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Was Andre gedacht haben könnte

Diese fic bezieht sich mehr auf Andre, aber natürlich ist auch Oscar wieder mit von der Partie.
von

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bissle verdammt kitschig geworden

Wie in Trance ritt André durch den Wald. Die Bäume standen immer dichter, schienen ein einziges Meer aus dunklen Geistern zu sein, die Astlöcher Mäuler, ihre Zweige Arme. Die Hufe des Pferdes stimmten ein dumpfes Trommeln an, begleitet von den seltsamsten Geräuschen des Waldes. André konnte Oscar nirgends entdecken. Sollte sie doch umgekehrt sein? Aber dann rief er sich in Erinnerung, dass dieser Wald wahrscheinlich der Grenzwald zwischen Paris und Versailles war. Hunderte Quadratmeilen groß, unendlich tief. Er würde Tage brauchen, um sie zu suchen. Selbst wenn sie sich nicht mehr bewegen konnte würde es die Suche nach einer Nadel im Heuhaufen werden. Und schlimmer noch - falls sie sich nicht mehr bewegen konnte war vielleicht sowieso alles zu spät.

Den Tränen nahe hielt André sein Pferd an. Orientierungslos und verzweifelt rutschte er aus dem Sattel und lief benommen durch das Unterholz. Immer wieder rief er ihren Namen. Seine Stimme schien sich in den Weiten des Waldes zu verlieren.

Er war schuld. Egal, wer davon geritten war, er war schuld. Er hatte Oscar nicht gestoppt. Er hatte sie nicht schnell genug gefunden. Die Tränen rannen ihm jetzt wirklich die Wangen hinunter, tropften auf sein Revers und hinterließen nasse Spuren auf seiner Haut. Blind setzte er einen Fuß vor den Anderen, bemüht, nicht zu stürzen. Er wusste schon gar nicht mehr, ob er Oscar vor einer Stunde oder vor zehn Minuten verloren hatte. Es schien ihm so unendlich lang. Wenn ihr etwas geschah, würde er sich ein Leben lang die Schuld dafür geben.

Vor seinem inneren Auge tauchte Oscar auf, sie lag genauso wie sein Vater, als dieser sich bei einem Sturz das Genick gebrochen hatte. Arme und Beine weit von sich gestreckt, das Gesicht nach rechts gedreht, der Hals verrenkt. Die Augen leicht geöffnet, der Mund so, als hätte sie einen überraschten Laut von sich gegeben.

Als ob der Himmel Andrés Verzweiflung spüren konnte, fing es an zu regnen. Dicke Tropfen fielen auf das Blätterdach, ließen das rote Laub geheimnisvoll und zugleich beruhigend rascheln. Einige der gefärbten Blätter bahnten sich ihren Weg nach unten, immer zuckend wenn sie von einem Regentropfen getroffen wurden.

Wie Schüsse, dachte André. Wie ein kleiner, zarter Körper, der von Schüssen getroffen wird. Eines der Blätter fiel auf seine Schulter. Rot und grün und gelb. Leuchtende Farbenpracht, dem Tod geweiht. André kam der Vers eines alten Volksliedes in den Sinn.
 

Fahr wohl!

O Blättlein, dass nun fallen soll;

Dich hat rot angestrahlet

Der Herbst, im Tod gemalet:

Fahr wohl!
 

Fahr wohl,

all Liebes, das nun scheiden soll!

Und ob es so geschehe,

dass ich dich nicht mehr sehe,

fahr wohl, fahr wohl!
 

Wieder bahnte sich eine Träne den Weg über sein Gesicht. Wie konnte ihn ein so schönes Blatt nur so traurig machen? Er drehte den Kopf zur Seite, um den kleinen Besucher auf den Waldboden zu schnipsen. Doch noch bevor er ihn anfassen konnte, nahmen ihn zwei zarte Finger. Ein Tropfen Blut rann an ihnen herunter.

Ruckartig drehte er sich um. Hinter ihm stand Oscar, das Hemd zerrissen, eine Platzwunde am Kopf, aber lebendig.

"Du lebst! Oscar, du lebst!"

Nur flüsternd, aber für beide laut genug hatte er es gesagt.

"André, ich bin so froh. Ich wollte das nicht!"

"Mein Gott, du lebst!"

Er schloss sie in die Arme.

"Bitte glaub mir, ich wollte das alles doch gar nicht. Nur weil ich durchgegangen bin!"

"Das habe ich schon vergessen."

"Nein, wirklich, ich hätte dich in Gefahr bringen können."

"Hast du aber nicht. Du bist verletzt, nicht ich."

Oscar atmete erleichtert auf.

"Das ist nur halb so schlimm - André..."

"Mh?"

"Du hast geweint. Wegen mir?"

André antwortete nicht.

"Sag schon, du musst wegen mir geweint haben."

"Ach, das war nur der Regen und so - und..."

Oscar sah ihn schief an.

"Nein, du hast recht, ich habe wegen dir geweint."

"Bin ich dir so wichtig?"

André löste die Umarmung. Ja, sie war ihm wichtig, verdammt wichtig sogar.

Er sah ihr in die Augen, durchbohrte sie mit seinen Blicken dass sie unwillkürlich zusammenzuckte.

"Hättest du wegen mir geweint?"

Oscar nickte. "Ja, das hätte ich."

"Oscar, du bist mir wichtig. Ja, du bist mir wichtiger als alles andere auf der Welt."

Sie packte ihn an den Schultern.

"André, stimmt das? Sag mir, dass das stimmt!"

"Oscar, ich sage die Wahrheit! Ich liebe dich."

Oscar wischte sich Regen und Blut von der Stirn, während sie den Griff ihrer linken Hand lockerte.

"Das gibt es nicht. Das darf nicht wahr sein!"

André schwieg und strich ihr eine nasse Strähne aus dem Gesicht.

"Doch. Ich liebe dich. Ich liebe dich, schon seit vielen Jahren!"

Oscar schluchzte und lächelte zugleich. "Warum habe ich das nur nie gesehen! Warum musste ich meine Augen so fest vor der Liebe verschließen?"

André küsste sie leicht. "Das ist egal. Jetzt weißt du es ja."

"Ja, jetzt weiß ich es, und ich werde es nie wieder vergessen." Wie in Zeitlupe kamen sich ihre Gesichter immer näher, für Oscar gab es nur noch André, seine Blicke, seine Liebe.
 

Wie lange die beiden so im Wald standen und sich küssten, wusste später keiner mehr. Aber das war ja auch nicht wichtig....



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2005-08-22T21:48:44+00:00 22.08.2005 23:48
Ich kann Lady_Oscar nur zustimmen! Ich find's auch nicht kitschig - obwohl ich mir vorstellen könnte, dass andere da anderer MEinung sind. Und ich finds auch zum heulen schön!
Von:  Lunatrixa
2005-08-22T06:41:54+00:00 22.08.2005 08:41
Also ich finde es überhaupt nicht kitschig, wenn man es so liesst kommen einem ja fast die Tränen, ich finde es sehr schön geschrieben.


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