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Komische Schulhofgeschichten - und andere Skurilitäten aus meinem Leben

nya, so schlimm is' es wirklich nicht
von

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Ein neuer Schüler mitten im Schuljahr

Merkwürdig. Ich konnte diese Person nicht zuordnen. War es nun Männlein oder Weiblein? Was auch immer es war, jedenfalls war dieses Wesen das hübscheste, was ich seit langem gesehen habe, mit langen schwarzen Haaren die sanft im Wind wehten. Hetero hin oder her. Nachdem ich 'es' eine Weile beobachtet hatte, war mir irgendwann egal, welches Geschlecht es war. Ich wusste nur, dass ich 'es' näher kennenlernen wollte, egal wie, egal wo, aber jetzt sofort. Meine vier Freunde blinzelten abwechselnd mich und dann 'es' auf der anderen Seite des Schulhofs an.

"Erde an Die, Erde an Die!" vernahm ich irgendwann die Stimme meines besten Freundes Kyo. Das kleine Energiebündel hüpfte aufgeregt vor mir auf und ab, wedelte mit der rechten Hand vor meinen Augen herum.

"Was?" fragte ich und blinzelte. Ja, manchmal schaltete mein Gehirn ab, ich konnte nicht mehr denken, geschweige denn ganze Sätze formulieren.

"Was'n los, dass du diese merkwürdige Person da drüben so entgeistert anstarrst?"

"Wen hab ich angeguckt?" fragte ich weiter.

Als Kyo in die Richtung zeigte, in die ich bis vorhin meinen Blick geheftet hatte, war das wundervolle Wesen allerdings schon verschwunden. "Öhm, Jungs, ihr habt das doch auch gesehen, oder?"

"Sicher, Kyo. Natürlich haben wir 'das' auch gesehen." kicherte Toshiya. "Wie könnte man Miyabi auch übersehen, wo er doch soooo riesig ist ne."

"Du stehst auf Miyavi?" fragte Kaoru mit gespieltem Entsetzen und hing plötzlich hilfesuchend an meinem Arm, war es doch offenkundig, dass ich und die meisten meiner Freunde besagten Miyavi nicht wirklich leiden konnten. "Oh mein Gott! Hättest du eher was gesagt, Die-chan! Dann hätte ich zwischen euch vermittelt! Aber jetzt?"

"Sag mal, geht's?" fragte ich und schüttelte ihn von mir ab. "Ich rede nicht von Miyavi. Der interessiert mich nicht. Ich meine... Vorhin war da diese... diese oder dieser, was weiß ich..." Ich stammelte noch einen Moment hilflos vor mich hin, war froh, endlich die Schulglocke zu hören.

"Also dann, willkommen in der Hölle." sagte Shinya, klatschte einmal euphorisch in die Hände, riss die Arme hoch und schritt allen voran ins Schulgebäude.

"Was hat er denn jetzt schon wieder?" fragte Toshiya mich und zog mehr als nur verdutzt die linke Augenbraue gen Himmel.

"Sollte ich das wissen?" fragte ich zurück und kräuselte die Lippen.

"Nein, aber du könntest. So oft, wie ihr zwei zusammen rumhängt." Hallo? Ich hatte halt einen relativ guten Draht zu Shinya, was nicht viele von sich behaupten konnten. Und das, obwohl ich ihn ständig piesackte und ärgerte. Aber eigentlich mochte ich Shinya.

"Du hast neben mir noch einen?" fragte Kaoru, wieder das gespielte Entsetzen.

"Himmel Herrgott noch mal! Was ist denn heute mit euch allen los? Klar, Montag geht's zur Klassenfahrt, aber ist das ein Grund, so auszuflippen?" fragte ich und beschleunigte meinen Schritt. Ich wollte gar nicht auf eine Antwort warten und schloss mich Shinya an.

"Müsstest du nicht eigentlich voll im Stress sein?" fragte mich mein bishonen Freund Shinya.

"Doshite ka, Shin-chan?"

Er rollte mit den Augen, wie üblich, wenn ich ihn so nannte. "Wegen der Klassenfahrt? Schon vergessen, dass du Klassensprecher bist?"

"Ach was. Ich muss nur vor Ort aufpassen, dass sich keiner verläuft oder sich besäuft."

"Oh? Und wer passt auf dich auf?"

Das konnte ich nicht auf mir sitzen lassen. Ich nahm Shinya in den Schwitzkasten und verpasste ihm eine Weile lang Kopfnüsse und dergleichen mehr, bis er es schließlich schaffte, sich meinen Armen zu entwinden. Shinya kicherte wie ein kleines Schulmädchen, tat so als würde er mir einen Kuss zuwerfen und verschwand in sein eigenes Klassenzimmer.

"Na holla, das Chibi ist ja heute sehr gut drauf, was?" fragte Toshiya erstaunt als er bei mir angekommen war.

"Kennst ihn doch. Die Hormone eben." nickte ich. "Wir sehen uns dann später."

"Trotzdem macht er mir jedes Mal Angst, wenn er so drauf ist. Ich warte ja nur drauf, dass seine Laune in der nächsten Sekunde wieder umschlägt. Ich muss schließlich neben ihm sitzen... Ja mata."

Toshiya war in der Klasse von Shinya und Kyo, ich war mit Kaoru in einer Klasse.

Und wie ich noch damit beschäftigt war meine Bücher auszupacken, die für den Mathematikunterricht von Nöten waren, kam auch schon die Lehrerin herein, rückte ihre Brille zurecht und warf das Klassenbuch auf den Pult. Als das Buch laut auf den Tisch knallte blickte ich auf und sah neben der ätzenden Lehrerin das wunderschöne Wesen vom Schulhof.

-Eine Jungen-Schuluniform... Mist...- dachte ich und wandte meinen Blick wieder ab. Wenn es tatsächlich ein Junge war, dann war alles ohne Sinn und ich sollte das wunderhübsche Gesicht sofort wieder vergessen, egal ob es viel Überwindung kostete oder nicht. Aber ich wollte mich wirklich niemals in einen Jungen verlieben, nein, niiiiiieeeemaaaaaaals!

"Wenn ich eine Sekunde um eure Aufmerksamkeit bitten dürfte?" fragte die Lehrerin.

"Aye, Aye, Ma'am." gackerte Kaoru eine Reihe hinter mir und salutierte, bevor er sich wieder auf seinen Stuhl setzte. Jeder andere hätte für so eine Aktion einen Schulverweis bekommen, aber da Kaoru bei der Mathelehrerin einen Stein im Brett hatte, weil er einmal gesehen hat, wie sie geweint hat, konnte er sich so was erlauben, Kaoru musste dann schlimmstenfalls nachsitzen. Er war ja eh der Charmebolzen schlechthin und alle Mädchen standen auf ihn. Aber diesmal schnaubte die Lehrerin kurz.

"Niikura-kun, mit dir habe ich eh noch ein Wörtchen zu reden." sagte sie.

Mit einem leicht höhnischen Grinsen im Gesicht drehte ich mich kurz zu ihm um. Aber Kaoru grinste nicht, nein. Eigentlich sah er sogar leicht erschrocken aus.

"So, wenn ich dann... Ruhe! *keif* Das hier ist Matsumoto Kaoru. Gerade von Tokyo hierher nach Hyougo gezogen. Setz dich doch da hinten zu Andou-kun. Er ist Klassensprecher und wird dir sicherlich in der ersten Zeit weiterhelfen können." sagte Kanno-sensei und deutete auf den freien Platz neben mir. "Wenn er will, dann ist er sehr kollegial."

-Oh Gott...- Mein Herz klopfte mit einem Mal so schnell, dass ich dachte, ich würde gleich ohnmächtig werden. Mit langsamen und erhabenen Schritten kam 'Kaoru' auf mich zu, setzte sich dann neben mich ohne auch nur ein Wort zu sagen. Als er oder sie - bei dem Unisex-Namen wusste ich es immer noch nicht - dann aber die Schulsachen auspackte fiel mir auf, dass 'es' zitternde Hände hatte. Wahrscheinlich war 'es' doch nicht so cool, wie 'es' vorgab zu sein.

"So, Matsumoto-kun, richtig?" fragte ich endlich. Ich bekam ein Nicken als Antwort, mehr nicht. Mit einem Seufzer schlug ich mein Mathebuch auf Seite 211 auf und legte es auf dem Tisch so hin, dass 'es' auch hineinsehen konnte. Ich konnte ja nicht wissen, dass 'es' schon mit allem Nötigen versorgt war. Ohne ein Wort zu sagen schob 'es' das Buch wieder zurück und schlug das eigene Buch auf. Ich zog kurz die Stirn in Falten, musterte 'es' aber weiter aus den Augenwinkeln. -So hübsch... Viel zu hübsch um ein Kerl zu sein...-

Der Matheunterricht ging nur schleppend voran. Im Moment waren wir beim Thema 'Gleichungen mit zwei Unbekannten'. Ich konnte Mathe sowieso nicht sonderlich leiden, aber selbst mein eigentlich intelligenter und gescheiter Freund Kaoru wusste bei diesem Thema öfters weder aus noch ein.

Jede Gleichung, die an der Tafel stand, machte die Verwirrung in meinem Gehirn noch größer und noch fataler. Eine sechs in Mathe konnte ich mir unmöglich erlauben. Wahrscheinlich würde ich den Rest des Schuljahres, immerhin noch gut sechs Monate, damit verbringen, Mathe zu lernen, bis ich die Formeln und Gleichungen im Schlaf aufsagen könnte.

Umso mehr war ich überrascht, als Kaoru, nein, nicht der Kaoru, 'es'-Kaoru, sich bei einer wirklich komplizierten Gleichung plötzlich meldete und vorne an die Tafel ging um vorzurechnen.

Schwupp, die Gleichung stand in großen weißen Zahlen und Buchstaben an der Tafel und 'es' bewegte sich wieder zu seinem Stuhl zurück, als wäre nichts gewesen. Natürlich wieder ohne ein Wort zu sagen. War vielleicht nicht wirklich hilfreich eine schwere Gleichung vorzurechnen, wenn man dabei nicht sagte, wie die eigenen Gedankengänge gewesen sind, oder? Ich verstand jetzt zumindest noch genauso wenig wie vorher. Aber wenn es Menschen gab, die intelligenter waren als ich, und die gab es mit hundertprozentiger Sicherheit, hat es bestimmt die Hälfte der Klasse verstanden.

"Prima, Matsumoto-kun. Aber über die Uniform müssen wir trotzdem noch einmal reden, nicht wahr?" fragte Kanno-sensei in ihrer gewohnt aufgesetzt fröhlichen Art. "Dann müssen nach der Stunde mal beide Kaoru's zu mir kommen."

Erst jetzt fiel mir auf, dass 'es'-Kaoru nicht unsere Schuluniform trug, scheinbar die der alten Schule. Der Schnitt und die Farbe waren eigentlich gleich, aber das Emblem, das vorne links aufgenäht war, war halt anders.

Nach der Stunde wartete ich vor dem Klassenraum auf meinen Kumpel Kaoru. Während ich wartete kam auch 'es'-Kaoru auf den Flur und blieb neben der Tür stehen, betrachtete gelangweilt die kurzen aber perfekt manikürten Fingernägel.

"Tokyo, was?" fragte ich.

Es nickte, sah mich nur eine Sekunde lang an. Dann holte es ein Handy aus der Jackentasche und tippte darauf herum.

"Hier sind keine Handy's erlaubt, Matsumoto-kun."

Jetzt zog es ein Gesicht, wandte sich von mir ab und ging ein Stück weiter weg.

Mein Gehirn fing an zu arbeiten und zu rattern. Also, wenn es tatsächlich ein Junge war, dann war die Schule in Tokyo eine ähnlich tolerante wie unsere. Nicht viele Schulen erlaubten es den männlichen Absolventen, ihre Haare derart lang wachsen zu lassen. Was das betrifft war unsere Schule wirklich sehr zuvorkommend. Als ich eines Tages mit knallroten Haaren das Klassenzimmer betrat, sahen mich zwar alle schief an, aber keiner der Lehrer hatte sich auch nur annähernd darüber beschwert, Kaokao hatte ebenfalls sehr lange Haare, die seit kurzem von blauen Strähnen geziert waren, Kyo-chan war blond gefärbt, Toshiya wechselte ständig zwischen normalem schwarzem Haar und blauen Strähnchen, aber seine Haare waren am Hinterkopf auch schon ziemlich lang. Und Shinshin? Na ja, seine Haarfarbe konnte ich nicht ganz zuordnen, eine Mischung aus rot und irgendetwas anderem, aber auch nicht kurz. Er war halt ein sehr weibisches Chibi, wenn ich das mal so sagen darf. Aber was das betraf, war Tokyo bestimmt anders. Ich meine, Tokyo, viel größer als Hyougo, Hauptstadt eben. Trotzdem wunderte es mich nicht wenig.

Sekunden später ging die Tür des Klassenzimmers auf und Kaoru stampfte angesäuert auf den Flur. "Lass uns gehen, Die." sagte er wutschnaubend und schleifte mich am Handgelenk hinter sich her.

Ich hörte noch wie Kanno-sensei 'es'-Kaoru wieder in die Klasse rief.

"Erzähl, Kaokao, was hat die alte Hexe wieder gewollt?" fragte ich nach einer halben Ewigkeit.

Kaoru hielt mir wortlos einen Zettel unter die Nase.

"Nachsitzen?"

"Yep."

"Und wofür?"

"Für mein respektloses Verhalten?"

"Ach was?"

"Tja, sie meinte, ich hätte meinen Bonus endgültig ausgeschöpft. Oh, ich hatte natürlich auch die Hausaufgaben vergessen."

"Meinst du, Kaoru ist ein Mädchen?" fragte ich, völlig ab vom Thema.

"Wer?"

"Kaoru."

"Ach so. Is mir eigentlich egal. Meine Problemchen scheinen dich ja nicht sonderlich zu interessieren."

"Quatsch. Ich kann ja nachher auch noch dableiben, wenn du möchtest." sagte ich und lächelte meinen kleineren Freund aufmunternd an.

"Idiot." sagte er und musste doch lachen, zerrte mich dann in den nächsten Klassenraum.

"Warte mal. Das neue weiß ja gar nicht, wo wir jetzt unterricht haben."

"Das neue?" fragte Kaoru mit großen Augen.

"Na, das 'es'-Kaoru." sagte ich und ging zum vorherigen Klassenraum zurück.

Da stand 'es' vor der Tür und blinzelte mich leicht fragend an.

"Hab ich mir gedacht. Komm mit." sagte ich und winkte 'es' zu mir.

Als wir beide den richtigen Klassenraum erreicht hatten musterte die restliche Klasse uns neugierig, einige tuschelten, andere kicherten.

"Sieht ja fast aus wie das neue Traumpaar." sagte Yuki, einer der Klassenbesten aber gleichzeitig auch ein sehr unangenehmer Zeitgenosse, wenn er einen nicht leiden konnte. Und mich konnte er nicht leiden. Keine Ahnung warum. Sonst mochte mich fast jeder.

Jetzt hatten wir zwei Stunden Englisch. Ich hasste Englisch. Aber das 'es'-Kaoru schien in wirklich allen Fächern alles zu wissen. Es hatte zwar noch immer nicht ein Wort gesagt, aber ging wieder todesmutig an die Tafel und schrieb in einer wahnsinnig hübschen Handschrift den Satz auf romanji an die Tafel, den der Lehrer diktierte.

"Daran könnten sich alle anderen Damen und Herren hier mal ein Beispiel nehmen." sagte Yukishiro-sensei in seiner strengen Art und nickte dem 'es'-Kaoru zu. "Du kannst dich wieder setzen, Matsumoto-kun."

Ich war völlig geplättet.

"Psst! Hey, Die!" Kaoru piekte mir von hinten mit einem Bleistift in den Nacken und ich drehte mich zu ihm herum.

"Was'n?" fragte ich, weniger begeistert über seine plötzliche Störung, als ich gerade das 'es'-Kaoru so gut beobachten konnte.

"Hast du nachher schon was vor?"

"Ja, einkaufen mit Toshi."

"Na klasse."

"Jetzt sei halt nicht beleidigt." sagte ich und wandte mich wieder der Tafel zu.

"Für mich hast du nie Zeit, Idiot..." sagte Kaoru so leise, dass ich es gerade eben noch hören konnte. Ich kommentierte das aber nicht weiter. Manchmal war es besser, man unterbrach ihn nicht, wenn er wütend wurde. Ich hatte mit der Zeit gelernt, dass ich es nur noch schlimmer machen konnte, wenn ich etwas sagte, wenn er wütend wurde. Obwohl er immer darauf beharrte, dass er ja nie wütend wird. Jeder der ihn ein wenig kannte, wusste, dass das wirklich nicht stimmte, nicht mal annähernd.

Nach einer Weile fiel mein Blick auf den Stundenplan in meiner Federmappe. Die letzten beiden Stunden Sport... Das wäre doch die Gelegenheit herauszufinden, welches Geschlecht das 'es'-Kaoru denn nun hatte.

Als ich mich später jedoch mit dem eindeutig männlichen Kaoru auf den Weg zur Sporthalle machte, sah ich wie 'es'-Kaoru vor der Halle mit dem Sportlehrer sprach, sich verbeugte und dann gegangen ist.

"Kein Sport für Matsumoto-kun?" fragte Kaoru bissig.

"Nein. Das geht dich auch nichts an, Niikura-kun."

"Schon gut, schon gut." maulte er weiter und machte sich auf in Richtung Umkleidekabinen.

Teilweise verstand ich ihn wirklich nicht. Obwohl er 'es'-Kaoru genauso wenig kannte wie ich, verhielt er sich total abweisend.

Fertig umgezogen ging ich mit Kaoru in die Sporthalle und setzte mich auf eine der Bänke, während alle anderen schon damit beschäftigt waren, sich Medizinbälle zuzuwerfen oder wie die Bekloppten durch die Gegend zu laufen. Ich war nicht unsportlich, nein, der Schulsport nervte mich nur unheimlich.

Nach dem Sportunterricht machte Kaoru sich zum Nachsitzen auf und ich traf mich wie verabredet mit unserer kleinen Prinzessin Toshiya um mit ihm Shoppen zu gehen.

"Und? Das wundervolle Wesen noch mal wiedergesehen?" fragte er als wir irgendwann bei Pizza Hut saßen.

"Hai, ist heute neu in unsere Klasse gekommen."

"Honto? Dansei no desu ka? Josei no desu ka?"

"Ich habe nicht die geringste Ahnung. Hat nicht ein Wort gesagt."

"Na, aber du musst doch sehen können, ob sie... oder er... na ja, ob da Brüste sind, oder so." sagte Toto und lief völlig rot an.

"Ob du's glaubst oder nicht, da hab ich erstens nicht drauf geachtet und zweitens würde man das unter dieser Blazerjacke eh nicht sehen."

"Wenn's ein Mädchen ist, dann flach wie ein Brett."

"Oder abgeklebt."

"Oder hormongestört."

"Oder eben doch ein Kerl." sagte ich und ließ meinen Kopf hängen.

"Quatsch. Viel zu hübsch, um 'n Kerl zu sein."

"Und was ist mit unserem Chibi?"

"Det is was anderes, sach ick dir." griente Toto. "Ick bin nich mal sicher, ob Shinya überhaupt n Mensch is."

"Du bist doch auch zu hübsch um ein Kerl zu sein."

"Det is wieder wat anderes."

Abends kam ich nach Hause und fand einen leicht grummeligen Kyo vor meiner Tür. "Oi, ich mag das überhaupt nicht, wenn du so guckst." sagte ich und verzog gequält das Gesicht.

"Kann schon sein. Deswegen gucke ich ja so." pflaumte er mich an.

"Und? Wie kann ich dir behilflich sein?"

"Kann ich heut nacht bei dir pennen? Meine Eltern streiten schon wieder die ganze Zeit und meine Mutter schmeißt Geschirr durch die Gegend. Da möchte ich nicht im Weg sein."

"Klar. Meine Eltern sind eh nicht da, können sich also auch nicht beschweren. Komm rein, Kyo-chan, fühl dich wie zu Hause."

"Besser nicht. Sonst hau ich hier auch noch ab." winkte der kleine Blonde ab und spazierte schnurstracks in mein Zimmer, schaltete den Fernseher an. Tatsächlich. Soweit ich wusste, konnte er sich das bei sich zu Hause nicht leisten, sich einfach vor den Fernseher zu setzen. Dann machte seine Mutter immer Ärger oder sein Vater wollte Nachrichten sehen.

"Ich mach was zu essen." sagte ich und schmiss meine Sachen einfach in den Flur. "Hast du irgendeinen Wunsch?" fragte ich meinen kleinen besten Freund, der im Moment für meinen Geschmack viel zu traurig aussah.

"Hauptsache es schmeckt."

"Soll ich dir Om-Reis (Anm. d. A.: ja ja, ich weiß, ich hab zu oft Missile Happy gelesen...) machen?"

"Oh ja, am besten in Elefantenform." sagte Kyo gespielt fröhlich.

Mit in Falten gezogener Stirn machte ich mich in die Küche auf und kochte Om-Reis. Sah zwar nicht sehr appetitlich aus, aber es schmeckte ganz annehmbar.

"Ich mach mir Sorgen um dich, Kyo-chan." sagte ich nach dem Essen.

"Wieso das denn?"

"Na, du isst ja sonst auch nicht viel, aber jetzt hast du fast gar nichts gegessen."

"Ich hab einfach nicht so großen Hunger gehabt, heute." erklärte er schulterzuckend und rollte sich in einer Ecke des Sofas zusammen, war ein paar Minuten später schon eingeschlafen.

Wieder stirnrunzelnd deckte ich ihn zu, räumte dann das Essgeschirr in die Küche und schaltete den Fernseher ab. Jetzt fiel mir auch 'es'-Kaoru wieder ein. Mit einem kurzen Seitenblick versicherte ich mich, dass Kyo tatsächlich schlief, ging dann ins Bad um zu duschen. Leider hatte der Gedanke an das Kaoru einen mörderischen Effekt auf meine Leistengegend. Wie ich so unter der Dusche stand und mir die Haare gewaschen habe merkte ich plötzlich was da vor sich ging. Leicht überrascht sah ich an mir herunter. Tatsache, Die-chan blinzelte mich in seiner ganzen Pracht an. "Mist... Wieso muss das immer mir passieren?" fragte ich mich selbst und ließ meine Hände ihren eigenen Willen verfolgen. Als ich das 'es'-Kaoru vor meinem inneren Auge auszog war es merkwürdigerweise tatsächlich ein Mann und das verwirrte mich doch schon ein wenig. Aber es hinderte mich nicht daran, leise diesen Namen zu stöhnen. "Gott... Kaoru..." Noch immer prasselte das heiße Wasser auf mich herab, während ich mich genüsslich mit mir selbst vergnügte.

Irgendwann kam ich wieder in mein Zimmer und sah wie Kyo mich dämlich angrinste.

"Was?" fragte ich und setzte mich auf mein Bett.

"Oh, Kaoru... Oh ja, das ist gut... Kaoru..." äffte er mich nach.

Ich bekam riesige Telleraugen (wie so ein riesig großer Pizzateller?).

"Ich hoffe doch, damit ist nicht Niikura-chan gemeint?" fragte Kyo. "Immerhin klebt er ja regelmäßig an dir dran."

"Was? Nein... Es gibt noch andere Menschen, die Kaoru heißen."

"Versteh schon." kicherte er.

Ich rollte mit den Augen, warf ihm ein Kissen an den Kopf und legte mich dann lang ausgestreckt auf mein Bett. "Gute Nacht, Kyo-chan."

"Oyasumi, Die-chan." entgegnete er.

Normalerweise flippte Kyo aus, wenn ihn jemand Kyo-chan nannte, aber bei mir merkwürdigerweise nicht. Immerhin nannte er mich ja auch Die-chan.

In einem anderen Licht gesehen... Tja, ich denk noch drüber nach, ne. Gar nicht so einfach. Ts ts ts. Nee, wirklich, wenn ich ich jetzt so drüber nachdenke ist es ja ganz offensichtlich.

Am nächsten Morgen kamen Kyo und ich zusammen in die Schule, wurden auch gleich von einem kreischenden und völlig aufgedrehten Toshiya begrüßt. Es war also alles wie immer. Okay, es wäre merkwürdig gewesen, wenn es einmal nicht so gewesen wäre und ich wäre sicher gewesen, dass Toshiya krank ist oder so ähnlich. Jedenfalls beruhigte mich sein normal abgedrehtes Verhalten ungemein. Es wusste nur niemand, warum Toshiya so war. Vielleicht war es auch einfach nur zu viel starker Kaffee am Morgen.

"Ihr seid aber reichlich spät." stellte er fest nachdem er sich wieder halbwegs beruhigt hatte und tippte auf seine Armbanduhr.

"Ja, Die-kun hatte seinen Wecker nicht angemacht und ich wache ja eh nicht von alleine auf." sagte Kyo und steuerte zielstrebig auf Shinya und Kaoru zu.

"So?" fragte Toshiya und zog eine Augenbraue nach oben.

Ich nickte. "Du weißt schon, seine Eltern..."

"Oh. Hat er bei dir geschlafen?" fragte Totchi weiter.

Wieder nickte ich. "Ich mach mir echt Sorgen. Er isst kaum noch was und so."

"Stimmt, sieht echt nicht gut aus, der Kleine."

Plötzlich schien Toshiya auf etwas zu starren, was hinter mir war. Ich sah nur, wie eine Augenbraue nach oben rutschte und ihm der Mund offen stehen blieb. Also drehte ich mich um. Und was bot sich meinen müden Augen für ein wundervoller Anblick? Genau, das 'es'-Kaoru, jetzt aber eindeutig weiblich. Innerlich atmete ich erleichtert auf, hatte ich ja schon befürchtet, mich in einen Jungen verliebt zu haben. Als sie - ja, ja, Gewissen beruhige dich - an uns vorbeiging hat sie natürlich gesehen, wie wir sie fassungslos angestarrt haben und ein winziges Lächeln umspielte ihre Lippen. Es kam noch besser. Sie drehte sich noch kurz um und winkte. Mein Herz blieb fast stehen.

"War sie das? Das 'es'-Kaoru?" fragte Toshiya, noch immer völlig geplättet.

Ich nickte. "Aber... Sie sieht ja ganz anders aus als gestern und... ist auch nicht so... distanziert und abweisend..." stotterte ich und fischte nach meinen Zigaretten.

Toshiya kicherte, zog mich dann zu Kyo, Shinya und Kaoru. Auch Kaoru machte ein ungläubiges Gesicht.

"Hat die gerade mit dir geflirtet, Daisuke-chan?" fragte er mich.

"Weiß nicht. Du bist doch der Experte, was das angeht." entgegnete ich.

"Und wer war das?" fragte Shinya.

"Heißt zufälligerweise auch Kaoru und geht seit gestern in unsere Klasse." sagte ich.

"Was denn? Matsumoto-kun? Dieses eiskalte etwas, das alles kann außer sprechen?" fragte Kao und ließ vor Schreck beinahe seine Zigarette fallen.

"Matsumoto? Gestern war's ja nur 'Kaoru... oh, Kaoru...'" grinste Kyo.

Ich funkelte meinen kleinen Freund böse an und hob ermahnend den rechten Zeigefinger. "Ts ts ts. Mach dich nicht lustig über mich."

"Sag bloß, du träumst sogar schon von ihr?" fragte Shinya.

"Kann ich da was gegen machen? Nein." antwortete ich.

"Er war ja wach. Das ist doch das lustige an der Sache." scherzte mein bester Freund weiter.

"Sicher, dass du da nicht an mich gedacht hast?" fragte Kaoru mich und zwinkerte mir verschmitzt zu.

"Niemals, nein. Weißt du, du wirkst auf mich nicht sooo anziehend. Bist ja kein Mädchen." grinste ich.

"Och, für dich könnte ich auch ein Mädchen sein, musst nur sagen, was du lieber hättest." gackerte er und klebte schon wieder an mir dran.

"Kao!" motzte ich. "Du bist aber kein Mädchen! Und für dich werde ich garantiert nicht schwul oder so!"

"Was'n? Ich bin doch auch nicht schwul."

"Kannst du nicht mal für ein paar Minuten deine Finger von mir lassen?"

"Verstehe." sagte er, sichtlich verletzt und ließ von mir ab.

"Ist ja nicht böse gemeint."

"Ach? Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich ja sagen, dass ist wegen dieser Kuh."

"Wieso nennst du sie denn Kuh?" fragte Shinya.

"Weil sie aussieht wie eine. Gestern noch, da zeigt sie allen die kalte Schulter und heute, da lächelt sie mal kurz und der liebe Daisuke ist völlig von den Socken." Kaoru war eindeutig wütend. "Alter, wenn du dich wieder beruhigt hast, dann kann man weiterreden, aber nicht solange du so hormongesteuert bist." Mit diesen Worten hatte er sich umgedreht und ist ins Schulgebäude abgedampft.

Ich blinzelte meine übrigen drei Freunde der Reihe nach an. Toshiya zuckte die Schultern, Shinya starrte nur geistesabwesend auf die Pflastersteine als beinhalteten diese die Geheimnisse der Welt und Kyo grinste. Dann kam Kyo ein Stück auf mich zu und deutete mir an, dass ich meinen Kopf zu ihm herunterneigen sollte, damit er mir etwas ins Ohr flüstern konnte, was sonst niemand hören sollte.

"Ich glaube mal, unser Kao-chan ist eifersüchtig." sagte er.

"Du spinnst."

"Nein. Sieh's doch mal sachlich. Normalerweise hat er während des Unterrichts deine ungeteilte Aufmerksamkeit, nicht wahr?"

"Kann sein. Okay, ja, sieht man auch an meinen Noten und den vielen Tadeln."

"So, jetzt, wo noch eine Kaoru aufgetaucht ist, hat er natürlich Schiss, dass er seinen Stammplatz verliert."

