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Die Weiße Schlange

von

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Innere Dämonen

Madoka wimmerte vor Schreck und Schmerz - und es war nicht nur der körperliche Schmerz, den sie da verspürte. Sie blickte in das Gesicht des Menschen, den sie mehr liebte als ihr eigenes Leben - und doch wieder nicht. Der Blick DIESER Augen war grausam, eine verzerrte, beängstigende Karikatur dessen, was sie so an Takeo liebte. Alles, alles was sie für Takeo empfand, die Sehnsucht, die Leidenschaft, das Vertrauen - all das wurde nun mit Füßen und in den Staub getreten, ging in einem

Scherbenhaufen zu Bruch und würde womöglich niemals wieder herzustellen sein. Und diese Erkenntnis war es dann auch, die letztendlich dafür sorgte, dass sie zumindest ihre Stimme wiederfand.

Sie schrie. Mamoru lachte rau. Er versuchte weiterhin in sie einzudringen, doch Madoka fühlte nun endlich langsam ihre Kräfte zurückkehren und versuchte sich rücklings immer weiter von ihm zurückzuziehen, hing schon gefährlich weit über die Brüstung hinweg. Und dann...
 

... bekam sie unverhoffte Hilfe - allerdings von einer Person, von der sie es am Allerwenigsten erwartet hätte. Jemand klatschte in die Hände, langsam und voller Ironie. Madoka hörte ein leises, humorloses Lachen. Und dann erkannte sie Saito Hajime, der mit langsamen Schritten die Stufen der Freitreppe zu ihrer Rechten heraufkam. Er lehnte sich, bei ihnen angekommen, lässig gegen die Brüstung der Veranda und zündete sich in aller Seelenruhe einen von seinen übelriechenden Zigarillos an.

"Ein wirklich unterhaltsames Katz-und-Maus-Spiel. Ganz, ganz vorzüglich, Mamoru. Ein sehr geistreicher Einfall, sich den Hitokiri zum Feind zu machen. Aber, denkst du nicht auch, dass du dich da ein WENIG in etwas hineinsteigerst?", er lachte wieder, leise und abfällig. Der "Wolf von Mibu"

mochte, ebenso wie all die anderen Mitglieder der Shinsengumi, ein Bündnis mit Yamazaki eingegangen sein, schien ihm jedoch keinesfalls untergeben. Jedenfalls zollte er ihm keinerlei Respekt.

Und das erzürnte Takeos Bruder anscheinend über die Maßen. Mit einem wütenden Schnauben zog er sich von Madoka zurück und raffte seine Kleidung wieder um die Schultern.

"Saito! Wie könnt ihr es wagen in solch einem Ton..."

"Nun mal ganz langsam, Bürschchen. Ich denke nicht, dass DU mir etwas zu sagen hast. Nur weil du Kondos Liebling warst, nun Hijikatas Laufbursche geworden bist und hier schalten und walten kannst wie dir beliebt heißt das noch lange nicht, dass ich dir unterstellt bin. Ich habe schon gelebt und gekämpft als du noch in die Windeln gemacht hast. Erzähl mir also nicht, dass ich einem KIND

Respekt zu zollen hätte. Wir haben eine Vereinbarung, das ist richtig - aber nicht mehr und nicht weniger. Ich bin nicht dein Diener."

Saito war ganz ruhig und wirkte nicht im Mindesten von Mamorus Zorn beeindruckt. Genüsslich sog er an seiner Zigarre und blies den Rauch mitten in Yamazakis hochrotes Gesicht. Dieser sah wohl langsam seine Felle wegschwimmen: Die Situation drohte ihm zu entgleiten, er selbst vor einer Frau - einer Frau! - bloßgestellt zu werden! Das alles ließ Mamoru nach seinem Schwert greifen und es blitzschnell ziehen!

Madoka, die sofort, nachdem er sie freigegeben hatte, nach ihrer Kleidung gegriffen hatte, um zumindest die gröbste Blöße zu bedecken, erkannte mit Entsetzen, dass Mamoru Battojutsu - die Kunst des Schwertziehens - genauso schnell und präzise beherrschte wie sein Bruder. Zumindest hier stand er ihm wohl in nichts nach. Die blanke Klinge lag an Saitos Kehle, noch bevor dieser ganz zu Ende gesprochen hatte.

"Halte mich nicht zum Narren, Saito.", meinte er mit gefährlich leiser Stimme. "Unterschätze mich nicht. Ich mag jünger sein als du, aber ich mute mir durchaus zu mit dir und deinem Gatotsu fertig zu werden. Sei vorsichtig. Ich könnte es darauf ankommen lassen."

Saito blickte leicht konsterniert drein und beobachtete mit gelinder Überraschung, wie das Ende seiner Zigarre plötzlich, von einem sauberen Schnitt abgetrennt, herabfiel und eine glühende Funkenspur in der samtenen Dunkelheit hinter sich herzog. Madoka hatte die Bewegung nicht einmal

GESEHEN, mit der Mamoru dies getan hatte. Saito wirkte auch jetzt keinesfalls beunruhigt. Allerdings erschien eine steile Zornesfalte auf seiner Stirn.

"Beeindruckend. Doch. Recht beeindruckend. Allerdings wirst du mir die Zigarre ersetzen. Sie war sehr teuer. Und im Übrigen würde ich DIR dasselbe raten: Sei vorsichtig. Du findest den Wolf vorübergehend an eine Kette gelegt - aber diese Kette ist lang und lässt viel Spielraum. Ich denke, dass du nicht das Recht hast mir Vorhaltungen zu machen. Im Gegenteil, sei froh, dass du mit der Shinsengumi zusammenarbeiten kannst. MEINE Entscheidung war das jedenfalls nicht..." Saito schnippte den Zigarren-Rest in die Nacht hinaus und brach unvermittelt mitten im Satz ab.
 

Plötzlich stahl sich ein verschlagenes Lächeln auf die Züge des "Wolfes", die Zornesfalte verschwand. Er wirkte wie ein Kind an seinem Geburtstag in Erwartung der Geschenke.

"Wir brauchen nicht mehr zu warten. ER ist hier... Toshizo-san hat ganze Arbeit geleistet. Nur allzu bereitwillig sind sie in die Falle gegangen."

