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Assassin

von

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00:00 Uhr. Beginn eines neuen Tages oder Ende des Alten?! Geisterstunde, in der sich die Geister der Vergangenheit und der Gegenwart zeigen? Für ihn hatte es keine Bedeutung, seine Geister zeigten sich zu jeder Tages- und Nachtzeit. Er konnte ihnen nicht entfliehen! Sie ließen ihn keinen einzigen Augenblick vergessen. Das Gefühl, das so schwer auf seinen Schultern lag, wie wohl der Himmel auf den Schultern des aus den griechischen Legenden entsprungenen Atlas. Das Gefühl, das ihn nachts so erdrückte, dass er manchmal nicht zu schlafen vermochte. Das Gefühl, dass sich Schuld nennt!
 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 

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Die Glocken der in der Nähe stehenden Kirche schlugen 12-mal. Es war Zeit. Das Haus war still und nur die Außenbeleuchtung summte leise vor sich hin. Gedämpft kaum wahrnehmbar klickte die Tür eines Autos. Ein düsterer Schatten huschte wie ein Geist entlang des Weges und verschwand so unbemerkt wie er gekommen war in die alles verschlingender Dunkelheit. Stille.

Im Zimmer war es stockdunkel nur das von dem Außenlicht schattenhaft umrissene Bett in der Mitte des Zimmers war erkennbar. Es herrschte eine absolute Stille. Die elektrische Uhr auf dem Nachttisch sprang auf 00:05. Leise, fast geräuschlos, wie von Geisterhand öffnete sich die Tür, und ein düsterer Schatten schlich unbemerkt herein. Langsam und tonlos ging er auf das schemenhaft sichtbare Bett zu. Am Kopfende blieb er stehen. Ein Geräusch, das das Blut in den Adern gefrieren ließ füllte das ganze Zimmer mit seinem Schrecken. Metall rieb sich an Metall. So plötzlich wie das Geräusch ertönte, so unerwartet verstummte es auch. Auf einmal blitzte im Licht der Außenlampen Metall auf. Es erfolgte ein flüchtiger Windhauch, Sekunden später fiel etwas zu Boden und verursachte ein dumpfes Aufschlagen. Metall rieb sich wieder an Metall. Der Schatten verschwand so spurlos, wie er gekommen war. Was blieb war wieder nur die Stille. Die Uhr zeigte 00:07.
 

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Das laute Schrillen der Polizeisirenen hallte in den leeren Straßen New Yorks.

"Verdammt, dass es so früh sein musste! Ist doch absolut zum Kotzen!" sagte ein junger Mann Mitte zwanzig und fuhr sich mit der Hand durch sein kurzes zersaustes Haar.

Dabei lenkte er den Polizeiwagen scharf in eine Kurve. Der Fahrer des Wagens war Tony McCannon. Schon seit drei Jahren wurde ihm der Fall "Hitokiri" anvertraut und immer noch hatte er keinerlei Spuren von dem Killer. Obwohl Tony doch sehr jung für den Job war, hatte er freilich einige Qualitäten z.B. den schwarzen Gürtel in Kung-Fu. Vom Typ her war er ein Draufgänger, der seinen Anteil am Leben haben wollte. Sein gutes Aussehen verhalf ihm dabei nicht nur unbedeutend. Er war recht groß und durch das langjährige Training in Kung-Fu sehr gut gebaut. Die dunkelbraunen Haare und die grünen Augen taten ihr Übriges dazu. Bei seinen Kollegen genoss er großen Respekt, da er trotz seines jungen Alters die Fälle schnell und effektiv löste. Nur bei dem Fall "Hitokiri" war er fast der Verzweiflung nahe. Sein Beifahrer war das genaue Gegenteil von ihm. Jack O'Kail war etwas älter als Tony. Hatte schwarze Haare und dunkelblaue Augen, die Frauen einfach verrückt machten. Er arbeitete eigentlich in einem anderen Dezernat der New Yorker Mordkommission, wurde jedoch Tony als neuer Partner zur Lösung des Hitokiri- Falls zugeteilt. O'Kail war schon immer ein Einzelgänger. Sein Verhalten zu seinen Mitmenschen war kalt und immer distanziert. Die Maske der Gleichgültigkeit und eine gewisse Kälte waren in seinem Gesicht stets präsent. Seine Kollegen bewunderten ihn für seine Arbeit, pflegten aber immer eine sichere Distanz, man wollte ihm nicht in die Quere kommen. Jetzt waren die beiden ungleichen Kollegen zu einem vermeintlichen Mord unterwegs.

"Ob es wieder der "Hitokiri" war? Bill sagte, dass dem Opfer der Kopf von den Schultern durch einen scharfen Gegenstand abgetrennt wurde. Wenn es mit einem Schwert passiert ist, dann liegt die Sache auf der Hand. Es tötet heute keiner mit einem Samurai-Schwert außer ihm. Fuck! Dieser Bastard! Den kriege ich noch, das wirst du schon sehen O'Kail!" sagte Tony aufgebracht zu seinem stummen Kollegen.

Jack drehte sich langsam zu ihm um und sagte mit einer monotonen und eiskalten Stimme: "Halt doch mal die Klappe!"

