt, doch schien sich der Boden unter mir ständig zu bewegen und in seiner Festigkeit nun dem Wasser selbst zu ähneln.

Röchelnd stieß ich die Luft wieder aus und versuchte mich noch einmal an der Beweglichkeit meines Beines... es regte sich nichts... es verblieb leicht angewinkelt und zu keiner weiteren Reaktion fähig.

"Versuch dich, seiner zu bemächtigen."

Drohend nahm ich die Stimme Legolas' wahr und schaute wieder auf.

Schleier tanzten vor meinen Augen und es wurden unzählig mehr, die in weiß und schwarz meine Sicht noch weiter eingrenzten. Aber sie vertrieben die Schmerzen.. die Kälte... sie ließen mich die Worte, die gesprochen wurden... wahrnehmen...

"Doch lass dir eines gesagt sein."

Was sagte er da?

Welch törichten Dialog führte er da mit der Dunkelheit??

"Komm nicht zwischen Aragorn und mich!"

Ich spürte, wie ich die Brauen verzog und sich meine Stirn in Falten legte.

Was tat dieser Narr nur?!

Für mich?

Für den, der ihn leiden ließ, kämpfte er?

Ich konnte es nicht verstehen... was fühlte er in dem Moment, in dem er alles für mein Bestehen aufs Spiel setzte? Für mich, der ich nichts als Fehler getan... nichts als Frevel an ihm begangen hatte?!

Was fühlte er nur, wenn er dies auf sich nahm...?

Eine Hitze übermannte meine Augen und mir wurde weiteres Lauschen verwehrt.

Unwirsch blickte ich mich um und bemerkte diese marternde Schwäche meiner Lider, diese Kraftlosigkeit in meinem Leib. Weiße Flecke überdeckten den seltsam blauen Himmel, ein gepeinigtes Fauchen schallte laut über die Ebene und erstarb kurz danach, als wäre ein jeder Ton gestorben. Übelkeit griff nach mir und mit ihr ein endloses Schwindelgefühl und ein wildes Pochen in meinem Kopf. Gewandte Schritte vernahm ich am Boden, schwere darauffolgende, die unkontrolliert schienen.

Etwas war geschehen... doch vor meinen Augen war alles weiß und all meine Glieder ruhig.

Meine Bemühungen blieben aus, als ich die Augen erneut schloss...und sie geschlossen blieben. Ebenso, wie das Pfeifen des Windes verhallte und die Stimmen untergingen in einer schieren Tonlosigkeit... der ich nicht mehr entkam und mir jegliche Möglichkeit zu einem weiteren Blick verwehrten. Ich erlag der Einladung zur vollkommenen Finsternis... ohne Kraft, ohne Ton... ohne Gewissheit.

~*~
 

Legolas:
 

Die Kreatur ging zu Boden. Den Sieg über sie hatte ich rasch errungen... doch umso grausamer war der Sieg, den ich noch erringen musste. Meine Aufmerksamkeit war getrübt, erschöpft und zermartert vor Belastung und kurz musste ich sie einzig und allein darauf richten, mich auf den Beinen zu halten. Nach etwaiger Hoffnung dürstend, fraß sich das Wissen durch mich, nicht nur für das eigene Schicksal verantwortlich zu sein.

Nein, auch ein anderes lag nun in meinen Händen...

Ein Schicksal, welches mir beiweitem nicht gleichgültig war.

Lodernd bekriegten sich Ängste in mir, schlugen aufeinander ein, als gäbe es nichts anderes, mit dem ich mich beschäftigen müsste. Sie stürzten mich in Beirrung, Konfusität, Unentschlossenheit... und Hadern.

Die Angst, mich dieser abgrundtiefen Bösartigkeit stellen zu müssen... deren Anblick allein mir schon große Qual bereitete. Durch einen einzigen Blick, so befürchtete ich, könnte ich mich besudeln, mich entehren, mich selbst verdunkeln und meiner Art widersprechen.

Pein, Scham, Entfremdung... der Verrat an meinem eigenen Volk.

Und die andere Angst...

Nicht dazu imstande zu sein, ein Leben zu retten, welches so unaufhörlich an Wichtigkeit gewann. Ein Leben, welches ich nicht missen wollte...

Wie sehr spürte ich diese Verzweiflung in mir, wie furchtbar war in diesem Moment die Einsicht, fester mit ihm verbunden zu sein, als ich zeitlang glaubte.

Weshalb sonst, sollte ich diesen Wahnsinn begehen...