Von der den Garten rings umgebenden Mauer, die das Grundstück abgrenzte, hörten sie mit einem Mal Kampfgeräusche, Schreie und das Klirren von Metall.

"Nun, nicht gerade unauffällig... Hijikata kann die einmal angelockten Schäflein wohl nicht im Zaum halten. Ich hätte ihn für klüger gehalten. Es war zwar nicht ganz so geplant, aber... Auch gut, jetzt ist es Zeit zu spielen."

Saito zog unablässig lächelnd sein Katana. Ein Pfeil kam aus der Nacht herangeflogen und zischte direkt an Mamorus Arm vorbei, hinterließ einen Riss in seinem Ärmel. Madoka konnte fühlen, wie ihr Puls zu rasen begann.

Er war hier! Er war wirklich gekommen! Freude und Angst um Takeo schnürten ihr die Kehle zu und ließen sie mit weit aufgerissenen Augen verfolgen, was nun weiter geschah.

Saito nahm breitbeinig Aufstellung als mehrere bewaffnete Männer aus der Dunkelheit heranstürmten und sich ohne Umschweife auf den "Wolf von Mibu" stürzten. Madoka konnte es nicht glauben: Saito lachte! Der blanke Fanatismus in seinen Augen war furchterregend.

"Ihr werdet alle bestraft werden! Einem Mörder zu dienen! Ich werde euch lehren, was falsch und was richtig ist! HITOKIRI! WO BIST DU! KOMM HERAUS UND STELL DICH DEINEM RICHTER! ICH WERDE DICH TÖTEN!"

Er schrie und mähte nebenher die Männer um sich herum nieder, als wären sie nichts weiter als Halme auf einem Feld. Vollkommen blutbesudelt stand er über seinen Opfern und diese lagen ihm zu Füßen, wie Lämmer neben der Schlachtbank. Madoka hatte nie zuvor etwas Entsetzlicheres gesehen. In der Tat war das japanische Schwert eines der schärfsten auf der Welt. Mit beinahe schon chirurgischer Präzision waren Köpfe von Schultern, Arme und Beine abgetrennt worden, Leiber lagen zerschnitten da, die Organe lagen bloß... Madoka würgte. Das alles war unglaublich schnell gegangen.
 

"HITOKIRI!", schrie Saito. "Ich WARTE!"

"Hier oben, Saito!", ertönte eine Madoka wohl bekannte, wenn auch nun sehr raue und zornige Stimme. Und in der Tat war es Takeo, der unmittelbar über Saito aus der Luft herabkam. Ein ungeheurer Sprung trug seinen athletischen, schlanken Leib direkt über den Gegner.

"RYU-TSUISEN!", schrie er laut. Und wie ein leibhaftiger, rothaariger Dämon stürzte er sich auf seinen Gegner, sein Katana sauste mit unglaublicher Wucht direkt auf die empfindliche Stelle zwischen Hals und Schulter herab.

Takeo landete leichtfüßig, sein Haar fiel hinter ihm herab wie ein roter Vorhang, während Saito wie vom Blitz getroffen sekundenlang stocksteif stehen blieb, um dann ohne jedes Geräusch in sich zusammenzubrechen. Der junge Samurai atmete nicht einmal schwer. Sein Blick unter dem dicht herabhängenden Pony glitt hektisch hin und her - bis er Madoka entdeckte. Und bei ihr... Neben ihr...

Sein Blick flackerte.

"Mamoru..."

Seine Stimme klang dunkel vor Wut. Schnell bewegte er sich zu ihnen hinauf.

Takeo erreichte die Terasse, er blickte zu Madoka hinüber und sein Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Zitternd und halbnackt stand sie da, Blut lief ihr aus dem Mundwinkel. Ihre großen Augen waren schreckgeweitet - und dennoch voller Hoffnung und Wärme auf ihn gerichtet. Takeos Hand schloss sich so fest um das Heft seines Schwertes, dass die Fingerknöchel weiß hervortraten. Er kochte vor Wut.
 

Als Madoka einen unbeholfenen Schritt in seine Richtung machte, war Mamoru mit einem schnellen Sprung zwischen ihnen.

"Takeo... Endlich. Sehe ich nun den berühmten Hitokiri vor mir? Oder ist es der entsagende Vagabund, als der du dich zur Zeit so gern tarnst? Fantastisch nicht wahr? Und so bequem, sein eigenes, innerstes Selbst einfach zu verleugnen und so zu tun, als wäre man jemand ganz anderes." Mamoru lachte böse.

"Ich WEIß, dass er hier ist, der Mörder, der Attentäter! Zeige ihn mir! Ich fürchte mich nicht! Ich habe dafür GELEBT den Mann zu treffen, der meinen Bruder Takeo ausgelöscht und nur noch ein seelisches Wrack zurückgelassen hat, der aus ihm EIN MONSTER GEMACHT HAT!"

Madoka starrte Mamoru erschrocken an. Täuschte sie sich, oder erkannte sie durch die ganze Wut und die Verbitterung einen Hauch von hilfloser Trauer in seinen Worten? Auch Takeos Blick hatte nun eindeutig schmerzliche Züge angenommen.

Das war nicht das, was Mamoru beabsichtigt hatte. Takeos Bruder schüttelte den Kopf und der Moment der Trauer schien vergessen. Seine stahlblauen Augen blitzten.

"Ich will ihn sehen, den Hitokiri! Muss ich dir erst in aller Ausführlichkeit schildern, wie wunderbar es mit deinem Mädchen war? Dass sie gestöhnt hat, wie ein kleine Hure, als..."

Weiter kam er nicht. Ein Schatten sprang vor ihn hin und schlug ihm jäh mitten ins Gesicht. Mamoru stolperte nach hinten und landete unsanft auf dem Hosenboden. Shido-san sah nicht einmal zu ihm hin, sondern richtete seine gesamte Aufmerksamkeit auf seinen Freund.
 

Takeo zitterte. Seine dunklen Augen schossen Blitze in die Nacht und das Schwert in seiner Hand vibrierte leicht. Vergessen war die Trauer, wenn da denn je wirklich welche gewesen war. Die unbezähmbare Wut, die nun in ihm aufwallte, war die des von Mamoru so sehnsüchtig erwarteten Hitokiri.