"Hey was hast du für ein Problem, Mann? Du wurdest mir gestern zugeteilt und nicht umgekehrt, kapiert?! Also halt den Rand!" sagte Tony erbost.

Nachdem McCannon und O'Kail durch einige Polizeiabsperrungen fahren mussten, erreichten sie endlich den Eingang der Villa. Überall wimmelte es nur so von Polizeibeamten. Auf dem Weg zum Opfer wurde McCannon von seinen Kollegen freudig begrüßt. Seinen neuen Partner musterte man nur misstrauisch. Geruhsam und bedächtig, seine Kollegen bei der Arbeit nicht störend, ging McCannon zum Tatort, O'Kail überall an seinen Fersen. Schließlich kamen sie im Schlafzimmer des Opfers an. Überall arbeitete die Spurensicherung. Der Oberkörper eines Mannes lag geruhsam auf dem Bett. Die Bettlaken waren blutdurchtränkt. Der Kopf des Opfers lag mit dem Gesicht nach unten neben dem Bett, an der Seite hatte sich eine Blutlache gebildet. Die Wände des Zimmers waren voller Blutspritzer.

"Was für eine Schweinerei." bemerkte Tony.

Auf seine Stimme hin drehte sich einer der Polizisten um und begrüßte ihn lächelnd.

"Hey Tony, lange nicht gesehen!" sagte der Polizist und ging auf ihn zu.

"Lange?? Wir haben uns erst gestern gesehen, Bill." erwiderte er etwas genervt.

"Na, na, wo bleibt dein Humor? Ich sehe schon, wenn es um den "Hitokiri- Fall" geht, ist mit dir nicht zu spaßen. Ist das dein neuer Partner? Hey, ich bin Bill Kelly, nett sie kennen gelernt zu haben." sagte er und reichte seine Hand zum Händedruck.

Amüsiert beobachtete Tony, wie der rundliche Polizist seine Hand O'Kail reichen wollte, denn zu gut wusste er, dass er keinem aber auch wirklich keinem die Hand gab. Die Erfahrung hatte er schon selbst gemacht. Jack musterte Bill abweisend, als dieser ihm die Hand reichen wollte, im gleichen Augenblick wendete er sich gleichgültig ab, um sich das Opfer näher anzusehen. Seinen Gegenüber lies er verwirrt und beleidigt zurück.

"Sag mal, wer ist der Kopflose eigentlich?" fragte Tony den immer noch beleidigten Bill.

"Was für ein Problem hat dein Partner eigentlich? So was Arrogantes habe ich ja noch nie gesehen!" murmelte er leise Tony zu.

"Was weiß ich denn was für ein Problem er hat, ist halt nicht sehr sozial. Also wer ist nun der Tote?" fragte er ungeduldig.

"Er heißt Rodriges Penzzo, 36 Jahre alt, ist vor 10 Jahren aus Mexiko in die Vereinigten Staaten ausgewandert, lebt hier mit seiner Freundin, die allerdings gestern nicht zu Hause war. Sein Geld verdient er angeblich mit Computersoftware, wir glauben aber, es sind Drogengeschäfte im großen Stil, konnten es aber nie nachweisen." schilderte Bill, als er einige Seiten eines alten Berichtes durchblätterte.

"Es könnte also auch jemand aus der Drogenszene gewesen sein."

"Tja wenn du mich fragst, war das dein Killer. Ich glaube nicht, dass jemand aus der Drogenszene sich so viel Mühe macht, ihm den Kopf abzuschlagen. Sie würden ihn einfach erschießen. Nur dein verrückter "Hitokiri" tötet mit einem Schwert." führte Bill seine Ausführungen zu Ende.

Tony nickte nur abwesend und sagte: "Ich gehe mich mal umsehen."

"Tu', was du nicht lassen kannst."

Er ging auf das Bett zu und blieb kurz davor stehen.

"Das war 100%-ig "Hitokiri". So arbeitet nur er, keine Spuren, keine Anhaltspunkte, präzise und tödlich." sagte Tony in die Stille zwischen seinem Partner und ihm hinein.

O'Kail blieb stumm.

Draußen zeigte sich langsam die Sonne und erwärmte mit ihren milden Strahlen die kühle Frühlingsluft. Unterdessen landete irgendwo in New York ein Flugzeug welches schon die halbe Welt hinter sich hatte. In einem der Sitze öffnete ein junges Mädchen langsam ihre großen grünen Augen, nachdem sie von den Sonnenstrahlen wach geküsst wurde. Zur selben Zeit saß von dunklen Schatten umhüllt in einem New Yorker Apartment ein junger Mann. Neben ihm lag ein Samurai Schwert.
 

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Das Telefon klingelte schon seit ungefähr fünf Minuten. Der schrille Ton erfüllte jeden Zentimeter der Wohnung. Endlich ging eine Tür auf und ein triefend nasser Mann, bekleidet nur mit einem Badetuch, nahm den Hörer ab. Von den feuchten Haaren des Mannes tropfte Wasser auf seinen Körper. Er schien nicht älter als zwanzig zu sein, seine dunkelgrauen Augen verrieten jedoch, dass er um einiges älter war, als er auf den ersten Blick erschien. Der Mann hieß Ray Dameron - in den Straßen New Yorks als der Killer "Hitokiri" bekannt.