Es entsprach nicht meiner Art. Tollkühnheit, nicht abgewogen durch Vernunft, mangelnd an Planung und reich an Überstürzung, zu der man mich wohl zwang. Eine schmerzhafte Trockenheit breitete sich in meinem Hals aus und ich versuchte mit einem Schlucken, über sie hinwegzukommen. Schwer würgte ich es hinab und die Angst glänzte in meinen Augen, als sich der Nazgûl erhob, sich in seiner erschreckenden Größe zeigte, in der er mich wohl um einen Kopf überragte. Gleich eines Gebildes, welches einem grauenhaften Alptraum entsprungen sein musste, erschien er, als sich der Glügel der verwundeten Kreatur senkte und flatternd erhob sich sein schwarzer Umhang im sandigen Wind. Er kam mir in die Augen, geweitet blieben sie dennoch und trotz des scharfen Brennens, ohne zu blinzeln, auf den Feind gerichtet.

Der Feind, der mich lähmte, meinen geschundenen Leib an etwaigen Bewegungen hinderte, als hätte er mich mit einem stummen Fluch belegt, der mich mit einer höhnischen Selbstverständlichkeit dem Tode auslieferte.

Ich konnte nicht gewinnen...

Gleich einer offenen Wunde pulsierte dieses Wissen in mir, war nicht weniger peinigend und schmerzhaft. Meine Miene zuckte, als sich seine Klaue hob und der herabsinkende Flügel einen Morgenstern preisgab, den sie hielt. Lange Stacheln ragten vom eisernen Kettenglied ab, mit unvorstellbarem Gewicht sank er hinab zu Boden und unmöglich erschien es, dass der Nazgûl diese Waffen zu führen wusste.

Und erschütternd wäre es... könnte er es doch.

Was hatte ich ihm entgegenzusetzen?

Wendigkeit, der es durch die zehrende Schwäche an Geschick mangelte?

Meine Augen, die Absichten durchschauten... nun dennoch getrübt waren?

Mein Mut...?

Ich konnte nicht gewinnen...

Meine Brauen verzogen sich wehleidig und furchtsam trat ich um einen Schritt zurück.

Was hinderte mich nur daran, mein Leben aufzuopfern? Weshalb zögerte ich, mich auf die Gerechtigkeit zu verlassen...?

Ein zitternder Atem kam über meine Lippen, ich blinzelte und meine Glieder fühlten sich schwach an, annähernd leblos und nicht dazu bereit, sich meinem letzten verzweifelten Willen zu beugen.

Ich konnte nicht gewinnen...

Gegen wuchtige Uruk-hai hatte ich bestanden, gegen wendige Orks, selbst einen massigen Olifanten hatte ich erlegt. So riesig, dass der Sieg gegen sie unrealistisch wirkte...

Doch er... er war anders. Alles an ihm versetzte mich in Furcht. Die Gegensätze waren gravierend und wer auch immer es war... wir würden aufeinander abfärben.

Dieser Kampf...

"Tritt bei Seite, Elb!" Ein verhasstes Fauchen, nicht weniger düster, als meine Gedanken, riss mich von meinem Alptraum in den seinen. Fahrig suchten meine Augen nach ihm und es schmerzte mir, als sie auf ihn trafen. Meine Miene zuckte und meine Beine wünschten sich, weitere Schritte zu tun, die Distanz zu erweitern, die trotz ihrer Größe schier unerträglich war. "Dein Leben will ich nicht!"

Ich presste die Lippen aufeinander, die Hände, die die Säbel hielten, zitterten. Sie bebten, genau wie mein Körper. Und bei einem raschen Schritt... ich befürchtete mein Zusammenbrechen. Mit schmerzerfüllter Miene drehte ich das Gesicht zur Seite.

Und ich sah ihn dort liegen, reglos auf dem Rücken. Niedergerungen durch Verletzungen, des Bewußtseins beraubt, befanden sich seine Sinne seit langem woanders. Die Arme kraftlos von sich gestreckt, das eine Bein angewinkelt... er lag im Staub des Schlachtfeldes. Er würde den Tod nicht spüren...

Meine Lider senkten sich... doch glaubte ich, eine Bewegung wahrzunehmen und panisch fuhr ich in die Höhe und starrte auf den Nazgûl. Gewiss... er hatte einen Schritt getan, doch hielt er sofort in ihm inne, sobald ich mich ihm zuwandte. Perplex versuchte ich mich in sein Verhalten zu vertiefen.