Er hatte sie verletzt. Er hatte Madoka verletzt. Er hatte sie missbraucht. Er hatte sie vergewaltigt. Mamoru... Dieser Mensch vor ihm... das war nicht mehr sein Bruder. Und er behauptete, er selbst, Takeo, sei ein Monster? WER war hier nun das Monster, fragte er sich, vor Wut überschäumend und zitternd. Es reichte. Mamoru war zu weit gegangen. Er hatte schon so viele Menschen ermordet oder töten lassen, die Takeo etwas bedeuteten. Und er arbeitete mit Männern wie Saito zusammen. Das und... Madoka... Was hatte er nur getan? Nein... Er musste dem hier und jetzt ein Ende setzen. Dies WAR nicht mehr sein Bruder.

Ganz langsam hob Takeo sein Schwert. Mit einer einzigen, schnellen Bewegung des Gelenks drehte er es in der Hand, sodass die scharfe, blitzende Schneide nun nach vorn deutete, bereit zu töten. Bereit erneut Blut und Tod unter die Menschen zu schicken.

Aber Shido hatte sich geschworen, dass er es nicht so weit kommen lassen würde. Während Mamoru sich hinter ihm erhob, nach seiner Waffe griff und lautstark nach Verstärkung brüllte, hatte Shido nur Augen für Takeo. Er trat auf ihn zu.

"Takeo! Komm zu dir! Bitte! Erkennst du mich? Ich bin es, Shido!"

Takeos wunderschönes Gesicht war verzerrt von Hass, so wie es Madoka nie zuvor gesehen hatte. Er HÖRTE Shido nicht einmal. Sein Blick war auf Mamoru fixiert.

"Ich werde dich töten."

Seine Stimme.... Madoka jagte ein eisiger Schauer über den Rücken.
 

Der Anblick löste endlich ihre Erstarrung. Sie stürzte vorwärts und auf Takeo zu. Shido sog erschrocken die Luft ein. Er wollte nach ihr greifen, aber sie war schneller. Madoka flog an Takeos Brust und schrie immer und immer wieder:

"Takeo! Es geht mir gut! Es ist alles in Ordnung! Er hat mich nicht... berührt! Hörst du nicht? Ich bin hier, Takeo! Es ist in Ordnung! Es geht mir gut! Bitte komm zurück! Bitte..."

Der junge Samurai stand stocksteif da. Sein Blick flackerte. Dann - stieß er die junge Frau einfach von sich. Als sie sich an seinem Schwertarm festklammerte, schlug er sie nieder. Shido schrie entsetzt auf.

Madoka war wie betäubt. Alles um sie herum versank im Chaos ihrer Gefühle. Nichts war mehr wichtig, außer ihrem Schmerz, der sie schier zu verschlingen drohte - und es war nicht der Schmerz des Schlages an sich, den er ihr verpasst hatte. Sie lag am Boden und hatte nicht die Kraft, sich zu erheben. Sie wollte es auch gar nicht mehr. Alle Kraft hatte sie verlassen. Ihr Kopf sank auf den kalten Stein und sie hatte nicht einmal mehr die Tränen, um zu weinen und diese innere Qual hinauszuspülen. Sie wollte sterben. Hier und jetzt.

Denn alle Gefühle in ihr waren zu einem eiskalten, steinharten Klumpen erstarrt, der irgendwo, vielleicht in ihrer Kehle, steckte und sie am Atmen hinderte, der ihr Herz zu Eis erstarren ließ und sie innerlich komplett zugrunde richtete. Sollte sie doch sterben. Es war nicht mehr wichtig. Alles, wofür es sich gelohnt hätte durchzuhalten war ihr genommen worden.

Takeo war nicht mehr.