"Ich höre." sagte Ray in den Telefonhörer mit einer tiefen und monotonen Stimme.

"Die Leitung ist für zwei Minuten sauber. Hast du den Umschlag?"

"Ja."

"Sie wird gut bewacht."

"Darüber bin ich schon informiert."

"Unterschätze ihre Beschützer nicht. Es ist ein sehr wichtiger Job." warnte die Stimme am Telefon.

"Wie ich schon sagte, sie brauchen sich nicht zu sorgen."

"Wenn du diesen Job vermasselst." warnte die Stimme eindringlich.

"Wozu die ganze Extrainformation? Normalerweise kriege ich den Umschlag und die Sache ist erledigt." fragte er etwas verärgert und wechselte den Telefonhörer ans andere Ohr.

"Es ist ein sehr wichtiger Job."

"Das sind alle meine Jobs."

Es folgte eine längere Pause in der die Stimme am Telefon wohl überlegte, ob seine Worte und die Wichtigkeit der Mission voll erfasst wurden. Ray verlagerte sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen und wartete geduldig. In der Zeit, in der er wartete hat sich neben ihm schon eine Lache Wasser gebildet.

"Also gut" sagte die Stimme am Telefon, "sie wird im östlichen Flügel des Labors der "General John Flickmann Militärbasis" sein. Töte sie schnell und vermassele es nicht. Noch etwas, guter Job heut Nacht."

Damit war das Gespräch beendet. Er legte den Telefonhörer auf und seufzte. Ein anderer Tag und ein anderer Mensch, der heute aufhören wird zu atmen.

Langsam durchquerte er sein 2- Zimmer-Apartment auf dem Weg zum Badezimmer, um erneut eine Dusche zu nehmen. Kurz vor dem Kamin blieb er stehen und betrachtete seine Sammlung der Samurai-Schwerter. Die altertümlichen Waffen befanden sich in ihren Hüllen und hingen zu Dekorationszwecken lose an der ganzen Wand verteilt. Ray streckte den Arm aus und griff nach einer. Mit einer fließenden Bewegung nahm er das Schwert aus seiner Scheide. Das antike Stück, das er in seinen Händen hielt, gehörte eher in ein Museum, und das nicht nur wegen seiner einzigartigen Erlesenheit. Die Schwertscheide war aus Metall, und ein schwarzer Drache schlang sich entlang dieser. Der Griff des Schwertes zeigte Spuren der häufigen Nutzung, so z.B. Handschweiß, der bei Benutzung erzeugt wurde. Ray steckte die Waffe wieder in seine Hülle und hängte sie an seinen Platz an der Wand. Heute Nacht wird er sie wieder brauchen.

Nachdenklich setzte er seinen Weg zum Bad fort. Nach einer kurzen Dusche muss er sich noch zum Schlafen hinlegen um für den Auftrag fit zu sein. Ein geruhsamer Schlaf war aber für den Killer so weit entfernt wie kaum etwas anderes. Seine Erinnerungen würden ihn so lange wach halten, bis er vor lauter Erschöpfung in einen ruhelosen Schlaf fällt. Denn er wird wieder von blutigen Alpträumen verfolgt werden, bis er schweißgebadet und mit einem auf den Lippen gestorbenem Schrei aufwacht. Mit diesen Gedanken geplagt stand er unter der Dusche und ließ die heißen Wassertropfen auf seinen Körper fallen. Wenn man nur die bedrückende Schuld mit heißem Wasser abwaschen könnte wie das Blut, das an seinen Händen nach jedem Mord klebte. Eine Wunschvorstellung - nichts anderes; aber für einen Moment ließ er diese Vorstellung zu.
 


 


 

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Sie wusste, dass er da ist, lehnte es aber ab, ihn anzusehen. Wie sieht ihr Killer wohl aus. Dachte sich Ann. Sie presste ihre Lippen zu einem bitteren Lächeln zusammen. Es wird endlich ein Ende haben. Jemand hat es geschafft, durch die Bewachung, die man um sie herum aufgebaut hatte, durchzubrechen. Es endet hier und jetzt. Sie schloss ihre Augen noch fester zusammen, als seine Schritte vor ihr zum Halten kamen. Der intensive Geruch des Blutes benebelte kurzzeitig ihre Sinne. Sie fühlte eine unerklärliche Kraft von dem Killer ausgehen, und wieder fragte sie sich, wie wohl dieser Dämon aussieht. Angst umklammerte ihr Herz und sie verspürte den Drang, sich zu einem Ball zusammen zu rollen. Stattdessen zwang sie ihren Körper, so unbeweglich wie nur möglich zu sein. Sterben mit Würde war schon immer ihr Ziel, jetzt war es so weit.

Der "Hitokiri" hob die Hand mit dem Schwert über den Kopf des Mädchens und bereitete sich vor zuzuschlagen. Der Bodyguard fluchte vor sich hin, konnte aber wegen seiner Verletzungen nichts machen.

