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Magenta I

Willkommen in der World of Warcraft
von

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Mit Zuckerbrot und Peitsche

Schwarze Kerzen warfen ein flackerndes Licht auf die feuchten Steinwände des ewig dunklen Verlieses tief im Herzen der Katakomben von Stormwind. Der Tages- und Nachtrhythmus der übrigen Welt war hier unten bedeutungslos. Kein Laut, kein Sonnenstrahl drang bis hierhin vor und auch von der Hitze des großen Feuers, das im ersten Kellerraum des geschlachteten Lamms brannte, war so weit unten in den Gewölben nichts mehr zu spüren. Ein kalter Luftzug wehte durch den Raum und ließ eine der Kerzen erlöschen. Mit einer knappen Geste brachte Magenta sie wieder zum Brennen.

„Also schön.“, sagte Gakin Dunkelbinder. „Ich bin sehr zufrieden mit dir, Magenta. Der Herzholz-Zweig, den du mir gebracht hast, wird genügen, um dir eine Sukkubus herbeizurufen. Bist du bereit?“

Magenta nickte stumm. In ihrem Kopf rezitierte sie eifrig, was sie in den letzten Stunden über Dämonen und vor allem über Sukkubi gelesen hatte. Sie wollte nicht riskieren, gegen diese trickreiche Ausgeburt der Hölle zu unterliegen. Nicht nachdem sie so lange gebraucht hatte, um sich in die Lage zu versetzen sie zu beschwören. Gakin Dunkelbinder hatte seiner Schülerin deutlich gemacht, dass sie erneut einen Zweig des Baumes würde besorgen müssen, wenn sie versagte.

„Dann werde ich jetzt beginnen.“, erklärte der Hexenmeisterlehrer.
 

In der Mitte des Raumes glühten die magentafarbenden Runen des Beschwörungskreises. Ihr Schein erhellte die staubige Dunkelheit der Gruft und ließ die weißen Knochen in den Wandnischen in einem rosigen Schein aufleuchten. In der Mitte der Runen lag der von Magenta gebrachte Zweig aus Herzholz. Immer noch haftete ihm dieser ganz besondere Glanz an und die wenigen Blätter, die er trug, waren nicht welk geworden, wie es bei einem Zweig eines gewöhnlichen Baumes der Fall gewesen wäre.

Während Gakin Dunkelbinders Beschwörungsformeln die Grenze zwischen den Welten immer dünner werden ließen, begann der Zweig in die Höhe zu steigen und etwa auf Hüfthöhe langsam um die eigene Achse zu kreisen. Gebannt betrachtete Magenta das kleine Stück Holz, das mit seiner ganz und gar eigenen Magie einen mächtigen Dämon herbei rufen würde. Eine Verschlingerin der Seelen, eine Zerstörerin der Herzen, eine Bezwingerin des Geistes: eine Sukkubus.

Ein Laut drang aus dem kleinen Riss in der Realität, der sich neben dem Zweig in der Luft gebildet hatte. Dahinter waberte die unendliche Dunkelheit des wirbelnden Nethers. Das Geräusch wiederholte sich und wurde lauter. Es klang wie ein verlangendes Stöhnen, ein lustvolles Keuchen, ein Ausdruck von tiefer Erregung und grenzenloser Gier. Die Laute der angelockten Sukkubus.

Mit einem leichten Schauern beobachtete Magenta, wie sich der Riss weiter öffnete und ein erster, gespaltener Huf des Wesens den grauen Steinboden berührte. Einen Moment lang bereute die junge Hexenmeisterin, dass sie Abumoahams Angebot, ihr bei ihrer Aufgabe zu helfen, nicht angenommen hatte. Der Magier war wirklich sehr eifrig gewesen, so dass Magenta ihm zu Schluss sehr rüde hinaus geworfen hatte. Das hier war ihre Aufgabe und sie würde sie allein bewältigen. Zumal sie ihm nicht gesagt hatte, was sie vorhatte. Nach ihrem Abenteuer mit dem Ork-Hexenmeister war sich Magenta nicht sicher, wie ihr Geliebter auf die Anwesenheit einer Sukkubus reagiert hätte. Das Eigenartige war, dass er nicht einmal mit der Wimper gezuckt hatte, als sie in vor die Tür setzte, sondern sich lediglich mit einem sehr liebevollen Kuss verabschiedet hatte. Doch im Moment hatte Magenta Wichtigeres zu tun, als sich um andere zu sorgen.
 

Aufmerksam musterte die junge Hexenmeisterin den weiblichen Dämon, der inzwischen vollständig durch das magische Tor getreten war. Die Hufe des Dämons gingen an den Fesseln in schlanke, mit rotschwarzen Schuppen bedeckte Beine über. Ihre Rückseite war ebenso wie das Ende des peitschenartigen Schwanzes über und über mit feinen, rasiermesserscharfen Dornen besetzt. Die Schuppen verloren sich an den Oberschenkeln und gingen über in blutrote Male, die wie ein Flamme am Bein des Dämons empor züngelten. Die schlanke Taille wurde von einer schwarzen Lederkorsage mit goldenen Verzierungen geschnürt, welche die üppige Oberweite von milchigem Weiß mehr als deutlich in das Sichtfeld des Betrachters presste. Eine Flut von rabenschwarzen, glänzenden Haaren umspielte die schmächtigen Schultern, die spitzen Ohren und die gedrehten Hörner an der Stirn des Dämons, der seinen Kopf in Richtung des Herzholz-Zweiges neigte. Die magischblauen Augen glommen vor Verlangen auf und dem üppigen roten Mund entwich ein erneutes, verlangendes Seufzen. Anmutig entfaltete die Sukkubus ihre beiden fledermausartigen Flügel, deren samtige, violette Membranen sich zwischen biegsamen Knochenfortsätzen spannten. Sie machte einen ersten Schritt, dann noch einen, bis sie schließlich bemerkte, dass sie nicht allein war. Ihr glühender Blick richtete sich auf Magenta und mit einem amüsierten Gurren entrollte sie die lange Lederpeitsche in ihrer Hand.

„Jetzt seid Ihr in Schwierigkeiten.“
 

Ja, ja, ja…ich war ein böser Wichtel. Bestraf mich!, brachte eine Stimme in ihrem Kopf Magenta aus dem Konzept. Entnervt schloss sie die Augen. Sie hatte vergessen, dass der Wichtel sah, was sie sah. Ihn nur nicht zu beschwören reichte also nicht aus.

Ruhe jetzt da drinnen. Wenn ich den Kampf gegen die Sukkubus nicht gewinne, kannst du dir dein Quartier für den Rest der Zeit mit Jhazdok teilen. Oder ich versklave mir so eine nette, kleine Höllenbestie. Diese Dämonen aus Stein und flüssigem Feuer sollen ja sehr gesellig sein.

Pizkol quietschte erschrocken. Ich bin ja schon still.
 

Magenta öffnete die Augen wieder. Gerade noch rechtzeitig um einem Peitschenhieb auszuweichen. Mit einem ebenso schrillen Quietschen wie Pizkol brachte die Hexenmeisterin sich in Sicherheit. Die Sukkubus lachte und holte erneut mit der Peitsche aus.

„Wir haben doch gerade erst angefangen.“, gluckste sie und schlug zu.

„Jhazdok!“, rief Magenta ihren Leerwandler herbei, der bis jetzt still in einer Ecke auf seinen Einsatz gewartet hatte. Wie ein lebendig gewordenes Stück Dunkelheit schob er sich zwischen seine Herrin und die wilde Sukkubus und ging zum Angriff über.

„Was haben wir denn hier?“, schnurrte die Sukkubus und reckte ihre Reize. „Du willst mir doch nichts tun, oder?“ Sie hob die Hand und blies dem dunkelblauen Dämon einen Kuss zu. Jhazdok, der zunächst in blindem Gehorsam auf sie zugestürmt war, wurde langsamer, als sei er unschlüssig geworden, ob er den anderen Dämon nun attackieren sollte oder nicht.

Schnaubend fuhr Magenta ihn an: „Na los, du aufgeblasener, blauer Windsack. Angreifen hab ich gesagt.“

Der Leerwandler warf ihr einen unterwürfigen Blick aus den hellglühenden Augen zu und waberte erneut auf die Sukkubus zu. Er landete einen ersten und zweiten Treffer, bis sich die Sukkubus zischend zurückzog. Mit perverser Freude leckte sie über die blutende Schramme, die der andere Dämon ihr zugefügt hatte. In ihrem Gesicht spiegelten sich Wut und Lust zu gleichen Anteilen.

„Wir werden ja sehen, wer hier der Meister ist.“, hohnlachte sie und holte mit der Peitsche aus. Immer wieder und wieder schlug sie nach dem Leerwandler, der ihre Angriffe jedoch fast nicht zu spüren schien. Einzig allein ein leichtes Zittern seiner Substanz verriet, dass die Sukkubus ihn überhaupt traf. Im Gegenzug dazu fesselten seine Angriffe zwar die Aufmerksamkeit des weiblichen Dämons, schadeten ihm jedoch auch nicht merklich. Bis auf einige weitre Kratzer war die Sukkubus unversehrt. Auf diese Weise konnte der Kampf stundenlang weiter gehen, ohne dass einer der beiden Kreaturen den Sieg errang. Allerdings hatte Magenta nicht vor, es so weit kommen zu lassen.

Leise murmelnd begann sie Zauber um Zauber auf die Sukkubus zu wirken, die weiter mit mordlüsternen Augen und funkensprühender Peitsche auf Jhazdok eindrosch. Der hingegen gab sich alle Mühe, den feinseligen Dämon von seiner Herrin abzulenken, so dass diese ihre Magie zum Einsatz bringen konnte. Und es schien, als ginge ihr Plan auf.

Mit einem spitzen Schrei sah die Sukkubus an sich herab. Eitrige Blasen überzogen die voreinst makellose Haut, platzten auf und versprühten einen grüne, stinkende Flüssigkeit. Wirkliche Flammen leckten von den Hufen der Sukkubus an ihrem Beinen empor und hinterließen den beißenden Geruch von verbranntem Horn und Fleisch. Die empfindliche Haut der Flügel hing bereits zerrissen herunter und ihre wollüstigen Lippen war aufgesprungen und blutig. Die betörende Schönheit der Sukkubus wich und ließ eine kreischende wild um sich schlagende Furie zurück. Eine Furie, die offensichtlich verstanden hatte, wer der wahre Feind war. Gift und Galle spuckend fuhr sie zu Magenta herum

Die junge Hexenmeisterin merkte, wie süßes, honigartiges Gift in ihre Gedanken eindrang. Es versuchte, sie zu benebeln, zu betäuben, sie wehrlos zu machen. Magenta bewegte sich nur noch langsam, als würden unsichtbare Ketten sie lähmen. Taumelnd wich sie einen Schritt zurück und schüttelte den Kopf um ihre Gedanken zu ordnen. Widerwillig wich der rosarote Nebel einem dumpfen Kreisen in ihren Gedanken. Benommen versuchte sie, einen Zauber zu formulieren, doch die Worte ergaben keinen Sinn, so dass sie immer wieder von vorn anfangen musste und die Wirkung der Worte nutzlos verpuffte.

Die Sukkubus lachte höhnisch, als sie die Schwäche der Hexenmeisterin sah, und holte aus, um ihr mit ihrer Peitsche das Gesicht zu zerfetzten. Allerdings hatte der weibliche Dämon hatte seine Rechnung ohne Jhazdok gemacht. Mit seinen Krallenhänden griff der Leerwandler nach der Sukkubus, die gequält aufstöhnte. Der trügerische Zauber des großen, blauen Dämons erlegen, der ihr vorgaukelte, er füge ihr rasende Schmerzen zu, tat seine Wirkung. Verwirrt versuchte die Sukkubus, sich zwischen den Gegnern zu entscheiden, während Magentas Zauber weiter an ihrer Existenz nagten und sie innerlich zerfraßen. Immer langsamer wurden die Bewegungen der Sukkubus, immer kraftloser ihre Angriffe, bis sie schließlich gefangen zwischen Feuer, Schatten und Leid mit einem letzten, erstickten Seufzen verging. Zurück blieb lediglich ihre Peitsche, die mit einem leisen, klatschenden Geräusch auf dem Boden aufschlug.
 

Das girrende Lachen der Sukkubus noch in ihren Ohren, sah Magenta sich staunend um. Sie konnte nicht glauben, dass der Kampf schon vorbei war. Außer einer kleinen Schnittwunde am Handgelenk, wo die Peitsche der Sukkubus sie durch Zufall getroffen hatte, war sie unversehrt und auch Jhazdok wirkte nicht besonders angeschlagen. Es war eigentlich schon fast zu leicht gewesen.