"Geh!", fauchte er mit einem Zorn, der seiner Lage nicht zu entsprechen schien. Einen gebrechligen und erschöpften Gegner hatte er vor sich, einen Narren, der ihm nichts entgegenzusetzen hatte, dessen Antrieb lediglich aus Verzweiflung bestand. Und war diese noch so groß. "Klammere dich an das Leben, du wirst es ohnehin bald verlieren!"

Ich senkte den Kopf, schloss den Mund und betrachtete ihn mir zögerlich. Dennoch mit leisem Misstrauen, welches keine Kraft in meinem Gesicht fand. Schweigend besah ich mir die schwarze Kutte... und den teuflischen Morgenstern.

Wir beide waren so unterschiedlich, dass wir uns schon wieder ähnlich waren. Und der Vorteil, dass er sein Zögern in geheuchelte Barmherzigkeit kleiden konnte, brachte ihm keine Möglichkeiten. Ich sah seine teufliche Grimasse... und ich sah seine Angst.

Stumm schüttelte ich den Kopf, erneut lugte ich zur Seite und Aragorn lag noch immer dort. Man würde ihn forttragen, ihn behandeln... oder man würde ihn liegen lassen, käme der Nazgûl an ihn heran. Niemand von uns beiden würde sterben. Und wenn wir starben, so starben wir gemeinsam...

Ein bedauerndes Lächeln streifte gebrechlich meine Lippen.

Wenn man es bedachte, war mein Sinnieren und Hadern sinnlos...

Ja, gewiss... das Leben würde ich ohnehin bald verlieren.

"So kann ich es auch hier und jetzt tun", sagte ich leise und alles andere als entschlossen. Ich war nicht bereit dafür, doch Bereitschaft zählte nicht. Es waren allein die Taten. Und sollte ich mich auch zu ihnen zwingen, sollte ich mich auch quälen und meine Grenzen kennen lernen... die Taten zählten.

Der Nazgûl erbrachte nicht sofort eine Antwort. Reglos verharrte er an seinem Fleck, während sich die Kreatur zu seinen Füßen quälte. Der bohrende Blick durchdrang mich, zerfraß mich und auch ich durchschaute seine finstre Fassade, durchleuchtete ihn und verlor dennoch nicht an Angst. Oh, wir beide wussten, was in unserem Gegner vor sich ging. Wir beide wussten es. Wir beide wären gern vor diesem Kampf geflohen.

Und wir beiden wurden getrieben durch Gründe, denen wir uns nicht widersetzen konnten.

"Dann...", er holte röchelnd Luft, näherte sich mir um einen weiteren Schritt, "... bist du des Todes!"

Ja... vielleicht.

Ich biss die Zähne zusammen, meine Hände hielten die Säbel nur unsicher und schwach.

Und mein Körper...?

Er würde mich überraschen. Ob nun mit Bewegungslosigkeit oder der letzten Flinkheit. Ich konnte es nur auf einem Weg herausfinden. Schneller wurden seine Schritten, eiliger und dennoch blieb jenes Zögern zurück, gegen den die scheußliche Kreatur ankämpfte. Blindlinks griff sie an und der Morgenstern, der soeben noch auf dem Boden geschliffen war, wurde an der dicken Kette hochgezogen und gewann durch eine schwerfällige Bewegung an entsetzlichem Schwung. Dumpf ertönte sein Surren, als er sich in seiner Größe durch die Luft drängte, einen weiten Bogen über dem Kopf des Nazgûl beschrieb und gerade auf mich niederging.

Und ich bewegte mich...

Träge erschien mir die Reaktion meines schwächelnden Körpers, kaum dazu fähig, diesem Schlag zu entgehen... und doch stürzte der stachelübersähte Morgenstern vor meinem Gesicht zu Boden, als ich zur Seite sprang und meine Knie kurz nachließen. Ich sank hinab, setzte eine Hand auf den Boden, stieß mich nach vorn und richtete mich stolpernd auf. Ich trat an ihm vorbei und mit einer wirbelnden Bewegung fuhr er zu mir herum, riss den Morgenstern aus dem Boden und schmetterte ihn mir entgegen. Ächzend warf ich mich zu Boden und surrend zog er über meinen Kopf. Meine matten Finger hatten sich von einem Säbel gelöst und als ich hastig nach ihm zu tasten begann, wechselten meine Pupillen zur Seite und meine Augen weiteten sich. Ein entsetzter Schrei entrann mir, als ich mich abstieß, mich zur Seite rollte und das Vibrieren des Bodens unter mir spürte, als der Morgenstern erneut auf sie herabging. Gnadenlos folgte der Nazgûl mir, riss die Spitzen aus der Erde, begann die Kette erneut zu schwingen und ich sah mich hier unten als verloren. Im Staub des Bodens war ich nicht der Gegner, der ich sein sollte.