"Ann Reyers" sagte der Killer kalt "bereite dich auf deinen Tod vor."

Langsam hob das Mädchen ihren Kopf, öffnete die Augen und sah ihrem Tod ins Gesicht. In diesen Moment trafen ihre sanften grünen Augen auf seine zornigen grauen und die Zeit stoppte.

Die Zeit stoppte die Bewegungen aber nicht, mit einem lauten Schrei eines Dämons ließ Ray sein Schwert niedersinken.

Ann schloss ihre grünen Augen.

Mit einem lauten Schrei warf sich Sergeant Tom Merris zwischen das Mädchen und den Killer. Ray wurde grob zur Seite geschubst und verfehlte somit sein Opfer. Der Sergeant fiel auf den Boden und schrie:" Lauf Ann!! Lauf!"

Ann wendete ihre Augen von dem auf dem Boden liegenden Sergeant ab und guckte zum Killer, der sich von dem Fußboden zu erheben begann. Er sah ihr direkt in die Augen, Anns Herz blieb vor Angst kurz stehen, als sie den puren angsteinflössenden Zorn in seinen grauen Augen sehen konnte. Nein, sie wollte noch nicht sterben. Nicht so, wurde ihr klar und sie entschloss sich, ihr Leben nicht ohne einen Kampf aufzugeben, schon gar nicht nachdem Sergeant Tom Merris das seine riskiert hatte, um ihres zu retten. Als der Killer sich wieder erhob und mit dem Schwert auf sie zukam, tat sie das Einzige, was ihr in dem Moment in den Sinn kam. Ann sprang auf ihre Füße, griff nach dem Stuhl auf dem sie gerade gesessen hat und warf ihn mit all ihrer Kraft dem Killer entgegen. Ray hatte nur Sekunden, um zu reagieren, mit seinem Schwert schnitt er den Stuhl in zwei Teile die vor ihm auf den Boden fielen. Aus seinen Augenwinkeln heraus sah er, wie sein Opfer durch die Tür floh. Ann reagierte in purem Instinkt, sie lief so schnell, wie sie nur vermochte aus dem Zimmer und verriegelte mit einem Maschinengewehr, das einem toten Soldaten gehörte, die Tür. Sie flehte zu Gott, dass das ausreiche um den Dämon aufzuhalten. Sie hörte wie er sich gegen die Tür warf, um sie aufzubrechen und schrie in Furcht auf. Sie machte ein paar Schritte von der Tür weg, bis sie den Flur entlang lief.

Ray war außer sich vor Wut, irgendeine Göre hatte es doch tatsächlich geschafft, ihn, den gefürchteten Killer, in einem Zimmer einzusperren. Endlich brach die verdammte Tür und der wutentbrannte Ray war frei, gerade noch rechtzeitig, um zu sehen wie das Mädchen nach rechts einbog. Mit seinem Schwert in der Hand nahm Ray die Verfolgung auf, es gab hier keinen Platz, wo sie sich vor ihm verstecken könnte, er würde sie finden, dachte der Killer und lachte innerlich. Diese Verfolgungsjagd erweckte in ihm seine Jagdinstinkte, die er so lange Zeit verdrängt hatte. Er wollte trotz dessen nicht so tief fallen, um Freude bei der Jagd nach einem Menschen zu empfinden. Jedoch konnte er nicht verhindern, dass jetzt Adrenalin die Führung über ihn übernommen hatte und er nichts gegen seine Instinkte ausrichten konnte. Der Flur endete und es gab nur die Möglichkeit nach rechts abzubiegen, seine Geschwindigkeit kein bisschen verlangsamend bog Ray ein und kam zum abrupten Halt, als etwas Nasses und Übelriechendes sein Gesicht traf. Er wurde durch diese Handlung so überrascht dass er durch den Aufschlag zur Wand taumelte. Dabei hörte er etwas laut auf den Flur fallen und die sich schnell entfernenden Schritte des Mädchens. Ray schüttelte das übel riechende Wasser aus seinen Haaren, bevor er die Verfolgung erneut aufnahm. Fluchend sah er auf dem Boden einen nassen Wischmob liegen. "Ein Wischmob??" dachte Ray erbost und wieder überkam Zorn seine Sinne. " Die kleine Göre wagte es doch tatsächlich, ihm einen Wischmob ins Gesicht zu schlagen, der wird er es noch zeigen. Was war überhaupt los mit ihr? Zuerst saß sie so da, in ihr Schicksal ergeben, bereit durch seine Hände zu sterben und jetzt wehrt sie sich mit allen Mitteln." dachte Ray und knurrte irritiert. Ann verfiel wieder in Panik als sie die leichten Schritte des Killers hinter sich hörte, hastig bog sie wieder rechts ab und blieb vor einer Tür kurz stehen. Entschlossen öffnete sie diese und fand sich im Treppenhaus wieder. Wie ein Reh auf der Flucht mit einem Jäger im Genick floh sie die Stufen runter. Noch ein paar Stufen mehr und sie wird den Ausgang erreicht haben. Dort wird ihr sicherlich jemand helfen. Noch vier Stufen, noch drei, noch zwei, zählte Ann, als sie runter sauste. Schritte dicht hinter sich hörend wusste sie, dass die Zeit abgelaufen war. Sie drehte ihren Kopf kaum nach hinten und wusste schon dass ihr Killer nur einige Schritte hinter ihr war. Im Licht sah sie sein Schwert aufblitzen. Wieder überkam sie Panik, nur ein kurzer Satz und sie wäre gerettet. Ohne zu überlegen übersprang sie die letzte Stufe, das runtersausende Schwert erwischte nur ein paar ihrer roten Haare. Ray sah das Mädchen wie sie die letzte Stufe zu überspringen versuchte. Er sah wie ihr Fuß bei der Landung umknickte und hörte ihren schmerzverzerrten Aufschrei. Sie versuchte auf ihren Händen und Knien zu entkommen jedoch ohne Erfolg, denn der umgeknickte Fuß ließ sie nicht weit kommen. Als sie merkte, dass sie es nicht mehr schaffen würde, setzte sie sich mit dem Rücken zur Wand und zog ihre Knie zu ihrer Brust um ihre Beine zu umarmen. Ray umklammerte sein Schwert etwas fester, als er sich in Richtung des Mädchens begab. Als sie das merkte senkte sie den Kopf und drückte sich noch fester an die Wand. Tränen liefen ihr allmählich die Wangen runter und hinterließen feuchte und sichtbare Spuren auf ihrem zarten Gesicht. Ray zog das Schwert mit der Spitze auf dem Zementboden hinter sich her und verursachte ein Geräusch, das einen erzittern ließ, als er sich ihr näherte. Das Mädchen schluchzte hörbar. Zufrieden dass sie sich endlich wie ein Opfer benahm, erhob er sein Schwert um zu zuschlagen. Ann hob ihren Kopf und ihre, von den Tränen feuchten Augen durchbohrten die Seinen. Der bloße Ausdruck in ihren Augen war genug, um eine Pause in den Schwung des "Hitokiri" zu verursachen.