„Das war wirklich gut.“, lobte Gakin Dunkelbinder, der sich während des Kampfes zurückgezogen hatte und nun wieder in den kleinen Lichtkreis der schwarzen Kerzen trat. „Ich habe schon Adepten gesehen, die an dieser Aufgabe gescheitert sind, weil die den Verführungen der Fleischeslust erlagen. Ihre lebelosen Körper wieder aus den Krallen der jeweiligen Sukkubus zu befreien war meist keine besonders angenehme Aufgabe. Umso mehr freue ich mich, dir zu diesen Sieg gratulieren zu können.“

Der Hexenmeister-Lehrer hob die lederne Peitsche vom Boden auf und reichte sie Magenta. „Du bist nun Herrin über eine Sukkubus. Wann immer du ihre Dienste benötigst, kannst du sie mit Hilfe ihrer Peitsche wieder aus dem Nether zu dir rufen.“

„Sie aus dem Nether zu mir rufen?“, fragte Magenta erstaunt. „Ihr meint, ich werde sie nicht die ganze Zeit im meinem Kopf haben?“

„Oh nein.“ Gakin Dunkelbinder schüttelte amüsiert den Kopf. „Niemand hielte es länger als eine Stunde mit so einem Weib in seinen Gedanken aus. Wenn du deinen Dämon nicht benötigst entlässt du ihn wie alle anderen Diener wieder zurück in seine eigene Dimension. Aber warum fragst du?“

„N-nichts.“, stammelte Magenta verwirrt. In ihr keimte eine Erkenntnis, die ihr gar nicht gefallen würde. Zögernd nahm sie die Peitsche entgegen. Sie fühlte sich warm an und roch unangenehm wie gegorener Honig. Magenta verzog das Gesicht und schob sie eilig in ihre Tasche. Sie verbeugte sich noch einmal flüchtig vor ihrem Meister und rannte dann wie von einem Dutzend Sukkubi gehetzt die Treppen hinauf bis in ihr Zimmer. Dort angekommen warf sie die Tür ins Schloss, entließ Jhazdok und beschwor im selben Atemzug ihren Wichtel.
 

„DU!“, spuckte sie Pizkol entgegen. „Ich hab dich durchschaut. Du musst überhaupt nicht in meinem Kopf herumspuken. Das ist alles nur ein Trick, um mich in den Wahnsinn zu treiben.“

Der Wichtel machte ein unschuldiges Gesicht. „Das ist nicht wahr.“, behauptete er. „Bei dem vielen Unsinn, den du immer anstellst, bin ich ja geradezu gezwungen auf dich aufzupassen.“

„So eine gequirlte Hippogreifenkacke.“, wütete die junge Hexenmeisterin weiter und warf den nächstbesten Gegenstand nach dem Wichtel, den sie finden konnte. Es war ein Handspiegel. Klirrend zerbarst er etwa einen halben Meter neben dem Wichtel an der Wand.

„Das bringt jetzt aber sieben Jahre Unglück.“, nörgelte der und wischte sich die Spiegelscherben vom Pelz.

„Das ist mir egal.“. schrie Magenta und sah sich nach noch etwas zum Werfen um. Ihr Blick fiel auf ihre Tasche, aus der die Peitsche der Sukkubus gerutscht war. Rasend vor Wut ergriff sie das Folterinstrument und schlug nach dem Wichtel. Kreischend flüchtete der vor der mit Stacheln gespickten Lederschnur, die zu Pizkols Glück und aufgrund von Magentas Treffsicherheit allerdings nur Löcher in die Luft schlug.

Als die Hexenmeisterin zum dritten Mal ausholte, geschah etwas Seltsames. Zunächst dachte Magenta, dass sie Pizkol tatsächlich mit der magischen Waffe getroffen hatte, denn seine magische Substanz wurde dünner und dünner und mit einem letzten, missgünstigen Meckern löste er sich schließlich auf. Dann jedoch wurde Magenta dieses eigenartigen Gefühls gewahr, dass sie immer bekam, wenn ein Sukkubus in der Nähe war. Die Peitsche war mit einem Mal aus ihrer Hand verschwunden und befand sich…in der Hand der Sukkubus.

„Ihr habt gerufen, Meisterin?“, hauchte der weibliche Dämon. Augenscheinlich war er jetzt etwas friedlicher gestimmt als bei seiner letzten Beschwörung. Trotzdem wirkte sein Anblick inmitten von Magentas Schlafzimmer, wo der Nachmitagssonnenschein helle Kreise auf den Fußboden malte, etwas verstörend.

„Ich…ja das habe ich.“, antwortete Magenta so bestimmt, wie sie es aufgrund der absurden Situation vermochte. „Du…dein Name ist Fierneth.“

Magenta wusste nicht, woher sie das wusste, doch die Sukkubus nickte und neigte unterwürfig den Kopf. „Ich stehe zu Euren Diensten, Meisterin.“

Für einen kleinen Moment kam sich Magenta geschmeichelt vor. Endlich einmal ein Dämon, der ihr nicht ständig Widerworte gab und dazu noch etwas unterhaltsamer war, als der stumme, plumpe Leerwandler. Wenn die Sukkubus erst einmal wieder zu Kräften gekommen war - die junge Hexenmeisterin hatte gelesen, Dämonen litten nach ihrer Versklavung stets an den seltsamsten Nebenwirkungen - würden sie und Magenta ein unschlagbares Team bilden, dem kein Gegner, vor allem kein männlicher, noch Einhalt gebieten konnte. Dann jedoch sah sie das spöttische Glitzern in den Augen der Sukkubus und erkannte, dass sie mitnichten eine gehorsame Dienerin bekommen, sondern sich vielmehr einen Wolf im Schafspelz ins Haus geholt hatte. Unbewusst strich sie sich ihre Garderobe glatt.

„Als erste wirst du dieses Chaos wieder beseitigen.“, befahl Magenta mühsam beherrscht. Sie widerstand nur mit Mühe dem Drang, der Sukkubus eine Ohrfeige zu verpassen. Und das auch nur aus dem Grund, dass sie annahm, die Sukkubus würde diese Bestrafung noch zusätzlich genießen. „Danach wirst du…“

Ein Klopfen an der Tür unterbrach die junge Hexenmeisterin. Etwas irritiert blickte sie zur Tür. „Wer ist da?“

„Ich sein. Abu.“, erklang die Stimme des Magiers von der anderen Seite. „Du aufmachen? Ich Überraschung für dich.“

„Ähm ja, sofort.“, stotterte Magenta und überlegte fieberhaft, was sie mit der Sukkubus machen sollte. Um Zeit zu gewinnen rief sie das erste, was ihr beim Anblick des Dämons in den Sinn kam. „Einen Augenblick noch. Ich habe gerade wenig an.“

„Das sein sehr passend.“, lachte Abumoaham vor der Tür. „Du können so bleiben, ich jetzt reinkommen.“

Wie ein hypnotisiertes Kaninchen blickte Magenta auf die Türklinke, sie sich langsam aber unaufhörlich nach unten bewegte. Jetzt würde sie sich wohl eine sehr gute Erklärung einfallen lassen müssen.
 


 


 

Der Weg nach Stormwind war den erschöpften Nachtelfen lang vorgekommen, und doch waren sie noch vor dem höchsten Stand der Sonne in der Hauptstadt der Menschen angekommen. Die Aufmerksamkeit, die ihnen in der ländlichen Gegend des Waldes zuteil geworden war, war auch hier spürbar, doch hatten die Bewohner der Hauptstadt schon viele Gäste kommen und gehen sehen und den Händlern auf dem Markt war es ohnehin relativ gleichgültig, wer ihre Ware kaufte, solange er nur mit ehrlicher Münze dafür bezahlte. So erstanden die drei Nachtelfen einige neue Kleidungsstücke, die zwar die feine Verarbeitung der Nachtelfen vermissen ließ, dafür aber praktisch und bezahlbar war, und ließen sich dann den Weg zu einem der öffentlichen Badehäuser weisen.
 

Abbefaria fühlte sich zerschlagen und ausgelaugt. Die Wunde an seinem Bein hatte sich inzwischen geschlossen, einen Tatsache, die größtenteils auf ein Einlenken Ceredrians zurückzuführen war. Abbefarias Heilkräfte hatten bei Weitem nicht ausgereicht, um eine solche Verletzung in so kurzer Zeit heilen zu können. Da ihm jedoch mit der offenen Wunde der Zutritt in das Badehaus nicht möglich gewesen wäre, hatte sein Freund sich dazu überreden lassen, ihn aus seiner misslichen Lage zu befreien. Dennoch schmerzte der Muskel bei unbedachten Bewegungen und so bewegte sich der Druide nur langsam und versuchte, sein Bein zu entlasten, so gut es ging.

So kam es, dass seine Freunde schon eine ganze Zeit im Wasser verbracht hatten, als Abbefaria den eigentlichen Baderaum betrat. Er hatte zu viel Zeit mit der vorherigen Reinigung verbracht und humpelte auch jetzt noch sehr langsam zum Beckenrand. Mit einem leisen Stöhnen ließ sich der Nachtelf sich in das warme Wasser sinken.

„Abbe ist ein alter Angeber.“, höhnte Easygoing und spritzte mit Wasser nach seinem Freund. „So ein kleiner Biss kann unmöglich so wehtun.“

„Dann habe ich einen Vorschlag.“, raunzte der kleinere Druide. „Das nächste Mal, wenn wir angeln gehen, spielst du den Köder und ich lache dich dann hinterher aus.“

Easygoing machte eine viel sagende Geste darüber, was er von diesem Vorschlag hielt, und wuchtete seinen muskulösen Körper aus dem Wasser. „Ich bin raus hier. Mein Magen grummelt schon wie ein ausgewachsener Bär und wenn ich nicht bald etwas zu beißen bekommen…“ Grinsend zeigte er seine spitzen Eckzähne und verschwand dann pfeifend im Umkleideraum.

„Mir reicht es auch.“, verkündete Ceredrian und glitt ebenfalls aus dem Wasserbecken. „Wenn wir den Dicken verpflegt haben, treffen wir uns am besten vor dem Eingang zum Park wieder. Ich habe gehört, dort soll es die meisten Nachtelfen hier in der Stadt hinziehen.“

Finster drein blickend lugte Easygoing noch einmal um die Ecke. „Das dick hab ich gehört.“

Leise lachend zwinkerte Ceredrian seinem Cousin zu, der ihm mit bösen Blicken die übelsten Strafen androhte, und wandte sich dann noch einmal an Abbefaria. „Bleib nicht zu lange im Wasser. Du weißt, die Hitze kann einen leicht schwindeln lassen und wir wollen doch nicht, dass du hier allein im Bad ertrinkst.“

„Ich bin vorsichtig.“ versprach der Druide und winkte den beiden zum Abschied.
 

Entspannt schloss Abbefaria die Augen und genoss die sachte Wellenbewegung des weichen Wassers. Der leichte Schwefelgeruch störte seine Nase zwar ein wenig und er hätte den Besitzer, einen kräftigen Mann mit rotem Gesicht und krummen Beinen, gerne aufgefordert, ein paar Räucherstäbchen anzubrennen, doch er bezweifelte, dass der Mensch wissen würde, wovon er sprach. Wenigsten war das Bad sauber. In den Badehäusern in Darnassus wurde stets auf peinliche Sauberkeit geachtet, auch wenn die meisten Nachtelfen kein Problem damit hatten, sich nur in einem Bachlauf oder kleinen See zu waschen. Es gab eine strikte Trennung zwischen Innen- und Außenbereich und niemand, der die Regeln der Höflichkeit beherrschte, würde auf die Idee kommen, etwa ein Bad mit Schuhen zu betreten. Trotzdem erklang kurz darauf das charakteristische Geräusch von schweren Plattenstiefeln durch den mit glatten Steinen gepflasterten Raum. Es wurde untermalt von lauten Stimmen und einigen Geräuschen, die Abbefaria nicht einzuordnen wusste. Empört öffnete er die Augen, um gegen die Störung zu protestieren, und fand sich in einer höchst unangenehmen Situation wieder.
 

Vor dem Wasserbecken, in dem er lag, standen mehrere Bewaffnete in voller Rüstung. Sie wurden von Tiere begleitet, die entfernt an Wölfe erinnerten, jedoch ein schwarzbraunes Fell hatten. Im trüben Licht des Badehauses blitzten mehrere Waffen auf und Abbefaria, der dieses Verhalten zwar unerhört fand, beschloss anhand der überlegenen Zahl der Gegner, dass es schlauer wäre, den Mund zu halten. Mit noch röterem Gesicht als zuvor kam der Besitzer des Badehauses herbei geeilt.

„Mein Herren.“, rief er mit atemloser Stimme. „Ich muss doch protestieren. Dies ist ein Badehaus. Bringt sofort die Hunde nach draußen. Was sollen denn meine Gäste denken?“

„Deine Gäste werden denken, dass du der Wache von Stormwind hilfsbereit zur Seite stehst.“, erklärte der Anführer der Bande mit warnendem Tonfall. Abbefaria zählte außer ihm noch vier weitere Männer. „Wir suchen jemand, der sich unerlaubterweise an der Kasse von Trias` Käseladen bedient hat. Anwohner wollen gesehen haben, wir er hier hinein flüchtete.“

Der Mann drehte sich zu Abbefaria herum. „Habt Ihr etwas gesehen, Herr Nachtelf.“

„Ich habe niemanden gesehen.“, antwortete Abbefaria knapp. „Wenn ich jetzt vielleicht das Bad verlassen dürfte?“

„Niemand hindert Euch.“, entgegnete der Soldat lauernd. „Nur zu, dann können wir wenigstens sicher sein, dass Ihr das Gold nicht bei Euch habt.“ Die restlichen Männer quittierten diesen Ausspruch mit schadenfrohem Lachen.

Abbefaria fühlte, wie die Blicke der Männer ihn förmlich aufspießten. Mit unterdrücktem Zorn zog er sich aus dem Wasser und langte nach seinem Handtuch. Mit einem bösartigen Grinsen stieß der Soldat, der ihm am nächsten stand, das weiße Stück Stoff auf den Boden, bevor er es erreichen konnte. Einer der Hunde schnupperte interessiert daran und hob warnend die Lefzen, als der Druide danach greifen wollte. Hastig zog Abbefaria seine Hand wieder zurück und murmelte einen leisen Fluch auf Darnassisch. Erneutes, hämisches Lachen hinter ihm machte ihm klar, dass jede seiner Bewegungen genauestens beobachtet wurde.

„Wie meinen?“, erkundigte sic der Anführer. „Wolltet Ihr etwas sagen?“

Die Soldaten waren auf Streit aus, so viel war dem jungen Druiden inzwischen klar, aber er hatte keinerlei Lust, sich darauf einzulassen. Zumal er allein gegen fünf nicht die geringsten Chancen gehabt hätte. So drehte er sich betont langsam um und hob beschwichtigend die Hände.