Unter der Wucht des Morgensterns lehnte sich sogar die Kreatur zurück, um weit genug ausholen zu können. Und träge waren seine Bewegungen, wenn auch eine alles zerschmetternde Macht auf sie folgen würde...

Ich nutzte einen Augenblick zu meinem Vorteil, bewegte mich in die Richtung, die er nicht erwartet haben konnte. Röchelnd und viel zu schnell atmete ich, als ich mich zu ihm warf, im Staub zu seinen Füßen liegen blieb und hektisch die Hand um den Griff meines Säbels schlug, der nahe bei ihm lag. Die Kraft der tödlichen Waffe ließ sich nicht flink genug umlenken. Dumpf ging der Morgenstern auf den vorhergesehenen Fleck nieder und zeitgleich hatte ich meine Waffe an mich gerissen. Ein starke Böe erfasste uns und flatternd schlug mir die schwarze Kutte entgegen. Sie streifte meinen Arm und entsetzt von der quälenden Nähe, riss ich mich von ihm los, stemmte mich nach oben, fand Halt auf meinen Beinen und stolperte zurück.

Ich hatte ihm nichts entgegenzusetzen...

Wankend blieb ich stehen, war nahe davor, zur Seite zu kippen und hielt mich mit einem strauchelnden Schritt davon ab. Mein Oberkörper neigte sich unter dem Gewicht der Schwäche, unter jedem geräuschvollen und rasselnden Atemzug erbebte ich und einjeder Kälteschauer schüttelte meinen Leib. Undeutlich hob sich der schwarze Schatten von der Umwelt ab. Für einen kurzen und doch grausamen Moment verschwamm das Bild und hektisch kämpfte ich mich in eine aufrechte Haltung, blinzelte und zwinkerte und rieb mit dem Handrücken mein Gesicht. Längst schon hätte ich mit einem weiteren Angriff gerechnet, doch erfassten meine Augen vielmehr eine andere Bewegung. Das Entsetzen griff nach mir und wie gnadenlos belegte ich mich selbst mit Flüchen, als ich mir meiner närrischen Unaufmerksamkeit bewusst wurde und den Nazgûl nun zwischen Aragorn und mir hatte. Ich hatte ihm den Weg freigegeben und dieser wurde ihm nun durch niemanden mehr versperrt. Und er drehte sich um... wandte sich zur Aragorn!!

Ich rang nach Luft, hustend und röchelnd wurde ich mir der Eile bewusst, zu der ich mich zwingen musste, um den Kampf nicht schon so früh zu verlieren!

Strauchelnd setzte ich mich in Bewegung, folgte ihm unsicher und stolpernd, um Sauerstoff kämpfend, den ich in der verstaubten Luft kaum fand. Das Gestein knirschte und knackte, als der Morgenstern darüber hinwegschliff und kurz darauf wurde er an der massiven Kette erneut in die Luft erhoben... um auf Aragorn niederzugehen...

Und ich erreichte ihn.

Aragorn würde sterben... er würde sterben...

Quälend und peinigend raste der Gedanke durch meinen Kopf. Fortwährend, als wolle er sich vergewissern, dass ich mir seiner bewusst war.

Doch ich war es!

Ich suchte Krafr in einem lauten Aufschrei, als ich mich unter dem erhobenen Arm hinwegschob, herumwirbelte und meine Position ihm gegenüber fand, nahe bei ihm... zu nahe! Beinahe prallten wir gegeinander und mit mangelnder Kraft schnitt ich mit beiden Klingen in seinen Arm, der die todverheißende Waffe führte. Und bei der kleinsten Berührung durchfuhr ein schmerzhaftes Zucken meine Hände. Eisig und kalt schien es sich direkt durch meine Knochen zu fressen, durch jeden Muskel und es grenzte an ein Wunder, dass nur eine Hand ermattete und den Säbel freigab. Ein schneidiges Fauchen stieß mir entgegen, dröhnte in meinen Ohren und der Nazgûl stolperte zurück. Sein Arm war verletzt, doch brauchte es nicht viel, ihn mitsamt des Morgensternes hinabfallen zu lassen, auf das er seine Aufgabe dennoch erfüllte.

Und die Gefahr für Aragorn war noch immer viel zu groß!