Vielleicht würde er nie mehr zurückkehren.
 

~~~oOo~~~
 

Der Hitokiri war schier unaufhaltsam. Mit Riesensätzen, ohne zurückzublicken, jagte er auf den verhassten Bruder zu, um den sich mittlerweile ein Ring aus schwarzgekleideten Ninja-Kämpfern gebildet hatte. In ihm tobte ein unglaublicher, unerbittlicher Kampf, der noch während des Gefechtes andauerte, und von dem niemand der Außenstehenden wusste. Doch das, was Takeo ausmachte, verlor den Kampf und machte einer bösartigen, wilden Furie Platz, einem schwarzen Dämon, der die Angst um das, was er am Liebsten hatte, ebenso beinhaltete, wie den abgrundtiefen Zorn auf seinen Bruder, der ihm dieses Liebste nehmen wollte, der zerstören wollte, was auch immer sich Takeo an einem Leben hatte aufbauen können - auch wenn es vielleicht nur eine Illusion des Friedens gewesen war: Er war glücklich gewesen! Warum musste Mamoru das zerstören? Warum hatte er Madoka, die er so sehr liebte, und von der er dennoch sehr genau wusste, dass sie seine Schwäche darstellte, warum musste er sie so verletzen?

Es war so gekommen, wie er gefürchtet hatte: Er hatte Angst. Unbändige Angst um sie. Das machte ihn rasend und unvorsichtig - doch er konnte und wollte sich nun nicht mehr zurückhalten. Denn der Zorn auf das, was man ihr angetan hatte überstieg diese Angst noch. Er war buchstäblich blind für die Wahrheit. Und es war ihm egal, ob er selbst verletzt wurde.

Auch Mamoru blutete jetzt aus einer hässlichen Platzwunde an der linken Schläfe. Er stieß einen scharfen Befehl aus und der Ring zog sich noch enger um ihn zusammen.

Doch Shido war fest entschlossen, seinen Freund nicht wieder zum Mörder werden zu lassen.

Unmittelbar vor dem feindlichen Ring holte er seinen Freund ein und warf sich ihm in den Arm, das Schwert wurde meterweit davongeschleudert und wirbelte singend durch die Luft, bevor es klirrend am Boden landete.

Takeo und Shido gingen schwer zu Boden. Madoka sah aus tränenverschleiertem Blick, wie Takeo sich schnell wieder erhob, um dann äußerst brutal und vollkommen besinnungslos auf seinen Freund einzuschlagen. Madoka konnte einfach nicht fassen, was sie da sah! Dies war kein Mensch mehr! Dies war ein... Tier... nein, ein anderes, noch viel gefährlicheres, unbekannteres Wesen, dunkel und so voller Hass auf alles, das lebte, dass Madoka es selbst hier, auf diese Entfernung, kaum ertrug hinzusehen.

Mein Gott! Er schlug ihn ja tot!
 

Als Shido sich nicht mehr rührte, sprang der Attentäter auf und lief los, um sein Schwert zu holen.

"Suchst du das hier, Hitokiri?"

Wie aus dem Boden gewachsen und völlig lautlos war vor ihm der junge Okita Soji erschienen und hatte nun das Schwert des Hitokiri in der Hand. Der junge Mann nickte zu der Gruppe rund um Mamoru hinüber.

"Wir werden uns nun des Problems annehmen, Yamazaki-san. Ziehen Sie sich ruhig zurück."

Mamoru hob sein Schwert.

"Ich werde NICHT fliehen! Wenn er mich töten will, dann soll er es nur versuchen!"

"Ihr seid zu… wichtig. Ihr dürft nicht euer Leben riskieren."

Okitas Stimme klang völlig unbeteiligt bei diesen Worten.

"Es nützt niemandem etwas, wenn ihr jetzt sinnlos sterbt. (Er schien wohl nicht daran zu zweifeln, dass dies geschehen würde, sollte Mamoru sich dem Kampf stellen...) Seid aber beruhigt: Wir versuchen ihn LEBEND zu bekommen."

"Ihr werdet mich niemals bekommen. Weder lebend, noch tot."

Der rothaarige Hitokiri stürzte sich ohne Vorwarnung auf Okita.Doch nicht umsonst sagte man dem jüngsten Anführer unter den Männern der Shinsengumi in Kyoto eine gottgleiche Geschwindigkeit nach. Noch ehe der Attentäter ihn wirklich erreicht hatte, war Okita schon hinter ihm - und stieß ihm sein eigenes Schwert in den Rücken!

Madoka schrie auf.

Ohne einen Laut sank Takeo langsam in sich zusammen und blieb dann in gekrümmter Haltung liegen. Eine dunkelrote Blutlache breitete sich um seinen Körper aus.

Mamoru schrie. Es war der unmenschlichste Schrei, den Madoka jemals gehört hatte.

"Du verdammter... IDIOT! Was hast du nur getan? Das ist MEIN BRUDER! ICH werde ihn töten! Niemand sonst legt Hand an den Hitokiri! WIE KANNST DU ES NUR WAGEN!"

Er wollte sich ohne Umschweife auf Okita stürzen. Doch dieser machte nur eine träge Handbewegung - und zu ihrer aller Erstaunen gehorchten die schwarzgewandeten Ninja-Kämpfer nun ihm und nicht mehr Mamoru! Jedenfalls ergriffen ihn zwei von ihnen nun an den Armen und machten sich daran, ihn ebenso wie zu vor bereits Aurinia zurück zum Haus zu zerren.

"Es ist zu eurem Besten, Herr...", sagte Okita dann, wobei die Betonung des letzten Wortes einer Beleidigung gleichkam. Waren die Gefühle, die er vorhin so offensichtlich für Mamoru an den Tag gelegt hatte, nichts als Heuchelei gewesen? Wie konnte er jetzt so kalt und distanziert sein? Es drängte sich die Frage auf, WER hier wirklich das Sagen hatte...
 

Aber all das war im Grunde unwichtig - zumindest für Madoka. Sie bekam das alles auch nur am Rande mit. Sie sprang auf und wollte nun ihrerseits das tun, was Mamoru zuvor misslungen war und sich auf Okita stürzen.

"Was hast du getan! Ihr wolltet ihn LEBEND! Was hast du nur getan!"

Okita packte die junge Frau an der Kehle und drückte erbarmungslos zu. Madoka schlug um sich und versuchte sich zu befreien, aber es war zwecklos. Der junge Okita hatte wirklich erstaunliche Kräfte.

"Er lebt doch auch. Die Wunde, die ich ihm zugefügt habe ist nicht tödlich, keine Sorge. Aber sie wird ihn wirkungsvoll für einige Zeit außer Gefecht setzen."

Dann sah er mit einem bedauernden Gesichtsausdruck zu Shido hinab, der immer noch reglos am Boden lag.

"Ein Jammer. Da wird der gute Shido-san vom eigenen Freund außer Gefecht gesetzt. Dabei hatte ich doch noch eine Rechnung mit ihm zu begleichen."

