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Nemesis- Die Rache eines Piraten

Eine Geschichte aus der Welt der Piraterie
von

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Der Mond stand hoch über dem steinernen Gebäude, die Sterne schienen hell durch die kleinen, vergitterten Fenster, das kleine Tor war fest verschlossen, die Wellen schlugen hart gegen die Felsen, auf denen sich das wohl sicherste und schlimmste Gefängnis von England befand. Fort Eagle.

Beim Betreten des Gebäudes schlug einem der widerliche Gestank von Verwesung, Fäkalien und Schimmel in die Nase, man hörte überall das Stöhnen und Keuchen von den Insassen. Das Gefängnis hatte gerade seine zweite Pestepidemie hinter sich und so war es kein Wunder, dass dutzende Häftlinge tot in ihren Zellen lagen. Jedoch war nicht nur die Pest das einzige Todesurteil für die Häftlinge von Fort Eagle, sondern auch verschmutztes Wasser, Hunger und andere Krankheiten, die von Ratten eingeschleppt wurden. Wer in diesem Gefängnis eingesperrt warm kam ohne ausgesprochenes Glück nicht wieder heraus.

Die meisten Häftlinge waren Schwerverbrecher oder diejenigen, die knapp der Todesstrafe wegen Piraterie entkommen waren. Auch vor Kindern wurde mit diesen schweren Strafen nicht halt gemacht. Die Meisten von ihnen hatten eine Strafe von mehr als zwanzig Jahren vor sich. Meist ein dutzend von ihnen in einer Zelle, zusammengepfercht, kaum Platz zum schlafen. Gefunden wurden sie fast alle auf Piratenschiffen, als Schiffjungen oder als Sklaven, wurden danach vor Gericht gestellt und verurteilt; entweder zum Tode oder zu einer langen Haftstrafe. Jedoch überlebte die Wenigsten so lange, um ihre Haftstrafe abzusitzen, sondern verhungerten oder starben an einer Krankheit. Die Wenigen, die überlebten, fassten nie mehr Fuß oder verfielen wieder der Piraterie.

Eines dieser Kinder war Jack Conner. Eher war er eines dieser Kinder, denn Jack saß jetzt schon achtzehn Jahre lang in Haft.

Er arbeitete, als er acht war auf dem Schiff von Piraten als Schiffsjunge. Er half in der Kombüse, schrubbte das Deck um ein wenig Geld für seine Familie zu verdienen. Doch die Piratenjäger von Fort Eagle machten ihm einen Strich durch die Rechnung. Das Schiff wurde eingenommen, die Piraten wurden festgenommen, vor Gericht gebracht und zum Tode verurteilt. Jack und zwei andere Schiffsjungen wurden ebenfalls vor Gericht gebracht und nach Fort Eagle gebracht. Er wurde zu einer fünfundzwanzig jährigen Haftstrafe verurteilt, sieben hatte er noch vor sich.

Jack saß allein in seiner Zelle und sah aus dem kleinen Fenster über ihm. Er wurde vor drei Jahren in eine Einzelzelle gesperrt, weil er einen Wachmann angegriffen und tödlich mit einem scharfen Stein verletzt hatte. Seit dem hatte er nie wieder ein Wort gesprochen und die Wachen wunderten sich schon, dass er überhaupt noch am Leben war. Das einzig Gute an seiner Zelle war, dass sein Fenster direkt über ihm war und er das Regenwasser trinken konnte.
 

Jack hörte das Meer rauschen, das einzige Geräusch, das ihn an seine Kindheit erinnerte. Die Flut kam, die Wellen schlugen hart gegen das eiserne Tor, dass der einzige Ausgang von Fort Eagle war. Die Wache machte ihren abendlichen Rundgang und löschte die Fackeln.