Ich rammte mich mit der Schulter gegen ihn, stieß ihn weiterhin zurück, drängte ihn fort und meine Hand schlug sich um seine eisernde Klaue, als diese mit der Waffe hinunterkam. Ich packte einfach zu und es gelang mir nur, sie zur Seite zu drücken... dann löste ich meine Hand hektisch von ihr, übereilt und panisch. Unter einem schmerzvollen Ächzen zog ich sie zurück, spürte einen langanhaltenden Schmerz in ihr und verzog die Miene, während ich sie gegen meinen Leib presste und mich verkrampft nach vorn beugte. Ein dumpfer Laut ertönte, als der Morgenstern zu Boden ging und ein lautes Rasseln folgte, als die Klaue des Nazgûl' die Kette losließ. Auch er wich zurück, wirkte annähernd entsetzt und für einen kurzen Moment konfus, wie man es von einer solchen Kreatur nicht erwartet hätte.

Nur kurz zwang ich mich, die Schmerzen in den Hintergrund zu drängen und mir einen Überblick zu verschaffen. Knapp sah ich auch seine Irritation und keuchend klammerte ich mich wieder um meine Hand, aus der sich der Schmerz allmählich zurückzog. Nur langsam und heimtückisch ließ er einer kalten Taubheit den Vortritt, die meine Hand annähernd nutzlos machte.

Mit rasendem Atem schüttelte ich sie, versuchte die Finger zu bewegen und schaffte es nur bedingt. Doch schien sich der Nazgûl eher von diesem Schock zu erholen und ein schneidiges Zischen ließ mich aufschrecken. Er zog sein Schwert und schritt zur Seite, scheinbar nicht darauf aus, sich erneut auf Aragorn zu stürzen. Ich war sein Gegner und allmählich schien er mich wahrhaftig ernstzunehmen. Zwischen uns lag eine Distanz, die es mir erlaubte, mich eilig nach meinem Säbel zu bücken. Verkrampft und taub schlossen sich die Finger meiner rechten Hand um den Griff und ich hoffte, sie würden ihn fest genug halten. Schauer aus Schmerz und Eiseskälte durchfuhren mich abwechselnd und ich schüttelte mich flüchtig, versuchte dem Frösteln zu entkommen und näherte mich ihm in wankenden Schritten.

Weshalb, glaubte er, kämpfte ich gegen die natürliche Schwäche meines Körpers?!

Warum, glaubte er, rang ich mit mir selbst und zwang mich, mein Leben als unwichtig anzusehen?!

Damit er sich getrost anderen zuwenden konnte, als mir?!

Kreaturen wie er waren es, die unschuldige Leben forderten, mordeten, quälten, ängstigten... sie waren es, gegen die wir Krieg führten und niemand besaß das Recht und die Gefälligkeit, sich seinen Gegner aussuchen zu können!

ICH war sein Gegner!

Ich wollte nicht warten, bis der Schmerz vollständig aus meinem Leib gewichen war, bis allein die Schwäche mich noch behinderte und mich einjeder neuer Schmerz mit seiner vollen und grausamen Intensität heimsuchen konnte! Nun verlangte ich eine Entscheidung, keine Herauszögern, kein Hadern, kein Innehalten. Er hatte sich mir zu stellen, wie ich mich ihm stellen musste!

Schnaubend holte ich Atem und trat auf ihn zu. Zuckend verbarg mein Gesicht die Schmerzen und während ich in ihm mein deutliches Ziel sah, schlich er noch zur Seite, wechselte das Schwert in die andere Hand und durchschnitt surrend die Luft.

Meine Ängste waren nicht verblasst... noch immer fürchtete ich seine Nähe und doch war sie es, die ich in diesen Augenblicken suchte. Ich lief schneller, vernichtete die letzte Distanz beinahe rennend und schlug nach seinem Schwert. Konzentriert nutzte ich dazu die linke Hand, schonte die Rechte, da ich ihre Fähigkeiten in diesen Augenblicken nur schwerlich einschätzen konnte. Sie konnte mir eine Hilfe sein... jedoch ebenso gut den Tod bringen.

Klirrend trafen unsere Klingen aufeinander und nicht auf ein Kräftemessen aus, drehte ich mich aus der Wucht, lenkte seinen Hieb fehl und war negativ überrascht, wie schnell sich sein Körper zu bewegen vermochte. Bevor ich mich versah, riss er das Schwert in die Höhe und nur knapp konnte ich seinen Schlag parieren, verlor durch ihn jedoch das Gleichgewicht und fand den einzigen Erfolg darin, dass er sich nun wirklich auf mich zu konzentrieren schien. Kaum hatte ich mich gerettet, schlug er erneut auf mich ein und ich schlug nach ihm. Wir beiden stolperten und hastig versuchte ich mir der Kraft meiner rechten Hand bewusst zu werden. Sie war die Geübtere von beiden...