Er seufzte scheinbar todunglücklich - und ließ Madoka endlich los. Die junge Frau sank keuchend und nach Luft ringend in die Knie. Wie von Ferne her hörte sie Kampflärm heranwehen und erkannte erst nach ein paar Sekunden, dass die eigentliche Auseinandersetzung unten im Garten stattfand.

Auch Okita hatte dies bemerkt und sah belustigt hinab auf das Schauspiel, das sich ihm bot. Circa drei Dutzend Männer, angeführt von einem alten Kämpen, den Madoka nicht kannte, und einer verhüllten Gestalt, die auch nicht sehr zimperlich mit den Feinden umging, kämpften verbissen gegen eine Übermacht an schwarzverhüllten Ninja-Kämpfern. Allesamt Mamorus Männer. Zumindest hätte das Madoka noch bis vor wenigen Minuten gedacht.

Noch immer hatte die Shinsengumi nicht in den Kampf eingegriffen. Nur vereinzelt war eine blauweiße Robe zu sehen. Was ging hier vor?

Auch schien sich Okita seiner Opfer mehr als sicher, denn er schenkte sowohl Madoka, als auch Shido oder dem niedergestochenen Takeo keinerlei Beachtung mehr. Im Falle von Letzterem war das wohl berechtigt, wie Madoka mit Tränen in den Augen feststellte.
 

Aber nun reget sich Shido-san. Madoka huschte geduckt zu ihm hin und stützte ihn, als er sich erheben wollte.

"Shido! Shido, sie haben Takeo...", sie weinte. Shido, der den Arm um ihre Schultern gelegt hatte, sowohl um sich abzustützen, als auch um sie zu trösten, schüttelte den Kopf.

"Takeo lebt. Ich... weiß es..."

Er unterdrückte ein schmerzhaftes Stöhnen. Trotzdem bemühte er sich gleich darauf aus eigenen Kräften zu stehen.

"Wir müssen... Wir können ihn nicht hier lassen!"

Er taumelte auf die reglose Gestalt seines Freundes zu.

"Ich an deiner Stelle würde das lassen."

Shido wandte den Kopf und blickte in Saitos blutüberströmtes Gesicht. Sein Schwert war zerbrochen und er stand leicht schwankend da, aber sein Blick war nach wie vor äußerst gefährlich.

"Du kommst hier nicht mehr lebend weg."

Hinter ihm kamen jetzt der alte Izuka und noch ein paar andere Männer herangestürmt, doch auch aus dem Haupthaus kamen nun weitere schwarzgewandete Bewaffnete. Der Kampf verlagerte sich nun über die flach angelegten Terassen und Treppen, bis hinauf zum Saal. Madoka sah, wie sich einer der mit dem alten Kämpen herankommenden Männer noch im Laufen die Kleider vom Leib riss - darunter kam der rote Stoff von Yashas Kleidung zum Vorschein und er schüttelte seine lange,... SCHWARZE (?) Mähne. Er lief mühelos sehr viel schneller als die anderen und schrie zu ihnen zurück:

"Lasst mich das machen. Kümmert euch um Shido, Takeo und das Mädchen."

Noch im Laufen stieß er den verblüfften Saito zu Boden.

"Um DICH kümmere ich mich später!"

Nicht nur Madoka stutzte. Auch Shido und Izuka wirkten mit einem Male höchst irritiert. War das wirklich Yasha? Er sah ihm eindeutig ähnlich, die Kleidung, die Haarlänge, die Bewegungen. Aber die markanten Ohren fehlten. Sein Haar war tiefschwarz und auch die Krallen waren verschwunden. Was nun wie ein erboster Barbar auf die schwarzgewandeten Ninjas zustürmte war eindeutig menschlich! Und folglich nicht mehr ganz so wehrhaft, wie es sich der Halbdämon vielleicht gewünscht hätte...

Die Überraschung war jedoch auf seiner Seite. Nur diesem Umstand hatte Yasha es zu verdanken, dass er die ersten Männer mit purer Körperkraft außer Gefecht setzen konnte, ehe auch nur einer der anderen begriff, was überhaupt vor sich ging.

"Oh, nein!", ließ sich Shido neben Madoka vernehmen.

Izuka war neben ihnen zum Stehen gekommen.

"Ich habe noch einmal fünfzig Männer vor der Mauer postiert. Es sieht so aus, als könnten wir die Verstärkung jetzt gebrauchen. Ich bin müde, du und Takeo verletzt. Und der Halbdämon..."

...ging gerade unter den Hieben von einigen von Mamorus Männern zu Boden.

"Ihr verdammten Bastarde! Wo habt ihr Aurinia versteckt? Gebt sie heraus, oder es wird euch Leid tun!"

Er fauchte und grollte wie eh und je - allerdings standen seine Worte in gravierendem Kontrast zu seinem Zustand, der sich von Schlag zu Schlag, den die Feinde bei ihm landeten, verschlechterte. Doch Yasha prügelte wie besinnungslos auf sie ein, wehrte sich nach Kräften und verteilte trotz der nun scheinbar verlorengegangenen dämonischen Kräfte so manchen beeindruckenden Hieb. Auch Okita war auf ihn aufmerksam geworden. Er stieß einen schrillen Pfiff aus.

"Hierher, mein Hündchen! Du willst die kleine Yosei? Dann musst du zunächst an MIR vorbei!"

Izuka griff nach zwei brennenden Pfeilen, die in einer der Leichen steckten, und bückte sich nach dem Bogen eines seiner toten Männer, murmelte ein kurzes Gebet, zielte und schoss einen der Pfeile in einem steilen Winkel in den Nachthimmel hinauf. Noch in der Abwärtsbewegung, mit dem er den riesigen Bogen senkte, hatte er den nächsten Pfeil auf die Sehne gelegt. Der Pfeil jagte sirrend auf Okita zu. Dieser wurde in eben diesem Moment von einem wütenden, schwarzhaarigen jungen Mann angegriffen, der in seiner auffallend roten Kleidung wie die züngelnde Flamme eines heißen Vulkanfeuers auf ihn zuschoss.

"Ich bringe dich um, wenn du ihr etwas angetan hast! Ich werde dich töten!", brüllte Yasha - und Madoka hatte ein weiteres Mal an diesem Abend das Gefühl, einem leibhaftigen Dämon in Menschengestalt gegenüberzustehen, der jeden umbringen würde, der sich ihm in den Weg stellen mochte.

Der Pfeil streifte Okita am Oberschenkel und ließ ihn straucheln. Dann war auch Yasha heran. Er schlug dem jungen Mann einfach das Schwert aus der Hand. Ein verbitterter Kampf mit bloßen Fäusten begann.
 

"Shido-san, kannst du Yamazaki tragen? Wir müssen hier fort! Gehen wir den Männern entgegen!"