"Unsinn."

"Na ja, du musst zugeben, dass es ganz schön offensichtlich ist, dass du dich verknallt hast."

"Du kennst mich einfach zu gut."

"Deshalb sag ich's ja."

"Ach scheiße."

"So was kommt davon, wenn man immer sagt, dass ein Mädchen niemals die Freundschaft zweier Männer zerstören kann."

"Das ist doch lächerlich. Ich meine, ich hab doch nicht mal mit ihr gesprochen bzw. sie hat nicht geantwortet..."

"Na ja, das kann Kaoru, also unser Kaokao, ja nicht wissen ne."

Aus dem Augenwinkel sah ich, wie besagte Kaoru plötzlich auf uns zu kam. Sie lächelte wieder und es sah einfach göttlich aus.

"Hallo." sagte sie, als sie bei Kyo und mir angekommen war. "Gomen, dass ich gestern so komisch war." Damit verbeugte sie sich leicht.

"Schon okay."

"Ist halt komisch, an eine neue Schule zu kommen." erklärte sie.

Nun kamen auch Shinya und Toshiya näher an uns ran.

"Darf ich vorstellen? Das ist Terachi Shinya, unser Chibi, dann Hara Toshimasa, wird von allen aber Toshiya genannt, unsere Prinzessin, Niimura Kyo, das netteste Monster das ich kenne." sagte ich und deutete auf meine Freunde.

"Und er hier, dass ist der nette Andou Daisuke. Aber wir nennen ihn alle nur Die." sagte Kyo und zeigte mit dem Finger auf mich. "Aber Die-chan kann auch richtig fies werden, wenn er will."

"Also ein Chibi, eine Prinzessin, ein Monster und einen netten? Gibt's in eurer Clique auch so was wie einen Stoiker?" fragte Kaoru und musste lachen.

"Allerdings. Dieser Stoiker ist vorhin wütend reingegangen." sagte ich.

"Ach, dieser Niikura?" fragte sie weiter.

"Genau der."

Jetzt blinzelte sie uns sehr wissend an obwohl sie ja eigentlich gar nichts genaues wissen konnte. Tja, zumindest dachten das bis dahin alle.

"So, wo kommst du her? Wie alt bist du? Wohnst du alleine hier? Hast du einen Freund? Magst du Tiere? Bist du gut in der Schule? Kannst du mir in Mathe eventuell Nachhilfe geben, falls du gut in Mathe sein solltest? Hast du hier schon Freunde gefunden? War es schwer, von deinem alten Zuhause wegzugehen? Willst du studieren, wenn du mit der Schule fertig bist? Willst du vielleicht mit einem von uns ausgehen? Schon mal Alkohol getrunken? Schon seit langem Single, wenn kein Freund da ist? Interessierst du dich für Mode? Willst du mal meine selbst designten Klamotten sehen? Soll ich dir auch was designen?" sprudelte es aus Toshiya heraus als Kaoru's Blick kurz auf ihm gelegen hatte.

"Wow." lachte sie. "Okay. Sekunde. Ich komme aus Tokyo, bin so gut wie 18, wohne alleine, hab keinen Freund, Tiere mag ich, ich bin ein Ass in allen Fächern, Mathe-Nachhilfe überlege ich mir noch einmal, nein, ich kenne hier noch keine Leute, Freunde habe ich hier erst Recht nicht, aus Tokyo wegzugehen war nicht so schlimm, studieren vielleicht, mal schauen, was mein Notendurschnitt hergibt, ob ich mit einem von euch ausgehe muss ich mir erst gründlich überlegen, betrunken war ich schon einige Male, Single schon seit einer halben Ewigkeit, Mode ist unentbehrlich, wenn deine eigenen Klamotten schick sind beantworte ich die letzten beiden Fragen mit 'ja'. War das alles?"

"Denke schon, ja." nickte Toto.

Das war das erste Mal überhaupt, dass jemand auf alle Fragen, die Toshiya jemandem auf einmal gestellt hatte, antworten konnte. Irgendwie war sie mir nicht mehr ganz geheuer. So viele Fragen, so schnell daher geplappert, das konnte sich kein normaler Mensch merken, immerhin kann das menschliche Gehirn angeblich nicht mehr als sechs Worte pro Sekunde verarbeiten. Toto schien jedenfalls angenehm überrascht zu sein und fing an zu grinsen.

"Klasse. Test bestanden. Willkommen in Hyougo." sagte er dann und tätschelte ihr den Kopf.

"Und was magst du für Tiere?" fragte Shinya, mal wieder eine von ihm völlig unerwartete Reaktion. Shinya war absoluter Hundefan aber normalerweise hielt er sich extrem zurück, wenn jemand dabei war den er nicht kannte. Und Kaoru kannte er ja nun wirklich nicht.

Und? Was mochte Kaoru für Tiere? Natürlich, Hunde. "Ich habe sogar einen kleinen Chihuahua." sagte sie und nickte.

"Und wie heißt der?"

"Miya."

"Is ja lustig. Meine kleine Chihuahua-Hündin heißt Miyu."

"Oh, hast du ein Foto? Ich liebe Chihuahua's." sagte Kaoru begeistert.

Shinya kramte ein Bild von seiner Hündin aus seiner Tasche. Die kleine Miyu war aber auch wirklich allerliebst.

Toshiya, Kyo und ich standen beeindruckt daneben. Wie schnell ein Hund alles andere doch zur Nebensache werde lassen konnte war schon erstaunlich. Ohne das es einer von uns hätte verhindern können, dackelten Kaoru und Shinya plötzlich miteinander ab.

"Ey, was geht?" fragte ich verdutzt und sah den beiden hinterher.

"Passt doch. Jetzt brauch unser Kaokao wenigstens nicht mehr auf deine das Kaoru eifersüchtig sein." sagte Kyo. "Komm, die Stunde fängt eh gleich an."

Als ich in den Klassenraum kam saßen beide Kaoru's schon auf ihren Plätzen. Unser Kaokao schoss meiner Kaoru hinterrücks sprichwörtliche Giftpfeile zu als ich mich setzte und sie mich freundlich anlächelte.

Gerade als ich etwas sagen wollte stand der blöde Arsch Yuki neben uns und lehnte sich am Tisch an.

"Sag mal, kenne ich dich?" fragte er.

"Denke nicht, nein." antwortete sie, ihre Miene war jetzt wieder gefühllos und kalt, so wie den Tag zuvor. "Ist trotzdem eine ziemlich dumme Anmache, wo Kanno-sensei doch gestern gesagt hat, wo ich herkomme."

"Das war keine Anmache. Woher sollte ich denn wissen, dass du die gleiche Person wie gestern bist? Siehst ja immerhin jetzt sehr anders aus."

"Ich weiß. Hab ich auch alles nur meinem Schatz Daisuke zu verdanken." sagte sie und lehnte plötzlich ihren Kopf an meine Schulter.

In der Reihe hinter mir fiel plötzlich eine Federtasche zu Boden und Kaokao verschluckte sich an seiner Cola.

"Verstehe. Kommst du mit auf die Klassenfahrt?" fragte Yuki. Der Idiot ließ einfach nicht locker.

"Denke mal schon, ja." sagte sie und kuschelte sich noch mehr an mich heran, schlängelte sogar noch ihren linken Arm um meine Taille.

Mir wurde ganz heiß und ich war sicher, mein Gesicht war so rot wie meine Haare. Irritiert wie ich war, schlug ich die Beine übereinander, ich hatte Angst, dass mein Körper die gleiche Reaktion zeigte wie den Abend zuvor, als ich unter der Dusche stand und nur an sie gedacht hatte.

"Huh, guckt mal... Andou-kun und die neue... Wenn das mal keinen Ärger gibt..." tuschelten ein paar Mädchen einige Sitzreihen weiter.

Yuki machte noch immer keine Anstalten, sich von unserem Tisch zu entfernen.

"Ach so, dann bist du wohl wegen Andou-kun aus Tokyo hergekommen?" fragte er, dreist wie er war.

"Hai."

"Na ja, wenn du meinst, dass es das wert ist." lachte er höhnisch und ging wieder, endlich.

Kanno-sensei kam durch die Tür und ballerte wie immer das Klassenbuch auf den Lehrerpult. Dann rief sie mich zu meiner großen Überraschung nach vorne. Aber ich konnte unmöglich aufstehen, ich hatte... na ja, einen Ständer.

"Ich... em... Das geht gerade nicht, Kanno-sensei... Gomennasai." sagte ich und wurde noch röter.

"Wie du meinst. Dann möchte ich dich nach der Stunde im Lehrerzimmer sprechen."

Mist. Jeden Tag hatte man mit dieser Hexe Ärger. Aber ich beschloss ihr einfach zu sagen was los war. Ich war immerhin noch mitten in der Pubertät. Da war es doch nichts ungewöhnliches, wenn man plötzlich und völlig ohne Grund eine Latte hatte, oder?

Na ja, zwei Stunden Mathe waren dementsprechend abturnend und ich ignorierte Kaoru neben mir genauso wie Kaoru hinter mir. Bis Kaoru neben mir, mir plötzlich einen kleinen Zettel zuschob. Mit scheinbar desinteressiertem Blick faltete ich den Zettel auseinander. Darauf stand ihre Adresse und >Meet me there at 8 tonight<. Ich schluckte und blinzelte sie verdutzt und verstört von der Seite an.

"Komm einfach. Okay?" fragte sie lächelnd, wandte ihren Blick dann wieder der Tafel zu.

Schon wieder. Es passierte schon wieder. Also versuchte ich, an das unerotischste zu denken was es gab. Und das war eindeutig Frau Kanno, die bösartige Hexe. Und siehe da, es klappte. Es klappte so erstaunlich gut, dass ich mir vornahm, ab jetzt immer an Frau Kanno zu denken, falls Die-chan mal wieder Probleme machte.

Nach der Stunde gab es im Lehrerzimmer aber keine Standpauke. Es ging lediglich um die Klassenfahrt. Da die Klasse von Kyo, Shinya und Toshiya jetzt auch noch mitkommen würde, sollte ich mich noch mit dem Klassensprecher der anderen Klasse kurzschließen um alles weitere zu besprechen. Klasse, da Shinya derjenige war, mit dem ich dann nur sprechen musste. Bevor ich aber Shinya auf die Klassenfahrt ansprach zog ich Kyo zur Seite.

Ich erzählte ihm, was bis jetzt passiert war und wäre vor Aufregung fast zusammengebrochen.

"Weia, sie hat's dir echt angetan, was?" fragte Kyo und lächelte mich aufmunternd an.

"Ja, es ist nur so... Wenn du heute Abend nicht nach Hause möchtest, dann... geb ich dir meine Schlüssel. Meine Eltern sind wie immer nicht zu Hause... Ich möchte nur nicht, dass du dich außen vor fühlst. Bist ja schließlich mein bester Freund, nicht wahr?"

"Na ja, schlimmer als bei Kao kann's nicht werden, denke ich." scherzte er.

"Oh, hör mir auf. Die ganzen zwei Stunden hatte ich seinen strafenden Blick im Nacken. Es ist nicht zum aushalten." sagte ich und schlug die Hände überm Kopf zusammen.

"Na ja, das wird schon wieder. Auf dein Angebot komme ich vielleicht zurück. Bist nachmittags doch bestimmt da, oder? Dann rufe ich kurz durch."

"Einverstanden."

Wieder spürte ich einen schweren Blick in meinem Nacken. Schließlich drehte ich mich um und blickte in das Gesicht meines (ehemaligen?) Freundes Kaoru.

"Na, alles klar?" fragte er mich und lächelte.

"Das fragst du mich?" fragte ich zurück und zündete mir eine Zigarette an.

"Ja. Hör mal, ich hab nachgedacht. Du kannst ja nichts dafür, dass deine Hormone das denken für dich übernommen haben oder das du dich in sie verliebt hast. Verdenken kann man es dir nicht, sie ist ja nicht hässlich und das mit der Kuh, was ich gesagt habe, nehme ich auch zurück. Ich war halt einfach enttäuscht, verstehst du? Wir sind schon seit der Grundschule immer in einer Klasse gewesen und innerhalb des Klassenraums sind wir doch auch so was wie beste Freunde, nicht wahr? Deshalb..."

"Bist du Toshiya verkleidet als Kaokao?" fragte ich, meinen Kopf nach links geneigt, völlig überrascht über diesen plötzlichen Redeschwall.

"Quatsch, nein. Mach dich nicht lustig über mich. Also, dir sei alles verziehen, solange du mich nicht ganz vergisst. Ja?"

"Kaoru?" fragte ich, noch ungläubiger. "So aufbrausend wie du sein kannst, kann man dich gar nicht vergessen. Und jetzt komm. Die anderen warten schon." sagte ich, legte einen Arm um die Schultern meines Freundes und schleifte ihn unerbittlich zu Toshiya und den anderen.

Ungeahnte Wendungen und bitte nie wieder Alkohol für Toshiya

Einige Sekunden später stand dann auch noch die weibliche Kaoru daneben. Kaokao schien sich innerlich einen Ruck zu geben, drehte sich zu ihr um und verbeugte sich leicht.

"Niikura. Niikura Kaoru." sagte er.

"Ach, der Stoiker?" fragte sie und musterte ihn eingehend.

"Tu nicht so, als wüsstest du das nicht." sagte er und seinem fast freundlichen Gesichtsausdruck wich ein eher befremdlich böser Ausdruck.

"Kennt ihr euch?" fragte Shinya.

"Kennen ist zu viel gesagt." antworteten beide Kaoru's wie aus einem Mund.

Langsam verstand ich nur noch Bahnhof.

"Mein Vater hatte mal eine Affäre mit ihrer Mutter. Na ja, sie behauptet jetzt, Kaoru wäre die Tochter meines Vaters." antwortete Kaokao offen und ehrlich, gestikulierte dabei eher abwertend mit den Händen. Oh, wie ich es hasste, wenn er so war.

Toshiya, Shinya, Kyo und mir ging die Kinnlade runter.

"Also sind Kaoru und Kaoru quasi Geschwister?" fragte Toshiya, leicht begriffsstutzig.

"Das ist noch lange nicht raus." sagte unser meistens friedlicher Kaoru mit einem wirklich düsteren Gesichtsausdruck.

Die weibliche Kaoru zuckte mit den Schultern und steckte sich eine Zigarette an. "Selbst wenn, dann ist es nicht meine Schuld. Ich weiß davon erst seit zwei Monaten." erklärte sie. "Aber versteh du bitte auch, dass ich langsam mal gerne wüsste, wer mein Vater ist."

"Oh, liebend gerne. Weißt du, den kannst du geschenkt haben, wenn du willst. Als Vater taugt er nicht sonderlich viel."

Ich wusste, dass er das nur sagte, um sie irgendwie zu vertreiben. Klar, Eltern waren nicht immer leicht, aber Kaoru liebte seine Eltern, seinen Vater genauso wie seine Mutter.

Die weibliche Kaoru reagierte darauf jedoch nicht weiter, verdrehte nur einmal kurz die Augen und beachtete Kaoru nicht mehr. Und das war wirklich nicht leicht, immerhin schmiss er ihr die ganze Zeit giftige Blicke zu oder äffte sie nach, wenn sie etwas sagte.

Abends ging ich zu der Adresse, die Kaoru mir während der Schule auf einen Zettel geschrieben hatte. Nachdenklich drückte ich auf den Klingelknopf und wartete. Anscheinend hatte sie sofort den Türsummer betätigt. Ich ging also in das Gebäude, fuhr dann mit dem Fahrstuhl in den siebten Stock hoch und ging einen recht langen und schmalen Flur entlang bis ich an der geöffneten Tür des Apatos Nr. 304 vorbeikam. Hier musste es sein. Ich klopfte an die Tür und drückte sie weiter auf.

"Oh, warte, warte, warte." sagte Kaoru plötzlich und hielt mich zurück, als ich doch glatt vergessen hatte, mir die Schuhe auszuziehen.

"Gomen." sagte ich knallrot und zog die Schuhe aus. "Willst du mir jetzt nicht mal verraten, warum ich herkommen sollte?"

"Ich wollte mich mal in Ruhe mit dir unterhalten, ohne das mein vermeintlicher Halbbruder die ganze Zeit dazwischen kommt." erklärte sie und deutete auf die Couch.

Es war nur eine kleine Wohnung, ein Zimmer mit Kochnische und einem winzigen Bad mit Dusche.

"Und was hat dich bewogen einfach nach Hyougo zu ziehen?" fragte ich und setzte mich auf die Couch.

"Ach, vieles. Erstens, weil ich wissen möchte, ob Kaoru's Vater auch mein Vater ist und... Na ja, meine Mutter und ich, wir haben uns nicht mehr so gut verstanden, seit sie vor drei Jahren geheiratet hat. Mein Stiefvater ist, wenn ich das so nennen darf, ein echter Tyrann."

"Ach so." sagte ich und nickte. "Das geht im Moment ja wohl vielen Leuten so."

"Was denn?"

"Na, dass man mit seinen Eltern nicht mehr klarkommt oder das die Eltern sich nur noch streiten und so."

"So? Bei wem denn? Jemand den ich eventuell schon kenne?"

"Verrate es keinem, ja? Kyo's Eltern streiten sich nur noch und er schläft oft bei mir, weil er es nicht mehr aushält."

"Schlimm."

"Ja. Es wird immer schlimmer. Ich kann es kaum noch mitansehen. Weißt du, Kyo-chan sah nicht immer so ausgemergelt aus."

Jetzt erst bemerkte ich den keinen Hund, der aus dem Nichts zu kommen schien und mich böse aber recht fiepsig anknurrte.

"Ach, Miya. Das ist der Daisuke. Der tut dir nichts. Guck? Ist ein ganz lieber." sagte Kaoru und hob den kleinen Hund von der Erde auf. Dann hielt sie mir den Hund direkt unter die Nase und grinste vergnügt. "Und der Daisuke, der kennt den Shinya und dem Shinya gehört nämlich ein kleiner Hund, der aussieht wie du und fast genauso heißt wie du."

Hm. Bei näherem Hinsehen fielen mir auch Gemeinsamkeiten zu Kaoru auf. Also zu dem männlichen Kaoru. Beide hatten diesen durchdringenden, fast stechenden Blick, waren beide gleich groß, ähnlich schmächtig gebaut (auch wenn die weibliche Kaoru natürlich schöne weibliche Rundungen und längere Beine hatte als der männliche). Aber es gab schon einiges am Äußeren der beiden, was stimmig war. Langsam leuchtete es mir auch ein, warum ich mir während meiner Dusche am Vorabend vorgestellt hatte, sie wäre ein Junge.

Das sagte ich ihr jetzt auch. "Du siehst Kaoru aber nicht mal unähnlich."

"Findest du?"

Ich nickte und blinzelte wieder auf den Hund. "Na ja, Miya sieht aus wie Miyu. Ist vielleicht Schicksal, dass sich alle so ähnlich sind." sagte ich und lachte nervös.

"Und warum nennt ihr Toshiya 'Prinzessin'?"

"Das würde sich sofort erklären, wenn du ihn mal außerhalb der Schule sehen würdest."

"Hab ich aber nicht. Also sag's mir oder ich hetze dir meinen Hund auf den Hals." lachte sie.

"Nein, Kaoru, das kann man nicht mit Worten beschreiben, das muss man sehen."

"Dann bin ich ja schon mal gespannt. Aber mir ist aufgefallen, dass ihr alle wirklich nett seid."

"Stimmt."

"Und dieser Yuki? Was ist das für einer? Ich trau dem nicht über den Weg."

"Das tut keiner. Er ist zwar ein super Schüler aber ansonsten eine recht zwielichtige Gestalt. Er und seine merkwürdigen Freunde. Das können unangenehme Zeitgenossen sein. Du solltest also vorsichtig sein und dich nicht mit denen anlegen."

"Schon vergessen? Ich bin ein Mädchen. Ich lege mich nicht mit irgendwelchen Leuten an."

"Na ja, das heute in der Schule war schon nicht ungefährlich."

"Hat aber gewirkt. Sonst hätte der wahrscheinlich noch länger an unserem Tisch rumgestanden." sagte sie und streichelte den kleinen Hund der sich zufrieden auf ihrem Schoß niedergelassen hatte.

"Hm, genau wie Shinya mit seinem Hund." bemerkte ich.

"Na, so einen Chihuahua muss man einfach lieben, weißt du."

"Oh ja, mit diesen überdimensionalen Ohren. Wie eine Fledermaus."

Prompt blickte Miya mich böse an und knurrte kurz.

"Das macht mir Angst." sagte ich und verschränkte die Arme vor der Brust.

"Also, Shinya ist ja mal echt ein Chibi."

"Den Namen hat er ja nicht grundlos."

"Und süß ist er auch."

"Da kann ich nicht mitreden."

Sie grinste mich schelmisch an, wendete sich dann wieder dem Hund zu.

Merkwürdigerweise machte es mir jetzt gar nichts aus, dass sie direkt neben mir saß, so nah, dass ich spürte wie die Wärme von ihrem Körper ausstrahlte.

"Hey, heute ist doch Freitag. Kannst du mir nicht zeigen, wo man hier abends weggehen kann?" fragte Kaoru mich und riss mich so urplötzlich aus meinen Gedanken.

"Sicher, klar. Ich könnte ja Toto anrufen und fragen ob er auch mitkommt."

"Toto? Ach, Toshiya?"

"Genau."

"Dann bin ich ja schon mal gespannt, wie der Privat rumläuft." sagte sie und reichte mir das Telefon.

"Hey Toto, ich bin's, Die. Hast du zufällig Lust, heute Abend noch wegzugehen?" fragte ich als Toshiya abgenommen hatte.

"Nur wir zwei?"

"Nein, Kaoru auch."

"Kaoru? Niikura oder Matsumoto?"

"Matsumoto."

"Hm. Okay. Dann können wir uns ja mal was wegen der Namensgleichheit überlegen."

"Daijoubu. Also, treffen wir uns in einer Stunde vor dem Black Velvet?"

"In einer Stunde? Die-chan, ich brauche aber länger als eine Stunde, um mich fertig zu machen." quietschte er, war aber scheinbar schon aufgesprungen und zu seinem Schrank gestürmt.

"Zwei Stunden?" fragte ich und rollte mit den Augen.

"Einverstanden. Bis dann." sagte Totchi und legte auf.

"Gut, gut. Dann... Muss ich mich dann noch umziehen?" fragte Kaoru und blinzelte mich aus großen Augen an.

Ich musterte sie einen Moment und schüttelte den Kopf.

"Und warum braucht Toshiya dann zwei Stunden Zeit um sich fertig zu machen?"

"Na, weil er eine Prinzessin ist. Mehr nicht. Dakara."

"Okay. Ich geb mich geschlagen." seufzte sie und angelte nach einer Schachtel Zigaretten auf dem Tisch.

"Warum bist du denn gestern eher nach Hause gegangen?"

"Oh, ich bin vom Sport freigestellt."

"Doshite ka?"

"Krumme Füße."

"Deswegen wird man freigestellt?"

"Wenn man sich klug genug anstellt, ja."

"Oh."

"Außerdem habe ich zwei linke Hände und Füße, was Sport betrifft. Ich kann nicht mal vernünftig laufen." lachte sie.

"Also ich finde, du hast einen sehr eleganten Gang."

"Ja, wenn ich gehe. Du hast ja noch nie gesehen, wie ich renne. Das ist einfach zu lächerlich."

"Darf ich dich was fragen?"

"Sicher darfst du das. Machst du doch eh die ganze Zeit." griente sie und zwickte mir in die Wange.

"Okay. Hast du denn deinen vermeintlichen Vater schon getroffen?"

"Hab ich, ganz kurz. Als ich hier angekommen bin hat er mich am Bahnhof abgeholt und mich hergebracht."

"Ach so. Und woher wusstest du, dass unser Kaokao dein eventueller Bruder ist?"

"Na ja, Tomoyasu hat mir ein Foto von seiner 'Familie' gezeigt. Kaoru war halt auch drauf."

Tomoyasu war Kaokao's Vater, ein wirklich netter Kerl, wenn er nicht gestresst war. Schien aber in der Familie zu liegen, wie mir jetzt auffiel.

"Und? Ich meine, hattet ihr denn gleich einen Draht zueinander?" fragte ich weiter.

"Geht so. Das war schon eine sehr komische Situation, weißt du. Ich hab ihn ja das erste Mal überhaupt gesehen."

"Wie hat er dich denn erkannt?"

"Er sagte, dass ich das gleiche Kinn wie meine Mutter hätte."

"Kann ich nicht mal ein Foto von deiner Mutter sehen, wenn du eins da hast?"

"Hab ich nicht." gab sie kurz zurück und ich beschloss, dieses Frage-Antwort-Spiel ein anderes Mal fortzusetzen.

Etwa anderthalb Stunden später machten wir uns dann auf den Weg zum Black Velvet. Um ehrlich zu sein passte Kaoru dort perfekt hinein. Sie war in Schwarz gekleidet, so wie alle, die ins Black Velvet gingen, aber sie war kein Goth. Sie verabscheute Goth. Sie mochte wohl nur die Farbe Schwarz.

Wir blieben vor dem Eingang stehen und warteten auf Toshiya.

"So wie ich ihn kenne, verspätet er sich sowieso." sagte ich nach einer Weile und sah auf meine Uhr.

"Macht ja nix." seufzte sie und lehnte sich mit dem Rücken an der Wand an. "Zu zweit ist es ja auch ganz lustig."

"Stimmt." musste ich ihr beipflichten.

Ja ja, man sagte mir nach, ganz lustig zu sein. Da war auch was wahres dran. Ich wusste schon, die Leute um mich herum zu unterhalten, und wenn es nur mit meiner eigenen Blödheit war. Dafür war ich manchmal aber auch sehr launisch. Pubertät halt.

Nach einer Weile sah ich wie Kaoru an sich runter sah, dann ihren kurzen Rock zurechtrückte, mich dann anblinzelte und lächelte.

"Du... hast ein sehr schönes Lächeln, Kaoru." sagte ich schließlich und kratzte mich betreten am Kopf.

"Danke. Du aber auch."

Endlich schlug auch Totchi bei uns auf.

"Komban wa ihr zwei hübschen." gurrte er und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht, die seiner perfekten Frisur entwischt war.

"Wow... Toshiya, du... siehst ja... Meine Herren..." sagte Kaoru und ging einmal um meinen Freund herum. "Wenn ich es nicht besser wüsste, dann würde ich ja sagen, du wärst ein Mädchen... Ein verdammt hübsches Mädchen... Ist das Kleidergröße 34? Wow..."

"Tja, geht vielen so." lachte er. "Also dann. Wollen wir endlich reingehen?"

Ich nickte und betrat mit den beiden die Bar.

Toshiya hatte sich wie üblich extrem sexy angezogen. Er konnte es sich aber auch erlauben, hatte schließlich Beine ohne Ende und eine perfekte Figur. Nicht ein Gramm Fett. Eigentlich war er richtig dürr, aber da ich ihn nicht anders kannte, wunderte ich mich schon nicht mehr darüber. Na ja, Toshiya sah eigentlich immer derart verführerisch aus, wenn unsere Clique abends weggegangen ist, dass ich ihn sogar schon mal geküsst hatte, als ich betrunken war und er auch.

Als wir drei an einem der Tische saßen kam auch schon prompt die Bedienung und fragte, was wir trinken möchten.

Kaoru hatte noch die Karte in der Hand.

"Lass mal, wir wissen da schon was." sagte Toshiya und nahm ihr die Karte aus der Hand, raunte dann der Bedienung etwas zu. Die Bedienung notierte sich alles kichernd und ging wieder weg.

Wenig später hatten wir alle einen 'Bloody Valentine' (Anm. d. A.: gibt es nicht wirklich, denke ich. Ich persönlich trinke nur Bier, deshalb hab ich von Longdrinks etc. keine Ahnung ^^) vor uns stehen.

"Na dann, kampai." sagte Kaoru und hob ihr Glas.

"Ikki!" sagte Toshiya und packte ebenfalls sein Glas.

"Ex oder Hopp!" setzte ich dazu und wir stießen an.

Irgendwann sah Toshiya nicht mehr wirklich frisch aus und ich beschloss, ihn nach Hause zu bringen. Kaoru hatte sich nach dem ersten Longdrink mit Cola über Wasser gehalten, beobachtete aber mit einem stetigen Grinsen, wie Toshiya erst noch alberner und noch drolliger wurde bis seine Laune plötzlich umschwang und er sich darüber beschwerte, wie gemein und ungerecht die Welt und die restliche Menschheit doch zu ihm wäre.

"Kommsu noch mit?" lallte Toshiya ihr zu als ich ihm unter die Arme griff und ihn quasi aus der Bar schleppte.

"Nein, danke. Ist ja schon spät, nicht? Ich geh nach Hause."

"Alleeeeiiiine?" quiekte Toshi. Jetzt war er nicht mehr ganz so niedergeschlagen.

"Klar. Bin doch schon groß." lachte sie und winkte. "Man sieht sich dann Montag in der Schule." Damit verschwand sie.

"Duuuhu?" fragte mich mein besoffener Freund nach einer Weile.

"Hm?"

"Wir könn sie doch nisch *hicks* alleine nach hause laufen laschen... Was, wenn *hicks* jemand sie überfällt? Oder wenn sie jemanden überfällt, Daiiiiii?"

"Was denn? Soll ich dich alleine laufen lassen?" fragte ich ungläubig.

"Logisch. Guck? Der Toto kann noch alleine... laufen." sagte er und machte sich von mir los, strauchelte und krallte sich sofort wieder an meinem Arm fest. "Okay, Meister. Dann bringen se mich mal nach hause, wa?" (Anm. d. A.: Ich bin sehr interessiert, wie ein Japaner Berlinern würde... Ach so, ich hab ausgerechnet Toshiya manchmal diesen Akzent verpasst, weil Nagano, wo er ja eigentlich herkommt, weiter östlich ist als zum Beispiel Osaka. Ich fand, das passt perfekt. Und warum sollen alle Charas immer nur hochdeutsch sprechen?)