Ich duckte mich, als seine Klinge erneut nach meinem Leben trachtete, dennoch nur über meinen Kopf hinwegsurrte. Und ich sah eine schwache Stelle... sein geöffneter Leib, der für mich leicht zu erreichen war!!

Doch... ich zögerte... ich näherte mich ihm nicht und er benötigte nicht lange, um sich zu festigen, mir genauere Ziele zu verwehren und erneut anzugreifen. Erneut wich ich nicht aus, blockte seinen Schlag und gab der Klinge meines Säbels Halt, indem ich sie flach gegen meinen Arm lehnte. So gebot ich ihm Einhalt, bewerkstelligte es gar, ihn zurückzudrängen und kraftvoll schlug ich nach ihm, erreichte ihn nicht und stolperte ihm nach.

Ich wusste nicht, was ich hier tat... ich kämpfte, ich parierte, ich leistete Gegenangriffe...

und doch war es beiweitem nicht die Art, wie ich ihn besiegen konnte. Vielmehr war es die Art, den Kampf in die Länge zu ziehen und denjenigen siegen zu lassen, dessen Kräfte überwiegten.

Und ich würde es nicht sein.

Kurz zögerte ich den weiteren Kampf hinaus. Wir belauerten uns, schritten im Kreis und auch er schien keine Eile zu haben, mich anzugreifen.

Ich sah es bereits vor mir... wie ich durch ein einziges Parieren in die Knie sank, meiner letzten jämmerlichen Kraft beraubt wurde und er mich durch einen beiläufigen Hieb niederstreckte... wie ich im Staub des Bodens liegen würde, das Gestein mit meinem Blut säumend...

Wie man mich irgendwann fortschaffte...

Und seine Kräfte schienen schier unendlich, ein Geschenk aus heimtückischer Hand, der jeder erliegen sollte. Wie selbstverständlich trug er seine ungerechten Vorzüge und verspottete die Schwachen. Doch Hohn... hatte er mir bisher noch nicht entgegengebracht. Nein... und er würde ihn nie wieder jemandem entgegenbringen!

Rasselnd holte ich Luft, schenkte meiner Lunge einen letzten tiefen Atem und festigte den Griff meiner linken Hand, in der Hoffnung, die Rechte würde es ihr gleichtun. Und ich beendete das Belauern, schnitt ihm seinen Weg ab und griff an. Klirrend trafen unsere Schwerter aufeinander, kratzten aneinander vorbei, Klinge schabte sich gegen Klinge und stets blieb mein rechter Arm gesenkt und tatenlos. Es erschien mir leichter, die Kraft in nur einer Hand zu bündeln und die Gezwungenheit wandelte sich zum Vorteil, den ich unter anderen Umständen nicht bemerkt hätte...

Es war ein einziges Spiel aus Zögern, Angriffslust, Verunsicherung und Brutalität. Wild schlugen wir aufeinander ein, wichen aus, parierten und immer wieder stürzten wir uns aufeinander. Meine Augen fixierten das Schwert und nur die Schwäche stand meiner Vorraussicht im Wege. Erneut trafen sich unsere Klingen und ich schmetterte sie ächzend zur Seite, fuhr in die Höhe und...

Flink schoss die freie Klaue des Nazgûl vor und scheppernd klammerte sie sich um meinen Hals. Es kam einer Verzweiflungstat gleich, dass er die direkte Berührung hinnahm und doch zog er weniger Leid aus ihr, als ich. Ich spürte, wie sein Arm erzitterte, doch vor meinen Augen erhoben sich tanzend schwarze Schleier und ein Schmerz tobte in meinem Kopf, der mich nahe um den Verstand brachte! Stockend und benommen ließ ich die linke Hand sinken und kraftlos gab sie den Säbel frei, während ich mich im quälenden Griff wand und zu jenen Qualen nicht einmal Luft bekam. Ich rang nach ihr, wagte es nicht einmal, mit der linken Hand seine Klaue zu umgreifen und sie drückte zu, bis sich ein marternder Druck in meinem Kopf ausbreitete und die Panik nach mir griff. Unerträglich war mir diese Lage und würgte einen gedrungenen Schrei hervor, versuchte mich sinken zu lassen und wurde dennoch oben gehalten. Zitternd verstärkte sich der Griff um meinen Hals und als ich die Lippen stumm bewegte, und als kein Hauch eines Atems mehr über sie kam, hob sich die Klinge seines Schwertes, bereit, auf mich niederzugehen und meine finsteren Befürchtungen zu Realität zu machen. Mit geweiteten Augen starrte ich auf sie und der Nazgûl ließ sich keine Zeit, die Berührung noch zu verlängern, wollte mich niederstrecken und endlich das tun, worauf er aus war... und woran ein törichter Elb ihn gehindert hatte. Knirschend verstärkte sich der Griff um die Klinge und er holte aus, um sie auf mich niedergehen zu lassen...