Seit Wochen hatte er auf diesen Augenblick gewartet. Er riss seine Strohmatte vom Boden und stieg in das schmale Loch. Seit drei Jahren grub er jede Nacht im Boden, zerschlug Steine mit dem selben Spitzen Stein, mit dem er damals die Wache angegriffen hatte und versteckte die kleinen Felsen in einer dunklen Ecke in seiner Zelle. Sein Gefängnis befand sich im obersten Stockwerk, direkt an der Außenmauer von Fort Eagle. Es dauerte fast zwei Monate für jeden Stein, den er mit seinem selbst gemachten Werkzeug aus der Mauer brach. Noch ein winziges Stück und er war draußen. Er grub mit bloßen Händen an der Mauer, bis seine Finger blutig waren. Das letzte Stück der Mauer brach heraus und der Weg war frei. Jack starrte zwanzig Meter in die Tiefe. Unter ihm das Meer und kein Land weit und breit. Wenn er sprang und mit dem Körper aufkam würde er sterben. Aber lieber sterben, als noch weitere sieben Jahre in Fort Eagle zu verbringen.

Er nahm als seinen Mut zusammen und sprang. Jack sah das Meer auf sich zukommen und machte sich bereit für den Aufschlag. Er hielt die Luft an und fiel ins Wasser. Er spürte, wie er immer tiefer ins Wasser glitt. Er musste schwimmen, sonst würden ihn die Wachen auf dem Dach sehen. Er fing an zu schwimmen, aber seine Kräfte ließen schnell nach. Sechzehn Jahre lang war die einzige Bewegung, die er tun konnte in seiner Zelle auf und ab zu gehen. Geschwommen war er seit achtzehn Jahren nicht mehr. Aber er musste sich zusammenreißen. Noch wenige Meter und die Wachen würden ihn in der Dunkelheit nicht mehr erkennen. Er schwamm weiter und danach langsam an die Oberfläche um Luft zu holen. Er blickte zurück doch er konnte das Fort nicht mehr erkennen. Nebel zog auf und nahm ihm die Sicht. Wohin sollte er jetzt schwimmen? Er konnte die Sterne nach kurzer Zeit nicht mehr sehen und wusste dadurch nicht wo Osten lag. Denn im Osten lag, dass wusste er, Blackpool. Blackpool war jedoch über einhundert Kilometer entfernt. Er musste es einfach schaffen.

Er fing wieder an zu schwimmen, stundenlang. Er hatte Glück, das Meer war ruhig. Er hatte Hunger und seine Kräfte verließen ihn immer mehr. Nach zwei Stunden war er total erschöpft und konnte sich kaum noch bewegen. Er drehte sich auf den Rücken und versuchte ein wenig Kraft zu schöpfen. Er schloss die Augen und horchte. Das Meer schlug sanfte Wellen und wiegte ihn langsam auf und ab. Er spürte wie er immer müder wurde und schlief ein.
 

Jack bekam keine Luft mehr er öffnete die Augen und sah, wie die Wellen über seinen Kopf hinweg schlugen. Er spuckte Wasser und versuchte nicht unter zu gehen. Der Wind um ihn herum schrie und tat ihm in den Ohren weh. Er kämpfte gegen die Wellen an, doch er konnte sich nicht länger halten. Er ging unter und schluckte Wasser. Wieder an der Oberfläche angekommen rang er nach Luft, doch die nächste Welle drückte ihn wieder unter Wasser. Er versuchte nach oben zu kommen. Doch er schaffte es nicht. Er hatte nun all seine Energie verbraucht Er wurde ohnmächtig.
 

Als er Stunden später die Augen wieder öffnete erschrak er. Er war an einen Strand gespült worden, war aber in Gedanken wieder in Fort Eagle in seiner kleinen Zelle bei den Ratten. An einem anderen Ort aufzuwachen als auf seiner stinken Strohmatte, daran musst er sich erst gewöhnen.

Die Sonne stand schon hoch am Himmel, es musste Mittag sein. Er drehte sich auf den Bauch und sah sich um: Um ihn herum war nur weißer Sand, hundert Meter von ihm entfernt grenzte ein Wald an den Strand an. Jack versuchte aufzustehen, aber seine Glieder schmerzten ihn zu sehr, als das er sich wirklich hätte bewegen können. Er sah zwei Kinder vor sich, die ihn aufmerksam beobachteten und sich nicht von der Stelle rührten. Erst als Jack die Hand nach ihnen ausstreckte rannten sie schreiend davon. Langsam und mühsam zog er sich in den Schatten eines Baumes. Durst und Hunger quälten ihn, während er immer wieder versuchte aufzustehen. Aber er war zu müde. Er ließ sich wieder in den Sand fallen und schloss die Augen. Er genoss die Sonne auf seiner Haut, den Sand unter seinem Körper, das Kreischen der Möwen und roch das kühle, salzige Meerwasser.
 