„Ich will nur meine Sachen holen und werden dann gehen.“, sagte er. „Wenn Ihr mich durchlassen würdet.“

„Geht nur.“, lachte der Soldat und stieß gleichzeitig einen kurzen Pfiff aus. Gehorsam erhoben sich die zwei Hunde und postierten sich genau vor der Tür. Wenn der Nachtelf hindurch wollte, musste er entweder die Tiere zur Seite schieben oder über sie drüber steigen. Beides wollte er hier und unter den Augen der Soldaten nicht riskieren. Wäre er allein gewesen, wäre er mit den fremden Tieren fertig geworden, doch so sah er nur noch eine Möglichkeit. Mit dem freundlichsten Lächeln, das er zustande brachte, drehte er sich zu den Soldaten um.

„Ich versichere Euch noch einmal, dass ich weder das Gold gestohlen habe, noch jemand hier vorbei kam, der zuvor in einem Käseladen war. Sein Geruch wäre mir sicher aufgefallen. Dass Ihr ihn allerdings nicht findet, wundert mich nicht. Denn, meine Herren, Ihr und Euer Hochmut stinkt ebenfalls zum Himmel. Vielleicht solltet Ihr besser auch einmal ein Bad nehmen.“
 

Mit diesen Worten stieß er den ersten der Soldaten vor die Brust, so dass dieser ins Wanken kam und gegen seinen Kameraden fiel. Durch die schweren Rüstungen und die Enge des Raumes behindert, konnten die zwei die nachfolgende Kettenreaktion nicht verhindern und Sekunden später klatschte der Anführer der Wachmannschaft als Erster in voller Montur ins Wasser. Abbefaria hingegen zögerte nicht und verwandelte sich vor den entsetzten Augen der Soldaten in eine Raubkatze und gab Fersengeld. Er setzte darauf, dass die Wachen zu beschäftigt und vor allem zu langsam waren, um ihm schnell genug zu folgen. Er hatte allerdings nicht mit dem natürlichen Instinkt der Wachhunde gerechnet, die das taten, was alle Hunde taten, wenn plötzlich eine Katze vor ihnen flüchtete: Sie nahmen die Verfolgung auf.
 

Hinter sich hörte Abbefaria die wütenden Schreie der Wachleute, das Betteln des unglücklichen Badbesitzers, sie mögen doch endlich aus dem Wasser kommen, und das Scheppern der Rüstungen, als die ersten, die dem Bad gerade entstiegen waren, unbeholfen wieder in das Becken zurückfielen. Überlagert wurde das Ganze jedoch von dem schrillen Bellen und gierigen Jaulen der Hunde, die japsend und kläffend hinter Abbefaria her rannten.

Der Druide fand keine Zeit mehr, nach seiner Kleidung zu suchen, denn der erste Hund war bereits heran und schnappte nach seinen Hinterläufen. Er wich mit einer geschickten Drehung aus und wurde gleich darauf unsanft daran erinnert, dass er gerade erst eine Verletzung auskuriert hatte, als sich sein Bein protestierend zu Wort meldete. Er biss die Zähne zusammen und ignorierte den Schmerz. Mit einem gewaltigen Sprung setzte er über die Hunde hinweg, schlitterte um eine Ecke und jagte in einem schnellen Spurt durch die rettende Tür.

Draußen musste er zunächst die Augen zukneifen, so hell blendete ihn die Mittagssonne. Spitze Schreie und erschrockene Rufe um ihn herum ließen darauf schließen, dass er nicht unbemerkt geblieben war. So schnell ihn seine Pfoten trugen, fegte er die Straße entlang. Er schlüpfte zwischen Beinen und Röcken hindurch, sprang über Tische und Bänke, jagte Hühner und Schafe gackernd und blökend davon. Doch immer noch hörte er hinter sich das Bellen und Jaulen der geifernden Hunde, die mitnichten seine Spur verloren hatten.

Vor ihm tauchte jetzt der Marktplatz voller Menschen auf. Entweder er würde hier in eine Falle laufen oder es gelang ihm endlich, die Verfolger abzuschütteln.
 

Die Pfoten der großen Raubkatze trommelten auf das Pflaster, kletterten an einem Kistenstapel empor und stürzten sich mit einem gestreckten Sprung in das Getümmel. Es war, als wäre ein kleiner Wirbelwind zwischen die Ständen gekommen. Menschen sprangen zur Seite und sahen dem dunklen Schatten verwundert nach. Kurz darauf wurden sie von einer bellenden, tobenden Hundemeute überrannt. Von überall her schienen die Tiere herbei zu strömen und anstatt den Verfolgern zu entkommen, waren nun mehr Hunde als zuvor hinter dem Druiden in Katzengestalt her.

Abbefaria mühte sich nach Kräften, schlug Haken, sprang über Stände, Käfige und Körbe. Er wich immer wieder den zuschnappenden Kiefern der Hunde aus und versuchte gleichzeitig, so wenig der Marktwaren zu beschädigen wie möglich. Ein Unterfangen, dass sich als hoffnungslos erwies, denn alles, was der Druide verfehlte, erwischten die Hunde umso brachialer.

Obst und Gemüse verteilten sich auf dem Boden, Töpfe und Krüge gingen zu Bruch, ein ganzer Wagen mit Eiern geriet ins Wanken, als Abbefarias von seiner Deichsel auf das Dach eines Marktstandes sprang, und kam nur deswegen nicht zu Fall, weil ein wild gewordenes Pferd einen eilig herbei springenden Stallburschen von der anderen Seite gegen den Wagen schleuderte. Bunte Stoffbahnen bedeckten eine Flut von Würsten und geräucherten Schinken, frisch gefangene Fische flogen durch die Luft und dekorierten die Blumengestecke eines unglücklichen Händlers in nie da gewesener Weise. Ein Bader, der seinen Stand an einer Ecke des Marktes hatte, konnte sich nur noch mit einem beherzten Sprung in Sicherheit bringen, bevor sich eine Kaskade von Seifen, Duftwässern und Rasierschaum über die irr gewordenen Tiere ergoss und ein Milchmädchen nahm aufgrund der heranrasenden Tiere schreiend Reißaus und beschloss spontan, sich zur Armee zu melden um in Zukunft Untote in den Östlichen Pestländern zu bekämpfen, da ihr dieses Unternehmen ungefährlicher erschien.

Als der Marktplatz schließlich einem gewaltigen Schlachtfeld glich, erkannte der Druide endlich, dass er hier nicht entkommen würde, und trat die Flucht in einen anderen Stadtteil an.
 

Viele der Hunde hatten sich bereits von dem Durcheinander an Köstlichkeiten am Boden ablenken lassen, doch die zwei Wachhunde konnte nichts von ihrer Jagdbeute abbringen. Zu ihnen hatten sich zwei der fiesesten und struppigsten Straßenköter von Stormwind und ein sehniger Vorstehhund gesellt, der seinem Herren die Leine aus der Hand gerissen und sich ebenfalls ins Abenteuer gestürzt hatte. Zusammen verfolgten sie die riesige Katze nun über eine Brücke und holten langsam auf.

Zu spät erkannte Abbefaria, dass sein Plan, die Hunde auf offener Strecke hinter sich lassen zu können, ein Trugschluss gewesen war. Sein Bein schmerzte immer mehr und auch wenn er in dem Viertel, in das er sich jetzt geflüchtet hatte, nicht mehr so viel Schaden anrichten konnte, so würden seine Kräfte jedoch bald versiegen. Er musste endlich einen Ausweg finden.

Das Blut rauschte in seinen Ohren und die Schmerzen in seinem Bein machten ein klares Denken fast unmöglich. Immer weiter rieben ihn seine tierischen Instinkte. Er flitzte jetzt einen grasbewachsenen Weg entlang, der sich leicht bergauf zwischen steinernen Gebäuden empor wand, die mit violetten Bannern geschmückt waren. Hinter sich hörte er das Jaulen und Kläffen der Hunde. Fenster und Türen wurden geöffnet, Bewohner traten heraus und sahen nach, was das Spektakel vor ihren Häusern zu bedeuten hatte. Doch Abbefaria hatte kein Auge für sie. Er jagte zwischen den verwinkelten Gassen mit ihren Bäumen und Büschen entlang und wünschte sich sehnlichst irgendjemand würde die Hunde endlich aufhalten.

Er stob zwischen drei Frauen in langen Gewändern hindurch, ließ einen hohen Turm zu seiner Rechten liegen und preschte weiter durch einen engen Durchgang. Schon hörte er, wie das Gebell der Hunde hinter sich leiser wurde, dann rammte er wie vom Blitz getroffen die Pfoten tief in den weichen Boden. Vor ihm türmten sich steinerne Gebäude bis zum Himmel. Er war in eine Sackgasse geraten.
 

Panisch sah er sich um und entdeckte dann, dass er sich geirrt hatte. Zwischen zwei Häusern hinter ihm ging die gewundene Straße weiter. Er wollte sich schon hinein stürzen, als in dem schmalen Durchgang die zwei Wachhunde auftauchten. Er wirbelte auf dem Pfotenabsatz herum und wollte den Weg zurück laufen, den er gekommen war, als dort die restlichen Verfolger auftauchten. Knurrend und zähnefletschend standen sie da und versperrten ihm den Ausgang. Mit einem oder zweien wäre Abbefaria vielleicht fertig geworden, doch gleich fünf geifernde, mordlustige Bestien würde er in seinem Zustand nicht mehr bewältigen. Vorsichtig setzte er Pfote um Pfote rückwärts, bis er mit dem Hintern an einen Brunnen stieß, der auf der Mitte des kleinen Platzes stand. Jetzt saß er endgültig in der Falle.

Kaum hatte er das gedacht, stürmten alle Hunde wie auf ein geheimes Zeichen hin auf ihn los. In Windeseile kletterte er unter Einsatz seiner Krallen an dem hölzernen Brunnengestell empor und setzte zu einem gewaltigen Sprung an. Die Angst verlieh ihm förmlich Flügel, er streckte sich im Flug und landete mit knapper Not auf den unteren Ästen eines nahe stehenden Baumes. Einen Moment lang baumelte sein langer Schwanz noch herab, doch dann hievte er sein Hinterteil endgültig auf den Baum und verhinderte damit, dass der Vorstehhund ihm ein neues Muster in sein verlängertes Rückgrat biss. So saß Abbefaria nun auf einem Baum, während unter ihm die fünf Hunde ein ohrenbetäubendes Gebell anstimmten. Wie lange würde es wohl dauern, bis jemand kam und ihn hier fand?
 


 


 

Immer wieder musste Abumoaham sich beherrschen nicht wieder in Richtung der Sukkubus zu blicken. Eigentlich fiel ihm das nicht besonders schwer, doch der Dämon kokettierte mit seinen Reizen, warf sich in Pose und schnalzte, wann immer es ging, mit der Zunge um wieder auf sich aufmerksam zu machen. Zudem war dem Magier auch die andere Blickrichtung so gut wie versperrt, denn dort probierte Magenta gerade sein Geschenk an. So verbrachte er die Wartezeit damit, die Balken an der hölzernen Decke zu bewundern und leise vor sich hinzusummen. Schließlich erlöste die Hexenmeisterin ihn mit einem endgültig: „So, fertig.“

Gespannt drehte Abumoaham sich herum und war begeistert von dem, was er sah. Seine Magenta trug eine wunderschöne Robe, die er selbst ausgesucht hatte. Sie war weiß und rot, hatte üppige, goldene und silberne Verzierungen und hatte ein kleines Vermögen gekostete. Aber er wollte, dass Magenta glücklich war und dass sie wusste, wie sehr er sie mochte. Er störte sich nicht daran, dass sie eine Hexenmeisterin war oder dass sie versuchte Geheimnisse vor ihm zu haben. Er hatte selbst dunkle Zeiten in seiner Laufbahn gehabt, in denen er den Verlockungen der Macht beinahe erlegen war. Sie waren sich in vielem so ähnlich, dass er beinahe glaubte, ihre Gedanken lesen zu können.
 

Magenta an sich herab und seufzt innerlich Sie sah erwachsen aus, gerade zu königlich, wie eine große Dame…und doch überlegte sie fieberhaft, wie sie Abumoaham möglichst schonend beibringen konnte, dass diese Robe so überhaupt nicht nach ihrem Geschmack war. Sie war zu auffällig, zu bunt, zu grell und überhaupt hatte sie wahrscheinlich eine Unmenge Gold gekostet. Magenta hatte das Gefühl, sie könne nicht atmen in dem hochgeschlossenen Kragen und die feinen Spitzen schienen sich immer enger um ihren Hals zu ziehen. Sie zupfte an dem teuren Stoff herum und konnte leider nicht den geringsten Makel daran entdecken. Die Robe war perfekt und saß, als wäre sie eigens für sie angefertigt worden. Magenta gab sich einen Ruck und strahlte Abumoaham, so gut es ging, an.

„Sie ist wirklich schön.“, sagte sie. „Viel besser als meine alte.“

„Nicht wahr?“, lächelte der Magier zufrieden. „Ich gesehen und gleich an dich gedacht. Du schönste Frau und schönste Frau soll haben beste Kleid.“

Ein ordinäres Lachen erklang aus der Richtung der Sukkubus. „Ich würde sagen, ein Mann wüsste die Reize einer Frau besser zu schätzen, je weniger die verhüllt sind, wenn Ihr wisst, wovon ich rede.“

Der Dämon trat mit wiegenden Hüften auf den auf dem Bett sitzenden Magier zu und beugte sich in einer lasziven Geste nach vorn. „Und wenn ihr es nicht wisst, könnte ich es euch zeigen.“

„Ich habe gesagt, du sollst dich nicht rühren.“, giftete Magenta und schoss auf die Sukkubus zu. Diese neigte den Kopf und schlug in einer scheinbar ergebenen Geste die Augen nieder.