Es war keine Angst, die er in den grünen Augen sah.

Es war keine Verzweiflung.

Es war auch keine Bitte um Verschonung.

Ray suchte nach der passenden Emotion, die er in ihren Augen sah. Dann wurde es ihm klar.

Die grünen Augen waren zornig. Sie starrte auf ihren Killer mit solch einem Zorn, dass er das Gefühl hatte, ihre Augen würden ihn durch bohren. Ray war erstaunt. Noch nie hatte je ein Opfer ihn so angesehen. Ein Geräusch über ihnen brachte den Killer zur Besinnung und er musterte das Mädchen noch mal, sein Schwert über ihren Kopf haltend. Ihr Blick, der brennende Wut in sich hielt schaffte es, ihn wieder zornig zu machen und er senkte sein Schwert ohne zu zögern auf das Opfer nieder.

Ann fiel wie eine leblose Puppe auf den Zementboden. Ein dünnes Rinnsal von Blut tropfte ihren Nacken runter.

Ray atmetete auf, nachdem er Ann bewusstlos schlug. Er drehte das Schwert um und wischte das Blut des Mädchens vom Griff ab. Langsam steckte er seine tödliche Waffe wieder in seine Hülle und hängte es auf seinen Rücken; dann beugte er sich zu seinem Opfer und untersuchte die Wunde an ihrem Kopf. Ihr flaches Atmen überzeugte ihn, dass sie am Leben war. In diesem Moment war hm noch nicht klar, warum. Vorsichtig hob er sie auf, immer wieder zu sich sagend, dass er seinen Auftrag später noch erfüllen würde. Mit einem Ruck legte er Ann auf seine Schulter und ging durch den Ausgang, den sie vor einigen Minuten so verzweifelt zu erreichen suchte. Leise und bedächtig um nicht aufzufallen verschwand der "Hitokiri" in die Stille und Dunkelheit der Nacht. Zum ersten Mal trug er ein lebendes Opfer mit sich.
 


 

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Alles um sie herum war dunkel und sie schwebte in dieser bodenlosen alles zu verschlingenden Schwärze. War sie tot und jetzt in der Hölle? Hat der Killer seinen Auftrag erfüllt und sie getötet? Wo war sie? Plötzlich spürte sie einen heftigen Schmerz in ihrem Nacken. Wenn sie noch schmerzen empfinden kann, kann sie nicht tot sein, schlussfolgerte Ann, also lebte sie noch. Sie spürte wie sie auf etwas Weiches und zugleich kaltes hingelegt wurde. Langsam öffnete sie die Augen und sah den, sich von ihr entfernenden Killer. Sie beobachtete ihn eindringlich und stellte die erste Frage, die ihr in den Sinn kam.

"Wer bist du?"

Eine einfache Frage die man erwarten müsste und doch brachte sie Ray aus dem Gleichgewicht. Abwartend auf eine Antwort verfolgten ihre grünen Augen abwartend jede seiner Bewegungen.

"Wer bist du?" wiederholte das Mädchen ihre Frage und ihre helle Stimme durchbrach die Stille, die sie umgab, zum zweiten Mal.