Ich musste kurz lachen, zerrte ihn dann weiter. "Du bist echt ein Spinner."

"Was'n? Wieso sagst denn du *hicks* so gemeine Sachen *hicks* zu mir, hä?"

"Weil es stimmt." lachte ich.

"Bissu in siieee verliebttt? Wenichstens so'n klenes bisschen, Die-chan?"

Ich blinzelte ihn verdattert an. "Weiß nicht. So genau hab ich da noch nicht drüber nachgedacht."

"Oi, wenn duuuhuu sie nich magst, dann... ich find sie nich schelecht *hicks* wenn du versteeehst."

"Werd du erst mal wieder nüchtern, denk dann noch mal drüber nach."

"Brauch sch nisch... Sie is ja ma escht n lecker Mädchen ne." Jetzt fing er wieder an, wie ein verrückter zu kichern, sodass uns einige Passanten verstört anblinzelten.

"Geht's vielleicht ein bisschen weniger laut, lieber Toshiya?"

"Doooooshiteeeeeeee kaaaaaaaaa?" schrie er mir ins Ohr und krallte sich noch doller und ein wenig schmerzhaft an meinem Arm fest.

"Weil mir das peinlich ist, baka."

"Nisch 'baka' zu dem lieben Toshiya sagen ne. Das is nisch neeeett *hicks*."

Es schien fast ewig zu dauern, bis Toto und ich endlich bei ihm angekommen waren und ich ihn in sein Bett packen konnte.

Mit Kyo zu Hause, wie so oft... La dee da da

Kaum bei mir Zuhause angekommen erblickte ich Kyo auf meinem Bett. Ich beschloss kurzerhand ihn zu wecken.

"Ey, du kannst zwar hier schlafen, aber bitte nicht in meinem Bett." sagte ich und stupste ihn an.

"Ich konnte ja schlecht ahnen, dass du heute nacht noch mal wiederkommst. Immerhin warst du doch heute bei der tollen Kaoru." sagte er nach einigem Gähnen. Schließlich raffte er sich aber doch auf und begab sich auf die Couch. Die Couch war in letzter Zeit immer öfters zu seinem Schlafplatz geworden, was ich sehr bedauerlich fand. Aber da er auf der Couch erstaunlich gut schlafen konnte, schien ihn das auch nicht weiter zu stören. In seinem Fall war anscheinend alles besser, als zu Hause zu schlafen.

Wenigstens war ja nächste Woche die Klassenfahrt, Kyo hatte also genügend Zeit ein wenig Abstand zu seinen streitenden Eltern zu bekommen.

Ich verschwand noch kurz im Bad und zog mich um, kämmte meine langen roten Haare durch und ging gähnend in mein Zimmer zurück.

"Und? Meinst du, du kannst heute ruhig schlafen, ohne von dieser bestimmten Person zu träumen?" fragte Kyo und blinzelte mich halbschlafend an.

"Denke mal schon. Bin heute viel zu müde, um noch großartig an sie zu denken." antwortete ich und rieb mir die Augen, verkroch mich dann unter die Bettdecke.

"Daijoubu. Dann schlaf gut, großer."

"Du auch, Kyo."

Auch das restliche Wochenende blieb Kyo noch bei mir. Sonntags Abends ging er aber nach Hause um seine Tasche für die bevorstehende Klassenfahrt zu packen.

Ich wurde schon leicht hibbelig bei dem Gedanken mit beiden Kaoru's wegzufahren. Es war ja ganz offensichtlich, dass sich beide überhaupt nicht leiden konnten.
 

(Anm. d. A.: Okay, das war jetzt kurz, ich wollte es aber eigentlich auch noch irgendwie ans dritte Kapitel hintendranhängen... Ist mir irgendwie missglückt. Tja, shit happens, ne?)

Klassenfahrt, Part 1: Yay! Ich freu mich echt!

Als sich beide Klassen vor der Schule trafen, die beiden Busse standen schon bereit, konnte ich meine Kaoru jedoch nirgends entdecken. Allerdings kam Shinya zielstrebig auf mich zu.

"Ohaiyo." nickte er kurz und kramte einen Zettel aus seiner Jackentasche.

"Shinshin, ich bin noch nicht richtig wach. Kann das nicht warten?" fragte ich und sah ihn flehentlich an.

"Nein. Denk dran, du bist Klassensprecher, auch wenn ich mich Frage wieso."

"Na, wegen seinem Megawatt-Grinsen." sagte Toshiya der sich unbemerkt an uns rangeschlichen hatte und nicht gleich losgequiekt hatte, wie sonst. War Toshiya etwa noch immer verkatert? Eher nicht, oder etwa doch? Na ja, dass er nicht viel Alkohol vertrug war in unserem Freundeskreis durchaus bekannt.

"Stimmt vielleicht wirklich." gackerte das Chibi. "Das ist trotzdem wichtig. Eigentlich hätten wir das schon eher machen müssen."

"Was? Zusammen wegfahren, Liebling?" fragte ich, zog Shinya an mich ran und spitzte die Lippen.

"Nein, du Trottel!" lachte dieser und befreite sich aus meinem Griff.

Gerade als Shinya mit seinen Erläuterungen angefangen hatte kamen Kaoru und Kaoru auf uns zu, Tomoyasu Niikura hintendrein. Mir ging die Kinnlade runter und ich bedeute Shinya, er solle mal einen Moment still sein. Kaokaos Blick hätte töten können und ich wollte wissen, warum das so war.

"Ach, Daisuke-kun. Gut, dass ich dich gleich treffe. Kann ich einen Moment mit dir sprechen, bitte?" fragte Kaoru's Vater mich.

"Klar, Niikura-san." nickte ich und ging mit ihm ein Stück weit von den lärmenden Schülern weg.

"Ich wollte dich nur darum bitten, ein Auge auf meinen Sohnemann zu haben."

"Hab ich doch immer."

"Ja, aber das ist was anderes. Wie du vielleicht weißt, bestand die Vermutung, Kaoru wäre meine Tochter." Als ich nickte fuhr er fort. "Nun, die Testergebnisse sind da. Sie ist wirklich meine Tochter und mein Sohn ist darüber alles andere als begeistert."

"Naruhodo." nickte ich und warf den beiden Kaoru's einen kurzen Seitenblick zu.

Jetzt kam auch noch Kanno-sensei auf uns zu.

"Gibt es ein Problem, Niikura-san?" fragte sie höflich lächelnd.

"Nein. Alles in bester Ordnung. Ich hatte nur so lange keine Gelegenheit mehr, mit Andou-kun zu sprechen." sagte beider Kaoru's Vater.

Ich verstand schon, dass das nicht jeder sofort wissen sollte.

"Also dann. Ich muss zur Arbeit. Ich wünsche euch allen viel Spaß in Osaka." lächelte er und wandte sich von Kanno-sensei und mir ab. Dann verabschiedete er sich noch eben von seinen beiden Sprösslingen und ging.

Shinya kam sofort zu mir und wollte wegen der Klassenfahrt drauflosplappern.

"Warte einen Moment, Shin-chan. Okay? Ich muss nur eben... Warte einfach." sagte ich und ging zu beiden Kaoru's. Noch bevor die beiden verstanden was passierte, wurden sie schon von mir hinter den Bus geschleift. "Wehe, ihr vertragt euch nicht." sagte ich und blickte beide fest an. So kannte ich mich selbst nicht.

"Und was wenn nicht, werter Herr Klassensprecher?" fragte mich ein böse blickender Kaoru.

"Dann muss ich alle Freundschaft vergessen und Meldung bei Kanno-sensei machen. Willst du das?"

"Das würdest du machen?"

"Wenn du es darauf anlegst, ja! Reißt euch einfach zusammen, okay? Ich habe keine Lust, auf eine Woche gespannte Stimmung! Ist das klar?"

'Meine' Kaoru blinzelte mich verdutzt an und nickte. "Ich hatte eh nicht vor, mich auf sein Niveau herabzulassen." sagte sie.

"Kaoru, so fängt das doch schon an. Mir ist es egal wie, aber verhaltet euch friedlich. Am besten versucht ihr einfach, euch zu ignorieren. Das wäre das beste für alle. Geht euch einfach aus dem Weg!" sagte ich und rollte entnervt mit den Augen.

Super, Die. Hast du wirklich Klasse gemacht. Jetzt waren beide Kaoru's nicht wirklich gut auf mich zu sprechen. Sie genauso wenig wie er.

Als ich alles mit den beiden geklärt hatte, na ja, annähernd geklärt, ging ich zu Shinya zurück, der mittlerweile mit Frau Kanno und Herrn Hotei, dem Klassenlehrer der anderen Klasse, sprach.

Wir Klassensprecher bekamen also kurzerhand unsere Aufgaben zugeteilt: Aufpassen, dass nach elf Uhr kein Mädchen mehr in einem Jungenzimmer war und umgekehrt, sicherstellen, dass kein Alkohol getrunken wurde, wenn ja, sollten wir es den Klassenlehrern melden, und so weiter und so fort.

Etwa eine halbe Stunden später saßen alle Schüler, Shinya und mich eingeschlossen, in den Bussen und wir waren abfahrbereit.

Ich hatte mich in die vorderste Reihe gesetzt, zusammen mit Kyo, der noch niedergeschlagener wirkte als den Tag vorher.

"Was'n los, Kyo?" fragte ich.

"Kann ich dir das nachher erzählen, wenn kein anderer zuhört?" fragte er.

"Sicher." nickte ich.

Dann sah ich nach vorne aus dem Fenster und musste amüsiert beobachten, wie Toshiya, der im anderen Bus ganz hinten saß, seine Nase an der Scheibe plattdrückte und komische Grimassen schnitt. Ich stieß Kyo an und siehe da, er lächelte.

"Totchi ist eben ein Spinner." bemerkte er beinahe beiläufig.

"Worauf du Gift nehmen kannst." lachte ich. "Aber er ist der netteste Spinner, den ich bis jetzt getroffen habe."

"Sag mal, was wollte denn Kaoru's Papa von dir?"

Ich erzählte es ihm, leise genug, dass es niemand sonst mitbekam.

"Nani? Das glaube ich nicht."

"Doch. Guck dir bei nächster Gelegenheit die beiden Kaoru's mal an, dann werden dir auch Ruckzuck die Gemeinsamkeiten auffallen, die die beiden haben."

"Das ist trotzdem sehr heftig. Kaoru ist bestimmt stinksauer." sagte Kyo und blinzelte nach hinten.

Kaoru hatte es nämlich vorgezogen, weit von mir weg zu sitzen, genauso wie meine Kaoru es vorgezogen hatte, ganz alleine in der Mitte des Busses zu sitzen.

"Sag mal, warum bist du eigentlich in diesem Bus und nicht in dem anderen? Du bist doch nicht in meiner Klasse." fiel mir auf.

"Stimmt. Aber ich habe Hotei-sensei angebettelt, dass ich gerne mit dir fahren würde."

"Ach was? Und er hat wirklich mit sich reden lassen?"

"Hat er, siehste doch." grinste Kyo. "Ich weiß nicht wieso, aber der ist in letzter Zeit eh viel lockerer."

Ich seufzte kurz und sah mich nach hinten um. Beide Kaoru's sahen mich böse an. "Das kann ja noch heiter werden, mit den beiden."

Klassenfahrt, Part 2: Eine Menge Ärger... Zumindest für die anderen, ätsch!

(Anm. d. A.: Das Kapitel is' jetzt 'n kleines bisschen länger, aber ich hoffe, niemand schläft beim Lesen ein. Nochmal Danke an meine ne-chan für's rübermailen! Fühl dich geknuddelt und geknutscht!)
 

Nach einer schier endlos scheinenden Busfahrt kamen wir endlich in Osaka an. Genauer gesagt in einem kleinen Vorort. Unsere Klassen waren im gleichen Hotel untergebracht, je drei Leute bekamen ein Zimmer. Da ich davon ausging, dass Kaokao nicht mit mir das Zimmer teilen wollte, zog ich Kyo und Toshiya heran. Damit war gute Laune bis in die frühen Morgenstunden garantiert.

Schon nach etwa einer Viertelstunde im Hotelzimmer war der ganze Fußboden bedeckt mit Toshiya's Klamotten.

"Herrgott im Himmel..." sagte Kanno-sensei als sie einen Blick in unser Zimmer riskiert hatte.

Ich zuckte resigniert mit den Schultern und schloss die Zimmertür. "Ich hab Schiss, dass die beiden sich prügeln." sagte ich und setzte mich auf meine Seite des Bettes nachdem ich es teilweise von Toshiya's Klamotten befreit hatte.

"Wer?" fragte Toshiya nichtsahnend.

"Kaoru und Kaoru." sagte Kyo, der ja schon über alles Bescheid wusste.

"Oh. Und wieso?" fragte Toto weiter.

"Sagst du's ihm?" fragte mich mein bester Freund.

"Nein, ich lasse dir den Vortritt."

"Also, die beiden sind tatsächlich Halbgeschwister." verkündete der kleine Blonde.

"Oh." kam von Toshiya. "Das sieht übel aus, für die Klassenfahrt."

Ich nickte und kramte die Liste hervor, die Kanno-sensei mir kurz zuvor gegeben hatte. Auf dieser Liste war aufgeführt, wer in welchem Zimmer war, Mädchen und Jungs. Nach einer Weile fand ich schließlich das Mädchenzimmer mit Kaoru's Namen drauf. "Komme gleich wieder."

Zwei Minuten später hatte ich auch das Zimmer gefunden und klopfte an die Tür. Aus dem Zimmer drang lautes Gekicher und Gegacker. -Die Arme Kaoru, muss mitten zwischen diesen eingebildeten und zickigen Tussen hocken- dachte ich während ich wartete, dass jemand die Tür öffnete. Schließlich ging die Tür einen Spalt weit auf und Hitomi, eine der größten Zicken der ganzen Schule, blinzelte mich skeptisch an.

"Kann ich kurz mit Kaoru sprechen?" fragte ich, bemüht freundlich zu sein.

"Kaoru? Die spricht doch mit niemandem." sagte sie und rollte die Augen. "Aber wenn du unbedingt sterben willst, dann schicke ich sie zu dir."

Endlich kam Kaoru auf den Flur. "Kann ich dir helfen? Mit irgendwas?" fragte sie ohne mich anzusehen.

"Ich wollte mich entschuldigen, Kaoru."

"Ach?"

Ich nickte. "Aber du musst verstehen, dass ich als Klassensprecher die Freundschaft auch mal außen vor lassen muss. Außerdem gefällt es mir gar nicht, dass du nicht mit Kaoru verstehst. Eigentlich ist er richtig nett."

"Ach?"

Ich seufzte und blinzelte sie flehend an. "Kannst du nicht wenigstens versuchen, nett zu sein?"

"Wieso sollte ich? Er ist doch auch nicht nett zu mir. Glaub mir, das letzte Wochenende war das schlimmste meines gesamten Lebens."

"Wieso das? Hat dir das Black Velvet doch nicht gefallen?" fragte ich und zog die Augenbrauen hoch.

"Was? Nein, das war lustig. Aber als Samstag Kaoru und Niikura-san vor meiner Tür standen..."

"Und dann?" wollte ich wissen.

"Na ja, man hat mir das Testergebnis genannt und die zwei haben mich mitgenommen. Schließlich gehöre ich ja jetzt zur 'Familie'." Sie klang richtig gequält als sie das sagte. "Tja, noch am gleichen Tag sind Miya und ich wieder umgezogen."

"Hm."

"Und glaub mir, Kaoru hat nicht gerade Freudensprünge gemacht."

"Kann man verstehen. Einzelkind halt." sagte ich und zuckte mit den Schultern.

"Jedenfalls kann niemand, auch du nicht, von mir erwarten, dass wir plötzlich die besten Freunde der ganzen Welt sind."

"Okay, okay. Aber versuchst du wenigstens, dich für die Klassenfahrt zusammenzunehmen? Ich meine, ich kann echt verstehen, dass das nicht leicht ist ne, aber..."

"Verstehe. Du meinst, du müsstest dich zwischen einem von uns entscheiden, was? Keine Sorge, ich kann meinem Brüderchen gern den Vortritt lassen. Shinya ist ja auch noch da." sagte sie und ging wieder ins Zimmer, bevor ich das richtigstellen konnte.

Jetzt konnte ich nur noch die Stirn in Falten ziehen und machte mich wieder auf in mein eigenes Zimmer.

"Und? Und? Und? Was hat sie gesagt?" fragte Toshiya sofort.

"Hast du schon wieder was anderes an?" fragte ich. Alle anderen trugen ja auch noch ihre Schuluniformen.

"Öh, ja. Jetzt sag schon."

"Sie sagt, Shinya wäre ja auch noch da, falls ich vorhaben sollte, mich zwischen Kaoru und Kaoru entscheiden zu müssen."

"Oh. Na ja, dann kann man aber doch nicht ausschließen, dass sie dich auch mag, oder?" fragte Kyo und richtete sich wieder auf, wäre er auf dem Bett doch beinahe eingeschlafen.

"Oder sie will dich verarschen." sagte Toshiya.

"Das wäre einfacher, wenn nicht beide Kaoru's unverbesserliche Zicken wären." merkte ich an.

"Ich finde Kaoru gar nicht so zickig." sagte Toshi.

"Kaoru oder Kaoru?"

"Na Kaoru. Sonst hätte ich Kaokao gesagt."

Und genau dieser stand wenig später im Zimmer, zusammen mit Shinya.

"So, was machen wir denn heute Abend noch?" fragte Kaoru. "Wenn ich Toto so angucke, könnte es ja wirklich eine lange Nacht werden."

"Na ja, wenn deine Nacht in diesem Fall nur bis 11 Uhr abends dauert." warf Shinya ein. Shinshin war ein Sinnbild an Pflichtbewusstsein und nahm seinen Klassensprecherjob sehr ernst. Okay, wenn Shinya von Leuten umgeben war, die er nicht kannte war er immer ungeheuer schüchtern, aber auch unser Chibi Shinshin konnte ganze schön laut und lustig werden, vor allen Dingen dann, wenn er ein bisschen was gebechert hatte. Und trotz seiner sehr zierlichen, ja fast androgynen Statur, vertrug er eine ganze Menge Alkohol.

"Ts. Dir kann man es auch nicht recht machen." sagte Kaoru und schürzte die Lippen um zu schmollen. Dann blinzelte er mich an. "Was denn? Gar nicht mit deiner kleinen Kaoru zusammen?"

"Hör doch auf ständig zu sticheln. Ist schon kompliziert genug." sagte Toshiya und boxte Kao in den Bauch.

"Alter, wie vielen Leuten hast du das denn schon erzählt?" fragte Kaoru und sah mich böse an.

"Was soll ich wem erzählt haben?" fragte ich zurück. Manchmal war es besser, man stellte sich dumm. Und ich war eindeutig Experte, was das anging. Teilweise hatte ich aber wirklich keinen Schimmer, worum es ging. So war das eben, wenn man seinen Tagträumen nachhing, stundenlang.

"Wir haben doch alle mitbekommen, dass du und Kaoru, dass ihr euch nicht ausstehen könnt." sagte Kyo um die Situation zu entschärfen.

Es klopfte an der Tür und im nächsten Moment stand Miyavi im Zimmer, vom einem Ohr bis zum anderen grinsend. "Ihr glaubt nicht, was Hitomi gerade gebracht hat." strahlte er.

"Was denn? Wie du siehst sind wir hier in diesem Zimmer und wir haben es bisher nicht fertiggebracht, durch Wände zu schauen." sagte Shinya und rollte die Augen. Miyavi war einer der Menschen, die Shinya wirklich hasste, aber Shinya hasste ja fast jeden.

"Na, da ist doch diese neue in eurer Klasse, ne? Diese Kaoru."

"Stimmt genau." nickte ich.

"Na ja, Kaoru musste eben mitansehen, wie Hitomi 'zufällig' den gesamten Inhalt ihrer Tasche auf dem Flur ausleerte."

Über Kaoru's Gesicht huschte ein fieses Grinsen. Ich hasste dieses Grinsen. Denn wenn er so grinste, dann hieß das eindeutig nichts gutes.

Ich zog fragend die Augenbrauen hoch und ging auf den Flur, dann zu dem Zimmer in dem Kaoru mit der Zicke Hitomi und der doooooofeeeen Aki untergebracht war. Und was musste ich da sehen? Kaoru saß mit Tränen in den Augen auf dem Fußboden im Flur vor dem Zimmer und sammelte ihre Sachen ein. Mir fiel nichts ungewöhnliches am Inhalt der Tasche auf. Kleidung, Zettel, ein Tagebuch, ihre Schminkutensilien, mehr war es eigentlich nicht. Okay, es rollten ein paar Tampons über den Fußboden, aber war das so schlimm? Ich zog die Stirn in Falten und ging in die Knie um ihr zu helfen. Aber Kaoru sah mich nur panisch an, schlug meine Hand weg und stopfte alles schnell in die Tasche. Dann stand sie auf, warf die Tasche ins Zimmer und stürmte den Flur entlang, vorbei an Toshiya und den anderen. Shinya, der wusste, dass ich wahrscheinlich der letzte war, mit dem sie sprechen wollte, ging ihr nach. Ich war wirklich wütend auf Hitomi. Ohne zu klopfen ging ich ins Zimmer. Da saß sie auf dem Bett, grinste heimtückisch und tat so, als wäre sie die Unschuld in Person. Alles gleichzeitig. Kaum vorstellbar, aber Hitomi, die Schlange, schaffte es.

"Was sollte das?" fragte ich.

"Was denn?"

"Wieso schmeißt du Kaoru's Tasche auf den Flur?"

"Wer sagt denn, dass ich die blöde Tasche auf den Flur geschmissen habe?" fragte sie zurück, ihr grinsen wurde jetzt nur noch boshafter. "Wie kommt es denn, dass du dich so sehr für Kaoru einsetzt? Ich glaube ja nicht, dass es nur daran liegt, dass du Klassensprecher bist."

"Das 'Warum' hat dich wohl nicht zu interessieren. Das was du hier abziehst ist echt arm, weißt du das? Und du solltest dich was schämen! Du bist echt zu alt für so ein kindisches Verhalten! Ihr könntet euch wenigstens bemühen, es Kaoru ein wenig leichter zu machen, ihr egoistischen Kühe!" brüllte ich sie an und verließ das Zimmer wieder.

Toshiya stand neben der Tür und blinzelte mich fragend an.

"Frag lieber nicht..."

Kaoru kam auch noch dazu.

"Wenn du jetzt einen blöden Spruch lässt, dann-"

"Nein, keine Panik. Ich find das auch nicht okay, was Hitomi da abgezogen hat." sagte er und hob beschwichtigend die Hände.

"Ach?"

"Na ja, sie ist schließlich meine Schwester, nicht wahr?"

Toshiya verschluckte sich an seinem Trinkpäckchen mit Orangensaft an dessen Strohhalm er zuvor noch genuckelt hatte. Er strauchelte und fiel fast hin, bis er sich wieder fasste und Kaoru beinahe entsetzt ansah. "o.O Echt jetzt?"

Der Angesprochene nickte. "Kann man hier irgendwo rauchen?" fragte er dann und holte eine zerdrückte Zigarettenschachtel aus seiner Hosentasche.

"Ich komme mit. Und du auch, Die. Ihr müsst nicht aufeinander sauer sein. Nicht wegen so was lächerlichem. Als wenn einer von euch was dafür könnte." sagte Toshiya, packte Kaoru und mich am Arm und schleifte uns auf den Balkon vor der Etage.

Es war nirgends ein 'Rauchen verboten'-Schild zu sehen, außerdem standen auf dem Balkon mehrere Aschenbecher. Wir lehnten uns an das Geländer und holten unsere Zigaretten hervor.

"Was sagst du denn dazu, dass du jetzt ein Geschwisterchen hast, Kao?" fragte Toshiya.

"Was soll ich dazu schon sagen? Ich werde mich früher oder später schon damit abfinden, denke ich." sagte er beinahe beiläufig.

"Aber egal ist es dir nicht?" fragte ich.

"So was kann einem nicht egal sein. Ich meine, ich war immer ein Einzelkind und jetzt, ganz plötzlich, drängelt sich ein anderer Mensch, ein mir fremder Mensch in meine Familie. Ist doch klar, dass ich nicht wirklich begeistert bin. Obwohl ich schon gerne ein Geschwisterchen gehabt hätte, soviel muss ich zugeben."

Ich blinzelte über das Geländer und sah Shinya und Kaoru. Es hatte ganz den Anschein, als würde Kaoru weinen. Jedenfalls hatte Shinya seine dünnen Ärmchen um sie gelegt und tröstete sie. Auch Toshiya und Kaoru riskierten einen Blick über die Brüstung.

"Irgendwie tut sie mir auch leid." sagte Kaoru schließlich. "Sie kann ja auch nichts dafür."

"Wofür?" fragte Toshiya.

"Dass das alles so gekommen ist. Und ich kann auch verstehen, dass sie wissen wollte, wer ihr Vater ist. Mich hätte das bestimmt auch ganz schön mitgenommen, wenn ich das nicht gewusst hätte. Oh, hatte ich schon erwähnt, dass sie ja auch ganz süß aussieht?"

"Vergiss es, Kaoru. Sie ist immerhin mit dir verwandt." sagte Toshiya und schüttelte den Kopf.

"Schon klar. Ich wollte es nur mal anmerken."

Jetzt gesellte sich auch Kanno-sensei zu Kaoru und Shinya. Sie schien zu fragen, was passiert ist und es sah aus, als würde Shinya ihr alles erklären. Da wir im fünften Stock waren, konnten wir natürlich nichts verstehen.

Wenig später sahen wir, wie Frau Kanno ins Gebäude stürzte. Wieder zwei Minuten später hörten wir die alte Hexe, wie sie Hitomi und Aki zusammenstauchte.

"Verdammt noch mal! Könnt ihr dieses Kleinkindverhalten nicht lassen? Glaubt ihr etwa, Kaoru hat es leicht, mitten im Schuljahr in eine fremde Stadt und eine fremde Schule zu kommen? Wenn ja, dann finde ich das sehr armselig. Vor allen Dingen dir, Aki, hatte ich mehr zugetraut als dieses hinterhältige Verhalten. Wenn mir in den nächsten Tagen noch einmal Beschwerden kommen, dann wirst du nach Hause fahren. Und du auch, Hitomi. Ist das klar?"

"Hai..." kam es kleinlaut von den beiden.

Innerlich grinste ich in mich hinein. Die beiden hatten es wirklich nicht anders verdient.

Frau Kanno sah uns auf dem Balkon und kam ebenfalls hinaus. "Von euch hat doch bestimmt noch einer eine Zigarette für mich, oder?" fragte sie.

"Sie rauchen, Kanno-sensei?" fragte Toshi überrascht und hielt ihr seine Zigaretten hin.

"Nur in solchen Situationen. Also, Andou-kun, du als Klassensprecher musst auch ein Auge darauf haben, dass so etwas nicht wieder vorkommt. Okay? Ich will so ein Verhalten nicht in meiner Klasse. Außerdem scheinst du dich mit ihr gut zu verstehen."

"Mit Hitomi?" fragte ich und kräuselte angewidert die Lippen.

"Nein, mit Kaoru."

"Ach so."

"Dürfte ich gleich einen Moment mit Ihnen sprechen? Unter vier Augen?" fragte Kaoru an unsere Klassenlehrerin gewandt.

"Sind schon weg." sagte ich und zerrte Toshiya vom Balkon zurück in unser Zimmer.

Dort angekommen stellten wir fest, dass Kyo eingeschlafen war. Wie immer, sobald er in eine auch nur annähernd horizontale Position kam.

"Meinst du, er sagt es ihr?" fragte Toshiya und biss sich auf die Unterlippe.

"Wenn er das macht, dann kann man es ihm nur zu gute halten." sagte ich und nickte zustimmend.

"Ich geh mal Shin-chan und Kaoru suchen." sagte Toshi und ging wieder aus dem Zimmer.

Man, das konnte ja noch heiter werden. Während ich Toshiya's Sachen zusammensuchte wachte Kyo auf. "Du wolltest mir doch noch was erzählen." merkte ich an.

"Stimmt. Eigentlich ist es dasselbe wie immer. Aber... gestern hat mein... mein Vater, glaube ich, meine Mutter... geschlagen... Ich hab es nicht genau mitbekommen, aber sie hat geweint und... er hat sich hinterher bei ihr entschuldigt..."

"Und jetzt? Ich meine, was willst du jetzt machen?"

"Weiß nicht. Das habe ich dir aber auch schon ganz oft gesagt."

"Hätte ja sein können, dass sich deine Meinung dazu geändert hätte."

"Erst mal die Schule fertig machen und dann... dann seh ich zu, dass ich bei meinen Eltern ausziehe... Sollen sie sich ruhig die Köpfe einschlagen..."

"Kopf hoch, ja? Ist ja nicht mehr lange." lächelte ich ihn aufmunternd an.

"Oh ja, sechs Monate ist ja auch gar nicht mehr viel." grummelte er.

"Dann hau ich ab nach Kyoto und meine Eltern, die können mich dann mal gern haben. Weißt du, mir reicht es echt. Die zwei benehmen sich nicht wirklich erwachsen. Wenn sie sich hassen oder sich einfach nicht mehr lieben, dann sollen sie sich lieber scheiden lassen, statt sich jeden Tag so idiotisch aufzuführen."

"Hast Recht. Haben deine Eltern das Wort Scheidung denn schon mal erwähnt?"

"Ja und nein. Erwähnt schon ja. Aber wie sieht das denn aus, wenn sie sich nach fast 25 Jahren Ehe plötzlich scheiden lassen?"

"Ach komm. Das wird mittlerweile doch schon gar nicht mehr so eng gesehen."