„Wie die Meisterin befiehlt.“, hauchte sie und warf dabei glühende Blicke in Abumoahams Richtung. „Aber ich könnte Euch von weit größerem Nutzen sein, als ihr denkt. Ihr müsstet mir nur vertrauen…“

„Ich könnte mir auch ein Loch ins Knie bohren und heißen Sirup hindurch gießen.“, gab Magenta hitzig zurück.

„Das würde ich gern sehen.“, gurrte die Sukkubus. „Eure Schreie wäre Musik in meinen Ohren.“

Wütend sprang Magenta wieder auf und wollte der Sukkubus möglichst viel Schmerzen zufügen. Die Wut vernebelte ihre Gedanken und sie dachte nur daran, irgendwem weh zu tun. Da legten sich sanfte Arme um ihre Hüfte und Abumoaham zog sie in eine feste Umarmung. Zitternd ließ Magenta es geschehen und atmete bewusst, bis sich ihr Herzschlag wieder beruhigte. Sie hatte doch gelesen, dass sich Sukkubi von den Gefühlen der Menschen nährten und sich an ihrem Leid ergötzten. Wenn sie es nicht schaffte, ihrer eigenen Sukkubus mit diesem Wissen zu widerstehen, wie sollte sie da je eine große Hexenmeisterin werden?

Von Selbstzweifeln geplagt schloss Magenta die Augen und lehnte sich an Abumoahams Brust. Hier fühlte sie sich beschützt und geborgen. Was machte es da schon, dass er einen merkwürdigen Geschmack in Bezug auf Kleidung hatte? Er war ein stattlicher, charmanter Mann, er war witzig und vom Grunde seines Herzens auf gut. Sie konnte sich glücklich schätzen, dass er sich ausgerechnet für sie entschieden hatte.

Gefasst drehte Magenta sich wieder zu der Sukkubus herum, die sich gerade in einer irritierend beiläufigen Geste über den Spalt zwischen ihren Brüsten strich. Die Hexenmeisterin ignorierte dieses Gehabe gekonnt.

„Ich befehle dir, mir auf´s Wort zu gehorchen.“, sagte sie mit fester Stimme. „Du wirst nichts tun, bevor ich dir vorher die Erlaubnis dazu gegeben habe. Und du wirst aufhören, Abu in irgendeiner Weise anzusehen, anzufassen oder auch nur daran zu denken, eines davon zu tun. Verstanden?“

Die Sukkubus hob den Kopf und schien darüber nachzudenken, ob sie mit diesen Bedingungen einverstanden war. Dann nickte sie und zum ersten Mal hatte Magenta das Gefühl, dass sie tatsächlich akzeptiert hatte, dass Magenta ihre Meisterin war. Doch Magenta wusste, dass sie sehr vorsichtig sein musste, denn sonst würde der gerissene Dämon ihr irgendwann in den Rücken fallen.

Seufzend lehnte Magenta sich wieder an den Magier an ihrer Seite und genoss das Gefühl der Vertrautheit, als ein lautes Geräusch von draußen hereindrang. Es klang, als würde eine Meute Hunde ein armes, unschuldiges Tier hetzen. Man hörte ein lautes Fauchen und dann ein schmerzerfülltes Jaulen. Erschrocken sprang Magenta auf und sah zum Fenster.

„Da ist eine Katze.“, rief sie und griff nach Abumoahams Hand. „Komm, wir müssen ihr helfen.“

Schnell stürzte Magenta nach draußen und zog dabei den verdutzten Magier hinter sich her. Zurück blieb die völlig vergessene Sukkubus, die mit einem hintergründigen Grinsen nach ihrer Peitsche griff und langsam auf die offen stehende Tür zu schlenderte.

„Ich glaube nicht, dass die Meisterin bei ihrer Aufforderung, ihr zu folgen, einen Namen genannt hat.“, schnurrte sie. „Also werde ich tun, was sie gesagt hat. Das wird ein Spaß.“
 


 


 

Easygoing warf seinem Cousin einen bösen Blick zu. „Ich glaube das jetzt ja nicht. Ich gehe wirklich zu diesem Badehaus zurück, nur weil du ein schlechtes Gefühl hast? Ohne vorher etwas zu essen? Ich muss verrückt sein.“

„Nicht verrückt, nur loyal.“, berichtigte ihn Ceredrian. „Irgendwas stimmt hier nicht. Abbe hätte schon längst zu uns aufschließen sollen. Dass er nicht da ist, ist kein gutes Zeichen.“

„Wahrscheinlich ist er im Wasser eingeschlafen.“, knurrte Easygoing böse. „Oder er humpelt noch durch die Straßen und hat sich einfach nur verlaufen.“

Ceredrian schüttelte insgeheim den Kopf über seinen Cousin. Er wusste, dass der große Druide sich ebenso Sorgen machte wie er, nur würde er diesen Umstand nur unter Androhung schärfster Folter zugeben und vielleicht noch nicht einmal dann. Doch allein die Tatsache, dass er Ceredrian gefolgt war, bewies, wie Recht der Priester mit seiner Einschätzung hatte.
 

Als sie in die Straße einbogen, in der das Badehaus lag, konnten sie schon von weitem erkennen, dass hier etwas passiert sein musste. Mehrere Wachen standen vor dem Haus herum, einige von ihnen tropfnass, und auf dem Weg, der zum Marktplatz führte, herrschte ein heilloses Durcheinander. Easygoing blieb stehen und trat näher an eine Hauswand heran. Mit einer entschlossenen Geste befahl er Ceredrian, dasselbe zu tun.

„Sieht so aus, als hätte sich unser Freund mal wieder in Schwierigkeiten gebracht.“, brummte Easygoing leise. „Ich sehe mir mal an, was da los ist.“

Der Druide murmelte eine Formel und stand binnen Sekunden als große Raubkatze vor seinem Freund. Auf leisen Pfoten und gut getarnt durch einen speziellen Zauber, der ihn in dieser Gestalt vor neugierigen Blicken schützte, schlich er im Schatten der Häuser näher an die Wachen heran. Neben einem großen Steinlöwen angekommen, duckte er sich hinter das steinerne Pendant und spitzte die Ohren.
 

„Wir sollten sehen, dass wir von hier verschwinden, Bertram.“, sagte einer der Wache gerade zu demjenigen, der seinem Auftreten nach der Anführer der Fünf war. „Wenn jemand herausbekommt, dass wir für dieses Chaos verantwortlich sind…“

„Ach was.“, schnitt ihm der klatschnasse Mann das Wort ab. „Wir hatten gutes Recht anzunehmen, dass der Elf etwas mit der Sache zu tun hatte. Dass er uns angegriffen hat, macht ihn nur umso verdächtiger. Habt ihr etwas bei seinen Sachen finden können?“

Mit schreckgeweiteten Augen erkannte Easygoing, dass der Mensch Abbefarias Habseligkeiten in Händen hielt. Inständig betete der Druide, dass sie den Anhänger nicht gefunden hatte. Doch offensichtlich war den dummen Menschen dieser Schatz verborgen geblieben, denn der Angesprochene schüttelte den Kopf und warf die Sachen achtlos vor sich auf den Boden.

„Nein, es war nichts besonders darunter. Ein wenig Geld, aber nur noch wenig, ein paar Stiefel, eine lederne Hose und Hemd. Den eingebrannten Zeichen nach alles bei hiesigen Händlern erworben. Gold oder sonstige Wertsachen waren nicht dabei.“

„Gut.“, sagte der Anführer. „Versenkt alles in einem der Kanäle. Soll der Elf, sollte er es wagen zurückzukommen, doch danach suchen. Wenn euch jemand fragt, waren wir über Mittag im Zwergenviertel. Ich werde dafür sorgen, dass der Wirt des dortigen Gasthauses sich an uns erinnert.“

Die Männer nickten und zerstreuten sich in verschiedene Richtungen. Easygoing versuchte noch, demjenigen zu folgen, der Abbefarias Sachen an sich genommen hatte, doch er musste einem Fuhrwerk ausweichen, dass fast die gesamte Breite der schmalen Straße einnahmen, und als er sich wieder frei bewegen konnte, war der Mann verschwunden.

Frustriert löste Easygoing seine Tarnung und wollte sich schon zurückverwandeln als er leichte Schritte hinter sich über das Pflaster trippeln hörte. Blitzschnell fuhr er herum und sah in die erstaunten Gesichter zweier Kinder. Er hatte keine Ahnung, wie alt sie waren, aber seiner Einschätzung nach konnten sie noch nicht sehr viele Sommer erlebt haben.

Der Junge zog die Nase hoch und streckte einen Zeigefinder aus, der schon in einem saubereren Zustand gewesen sein musste. „Guck mal, Donna, die Katze.“

„Das ist die, der die Hunde vorhin nachgelaufen sind.“, erklärte das Mädchen mit den flachsblonden Haaren altklug. „Ich erkenn ihre Ohren.“

„Nee.“, sagte der Junge fachmännisch. „Die da ist dicker.“

Easygoing knurrte. Dir geb ich gleich dicker, du Rotzlöffel. Da hört sich doch alles auf.

„Hör auf, William. Jetzt hast du die Mietze böse gemacht.“, sagte das Mädchen. „Vielleicht hat sie ja Hunger.“

Gutes Kind, dachte der Druide, doch dann fiel ihm ein, dass er jetzt Wichtigeres zu tun hatte, als seinen knurrenden Magen zu füllen. Er musste diesen Anhänger finden, sonst wäre ihre gesamte Reise umsonst gewesen. Da fiel sein Blick auf den Hals des Mädchen und er erstarrte. Dort baumelten die beiden Teile des Anhängers an einem Lederband. Einen Moment lang überlegte er, dem Kind die kostbare Halskette einfach abzunehmen, doch er fürchtete, ihr dabei auch gleich noch den dünnen Hals zu brechen. Es musste eine andere Lösung geben.

„Komm mit.“, rief das Mädchen und winkte Easygoing. „Ich gebe dir ein bisschen Milch.“

Easygoing verdrehte die Augen. Immerhin war er eine stattliche Raubkatze. Wie konnten diese Kinder annehmen, er sein ein zahmes Hautier? Andererseits hatte dieser Trick schon einmal sehr gut funktioniert. Er setzte die freundlichste Miene auf, die ihm in seiner Katzengestalt gelingen wollte, und versuchte sich an einem Schnurren. Es klag wie ein fernes Gewitter. Auf samtenen Pfoten folgte er den beiden Trägern des so lange gesuchten Schatzes und hoffte auf eine günstige Gelegenheit, den Anhänger wieder an sich zu bringen.
 


 


 

So schnell sie ihre Füße trugen, stürzte Magenta die Treppe des Gasthauses hinunter und aus der Tür. Dort unter einem Baum lauerte eine ganze Rotte von Hunden aller Couleur und bellten und blafften etwas an, dass sich in die Krone eines alten Baumes zurückgezogen hatte. Wütend fuhr Magenta die Hunde an und wedelte mit den Armen

„Macht, dass ihr hier wegkommt! Los, verschwindet! Ab nach hause!“

Zwei der Hunde traten tatsächlich den Rückzug an, doch der Rest machte keinerlei Anstalten, sich vom Fleck zu bewegen. Kurzentschlossen fasste Magenta nach dem Halsband eines Hundes und wollte ihn von dem Baum wegziehen, als dieser warnend die Lefzen hochzog und zu knurren begann. Schlagartig schlugen sich auch die anderen zwei Hunde auf seine Seite und stellten sich jetzt gegen Magenta. Angesichts der Massen an Zähnen und gesträubten Nackenhaaren machte die junge Hexenmeisterin einen Schritt rückwärts. Sofort setzte ihr einer der Hunde nach und schnappte nach ihren Händen. Er bezahlte seinen Ausfall mit einem schmerzhaften Schlag auf die Schnauze. Jaulend zog er sich zurück und knurrte wütend die Verursacherin des Schmerzes an, der seine empfindliche Nase in Brand gesetzt hatte.
 

„Fierneth?“, japste Magenta überrascht, doch die Sukkubus beachtete sie gar nicht. Sie war viel zu sehr damit beschäftigt, mit ihrer Peitsche die Hunde zu traktieren, deren wütendes Bellen schnell zu einem schmerzerfülltem Winseln wurde. Immer wieder fuhr die lederne Peitschenschnur auf behaarte Rücken, Ohren und Schwänze nieder, bis die Hunde schließlich Reißaus nahmen. Die Sukkubus spreizte angriffslustig die Flügel und wollte ihnen nacheilen, als Magenta sie wieder zurückrief. Mit geschürzten Lippen stand die Sukkubus kurz darauf vor ihrer Herrin.

„Ich dachte, ich hätte dir gesagt, du sollst im Haus bleiben.“, wetterte Magenta. „Ich wäre schon mit den Viechern fertig geworden. Was hast du dir denn dabei gedacht?“

Die Sukkubus blieb eine Antwort schuldig und betrachtete teilnahmslos ihre Fingernägel.

Magenta schnaubte frustriert. „Also schön. Ich gebe auf. Für heute will ich dich nicht mehr sehen.“ Sie murmelte die Entlassungsformel.

„Vermisst mich nicht zu sehr.“, gurrte die Sukkubus noch mit einem glühenden Blick in Abumoahams Richtung, dann verging ihre Subtanze und nur die lederne Peitsche blieb zurück. Seufzend hob Magenta sie auf und steckte sie in die Tasche. Neugierig wandte sie sich zu dem Baum um und spähte hinauf zu der Katze.