Ray starrte sie an. Es schien eine normale Frage zu sein. Die meisten Menschen stellen diese Frage einer Person die sie nicht kennen, jedoch erschien es ihm absurd in solch einer Situation danach gefragt zu werden. Immerhin hat er sie angegriffen, gekidnappt und in ein ihr unbekanntes Apartment gebracht. Sie immer noch beobachtend nahm Ray seine, unter der Jacke befindlichen, Waffen ab und legte sie auf den Tisch, dann nahm er sein Samurai-Schwert von seinem Rücken und befestigte es wieder an der Wand. Seine Jacke legte er auf den kleinen Wohnzimmertisch, das Blut in nassen Flecken sichtbar. Ann verzog bei dieser Sicht die Nase, kurze Zeit später guckte sie den Killer wieder trotzig an.

"Wer bist du?" fragte sie, Ungeduld und Trotz in ihrer Stimme deutlich hörbar, "Die Frage ist doch zu beantworten, oder?" Die Augenbrauen des Killers schossen in fassungsloser Überraschung in die Höhe. Ray fragte gleich die erste Frage, die ihm in den Sinn kam. "Wieso fürchtest du dich nicht?"

"Sollte ich?" fragte sie ruhig.

Statt zu antworten nahm Ray wieder sein Schwert von der Wand und kam langsam auf sie zu. Kurz vor ihr blieb er stehen und zog das Schwert mit quälender Langsamkeit aus seiner Scheide. Die Klinge glänzte im Licht und die Lichtstrahlen spielten entlang der langen, scharfen Waffe. Der Killer beugte sich zu Ann hinüber und hielt die Klinge absichtlich nahe an ihren Hals. Das Schwert fühlte sich kalt an ihrer Haut an und doch war der Atem von Ann normal und das Herz begann nicht schneller zu schlagen. Stattdessen trafen sich ihre Blicke. Das Blut, das an seiner Kleidung und seinen Händen klebte, erfüllte all ihre Sinne mit dem Geruch des Todes. Sie konnte nicht länger diesen Geruch ertragen.

"Du riechst ekelhaft" sagte sie mit ruhiger Stimme.

Ihre Aussage berührte ihn jedoch in keiner Weise, stattdessen erhöhte er den Druck auf die Klinge, verletzte ihren Hals aber nicht.

"Und, genießt du deinen Zeitvertreib?" fragte Ann fordernd.

Ray verengte seine Augen fast zu Schlitzen und sah sie kalt an. Plötzlich entfernte er die Klinge von ihrem Hals und ging zum Kamin. Dort steckte er das Schwert in die Schwertscheide und befestigte es wieder an der Wand.

"Und tust du?" presste sie weiter.

Ray guckte sie einen Moment düster an. Für Ann schienen seine grauen Augen voller Zorn zu sein. Unter dieser Wut jedoch sah sie andere Emotionen versteckt, die viel tiefer in seiner Seele verborgen lagen. War es Bedauern? Schmerz? Trauer? Am Nahesten kam das Gefühl, das sie für einen Moment in seinen Augen sah, tiefster Trauer. Aber wie konnte ein Killer so niedergeschlagen und gebrochen sein? Er ist es doch, der anderen entsetzliches Leid zufügt und nicht umgekehrt?! Ann hob ihren Kopf etwas höher und musterte ihren Killer zum ersten Mal etwas genauer. Er stand in der Nähe des Kamins und starrte in die dort brennenden Flammen. In dem dunklen Zimmer umrahmte das Licht des Feuers seine Statur. Er musste ungefähr 1,80 cm groß sein, dachte Ann abschätzend. Ziemlich gut gebaut, ist ja für einen Killer nicht überraschend, außerdem tötet er ja mit einem Schwert, da muss er regelmäßig trainieren um so gut zu sein. Wahrscheinlich Anfang zwanzig. Sein markantes Gesicht zierte eine gerade Nase und ein kantiges Kinn, was von einer willensstarken Natur zeugte. Die pechschwarzen Haare waren kurz geschnitten und etwas durcheinander, was ihm einen wildes und unbezähmbares Aussehen verlieh. Am auffälligsten jedoch waren seine Augen, hell-grau wie die Klinge seines Schwertes, wenn er wütend war, und dunkel grau wie die Wolken im Frühling kurz vor dem Gewitter, wenn er in Gedanken versunken war, so wie jetzt. Alles in allem ein absoluter Hingucker, beschloss Ann. Wie konnte ein Mann so ein atemberaubendes Äußeres haben und zugleich innerlich so erschreckend sein. Ein Killer! Jemand, der anderen das Leben entreißt! Ein Todesengel! Ja, diese Bezeichnung passte zu ihm, schön wie ein Engel und erschreckend wie der Tod.

"Also, was ist? Genießt du es? Das Töten?" fragte Ann erneut.

Ray hob seine Augen von den Flammen weg und guckte sie direkt an.

"Denkst du ich tu' s?" fragte er und ging zielstrebig auf die Bar zu.

Ruckartig öffnete er sie, holte eine Flasche raus und goss sich ein halbes Glas puren Wodka ein. Mit dem Glas in der Hand drehte er sich zu Ann um, musterte sie kurz und mit einem Ruck trank das ganze Glas leer.