"Aber Yasha und Aurinia... Wir können sie doch nicht...", wollte Madoka einwenden.

Aber Yasha selbst brüllte in diesem Moment: "Lauft! Ich halte sie auf!"

Das war einfach nur lächerlich! Was immer mit dem Halbdämon passiert war: Er war jetzt ein Mensch und hatte keine Chance gegen kampferprobte Ninjas oder gar die berühmten Kämpfer der Shinsengumi. Dennoch lief Shido ohne Einwände zu erheben zu Takeo hinüber und lud sich den Freund auf die Arme. Er taumelte, blieb jedoch auf den Beinen und begann, die Treppen in den Garten hinunterzulaufen. Izuka zog Madoka hinter sich her. Gemeinsam jagten sie über die Terassen hinunter.

"Lasst sie nicht entkommen!", brüllte Okita. Es war überhaupt das erste Mal, dass Madoka den jungen Mann schreien hörte. Doch Saito, der "Wolf von Mibu", kam bereits mit Riesensätzen hinter den Flüchtigen heran.

Sie hasteten weiter. Der Boden war auch hier unten übersät mit leblosen Körpern. Es roch nach Blut und ab und an drang das schmerzvolle Stöhnen eines Verletzten an ihre Ohren. So schrecklich auch dieser Anblick wieder war - sie hatten keine Zeit sich um ihre Verletzten zu kümmern.

"Die Verstärkung muss jeden Moment hier sein!", rief Izuka über die Schulter zurück. Er legte ein für sein Alter ganz erstaunliches Tempo vor. Und als Madoka im Laufen den Kopf wandte, konnte sie sehen, dass auch Yasha nun die Treppen hinabstürmte. Von Okita oder den anderen Ninjas war keine Spur zu sehen.

Yasha holte Saito auf halber Treppe ein. Madoka konnte von hier aus nicht genau erkennen was geschah, dazu war es einfach nur zu dunkel. Aber sie glaubte doch zu erkennen, wie Saito seine Waffe freiwillig fortwarf, um sich dann mit Yasha im Faustkampf zu messen. Er mochte unbarmherzig und grausam sein - aber er war doch ehrlich. Zumindest, wenn ER es für richtig hielt...
 

Dann blieb Izuka so abrupt stehen, dass Shido um ein Haar von hinten in ihn hineingelaufen wäre. Madoka stützte Shido, als er das Gleichgewicht und Takeo aus den Armen zu verlieren drohte. Eine dunkle, große Gestalt trat aus den Schatten im Garten hervor. Das bereits bekannte süffisante Lächeln umspielte Hijikatas Lippen.

"Wie schön, es hat funktioniert. Ihr alle seid tatsächlich hier. Alle führenden Mitglieder der Widerstandsbewegung. Ihr seid tatsächlich hergekommen. Und das nur für ein paar Frauen."

Er lachte leise und das schien wirklich ein wenig ungläubig. Dann, eiskalt:

"Die Verstärkung ist bereits hier, alter Narr. Deine Männer sind den meinen direkt in die Arme gelaufen, als sie euch zu Hilfe kommen wollten. Sie sind alle tot. Hast du wirklich geglaubt, du könntest mir entkommen?"

Alle starrten den großen Shinsengumi-Kommandanten erschrocken an. Dies erklärte auch zumindest ansatzweise, warum es HIER kaum Kämpfer in den charakteristischen blauweißen Roben gab. Mein Gott... So viele Menschen tot...

Madoka hörte einen wütenden Schrei hinter sich.

"Dafür wirst du..."

Eindeutig Saitos Stimme. Sie erstarb in einem gequälten Stöhnen, um dann ganz zu verstummen.

"Was zum..."

Yasha schoss ohne Vorwarnung hinter Madoka und Shido-san heran und wollte sich, blutbesudelt und mit in Fetzen gerissener Kleidung, ohne Umschweife auch auf diesen neuen Gegner stürzen. Doch da war plötzlich eine Hand auf seinem Arm, die ihn zurückhielt, nicht einmal sehr fest, aber doch nachdrücklich.

Der alte Izuka Shizen sah Yasha nicht an, als er sich vor ihn schob. Sein Blick fixierte einzig Hijikata.

"Lass nur, Junge. Dies ist mein Kampf - und wenn es mein letzter sein sollte. Geht. Rasch!"

Yashas erster Impuls war, den Arm einfach abzuschütteln und sich dennoch selbst dem riesigen, schwarzgekleideten Schwertkämpfer zu stellen. Dann aber gewahrte er den zu allem entschlossenen Blick in Izukas Augen - und trat zurück.

"Na schön. Wir verlassen uns auf dich, Shizen-san."

Dieser verstärkte kurz den Druck seiner Finger um Yashas Arm und nickte ihm zu. Dann ließ er ihn gehen.
 

Yasha winkte Madoka und Shido zu sich. Sie verbargen sich in den Schatten eines riesigen, uralten Gingko-Baumes. Der Blick des Halbdämons glitt über den Kampfplatz und ein wütender Ausdruck stahl sich auf seine Züge. Shido sprach aus, was der andere denken mochte:

"Sie sind alle tot! So ein sinnloses Gemetzel habe ich noch nicht gesehen."

"Das werden sie bereuen.", zischte Yasha ebenso zornig.

"Wie bist du Saito entkommen?", wollte Shido misstrauisch wissen und schaute zurück zur Treppe.

Yasha grinste schadenfroh und ein wenig von dem alten Schalk kehrte in seine wütend funkelnden Augen zurück. "Nun ja... Da gab es einige Flaschen mit seltsamen Zeug in einem großen Behälter mit Eis. Den habe ich... versehentlich umgestoßen. Ich hörte nur wie der stolze Wolf hinter mir ins Stolpern und auf dem Eis ins Rutschen kam, dann ist er meines Erachtens... reichlich unsanft gefallen."

Dann wurde er jedoch sehr schnell wieder ernst. Sie hatten wahrhaft wichtigeres zu tun. Besorgt glitt sein Blick zurück zum Haus.

"Und wo ist Aurinia?"

Er wandte sich an Madoka, die sich etwas im Hintergrund gehalten hatte. Als sie nicht sofort antwortete, sondern sichtlich nach Worten rang, sprang er auf sie zu und begann, sie wie von Sinnen an den Schultern zu schütteln.

"Antworte! Was haben sie mit ihr gemacht? Ich werde nicht ohne sie hier weggehen!"

"Nun mach mal halblang, kleines Hündchen."

Shido schob sich schützend vor Madoka.

"Du tust ihr weh! Siehst du nicht, dass sie total verängstigt ist? Und überhaupt: So wie du aussiehst würdest du mit Sicherheit nicht noch einen Kampf überstehen. Gib ihr ein wenig Zeit ihre Gedanken zu ordnen."