Es war eine Bewegung aus Reflex, meine letzte Rettung...

Und noch während er zum Streich ausholte, hatte ich die rechte Hand gehoben. Noch immer hielt sie den Säbel... und knackend bohrte er sich unter seinen Helm und drang in seinen Hals. Ein kräftiger Ruck erfasste auch mich, als er zusammenzuckte und sich seine Klaue übereilig von meinem Hals löste. Laut erhob sich sein qualvolles Fauchen und auch ich schrie aus Leibeskräften, als meine taube Hand noch immer jenen Griff umklammerte und sich nicht lösen ließ, so sehr ich es auch versuchte. Als würden jegliche Knochen meines Armes brechen... es knirschte und stechend kehrte die Kälte zurück, die so ungeahnte und schreckliche Ausmaße annahm. Ein Schmerz, der so grausam war, dass keine Worte ihn beschreiben konnten... er durchzuckte mich, durchfuhr meinen gesamten Leib und befiel meinen Arm.

Ein unkontrollierbares Zucken ließ den Nazgûl erneut zusammenfahren und erst, als er zurückwich, wurde meiner Hand der Griff des Säbels entrissen, der in seinem Hals stecken blieb, ihn sich winden ließ und ihm furchtbare Laute entlockte. Ich selbst wankte zurück. Ziellos streiften meine Augen umher und unerklärlich schienen mich Schatten zu umhüllen, obgleich ich der Realität noch so nahe war, mich mit der Bewusstlosigkeit nicht einmal durch die Kraftlosigkeit verbunden fühlte. Sie umfing mich und nichts erinnerte an die angenehme Dunkelheit, dir mir zuteil geworden war, als ich den Schlaf erkundet hatte. Sie war gespentisch und nur undeutlich nahm ich das Dahinsiechen des Gegners wahr, sah, wie er zuckend und sich schüttelnd, auf die Knie sank, wie sich sein Helm knackend verbog und ihn in sich einzuquetschen schien. Ein fortwährendes Knacken und Fauchen dröhnte in meinen Ohren und meine Beine entwickelten ein Eigenleben, als sie mich um wenige Schritte zurückweichen ließen.

Marternd pulsierte der Schmerz in dem tauben Arm, zuckend verhärtete sich die Kälte und ich entsagte dem Bewusstsein mit jedem Augenblick mehr, schwankte, strauchelte und ging hinab auf die Knie, auf denen ich benommen kauern blieb. Die Umwelt um mich herum verschwand... alles hüllte sich in die schwarzen Schleier und lautloser Atem kam über meine Lippen, als ich langsam blinzelte und den Kopf hob. Und gleichsam sank ich vornüber und fand Hald auf dem linken Ellbogen. Ich krümmte mich, zerrend verspannten sich meine Muskeln und ich kroch in mich zusammen... wollte ächzen und schreien und bekam dennoch keinen Laut hervor. Stumm bewegten sich meine Lippen, abwesend hoben sich meine Lider und nur noch in groben Umrissen sah ich das Gestein unter mir... merkwürdig verschwimmend und in ihrem Kontrast ineinander verlaufend.

Keine Gedanken beherrschten mich, keine Emotionen... als hätte die klirrende Kälte nicht nur Besitz von meinem Arm ergriffen... als herrsche sie gar über mehr, als nur über meinen gesamten Leib. Als nähme sie meine Seele gefangen und lüsterte noch nach viel mehr.

Ich schwankte von einer Seite zur anderen, fühlte mich, als pressten sich Windstöße gegen mich, die mir etwaiges Gleichgewicht raubten...

Stockend hob ich den Kopf ein weiteres Mal, abwesend und verschleiert tasteten sich meine Augen über die graue neblige Gegend... richteten sich abwesend auf einen düstren Punkt und blieben an ihm haften. Ich sah ihn... ja... ich sah ihn und mehr nicht... Es war nur ein Gebilde.