Als kleines Kind war das Meer für Jack das natürlichste auf der Welt. Er war in einer Fischerhütte aufgewachsen und das Meer war eher eine Nebensacke. Schwimmen konnte er schon mit drei, seinen ersten Fisch fing er mit fünf. Seine Eltern waren arm und alles was sie besaßen war ihre Hütte. Das wenige Geld das sie hatten reichte nicht zum leben und nicht zu sterben. Deshalb suchte sich Jack eine Arbeit. Er heuerte auf einem Schiff an, nicht wissend, dass das Schiff auf dem er sich befand ein Piratenschiff war. Ein halbes Jahr arbeitete er dort, bis die Piratenjäger kamen...
 

Jack hörte Schritte, die sich langsam ihren Weg durch den Sand bahnten. Er öffnete die Augen und drehte sich auf die Seite. Hinter ihm ging ein Fischer aufs Meer zu, blieb stehen, sah ihn kurz an und ging ohne ein Wort zu sagen weiter. Jack stand auf, seine Beine taten immer mehr weh und sein Durst wurde immer schlimmer. Er brauchte Kleider und etwas zu trinken. Irgendwo in der Nähe musste ein Dort sein, oder eine kleine Stadt. Doch mit seinen zerrissenen und verdreckten Kleidern würde er nirgends hingehen können.

Er sah den Fischer, der mit dem Rücken zu ihm saß und seine Angel auswarf. Neben ihm stand ein Tonkrug, der sicher mit Wasser gefüllt war. Jack blickte sich um. Niemand war in der Nähe, außer er und der Fischer. Jack griff nach einem dicken Ast, der in seiner Nähe lag. Er schlich langsam und vorsichtig zu dem Fischer, der Jack immer noch den Rücken kehrte. Jack holte aus und schlug den Mann nieder. Stöhnend fiel der Fischer zu Boden. Jack sah sich hektisch um, sah aber niemanden. Er legte den Fischer unter einen der Bäume in den Schatten, zog ihm die Kleider aus und legte sie sich an. Sie waren ein wenig zu klein, die Beinlinge zu kurz und die Schuhe zu eng, aber es war das beste, was er im Moment finden konnte. Er durchsuchte die Taschen, fand aber nicht außer ein paar Angelhaken. Er schaute in den Krug und sah, dass er mit Suppe gefüllt war, die er schnell hinunterschlang, denn eines der Kinder war zurückgekommen. Jack zog den Hut des Fischers tief in die Stirn und ging in die Richtung, aus der der kleine Junge gelaufen kam.
 

Schon von weitem hörte Jack das Rufen und Schreien von Menschen, die schnell durch die Hafenstadt liefen, einkauften oder ihre Ware anpriesen. Nun wusste Jack auch, wo er sich befand. Blackpool. Er wurde vom Meer direkt hier, zu seinem eigentlichen Ziel geschwemmt. Blackpool war die letzte Anlegestelle des Piratenschiffes auf dem Jack arbeitete bevor sie festgenommen wurden. Die Stadt hatte sich kaum verändert. Dieselben Häuser, dieselben Geschäfte. Die letzten achtzehn Jahre waren einfach an diese Stadt vorbeigegangen.

Jack bewegte sich gemächlich über den Markt, blickte zu den verschiedenen Ständen und beobachtete die Leute mit ihren vollen Einkaufskörben, die hektisch über den Markt liefen. Er rempelte eine ältere Frau an, nickte als Entschuldigung und ging, den Geldbeutel der Frau in der rechten Hand versteckt, weiter.

Als er an einem Trödelhändler vorbei ging, stockte er. Ein Spiegel lag auf dem Warentisch des Händlers. Er nahm ihn in die Hand und blickte hinein. Der Spiegel zeigte einen müpden Mann, mit dunklen Augenringen, abgemagert und ungepflegt. Seine schwarzen Haare hingen ihm strähnig im Gesicht, sein Bart war verfilzt und seine Augen fast schwarz. Er kannte den Mann im Spiegel nicht, denn er ansah, er kannte nur den kleinen, verspielten Jungen mit den kurzen schwarzen Haaren und den blauen Augen. Er legte den Spiegel wieder zurück und ging weiter.