„Na komm herunter, Liebes, ich tu dir doch nichts.“, lockte sie.

Als Antwort erklang ein aggressives Fauchen etwas knackte und knirschte und ein langer Schatten flog von dem Baum herunter direkt auf Magenta zu. Die Hexenmeisterin reagierte instinktiv, und hob den Arm um ihr Gesicht zu schützen. Lange Krallen bohrten sich hinein und sie hörten den Stoff der neuen Robe reißen.

Ein scharfer Schmerz durchzuckte Magenta und sie schrie auf, doch noch bevor sie einen Zauber zur Abwehr aussprechen konnte, erklang Abumoahams Stimme hinter ihr. Binnen Sekunden überzog eine knisternde Eisschicht das gewaltige Tier, das sich vor Magenta zum Sprung geduckt hatte. Hastig kroch die Hexenmeisterin rückwärts und blickte ängstlich zu der großen Katze die nun in einen Eisblock gebannt vor ihr kauerte. Sie hatte eine eigenartig violettschwarzes Fell, Krallen, sie so lang waren wie Magentas ganze Hand, rasiermesserscharfe Zähne und seltsam leuchtende Augen, die Magenta an irgendetwas erinnerten.

„Du in Ordnung?“, fragte Abumoaham besorgt und kniete sich neben Magenta. Mit behutsamen Gesten untersuchte er die Wunde an ihrem Arm.

„Das nicht sein tiefe Wunde.“, urteilte er. „Du gehabt großes Glück.“

„Ja, das hatte ich wohl.“, sagte Magenta und warf der eingeeisten Katze einen langen Blick zu. „Nur, was machen wir jetzt mit ihr?“

„Wir rufen Wachen.“, sagte der Magier und half der Hexenmeisterin auf. „Sie wahrscheinlich am besten wissen, was zu tun hier.“

„Seht mal, wer wieder hier ist!“, erklang da plötzlich eine bekannte, weibliche Stimme und wie auf ein Kommando drehten Magenta und Abumoaham sich zu der Sprecherin um, die begleitet von mehreren Personen auf den Platz vor dem Geschlachteten Lamm getreten war..

„Das sein ja Überraschung.“, rief Abumoaham und breitete die Arme aus, um die Neunankömmlinge zu begrüßen.
 


 


 

Geduldig wartete Easygoing ab, bis das Gespräch vor ihm beendet war und die Kette mit dem wertvollen Anhänger den Besitzer gewachselt hatte. Dabei gähnte er ausgiebig und streckte sich, so wie es eine ganze normale Katze getan hätte. Er ertrug geduldig, die patschenden Hände, die ihm noch einmal über den Kopf streichelten und blickte dann den beiden kleinen Menschen nach, die um einen Puppe und eine Holzpferd reicher von dannen eilten. Erst dann sah er zu dem weißhaarigen Nachtelfen auf, der ihn vorwurfsvoll anfunkelte.

„Was hast du dir nur dabei gedacht.“, schimpfte Ceredrian und wies auf die beiden Kinder, mit denen er so eben die Anhänger gegen Spielzeug getauscht hatte. „Wolltest du etwa mit den beiden nach hause gehen, die eine Spitzenhäubchen aufsetzen lassen und Vater-Mutter-Kind mit ihnen spielen? Warum hast du dich nicht einfach zurückverwandelt und sie nach der Kette gefragt.“

Easygoing schlüpfte aus seine Katzengestalt und maulte beleidigt: „Ich kann eben nicht denken, wenn ich Hunger habe. Außerdem kannst du dich wieder beruhigen, wir haben sie doch wieder. Jetzt müssen wir nur noch Abbe finden und alles ist geritzt.“

„Was nicht unbedingt dein Verdienst ist.“, zeterte Ceredrian weiter. „Immerhin habe ich die ältere Dame überredet, dem Wachmann Abbefarias Sachen wieder abzukaufen. Und ich war es auch, der euch euren kostbaren Anhänger wiederbeschafft hat. Wenn du nur nicht immer so mit dem Kopf durch die Wand wollen würdest.“

„Wenn du nicht immer so viel quatschen würdest, hätten wir schon den halben Weg zum Magierviertel hinter uns.“, konterte Easygoing ohne mit der Wimper zu zucken. „Also komm jetzt.“

Seufzend folgte der Priester seinen Freund und warf dabei ein paar vorüberflanierenden Damen eine Kusshand zu, die sich daraufhin kichernd abwendeten und tuschelnd die Köpfe zusammen steckten. Immerhin konnte man gut das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden fand er. Und vielleicht bekam er ja tatsächlich noch Gelegenheit seinen Charme unter Beweis zu stellen und das nicht nur, um Kinder und alte Frauen zum umgarnen. Mit diesem Gedanken im Kopf und einen vorfreudigen Lächeln auf den Lippen folgte er dem ungeduldigen Druiden, der bereits die Brücke über den nächsten Kanal überquert hatte.
 


 


 

Völlig fassungslos beobachtet Magenta, wie Abumoaham zunächst Risingsun und dann auch den Rest der heimgekehrten Freunde in die Arme schloss. Die vier Abenteurer wirkten ein wenig müde, schienen aber unverletzt und glücklich wieder zu hause zu sein. Irgendwie schienen sie während Magentas Abwesenheit alle eine Vorliebe für hohe Stiefel, Pumphosen und weite Hemden mit tiefem Ausschnitt entwickelt zu haben. Risingsun sah geradezu atemberaubend darin aus, Bladewarrior wie ein stattlicher Pirat und Schakal wie ein finsterer Seeräuber. Einzig Emanuelle hatte auf diese Ausstattung verzichtet und trug stattdessen einen breitkrempigen, dreieckigen Hut mit einem Totenkopf-Symbol.

Als die Gnomin Magenta sah, winkte sie heftig. „Hey, Magenta! Ich kann jetzt auch Portale machen. Und schau mal, was wir dir aus Booty Bay mitgebracht haben.“

Mit diesen Worten zog sie einen Käfig hervor, in dem einen etwas mitgenommen wirkender Papagei saß. Als er Magenta erblickte, reckte er die Flügel und krähte: „Leichtmatrose!“

„Siehst du, er kann sogar sprechen.“, freute sie Emanuelle. „Weil wir doch deine Katze verloren haben. Das müssen wir dir erzählen… Aber was ist mit deinem Arm?“

Bei dem Wort „Katze“ fiel Magenta siedendheiß ein, dass sie vor dem Auftauchen ihrer Freunde ein weitaus dringlicheres Problem gehabt hatten, als ein neues Haustier für sie. Ein wenig mitleidig sah sie zu der Raubkatze hinüber, die immer noch in der nur langsam schmelzenden Eishülle gefangen saß.

„Wir hatten kleine Zwischenfall mit große Katze dort drüben.“, erklärte Abumoaham eifrig. „Wir sie gerettet, aber sie nicht sehr dankbar und hat verletzt Magenta. Ich unschädlich gemacht für Weile. Aber nun wir müssen finden andere Lösung bald.“

„Ich denke, ich habe da schon eine Idee.“, lächelte Risingsun und zog ihre Waffe.
 


 


 

Fieberhaft überlegte Abbefaria, was er jetzt tun sollte. Die rothaarige Frau, die ganz offensichtlich mit dunklen Mächten im Bunde stand, hatte ihn wahrscheinlich gerettet. Andererseits hatte sie sich dazu Mitteln bedient, die Abbefaria weder dulden noch gutheißen konnte. Bei der Erinnerung an die Dämonin, die ganz offensichtlich unter dem Befehl der Frau stand, liefen ihm immer noch heißkalte Schauer den Rücken herunter. Aber verletzten hatte er sie auch nicht wollen. Im Grunde genommen war er noch nicht einmal Schuld an dem, was passiert war. Der Ast unter ihm war genau in dem Moment gebrochen, als sie sich unter ihn gestellt hatte. Erschrocken hatte er versucht auf seinen Füßen zu landen und hatte dabei seine Krallen ausgefahren. Und jetzt steckte er hier in dieser Eishülle fest…

Er wusste, dass es ihm ein Leichtes gewesen wäre. Aus dem Gefängnis zu entkommen, wenn er ich nur zurückverwandelt hätte. Allerdings gab es dabei ein Problem: Er hatte keine Kleider an und nicht die geringste Absicht, sich hier nackt vor den Fremden zu präsentieren. Zumal jetzt noch mehr Leute ankamen. So harrte er aus und versuchte, so gut es ging, das Wasser zu ignorieren, das ihm in die Ohren lief.

Jetzt blickten alle Anwesenden zum ihm herüber und der Mann, der offensichtlich der Ehemann oder Geliebte der ersten Frau war, erklärte anscheinend, was vorgefallen war. Innerlich machte Abbefaria sich dazu bereit, erneut zu flüchten, sobald die eisigen Fesseln es zuließen. Da trat die schöne Frau, mit den langen, blonden Haaren zu ihm vor, kniete sich vor ihn hin und musterte ihn interessiert. Der Druide konnte nicht verhindern, dass sich sein Blick von ihren blauen Augen zu tieferen Regionen ihres Körpers bewegte, die sich so vortrefflich in seiner Sichthöhe befanden. Gefesselt von diesem Anblick vergaß er fast, dass er ein Gefangener war und immer noch unter Verdacht stand, ein gefährliches Wildtier zu sein.

„Also für mich sieht er nicht besonders gefährlich aus.“, hörte er ihre liebliche Stimme, die durch das Eis um seine Ohren leicht gedämpft klang. Auch die Tatsache, dass sie jetzt mit einem gewaltigen Hammer ausholte und genau auf ihn zielte, konnte Abbefaria nicht von seiner Ansicht abbringen, er müsse so eben einem göttlichen Wesen begegnet sein, dass sich nur aus reiner Herzensgüte in einer derart schöne Gestalt gehüllt hatte, um ihn zu erfreuen. Dann traf der Hammer sein Ziel.
 


 


 

„Du hast ihn getötet!“, rief Magenta entsetzt und lief eilig zu der bewusstlos am Boden liegenden Katze. Sie versuchte, irgendwo an der Pfote einen Pulsschlag zu fühlen, hatte aber keine Ahnung, ob das bei Katzen überhaupt ging. Vorwurfsvoll sah sie zu Risingsun auf.

„Ihm ist nichts passiert.“, beruhigte die Paladina die junge Hexe und schulterte ihren Hammer. „Er wird gleich wieder aufwachen, bis dahin sollten wir ihn vielleicht gefesselt haben, damit wir ihn ungefährdet in den Wald bringen und freilassen können. Oder aber wir lassen ihn von Emanuelle in ein Schwein verwandeln. Das ist bestimmt am unauffälligsten.“

„Das wird euch nur schwer gelingen.“, mischte sich da plötzlich ein Fremder ein, der von allen unbemerkt au einer Seitengasse aufgetaucht war und nun mit festen Schritten auf sie zu kam. Es handelte sich um einen Nachtelfen mit langen, dunkelblauen Zöpfen und einer wilden, kriegerischen Ausstrahlung. Er wurde von einem etwas kleineren Vertreter seiner Rasse begleitet, der allerdings immer noch eine halbe Handbreit größer war als Bladewarrior und mit einem gewinnenden Lächeln in die Runde blickte. Dieser Nachtelf trat nun vor und deutet eine Verbeugung an.

„Was mein ungestümer Cousin sagen will, ist, dass es sich bei dieser Katze um einen Freund von uns handelt.“, erklärte er immer noch lächelnd und mit einem Akzent, der Magenta irgendwie bekannt vorkam. „In seiner derzeitigen Gestalt ist es ihm nicht möglich, mit Euch zu sprechen. Ich bin jedoch sicher, dass wir alle Missverständnisse ausräumen können, wenn er aufwacht.“

„Außerdem könnt ihr ihn nicht verwandeln, wenn er eine Katze ist.“, brummte der größere Nachtelf. „Das wollte ich eigentlich sagen.“

Risingsun kniff die Augen zusammen, stemmte die Hand in die Hüfte und sah damit einfach hinreißen verwegen aus. „Ihr meint also, dass nasse Fellbündel dort ist einer von Euch?“

„Genau richtig.“, bestätigte der freundliche Nachtelf mit dem Pferdeschwanz lächelnd. „Mir scheint, dass in Euren hübschen Kopf auch ein wacher Geist wohnt.“

Geschmeichelt strich sich Risingsun die goldene Haarpracht zurück und antwortete mit einem kleinen Seitenblick auf Bladewarrior. „Wie schön, wenn ein Mann das zu würdigen weiß.“

Der Krieger, der diesen Seitenhieb offensichtlich nicht verstanden hatte, schob sich jetzt zwischen die Paladina und den weißhaarigen Nachtelf. „Und wer seid Ihr, wenn ich mal fragen darf?“

Der große Nachtelf, der sich anscheinend ignoriert vorkam, drängte sich noch vor seinen Kameraden, so dass er jetzt fast Nase an Nase mit Bladewarrior stand, nur dass er diesem um etwas über eine Kopflange überragte.

„Mein Name ist Easygoing, dass ist Ceredrian und unser Freund dort hinten heißt Abbefaria.“, grollte er. „Und Ihr seid?“

Bevor sich noch ein ernsthafter Streit zwischen den beiden Kampfhähnen ergeben konnte, klatschte Abumoaham eilfertig in die Hände.