"Du tust deinen Job sehr oft, nicht war?!" sagte Ann, mehr eine Feststellung als eine Frage.

"Sagt das irgend etwas darüber aus, ob ich es genieße?" antwortete Ray wütend und stellte sein Glas mit einem lauten Knall auf den Tisch.

Ekelhaft, der Geschmack des Wodkas brannte noch in seiner Kehle. Wieso ließ er sich nur so von ihr provozieren? Sie ist doch nichts weiter als eine Göre, die keine Ahnung davon hat, was ein hartes Leben ist. Er müsste ihr doch überlegen sein? Warum fühlte er sich dann so besiegt, so schuldig? Ihr schuldet er doch keine Rechenschaft? Verzweifelt und wütend hob er sein leeres Glas und schmiss es mit einer solchen Kraft in das Kaminfeuer, dass viele Feuerfunken ins Wohnzimmer geschleudert wurden. Sie kreisten in einem wirren Tanz kurz in der Luft, bevor sie grau und erloschen auf den Boden und den nahe stehenden Tisch fielen. Ann war überrascht und etwas erschrocken über den kurzen aber intensiven Wutausbruch des Killers. Der kaltblütige und beherrschte Killer war ihr lieber als dieser wutentbrannte und ungezügelte Mann vor ihr. Seine Augen waren dunkel und auf sie gerichtet, sein Atem kam schnell und stoßweise, als ob er eine lange Distanz gelaufen war, die Hände so fest in Fäuste geballt, so dass die Knöchel weiß hervortraten. Jetzt war er wirklich erschreckend. Es war still in dem Apartment, nur das laute Atmen des Killers unterbrach die erdrückende Stille. Ann streckte ihre Hand aus und wischte damit kurz über den Tisch, dann betrachtet sie das rote Blut, das von seiner Jacke nieder tropfte, und die graue Asche, die sich auf den Tisch niedergelegt hatte, genauer. Ray beobachtete aufmerksam jede ihrer Bewegungen.

"Blut" sagte Ann leise, kaum wahrnehmbar "und Asche."

Der vermischte Geruch von Blut und Asche stieg ihr in die Nase, der Geruch des Todes. Daraus bestand das Leben dieses Mannes, was Ann klar wurde, und sie fühlte so etwas wie Mitleid für ihn.

"Dieser Geruch verfolgt dich, nicht war?! Dort, wo du bist, ist auch der Tod" sagte sie sanft.

Ray sah ihr forschend in die Augen und erkannte in deren grünen Tiefen das für ihn aufkeimende Mitleid. Mitleid? Für einen Killer? Ihren Killer? Langsam stieg wieder Zorn in ihm auf. Niemand sollte Mitleid für ihn empfinden. Niemand. "Wage es nicht mich zu bemittl..."

Das schrille Klingeln des Telefons unterbrach den von Ray angefangenen Satz. Der Killer, wie auch sein Opfer, starrten auf das klingende Telefon, als wäre es aus einer fremden Welt aufgetaucht. Es klingelte noch einmal und ließ Ann und Ray durch den lauten und schrillen Ton, der die Stille des Raumes durchbrach, zusammenzucken. Ray stand auf und nahm verärgert und grob den Telefonhörer ab. "Was ist?" sagte er gereizt in den Hörer. Zuerst spiegelte sich Ärger auf seinem Gesicht, gefolgt von kurzer Überraschung und dann seinem gewohnt gefühlslosen Gesichtsausdruck. Ann konnte sich nicht helfen und lauschte neugierig der vor ihr stattfindenden Unterhaltung.

"Woher wissen sie das?" fragte Ray und ein Hauch von Verlegenheit zog für ein Moment über sein sonst so beherrschtes Gesicht.

"Ich weiß, dass es mir klar gesagt worden ist" sagte Ray und hörte intensiv dem Anrufer zu.

"Sie ist jetzt bei mir. Soll ich den Job beenden?"

Bei diesen Worten lief es Ann kalt den Rücken runter und sie drückte die Coucharmlehne noch fester, so dass ihre Knöchel weiß hervortraten.

"Wofür?" fragte Ray ungläubig und zog seine rechte Augenbraue in die Höhe.

"Ist mir egal." murmelte Ray in den Telefonhörer, "Es ist nur sehr seltsam."

Er verzog mürrisch das Gesicht und erwiderte: "Es ist absurd. Ich würde niemals...."

Der Killer wurde scheinbar unterbrochen und diesmal dauerte die Pause, in der er zuhörte, länger.

"Wenn ihr sie lebendig haben wolltet, wieso habt ihr mir den Auftrag überhaupt erteilt?"

Sein Gesichtsausdruck zeigte für kurze Zeit etwas Ärger und Überdruss, doch so schnell diese Gefühle kamen, so schnell verschwanden sie auch.

"Ich weiß, dass es Sachen gibt, die Top Secret sind, ich denke nur, es war eine verschwendete Nacht. Also, ich werde tun was sie mir sagen, Sir."