"Sag das nicht mir, sag das meinen Eltern."

Gerade als ich das Zimmer halbwegs wieder aufgeräumt hatte kamen Toshiya, Shinya und beide Kaoru's ins Zimmer. Kaoru hatte immer noch verheulte rote Augen und sah mehr als nur ein wenig traurig aus. Dazu kam noch das wütende Glitzern in ihren Augen. Aber richtig überrascht war ich, als Kaoru seiner Schwester einen Arm um die Schultern legte und sie sich nicht mal wehrte.

"Gomen ne." sagte er dann so leise, dass man es aus der Entfernung kaum verstand.

Mir ging die Kinnlade runter. Toshiya sah das, grinste und drückte meinen Mund wieder zu.

"Is doch süß." wisperte er und kniff mir in die Wange.

"Soll ich Fragen, ob du auf ein anderes Zimmer kannst?" fragte ich, den Blick auf die immer noch weinende Kaoru gerichtet.

"Bitte? Und den blöden Kühen nachgeben? Ganz bestimmt nicht." sagte sie mit erstaunlich fester Stimme.

Dennoch fühlte sie sich sichtlich unwohl, von fünf Augenpaaren angestarrt zu werden, dazu noch der Arm ihres Bruders um ihr Schultern. Schließlich befreite sie sich aus dessen Griff und verließ das Zimmer, mit hängendem Kopf und hängenden schultern.

Jetzt beschloss ich, ihr hinterher zu gehen. "Kaoru, warte mal einen Moment." sagte ich und fasste ihr sanft von hinten auf die Schulter.

Als sie sich umdrehte lächelte sie, tat so, als wäre nichts gewesen.

"Du, wenn wir wieder in Hyougo sind... Würdest du dann vielleicht noch mal mit mir weggehen? Also, ich meine... Alleine, ohne... Toshiya oder so..." sagte ich und lief knallrot an.

"Was?"

"Ich möchte wissen ob du-"

"Die Frage habe ich schon verstanden, Daisuke..." winkte sie ab.

"Ja oder nein? Wir könnten ins Kino gehen oder so... aber..."

"Mal schauen."

"Also, ich würde wirklich gerne noch mal mit dir ausgehen." sagte ich, hatte ein bisschen meines Selbstvertrauens wiedergewonnen und konnte sie anlächeln.

Etwa eine Stunde später ging es zum Abendessen in das Hotelrestaurant, danach hieß es, man könne die Freizeit so gestalten, wie man wollte.

Kurzerhand beschlossen meine Freunde und ich, Kaoru ein wenig abzulenken, damit sie nicht ständig so böse dreinschaute und um sie von Hitomi und Aki fernzuhalten.

Toshiya tat sein bestes, war drollig wie immer, naiv bis zum Abwinken, quietschte, kicherte, alles, was wir von ihm gewohnt waren. Und siehe da? Er schaffte es am häufigsten, Kaoru ein Lächeln zu entlocken. Sogar Kaokao war weiterhin gutmütig und versuchte sich mit ihr zu unterhalten. Irgendwann hat er sie sogar vor die Tür geschleift um alleine mit ihr zu reden. Ich hätte nur zu gerne gewusst, worum es in diesem Gespräch ging, denn die zwei waren etwa eine Stunde wie vom Erdboden verschluckt.

Kyo hatte die meiste Zeit des Abends damit verbracht entweder zu schlafen oder mit seinem Game Boy rumzudaddeln. Shinya machte ab und an Streifzüge über die zwei Flure die von unseren Klassen belegt wurden, nur um sicherzugehen, dass nichts unrechtes in einem der Zimmer vor sich ging. Er hatte seine Rolle als Klassensprecher quasi verinnerlicht, nicht so wie ich. Ich bin eigentlich auch nur gewählt worden, weil ich ein wenig lustiger bin als die meisten anderen Leute aus meiner Klasse. Ich denke wirklich, dass das der Grund dafür gewesen ist.

Gerade als ich und Toshiya einen kleinen Ringkampf veranstalteten ging die Tür des Zimmers auf und die beiden Kaoru's kamen wieder ins Zimmer. Es sah nicht aus, als würden sie sich noch immer hassen. Ich ließ sofort von Toshiya ab und ging zu den beiden. Mit einem dicken Grinsen im Gesicht legte ich meine Arme um beider Schultern.

"Und? Alles klar, Kaoru und Kaoru?" fragte ich und schüttelte beide.

"Yep. Mein Schwesterlein und ich, wir haben sogar eine Menge gemeinsam." nickte Kaokao.

"Stimmt. Ihr seid beide unglaublich niedlich, ne." kicherte Toshiya und klatschte begeistert in die Hände.

Ich hab die beiden wieder losgelassen und setzte mich auf mein Bett, zog Kaoru's Schwesterchen aber neben mich auf die Matratze und hielt sie am Arm fest, damit sie nicht sofort wieder aufstehen konnte. "Und jetzt, wo alles geklärt ist, können wir ja die Klassenfahrt auch genießen, nicht wahr?" fragte ich und grinste ihr keck ins Gesicht.

"Wie meinst du das?" fragte sie und blinzelte mich aus großen Augen an.

"Reine Auffassungssache. Was Hitomi und Aki angeht brauchst du dir keine Sorgen mehr machen. Und wenn dir einer von denen noch mal blöd kommt, dann sag Bescheid. Dann gibt es für die einen Satz heiße Ohren, das kannst du mir glauben."

"Mein Held." kicherte sie und wurde ein wenig rot.

"Und jetzt? Wir können ja nicht den ganzen Abend im Zimmer rumhängen. Vor allen Dingen, weil Kanno-sensei gesagt hat, wir dürften quasi machen, was wir wollen." sagte Toshiya.

"Schon mal auf die Uhr geguckt? Es ist Montag Abend, 22 Uhr. Jetzt hat selbst hier bestimmt keine Kneipe oder sonst was mehr geöffnet." sagte Kaokao und schüttelte den Kopf.

"Käme auf einen Versuch an. Ich hab jedenfalls keine Lust, gleich ins Bett zu gehen. Ich gehe. Wer kommt mit?" fragte Toshiya und stand auf.

"Ich... komme mit." sagte Kyo und rappelte sich ebenfalls auf.

Kaoru, um die ich immer noch meinen Arm gelegt hatte, nickte und machte sich von mir los.

Wenig später machten wir uns alle auf den Weg, sammelten auf dem Weg zum Ausgang noch Shinya ein und zwangen ihn mitzukommen. Da unser Kaokao die Fähigkeit hatte älter auszusehen als er war, wenn er wollte, hatten wir auch keine Probleme, an alkoholische Getränke zu kommen.

"Na super, wie sieht denn das aus, wenn das jemand mitbekommt, dass sich sogar die Klassensprecher nicht an die Verbote halten?" fragte Shinshin irgendwann, trank aber trotzdem in aller Ruhe sein Bier weiter.

"Ich würde mal sagen vorbildlich." griente Kyo.

Die beiden Kaoru's saßen nebeneinander und quatschten. Ich saß neben Toshiya und beobachtete die beiden die ganze Zeit.

"Was'n los?" fragte Toshiya mich irgendwann.

"Hö?"

"Na, du starrst vor dich hin, als wäre dein Gehirn im Stand-by Modus. Ist doch nicht normal."

"Unsinn." winkte ich ab. "Bin nur ein bisschen müde."

"Oder eifersüchtig?"

"Auf wen?"

"Auf Kaoru?"

"Bestimmt. Schnappt sie mir einfach einen meiner besten Freunde weg." entgegnete ich und zeigte ihm einen Vogel. "Nein. Mir kann das nur Recht sein, wenn die zwei sich verstehen. Außerdem glaube ich nicht, dass ich mir da wegen irgendetwas sorgen machen müsste. Immerhin sind die zwei ja Geschwister ne."

"Und du meinst, das ist ein Hindernis?" fragte Toto und wackelte mit den Augenbrauen.

"Ich hoffe es."

Ohne das ich es merkte saß plötzlich die süße Kaoru neben mir und grinste mich an. "Hey, Daisuke."

"Oh, hi. Kannst du nicht 'Die' zu mir sagen, wie die anderen auch?"

"Okay. Kommst du mal kurz mit vor die Tür?" fragte sie und hörte auf zu grinsen.

Ich nickte und folgte ihr nach draußen.

"Ano... Ich wollte mich entschuldigen..." sagte sie.

"Wofür?"

"Dass ich dich heute so angefahren habe... Von wegen, dass du dich entscheiden müsstest und so..."

"Ach so. Ist nicht schlimm." sagte ich und schüttelte zur Bestätigung den Kopf.

"Trotzdem. Das war nicht nett von mir. Und... ich mag dich halt... Deswegen tut's mir ja leid, dass ich so fies war... So ein mieses Verhalten hast du nicht verdient..." sagte sie leise, sah mich aber fest an.

"Schon okay. Ich verstehe ja, dass das alles nicht einfach war, heute."

"Also nimmst du meine Entschuldigung an?" frage sie.

Ich nickte. "Wie sollte ich dir denn böse sein, Kaoru?" fragte ich und lächelte sie an. "Weißt du, ich mag dich nämlich auch. Außerdem finde ich, dass du das hübscheste Mädchen der ganzen Schule bist."

"Daisuke!" sagte sie und wurde rot.

"Nicht 'Daisuke'."

"Tschuldigung."

"Jetzt hast du dich schon wieder entschuldigt. Ich kann ja nichts dafür, dass du so hübsch und niedlich bist."

"Ich hau dich gleich, wenn du weiter so einen Stuss erzählst!"

-Jetzt oder nie- dachte ich mir, beugte mich zu ihr runter und tupfte ihr einen leichten Kuss auf die Lippen. Und was bekam ich als Antwort? Kaoru wurde noch röter, sah mich aus großen Augen an und ihr blieb der Mund offen stehen.

"So süß findest du mich?" fragte sie schließlich.

Ich nickte nur und grinste sie wieder an.

"Machst du so was öfter?"

"Was denn? Kaoru's küssen?"

"Nein, Mädchen allgemein."

"Eigentlich nicht, nein."

"Aha."

"Lass uns wieder rein gehen, bevor die was falsches denken."

Es war schon nach Mitternacht, als unsere kleine Gruppe das Hotel wieder betrat. Von den Lehrern war weit und breit keine Spur, also schlichen wir alle auf unsere Zimmer.

Klassenfahrt, Part 3: Ein bissl Ärger für uns, Mädchen und 'Keilereien'

Allerdings gab es am nächsten Tag beim Frühstück ein klein wenig Ärger, wirklich nur ein kleines bisschen. Frau Kanno hatte natürlich bemerkt, dass wir alle viel zu lange weggewesen sind, wusste aber, Gott sei Dank, nicht, dass wir auch reichlich Alkohol getrunken hatten.

"Tut uns leid. Wir haben uns verlaufen und den Weg nicht so schnell zurückgefunden." erklärte ich und baute mich vor meinen Freunden auf.

"In Ordnung. Das sei euch verziehen. Aber sagt nächstes Mal bitte Bescheid, bevor ihr das Hotel verlasst. Wenn einem von euch etwas passiert wäre, dann hätte ich für den Schaden aufkommen müssen. Und ihr wollt doch wohl keine arme Lehrerin noch ärmer machen, oder?"

"Nein, natürlich nicht." sagte ich und verbeugte mich leicht.

"Von wegen verlaufen..." sagte Hitomi als wir an ihrem Tisch vorbeikamen.

"Hast du was gesagt?" fragte Kaokao sie und blinzelte sie mit einem so eiskalten Blick an das ich sicher war, dass sie eine Gänsehaut bekommen musste.

"Nein, Niikura-kun."

"Das wollte ich auch meinen."

"Idiot..." murmelte sie vor sich hin.

"Halt dich doch einfach zurück, Hitomi. Oder soll ich Frau Kanno Bescheid sagen, damit sie dich nach Hause schickt?" fragte Kaoru weiter und verschränkte die Arme vor der Brust.

"Ts. Und in dich war ich mal verknallt."

"Glaub mir, ich bin froh, dass du dir das wieder abgewöhnt hast, blöde Kuh."

Oh ja, es war gefährlich, sich Kaoru zum Feind zu machen. Eigentlich war er ein umgänglicher Typ, aber wenn er einen nicht leiden konnte, machte er das bei jeder Gelegenheit deutlich klar. Trotzdem hatte er einen mörderisch guten Schlag bei den Mädchen. Da konnte man regelrecht eifersüchtig werden. Es verging kaum ein Tag an dem er nicht einen Liebesbrief in seinem Schließfach stecken hatte. Deshalb konnte er sich auch nicht über Langeweile beschweren, oder darüber, dass er Freitags abends mal nichts zu tun hatte. Er kramte dann sein kleines schwarzes Adressbüchlein raus und rief bei einem der vielen Mädels an, die in diesem Buch standen, machte schnell ein Date klar und war wenigstens eine Weile beschäftigt. Aber er hasste es, wenn sich ein Mädchen nicht entscheiden konnte, was man bei dem Date dann machen sollte. So kam es, dass es sehr oft beim ersten Date geblieben ist. Merkwürdig war ja, dass die Mädchen, die er hat abblitzen lassen, nie wütend auf ihn waren. Nein nein. Diese Mädchen schwärmten nach wie vor für ihn, ließen ihn aber ansonsten in Ruhe.

Aber es gab auch sehr hartnäckige Fälle.

Als wir an einem der Tische Platz genommen hatten und unser Frühstück verspeisten stand plötzlich Makoto hinter Kaokao. Sie war eine der wenigen, die seine Abfuhr nicht auf sich sitzen lassen konnte und ihm jeden Tag Briefchen in den Spind steckte oder in seiner Nähe herumlungerte.

"Gozaimasu." sagte sie und Kaoru fuhr erschrocken herum.

"Makoto, was soll das?" fragte er.

"Ich wollte nur guten Morgen sagen." erklärte sie und tippte ihm mit dem rechten Zeigefinger gegen die Stirn.

"Schön. Dann kannst du ja jetzt wieder gehen."

"Will nicht."

Kaokao rollte die Augen und wandte sich wieder seinem Frühstück zu. "NERV MICH NICHT!" sagte er, als sie sich noch immer nicht weg bewegt hatte.

"Kao-chan, warum bist du denn so abweisend? Du weißt doch, dass ich dich mag." sagte sie und streckte ihre Hand aus. "Da könntest du ruhig mal ein bisschen netter zu mir sein, Kaoru-chan."

Auf mein sowie Toshiya's und Kyo's Gesichter hatte sich ein breites Grinsen geschlichen.

Als Makotos Hand Kaorus Haare berührte war es zu spät. Er sprang von seinem Stuhl auf, fuhr herum und brüllte sie vor der gesamten Klasse an, was ihr einfallen würde, einfach seine Haare, sein Heiligtum, zu berühren. Die ganze Klasse starrte zu ihm und Makoto, die dann wie ein Kleinkind zu weinen anfing und sich entschuldigte. Aber Kao hatte trotzdem ein weiches Herz und es tat ihm jetzt schon wieder leid, dass er sie so angefahren hat. Er entschuldigte sich artig bei ihr, gab ihr aber zu verstehen, dass aus ihm und ihr nichts werden könne.

"Aber wieso denn nicht?" fragte sie fassungslos und ungläubig. "Ich meine, guck mich doch mal an! Du weißt ja gar nicht, was du verpasst!"

Kaoru fing an zu schmunzeln. "Trotzdem, Makoto. Du bist zwar niedlich aber eben nicht mein Typ." erklärte er ruhig und bestimmt. "Und jetzt lass mich in Ruhe frühstücken. Oder willst du, dass ich verhungere?"

"Nein..." sagte Makoto kleinlaut und verzog sich wieder.

Der Rest beider Klassen kicherte belustigt während Frau Kanno und Herr Hotei die Szene mit gemischten Gefühlen beobachtet hatten.

"Du hast es aber auch mit deinen Haaren." sagte Kyo.

"Das sind nicht einfach Haare. Das ist ein Geschenk Gottes." berichtigte Kaoru und hob den rechten Zeigefinger, als würde er Kyo tadeln.

"Okay, okay. Ich geb mich geschlagen." seufzte mein kleiner blonder Freund, stocherte dann weiter lustlos in seinem Frühstück herum.

Toshiya zog die Stirn in Falten, beschloss im nächsten Augenblick, Kyo zum Essen zu zwingen.

"So, Kyo-kun, iss mal ordentlich, damit du groß und stark wirst."

Kyo boxte ihm daraufhin in den Bauch.

"Okay, damit du groß wirst, stark bist du schon." (Anm. d. A.: Ich glaube, diesen Satz habe ich schon mal bei einem anderen fanfic gelesen... Oder doch nur ein deja vu? Wenn's geklaut ist war es keine Absicht, also bitte nicht böse sein...).

Eine halbe Stunde nach dem Frühstück ging es los zur ersten Klassenunternehmung. Wieder waren beide Klassen gemeinsam unterwegs. Also rannten gut 50 Schülerinnen und Schüler durch Osaka, von hier nach da, von einem Tempel zum anderen und so weiter und so fort. Da unser lieber Shin-chan in Osaka geboren ist und bis zu seinem 12. Lebensjahr auch dort gelebt hat, kannte er sich in seiner alten Heimat auch noch relativ gut aus. Und siehe da, schon bröckelte unsere Lügengeschichte wegen unseres Zuspätkommens am Vorabend.

"Na ja, die Ecke, in der das Hotel ist, kenne ich nicht." entschuldigte Shinya sich als Frau Kanno ihn prompt darauf angesprochen hatte. "Osaka ist schließlich eine große Stadt, nicht wahr?"

"Hast Recht, Terachi-kun." lenkte sie schließlich ein und ließ wieder von uns ab.

Gegen Nachmittag kamen wir wieder im Hotel an, völlig erschlagen vom vielen herumgerenne und der vielen Kultur. Kyo, der eindeutig 'kulturgeschockt' war, fiel müde auf sein Bett und ist sofort eingeschlafen, während Toshiya, Kaoru, Kaokao und ich auf den Balkon gegangen sind um zu rauchen.

"Sollen wir das jetzt den Rest der Klassenfahrt machen? So viel rumrennen?" fragte Toshiya und rollte mit den Augen.

"So weit ich weiß nicht, nein." entgegnete ich. "Frau Kanno meinte, dass wir uns übermorgen oder so auch in Grüppchen aufteilen können und so selbst die Stadt erkunden können."

"Klasse, Kaoru und ich wollten nämlich shoppen gehen." fuhr Toshi fort.

"Ich wollte mit dir einkaufen?" fragte Kaokao ungläubig.

"Nein, ich wollte mit ihm einkaufen gehen." sagte Kaoru und musste lachen, weil Toshiya wieder so ein merkwürdiges Gesicht machte.

"Yep. Ich hab ihr versprochen, sie modetechnisch ein bisschen zu beraten."

"Willst du aus meiner Schwester etwa auch eine Prinzessin machen?" fragte Kaokao.

"Ist sie doch schon. Aber ihr fehlt der Feinschliff." grinste Toto.

"Ich finde sie perfekt..." nuschelte ich, wie zu mir selbst, aber ich wurde - natürlich - im nächsten Moment von drei ungläubigen Augenpaaren gemustert. Knallrot im Gesicht fing ich an zu grinsen. "Ist was?"

"Iie, daijoubu desu ne." sagte alle drei gleichzeitig und schüttelten die Köpfe.

"Man wird doch wohl noch denken dürfen..." sagte ich, peinlich berührt.

"Ja, aber so laut? Langsam mache ich mir echt Sorgen um dich, mein Freund." sagte Toshiya und tätschelte mir die Wange.

Na ja, das war die perfekte Überleitung für einen Angriff á la Daisuke. Im nächsten Moment hatte ich meinen Freund im Schwitzkasten, schüttelte ihn durch, zwickte ihn in den Bauch, stellte ihm ein Bein und brachte die Prinzessin schließlich zu Fall, sehr zur Belustigung der beiden Kaoru's die das natürlich alles beobachteten. Jetzt hing ich über Toshiya drüber und kitzelte ihn ordentlich durch. Das war sehr leicht, weil Toshiya quasi überall kitzelig war. Kreischend, wie ein Mädchen, bettelte er mich an, aufzuhören. Das tat ich natürlich nicht. Bis Toshiya sich in einer Art wehrte, die für mich mehr als einfach nur schmerzhaft war. Genau, er fing an, nach mir zu treten und traf mich, wie selbstverständlich, direkt in die Familienjuwelen. Mit einem schmerzerfüllten Winseln brach ich auf dem Boden zusammen, begrub Toshiya unter mir, bis eben dieser mich von sich runterrollte.

"Gomen, Dai-chan! Das hab ich nicht gewollt! Tut mir unendlich leid!" kreischte Toshiya mir ins Ohr und packte mich an den Schultern.

"Fass! Mich! Nicht! An!" zischte ich, stieß ihn von mir weg und kauerte mich auf dem Fußboden zusammen.

Kaoru ging neben mir in die Hocke. "Soll ich... dir ein bisschen Eis besorgen, oder so?" fragte sie und strich vorsichtig durch meine Haare. "Ich meine... Ich weiß ja nicht, was da hilft..."

"Zeit heilt alle Wunden." sagte Kaokao und konnte sich ein grinsen nicht verkneifen.

"Recht hat er..." sagte ich leise und richtete mich langsam wieder auf. Mein Blick traf sich mit dem von Kaoru und sie lächelte. Plötzlich war aller Schmerz vergessen. Okay, es tat immer noch weh, aber wenn man so angelächelt wurde? Was war da schon ein beherzter Tritt in die Eier? Genau, nichts. Außerdem hatte Toshi es ja nicht so gemeint und es war ja auch irgendwie meine eigene Schuld. Hätte ich aufgehört, ihn zu quälen, hätte er mich nicht getreten. Ein ewiger Kreislauf sozusagen. Ts. Manchmal hätte ich mich selbst dafür ohrfeigen können, dass meine Gedanken ständig derart abdrifteten.

Irgendwie war es jetzt sehr hart für mich, Kaoru nicht auf der Stelle abzuknutschen. Sie hatte ja... Wie soll ich es am besten ausdrücken? Ja, sie hatte sehr sinnliche Lippen, die einen quasi dazu einluden, diese Lippen zu küssen und an ihnen zu saugen, bis sie anschwollen. Aber mit dem Blick ihres Bruders im Nacken, hielt ich mich zurück, war mir aber sicher, dass ich sie früher oder später, aber jedenfalls noch während der Klassenfahrt, noch einmal küssen würde. Ob sie wollte oder nicht. Sie sah jedoch nicht aus, als würde sie vorhaben, sich großartig dagegen zu wehren. Hatte sie am Abend davor ja auch nicht.

Jedenfalls starrten wir uns eine Weile wie paralysiert in die Augen, bevor Kaoru endlich - wieso endlich? Das hätte ewig so weitergehen können! - aufgestanden ist. Sie tätschelte mir noch einmal den Kopf, hielt mir dann ihre Hand hin und half mir aufstehen.

"Danke." sagte ich und klopfte meine Hose ab.

"Doitashimashite." lächelte sie.

Toshiya und Kaokao standen grinsend daneben, winkten plötzlich jemandem zu.

"Hier seid ihr. Hab euch schon überall gesucht." sagte Shinya plötzlich und gesellte sich zu uns.

"Immer der Nase nach, Shin-chan." sagte Toshi und hielt dem absoluten Nichtraucher Shinya seine Kippe vor die Nase.

"Bäh! Mach das nicht immer, Totchi! Sonst verhaue ich dich früher oder später doch noch!" motzte Shinya, sah dabei irgendwie seinem Hund sehr ähnlich.

"Du hast gar nicht genug Kraft, um mir ernsthaft wehzutun." entgegnete Toshiya trocken, wurde aber schnell eines besseren belehrt.

Shinya sah nun wirklich nicht danach aus, aber in seinen dünnen Ärmchen steckte eine ganze Menge Kraft, die er nun an Toshiya ausließ, gnadenlos und brutal. Wie immer, wenn Shinshin sich auch nur annähernd bedroht fühlte.

Jetzt, wo alle Augen auf Toshiya und Shinya gerichtet waren nutzte ich die Gunst der Stunde und zog Kaoru ein Stück von den anderen weg.

"Okay, noch mal zum Thema ausgehen." sagte ich und hielt sie an den Schultern fest, musterte sie eingehend.

"Ich hab doch schon gesagt-"

"Na, lass mich ausreden." lachte ich, hielt ihr den Mund zu. "Einverstanden?" Als sie nickte zog ich meine Hand wieder weg. "Was hältst du von Kino?"

"Darf ich jetzt was sagen?"

"Hai."

"Ich liebe Kino."

"Sugoi. Da kommt nämlich demnächst so ein wirklich witziger Animationsfilm ins Kino."

"Ein Animationsfilm oder ein Anime?"

"Ein Animationsfilm."

"Mal gucken." nickte sie.

"Prima. Und da gehen wir dann alleine hin. Ich lade dich ein, kaufe dir so viel Popcorn wie du essen kannst, so viel Cola wie du trinken kannst und alles andere, was du haben willst."

"Echt? Das wird dann aber teuer für dich."

"Egal. Mein letztes Date war mir eine Lehre."

"Doshite ka?"

"Ich hab das Mädchen ihre Sachen selbst zahlen lassen." zuckte ich mit den Schultern.

Gott, bin ich ein Idiot! Warum um alles in der Welt erzähle ich Kaoru von einem vorangegangenen Date? Sie kam sich bestimmt ziemlich beschissen vor, in dem Moment. Ein Glück nur, dass sie nicht sehen konnte, wie ich mir innerlich selbst mit der flachen Hand vor die Stirn geschlagen habe.

Klassenfahrt, Part 4: Ramen und Chihuahua's

Kapitel 8 Klassenfahrt, Part 4, Ramen und Chihuahua's

Schon am nächsten Tag durften alle in Gruppen alleine losziehen. Natürlich bestand meine Gruppe aus Kaoru, Kaoru, Toshiya, Shinya und nicht zuletzt Kyo. Das war die lustigste Gruppe von allen, davon war ich fest überzeugt. Leider mussten wir öfters kleine Pausen einlegen, weil Kyo mit seinen kurzen Beinen kaum hinterherkam. Aber für den kleinen taten wir sowieso fast alles. Im Moment waren Toshiya und ich die einzigen, die über seine Probleme zu Hause wussten, aber ich konnte schon verstehen, dass er nicht wollte, dass jeder davon wusste. Wir waren ebenfalls sicher, dass Kaokao sofort Maßnahmen ergreifen würde, ihm zu helfen, sobald er Wind von der Sache bekommen würde. Also schwiegen wir ihm gegenüber.

Mittags gönnten wir uns alle eine große Portion Ramen. Sehr lecker. Anders als in Hyougo aber trotzdem essbar.

Während wir aßen sahen wir die Gruppe um Hitomi auf das Restaurant zusteuern.

"Haben die eigentlich noch was zu dir gesagt?" fragte ich an Kaoru gerichtet.

"Nichts, nein. Denen wurde ja auch von allen Seiten gedroht, nicht wahr?"

"Na ja, ich dachte, sie hätten sich wenigstens entschuldigt."

"Ts. Die doch nicht." sagte Kyo. "Das müsstest du selbst am besten Wissen, Die-kun."

"Wieso das?" fragte Kaoru.

"Ist nicht so wichtig." winkte ich ab.

"Ich möchte es aber wissen."

"Kann sein. Vielleicht erzähle ich es dir irgendwann mal, aber bestimmt nicht jetzt."

"Menno. Ich fühle mich jetzt richtig ausgeschlossen." sagte sie in einem beleidigten Ton und verschränkte die Arme vor der Brust, die Lippen zu einem Schmollmund verzogen.

Seeeeehr süß.

"Ach komm. Du kannst ihm deswegen nicht böse sein." sagte Kaokao und klopfte ihr auf die Schulter.

"Sagst du's mir? Komm schon, du als mein Bruder."

"Übertreib's mal nicht." sagte er und fing an zu lachen.

"Ich find das schön, dass ihr euch doch versteht." sagte ich. Perfekter Themenwechsel. Eine meiner schönsten Fähigkeiten. Wenn ich etwas konnte, dann war es das.

Beide Kaoru's zuckten mit den Schultern.

"Kaokao ist halt ein Stoiker. Das hatte Kaoru richtig erkannt." sagte Shinya.

"Soll das jetzt immer so bleiben?" fragte Kaoru.

"Was denn?"

"Das mit Kaokao und Kaoru. Ich meine, wir müssen uns da irgendwas überlegen."

"Hast du vielleicht noch einen zweiten Vornamen?" fragte Toshiya.

"Nein. Das wäre ja noch schöner."

"Vielleicht... Kao-chan für das Mädchen und Kao-kun für den Jungen. Wäre das nicht was?" fragte das Chibi.

"Sicher, Shin-chan." nickte Kyo.

"Oder aber, ihr sprecht mich gar nicht mehr an. Das wäre leichter. Ab heute bin ich für euch nur noch 'du'." sagte sie und fing an zu lachen.

"Du?" fragte ich und blinzelte sie beinahe verträumt an.

"Hai."

"Sollen wir euch lieber alleine lassen?" fragte Kao-kun. "Wir wollen hier ja bei nichts im Wege sein."

"Was soll das denn heißen?" fragte ich.

"Hallo? Ihr fallt doch quasi übereinander her. Na ja, das würdet ihr machen, wenn wir nicht dabei wären." sagte Toshiya.

"Gar nicht wahr." verteidigte Kaoru sich.

"Sagst du jetzt. Wir können euch ja nachher rein zufällig aus den Augen verlieren." grinste Kyo und wackelte mit den Augenbrauen.

Ich beobachtete mit einiger Begeisterung, wie Hitomi und die anderen wieder umdrehten, als sie uns sahen. "Ich glaube, die ha'm Schiss." sagte ich und deutete mit der rechten Hand auf die davonstürmende Mädchengruppe.