„Wir doch alle Freunde.“, rief er. „Nachtelfen, Gnome, Zwerge, Menschen. Alle sein Mitglieder von Allianz. Wir uns vielleicht besser beruhigen, weil alles nur großes Missverständnis.“

Ceredrian nickte dem Magier anerkennend zu. „Gut gesprochen, Freund.“

„Dann ich vorschlagen, Euer Freund sich entschuldigen bei Magenta und wir alle zufrieden sein.“

„Das wird sicherlich machbar sein.“, nickte Ceredrian und wandte sich zu der großen Raubkatze um. Mit ein paar leisen Worten und ein wenig heilsamer Kraft holte er den Druiden wieder aus seiner Bewusstlosigkeit und erklärte ihm, was vorgefallen war. Aufmerksam hörte Abbefaria zu und maunzte dann protestierend. Ceredrian grinste, weil er ahnte, welche Bedenken sein Freund hatte und hielt ihm den Stapel mit seinen Kleidern hin.

„Nicht mehr ganz sauber, aber immerhin mehr als ein paar lose Blätter.“, lachte er.

Abbefaria sah ihn dankbar an, nahm die Kleider zwischen seine Zähne und verschwand um die nächste Ecke. Kurz darauf kehrte er in seiner Nachtelfengestalt wieder zu den andere zurück. Zögernd trat er neben seine Freunde.

„Das Langohr soll hinne machen, ich verhungere.“, murrte Schakal und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Wir haben nicht die Absicht, euch lange aufzuhalten, Zwerg“, knurrte Easygoing und ignorierte die warnenden Blicke Ceredrians. „Wir sollen doch nur wieder nach Darnassus zurück, wo es von Euresgleichen erfreulich wenige gibt.“

„Das ist ja das Schöne an den Allianzstädten in Lordaeron.“, giftete Schakal zurück. „Es gibt so erfreulich wenig Nachtelfen in ihnen.“

„Freunde!“, mahnte Abumoaham zum allgemeinen Frieden. „Wen Angelegenhit erledigt, ich Euch können machen Portal nach Darnassus. Wir gerade gekommen von dort.“

„Das ist sehr freundlich von Euch, das spart uns eine lange Reisezeit.“, erwiderte Ceredrian, noch bevor Easygoing das Angebot ablehnen könnte. „Abbe?“

Der Nachtelf trat vor und sah sich suchend nach Magenta um. Diese hatte sich inzwischen ganz klein gemacht und hoffte, dass man sie hinter dem Rücken ihres Vordermannes einfach übersehen würde. Ihr war nämlich inzwischen tatsächlich eingefallen, wo sie diese drei Nachtelfen schon einmal gesehen hatte. Das kam zwar aufgrund von Magentas schlechtem Personengedächtnis einer mittleren Glanzleistung nahe, war allerdings auch wiederum nicht besonders schwierig, wenn man bedachte, wie wenige dieser Wesen sie jetzt bereits getroffen hatte. Dies konnten nur die drei Nachtelfen sein, vor denen sie sich in Menethil schon so sehr blamiert hatte. Jetzt, wo sie darüber nachdachte, war sie sich sogar sehr sicher, dass es so war. Etwa ebenso sicher, wie sie jetzt wusste, dass Schakal sich nicht im Geringsten dazu eignete, sich hinter ihm zu verstecken.

„Los, Magenta, er wartet auf dich.“, rief Emanuelle, packte sie junge Hexenmeisterin am Rockzipfel und zerrte sie vor die anderen.

Fast trotzig trat Magenta zu der großen Gestalt mit den langen Ohren. Sie wusste gar nicht, wohin sie zuerst blicken sollte und hatte das sichere Gefühl, sich gleich übergeben zu müssen. Vor Angst, er würde sie wieder erkennen, wagte sie nicht, ihm ins Gesicht zu blicken. Ihr Blick glitt über die breiten Schultern, die muskulösen Arme und heftete sich schließlich an die hellen, ledernen Stiefel, die vor ihr im Gras standen. Zögernd wie ein Kind, das die Mutter gescholten hatte und nun dazu zwang, sich wieder mit dem zerstrittenen Freund zu vertragen, reichte sie ihm die Hand zur Versöhnung
 


 


 

Abbefaria fühlte sich ein wenig unbehaglich. Noch immer haftete der rothaarigen, jungen Frau diese Aura an, die der junge Druide auf ihren Kontakt mit Dämonen zurückführte. Der Gnomen-Hexenmeister Xârdas hatte eine ähnliche Ausstrahlung gehabt, wenngleich sie dort ausgeprägter gewesen war. Bei der Frau fühlte es sich eher wie ein leichtes Prickeln an, das sich noch steigerte, jetzt da sie vor ihm stand. Die Erinnerung an ein rotes Kleid blitzte in seiner Erinnerung auf, doch noch bevor er sie ergreifen konnte, kam Bewegung in sein Gegenüber.

Die Frau sah ihm nicht in die Augen, sondern hielt ihm lediglich ihren rechte Hand hin. Vermutlich erwartete sie, dass er jetzt darin einschlug und sie die Sache endlich hinter sich hatten. Sie schien wenig sich ebenso wenig für diese Art der Aussöhnung begeistern zu können wie er. Doch manchmal bedurfte es offensichtlich solch umständlicher Gesten, wenn die Völker Azeroths aufeinander trafen. Mit Bedauern sah Abbefaria die Kratzer, die er auf ihrem Arm hinterlassen hatte und fasste einen wagemutigen Entschluss.

Die junge Frau zuckte zusammen, als er ihren Arm ergriff und vorsichtig über die inzwischen verkrusteten Kratzer fuhr. Er murmelte einige Worte der Heilung und sogleich schlossen sich die Wunden, die zu seiner Erleichterung nicht besonders tief gewesen waren. Nichts als der zerrissene Ärmel ließ noch auf eine Verletzung schließen.

„Verzeiht.“, sagte er leise und ließ ihre Hand los.

Die Frau zog den Arm zu sich heran, als hätte sie sich verbrannt. Erstaunt fuhr sie über die unverletzte Haut, als könne sie nicht glauben, was sie sah.

„Es ist ja nichts passiert.“, antwortete sie schließlich auf seine Entschuldigung und rang sich zu einem schmalen Lächeln durch. „Seid das nächste Mal vorsichtiger, wenn ihr als Katze durch die Gegend schleicht Katzen und Hunde vertragen sich nicht besonders gut.“

„Ich werde daran denken.“, versprach der Druide höflich und drehte sich wieder zu seinen Freunden um. Dabei blieb sein bewundernder Blick noch einmal an der Paladina hängen, deren blondes Haar im goldenen Licht der Abendsonne glänzte, als habe Elune eine schöne, taghelle Schwester bekommen. Fasziniert stockte er in seiner Bewegung und ergötzte sich am Anblick ihres perfekten Körpers, bis Easygoing ihn schließlich anstieß.

„Komm jetzt.“, sagte der andere Druide. „Wir müssen los.“

Erst jetzt bemerkte Abbefaria das magische Portal, das sich vor ihnen geöffnet hatte und hinter dem schon Hallen des Tempels des Mondes erkennbar waren. Heimweh packte ihn plötzlich und er sehnte sich danach, endlich wieder durch die friedlichen Gassen von Darnassus zu wandeln. So folgte er Easygoing, der mit einem großen Schritt auf die andere Seite trat und somit aus Abbefarias Blickfeld verschwand.

Der Magier, der neben dem Portal stand und seine magischen Energien stabilisierte, zwinkerte dem jungen Druiden verschwörerisch zu und machte eine einladende Geste.

„Geht nur hindurch, Euch nichts passieren wird.“, sagte er. „Vielleicht werden sich unsere Wege ja noch einmal kreuzen.“

„Danke.“, murmelte Abbefaria. „Danke für alles.“

Dann trat auch er durch das Tor.
 


 


 

Magenta sah, wie sich das Tor hinter den Nachtelfen schloss und atmete unwillkürlich auf. Gleichzeitig schoss ihr das Blut in die Wangen, als ihr auffiel, wie unheimlich dämlich sie sich doch wieder benommen hatte. Das mit den Hunden und Katzen…wie dumm konnte man eigentlich sein? Und dann dieser bewundernde Ausdruck in seinem Gesicht, als er Risingsun anblickte. Einen Moment lang hatte Magenta noch geglaubt, sie sein in seinen Augen vielleicht mehr als nur einen dumme Gans, doch jetzt wusste sie, dass er nur seine Schuld hatte begleichen wollen, als er ihr Wunden verheilen ließ. Sie ärgerte sich über sich selbst und über die anderen, die sie überhaupt erst in diese Situation gebracht hatten.
 

Die restlichen Abenteurer waren sich allerdings keiner Schuld bewusst und bekamen daher herzlich wenig von Magentas Unmut mit. Lachend und scherzend beschlossen sie gerade, dass sie im Blauen Eremiten, einem weiteren Lokal in diesem Bezirk, einkehren würden um bei Speis und Trank ihr Wiedersehen zu feiern. Zwar murrte Schakal, dass ihm eine Lokalität im Zwergenviertel mehr zusagen würde, doch als Abumoaham hm versprach dafür zu sorgen, dass man ihm echtes Zwergenbier von dort besorgen würde, waren auch seine Zweifel restlos verschwunden. Vollmundig kündigten die vier Heimkehrer ihre Heldentaten an, die sie bei ihrer Reise durch den Dschungel von Stranglethorn erlebt hatten und die ihnen schlussendlich die ewige Dankbarkeit der Blackwater-Raider gesichert hatte.

„Das wird einen ganze große Sache.“, versprach Schakal mit einem breiten Grinsen und Emanuelle kicherte, als habe der Zwerg einen köstlichen Witz erzählt.

Einzig Magenta fühlte sich nicht wohl bei der Aussicht, von ihrem Abenteuer zu erzählen. Sie fürchtete ausgelacht zu werden, weil sie sich von dem Orc-Hexenmeister hatte einfangen lassen. Oder verspottet, weil sie einen sinnlos weiten Umweg durch das Steinkrallengebirge genommen hatte. Oder verachtet, weil sie einer weiteren Höllenkreatur den Weg in die Welt von Azeroth geebnet hatte, wie sich Risingsun schon einmal entrüstet hatte. Mit Schauern dachte Magenta an die Sukkubus. Einer Kreatur, die sie noch nicht einmal beherrschen konnte oder die von irgendeinem Nutzen für die Gruppe war.
 

Noch während sie so vor sich hinbrütete, kam Bladewarrior zu ihr Er strahlte von einem Ohr zum anderen und hielt ihr ein schartiges Breitschwert unter die Nase.

„Sieh mal, das habe ich von einer Orkfrau gekauft. Hat mich meinen ganzen Lohn von der Arbeit dort gekostet.“ Er grinste verlegen und gab dann zu: „Naja, Emanuelle musste mir noch ein wenig leihen, damit es reichte.“

Magenta verkniff sie eine spitze Bemerkung und blickte wie bewundernd auf das Schwert herab. „Gefällt mir. Damit wirst du bestimmt noch so machen Drachen erlegen.“

„Bestimmt.“, nickte Bladewarrior. „Los komm, wir gehen zum Essen.“

Etwas willenlos ließ Magenta sich von ihm mitziehen, doch als sie erst einmal am Tisch des Gasthauses saßen und die dampfenden Schüsseln aufgetragen wurden, vergaß sie ihre Bedenken bald wieder. Zumal Abumoaham die Geschichte mit dem Orc-Hexenmeister so spannend erzählte, dass sich Magenta am Ende selbst wie eine Heldin vorkam.

Dann allerdings begannen die anderen von ihrem Abendteuer zu berichten, das so viel spannender und witziger war, als das, was der Magier zu berichten hatte. Auch Magenta lachte Tränen, als sie von dem riesigen Affen hörte und bewunderte gebührend Bladewarriors Heldenmut. Selbst Risingsun ließ sich dazu herab, den jungen Krieger zu loben, der daraufhin in ein dümmliches Grinsen verfiel, dass sich den Rest des Abends nicht mehr verflüchtigen wollte.

Auch Risingsun schilderte, wie es ihr in Gefangenschaft ergangen war. Wenn man sie so hörte, hatte sie lediglich mit einem Küchenhandtuch bekleidet wochenlang in der Küche der Taverne geschuftet, bis ihre Freunde schließlich kamen und sie befreiten. Besiegelt worden war diese Befreiung schlussendlich damit, dass alle nicht nur ihre Besitztümer wiederbekamen, sondern darüber hinaus auch noch eine Belohnung bekamen. Wohlgemerkt eine Belohnung für all e.

Stolz präsentierte Risingsun die orangegoldene Brustrüstung, die sich wie kunstvoll geschmiedete Schuppen an ihren Oberkörper anlegten und ganz bezaubernd zu ihren Augen passte, wie Abumoaham charmant bemerkte. Auch der Rest der Freunde bekräftigte noch einmal, dass die wirklich einen gute Wahl gewesen war, auch wenn Schakal ganz kurz einfließen ließ, dass man einen Beutel mit Gold wenigstens hätte unter allen aufteilen können. Aber ein tiefer Blick in den Bierkrug, den Risingsun ihm wie herbeigezaubert reichte, ließ allerdings auch diese ketzerische Stimme schnell verstummen.
 

Man lachte, trank und schmauste und als schließlich ein paar Musikanten zum Tanz aufspielten, begann Abumoaham unter tosendem Applaus zu singen. Fast alle Gäste wollten ihr Lieblingslied hören und schon bald war der Magier hinter einer Flut aus größtenteils weiblichen Bewunderern verschwunden. Lachend erfüllte er all ihre Wünsche und schwenkte dazu noch jede der anwesenden Damen inklusive der beleibten Köchin mindestens zweimal über das Parkett.

Magenta hingegen fühlte sich ziemlich überflüssig und griff, um ihre Hände zu beschäftigen, nach einem Becher Wein. Er schmeckte ihr nicht besonders, aber er fesselte ihre Aufmerksamkeit und lenkte sie von ihrem trübsinnigen Gedanken ab. Der Alkohol stieg ihr schon bald zu Kopf und sie wurde müde. So müde schließlich, dass sie Abumoaham bat, sie nach hause zu bringen.