Und dennoch machte mein Körper Anstalten zu letzten Bewegungen. Unauffällig versuchte mir mein Arm eine Hilfe zu sein, mich in eine aufrechte Haltung zu bringen. Lautlos neigte ich mich nach vorn, glaubte, noch ein Stück in jene Richtung zu kriechen... doch wurde ich in eine andere gezogen und reglos kippte ich zur Seite.
 

~*tbc*~



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Kommentare zu diesem Kapitel (7)

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Von: abgemeldet
2010-12-17T09:42:40+00:00 17.12.2010 10:42
DAS war ja jetzt mal ein Kampf!!! BOAH ey! O______O
Von: abgemeldet
2006-06-03T10:40:15+00:00 03.06.2006 12:40
wie legolas aragorn geschlagen hat... die emotionen der beiden... die situation insgesamt... wahnsinn!!!! Ö.Ö
ich liebe es ja, wenn ihr legolas auch mal gefühle zeigen lasst... ^^°

und der kampf mit dem nazgul...
aragorn, der nicht glauben kann, das legolas sich für ihn einsetzt. und legolas, der aragorn mit seinem leben beschützt, mit aller kraft gegen den nazgûl kämpft... ich bin hingerissen... ^///^

auf zum nächsten akpitel! *lol*

liebe grüße,
eure chiisu
Von:  Leyla-Lovely
2006-03-26T14:05:24+00:00 26.03.2006 16:05
*schüttel*
uwaaaaah....! °____°
wie immer habt ihr eu selbst übertroffen!
einfach genial....dass ara jetzt von nem nazgul entführt wird find ich klasse! naja für ara natürlich nich.
~___~""
der kampf war auch super spannend! die konverstion und die gedanken gänge......hmmm....wunderbar durchdacht!
blos was mir aufgefallen is, das ihr das wort "sinnieren" etwas zu offt verwendet! ^___^°°
aber das spielt eigendlich überhaupt keine rolle.
eure story ist einfach wundervoll. ich freu mich scho aufs nächste kapi...naja des is ja scho da....lol
bin mal wieder einer der letzten! *heul*
*bussy geb*
*stolz ist*
^____^
*wegkriech*
Von:  kawaii_kamy
2006-03-22T17:04:20+00:00 22.03.2006 18:04
Das ist so unglaublich ergreifend ;_; es ist unübertrefflich, diese Vollkommenheit.
Kaum zu glauben das der Kampf mit dem Nazgûl nur wenige Minuten dauerte. Und diese ständigen Selbstzweifel waren so wirklichkeitsnah. *in völlige euphorie verfall*
Ich will weiter lesen *heul* bitte nicht zulange mit dem nächsten Kap. warten ! Ja? *mit sternchenaugen anschau*
Von:  abranka
2006-03-20T16:59:51+00:00 20.03.2006 17:59
Eine wirklich geniale Mischung von harter Action und Innenansichten der Figuren. ^^
Ihr habt mich ziemlich sprachlos gemacht - und das kommt nun wirklich nicht derart oft vor. ^.~

Ich bin jetzt neugierig, wie es weitergeht. Und wer von den beiden als erstes wieder auf die Beine kommt...
Und ob sich etwas zwischen den beiden geändert hat. Zumindest scheint Legolas ja langsam zu gewissen Einsichten gelangt zu sein...
Von: abgemeldet
2006-03-20T14:53:48+00:00 20.03.2006 15:53
danke danke danke! diese fanfic versüßt mir immer meinen tag! ich renn dann immer rum un mach unkontrolliert heiratsanträge >.< und im augenblick ist es sooo aufregend!!
*verneig*
Von: abgemeldet
2006-03-19T15:07:19+00:00 19.03.2006 16:07
UFF!O_____O
Der Nazgul greift sich Aragorn? Warum das denn?? Nur weil er der könig is? Und hey, noch is er nicht mal das. Aber ich will jetzt nich stochern und blöd fragen, also sag ich einfach, dass das schon irgendwie hinhaut und völlig in Ordnung is. Es is unglaublich wie sich Legolas für ihn einsetzt. der Kampf allein war schonmal happig, aber am besten an der Sache waren die Gedankengänge. Verdammt interessant, das regt zum Nachdenken an. Und wie ich sehe gehts langsam dem Höhepunkt entgegen. Wenn sich nach diesem Erlebnis nich irgendwas ändert, dann sterb ich noch an Alstersschwäche. Ob ihr das wollt, überlasse ich natürlich eurem aufrichtigen und (hoffntlich) nachsichtigen Wesen.
*Lob anklemm*
<___<
>___>
=___=
*noch eins dranheft*
*weggeh*


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