Sein Blick glitt weiter und besorgt über die junge Frau. Was war hier nur passiert? Sie zitterte und war beinahe nackt. Und was war mit Yasha geschehen? Den letzten Gedanken sprach er laut aus.

Yasha seufzte und verdrehte die Augen.

"Tja, jetzt kennt ihr mein Geheimnis."

Er senkte unwillkürlich die Stimme.

"Bei Neumond verliere ich meine dämonischen Kräfte und werde leider nur allzu menschlich... Es gibt niemanden, dem das mehr zuwider ist als mir. Aber ich kann es nicht ändern. Wenn das bekannt würde... Ihr wisst schon." Shido schüttelte den Kopf.

"Von uns wird das niemand erfahren, mach dir keine Sorgen. Aber es war extrem leichtsinnig von dir, dann trotz deines Zustands in den Kampf einzugreifen."

Er blickte zu Madoka hinüber und auch die schüttelte den Kopf. Sie würde ebenso schweigen. Dann sah sie hektisch zurück zum Haus.

"Lasst uns jetzt GEHEN!"

Yasha schnaubte.

"Na, schön, aber nicht ohne..."

"Sie haben Aurinia ins Haus gebracht.", sagte Madoka leise.

"Was?", bellte Yasha.

"Sie ist dort drinnen."

Die junge Frau deutete auf das Haus. Bewegung war hinter die mittlerweile überall hellerleuchteten Fenster gekommen, Schatten bewegten sich hinter den Vorhängen.

"Verdammt!", sagte Shido. "Sie sammeln sich. Ich hatte mich schon gewundert, worauf sie warten.Da können wir jetzt nicht zurück! Das wäre Selbstmord! Wir sollten so schnell wie möglich fliehen! Falls wir uns verlieren sollten treffen wir uns im "Aka-Chochin" im Stadtteil Kikuto! Fragt nach Kanoe! Yasha? Wir holen deine Aurinia da raus, das verspreche ich dir. Aber nicht heute!"

'Und wer weiß, vielleicht lebt auch Sayan-sama noch und ist hier irgendwo gefangen.', führte er den Gedanken weiter.
 

Yasha wollte aufbrausen, doch zu ihrer aller Erstaunen ließ er seine geballten Fäuste sinken, nickte dann grimmig. Er sah wohl ein, dass er in seinem Zustand nicht viel ausrichten konnte. Bislang waren ja nicht einmal alle Männer der Shinsengumi in den Kampf eingeschritten. Der größte Teil der Krieger, so vermutete Shido, hatte sich nur darauf beschränkt aus der Ferne zu beobachten - was höchst seltsam war und blieb. Sie hätten jederzeit eingreifen können wenn sie nur gewollt hätten, das war allen hier klar. Dennoch war der Kampf am Haus und auf den Terassen auch ohne die Shinsengumi noch nicht beendet, das Geschrei der Männer noch nicht verstummt.

Shido sah besorgt auf Takeo hinunter. Er war bewusstlos und wieder einmal über und über mit Blut bedeckt.

"Er muss schnellstes zu einem Arzt. Diesmal werden die Heilkräfte einer Zauberin leider nicht ausreichen..."

Yasha knurrte leise.

Sie liefen los. Shido hatte sich herumgedreht und wollte dem alten Izuka noch ein paar ermutigende Worte zukommen lassen. Doch er blieb wie angewurzelt stehen. Auch Madoka schaute jetzt zu den beiden so ungleichen Kontrahenten hinüber, der eine sehr groß, schlank und dunkel mit einem wahrhaft gigantischen Schwert, der andere klein, gedrungen und in einen khakifarbenen Kimono gekleidet. Beide atmeten schwer, da der Kampf bereits begonnen hatte.

"Dann bringen wir es also hier zu Ende.", sagte Izuka gerade. Hijikata neigte leicht den Kopf, das schwarze, lange Haar fiel ihm nach vorn über die Schultern.

"Ich kann es kaum erwarten."

Und vollkommen unvermittelt stürzten beide Gegner gleichzeitig los. Das Klirren der aufeinanderprallenden Schwerter war ohrenbetäubend. Was auch immer diese beiden Männer zu Feinden gemacht hatte, es würde hier und jetzt enden. Und wohl nicht nur Shido wurde klar, dass der Sieger nicht der gute, alte Shizen sein würde. Alle sahen wie hypnotisiert zu was nun geschah, obwohl sie die kostbare Zeit zur Flucht somit verstreichen ließen.

Shido ließ Takeo zu Boden gleiten und bedeutete Madoka seinen Kopf zu halten.Entsetzt sah er zum Kampf hinüber.

"Was... tut er da nur! Er kämpft nicht mit ganzer Kraft! Das ist nicht der Izuka, den ich kenne! Was machst du da, alter Narr! Er wird dich töten!"

Die letzten Worte hatte er geschrieen und wollte sich soeben unbewaffnet zwischen die beiden Kämpfer werfen, da gewahrte er den Blick des Alten, der, noch während er die Klinge Hijikatas zurückdrängte, direkt auf ihn gerichtet war. Ganz leicht und - unglaublich, aber wahr - mit einem leisen Lächeln schüttelte er den Kopf.

Shido blieb stehen, als wäre er gegen eine Wand geprallt. Izuka hatte gar nicht vor, sich zu wehren....

"NEIN!", brüllte Kanzaki. "Idiot!"

Hijikata Toshizo, Meister im Umgang mit dem No-Dachi, lächelte kalt und nutzte die Unachtsamkeit - ob sie nun absichtlich vorgetäuscht oder tatsächlich wirklich da war - des alten Schwertmeisters gnadenlos aus. Blitzschnell drehte er die immer noch am Schwert Izukas liegende Klinge des No-Dachi um die des Gegners, schlug sie zurück und stieß das Schwert schräg von unten durch Izukas Kehle, sodass sie hinten wieder austrat und eine Fontäne dunkelroten Blutes in die Nacht hinausschickte.

Madoka verbarg stöhnend das Gesicht in den Händen. Sie hörte Shido noch immer schreien. Aber es war zu spät.

In einem unglaublich brutalen Akt riss Hijikata das No-Dachi nach oben und spaltete den Schädel des alten Mannes. Der leblose Körper Izukas sank mit einem dumpfen Laut zu Boden.
 

Shido wollte sich ohne Umschweife auf Hijikata stürzen, aber Madoka warf sich ihm in den Weg.

"Nein! Komm, wir müssen fort! Du bist unbewaffnet! Er wird auch dich töten! Wir müssen Takeo retten! Das willst du doch auch!"

Shido wollte sie einfach zur Seite stoßen, aber sie hielt sich an ihm fest.

"Nicht! BITTE! Ich will dich nicht auch noch verlieren!"