Als sie schließlich mit dem Kopf in die Kissen sank hörte sie noch, wie der Magier ihr etwas ins Ohr flüsterte, doch sie war zu müde, um ihn noch zu verstehen. Und als er die Tür hinter sich schloss, war sie schon lange im Land der Träume versunken.
 


 


 

Noch in derselben Nacht reisten Abbefaria und Easygoing zur Mondlichtung. Sie benutzten dazu einen speziellen Zauber, den alle Druiden, sobald ihre Gaben sich weit genug manifestiert hatte, beigebracht bekamen. Der Zauber brachte sie auf direktem Weg nach Nighthaven brachte, der geheimen und schwer zugänglichen Stadt der Druiden in Moonglade. Dort, so hatte es damals geheißen, würden sie am Schrein von Remulos den zerbrochenen Anhänger wieder zusammenfügen können. Langsam und mit ehrfürchtig geneigten Köpfen gingen die beiden Druiden auf den Schrein zu, der etwas abseits der Stadt ganz in der Nähe des Ufers des See von Elune´Ara lag.

Seine vier kunstvoll verzierten Torbögen wurden alle von einem Stern von Elune gekrönt, einen der ewig leuchtenden, blauen Edelsteine, die man einst tief aus den Edelsteinminen des Hyal-Berges gegraben hatte. Mitten unter ihnen stand ein uralter Baum, der die Form eines Frauenkörpers hatte. Man erzählte sich, es handele sich dabei um eine Nachtelfe, die sich aufgrund ihrer Liebe zu Remulos so sehr bemühte, ihm in seiner druidischen Kunst nachzueifern, dass sie sich schließlich in einem Bam verwandelte. Andere behaupten, die Nachtelfe wurde durch ihre Verwandlung für einen Verrat bestraft, der fast die gesamte druidische Kultur ausgerottet hatte. Und wieder andere sagen, dass sich lediglich ein sehr talentierter Druide des Baums angenommen hatte, um aus ihm ein Abbild der menschlichen Form Yseras zu machen, dem grünen Drachenaspekt, der Herrin der Träume und Wächterin des Smaragdgrünen Traumes.
 

Abbefaria hatte Remulos, den mächtigen Hüter des Hains schon einmal von weitem gesehen, es jedoch nicht gewagt, ihn anzusprechen. Jetzt jedoch, da sie im Begriff waren, mitten in sein Heiligtum zu spazieren, würde sich eine Begegnung wohl allerdings nicht vermeiden lassen.

Doch die beiden Druiden wurden enttäuscht. Der Schrein lag verlassen und nur die beiden Wächter, die eine grüne Rüstung mit den Zeichen des Zirkel Cenarius trugen, begrüßten se mit einem knappen Nicken, bevor sie sie einließen. Wobei es im Grunde genommen keine Wände oder Türen in dem Schrein gab, Er war bis auf die vier riesigen Torbögen nach allen Seiten hin offen und ließ Freund und Feind gleichermaßen ein.

So war es nicht verwunderlich, dass die beiden Nachtelfen am Fuße des ausladenden Baumes auf eine Taurin trafen. Das stierartige Wesen atmete gleichmäßig, sein gehörnter Kopf war auf seine Brust gesunken und es bemerkte die Ankunft der beiden fremden Druiden scheinbar nicht. Vermutlich war sie in eine tiefe Meditation versunken oder war, wie es Abbefaria schon oft bei dieser Art Übung passiert war, einfach eingeschlafen.
 

„Es wäre ein Leichtes, sie zu überwältigen.“, bemerkte Easygoing und hob auf Abbefaria entsetzten Blick hin abwehrend die Hände. „Ich sagte wäre. Das heißt nicht, dass es tun würde, obwohl ich, was diesen Punkt betrifft, ausnahmsweise mit Staghelm einer Meinung bin.“

Fandral Staghelm, der Oberste Druide und Bewahrer des druidischen Wissens in Darnassus, war ein schwieriger Mann. Er war einer von Malfurion Stormrages führenden Befehlshabern und berühmt dafür, dass sein Temperament gerne einmal mit ihm durchging. Jetzt, da der Erzdruide sich wahrscheinlich für immer in den smaragdgrünen Traum zurückgezogen hatte, hatte Fandral Staghelm seinen Platz eingenommen. Unter seiner Leitung war Teldrassil, der neue Weltenbaum, gepflanzt worden und so wie der Baum erstarkte, so wollte Fandral Staghelm auch die Kultur der Nachtelfen wieder zum Leben erwecken. Tyrande Whisperwinds Zurückhaltung, was diesen Punkt betraf, konnte er nicht nachvollziehen. Er machte keinen Hehl daraus, dass er sie für zu schwach hielt, ihr Volk zu leiten, doch stellte er sich niemals öffentlich gegen sie, so dass die beiden in einer mehr oder weniger friedlichen Koexistenz über die Belange der Nachtelfen wachten. Ganz offen feindselig stand er jedoch Remulos gegenüber, dem er vorwarf, mutwillig wertvolle Informationen an den Feind weitergegeben zu haben, indem er die Tauren in die druidischen Geheimnisse einweihte.
 

„Ich gebe ja zu, es ist eigenartig.“, sagte Abbefaria versöhnlich. „Würden wir uns an einem anderen Ort begegnen, wären wir vermutlich erbitterte Feinde.“

„Und doch finden alle, die nach wissen suchen, hier Einlass.“, erklang eine Stimme hinter ihnen. Es war eine tiefe, dunkle Stimme, in der sich das Rauschen der jungen Blätter mit dem Knarren der uralten Bäume vermischte, ganz so, als habe der Wald selbst zu sprechen begonnen.

Vor den Druiden stand Remulos. Er hatte wie sein Vater Cenarius den Unterkörper eines prächtigen Hirsches, dessen breite Hufe sich trotz seiner Größe fast lautlos über das grüne Gras bewegten, das sich ehrfürchtig vor ihm zu verneigen schien. Sein Oberkörper war der eines Nachtelfen, jedoch waren seine Hände verkrüppelt. Die rechte war grün und verzweigt wie die Äste eines Baumes, die linkte dagegen hart und knorrig wie seine Wurzeln. Aus seiner Stirn wuchs ein gewaltiges Hirschgeweih hervor und seine grünen, mit Bättern durchsetzten Haare waren lang und fielen wie eine Mähne bis auf seinen Rücken hinab. Mit leuchtend goldenen Augen blickte er streng auf die beiden Druiden herab.

„Merkt euch: Wer hier in guter Absicht um Einlass bittet, wird ihn und meine Gastfreundschaft erhalten, sei er nun Nachtelf oder Taure.“

„Ja, Shan'do Remulos.”, antworteten Easygoing und Abbefaria im Chor.

Der Hüter nickte. „So ist es Recht. Und nun geht. Tajarri wartet bereits auf euch um euch bei der Wiederherstellung des Anhängers zu helfen.“
 

Die jungen Druiden verneigten sich ehrfürchtig. Es bedurfte keiner Frage, woher der Hüter des Hains von ihrer Mission und deren Erfolg wusste. Der Smaragdgrün Traum, die phantastische Halbwelt, die überall und nirgends zugleich war, ermöglichte es dem Kundigen sich an jeden beliebigen Ort zu versetzen und zu sehen, hören und vor allem fühlen, was dort geschah. Im Reich der grünen Drachenkönigin war es allerdings oft schwer zwischen dem was wirklich und dem was längst vergangen war zu unterscheiden, da ihr Reich ein perfektes, unberührtes Bild der Welt zeigte, an das nie eine sterbliche Kreatur Hand angelegt hatte. Einigen besonders begabten Druiden gelang es sogar, Zukünftiges im Traum zu sehen oder zumindest zu erahnen. Allerdings wurde jeder Druide, der diese Gabe besaß, auf Strengste ermahnt, sehr vorsichtig damit umzugehen, denn wenn der Druide zu sehr im Reich Nozdormus`, dem bronzenen Drachenaspekt und Herrn über die Zeit, wilderte, konnte es sein, dass sein Geist sich für immer zwischen Sein und Sein-Können verlor und nie wieder in seinen Körper zurückfand.
 

Tajarri, die Nachtelfe die sie damals im Auftrag der Oberen mit der Suche nach dem verlorenen Anhänger betraut hatte, begrüßte Abbefaria und Easygoing herzlich. Ihre Augen leuchteten auf, als der größere Druide ihr die beiden Teile des zerbrochenen Anhängers reichte.

„Ihr habt es tatsächlich geschafft.“, rief sie aus und man hörte Freude und auch ein wenig Stolz darin. „Nun werden wir die Teile wieder vereinen, damit ihr gesammelte Kraft auf euch übergehen kann.“

Die Nachtelfe nahm die beiden Hälften des Anhängers, hielt sie gegeneinander und begann einen Zauber zu sprechen. Der federleichte Singsang ihrer Stimme schwebte zwischen den Bäumen und Säulen des Schreins hin und her, vor und zurück und schien von über all zugleich zu kommen. Er lockte, betete und rief und schließlich wurde seine Bitte erhört.

Irrwische, zwölf an der Zahl, tauchten zwischen den Bäumen, den Blättern, dem Gras auf und tanzten im Takt des seltsamen Liedes. Sie kamen näher und umringten die kniende Nachtelfe, die den Anhänger mit geschlossenen Augen in die Höhe hielt. Zunächst langsam, dann immer schneller umkreisten die Irrwische Tajarri, bis einem einzigen, silbernen Lichtkreis bildeten. Immer enger zog sich der Ring und hüllte schließlich die in die Höhe gereckten Hände vollkommen ein. Dann plötzlich vergingen die Irrwische in einer gleißenden, aber völlig lautlosen Explosion und als Tajarri ihre Hände wieder senkte, hielt sie darin den wieder vereinigten Anhänger des Seelöwen.

Er glänzte mattsilbern und hatte die Form eines eigenartigen, fast plumpen Tieres. Es hatte einen stromlinienförmigen Körper, eine breite, stumpfe Schnauze und tiefliegende Augen, die aus zwei winzigen Smaragden bestanden. Statt der Vorderbeine besaß das Tier zwei ruderförmige Auswüchse und auch am Ende des kegelförmigen Körpers saßen zwei diese runden Flossen.

„Was ist das?“, fragte Abbefaria erstaunt. Ein solches Tier hatte er noch nie gesehen.

„Das ist ein Seelöwe.“, erklärte Tajarri. „Sie bevölkerten einst die Meeresufer Kalimdors, doch als das Land während der großen Spaltung auseinander gerissen wurde, verschwanden sie einfach und man hat nie wieder eines von ihnen gesehen. Es gibt Gerüchte, dass man sie ganz weit im Norden an den Küsten des legendären und lebensfeindlichen Northrend noch finden kann, aber niemand hat das bis heute bestätigen können.“
 

Die beiden jungen Druiden verneigten sich noch einmal vor der Wächterin des Schreins, dankte ihr für ihre Hilfe und machten sich dann auf den Weg zu Dendrite Starblaze, dem Lehrer, der sie bis jetzt stets hilfreich beim Erlernen einer Verwandlung in eine Tierform zur Seite gestanden hatte. Während sie über die unzähligen Brücken und Stege liefen, die die Häuser des von Kanälen und Bachläufen durchzogenen Nighthaven mit einander verbanden, spielte Abbefaria gedankenverloren mit dem wertvollen Anhänger, den Tajarri an ihn zurückgegeben hatte. Zwar freute er sich, dass sie so kurz vor der Vollendung ihrer Aufgabe standen, doch sein Herz war nicht bei der Sache. Schließlich wurde es Easygoing zu bunt und er fischte den Anhänger mit gerunzelter Stirn aus Abbefarias rastlosen Händen.

„Wenn du ihn verlierst, war alles umsonst.“, knurrte er böse. „Ich glaube kaum, dass sie noch ein paar von diesen uralten und wahnsinnig seltenen Anhänger herumliegen haben.“

„Tut mir leid.“, murmelte Abbefaria, aber sein Blick war weiterhin leer für das, was um ihn herum geschah und sein. Erst als Dendrite Starblaze ihn direkt ansprach merkte er, dass sie schon längst am Haus des mächtigen Lehrmeisters angekommen waren.

Der ältere Nachtelf musterte Abbfaria ernst. „Du musst lernen zuzuhören, Junge.“, sagte er grollend. Beschämt senkte Abbefaria den Kopf. Der große Druide nickte zufrieden und wiederholte dann, was er schon einmal begonnen hatte.

„Ihr habt die beiden Prüfungen bestanden. Jede von ihnen erforderte jeweils eine der Fähigkeiten, die es euch ermöglichen, euch wendig und ausdauernd im Wasser zu bewegen. Keine von ihnen kann ohne die andere sein und beide sind nichts ohne die Bereitschaft, den Aspekt des Seelöwen in euch zu akzeptieren. Erinnert euch an diese Erkenntnis, so werdet ihr euch beider Fähigkeiten bedienen können, wenn ihr eure Wasserform erhalten habt. Geht nun zurück nach Darnassus. Ich habe Kunde von euren Taten vorausgeschickt. Mathrengyl Bearwalker erwarte euch bereits. Geht und zeigt ihm den Anhänger, damit er weiß, dass ihr würdig seid zu lernen, was er euch beizubringen hat.“
 

Die Reise nach Darnassus war für Easygoing alles andere als ein Spaziergang. Schon auf dem Weg zum Greifenmeister wurde er immer langsamer, denn ihm war gerade wieder eingefallen, dass man Moonglade nur auf zwei Wegen verlassen konnte. Einer davon führte durch einen langen, unterirdischen Tunnel, der von feindseligen Furbolgs bewacht wurde, die jeden Eindringling binnen Sekunden in der Luft zerrissen hätten. Und doch hätte Easygoing sich lieber den Weg in die Freiheit gegen tausend Feinde erkämpft, als dem zu trotzen, was nun vor ihm lag. Doch es half alles nichts, auch er musste schließlich einen der Hippogreife besteigen, die sie wieder nach Ruth`eran brachten. Normalerweise hätte Abbefaria die Möglichkeit, den größeren Druiden aufzuziehen, nicht ungenutzt verstreichen lassen, doch dieses Mal ignorierte er seinen Freund, der leicht blässlich und mit zusammengekniffenen Augen auf dem Rücken seines Reittieres hing und beobachtete stattdessen die Landschaft, die sich unter ihm ausbreitete.
 