"Zu Recht." sagte Kaokao böse blinzelnd.

Na ja, wieder raus aus dem Nudelhaus verloren Kaoru und ich die anderen tatsächlich aus den Augen, als wir in eine sehr belebte Einkaufsstraße kamen. Genau in dem Moment als wir in die Menschenmassen eintauchten, spürte ich Kaoru's kleines Händchen am Ärmel meiner Jacke. Ich sah nach rechts, in Kaoru's lächelndes Gesicht und verlangsamte meinen Schritt, schon waren die anderen von uns fortgerissen worden. Wie aus einem Reflex legte ich meinen Arm um ihre schmalen Schultern und zog sie dichter an mich ran um sie nicht auch noch zu 'verlieren'. Ich erwiderte ihr lächeln. "Keine Angst, ich passe auf dich auf." wisperte ich ihr ins Ohr, versuchte währenddessen, sie aus der Menschenmenge herauszuziehen.

"Ich bin so was ja aus Tokyo gewöhnt." sagte sie und hielt sich trotzdem an meiner Jacke fest.

"Hattest du in Tokyo denn keinen Beschützer?" fragte ich. Okay, die Frage war vielleicht ein bisschen dreist und ziemlich dumm, aber ich wollte unbedingt mehr über sie wissen.

"Nicht wirklich, nein." antwortete sie und schüttelte den Kopf.

Ich zog sie in eine weniger belebte Seitenstraße und wir gingen langsamer weiter. "Verstehe ich nicht. So wie du aussiehst, müssten die doch alle Schlange gestanden haben."

"Na, die Jungs in Tokyo sind nicht so. Zumindest nicht die von meiner alten Schule."

"Nicht?"

"Nein. Das ist halt Kanto, nicht Kansai. Ein grooooßer Unterschied." lachte sie.

"Ach so, du meinst also, die Jungs in dieser Gegend sind da offener?"

"Hab ich ja schon mitbekommen, seit ich hier bin."

"Oh."

"Ja ja, und du bist daran nicht unbeteiligt."

Jetzt lief ich mal wieder komplett rot an, mir war das ganze irgendwie peinlich.

Aber Kaoru lächelte mich immer noch an, also schien sie nicht wirklich böse zu sein, dass ich sie geküsst hab, einfach so. "Ich gelobe Besserung." sagte ich und hob wie zum Schwur die rechte Hand.

"Ich meine, wegen mir musst du dich nicht zurückhalten, weißt du." grinste sie mich an.

"Hö?"

"Du scheinst ja gerne irgendwen zu küssen."

"Irgendwen?"

Mensch, Kaoru! Siehst du denn nicht die vielen quietschgrünen Fragezeichen über meinem Kopf?

"Na, ich hab mich ein bissel mit Toshi unterhalten."

"Oh."

"Allerdings. Hätte ich gewusst, dass du wahllos in der Gegend rumknutschst, hätte ich mir nichts drauf eingebildet."

Also bestand die Wahrscheinlichkeit, dass sie nichts von Toshiya's und meinem rumgeknutsche wusste. Perfekt.

"Ich knutsche nicht wahllos in der Gegend rum." verteidigte ich mich.

"Nicht? Warum sagt Toshi das dann?"

"Hm. Vielleicht ist er neidisch."

"Worauf soll er denn neidisch sein, wenn du doch sagst, dass du nicht wahllos in der Gegend herumknutschst?"

"Da hast du auch wieder Recht." nickte ich und kratzte mich nachdenklich am Kinn.

"Also?"

"Also was?"

"Weiß auch nicht. Geht mich ja auch nichts an, ob und mit wem du rumknutschst."

Als sie das sagte grinste sie nicht mehr, nicht mal mehr ein Lächeln lag auf ihrem hübschen Gesichtchen.

Komisch, dass ich in solchen Situationen dazu neige, Dinge zu verniedlichen. Ich meine, okay, Kaoru war echt Zucker, aber deshalb muss man doch nicht überall ein -chen hintendranhängen, oder?
 

(Anm. d. A.: Befinde mich gerade mitten im Umzug von Celle nach Bielefeld, es ist jetzt spät in der Nacht und nachts neige ich dazu, nur noch mehr Müll als sonst zu schreiben... Ich sitze hier zwischen Dutzenden Umzugskartons, meine Möbel sind größtenteils schon auseinandergebaut und sogar meine Stereoanlage und mein DVD-Player sind schon eingepackt... Ich sterbe... Nicht mehr das Yokan PV zum Einschlafen angucken zu können ist schon hart... Jetzt gibt es nur noch mich, meine Matratze, Bettzeug und den Laptop...)
 

"Hat sich das etwa angehört, als würde ich mich rechtfertigen?" fragte ich sie nach einer Weile.

"Chotto."

"Honto?"

"Wenn ich's doch sage? Aber, wie schon gesagt, es geht mich nichts an."

"Wäre es dir lieber, wenn es dich was anginge?"

"Schon irgendwie, hai." nickte sie und wurde rot.

"Oh, du bist süß, wenn du rot bist." lachte ich, hielt ihr dann meinem Arm hin, damit sie sich einhaken konnte, was sie auch sofort tat.

"Kriegen wir keinen Ärger, wenn jemand sieht, dass wir ohne den Rest unserer Gruppe hier rumlaufen?"

"Glaube nicht, nein. Außerdem können wir nichts dafür, dass wir sie aus den Augen verloren haben." sagte ich und schüttelte den Kopf.

Ihr zartes Händchen rutschte kurz zu meiner Hand, aber sofort wieder weg. Ich fand das sehr bedauerlich. Schließlich entschloss ich mich, ganz dreist, ihre Hand zu nehmen. Und siehe da, sie zog ihre Hand nicht wieder weg, wider meinen Erwartungen. Es fühlte sich wundervoll an, ihre zarten Fingerchen zwischen meinen zu spüren und ich konnte nicht verhindern, dass sich ein verträumtes Lächeln auf meine Lippen stahl.

Während ich so in meinen Gedanken und kleinen, nicht perversen, Phantasien versunken war blieb Kaoru ruckartig stehen um sich die Auslagen eines Geschäfts anzusehen.

"Oh, das ist ja goldig." sagte sie, drückte fast ihre Nase an der Schaufensterscheibe platt.

"Was denn?" fragte ich und lugte über ihre Schulter.

"Da, die kleine Chihuahua-Figur..." sagte sie. "Voll süß..."

"Willst du sie haben?"

"Weiß nicht. Ist sicher teuer."

"Dann kaufe ich sie dir."

"Oh nein, das kann ich nicht annehmen!" protestierte sie.

"Als Einstandsgeschenk." sagte ich und zerrte sie in den Laden.

"Nein, Die-kun, das geht nicht, wirklich nicht!"

"Wieso denn nicht?" fragte ich.

"Bitte, mach das nicht." flehte sie.

"Aber ich möchte sie dir wirklich gerne kaufen, Kaoru." sagte ich, hielt sie an den Schultern fest und blinzelte sie mit einem Hundeblick an.

"Guck mich nicht so an." sagte Kaoru, wurde mal wieder rot.

"Doshite ka?"

"Das ist mir peinlich."

"Dozo, Kaoru, lass mich dir eine kleine Freude machen. Bitte, bitte, bitte, bitte, bittööööö!" jammerte ich und schüttelte sie leicht.

Der Verkäufer blickte uns skeptisch an und schüttelte den Kopf. Dann kam er zu uns.

"Kann ich euch helfen?" fragte er höflich.

"Ja. Ich würde gerne diese Chihuahua-Figur aus dem Schaufenster kaufen." sagte ich, bevor Kaoru in irgendeiner Art und Weise protestieren konnte.

"Sehr gerne." nickte er und holte die Figur aus der Auslage, ging dann zur Kasse und packte das Figürchen ein. "So, das macht dann 2.900,00 Yen."

Au weia. Wie kann etwas so kleines so teuer sein? Egal! Was waren schon 2.900,00 Yen, wenn man Kaoru dafür lächeln sehen konnte?

Der Verkäufer und ich tauschten also Geld gegen Hündchen, wie bei einer Geiselnahme, und ich verließ mit Kaoru das Geschäft. Draußen gab ich ihr dann das Figürchen. "So, für das hübscheste Mädchen der Schule eine kleine Hundefigur." lächelte ich und verbeugte mich leicht.

Und wie bedankte sie sich? Sie zog mich am Kragen zu sich runter und drückte mir einen leichten Kuss auf die Wange. "Arigato gozaimashita."

"Gerngeschehen." entgegnete ich lächelnd, griff wieder ihre Hand und zog sie weiter.

Oh, wir hatten wirklich eine Menge Spaß miteinander. Trotz herbstlicher Temperaturen haben wir uns Eis gekauft, sind den ganzen Tag durch die Stadt geschlendert, haben hier und da etwas angesehen, zwischendurch eine Kleinigkeit gegessen, geredet und gelacht. Ja, wir haben viel gelacht.

Als wir auf dem Rückweg ins Hotel waren fing es an, wie aus Eimern zu regnen. Grauenhaft. Ich zog kurzerhand den Reißverschluss meiner Jacke auf und zog die Jacke anschließend über unser beider Köpfe, damit wenigstens etwas nicht völlig durchnässt würde. Es wurde bereits dunkel und damit noch ein wenig kälter, als es den ganzen Tag über sowieso schon war.

"Das hat so keinen Sinn. Komm, wir stellen uns da vorne unter." sagte Kaoru nach einer Weile und deutete mit der Hand auf das Vordach eines kleinen Geschäfts, das bereits geschlossen hatte.

Trotzdem war Kaoru schon nass bis auf die Haut, sie zitterte. Sie hatte ihre Arme fest um ihren Oberkörper geschlungen, versuchte so, sich aufzuwärmen.

"Komm mal her." sagte ich als ich bemerkte wie kalt ihr zu sein schien.

"Hm?"

"Nicht fragen, einfach herkommen." lächelte ich.

"Okay."

Als sie direkt vor mir stand zog ich sie noch näher an mich ran, legte meine Jacke und meine Arme um ihre schmalen Schultern. "Besser?"

"Hai..." sagte sie leise, ja beinahe zärtlich. Dann lehnte sie sich stärker an mich, ihren Kopf auf meiner Schulter aufstützend.
 

(Anm. d. A.: So, jetzt ist es 0:42 Uhr, ich habe meine komplette Wohnung gestrichen und bin auf der Abschiedsfeier meiner Berufsschulklasse gewesen, habe meinen Fachangestelltenbrief, mein Abschlusszeugnis und eine Urkunde + Buch (für 319 Anschläge in der Minute bei der Textverarbeitung *prahl*) bekommen... Außerdem habe ich heute mehr als nur eine Schachtel Zigaretten geraucht und habe mir fast die Augen aus dem Kopf geheult... Alles, was ich jetzt schreibe, entstammt einem Zustand geistiger Umnachtung und ich bitte vielmals um Verzeihung...)
 

-Kaoru... weißt du eigentlich, was du mir damit antust?-

Nach einer Weile legte sie auch noch ihre Arme um mich und ich bekam fast Schweißausbrüche. Was, wenn mein Körper jetzt so reagierte wie einige Tage zuvor, als ich nur an sie gedacht habe? Das dürfte keinesfalls passieren, also dachte ich einfach an Frau Kanno und ihre unrasierten Achseln.

Ich stellte überrascht fest, dass sich meine rechte Hand selbstständig machte und langsam durch ihre Haare strich. Die nassen Strähnen flossen wie Wasser zwischen meinen Fingern hindurch, ein schönes Gefühl.

"Die?"

"Hai."

"Ich bin müde..."

"Sollen wir einfach so ins Hotel zurückgehen?"

"Iie..."

"Nicht?"

"Nein... Es... ist schön so..." sagte sie leise und schmiegte sich enger an mich.

"Hai." sagte ich, fasste nun dreister in ihre Haare und drehte ihren Kopf ein wenig um ihr in die Augen sehen zu können. "Darf ich dir was sagen?" fragte ich dann und streichelte ihr über die Wange. Sie nickte, also fuhr ich fort: "Ich glaube ich... ich hab mich in dich verliebt, Kaoru..."

"Du hast was?" fragte sie ungläubig blickend und löste sich ein wenig aus meinen Armen.

"Ich habe-"

"Nein, so meinte ich das nicht..." sagte sie, langsam den Kopf schüttelnd.

"Du hast doch gesagt, dass du mich auch leiden könntest..."

"Stimmt... Es ist nur... So was hat noch nie jemand zu mir gesagt, Daisuke... Ich..."

Ich lächelte und legte ihr meinen rechten Zeigefinger auf die Lippen. "Du hättest also nichts dagegen, wenn ich dich küssen und dich fragen würde, ob du meine Freundin sein möchtest? Ich meine... Wärst du böse, wenn ich das täte?"

"Ob ich dann böse wäre?" wollte sie wissen und zog fragend eine Augenbraue nach oben. "Ich denke nicht..."

"Nicht?"

Sie schüttelte den Kopf.

"Hm."

"Dann... tu's doch einfach..." sagte Kaoru und ihre Lippen umspielte ein kleines, winziges Lächeln.

"Okay, wenn du das so sagst..." entgegnete ich schulterzuckend und küsste sie, legte meine Hände währenddessen an ihre schmale Taille. Als ich spürte das von ihr kein Widerstand ausging, beschloss ich, den Kuss ein wenig zu vertiefen. Ohne das ich es hätte beeinflussen können strich meine Zunge über ihre Unterlippe, bis sie schließlich ihren Mund öffnete und mir Einlass gewährte. Ich war quasi hocherfreut, als ihre Händchen meine Arme hinunterwanderten bis ihre Finger sich schließlich mit meinen ineinander wanden. Wir standen recht lange unter dem Vorsprung und küssten uns, langsam, gefühlvoll, so wie ein erster richtiger Kuss sein sollte. Ich übte keinen Druck auf sie aus und sie ließ mich nur soweit vortasten, wie sie es wollte. Zu meiner Überraschung wollte sie ziemlich viel. Aber plötzlich, unerwartet und viel zu früh löste sie ihre Lippen von meinen, schloss die Augen wieder und lehnte sich an mir an. "Also, willst du ab jetzt meine feste Freundin sein?"

"Hast du meinen Bruder schon gefragt?"

"Baka no Kaoru."

"Wer? Ich oder Kaoru?"

"Na, du, du Stoffel."

"Ich bin kein Stoffel."

"Doch, bist du."

"Bin ich nicht, Die. Du bist ein Stoffel."

"Weißt du überhaupt, was ein Stoffel ist?"

"Nein. Sagst du's mir?" fragte sie und grinste mich an.

"Du bist ein Stoffel, Kaoru. Aber ein sehr süßer Stoffel, finde ich."

"Oh, guck, es hat aufgehört zu regnen."

"Dann gehen wir am besten ins Hotel zurück, bevor wir doch noch ärger bekommen. Einverstanden?"

"Ryokai." nickte sie, nahm meine Hand und stapfte voran.

Als wir im Hotel ankamen wurden wir auch prompt von Frau Kanno begrüßt.

"Könnt ihr mir mal erklären, wo ihr jetzt herkommt?"

"Aus der Stadt." sagte ich schnell.

"So? Habt ihr euch schon wieder verlaufen?"

"Nein, wir haben den Rest unserer Gruppe aus den Augen verloren und dann die Zeit vergessen."

"Andou-kun, du hast doch eine Uhr, nicht wahr?"

"Hai." nickte ich.

"Und du, Kaoru, du hast auch eine Uhr?"

Kaoru nickte.

"Wenn ihr noch einmal auffällig werden solltet, in den nächsten Tagen, dann werdet ihr nach Hyougo zurückfahren. Ob es euch passt oder nicht. Ist das klar?"

"Hai." sagten Kaoru und ich wie aus einem Mund.

Erst jetzt fiel mir auf, dass wir uns noch immer an den Händen hielten. Zögerlich ließ ich ihre Hand los und wir gingen an Frau Kanno vorbei in Richtung der Fahrstühle.

"Meinst du, Kanno-sensei ist jetzt sauer?" fragte Kaoru.

"Ich denke nicht. Sie macht sich ja nur sorgen, wenn auf einmal zwei ihrer Schüler wie vom Erdboden verschluckt sind." erklärte ich und strich ihr eine nasse Haarsträhne aus dem Gesicht. "Brauchst dir deswegen wirklich keine Sorgen machen. Dein Bruder ist der einzige, der bei ihr wirklich mal nachsitzen muss, wenn irgendwas gewesen ist. Und das auch erst seit kurzem."

Der Flur, auf dem unsere Zimmer waren, war schon nur noch schwach beleuchtet. Ich brachte Kaoru zu ihrem Zimmer.

"Warte einen Moment, bitte." sagte ich und ergriff zärtlich ihre rechte Hand, als sie nach dem Schlüssel in ihrer Tasche suchte. Sie blinzelte mich aus großen Augen an. "Keine Panik." lächelte ich und küsste sie noch einmal. "Schlaf gut, Kaoru..."

"Du auch." sagte sie leise und löste sich aus meiner Umklammerung.

Menno, warum musste sie immer so süß aussehen? Jetzt konnte ich nicht anders, musste ihr noch einen Kuss auf die Lippen hauchen, aber ein Kuss, der erwidert wurde, da sie diesmal nicht so sehr davon überrascht wurde. "Jetzt geh, sonst stehen wir die halbe Nacht hier." lachte ich leise und schob sie zu ihrer Tür, machte mich dann in mein Zimmer auf.

In meinem Zimmer saßen Toshiya und Kyo (na ja, Kyo schlief bereits wie ein Stein), außerdem noch Shinya, Kaoru und Miyavi.

"Na, wo kommst du jetzt her? Und was hast du so lange gemacht?" fragte Toshiya und grinste von einem Ohr bis zum anderen.

"Ich komme aus der Stadt. Und was ich gemacht habe sag ich euch nicht." antwortete ich und setzte mich auf mein Bett nachdem ich Miyavi vom selbigen runtergeschubst hatte. Ich konnte Miyavi auch nicht leiden, aber er war dummerweise mit unserem Prinzeschen befreundet und wir konnten nichts gegen ihn unternehmen, geschweige denn ihn wirklich und hundertprozentig von unserer Clique fernhalten.

"Ich sage dir, wenn du meiner Schwester irgendwie dumm gekommen bist, dann bekommst du Ärger von mir." sagte Kaoru und ballte die Fäuste.

"Was? Keine Panik." winkte ich ab.

"Jetzt hat dich der Virus aber echt gepackt, Kaoru. Kann das sein?" fragte Miyavi.

"Na ja, kann schon sein. Ist doch nichts schlimmes dabei. Oder? Wenn ich ehrlich bin, wollte ich schon immer gerne mal eine Schwester oder einen Bruder haben. Und jetzt hab ich eine Schwester bekommen." erklärte Kao schulterzuckend. "Ich könnte es ja auch nicht ändern. Was soll ich mich also darüber aufregen oder beschweren? Nützt mir alles nichts."

"Wieso sollte ich ausgerechnet Kaoru dumm kommen?" fragte ich nach einer Weile und kratzte mich an der Nase.

"Hätte ja sein können, dass sie auf deine Avancen nicht reagiert hätte oder nicht so, wie du das gerne gehabt hättest." grinste Kao mich an.

"Ach, nö. Dann hätte ich schon aufgehört." entgegnete ich.

Es klopfte an der Tür und wenig später stand die doofe Hitomi im Raum.

"Du weißt aber schon, dass du gegen die Regeln verstößt, wenn du jetzt hier bist?" fragte ich sie direkt vom Fleck weg.

"Kann ja sein. Kaoru, kann ich kurz mit dir sprechen?" fragte sie.

"Sicher."

"Alleine." Dies sagte sie mit mehr Nachdruck und einer Kopfbewegung in Richtung Tür.

"Na holla, was sie wohl wieder ausheckt?" fragte Toshiya und zog die Augenbrauen hoch, als die beiden aus dem Zimmer verschwunden waren.

"Wir fragen Kaoru einfach, wenn er wiederkommt." sagte ich.

Ehrlich gesagt wäre es mir lieber gewesen, wenn alle, die nicht in dieses Zimmer gehörten, das Zimmer verlassen hätten. Ich war müde und hätte viel lieber über die letzten Stunden nachgedacht, die Stunden, die ich mit Kaoru alleine verbracht habe.

Um es ohne Worte deutlich zu machen ging ich ins Bad und zog mich dort um, raus aus den nassen Klamotten und rein in ein trockenes T-Shirt und eine trockene Boxershorts.

"Möchtest du etwa schon schlafen?" fragte Miyavi geschockt und sah auf seine Uhr.

"Hm? Nee, nicht schlafen. Nur trocken werden." antwortete ich und rieb mir die Augen. "Obwohl ich ganz schön müde bin."

"Was hast du denn den ganzen Tag anstrengendes mit Kaoru gemacht?" Diese Frage von Toshiya habe ich erwartet. Natürlich wackelte er provozierend mit den Augenbrauen, als er fragte. Wie immer.

"Na was wohl?" fragte Shinya. "So gut müsstest selbst du Die mittlerweile kennen."

"Das stimmt." nickte Toshiya.

Trotzdem wusste niemand von den beiden, wer nun mit seiner Vermutung Recht hatte. Ich wusste, dass Shinya's und Toshiya's Gedankengänge einander nie sehr ähnlich waren.

Wenig später waren alle Störenfriede aus dem Zimmer verschwunden, ich hätte auch prima schlafen können, wenn Toshiya nicht gemeint hätte, er müsste noch irgendwelche Geschichten erzählen. Das einzige worüber ich mich wunderte war, dass Kaoru gar nicht mehr wiedergekommen war, nachdem Hitomi ihn vor die Tür gebeten hatte.

"Um Himmelswillen, Toshiya! Sei still, du Nervensäge. Ich möchte schlafen!" meckerte ich irgendwann und schüttelte ihn durch.

"Okay, okay. Bin ja schon ruhig. Schlaf gut, Die-chan."

"Du auch." seufzte ich und drehte ihm meinen Rücken zu.

Klassenfahrt Part 5: Böses Erwachen...

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Ich hab's echt nicht so gemeint, glaub mir!

Okay, die nächsten zwei Tage haben beide Kaoru's nicht ein Wort mit mir gesprochen und einen Bogen um mich gemacht, bis wir endlich wieder nach Hyougo zurückfuhren.

Meine Eltern holten mich an der Schule ab, warteten dort schon eine Weile, weil wir uns verspätet hatten und unterhielten sich mit den Niikura's, die auf die beiden 'Kinder' warteten. Auch Frau Niikura schien nicht wirklich begeistert zu sein, plötzlich ein 'Kind' mehr im Haus zu haben, zumindest soweit ich das beurteilen konnte. Aber sie schienen beide sehr überrascht, dass sich beide Kaoru's plötzlich miteinander verstanden.

"Und? Wie war's?" fragte mich mein Vater als ich im Auto saß.

"War okay..." antwortete ich und legte den Sicherheitsgurt an.

"Okay? Mehr nicht?"

"Mehr nicht..."

"So so, ich frage nicht weiter."

Abends rief ich bei Kaoru an. Natürlich ging nicht sie sondern Kaokao ans Telefon.

"Was willst du?" fragte er.

"Ich möchte mit Kaoru sprechen." sagte ich.

"Sie aber nicht mit dir." Damit hatte Kaoru aufgelegt.

Also blieb mir nur eins übrig, wenn ich mit ihr sprechen wollte: Ich musste bei ihr vorbeigehen. Ich zog mich wieder an, schlich aus dem Haus und fuhr mit dem Fahrrad zum Haus der Niikura's, ein paar Straßen weiter. Ich wusste zwar nicht, in welchem Zimmer Kaoru jetzt wohnte aber ich konnte es mir denken. Mit ein paar Kieselsteinen schlich ich unter ihr Fenster. Nachdem ich eine Weile Steinchen an das Fenster geworfen hatte, wurde die Gardine zur Seite geschoben. Ich winkte ihr ein wenig zu und hoffte, sie würde das Fenster öffnen. Aber nein, natürlich passierte das nicht. Sie zog den Vorhang wieder vor das Fenster, ohne es auch nur einen Spalt zu öffnen. Sehr zu meiner Überraschung öffnete sich kurz darauf die Haustür und Kaoru kam zu mir raus.

"Was willst du?" fragte sie.

"Ich... Gomennasai... Ich hab's nicht so gemeint, wie ich es gesagt habe, Kaoru..." sagte ich und verbeugte mich leicht.

"So?"

"Honto, Kaoru... Du bist mir viel zu wichtig, als das ich... Manchmal denke ich nicht darüber nach, was ich sage..."

"Viel zu wichtig, ja?"

Ich nickte und griff nach ihren Händen, oh Wunder, sie zog ihre filigranen Fingerchen nicht sofort wieder weg sondern ließ mich gewähren. "Ich hab doch gesagt, dass ich dich liebe..."

"Sono tori desu..."

"Meinst du etwa, ich hab das nicht ernst gemeint?" fragte ich.

"Weiß nicht... Das hat vorher noch nie jemand zu mir gesagt, deshalb weiß ich nicht, was ich darüber denken soll..."

"Siehst du? Und ich habe noch nie 'ich liebe dich' zu einem Mädchen gesagt..."

"Und deshalb glaubst du, dass du wirklich so fühlst?"

"Woher weißt du denn, ob du wirklich so fühlst oder nicht?" fragte ich zurück. Ja ja, auch im kontern war ich relativ gut, zumindest ab und zu.

"Ich weiß es einfach..." antwortete Kaoru und zog jetzt doch ihre Hände weg.

"Kaoru, bitte... Das ist alles ein riesiges Missverständnis... Du kannst mir deswegen nicht böse sein, Kaoru..."

"Kann ja sein..."

Da es schon seit einiger Zeit aus Kübeln regnete war ich ziemlich nass und langsam wurde mir auch kalt. Also schlang ich meine Arme um meinen Oberkörper herum.

"Ich würde dich ja rein bitten, aber Kaoru ist nicht sonderlich gut auf dich zu sprechen im Moment... Ist ja auch kein Wunder..."

"Der soll sich mal abregen... Ich wollte dich wirklich nicht zum weinen bringen und es tut mir leid, dass alles ein wenig schief gelaufen ist... Eigentlich hatte ich mir das auch anders vorgestellt..."

"Könnten wir... das auf einen anderen Tag verschieben, Die-kun? Ich bin müde und möchte eigentlich nur noch schlafen... Ich kann ja morgen mal bei dir vorbeikommen... Außerdem... muss ich noch darüber nachdenken, wie sauer ich auf dich sein soll..."

"Gar nicht sauer..."

Sie wischte sich einen Regentropfen von der Nasenspitze und lächelte mich kurz an. "Trotzdem solltest du zusehen, dass du nach Hause kommst, bevor du dich erkältest, Die..."

"Ja, Mami."

"Ich mache mir halt Sorgen um deine Gesundheit. Oder darf ich das nicht?"

"Doch, sicher." nickte ich und zuckte mit den Schultern.

Ehe ich mich versah packte sie plötzlich meinen Kragen, zog mich ein Stück zu sich runter und drückte mir einen Kuss auf die Wange.

"Wofür war der?" fragte ich überrascht und fasste an die soeben geküsste Wange.

"Nur so. Und jetzt hau ab, bevor ich es mir doch noch anders überlege."

"Wie Ihr befehlt, Madame. Schlaf gut." griente ich, schwang mich wieder auf mein Rad und radelte von dannen.

Mit einem erheblich besseren Gefühl ging ich duschen, danach direkt ins Bett.

Feuchte Träume und: Ja, jetzt musst du Klamotten lassen, Baby!

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Nachhilfe, huh?

Am folgenden Montag stellte ich in der Schule fest, dass Kao-kun nicht mehr wirklich böse auf mich war. Er war wohl anfangs nur angepisst, dass ich seine Schwester zum Weinen gebracht hatte. Im nachhinein war es aber wohl nicht so wild. Trotzdem wunderte ich mich noch immer darüber, dass er sie so schnell als Schwester akzeptiert hat, nachdem er 18 Jahre lang ein Einzelkind gewesen ist und sich nie mit dem Thema ,Neid' was Geschwister betrifft, auseinandersetzen musste. Aber Kaokao war sowieso meist viel erwachsener, als sein Alter einen denken lässt. Manchmal verhielt er sich, als wäre er schon 35 Jahre alt, nicht erst 18. Oh, natürlich konnte er jetzt auch mit Stolz von sich behaupten, 'großer Bruder' zu sein und das bedeutete für ihn schon eine ganze Menge, obgleich er ansonsten eine recht egoistische Person war.

In den Pausen stand unsere Clique wie üblich zusammen auf dem Schulhof und Toshiya unterhielt alle mit seinem naiven und kindlichen Verhalten.

Aber es war schon irgendwie komisch. Kaoru und ich hielten absichtlich ein wenig Abstand voneinander, warum wussten wir beide nicht wirklich.

"Kaoru-chan, was ist denn jetzt mit Nachhilfe in Mathe?" fragte Toshi irgendwann und packte Kaoru an den Schultern. "Ich bin nämlich eine richtige Niete in dem Fach und hab Angst, dass ich meinen Abschluss versaue, weil ich kein Mathe kann." Als er das sagte, blinzelte er sie flehend aus seinen großen Äuglein an und zog einen Schmollmund, als er fertig war.

"Hm. Ich bin mir zwar nicht sicher, ob ich dir helfen kann, aber einen Versuch ist es allemal wert, Toshiya-chan."

"Danke! Du rettest mir mein armseliges Leben!" juchzte er und nahm sie überschwänglich in den Arm, sah dabei natürlich nicht meinen weniger begeisterten Blick über diese Aktion.

"Wessen Leben ist wohl armseliger?" fragte Kyo mich so leise, dass es niemand anderes hörte.

Wir wussten immerhin alle, dass Toshiya es zu Hause mehr als gut hatte. Seine Eltern hatten eine Menge Geld, ließen ihn machen, was er wollte. Eigentlich musste er das glücklichste Mitglied unserer Clique sein, glaube ich.