Der junge Mann kochte vor Wut - aber er sah wohl ein, dass sie Recht hatte, denn er gab nach. Madoka war schon losgelaufen. Er kam ihr nach, klaubte Takeo vom Boden auf und lief weiter. Madoka war überrascht, aber als sie bemerkte, dass er mit seinen langen Beinen trotz des zusätzlichen Gewichtes und seiner Verletzungen dennoch beinahe schneller lief als sie es wohl überhaupt gekonnt hätte, beeilte sie sich ihre letzten Kraftreserven zu mobilisieren.

"Wir müssen schnell und leise sein. Wir dürfen den Männern draußen, die unsere Verstärkung getötet haben, nicht in die Arme laufen.", sagte Shido gepresst, während er weiterlief.

"Flieht nur!", lachte Hijikata hinter ihnen her.

"Es gibt keinen Ort in Kyoto, an dem ihr vor der Shinsengumi sicher seid, glaubt mir! Wir finden euch! Und wir bringen es zu Ende. Sagt das dem Attentäter, falls er wieder zu sich kommen sollte!"

Diese furchtbaren Worte hallten noch lange in Madokas Ohren nach, als sie schon längst über die Mauer geklettert, erschöpft ein paar Straßen weitergelaufen, immer wieder Spähtrupps ausgewichen und schließlich auf ein paar versprengte Überlebende ihrer Kampfgruppe gestoßen waren. Sie waren selbst auf der Flucht vor der Shinsengumi. Und sie hatten Takeos Pferd bei sich, das sie nun bestiegen.

Die Überlebenden ritten hinein in das nächtliche Kyoto, als wäre der leibhaftige Teufel hinter ihnen her. Sie warfen nicht einen Blick zurück.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  WolfsDream
2007-05-13T13:47:37+00:00 13.05.2007 15:47
Hallöchen du!
Hab endlich deine Geschichte angefangen! Hatte ja schon so einiges Positives gehört und muss sagen, dass trifft voll und ganz zu!! Schreibe dir auch erst zu diesem Kapitel nen Kommi weil ich mich vorher echt nicht losreißen konnte! Nicht mal fürn paar Sekunden! Hätte die FF vermutlich in einem Rutsch durchgelesen, wenn nicht meine Freundin angerufen hätte wo ich bleibe! Mein typisches Problem bei guten Texten: Ich lese mich grundsätzlich Fest und vergesse die komplette Welt um mich herum, bzw. blende sie aus! Wollte dir aber unbedingt noch nen Kommentar hinterlassen, mwas ich ja jetzt hiermit tue.
Die Charaktere sind sehr gut beschreiben, man kann sich in jeden, so unterschiedlich sie auch sind, hinein fühlen!
Und ich bin total fasziniert ( und neidisch) wie du es schaffst die verschiedenen Ätmosphären zu beschreiben! EInmal die wundervoll friedliche in Aurinias Höhle und dann die düster-bedrohliche im Nebel am Waldsee und natürlich die Hitzig-hektische und zum Schluss ebenfalls seeehr, wie soll ichs sagen? Naja mein Sofa hat jetzt ein paar Kratzspuren und Fingernagelabdrücke mehr... *gg*
Wenn du verstehst..
Aber hoffentlich gibst ein HAppyend! Biitte! Sag mir, dass es ein HAppyend gibt!!!
Ich kann doch Geschichten die traurig enden nicht ertragen! HAb sooo nah am Wasser gebaut! *grummel, schniff*
Fürchte ich muss aber egal was is weiterlesen! Wenn kein HAppyend gibt müsst ihr mich dann halt gemeinsam wieder aufbauen!*g*
LG
Von:  Schalmali
2007-03-19T16:28:37+00:00 19.03.2007 17:28
Argh ist das nur bei mir so oder hast du da lauter Zeichen statt ß oder ü etc da? Wenns nicht nur bei mir ist solltest das dringend mal bearbeiten ist fürterlich zu lesen, hat mir teilweise sogar das Kapitel versaut. Jedenfalls war es spannend wie fast immer. Der Neumond sucht sich aber auch die ungünstigsten Zeiten aus... aber nun ja da kann der feste Zyklus des Mondes ja nix dafür *kicher* Nun wissen wieder mehr Leute wann Inuyasha ein Mensch wird ärgerlich zumindest für Inuyasha. Takeo ... puh tja alles schlecht gerade aber vielleicht ist auch da Inuyasha hilfreich er weiß ja wohl zu gut wie es ist ne dunkle Seite zu haben hmm.
Von:  Rogue37
2006-09-03T13:32:39+00:00 03.09.2006 15:32
Meine Güte, soll ich schon wieder erwähnen wie überaus erfrischend es ist endlich mal wieder ne Story zu lesen, die mit wörtlichem GEnie aufwartet? Naja, dem ist aber so. Ich liebe deine Art zu schreiben, sie ähnelt der meinen. Ich finde Vergleiche einfach klasse und du hast derartig viele in dieses Kapitel verpackt, dass mir beinahe das Herz übergeht. Ehrlich Madokas Betroffenheit als sie den Battosai in Aktion erlebt ist echt überwältigend gewesen. und wer hätte gedacht, dass ausgerechnet Saito ihr Retter in der Not sein würde? Ich hatte geahnt, dass es zu keiner VErgewaltigung kommt, aber mit Saito hatte ich nicht gerechnet. Okita und Hijikata, ja was soll ich zu denen noch sagen, ich quitsche immer, wenn die beiden auftauchen. Echt grausam wie Hijikata den Alten umgebracht hat. <schüttel> Sehr platisch beschrieben meine Liebe. Übrigens wollt ich noch sagen, dass ich fantastisch finde, wie du Orte beschreiben kannst. WAr glaub ich letztes Kapitel, aber egal. Ich kann so was gar nicht. ich sehe die Orte einfach nicht, du kannst das dagegen echt super.

Oh und Saito <lol> Gott, ist der Kerl gestört. Und dennoch mag ich ihn. Der ist so herrlich krank im Kopf. Meine Lieblingsaussage war übrigens die hier:
"Du hast den Wolf vorü¼bergehend an die Kette gelegt -
aber diese Kette ist lang und lässt viel Spielraum"
Grandios, dieser SAtz sollte in die GEschichte eingehen.

Oh störend war, dass es Probleme mit den umlauten oder wie die ä's, ü's und ö's heißen. Aber dafür kannst du vermutlich wenig.
Von:  Wave
2005-11-14T21:47:09+00:00 14.11.2005 22:47
so, bin zwar schon länger dabei, aber hab bisher nicht geschafft was dazu zu schreiben.
erst mal: hut ab, ich will mir ne scheibe abschneiden... was du da geschrieben hast... bist du wirklich menschlich? xD
nein, nein, nur ein scherz^^
aber echt... stark, die weiße schlange drängt sich immer weiter vor in meinen favoriten *g

ich werde das hier auf jedenfall weiter verfolgen, und hoffe, dass es noch nicht so schnell zu ende geht ;)


Wave


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