Plötzlich spürte er einen harten Schlag an seinem Kopf und fiel zu Boden. Die Menschen um ihn herum starrten ihn an. Hinter ihm hörte er eine Stimme sagen: "Ich glaube, sie haben etwas das meinem Vater gehört!"

Jack drehte sich herum. Er konnte nur die verschwommenen Umrisse eines großen Mannes erkennen. Der Mann trat ihn, doch Jack starrte ihn nur weiter an. Er spürte wie ihm schwindelig wurde. Er sah den Mann klar, dann wieder verschwommen, klar, dann wieder verschwommen. Als Jack den Mann für wenige Sekunden gut erkennen konnte, riss er die Augen auf, formte die Lippen zu einem "Sean?" und wurde ohnmächtig.
 

Als Jack wieder erwachte hatte er fürchterliche Kopfschmerzen. Er fasste sich an den Kopf und spürte einen Verband. Er war feucht, also musst er geblutet haben. Sein Blick war immer noch verschwommen und er konnte nicht erkennen, wo er sich befand. Es war still, nur dass rauschen des Meeres drang in seine Ohren. Jack bekam panische Angst. War es wieder in Fort Eagle? Er musste etwas erkennen. Er versuchte sich zu konzentrieren, aber der Schmerz an seinem Kopf riss ihn immer wieder von seinen verzweifelten Versuchen, sich zu konzentrieren weg. Um ihn herum herrschte Dunkelheit. Er stand von seinem Bett auf, welches seiner Strohmatte im Fort keinesfalls glich. Er konnte nicht dort sein, nicht schon wieder, sie würden ihn ertränken, vierteilen, köpfen oder Schlimmeres. Er musste herausfinden wo er war. Er ging langsam durch den Raum, die Arme von sich gestreckt, um nirgends dagegen zu laufen. Seine Hände stießen gegen Holz. Er vermutete, dass es eine Tür sein musste und suchte den Knauf. Als seine Hände das kalte Metall spürten, drehte er den Knauf vorsichtig um. Er öffnete die Tür einen Spalt breit und schaute hinaus. Licht blendete ihn, er hörte Stimmen, die sich in seiner Nähe befanden. Als seine Augen sich an das Licht gewöhnt hatten öffnete er die Tür weiter und schlüpfte durch den Spalt hindurch. Er fand sich in einem Gang wieder, der hell mit Kerzen erleuchtet war. Gelächter drang vom Stockwerk unter ihm hinauf. Langsam konnte er wieder klar sehen. Ein paar Schritte von ihm entfernt sah er eine Treppe, die nach unten führte. Er wankte zu ihr, klammerte sich an ihr fest und ging, Schritt für Schritt die Stufen hinunter. Er befand sich vor einer weiteren Tür. Lachen und viele Stimmen kamen von der anderen Seite, einen anderen Ausgang gab es nicht. Er versuchte durch das Schlüsselloch der Tür zu sehen, sah aber nichts weiter als den Schlüssel, der sich in der anderen Seite des Loches befand. Er drückte die Klinke herunter und öffnete die Tür ein wenig um durch den Spalt zu sehen. Mit dem lauten Knarren der Tür hatte er nicht gerechnet. Die Menschen, die er durch den Spalt erblickte, starrten wie gebannt auf die Tür. Plötzlich wurde sie ihm aus der Hand gerissen und er stand vor circa fünfzig Männern und Frauen die ihn anstarrten. Er wusste nicht, was er sagen oder tun sollte, als die Leute schon den Blick von ihm wandten. Ein Mann kam auf ihn zu.

"Ich dachte, ich würde dich nie wieder sehen, Jack", sprach der Fremde zu ihm. Und erst jetzt erinnerte sich Jack an den Mann und an das, was am Mittag vorgefallen war. Er erkannte ihn an seiner großen Narbe unter seinem rechten Auge. Es war Sean. Sean hatte er kennen gelernt, am Tag, als das Schiff auf dem Jack arbeitete, hier in Blackpool angelegt hatte. Damals war Sean neun oder zehn. Heute musste er siebenundzwanzig oder älter sein, aber Jack hatte ihn sofort wieder erkannt.



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