"Schon gut, schon gut. Du musst es ja nicht gleich übertreiben." sagte Kaoru, hochrot im Gesicht und drückte ihn von sich weg. "Am besten du kommst nach der Schule gleich mit zu mir, dann können wir sofort anfangen und verlieren keine Zeit."

Super. Das bedeutete natürlich auch, dass Kaoru für mich weniger Zeit hätte. Okay, wir waren nicht verabredet, aber wirklich toll war das auch nicht. Ja, wenn ich wollte, konnte ich jemanden ganz schön für mich beanspruchen.

Na ja, nach der Schule ging ich wie immer nach Hause, zog mich um, aß etwas und machte mich dann mit Kyo auf in die Stadt. Kyo wollte natürlich so wenig Zeit wie möglich zu Hause verbringen, also gingen wir ein wenig shoppen. Natürlich hat Kyo-chan wieder einige Sachen gekauft, wo irgendwelche Zahlen draufstanden. Es hätte mich auch gewundert, wenn es nicht so gewesen wäre. Und wen trafen wir nach etwa zwei Stunden herumgerenne in der Stadt? Genau, Kaoru und Toshiya, der Kaufsucht verfallen und vollgepackt mit Einkaufstüten.

"Ich dachte, ihr wollt lernen?" fragte ich und verschränkte die Arme vor der Brust.

"Haben wir auch. Eine ganze Stunde lang. Und da Kaoru-chan so gut erklären kann, verstehe ich jetzt jedes einzelne Wort. Die nächste Klassenarbeit kann kommen." kicherte Toshi vergnügt und zerrte an meinem Kragen.

"Aha, verstehe." nickte ich und machte ihn von mir los.

"Kommt ihr noch mit was Essen? Ich hab Hunger." sagte Kyo-chan und zupfte an meinem Ärmel.

Kaoru und Toshiya nickten, also war es beschlossene Sache. Wenig später saßen wir in einem der unzähligen Nudelrestaurants und aßen still unsere Nudeln. Kaoru saß neben mir, Toshiya und Kyo auf der anderen Seite des Tisches. Es wäre bestimmt auch weiterhin still geblieben, wenn Toshiya nicht die ganze Zeit so dämlich gegrinst hätte.

"Schieß los." sagte ich und legte die Stäbchen beiseite.

"Nani?" fragte er, gewohnt piepsig, wie immer, wenn er das sagte.

"Stell dich nicht dümmer als du bist." sagte auch Kyo. "Warum grinst du so?"

"Nur so. Darf ich das nicht?"

"Doch, sicher. Aber es ist beunruhigend." sagte ich und zog die Stirn in Falten.

Kaoru neben mir stocherte nur lustlos in ihren Nudeln herum, sagte nichts.

"Alles okay?" fragte ich schließlich und stupste sie an.

"Was? Ja alles okay. Kann ich nachher noch mit zu dir kommen?"

"Klar." nickte ich und lächelte sie an.

Gesagt, getan. Kyo ist mit Toshiya mitgegangen, Kaoru mit mir, quasi Partnertausch.

"Möchtest du etwas trinken?" fragte ich sie, als wir in meinem Zimmer saßen und Kaoru sich wieder über meine CDs wunderte.

"Nein, danke. Ich bin nicht durstig." schüttelte sie den Kopf. "Du, wegen gestern... Das tut mir leid..."

"Was tut dir leid?"

"Dass ich mich so zickig verhalten hab..."

"Du hast dich nicht zickig verhalten. Ich versteh schon, wenn dir das zu weit ging, Kaoru." sagte ich und nickte zustimmend.

"Ich meine, wenn wir uns besser oder länger kennen würden, wäre das nicht so ein riesiges Problem gewesen, denke ich aber... Wir kennen uns nicht mal seit zwei Wochen..."

"Ich verstehe das doch auch, Kaoru. Mal davon abgesehen, dass die gängigen japanischen Moralvorstellungen für zwei 17jährige was ganz anderes vorsehen."

"Das, was du gerade gesagt hast, macht es nicht unbedingt besser, weißt du?"

"Hätte ich mir denken können, ja." nickte und wurde mal wieder rot.

"Aber ich finde, so schlimm ist das gar nicht. Ich meine, es verändert sich doch laufend alles. Außerdem ist es doch nicht zu viel verlangt, wenn man ein bisschen Spaß haben möchte, ohne vorher gleich zu heiraten." sagte sie und zuckte mit den Schultern.
 

Einige Tage danach sind wir dann ins Kino gegangen, nur Kaoru und ich. Wir haben uns 'Madagasca' angesehen und uns halb tot gelacht, uns mit Popcorn beworfen. Oh, natürlich haben wir auch ein bisschen rumgeknutscht. Wäre ja lächerlich gewesen, wenn's nicht so gewesen wäre. Warum setzen sich zwei Teenager sonst in die letzte Reihe im Kino, wenn beide so kurzsichtig sind, dass sie trotz Kontaktlinsen nicht alles scharf sehen konnten? Richtig.

Leider war das vorerst das letzte mal, das wir miteinander so ungezwungen umgegangen waren, sehr schade.

Burtseltag, yeah!

Zwei Monate später, an meinem 18. Geburtstag, änderte sich dann aber doch eine ganze Menge. Meine lieben Freunde hatten für mich eine Party geplant, obwohl sie wussten, dass ich eigentlich nicht feiern wollte. Meine Eltern waren nicht da, also wurde bei mir zu Hause gefeiert.

Kaoru hatte sich mittlerweile recht gut in Hyougo eingelebt, Freundschaften geschlossen und sich auch ein paar Feinde gemacht, während für mich alles seinen gewöhnlichen Lauf genommen hatte. Für mich hatte sich nicht sehr viel verändert, abgesehen von der Tatsache, dass ich mich jeden Tag stärker in Kaoru verliebte. Aber ich stellte auch fest, dass ich Kaoru noch genauso wenig kannte, wie etwa zwei Monate zuvor, als sie plötzlich in mein Leben getreten war. Das war bedauernswert, aber Kaoru gab nicht wirklich viel von sich Preis, nichts wirklich persönliches. Wenn sie mich etwas fragte, gab ich ihr immer eine ehrliche Antwort, aber wenn man sie etwas fragte, war es wirklich Glückssache, wenn man überhaupt eine Antwort bekam. Anfangs, war das nicht so gewesen, aber mit der Zeit wurde sie immer verschlossener. Jedoch kam es mir so vor, als hätte sie zu Toshiya einen erstaunlich guten Draht, seit die beiden regelmäßig miteinander lernten. Ich beschloss also, unser Prinzeschen zu fragen, ob er vielleicht mehr in Erfahrung hat bringen können.

Aber zurück zur Geburtstagsfeier.

Ich gab mich überrascht, ganz so, als hätte ich von nichts gewusst. Na ja, leider hatte Kaoru-kun sich schon im Vorfeld verraten als er in zu hoher Lautstärke mit Kyo und Shinya darüber getuschelt hatte. Ich musste nur ein wenig meine Lauscher aufstellen und schon wusste ich Bescheid.

Ich kam jedenfalls nach Hause, nachdem ich noch beim Kendo-Club gewesen bin und stand vor meinen fünf Freunden inklusive einer Reihe Leute, die ich mit Sicherheit aus der Schule kannte, deren Namen ich allerdings nicht wusste. Kaoru-kun hatte ganze Arbeit geleistet und sogar zwei meiner Ex-Freundinnen dazu gebracht, zur Party zu kommen, dabei aber wahrscheinlich nicht bedacht, dass die beiden mich mittlerweile hassten wie die Pest. Was soll's? Er hatte es, denke ich mal, nett gemeint. Ein Glück, dass ich bei dieser arrangierten Feier nicht als Gastgeber fungieren musste, denn üblicherweise war ich bereits nach zwei Stunden so voll, dass ich nichts mehr auf die Reihe bekam. Shinya und Kaokao bedienten also jeden, der noch was trinken wollte, während Kyo auf einem Sessel neben mir saß und mich mit leicht anzüglichen Witzen erheiterte. Mir war nämlich aufgefallen, dass schon seit geraumer Zeit von Kaoru und Toshiya nichts mehr zu sehen war und ich fing an, mir darüber Gedanken zu machen. Klar, die beiden verstanden sich super. Ich hatte aber mittlerweile Angst, dass sie sich ein wenig zu gut verstanden. Jedenfalls kamen die zwei ganz plötzlich und verrückt kichernd wieder ins Wohnzimmer. Stopp! Hatte Toshiya da etwa seinen Arm um meine Freundin gelegt? Zu doof, dass mir meine linke Kontaktlinse verschütt gegangen war und ich jetzt mehr oder weniger halb blind war. Also machte ich das linke Auge zu und starrte mit dem rechten, mit der noch vorhandenen Kontaktlinse, zu Toshiya und meiner Kaoru. Tatsache. Kyo, der ja immer noch neben mir saß, legte plötzlich eine Hand auf meinen Arm.

"Komm mal wieder runter, Die." sagte er.

"Bitte? Runterkommen? Siehst du das nicht?" fragte ich zurück und war schon im Begriff aufzustehen, aber Kyo hielt mich zurück.

"Glaubst du im ernst, einer von den beiden wäre so doof? Erstens, Kaoru liebt dich und niemand anderen und zweitens, ist Kaoru nicht mal Toshiya's Typ."

"Ja und? Das ist vielleicht ein Grund, aber kein Hindernis. Du kennst Toto doch auch. Wenn er was getrunken hat, ist er unberechenbar."

"Genau wie du, hai. Trotzdem denke ich nicht, dass du dir da Gedanken machen musst. Die beiden tauschen zwar ihre Geheimnisse aus und so, aber sonst nichts weiter. Was das angeht ist Toshiya wie ein Mädchen." beruhigte mich mein kleiner bester Freund und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.

"Aber Kaoru ist doch..." setzte ich an und schluckte schwer.

"Nicht so doof, als das sie das mit dir auf's Spiel setzen würde. Zumindest nicht für Toshiya."

"Meinst du?"

"Meine ich, ja."

Mehr oder weniger plötzlich saß Kaoru auf meinem Schoß. Ich hatte nicht mal bemerkt, dass sie sich von Toshiya losgemacht hatte und auf mich zugekommen ist, so verbohrt hatte ich vor mich hingestarrt.

"Na, Geburtstagskind? Alles okay?" fragte sie mit einem der niedlichsten Lächeln, die sie mir je geschenkt hatte.

Ich nickte, schluckte wieder schwer. "Was kicherst du eigentlich die ganze Zeit mit Toshiya rum?"

"Ach, Toshiya hat mir ein paar nette Dinge über diverse Leute hier verraten. Doshite ka? Bist du etwa eifersüchtig?"

Ein belustigtes Schnauben zu meiner linken versicherte mir, dass Kyo natürlich genau zugehört hatte.

"Wie man's nimmt." sagte ich leise.

"Ach komm." kicherte sie. Dann beugte sie sich zu mir herunter um mir ins Ohr zu flüstern. "Toshiya? Ich meine, klar, Toshiya ist niedlich, ne, aber ich hab doch gesagt, dass ich dich liebe. Das ändert sich auch so schnell nicht."

"Weiß man's?"

"Du spinnst." entgegnete sie und schnippte mir gegen die Stirn, stand dann wieder von meinem Schoß auf und mischte sich unters Volk.

"Na? Was hab ich gesagt?" fragte Kyo.

"Ist doch Mist..." sagte ich, stand auf und ging aus dem Wohnzimmer.

Ja, ich war beleidigt, richtig beleidigt. Es wurde nicht besser, als ich meine Ex-Freundin Kasumi und einen meiner besten Freunde, nämlich Kaoru, beim Knutschen in der Küche ertappte. Ich verzog angewidert das Gesicht und verließ die Küche wieder, fand meine Kaoru schließlich schmollend auf der Treppe sitzend vor. Ich setzte mich neben sie und stupste sie an.

"Bist du jetzt etwa böse?" fragte ich und versuchte zu lächeln.

"Ts."

"Bitte, Kaoru-chan..."

"Nicht 'Kaoru-chan'!" meckerte sie und verschränkte die Arme vor der Brust. "Weißt du, es ist ziemlich scheiße, dass du mir unterstellst Toshiya und ich... Meinst du im ernst, Toshiya könnte so was geheim halten? Außerdem ist da nichts. Toshiya ist superlieb, wir lernen zusammen Mathe und Englisch, aber sonst nichts weiter."

"Ja, und ihr hängt ständig miteinander rum." bemerkte ich beinahe bissig.

"Ja und? Unterstelle ich dir irgendetwas, weil du ständig mit Kyo oder dem Chibi rumhängst?"

"Das ist doch was völlig anderes."

"Findest du? Hast du dir Shinya schon mal angeguckt? Shinya sieht aus wie ein Mädchen."

"Ist er aber nicht." sagte ich. Ein klein wenig musste ich das Chibi ja auch verteidigen. "Ich weiß gar nicht, wo dein Problem liegt."

"Das gleiche frage ich mich ja bei dir." sagte sie. "Ich versteh nicht, wieso du auf Toshiya eifersüchtig bist."

"Dann sag ich's dir."

"Schieß los."

"Seit Wochen hängt ihr ständig zusammen rum, tuschelt die ganze Zeit und das alles. Außerdem lernt ihr so oft zusammen, dass du für mich kaum noch Zeit hast."

"Daher weht der Wind..." sagte sie leise.

"Das war aber noch nicht alles. Dazu kommt ja noch, dass du mir kaum noch was über dich erzählst, wenn wir uns mal sehen, Kaoru."

"Dann musst du mir halt mehr Fragen stellen."

"Wenn ich dich was frage, dann blockst du ab."

"Über mich gibt's nicht viel zu sagen."

"Das stimmt doch gar nicht. Ich finde zumindest, dass du ein sehr interessanter Mensch bist. Aber auch ein sehr verbohrter."

"Siehst du? Da weißt du doch schon eine ganze Menge über mich." schnaubte sie und stand auf.

"Wo willst du hin?" fragte ich und griff nach ihrer Hand.

"Nach Hause. Ich bin müde." sagte sie, machte sich los und war schon verschwunden.

Zwei Sekunden später stand Toshiya neben mir. "Wo is'n Kaoru-chan hin?"

"Weg." sagte ich, schmiss kurzerhand alle Gäste aus dem Haus und ging in mein Zimmer.

Toller Geburtstag. Nein, wirklich. War ja alles nett gemeint, aber mir reichte es absolut.

Streitgespräche und Schneeballschlachten

Kapitel 13 Kleines Streitgespräch, ne

Am nächsten Tag in der Schule wurde ich von Toshiya und Kaoru gleichermaßen gemieden, Kaokao hatte anscheinend ein schlechtes Gewissen, in meiner Küche mit meiner Ex-Freundin geknutscht zu haben, Kyo und Shinya waren die einzigen, die normal waren, wie es schien. Aber auch mit den beiden war es nicht immer leicht. Schließlich klemmte ich mir Kyo unter den Arm und ging mit ihm ein paar Meter weiter weg von den anderen, setzte mich dann auf eine niedrige Steinmauer und zündete mir eine Zigarette an.

"Hat ja gestern ein schnelles Ende gefunden." stellte das warumono fest und setzte sich ebenfalls.

"Hast du denn etwas anderes erwartet? Ich zumindest nicht. Mir war das echt zu doof. Außerdem habe ich euch gesagt, dass ich nicht feiern wollte."

"Du hättest wenigstens so tun können. Und dann alle hochkant rauszuschmeißen war auch nicht gerade die feine englische Art, mein Freund."

"Seid ihr plötzlich alle gegen mich?" fragte ich, jetzt doch leicht aufgebracht.

"Nein, zumindest ich nicht. Was hast du denn zu Kaoru gesagt, dass sie plötzlich abgehauen ist und deine Stimmung total versaut hat? Ich meine, du warst vorher ja schon nicht wirklich gut drauf ne."

"Was ich gesagt habe? Ich hab ihr gesagt, dass ich es nicht toll finde, dass sie ständig mit Toshiya zusammen ist. Sie ist meine Freundin, oder nicht? Da kann es doch nicht zu viel verlangt sein, wenn ich ein bisschen Zeit mit ihr verbringen möchte, oder? Ach Kyo, du hast ja keine Ahnung... Sie meinte natürlich, ich hätte keinen Grund, eifersüchtig zu sein."

"Und dann?"

"Dann hab ich zu ihr gesagt, dass ich es auch doof fände, dass sie nichts mehr über sich erzählt, dass ich gerne mehr von ihr wüsste. Sie sagte dann nur, über sie gäbe es nicht viel zu erzählen. Ist doch kacke!"

Ich erzählte Kyo die ganze Geschichte, bemerkte dabei wieder einmal Kaoru nicht, die plötzlich neben uns stand. Auch Kyo machte keine Anstalten, mich darauf hinzuweisen, dass Kaoru bei uns stand. Bis sie sich schließlich räusperte, meinen Arm packte und mich von Kyo wegzog.

"Ich glaube, wir müssen mal Tacheles reden, Daisuke." sagte sie und kniff die Augen zusammen, da die Wintersonne sie zu blenden schien. Oder kniff sie die Augen zusammen, weil sie böse auf mich war? Vielleicht hatte ich ja Glück und sie würde es mir erzählen. Ich hoffte inständig, dass sie mir ehrlich sagte, was los war. "Also, du hast keinen Grund eifersüchtig zu sein." sagte sie.

"Hast du gestern schon gesagt." entgegnete ich kühl und verschränkte meine Arme vor der Brust.

"Okay, okay. Vielleicht hast du ja Recht und ich kann dir ja eigentlich nicht böse sein, weil du eifersüchtig bist, aber... Ich bitte dich, Die. Sehe ich aus wie jemand, der 'aishiteru' sagt und es dann nicht so meint? Wirke ich auf dich, als wäre ich so ein Mensch?"

"Dabei musst du bedenken, dass ich quasi nichts über dich weiß, Kaoru. Du erzählst ja nichts über dich."

"Ja, weil es über mich nichts zu erzählen gibt." sagte sie verzweifelt und zündete sich noch eine Zigarette an.

"Gar nichts?"

"Na ja, nicht viel, würde ich sagen. Glaub mir, ich bin stinklangweilig, eine starkwirkende Schlaftablette. Es sind schon Leute ins Koma gefallen, während sie mit mir geredet haben, so lahm bin ich. Was meinst du denn, warum ich mich so darüber freue, dass..."

"Dass was?"

"Toshiya ist mittlerweile ein echt prima Kumpel für mich geworden und... schafft es auch irgendwie, mich aus meinem Schneckenhaus herauszuholen, Die..."

"Meinst du denn, dass ich das nicht geschafft hätte, wenn du mir nur die Chance dazu gegeben hättest?"

"Doch, vielleicht, aber das ist was anderes."

"Verstehe ich nicht."

"Na ja, Toshiya ist halt ein Freund, nicht 'mein' Freund. Verstehst du jetzt?"

"Quasi dein Kummerkasten?" fragte ich und legte den Kopf leicht schief.

"Hai so desu."

"Ja aber... Mir kannst du doch auch erzählen, was dich bedrückt, Kaoru."

"Das ist trotzdem was anderes." winkte sie ab.

"Und seit wann steckst du in diesem Schneckenhaus, wie du es genannt hast?"

"Schon so lange ich denken kann."

"Ach komm. Erzähl mir nicht, dass du plötzlich schüchtern wirst?"

"Das vielleicht nicht, nein. Das ist anders. Toshiya ist, in gewisser Weise, wie ich, nur halt viel aufgekratzter und so. Aber wir ähneln uns schon ziemlich."

"Du verwirrst mich immer mehr." seufzte ich.

"Jedenfalls musst du nicht eifersüchtig sein."

"Bin ich aber. Du verbringst mehr Zeit mit Toshiya und Shinya als mit mir. Ich fühl mich halt vernachlässigt."

"Wir waren doch neulich erst im Kino."

"Das ist schon zwei Monate her, Kaoru."

"Echt?"

"Hai."

"Oh. Na ja, vielleicht hast du Recht..." lenkte sie ein und lehnte sich an mir an.

Ich legte meinen rechten Arm um ihre schmalen Schultern und blinzelte einmal quer über den Schulhof. Es gab schon eine Menge merkwürdige Leute auf dieser Schule. Viele von denen kannte man schon seit der Grundschule, wusste aber trotzdem nicht mal die Namen. Es fiel einem nur auf, wenn plötzlich einer von denen nicht mehr da war, weil die Eltern beschlossen hatten umzuziehen oder sich hatten scheiden lassen oder ähnliches. Aber es war eher selten, dass neue Gesichter auftauchten, wie es bei Kaoru der Fall gewesen war. Als wir das letzte Mal einen neuen Schüler bekommen hatten, war plötzlich Miyavi auf unserer Schule, Kaokao hatte plötzlich ein paar Verehrerinnen weniger. Das war vor zwei Jahren. Aber sonst hat sich auf unserer Schule nie wirklich viel getan. Die Lehrer waren auch immer dieselben, es gab keine neuen Lehrer, die Lehrer kündigten allerdings auch nicht. Anstellung auf Lebenszeit halt.

Meine Gedanken waren schon wieder derart abgeschweift, das ich nicht mitbekam, wie Kaoru wieder mit mir sprach.

"Was? Tschuldigung, hab nachgedacht..." sagte ich mit hochrotem Kopf und zwang mir ein Lächeln ab. "Also? Kannst du das bitte für den dummen Daisuke wiederholen?"

"Wenn du willst, dann komme ich nachher mit zu dir. Und wenn du möchtest, kann ich auch versuchen, dir die Mathematik ein wenig näher zu bringen. Ich seh doch, dass du da Probleme hast."

"Erwischt." sagte ich peinlich berührt.

"Toshiya hat's ja auch verstanden, also mache ich mir bei dir keine Sorgen." lächelte sie.

"Wie nett."

"Mit wem hat Kaoru da eigentlich gestern rumgeknutscht?"

"Mit meiner Ex-Freundin Kasumi."

"Oh."

"Ich frage mich nur, wie er so tief sinken konnte, dass er meine abgelegten Freundinnen 'aufträgt'."

"Deine abgelegten Freundinnen? Sind es denn so viele?"

"Nein, so meinte ich das nicht." sagte ich schnell. "Guck dir Kaoru doch mal an. Du müsstest mittlerweile auch wissen, dass dein Bruder ein richtiger Charmebolzen ist, der jedes Mädchen rumkriegt, das er rumkriegen will."

"Stimmt. Ein richtiger Gigolo."

"So heftig würde ich es nicht ausdrücken, nein." lachte ich.

"Hässlich ist er ja nicht." lenkte Kaoru ein und nickte, fixierte ihren Bruder, der etwa 30 Meter von uns entfernt stand, mit einem stechenden Blick.

"Du auch nicht. Mich würde es ja nicht mal wundern, wenn dir in Tokyo die Männer scharenweise nachgerannt wären."

"Das Thema hatten wir schon mal und ich habe schon mal gesagt, dass es nicht so war, Die." sagte sie und schnippte mir wie am Vorabend gegen die Stirn.

Aber jetzt hielt ich ihre Hand fest und grinste sie an. "Tu das noch einmal und du wirst einen sehr schmerzhaften Tod sterben."

"Honto?"

"Yep."

"Hm. Okay. Wusste ja nicht, dass du so brutal bist."

"Nur manchmal." sagte ich und pustete ihr ins Ohr, woraufhin sie anfing zu kichern. "Du kicherst schon wie Toshiya. Ihr verbringt eindeutig zu viel Zeit miteinander." stellte ich fest und ließ ihre Hand wieder los.

"Na ja, ich bin halt noch mitten in der Prägephase." lachte sie und zog mich an der Hand zu unseren Freunden zurück.

Es waren ja wirklich unsere Freunde, nicht mehr nur meine. Hm. Meine Freunde hatte ich mir vorher mit einem Mädchen auch noch nie teilen müssen. War schon irgendwie merkwürdig. Meine 'abgelegten' Freundinnen konnten nämlich meine Freunde nicht leiden, obwohl sich das bei Kasumi offensichtlich geändert hatte.

"Wo is'n deine Freundin hin?" fragte Kaoru ihren Bruder sofort, als wir bei den anderen angekommen waren.

"Sie ist nicht meine Freundin, Kaoru-chan." entgegnete er und grinste schief.

"Nicht?"

"Nö."

"Bist du fies." sagte sie und meinte das wahrscheinlich sogar ernst.

"Doshite ka?"

"Na, die hat sich doch bestimmt ernsthafte Hoffnungen gemacht."

"Glaube ich nicht." sagte Shinya. "Dein Brüderchen ist nämlich recht sprunghaft, weißt du."

"So desu ka?" fragte sie ungläubig.

"Hai." nickten wir alle einstimmig, wobei Kaokao rot anlief.

Eine richtige Lösung wegen der Namensgleichheit hatten wir bis dato noch nicht gefunden, deshalb nenne ich den männlichen Kaoru hier auch Kaokao und meine süße Kaoru einfach Kaoru. Alles andere wäre unter ihrem Niveau gewesen, denke ich.

Jetzt im Winter tat sie mir richtig leid, dass sie ein Mädchen war. Immerhin mussten die Mädchen an unserer Schule auch im Winter diese recht kurzen Röcke anziehen. Die Röcke unserer Winteruniform waren nur etwa fünf Zentimeter länger, als die der Sommeruniform. Aber da Kaoru sowieso ständig Röcke trug -Hatte ich sie schon mal in einer Hose gesehen? Nö, oder?- schien sie das nur halb so sehr zu stören, wie die restlichen weiblichen Absolventinnen unserer geliebten Biwa Highschool. Kaoru hatte sich aber einen dicken Schal um den Hals gewickelt und Handschuhe angezogen, alles in unseren Schulfarben und passend zur Uniform. Mädchen. Aber dann fiel mein Blick auf Toshiya. Er hatte den gleichen Schal und die gleichen Handschuhe wie meine Freundin.

"Warum grinst du, du Depp?" fragte Toshiya mich plötzlich.

Ich hatte nicht mal bemerkt, dass ich grinste.

"Sag schon."

"Weiß nicht."

"Wenn du so grinst, dann hat es einen Grund. Und zwar einen schlimmen, bösen, kaum aussprechbaren Grund. Und jetzt sprich oder stirb!" kreischte Toshiya, wie von der Tarantel gestochen und sprang mich an, als wäre er ein wildes Tier.

"Mama! Ich hab Angst! Hüüülfe! Zu Hüüüülfe!" brüllte ich, als er mich zu Boden riss und mir den ekeligen Schulhofschnee ins Gesicht drückte.

"Okay, wir starten die Aktion 'rettet den Daisuke'... jetzt!" sagte Kyo und im nächsten Moment lag ein riesiger Haufen Schüler auf mir und Toshiya drauf.

"Krieg... keine... Luft..." japste ich und versuchte, mich irgendwie zu befreien.

Kaoru stand staunend daneben, hatte ihre eigene Zigarette sowie Kyo's und Kaokao's Zigaretten in den Händen.

Es dauerte eine Weile aber schließlich schaffte unser starkes Chibi es, irgendwie, Kaoru, Kyo und Toto von mir runterzuzerren, bevor ich wirklich einen qualvollen Tod sterben würde.

Als man ihr die Zigaretten, die mittlerweile halb abgebrannt waren, wieder abgenommen hatte, starrte Kaoru mich immer noch mit offenem Mund an.

"Blute ich etwa?" fragte ich und rappelte mich wieder auf.

Sie schüttelte den Kopf. "Passiert so was öfter?"

"Im Winter manchmal, im Sommer eher nicht wegen Schneemangel." antwortete ich.

"So so so..."

"Tja, hättest nicht gedacht, dass wir alle solche Spielkinder sind, was?"

Kaoru zuckte mit den Schultern und versuchte, den Schnee endgültig aus meinen Haaren zu holen. "Wasch dir lieber die Haare, wenn du nach Hause kommst. Nicht, dass da irgendwelche Krankheitserreger drin sind oder so. Denk dran, bald ist Weihnachten, da musst du gesund sein." lächelte sie.

Schon klingelte es und wir mussten wieder ins Schulgebäude. Die nächste Stunde, Geschichte, würde sicher nicht darauf warten, dass wir uns aufrafften und ohne Klingel wieder in den Klassenraum kamen. Aber unser Geschichtslehrer war okay. Bei ihm durften wir im Unterricht essen und alles tun, was wir wollten. Das gipfelte häufig darin, dass die Schüler nicht auf ihren Stühlen, sondern auf den Tischen saßen und dem Unterricht nicht mal annähernd folgten.

Geschichte war aber eins der wenigen Fächer, die ich gut konnte, also passte ich immer auf, machte meine Hausaufgaben und meldete mich sogar. In Geschichte war ich unschlagbar. Kaoru leider auch. Also wetteiferten meine Freundin und Sitznachbarin und ich immer darum, wer mehr wusste und sich öfter meldete und wessen Hausaufgaben ausführlicher waren.

"Oh, du hast schon wieder so groß geschrieben! Kein Wunder, dass du 2 Seiten hast und ich nur eine!" sagte Kaoru, gespielt beleidigt als ich ihr meine Hausaufgaben zeigte.

Ich grinste und klappte meine Mappe wieder zu. "Du kannst es nur nicht ertragen, zu verlieren, Kaoru-chan."

"Das auch, ja! Aber du arbeitest mit unfairen Mitteln, mein Freund!"

"Unfaire Mittel? Soll ich dir zeigen, was ein unfaires Mittel ist?" fragte ich.

"Bitte!"

Also drückte ich ihr einen dicken Schmatzer, der die halbe Klasse aufschrecken ließ, auf den Mund, wandte meinen Blick dann wieder der Tafel zu und tat so, als wäre nichts gewesen.