Der Hippogreif flog zunächst über die üppig grüne Wildnis von Moonglade, die noch ein vages Abbild des alten, ursprünglichen Kalimdor bildete, doch dann schraubte er sich immer weiter in die Höhe und überquerte schließlich die steil abfallenden Berghänge, die das ganze Gebiet umgaben und es von der restlichen Welt abschirmten. Ganz nah an den Felsen hielt sich sein Flugtier und nutzte so den Aufwind um Kraft zu sparen für den langen Weg. Aber Abbefaria wusste ganz genau, was er wollte.

Mit einem leichten Schenkeldruck dirigierte er den Hippogreif weg von den schützenden Felsen und ließ ihn tief über ein verstecktes Tal hinweg gleiten, das mitten im Herzen der Berge verborgen lag. Von den Feuern, die in der Nacht entzündet worden waren, drangen dumpfe Trommelschläge empor und im Vorbeirauschen konnte der Druide die Tänzer erkennen, die dort im flackernden Licht die akrobatischsten Kunststücke aufführten. Es handelte sich um Trolle, die weit abgelegen von jeglichen Straßen und Wegen ein isoliertes Dasein führten. Abbefaria hatte jedoch kaum mehr als einen flüchtigen Blick auf die kleine Siedlung geworfen, da stürzte der Hippogreif schon die Klippen des Höhenzuges zu, der den Übergang nach Darkshore bezeichnete.

Die Ruinen von Matystra glitten unter im hinweg, ein Ort, den die Nachtelfen längst aufgegeben und den inzwischen Nagas für sich erobert hatten. Bald schon würde es ihm möglich sein, sich so wie diese Wesen, die halb Nachtelf, halb Schlange waren, unter Wasser fortzubewegen. Ein Schauer huschte über Abbefarias Rücken, als er sich vorstellte, er müsse sich dazu in eine Naga verwandelt. Doch dann beruhigte er sich schnell wieder. Die Nagas, einstmals Hochgeborene Elfen, die während der großen Spaltung durch einen Pakt mit den alten Göttern vor dem Tod durch Ertrinken bewahrt und in ihre jetzige Form verwandelt worden waren, lagen weitab von allem, was die druidische Natur ausmachte. Er konnte sich nicht vorstellen, dass ihre neue Tierform etwas mit ihnen zu tun hatte.
 

In Darnassus angekommen beeilten Easygoing und Abbefaria sich, endlich wieder vor ihren Lehrer zu treten. Mathrengyl Bearwalker erwartete die beiden bereits am Fuße des großen Baum, den die Druiden zu ihrem Sitz in der Hauptstadt gemacht hatten.

„Ah, die beiden Heimkehrer.“, begrüßte er sie wohlwollend. „Habt ihr gefunden, wonach ihr gesucht habt?“

Beide Druiden verneigten sich und Easygoing reichte ihrem Lehrmeister den wieder vereinten Anhänger. Mathrengyl Bearwalker drehte und wendete das Schmuckstück, dann brummte er zufrieden.

„Eure Vorfahren wären sicherlich stolz auch euch.“, sagte er dann. „Ihr habt euch wahrhaft würdig erwiesen, eine weitere Tierform zu erlernen. Sie wird euch hoffentlich ein guter Helfer sein auf eurem Weg als Beschützer der Natur und Hüter des Gleichgewichts.“

Mathrengyl Bearwalker nickte den beiden Druiden noch einmal aufmunternd zu, dann brach er den Anhänger in seinen Händen entzwei.

Abbefaria spürte, wie eine Energiewelle über ihn hinweg spülte. Wie jedes Mal, wenn sie die Fähigkeit erhielten, sich in ein Tier zu verwandeln, wusste er plötzlich, was er tun musste. Die Worte, die er würde benutzen müssen, um sich zu verwandeln, waren uralt und doch hatte der junge Druide das Gefühl, als wären sie schon immer ein Teil von ihm gewesen, Begierig, die neue Fähigkeit zu benutzen, sprach er sie aus. Etwas wie ein brüllendes Quieken kam aus seinem Mund, ansonsten passierte gar nichts.

Der Nachelf spürte, wie seine Wangen dunkel wurden Hatte er etwa versagt? War er doch nicht würdig, die Wasserform zu erlernen? Aber dann hörte er, wie Easygoing genau dasselbe Geräusch machte…und Mathrengyl Bearwalker anfing schallend zu lachen.

„Ihr jungen Nichtsnutze seid wieder einmal viel zu ungeduldig. Lauft, sucht euch ein Gewässer, das tief genug ist, dass ihr darin schwimmen könnt. Taucht den Kopf unter Wasser und versucht es dann noch einmal. Ihr werdet sehen, dass der Effekt ungleich größer ist.“
 

Das ließen sich die beiden Druiden nicht zweimal sagen. Wie zwei tollwütig gewordenen Eichhörnchen sprinteten die beiden los und stürzten sich kurzerhand kopfüber in den nächsten Teich. Dort sprachen beide gleichzeitig die Formel aus.

Abbefaria fühlte, dass sich sein Körper veränderte. Der Drang Luft zu holen schwand und wich einem kinderleichten Atmen unter Wasser. Die eben noch so anstrengenden Schwimmbewegungen, die ihn zum Grund des Teichs getragen hatten, waren jetzt von spielerischer Leichtigkeit. Es war, als wäre er eins mit dem Wasser, so wie ein Fisch oder eben…

„Was ist das?“, versuchte er zu sagen, doch aus seinem Mund kam nur ein misstönendes Blöken. Vor ihm im Wasser schwamm ein höchst eigenartiges und ziemlich hässliches Tier, das er so noch nie gesehen hatte. Es hatte hellbraunes, sehr kurzes Fell, leuchtend goldene Augen und glich ansonsten haargenau dem Anhänger des Seelöwen. Vorsichtig schwamm Abbefaria näher.

Das Tier wich zunächst vor ihm zurück, dann grunzte es und stieß ihm mit der krallenbewehrten Flosse vor die Brust. Instinktiv wollte Abbefaria sich vor dem Angriff schützen und blickte daraufhin wie erstarrt auf seine Hände. Auch sie waren zu ruderförmigen Flossen mit kurzem, braunen Fell und langen, schwarzen Krallen geworden. Fluchtartig schoss der Druide nach oben

Sobald sein Kopf die Wasseroberfläche durchbrach, erlosch der Zauber und er verwandelte sich wieder in seine Nachtelfengestalt zurück. Neben ihm ruderte Easygoing mit den Armen um nicht unterzugehen. Sein Gesicht sprach Bände.

„Das ist mit Abstand das Peinlichste, was ich je erlebt habe.“, erklärte er düster. „Druiden sollten kraftvoll und erfurchtsgebietend sein. Keine Witzfiguren mit…mit…Flossen.“

„Wir könnten sagen, wir hätten die Prüfung nicht bestanden.“, schlug Abbefaria vor.

„Mit Ceredrian als Zeugen?“, unkte Easygoing. „Vergiss es. Eher geht die Sonne nachts auf, als dass dieses Klatschweib etwas für sich behält. Wahrscheinlich weiß es jetzt schon ganz Darnassus. Er hatte immerhin die ganze Nacht Zeit, nachdem wir ihn am Tempel zurückgelassen haben.“

„Dann werden wir uns also in unser Schicksal ergeben müssen.“, murmelte Abbefaria düster. Dann musste er unweigerlich grinsen.

„Um was wetten wir, dass ich schneller schwimme als du?“, forderte er seinen Freund heraus.

„Im Leben nicht.“, grinste Easygoing zurück und tauchte blitzschnell unter. Lachend folgte Abbefaria ihm und kurz darauf schossen zwei braune Schatten Nase an Nase durch die kristallklaren Flüsse der Nachtelfenhauptsatdt. Sie tollten herum und badeten im roten Licht der aufgehenden Sonne, bis sie schließlich müde wurden und sich im Schatten eines der großen Bäume zur Ruhe legten.
 


 

Magenta schlief schlecht in dieser Nacht. Sie träumte von einer großen Raubkatze, die mit einem Schwert gegen eine fünf Meter große Risingsun kämpfte. Als die Magenta sah, spie sie einen Ring aus Feuer um die Hexenmeisterin und rief feixend:

„Erst mach ich euch ein bisschen heiß. Mache ich Euch verlegen? Ich berühr Euch doch gar nicht.“

Immer noch lachend hob sie die Katze am Nackenfell hoch und stapfte mit ihr von dannen, während Magenta in ihrem Bannkreis hockte und verzweifelt versuchte, auch nur einen einzige Schneeflocke aus der Luft zu zaubern. Hilflos musste sie mit ansehen, wie das Feuer immer näher kam und begann an ihr zu lecken.
 

Klatschnass geschwitzt und mit einem bitteren Geschmack auf der Zunge erwachte Magenta. Um sie herum war es dunkel, und nur der Mond hing wie eine riesige, weiße Kugel am wolkenlosen Himmel und tauchte alles in ein merkwürdiges, silbriges Licht. Mondlicht, Sternenlicht, Nachtelfenlicht.

Magenta fröstelte. Düster starrte sie in die Dunkelheit und kam sich einsam vor. Ihr Blick fiel auf ihre zerrissene Robe, die sie achtlos auf einen Stuhl geworfen hatte. Der Riss im Ärmel war immer noch deutlich zu sehen.

Ich werde eine neue Robe brauchen, wenn ich mich nicht zum Gespött der Leute machen will, dachte sie bei sich.

Doch dann zog sie trotzig die Stirn kraus. Ihr konnte es doch egal sein, was die Leute von ihr dachten. Und schließlich war die Robe ein Geschenk gewesen. Was wäre sie für eine schlechte…nu ja Geliebte, wenn sie das Abumoahams Geschenk so verschmähen würde.

Nein, entschied sie, die Robe würde bleiben ebenso wie der Riss im Ärmel. Damit bekleidet würde sie losziehen, und sich endlich einmal einen nützlichen Diener zulegen. Sie musste nur noch herausfinden, was für einen.

Einigermaßen beruhigt mit dem Gedanken, ein neues Ziel zu haben, schlüpfte Magenta in ein neues Nachtgewand und legte sich dann wieder in ihre Bett. Ihre Gedanken kreisten noch lang um das, was heute geschehen war, bis ihr schließlich im Licht der ersten Sonnenstrahlen die Augen zufielen und sie in einen Traum glitt, der diesmal so viel angenehmer war als der erste.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Collien
2011-10-22T22:17:03+00:00 23.10.2011 00:17
Moinsen,

Hab soeben den ersten Teil von Magenta gelesen und fand ihn wirklich ganz große klasse! Hat schon Romanqualität und war sowohl spannend als auch sehr witzig. Ich werd mir bei Zeit die anderen Teile durchlesen.
Allerdings bin ich keine so fleißige Kommi-Schreiberin und werd höchstens am ende nochmal ne Kommi dalassen. Ich hätte mich eh nur wiederholt, die FF ist klasse und mehr muss man da nicht zu sagen.^^
Du hast die selbe Geschichte auch auf Fanfiction.de, oder?
Bin da uch gemeldet unter dem Nick Dezz.

glg Collien
Von: abgemeldet
2009-06-10T18:08:27+00:00 10.06.2009 20:08
Huhu,

ich bin zufällig über deine FF gestolpert und muss sagen, ich bin begeistert ;) Ab und an sind mir Rechtschreib und Satzzeichenfehler aufgefallen, aber auch eher dünn gesäht und fallen auch kaum auf. Ansonsten ist deine FF wirklich sehr gut gelungen, sehr witzig geschrieben und ein wirklich sehr gut zu lesender Schreibstil! Deine Sätze variieren in der Länge, und man kann alles flüßig lesen, einfach nur sehr gut gelungen.

LG Takeru_Takaishi_1989
Von:  Licana
2008-07-05T23:21:30+00:00 06.07.2008 01:21
Huhu,

hab ziemlich lange gebraucht (der liebe Zeitmangel), aber nun hab ich mich bis zu dem zuletzt erschienenen Kapitel durchgewuselt. Zu sagen ich wäre nur begeistert beim Lesen gewesen, wäre untertrieben. Zunächst einmal, dein Schreibstil ist klasse. Ich hab mich jedesmal wenn ich meine Nase in deine FF gesteckt hab wie beim Lesen einer meiner Lieblingsbücher gefühlt. Ich musste an so vielen Stellen einfach grinsen, schmunzeln oder lachen, ich hab ehrlich viel Freude an deiner FF gehabt =) ! Wie oft hab ich Gedanken wiedergefunden, die mich beim eigenen Lösen der Aufgaben in der Welt von Azeroth schon begleitet haben ^^ . Einfach herrlich. Und total liebevoll gestaltete Charaktere, ich habe sie echt ins Herz geschlossen :D ! Ich hoffe, ich werde noch mehr von ihnen lesen dürfen, ich warte gespannt ;) !

Liebe Grüße!

Lica


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