"Na holla, Andou-kun. So etwas geht aber nicht. Zumindest nicht hier im Klassenzimmer." sagte unser Lehrer, Himura-sensei, belustigt. (Anm. d. A.: Ja, richtig, wie Kenshin Himura. Ich liebe Kenshin! Oh, da gibt's ja auch 'ne Kaoru, nicht o.O ? Zufälle gibt's ^__^)

Ich zuckte die Schultern und stützte mein Kinn auf meinem rechten Handgelenk auf.

"Spinner." sagte Kaoru, nachdem sie endlich ihre Stimme wiedergefunden hatte.

"Das ist mein zweiter Vorname."

"Wirklich?"

"Sicher. Ich lüge doch nicht." lachte ich und zwinkerte ihr zu.

"Also, Daisuke Spinner Andou. Na ja, klingt nach was, ne?"

"Das gleiche haben sich meine Eltern auch gedacht, als sie mir diesen Namen gegeben haben, denke ich."

"Verrückte Welt." stellte sie fest, zückte dann ihren Füller, um mitzuschreiben.

"Streberin." stichelte ich, holte aber ebenfalls einen Schreiber aus meiner Federmappe und schlug meinen Block auf. Zu doof nur, dass mir, anscheinend als ich in der Pause draußen war, jemand einen Liebesbrief in meinen Block geschoben hatte. Kaoru hatte den natürlich sofort gesehen und ihn sich geschnappt.

"Oh, darf ich vorlesen?" fragte sie und grinste breit.

"Wenn du unbedingt willst."

"Okay. Hier steht: Lieber Daisuke, ich weiß ja, dass du eine Freundin hast, aber willst du nicht trotzdem mit mir gehen? Mich kennst du wenigstens schon lange genug. Melde dich bitte! Gruß und Küsschen. Tomoe. (Anm. d. A..: Wieder eine Ähnlichkeit mit Kenshin, was?) P. S. Ich glaube, deine Kaoru hat was mit Toshiya." Kaoru fing an, laut zu lachen. "Wie lange ist der denn schon da drin?"

"Weiß nicht. Seit der Pause, denke ich." sagte ich und nahm ihr den Brief ab. "Ich kenne gar keine Tomoe." sagte ich und blickte mich im Zimmer um. Nein, in meiner Klasse war keine Tomoe, das hätte ich, wahrscheinlich, gewusst.

"Wie es scheint, kannst du dich vor Verehrerinnen ja kaum retten, was?"

"Ach, eigentlich geht's." winkte ich ab, wurde aber mal wieder unvermeidbar und sehr rot. Natürlich, ich fühlte mich schon ein bisschen geschmeichelt, denn solche Briefchen bekam ich wirklich nicht oft. Aber mir war das auch egal, denn ich hatte ja Kaoru. Okay, wirklich oft gesehen haben wir uns zwar nicht, aber sie war trotzdem meine Freundin, ne.

"Tja, Die-chan, das ist immer so, mit Männern, die vergeben sind." sagte Kaokao, der plötzlich neben unserem Tisch stand.

"Kennst du eine Tomoe?" fragte ich ihn.

"Nur eine. Die ist einen Jahrgang unter uns. So eine kleine dicke mit Brille und komischen geflochtenen Zöpfen." antwortete er.

"Oh." machte ich und legte den Brief gedanklich schon ad acta.

"Hättest du etwa drüber nachgedacht, wenn sie nicht klein und dick wäre?" fragte Kaoru mich mit einem schelmischen Grinsen.

"Nein, denke eher nicht. Weißt du, so ein junges Küken möchte ich nicht."

"Du weißt aber schon, dass ich eigentlich auch eine Klasse unter dir wäre?"

"Echt?"

Sie nickte.

"Meine Schwester ist nämlich auch so ein Küken, Die, weißt du?" fragte Kaokao, er war ebenfalls sichtlich amüsiert.

"Nicht so ein Küken. Vielleicht ein Küken, aber garantiert nicht so ein Küken wie diese Tomoe, wenn deine Beschreibung stimmt." sagte ich.

Kaokao setzte sich kichernd wieder auf seinen Platz zurück und ich fing endlich an, von der Tafel abzuschreiben.

"Du schreibst zu groß. Wegen dir sterben ganze Wälder, Die." sagte Kaoru und stieß mich an.

"Das sagt die richtige. Wer schmeißt denn hier ein ganzes Blatt wegen eines Fehlers weg, statt Tipp-Ex® zu benutzen?" fragte ich zurück.

"Ich benutze recyceltes Papier, weißt du?"

"Ich auch."

"Aber meins ist chlorfrei gebleicht."

"Okay, da kann ich nicht mithalten." gab ich zu und seufzte.

Ich bemerkte gar nicht, wie immer noch die halbe Klasse zu uns rüberstarrte.

"Soll ich dir nachher helfen?" fragte Kaoru plötzlich, als Himura-sensei gerade seine Sachen zusammenpackte und für den nächsten unterrichtenden Lehrer Platz machte.

"Nani o tsukatte ka?"

"Ich hab doch gesagt, du sollst dir nachher die Haare waschen, wegen der Krankheiten, die eventuell im Schnee stecken."

"Ach, stimmt."

"Also, soll ich dir helfen?" grinste sie.

"Wenn du unbedingt willst." lenkte ich ein.

"Oder hast du schon vergessen, dass ich nach der Schule mit zu dir kommen wollte?"

"Nicht vergessen, iie. Nur nicht dran gedacht, denke ich."

Kaoru fing an zu lachen, fummelte dann den Stundenplan aus meiner Federmappe. "Hm. Noch eine Stunde Japanisch, dann Biologie und dann können wir gehen. Oder musst du noch zum Kendo?"

"Da war ich doch gestern, Kaoru."

"Stimmt."

"Hast du heute noch Club?"

"Nee. Hab ja eh nur einen und da gehe ich meistens nicht hin. Weißt du doch." kicherte sie und malte mir mit rotem Filzer ein Quadrat auf den Handrücken. "Siehst du? Jetzt bist du ein Gesamtkunstwerk. Ich denke, ich werde dich bei Gelegenheit mal schätzen lassen."

"Ach? Du willst wissen, was ich auf dem freien Markt noch Wert bin, ja?"

"So desu." nickte sie. "Wer weiß, vielleicht verkaufe ich dich irgendwann für viel Geld oder drei Kamele nach Arabien?"

"Nach Arabien?"

"Ja ja." lachte Kaoru.

"Ruhe!" Oh, stimmt, Japanisch mit Frau Kanno. Das war alles andere als Spaß, wie bei Herrn Himura.

Viele in meiner Klasse waren sowieso der Meinung sie könnten schon alle Kanji, die sie können müssen und hörten nicht zu. Und was bekam man als Ergebnis? Genau, die Leute konnten zwar prima Kanji schreiben, jedoch konnten viele von ihnen keinen klaren Satz sprechen, der Sinn ergab und verständlich war. Und mit der Grammatik haperte es dann oftmals auch. Japanisch ist halt auch für Japaner nicht immer ein Zuckerschlecken.

Nachhilfe part 2 ^__^

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Morgenstund hat Gold im Mund... oder so...

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Chibi's und andere Sorgen

Gegen Mittag kletterten wir wieder aus dem Bett und siehe da, schon klingelte es an der Tür. Wir zogen uns hastig an und ich stolperte zur Tür, Kaoru hing an meinem Ärmel und wollte nicht loslassen.

"Konnichi wa ihr zwei hübschen!" kreischte Toshiya uns ins Gesicht, schloss im nächsten Moment seine Arme um uns und drückte Kaoru und mich ausgiebig. "Ich hab euch so vermisst. Warum seid ihr denn gestern Abend schon so früh verschwunden und dann noch ohne jemandem Bescheid zu sagen? Hattet ihr es sehr eilig?"

"Immer langsam mit den jungen Pferden, Toshiya-chan." sagte ich und musste lachen. "Es war schon spät."

"Nicht so spät wie sonst." sagte er und ließ uns wieder los.

Shinya, Kyo und Kaokao standen grinsend in der Tür. Kaokao hatte eine Plastiktüte in der Hand, die er dann Kaoru übergab.

"Hier, das wirst du sicher brauchen, wo du gestern ja nicht nach Hause gekommen bist." griente er und wuschelte durch ihre Haare.

"Da-Danke." stotterte sie und wurde rot.

Sie hatte ihn nicht angerufen und gebeten, Klamotten mitzubringen. Mein lieber Scholli, manchmal machte mir Kaokao's Intelligenz Angst. Es schien teilweise, als hätte er Hellseherische Fähigkeiten oder so.

"Ich hab dir auch Schuhe eingepackt." sagte Kaokao.

"Hö?"

"Na, Vati würde dich erschlagen, wenn du mit den Lackstiefeln heim kommen würdest." zwinkerte er ihr zu.

"Es ist mir zwar sehr zuwider, aber ich muss mich bei dir bedanken, Onii-chan." sagte Kaoru und wurde noch röter.

"Sollen wir ewig vor der Tür stehen bleiben? Mir ist kalt!" jammerte Shinya und rieb sich die behandschuhten Hände.

"Oh, gomen! Kommt rein, kommt rein. Heute ist Tag der offenen Tür. Ihr seid herzlich willkommen." sagte ich.

"Wie immer, wenn deine go-ryoshin nicht da sind." sagte Kyo.

"Ein Glück, dass sie so oft wegfahren. Ich glaube ja manchmal, die zwei machen nur Urlaub und Kurzreisen."

"Und zur Belohnung, dass deine Eltern so reisefreudig sind, darf unser Chibi für uns den Kochlöffel schwingen." sagte Toshiya und schob Shinya in die Küche, nachdem dieser sich auch seiner Schuhe entledigt hatte.

Ich ging mit meiner Freundin, Kaokao und Kyo ins Wohnzimmer und wir zockten eine Weile im Multiplayer-Mode auf der Playstation 'Tony Hawk's Proskater'.

"Mou, Kaoru-chan, wieso kannst du das so gut?" fragte Kyo nach einer Weile und riss ihr den Controller aus der Hand.

"Oh man, Kyo! Jetzt isser runtergefallen!" beschwerte Kaoru sich und nahm Kyo seinen Controller weg.

Kaokao und ich saßen daneben und grinsten vor uns hin.

"Der hat sich bestimmt wehgetan." schmollte Kaoru und verschränkte die Arme vor der Brust.

Kyo zog erst ein Gesicht, fing dann aber an zu lachen und klopfte ihr spielerisch auf den Rücken. Das endete jedoch nur damit, dass Kaoru ihn gnadenlos durchkitzelte. Er kringelte sich vor lachen und bettelte sie an, endlich aufzuhören. "Daaaaiiii! Hilfe! Deine Freundin dreht durch!" brüllte er und versuchte krampfhaft, ihre Hände festzuhalten. Aber Kaoru war nun mal gut zehn Zentimeter größer als er und damit deutlich im Vorteil.

"Nee du, sieh zu, wie du da selbst wieder rauskommst." sagte ich gelassen und zündete mir eine Zigarette an.

Na ja, Kaokao hat dann eingegriffen und seine Schwester davon abgehalten, Kyo totzukitzeln.

"Und du willst mein bester Freund sein? Pah! Das ich nicht lache!" sagte Kyo und zog eine Schnute, wandte mir dann den Rücken zu.

"Weißt du, es gibt so Sachen, da mische ich mich lieber nicht ein." lachte ich.

Kaoru fuhr sich durch die Haare und setzte sich neben mich auf die Couch. "Also, ich hab genug gespielt. Das reicht jetzt, um mich wenigstens ein paar Wochen wieder wie ein Kind zu fühlen." sagte sie und lehnte sich an mir an.

"Okay, dann sind wir wohl dran." sagte Kaokao und ergriff einen der Controller, drückte mir den anderen in die Hand.

"Ganz wie du willst. Aber sei hinterher nicht beleidigt, wenn du wieder verlierst." sagte ich mit einem überlegenen Gesichtsausdruck.

Während ich also Kaokao besiegte, wie immer eben, nur mit dem Unterschied, dass Kaoru an meinem Arm hing, was mich schon ein wenig schlechter als gewöhnlich machte, stellte Kaoru dann die entscheidende Frage.

"Was is'n mit Kasumi?" fragte Kaoru ihren Bruder.

Dieser war von der Frage so überrascht, dass er seinen Skater gegen eine Wand fahren ließ.

"Sag schon. Muss dir nicht peinlich sein." sagte Kyo, der ja als erster gegangen war.

"Na ja, wir sind zusammen nach Hause gegangen." sagte Kaokao und lief völlig rot an.

"Und was ist aus Toshiya geworden? Der ist ja plötzlich aufgesprungen." sagte ich.

"Nichts ist aus Toshiya geworden." sagte Toshiya plötzlich und setzte sich in einen Sessel. "Kann es sein, dass es in dieser Stadt zu viele Lesben gibt?"

"Oh. Schon wieder eine?" fragte Kaoru und legte die Stirn in Falten.

Toshiya nickte und machte ein ganz wehleidiges Gesicht. "Aber das wird nicht so bleiben."

"Nicht? Versuchst du etwa, die Lesben zu bekehren?" fragte Kyo.

"Nein. Ich werde einfach in Zukunft nicht mehr aussehen, als wäre ich selber ein Mädchen. Das ist alles."

"Und wie willst du das machen?"

"Werdet ihr schon sehen."

"Da bin ich ja schon mal gespannt." sagte mein kleiner blonder Freund und legte den Kopf leicht schief.

"Im ernst. Das ist bestimmt viel leichter als ihr denkt."

"Wenn du meinst."

Toshiya nickte. "Ich meine, ich bin doch n Kerl, ne? Da kann ich auch ruhig aussehen wie einer."

"Ja, deine Argumentation ist durchaus nachvollziehbar." nickte Kaoru, klebte dann nur noch mehr an mir dran.

Aber mir machte das nicht das geringste aus. Eigentlich war ich nicht so zugänglich für derartige Nähe. Die Freundinnen, die ich vor Kaoru hatte, wollte ich die meiste Zeit nicht mal annähernd in meiner Nähe haben. Zumindest dann nicht, wenn Freunde von mir dabei waren.

Wenig später hatte Shinya das Essen fertig.

"Oh, lecker! Shinshin, du kannst so gut kochen. Möchtest du meine Frau werden?" fragte Kyo und blinzelte das fassungslosdreinblickende Chibi mit seinen Kulleräuglein an.

Und was machte Shinya? Er fing an zu weinen.

"Was'n jetzt los?" fragte Kaoru und rutschte mit ihrem Stuhl näher zu Shinya, der am Tisch neben ihr saß.

"Alle behandeln mich wie'n Mädchen..." beschwerte sich das Chibi.

"Das kenne ich irgendwoher." sagte Toshiya.

"Das ist doch nur, weil du so süß bist, Shinya-kun." sagte Kaoru und legte einen Arm um seine schmalen Schultern. "Wir wissen doch alle, dass du'n echter Kerl bist. Ein echter Kerl in einer hübschen Verpackung."

"Das macht es nicht unbedingt besser, Kaoru-chan..." flennte er und heulte sich gründlich bei meiner Freundin aus.

"Shinshin?" fragte Kyo.

"Hai..."

"Tut mir leid. Ich hatte es echt nicht so gemeint. Okay? Kannst mir doch deswegen nicht böse sein."

"Stimmt. Trotzdem solltet ihr auch mal darüber nachdenken, wie man sich fühlt, wenn man ständig wie ein Mädchen behandelt wird..."

"Jetzt hör auf zu weinen und iss. Das ist nämlich wirklich lecker." sagte Kaoru und lächelte das Chibi aufmunternd an.

Shinya nickte schließlich und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.

"Seht ihr? Ein richtiges Mädchen in unserer Clique ist das beste, was uns passieren konnte." sagte Toshiya. "Jemand, der neutral beurteilen kann, aber auch mit viel Herz bei der Sache ist."

"Also, jemanden der emotionaler ist als du, Toshiya, den gibt es nicht." sagte Kaokao und zog die Stirn kraus.

"Ja, aber ein Mädchen, also ein richtiges, ist trotzdem was anderes. Außerdem bemühe ich ja, bald ein wenig männlicher auszusehen."

Und wie!

Veränderungen

Montag kam ich nichtsahnend in die Schule und sah einen dunkelblonden, ziemlich großen und schlaksigen Jungen bei Kyo und Shinya stehen, wunderte mich, wer das wohl sein könnte. Als ich jedoch näher kam, erkannte ich die quietschende Stimme sofort. Wer da vor mir stand war eindeutig Toshiya.

"Was ist denn mit dir passiert?" fragte ich geschockt und hielt ihn an den Schultern fest, damit ich ihn besser ansehen konnte.

"Ich hab doch gesagt, dass ich ab jetzt männlicher bin. Ich bin es nämlich leid, wenn ich ein Mädchen anspreche, dass die dann immer denken ich wäre ein lesbisches Mädchen." sagte Toshiya und zog einen Schmollmund.

"Tja, solange du so guckst, werden dich aber weiterhin alle für ein Mädchen halten." sagte Kyo.

Nach einer Weile zog Shinya Toshiya auf die Seite. Die zwei tuschelten, keine Ahnung was sie sagten.

Ich sah auf meine Uhr und wunderte mich, wo die beiden Kaoru's so lange blieben. Normalerweise waren sie immer sehr pünktlich in der Schule.

"Mein Papa ist gestern ausgezogen." sagte Kyo plötzlich.

"Echt?"

Er nickte. "Macht aber nix. Mama geht's jetzt besser, weißt du."

"Hör mal, Kyo... Du musst nicht so tun, als würde dich das kalt lassen." sagte ich und stupste ihn an.

"Was denn? Erwartest du etwa, dass ich hier in Tränen ausbreche, weil das passiert ist, was unausweichlich war? Glaub mir, es ist wirklich besser so."

"Meinst du?"

"Ich weiß das."

Zwei Minuten vor Stundenbeginn kam Kaokao ins Klassenzimmer.

"Wo is'n Kaoru?" fragte ich direkt.

"Liegt krank im Bett. Als sie gestern Abend nach Hause gekommen ist, hatte sie Fieber und Halsschmerzen." antwortete er und schmiss seine Tasche auf seinen Tisch, setzte sich dann auf meinen Tisch. "So wie's aussieht, brütet sie 'nen richtigen Virus aus."

"Hm."

"Kein Wunder. So wie sie Freitag rumgelaufen ist konnte sie sich nur was einfangen." sagte Kaokao.

"Hm."

"Schon klar, dass dir das gefallen hat." grinste er mich an und klopfte mir auf die Schulter. "Du solltest meine nee-chan trotzdem nicht dazu verleiten, sich öfters so anzuziehen."

"Also, sie hat das schon freiwillig gemacht, weißt du." entgegnete ich und spürte leichte röte in meinem Gesicht aufsteigen. "Und so was am letzten Schultag vor den Ferien. Schade."

"Kannst ja nachher vorbeikommen und sie besuchen. Sie freut sich bestimmt." lächelte Kaoru.

Wieder das altbekannte Geräusch, als das Klassenbuch auf den Tisch gepfeffert wurde. Frau Kanno kontrollierte als erstes die Anwesenheit.

"Weiß einer was mit Matsumoto Kaoru ist?"

"Sie liegt krank im Bett." antwortete ich, als Klassensprecher eine normale Aufgabe.

"So? Am letzten Tag vor den Ferien? Merkwürdig, nicht?" fragte Kanno-sensei.

"Frau Kanno, sie ist wirklich krank und hat hohes Fieber." sagte Kaokao.

"Sprach das Brüderchen..." stichelte Yuki in den vorderen Reihen.

"Halt die Fresse!" sagte Kaoru wütend.

Frau Kanno zog die Augenbrauen nach oben. "Niikura-kun, was ist denn das für ein Ton? So kannst du mit deinen Freunden gerne umspringen, aber nicht mit deinen Klassenkameraden! Ist das klar?"

"Was denn? Yuki geht das 'nen Scheißdreck an!"

"Okay. Wie du willst. Ich zeig dir schon noch, was mich einen Scheißdreck angeht und was nicht, du Pfeife!" sagte Yuki und stand von seinem Stuhl auf.

"Leute, beruhigt euch. Okay?" fragte ich und blinzelte Kao und Yuki abwechselnd an. "Das bringt doch nichts."

"Glaubst du, ja? Du bist doch eh nur von deinem kleinen Die-chan gelenkt im Moment!" sagte Yuki und sah mich wütend an.

"Geht dich das was an? Nee, oder? Sei doch einfach still." sagte ich und funkelte ihn böse an. Zumindest hoffte ich, mein Blick würde halbwegs böse wirken und ihn wenigstens ein kleines bisschen einschüchtern.

"Wenn ihr nicht augenblicklich ruhig seid, dann dürft ihr nach der Schule noch schön lange hierbleiben und den Putzdienst der übrigen Klassen übernehmen!" sagte Kanno-sensei.

"Er hat doch angefangen!" beschwerte sich Kaoru.

"Wie du willst, Niikura-kun. Ihr verbringt also euren Nachmittag hier, ihr drei!"

Ganz so, wie Frau Kanno es gesagt hatte, mussten wir also zu dritt alle Klassenräume unserer Jahrgangsstufe putzen. Das waren immerhin fünf Zimmer.

"Wenn du mir noch einmal quer kommst, dann kann ich für nichts mehr garantieren, du blöder Idiot." sagte Yuki während wir noch am Putzen waren.

"Halt deine Klappe. Ich spreche dich doch auch nicht an. Lass du mich einfach in Ruhe, bevor du es irgendwann bereuen wirst." entgegnete Kaoru so gelassen wie möglich und fegte einfach weiter.

"Was? Drohst du mir? Mir hat noch nie jemand einfach so gedroht. Nicht ohne selbst ungeschoren davon zu kommen. Lass dir eins gesagt sein, Niikura-kun, wer mich zum Feind hat, hat es nicht leicht. Weder hier auf dieser Schule noch in dieser Stadt."

"Holst du gleich deinen Papi?" fragte Kaoru zurück und stützte sich auf dem Besen auf.

Ich betrachtete die Szene mit gemischten Gefühlen. Ich hätte nicht gedacht, dass meine Freundin ein derartiges Streitthema war. Okay, das Kao seine Schwester verteidigte war durchaus verständlich. Die beiden verstanden sich mittlerweile wirklich richtig gut. Was Yuki aber an meiner Kaoru auszusetzen hatte war mir schleierhaft. Sie hat niemandem was getan und sich wirklich ruhig verhalten, seit sie in unserer Klasse war.

"Hör zu, Kaoru! Hör mir genau zu! Ich kenne eine ganze Menge Leute, die dir dein Leben ganz schön zur Hölle machen können. Ich muss es ihnen nur sagen! Willst du das?"

"Yuki? Halt einfach die Klappe und putz weiter." sagte ich und schüttelte den Kopf.

"Was willst du denn? Meinst du, du müsstest hier einen auf dicke Hose machen, weil du was mit der Kleinen am Laufen hast?"

"Nenn sie nicht 'Kleine'. Verstanden? Nicht nur, dass sie größer ist als du! Versuch nicht, sie auf dein Niveau herunterzuziehen." sagte ich und wurde mit der Zeit wirklich wütend. "Ob und mit wem ich was am Laufen habe, wie du es so formschön ausgedrückt hast, geht dich nichts an. Sprich also auch nicht darüber."

"Oh, ist sie so gut im Bett?"

"Jetzt reicht's!" sagte ich, packte ihn am Kragen und schüttelte ihn ordentlich durch. "Du verdammter Wichser! Du bist nichts! Klar, deine Eltern haben eine Menge Geld und du hast viele tolle Noten, aber das gibt dir nicht das Recht, so über Kaoru oder irgendjemand anderen, der mit mir befreundet ist, zu sprechen! Ist das klar?"

"Sie muss ja sehr gut sein."

Tja, da war meine rechte Faust ganz plötzlich mitten in seiner hochnäsigen Visage gelandet. "Du miese kleine Ratte! Verschwinde, bevor ich mich vergesse!"

Dieser Aufforderung kam Yuki sehr schnell nach.

"Die-kun?" fragte Kao mit vorsichtiger Stimme als Yuki weg war.

"Hm?"

"Jetzt müssen wir die restlichen zwei Zimmer alleine sauber machen. Ist dir das bewusst?"

"Sicher. Wenn du willst, kannst du ja auch gehen. Willst du gehen?"

"Schlägst du mich auch, wenn ich hierbleibe?"

"Wenn du so weiterfragst vielleicht."

Etwa eine Stunde später waren alle Klassenräume sauber, wir gingen zum Hausmeister und sagten Bescheid, dass er nun abschließen könne. Natürlich kontrollierte dieser, ob wir auch wirklich alles sauber gemacht haben.

Dann ging ich mit Kaoru mit, meine kranke Freundin besuchen. Im Hause Niikura angekommen gingen wir direkt zu ihrem Zimmer und Kaokao klopfte an die Tür. Ein leises, heiseres Stimmchen antwortete und wir gingen ins Zimmer.

"Hey nee-chan. Wie geht's?" fragte Kao und strahlte seine Schwester an.

"Ging schon besser..."

"Du glaubst nicht, was Die heute gemacht hat."

"Was denn?" fragte sie und blinzelte mich skeptisch an.

"Er hat Yuki eins aufs Maul gegeben, weil er schlecht über dich geredet hat."

"Du hast was gemacht?"

"Na ja, er hatte es nicht anders verdient." sagte ich zuckte mit den Schultern.

"Stimmt aber." sagte Kao. "So, ich lass euch mal alleine."

Ich habe mich auf die Bettkante gesetzt und lächelte sie an.

"Du hast ihn echt geschlagen? Wegen mir?"

Natürlich nickte ich. "Sag bloß, das hättest du für mich nicht gemacht?"

"Doch, klar. Wenn also mal ein Mädchen schlecht über dich redet."

"Machen die das?"

"Eigentlich nicht, nein. Hast wohl nicht gewusst, das verdammt viele Mädchen in dich verknallt sind oder es zumindest gewesen sind?"

"Nicht wirklich, nein." antwortete ich wahrheitsgetreu. "Verdammt viele, hast du gesagt?"

Sie nickte und griff nach einem Taschentuch. "Warum so spät? Ich meine, nicht das ich gewartet hätte, dass ihr kommt, oder das du mit Kaoru mitgehst, aber mir war den ganzen Tag sooooo langweilig."

"Strafarbeit. Kaoru, Yuki und ich."

"Wieso Strafarbeit?"

"Weil Yuki schon zu Beginn der ersten Stunde Scheiße geredet hat."

"Ja?"

"Ja. Kaoru hat sich drüber aufgeregt, ich hab mich eingemischt und wir durften alle drei zusammen sämtliche Klassenzimmer unseres Jahrgangs putzen. Eine wahre Freude." sagte ich und grinste schief. "Ich mag's halt nicht, wenn jemand über Leute, die ich mag, schlecht redet."

"So?"

Ich nickte. "Schade, wo doch morgen Weihnachten ist. Ausgerechnet jetzt bist du krank."

"Macht doch nichts."

"Nicht? Sag nicht, du magst Weihnachten nicht?"

"Hält sich in Grenzen."

"Oh, ich liebe Weihnachten, Kaoru. Ich hab... Ich hab sogar schon ein Geschenk für dich besorgt."

"Vielleicht überlege ich es mir ja noch und mag Weihnachten früher oder später." lächelte sie, fing dann an zu husten.

"Das hört sich ja echt übel an, Kaoru. Bist du schon beim Arzt gewesen?"

"Megumi ist heute morgen gleich mit mir hingefahren." nickte sie.

"Okay."

"Und du hast ihn echt geschlagen? Ich meine, so richtig?"

Ich nickte.

"Was hat er denn schlimmes gesagt, dass du ihn gleich schlägst?"

"Er hat schlecht über dich geredet. Das ist typisch für ihn. Weißt du, wärst du nicht krank gewesen, hätte er bestimmt nichts gesagt."

"Wegen mir?" fragte sie überrascht. "Ich meine... Du hast ihn wegen mir geschlagen? Die, du könntest für deswegen von der Schule fliegen."

"Ich weiß."

"Also... Ich muss zugeben, ich bin ganz schön geschmeichelt." sagte sie und wurde rot.

"Ach was. Für dich würde ich das jeden Tag wieder machen. Meine Hand schmerzt zwar ein bisschen, aber das war es allemal wert."

Kaoru setzte sich aufrecht hin und streckte sich ein bisschen. "Weißt du, was ich jetzt gerne machen würde?" fragte sie dann.

"Nein. Sagst du's mir?"

"Ich würd dich gern küssen. Aber dann stecke ich dich an und das will ich nicht."

"Egal. Nur ein kleiner Kuss wird mich schon nicht umbringen." lächelte ich sie an.

"Wie du willst. Aber ich hab dich gewarnt."

Gerade in dem Moment, als sich unsere Lippen wieder getrennt hatten, ging die Tür auf und Kaoru platzte in den Raum.

"Gute Nachrichten!" strahlte er.

"Was'n für Nachrichten?" fragte ich und blinzelte verdutzt.

"Na, Toto und ich, wir haben doch so einen kleinen Ausflug für unsere Clique geplant, nicht wahr?"

"Ach, das Wochenende in Kyoto?" fragte Kaoru.

"Genau das, Schwesterherz. Bis jetzt hatten wir ja allerhand Probleme mit der Planung, was größtenteils an Toshi's Schusseligkeit lag, aber jetzt ist alles aus der Welt geschafft und wir könnten übermorgen direkt losfahren."

"Na, dann viel Spaß." seufzte meine kranke kleine Freundin.

"Ohne dich fahren wir natürlich nicht." sagte Kaokao und schüttelte den Kopf.

"Ach? Und wie willst du Papa-san dazu überreden, mich so mitfahren zu lassen?"

"Na ja, der weiß noch gar nicht, dass du krank bist. Und Mama wird nichts sagen, wenn ich sie nur angemessen besteche. Oder möchtest du am Ende gar nicht mitkommen?" wollte er wissen und setzte sich auf einen Stuhl.

"Du weißt genau, dass ich gerne mitgekommen wäre."

"Vielleicht geht's dir ja übermorgen auch schon wieder besser." sagte ich und nickte ihr aufmunternd zu.

"Mal schauen."

Das war nun wirklich blöd. Irgendwie hatte ich keine Lust, ohne Kaoru wegzufahren. Aber wenn sie so krank war, dann konnte ihr das niemand zumuten. Auch ich nicht.

"Hm. Okay, wenn es dir nichts ausmacht, dann gehe ich jetzt erst mal nach Hause. Okay?" fragte ich.

"Daijoubu. Gehr ruhig. Ich komm schon klar." lächelte sie und setzte sich aufrecht hin.

Kaokao hatte das Zimmer mittlerweile wieder verlassen.

"Soll ich morgen mal rumkommen?"

"Wenn du magst." nickte Kaoru und drückte mir einen Kuss auf die Wange.

"Sicher doch. Dann schlaf gut ne."

"Immer."

Ich ging also nach Hause, duschte und bin direkt ins Bett gegangen. Ja ja, putzen hat mich schon immer seeeehr müde gemacht. Deshalb war mein Zimmer auch immer relativ chaotisch. Ich hab immer nur dann aufgeräumt, wenn ich wusste, dass ich besuch bekomme. Zu blöd nur, dass ich nicht wusste, dass Kaoru am nächsten Tag bei mir vorbeikommen würde... Immerhin war sie ja krank, sie sollte eigentlich im Bett liegen bleiben und nicht mitten im Winter mit dem Fahrrad durch die Gegend fahren um irgendjemanden oder eben mich zu besuchen.

Ich schwöre, ich petze nie wieder! Ehrlich!

Puh, so, ein neues Kapitel. Hat ganz schön gedauert. Sorry. Bin leider nur noch am ackern und komm kaum noch zum Schreiben (als wenn das irgendjemanden stören würde, buwäääähhh *in Selbstmitleid zerfließt*)

Ikimashou!!

Bitte Kommentare ^__^
 

Jedenfalls bin ich am nächsten Morgen nichtsahnend aufgestanden (okay, eigentlich war es schon Mittag...) und in die Küche getapst. Mal schauen, ob Mama noch genug Essen eingekauft hatte, bevor sie mit Papa weggefahren ist. Ich hätte natürlich auch Shinya anrufen können um ihn zu bitten, mir was leckeres zu Essen zu machen. Shinya konnte nämlich wirklich gut kochen. Als ich noch vor dem geöffneten Kühlschrank stand klingelte es an der Tür. Ich bin hingegangen, ohne mir vorher noch was überzuziehen und stand im nächsten Moment halbnackt vor Kaoru.

"Was machst du denn hier?" fragte ich überrascht.

Sie grinste und hielt eine Plastiktüte hoch. "Ich hab mir gedacht, dass du bestimmt Hunger hast. Außerdem weiß ich mittlerweile, dass du nicht kochen kannst. Also, hier bin ich."

"Komm rein, komm rein. Dann geht's dir also besser?"

"Allerdings. Kein Fieber mehr. Nur noch ein bisschen Husten und so. Aber ist nicht weiter schlimm." antwortete sie nickend und zog Schuhe und Jacke aus.

Zwei Sekunden später klingelte es erneut. Toshiya und Shinya.

"Was geht?" fragte ich, eher wenig begeistert über diese frühe Störung. Na ja, eigentlich störten mich nur die beiden.

"Weia, hättest dir ja wenigstens was überziehen können." grinste Toto und deutete auf meine nackte Brust. "Stören wir?"

"Sagt mir, was ihr wollt, dann sage ich euch auch, ob ihr stört." entgegnete ich und verschränkte die Arme vor der Brust.

"Ist Kaoru-chan auch da?" fragte Toshiya und schlängelte sich an mir vorbei ohne auf meine Frage einzugehen.

Ich blinzelte Shinya fragend an und dieser zuckte nur mit den Schultern.

"Was weiß ich..." murmelte er dann und schüttelte den Kopf.

"Dann komm du halt auch rein, Shin." seufzte ich und öffnete die Tür ein Stück weiter.

Während Toshiya also meine Freundin in der Küche belästigte ging ich mir schnell etwas überziehen, dann zu Shinya ins Wohnzimmer. "Also, kann ja sein das ich mich irre, aber warum ziehst du so ein merkwürdiges Gesicht?" fragte ich das Chibi und legte die Stirn in Falten. "Is' was mit Miyu?"

"Nein, nein, nein."

"Was dann?"

"Weiß nicht, ob ich dir das einfach erzählen kann, Die."

"So schlimm kann's nicht sein. Also komm, erzähl."

"Ich hab mich verliebt..."

"Und was ist daran schlimm?"

Hö? Normalerweise war Shinya doch der letzte, der etwas über seine Gefühle erzählte. Warum sagte er mir jetzt, dass er sich verliebt hätte?

"Du weißt ja nicht, in wen ich mich verliebt hab..." sagte er dann leise und starrte auf den Boden.

"Dann sag's mir halt." War ihm anscheinend schon peinlich genug, dass er sich überhaupt verliebt hatte. Was konnte daran aber so schlimm sein, dass er mir sonst nichts weiter erzählen wollte?

"Kann ich nicht..."

"Shinya, kannst du nicht wenigstens einmal die kühle Fassade verlassen und sagen was los ist? Ich meine, du kennst mich, ne? Also solltest du mittlerweile auch wissen, dass man mit mir über alles reden kann."

"Ja, ich weiß aber auch, dass du eine Labertasche bist und sofort alles weitererzählst."

"Stimmt doch gar nicht."

"Stimmt ja wohl."

"So? Ein Beispiel bitte!"

"Letztes Jahr im Sommer, als Totchi sich in dieses Mädel aus Kyoto verguckt hatte, da hast du ihr das brühwarm erzählt."

"Ach komm, Totchi verknallt sich alle fünf Minuten in irgendwen."

"Ja und? Das ändert nichts an der Tatsache, dass du es diesem Mädchen einfach erzählt hast."

"Im Nachhinein war er mir dafür sogar dankbar, weil das eine echte Schreckschraube war."

"Trotzdem, Die! Du verstehst nicht, dass es hier um's Prinzip geht, oder? Nein, wie denn auch! Solange alles nach deiner Nase läuft ist ja auch alles okay! Kapier's einfach! Ich werde dir das nicht erzählen und damit basta!" sagte Shinya völlig aufgebracht und stürmte mit hochrotem Kopf aus dem Wohnzimmer. Wenige Augenblicke später fiel die Haustür laut krachend ins Schloss.

Totchi steckte plötzlich seinen Kopf durch die Tür. "War das Shinya?"

Ich konnte nur nicken. Warum rastete Shinya gleich so aus? Sonst war er ja doch sehr beherrscht. Richtig wütend war er selten, aber wenn, dann richtig. "Weißt du vielleicht, was er hat?"

"Na, er ist verknallt, nehme ich mal an." zuckte Toshiya die Schultern.

Wieder klingelte es an der Tür.

"Argh, ich dreh durch! Was wollen denn bloß alle?!" fragte ich und ging hin. Kaokao sowie zwei Typen die ich nicht kannte. "Was gibt's?" fragte ich.

"Konnichi wa erst mal, du Depp." sagte Kaokao und schüttelte den Kopf. "Die zwei hier, das sind Freunde von Kaoru, aus Tokyo. Ist sie hier?"

"Kommt rein." seufzte ich und ließ resigniert die Schultern hängen.

Also, Kaoru hatte schon merkwürdige Freunde... Der eine sah ja noch ganz normal aus, hatte schwarze Haar und alles aber der andere... Wie viele Piercings waren das in der Unterlippe? Fünf oder sogar sechs? In den Augenbrauen auf jeder Seite welche und sogar zwischen den Augen. Außerdem war der klein, richtig klein. Kleiner als Kyo. Und pummelig war er, mit X-Beinen.

"Wah, Sakito, Hitsugi! Was macht ihr denn hier?" kreischte Kaoru als ich mit den beiden und Kaokao in die Küche kam.

"Du bist komisch. Wir haben doch gesagt, dass wir dich mal besuchen kommen." sagte der schwarzhaarige, offensichtlich Sakito, mit einem Lächeln. Und dann? Da erdreistet sich dieser Typ doch, meine Freundin in den Arm zu nehmen! Ich hab gedacht, ich fall vom Glauben ab. -Hat der sie noch alle?-

"Ihr hättet zumindest Bescheid sagen können, wann ihr kommt." sagte Kaoru und grinste noch immer über beide Ohren.

"Wir wollten dich überraschen, Kao-chan. Außerdem haben wir dich tierisch vermisst. Du hättest dich ja zwischendurch mal melden können." sagte der gepiercte, Hitsugi und drückte meine Freundin ebenfalls an sich. Und da er so klein war, war sein Kopf fast auf Höhe ihres Busens... Gott, ich hätte ihn am liebsten in Stücke gerissen!

"Oh, darf ich euch beide mal vorstellen?" fragte Kaoru dann und schob Hitsugi, zum Glück, von sich weg. "Also, das ist Daisuke, mein Freund, er hier ist Toshiya." Sie zeigte mit der Hand auf Toshiya und mich. "Und das hier, das sind Hitsugi und Sakito. Die beiden waren in Tokyo in meiner Klasse und so ziemlich die einzigen, mit denen ich mich gut verstanden habe."

"Aha, gut zu wissen." sagte Toshiya und machte ein merkwürdiges Gesicht.

"Du siehst aus wie'n Mädchen." sagte Hitsugi zu Toshiya.

"Hättest ihn mal vor einer Woche sehen müssen." scherzte Kaokao.

"Und du bist also ihr Freund, ja?" fragte Sakito mich.

Ich nickte.

"Na dann. Ich hoffe mal für dich, dass du nicht irgendwann auf die Idee kommst, ihr irgendwie wehzutun. Wenn du ihr nämlich wehtust, dann muss ich dir leider auch wehtun (Anm. d. A.: Genau das hat mein Bruder auch zu meinem letzten Freund gesagt... So was ist schlimm!!)"

"Was- Also, dafür das du mich nicht kennst, klopfst du aber ganz schön große Sprüche." sagte ich fassungslos. Mir war in dem Moment wirklich alles vom Gesicht gefallen.

"Keine Panik. Ich wollte nur, dass du Bescheid weißt."

Kaoru blinzelte mich aus großen Augen an, schüttelte dann den Kopf und grinste.

"Wenn es dich beruhigt, Sakito-kun, ich hatte auch nicht vor, ihr irgendwie wehzutun. Verstanden?"

"Weia, nicht das er ihn auch noch schlägt." sagte Kaokao und zog ein Gesicht.

Wenig später ist Kaoru dann mit ihren beiden ,Freunden' weggegangen, ohne mich!

"Weiß einer von euch, was mit dem Chibi los ist?" fragte Toshiya plötzlich und tippte mir vor die Stirn.

"Hö?" Ich durfte ja nix sagen, damit Shinya nicht wieder wütend werden würde.

"Der benimmt sich total merkwürdig. Schon seit ein paar Tagen."

"Meinst du, weil er rumgeheult hat?" fragte Kaokao.

"Nein, das meine ich nicht. So was kann ja jedem Mal passieren." sagte Toshiya und kratzte sich am Kopf. "Zum Beispiel: Gestern ist er völlig nervös geworden, als ich zusammen mit Miyabi zu ihm hingegangen bin. Sonst war er ja immer nur völlig abweisend, wenn Miyabi in der Nähe war, nicht wahr? Aber vorgestern nicht. Er ist richtig hibbelig gewesen."

"Hat er vielleicht wieder Kaffee getrunken? Wir wissen doch alle, dass er dann immer aufgekratzt ist." sagte Kao nachdenklich.

"Nein, kein Kaffee."

In meinem Kopf fing es an zu rattern. Shinya war also verknallt und merkwürdig drauf, wenn Miyabi in seiner Nähe war? Konnte es also sein, dass unser Chibi in Miyabi verliebt war? In einen Jungen? Mit solchen Gedanken hatte ich mich bis dato noch nie auseinander setzen müssen. Selbst wenn Shinya und Toshiya sowie auch Kaokao nicht besonders männlich wirkten, so habe ich doch nie daran gedacht, dass einer von den dreien eventuell nicht hetero sein könnte. Aber was wussten wir schon über Shinya, außer das er meistens keine Gefühle zeigte und kaum etwas über sich verriet? Das war wirklich nicht viel. Als Shinya damals in unsere Schule gekommen war, und das war auch schon knapp sechs Jahre her, war er so verschlossen das wir dachten, wir würden nie mit ihm auskommen. Es hat damals auch sage und schreibe sechs Wochen gedauert, bis wir ihm mal ein Wort entlocken konnten. Wir hätten wahrscheinlich nicht einmal herausgefunden wo er wohnt, hätte es nicht in der Klassenliste gestanden.

Trotzdem mochten wir Shinya, er war halt immer unser Chibi und das jüngste Mitglied unserer Clique. Er hatte immer ,Welpenschutz' genossen. Shinya hat nie jemandem was getan, wenn sich aber trotzdem mal jemand mit ihm angelegt hat, warum auch immer, konnte er sich sicher sein, dass wir hinter ihm stehen und ihm helfen würden.

Wenn man öfter mit Shinya zu tun hatte, war man ihm auch nicht böse, dass er so still war. Er war halt so. Aber er hat mir mal erzählt, dass er auch mal anders gewesen ist. In der Grundschule hat er auch noch mit anderen geredet und das alles, aber irgendwann hat er damit aufgehört und wurde so introvertiert. Warum das so war wusste er selbst nicht. Aber hinter verschlossenen Türen war er wieder eine völlig andere Person. Er lachte, erzählte eine Menge, fing mitunter auch schon mal an zu weinen, wenn ihn etwas bedrückte.

Außerdem war mir aufgefallen, dass er sich sehr verändert hatte, seit Kaoru in unsere Klasse ging. Ganz so wie Toshiya es gesagt hatte: Es war gut, wenn man ein richtiges Mädchen in seiner Mitte hatte. Shinya war aber auch derjenige von uns, der sich am besten in ein Mädchen hineinversetzen konnte. Daher war er auch so gut darin, Kaoru zu trösten, wenn sie etwas bedrückte, was sie mir nicht sagen konnte.

"Die?"

"Hö?"

"Worüber denkst du nach?" fragte Toshiya und wedelte mit der rechten Hand vor meinem Gesicht herum.

"Über Shinya."

"Im ernst?" fragte Kaoru. "Seit wann machst du dir Gedanken über Shinya?"

Ich nickte als Antwort auf seine erste Frage. "Ich meine, das ist ja nicht normal, wenn er so drauf ist."

"Ich sag doch, er ist verliebt. Ich kann so was riechen." sagte Toto und grinste.

"Und was meinst du, in wen er verliebt ist?" fragte Kaoru.

"Na ja, bin ja kein Hund, wa? So gut ist meine Nase auch wieder nicht."

Wenig später hab ich Kyo angerufen und ihn gefragt, ob er nicht auch vorbeikommen wolle.

"Kann ich machen, also bis gleich." sagte er und legte auf.

"Und Kyo? Was ist mit dem?" fragte Kaoru.

"Was soll mit ihm sein?" fragte ich zurück.

"Na, der wirkte gestern auch anders als sonst. Du als sein bester Freund musst doch wissen, was los ist."

"Stimmt, aber das sagt er dir besser selbst, bevor er auch noch sauer auf mich ist." entgegnete ich und zündete mir eine Zigarette an.

Meine Eltern sahen es natürlich gar nicht gern, dass ich rauchte, aber verbieten wollten sie es mir auch nicht, obwohl es ja nicht legal war, mit 18 zu rauchen. Na ja, teuer war's natürlich auch, wenn man nur ein Schüler ist.

"Oh, ich hab übrigens Post gekriegt." sagte Kaoru plötzlich.

"Was? Kann ja nicht sein! So was hab ich ja noch nie gehört!" sagte Toshiya entsetzt und riss die Augen weit auf.

"Du Trottel, ich war doch noch nicht fertig."

"Wieso? War's ein Einschreiben mit Rückschein? Oder per Nachnahme?"

"Urusai! Ich hab Post von der Uni in Kyoto bekommen. Die nehmen mich."
 

"Echt? Ich dachte, die Entscheidungen laufen noch?" fragte ich.

"Hab ich auch gedacht. Na ja, dann werde ich also ab Mai nächstes Jahr Musik studieren. Mal schauen, wie weit ich damit komme."

"Ach, ich würd mir da keine Sorgen machen, wenn ich du wäre. Ich seh dich schon als ultra-erfolgreichen Produzenten bei irgendeiner Plattenfirma auf'm Chefsessel sitzen." sagte Toshiya.

"Au ja, mit viel Geld, Frauen, 'nem dicken Auto - so gar nicht japanisch." gackerte Kaoru.

"Apropos Frauen. Was is'n mit Kasumi?" wollte ich wissen und fing an zu grinsen.

"Sag ich dir nicht. Ich will nicht, dass du mich auslachst." Jetzt wurde Kaoru puterrot und er senkte den Blick.

"Dann sag's mir. Ich verrate es ihm auch nicht." sagte Toshi und stieß Kaoru an.

"Kami-sama, wir sind halt ein Paar. Reicht das?"

"Wie süß. Kaoru-sama wird doch noch schwach, was?" fragte ich und fing an zu lachen.

"Ich versteh gar nicht, was daran so lustig ist. Sie ist halt... nett."

Als Kyo wenig später ebenfalls im Wohnzimmer saß wurden erst mal Zukunftspläne geschmiedet.

"Also, wenn du eh nach Kyoto willst, dann können wir doch zusammen eine Wohnung mieten, oder nicht? Ist viel günstiger, als alleine zu wohnen und du kannst dir sicher sein, dass es dir an nichts fehlen wird, denn Papa-Kaoru ist ja da." grinste Kao.

"Papa-Kaoru? Langsam machst du mir echt Angst, weißt du?" fragte Kyo zurück und verzog gequält das Gesicht. "Ich seh's schon deutlich vor mir, wie du jeden Tag vor mir stehst und mir erzählst, dass ich mein Zimmer aufräumen soll, mich zum Putzen verdonnerst oder... was weiß ich."

"Scheint ja die schrecklichste Vorstellung der ganzen Welt zu sein." schmunzelte ich.

"Ich denk drüber nach, Kao. Okay?"

"Okay." nickte der angesprochene und lächelte.

"So, Toshiya, was ist mit dir? Du hast bis jetzt noch nichts erzählt, über deine Planungen."

"Hab ich nicht? Ich bin auf der Design-Schule angenommen worden. Die waren von meinen Entwürfen schweeeer beeindruckt, hat man mir am Telefon erzählt."

"Und auf welcher Design-Schule? Wie du weißt gibt es mehr als eine." sagte Kaoru und verdrehte leicht genervt die Augen. Ja, manchmal konnte man ihm deutlich ansehen, wie sehr in Toshi's Schusseligkeit auf den Geist ging, so wie uns allen.

"In Tokyo." antwortete Toshiya und blinzelte verträumt.

"Oh." machte ich. "Ich meine... Dann ziehst du ja weg."

"Und? Kyo und Kaoru doch auch. Du und Shinya, ihr seid die einzigen, die anscheinend nicht so recht aus Hyougo weg wollen."

Da hatte er wirklich Recht. Ich wollte erst mal eine Weile bei Papa in der Firma arbeiten, einfach um mich zu orientieren und mir einen Überblick zu verschaffen. Danach konnte ich immer noch studieren. Okay, so wie meine Noten derzeit aussahen, reichte es nicht für eine gute Universität... "Ich bin halt hier zu Hause..." sagte ich leise.

"Ts. Und da dachten wir immer, du wärst der erste, der hier weg ist." sagte Kao.

Ich schüttelte den Kopf.

"Kaoru möchte ja wieder nach Tokyo zurück." sagte Kao.

"Sie möchte was?!?!?!?!?" fragte ich geschockt.

"Sie will wieder nach Tokyo und dort studieren. Hat sie dir das nicht erzählt?"

"Nicht ein Wort..."

Klasse. Erst tauchen diese beiden Gestalten auf und dann das. Konnte es jetzt noch schlimmer werden? Kaum möglich.
 

Na ja, gerade als ich dachte, dass es wirklich nicht schlimmer werden könnte klingelte das Telefon. Kaoru.

"Hey, tut mir leid, aber ich komme morgen nicht mit." sagte sie.

"Eh und warum, wenn ich fragen darf?"

"Na ja, Sakito und Hitsugi sind ja da und sie wollten auch noch ein paar Tage bleiben. Ich hab sie ja nun echt lange nicht gesehen, nicht wahr? Die, wir... Wir können doch wann anders noch mal nach Kyoto fahren, oder?"

"Hai..." sagte ich geknickt.

"Und dann fahren wir alleine, okay?"

"Ganz wie du meinst."

"Die-kun, nicht böse sein, ja?"

"Ich bin nicht böse." sagte ich, obwohl es in meinem Innern wirklich ganz anders ausgesehen hat. Ich hatte mich wirklich darauf gefreut zusammen mit meinen Freunden und Kaoru wegzufahren.

"Gut. Dann sehen wir uns in vier Tagen, ja?"

"Ja. Bis dann."

"Bis dann." sagte sie und legte auf.

"Was'n los, big red?" fragte Toshiya als ich wieder ins Wohnzimmer kam.

"Kaoru hat gerade mitgeteilt, dass sie morgen doch nicht mitkommt." sagte ich.

"Und? Ist doch auch okay. Dann können wir uns wenigstens benehmen, wie richtige Männer." sagte Kyo und grinste.

"Hey, dann haben wir ja einen Platz mehr, oder?" fragte Toshiya und zückte sein Handy. "Ich ruf mal eben Miyabi an und frage, ob er vielleicht mitkommt, an Stelle von Kaoru-chan."

Kyo blinzelte mich an und sein Blick verriet eindeutig, dass er nicht sonderlich begeistert war. Miyabi (Anm. d. A.: Sorry, wenn ich manchmal Miyavi geschrieben habe, aber eigentlich Miyabi meinte. Kommt vor, ne?) konnte einem aber auch unendlich auf den Geist gehen. Schlimmer als Toshiya, wenn er zu viel Kaffee getrunken hatte und einen Laberflash hatte.
 

Das nächste Problem folgte auf dem Fuße.

Am nächsten Tag trafen wir uns auf dem Bahnhof und warteten auf unseren Zug. Shinya schien noch immer sauer auf mich zu sein und sprach nicht ein Wort mit mir, ich ließ ihn vorerst aber auch in Ruhe. Als dann aber Miyabi und Toshiya auf dem Bahnsteig auftauchten bekam Shin einen regelrecht panischen Gesichtsausdruck und kam zu mir.

"Was macht der hier?" fragte er und drückte sein kleines Hündchen an sich.

"Hey, du zerquetscht Miyu gleich!" sagte ich fast kreischend als der kleine Chihuahua schon anfing zu winseln.

"Gomen, Miyu-chan." entschuldigte Shinya sich artig bei dem Wauwau, heftete dann seinen Blick wieder an mein Gesicht. "Also, erzähl."

"Na ja, Kaoru kommt nicht mit, also hat Toshiya-"

"Irgendwann bring ich Toshi um..." sagte das Chibi mit finsterem Gesichtsausdruck.

"Bist du etwa in Miyabi-"

"Spinnst du?"

"Unterbrich mich doch nicht ständig, Shinya! War doch nur eine Frage." sagte ich und seufzte.

"Selbst wenn es so wäre, dann würde ich es dir nicht erzählen." sagte er und verschränkte resolut die Arme vor seiner schmächtigen Brust, war schon wieder kurz davor, seinen Hund zu zerdrücken.

"Komm schon, Shin. Erzähl's mir einfach. Bitte!"

Er schüttelte den Kopf. "Ich erzähl dir gar nix mehr! Comprende? Nada, nix!" Damit stapfte er beleidigt von dannen und stellte sich zu Kaoru.

Kyo schleppte sich gerade müde den Bahnsteig entlang, er hatte sich noch irgendwo Zigaretten besorgt und war schon wieder kurz davor einzuschlafen.

"Warum gehst denn du nicht mal eher ins Bett?" fragte ich woraufhin er kurz schnaubte.

"Wenn ich schlafen will, dann geht's nicht. So einfach ist das."

"Ach was?"

"Na ja, okay. Stimmt nicht ganz. In letzter Zeit schlaf ich einfach schlecht. Reicht das?"

"Du musst nicht gleich so gereizt sein, Kyo."

"Menschen mit Schlafmangel reagieren nun mal so, lieber Daisuke!"

"Weißt du was? Geh am besten zu Shinya, dann könnt ihr beide mies drauf sein! Gemeinsam macht das sicher mehr Spaß!"

"Schön, das mache ich jetzt auch!"

"Dann geh doch!"

Toshiya beäugte die ganze Szene argwöhnisch, kam dann zu mir rüber. "Was geht?"

"Nerv mich nicht!" meckerte ich und drehte ihm den Rücken zu. Und was musste ich dann sehen? Kaoru, wie sie mit diesen komischen Typen über den Bahnsteig läuft, direkt auf mich zu. "Was machst du denn hier?"

"Ich wollte dir wenigstens noch Tschüs sagen, oder darf ich das nicht?" fragte sie zurück und blinzelte mich abschätzend an. Sie hatte ihren kleinen Hund in ihrer Jacke und sah dem Chihuahua in dem Moment sehr ähnlich, wie sie mich mit ihren großen Augen anstarrte, als hätte ich ihr gerade gesagt, dass Osaka eigentlich in Amerika sei und ich der König von Mallorca.

Ich seufzte resigniert. "Warum haben denn alle so scheiß Laune, sobald sie in meiner Nähe sind?"

"Könnte daran liegen, dass du eine scheiß Laune verbreitest, Die." sagte Kaoru und zog einen Schmollmund.

"Ich? Schlechte Laune verbreiten? Heiße ich Shinya?"

Ihre beiden Freunde, Hitsugi und Sakito, standen kichernd hinter ihr, haben sich kaum noch eingekriegt.

"Öh, ich geh mal zu dem Mädchen mit dem Chihuahua." sagte Hitsugi und setzte zum Gehen an.

"Das ist kein Mädchen! Das ist Shinya!" sagte ich, packte seinen Ärmel. "Mach mal deine Augen auf!"

"Das ist kein Mädchen? Was ist denn ein Shinya?"

Sakito zupfte plötzlich wie ein kleines Kind an Kaoru's Ärmel und flüsterte ihr etwas ins Ohr, woraufhin meine Freundin anfing zu grinsen und nickte.

Na ja, kaum eine Minute später war Kaoru richtig beleidigt, ich weiß nicht wieso, und ließ mich einfach auf dem Bahnsteig stehen, ohne noch ein weiteres Wort zu verlieren. Super. Warum können Frauen nicht weniger kompliziert sein? (Anm. d. A.: Weil Männer noch viiiiiiieeeel schwieriger sind, du Trottel!!!)

Shinya war noch immer so sauer auf mich, dass er während der gesamten Fahrt nicht ein Wort mit mir gewechselt hat, er hat mich nur immer wieder mal böse von der Seite angeschaut. Na ja und dann war da noch die Nervensäge Miyabi. Der Kerl war ungelogen nur am kreischen und am kichern... Hätte Totchi sich nicht so gut mit ihm verstanden hätte ich Miyabi wahrscheinlich den Kopf abgerissen...



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Kommentare zu dieser Fanfic (8)

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Von:  Replica
2006-03-26T12:17:13+00:00 26.03.2006 14:17
lol. o_O
Das' ja mal eine krasse Sache. Diese Fanfiction, mein' ich. Hab' sie jetzt komplett durchgelesen und hey, ich hoffe doch, dass sie bald weitergeht? Jetzt, wo am Schluss alles so wirr war, will ich unbedingt wissen, wie das so weitergeht.

Also hopp! ;D
Von: abgemeldet
2005-10-05T11:54:05+00:00 05.10.2005 13:54
....Ich find das ja immer bewundernswert, wenn man ne ff aus einer Sicht schreibt. Könnt das gar nicht. Tolles Kapi und..das müsstest du ja wissen^^
Von: abgemeldet
2005-09-16T17:20:26+00:00 16.09.2005 19:20
Und wieder ein Kommi..das wird wirklich immer besser..gibts noch ne Steigerung? Armer kyo und Die..gut, aber das müssen sie durch. Was Kyo wohl hat?
Von: abgemeldet
2005-09-16T17:08:57+00:00 16.09.2005 19:08
Zwar kurz und etwas bedrückend für Kyo Fans, aber trotzdem toll^^
Von: abgemeldet
2005-09-15T13:59:50+00:00 15.09.2005 15:59
Tolles Kapi...Totchi ist wirklich ne Prinzessin und besonders lustig wenn er betrunken ist^^..toll geschrieben^^
Von: abgemeldet
2005-09-14T18:35:11+00:00 14.09.2005 20:35
Waii..wieder tolles Kapi^^...das ehmalige 'es'-Kaoru ist eine komische Person..na mal gespannt wies weiter geht..*weiter-les*
Von: abgemeldet
2005-09-10T18:53:19+00:00 10.09.2005 20:53
Konbanwa^^
Endlich hakt Mexx mal nicht und ich konnte das erste Kpi lesen..
Ich liebe deine ff jetzt schon. Vor allem wie du Kyo beschreiben hast, obowohl Die ja so zu sagen die Hauptperson ist XD..Also das Kapi is geil und werd gleich das nächste lesen^^
Von: abgemeldet
2005-09-02T12:23:48+00:00 02.09.2005 14:23
Hallöle!! Ich habse zwar noch net gelesen,aber ich wollt mich trotzdem schon mal verewigen.Du hast ja echt interessante Überschriften.*lach* So ick geh jetzt nach Hause und werd mir die Story einverleiben,höhöhö. *mich mit Popcorn bewaffnet vorm Puter setz*


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