Ich bin doch kein gottverdammter Babysitter für eine Göre, dachte Ray und biss in seinem Ärger die Zähne zusammen.

"Ich habe alles unter Kontrolle, Sir" sagte Ray, schloss für einen Augenblick die Augen, dann legte er langsam den Telefonhörer auf die Telefongabel.

Allmählich drehte er sich zu dem wartenden Mädchen um. Sie sah ihn an, durch das Telefongespräch etwas alarmiert.

"Du bleibst hier" verkündete der Killer leise und ging zielstrebig auf die Tür zu.

Aus seiner Hosentasche holte er einen Türschlüssel raus steckte ihn in das Türschloss von der Ausgangstür und drehte ihn. Es ertönte ein Klicken, was das Schließen des Schlosses signalisierte. Ann sah sich das ganze ungläubig an, er verschloss doch tatsächlich die Tür. Ihre letzte Hoffnung doch noch frei zu kommen starb mit dem Klicken des Türschlosses. Diese Einfache Handlung des Killers führte Ann die Ausweglosigkeit ihrer Lage vor Augen. Sie war ihm absolut schutzlos ausgeliefert. Nach einem Ausweg suchend guckte Ann sich um. Das Zimmer in dem sie saß war recht groß und zeitgenössisch eingerichtet. Die Möbel waren modern und zeugten von einem extravaganten Geschmack. Das große und schön gebaute Kamin mit den darüber hängenden Schwertern unterstützte den Eindruck der Ausgefallenheit noch stärker. Die Fenster waren mit schweren weinroten Vorhängen zugezogen, die farblich mit dem dunklen persischen Teppich vortrefflich harmonierten. Die lederne schwarze Couch auf der Ann saß befand sich in der Mitte des Zimmers vor dem Kamin. Davor stand ein wuchtiger Wohnzimmertisch, der aus schwarzem Metall und schwerem Glass bestand, auf dem die Waffen von dem Killer lagen. Als Ann sie sah kam ihr sofort Fluchtgedanken in den Kopf.

"Denk nicht mal daran." sagte der Killer warnend. Ann guckte sofort von den Waffen weg.

"Du wirst im Schlafzimmer schlafen." Ann rührte sich nicht und beobachtete den Killer mit wachsendem Misstrauen.

"Beweg dich." sagte Ray laut von der ganzen Situation bis aufs letzte gereizt.

Ann bewegte sich immer noch nicht. Sie saß da wie versteinert und schien nicht zu hören was der Killer ihr sagte. Der Geduldsfaden von Ray riss. Bis aufs äußerste verärgert ging er auf Ann zu, nahm sie am ihren Arm fest und zog sie grob hoch und hinter sich her in das Schlafzimmer. Ann spürte den festen Griff des Killers auf ihren Arm und wusste dass sie ihm nicht entkommen konnte. Seine Hand schloss sich wie eine Zange um ihren Oberarm. Morgen wird da ein blauer Fleck zu sehen sein dachte Ann, wenn sie bis Morgen überleben sollte kam ihr der Nachgedanke und sie lächelte traurig in sich hinein. Der Mann hatte die absolute Gewalt über sie. Er konnte mit ihr machen was er wollte, wenn sie nur mit ein paar blauen Flecken davonkommt, wird das ein Wunder sein. Ann war zwar jung konnte sich aber schon genau vorstellen was der Killer mit ihr alles anstellen könnte und das war viel schlimmer als der Tod. Wenn ich schon untergehen sollte dann nicht ohne einen Kampf dachte Ann und wollte schon anfange zu schreien und sich gegen Ray zu wehren als er sie losließ. Ray erreichte mit Ann das Schlafzimmer und schubste sie hinein.

"Schreien hilf dir nicht, es kann dich sowieso niemand hören, also lass es." sagte Ray, bevor er die Schlafzimmer hinter sich mit dem Schlüssel zuschloss.

"Hey was ist, wenn ich auf die Toilette muss?" schrie Ann ärgerlich durch die verschlossene Tür hindurch, nachdem sie den ersten Schock überwunden hatte.

Leise hörte sie seine Antwort.

"Musst du eben bis zum Morgen warten, " erwiderte Ray auf ihre Frage. Plötzlich hörte er etwas an der Tür laut zerbrechen gefolgt von einigen Flüchen. Dann war Stille. Ray wunderte sich über die Situation in der er sich jetzt befand. Noch nie hatte eine Frau sein Apartment betreten geschweige den hier übernachtet obwohl einige sicher einiges dafür geben würden. Seine Beziehungen zu Frauen beschränkten sich meistens auf ein Hotelzimmer nach einer Nacht in der Bar mit einer unbekannten Schönheit, die ihn meistens angesprochen hatte. Nie verspürte er den Drang mit einer Frau eine tiefere Beziehung als nur die sexuelle einzugehen. Deswegen überraschte es nicht, dass alle diese Frauen nicht mal seinen Namen wussten. Morgens früh fanden sie sich wieder alleine in dem Hotelzimmer keine Spur von dem fremden Mann und fragten sich wahrscheinlich ob das ganze nicht ein Traum war. Obwohl er ihnen vorher deutlich machte dass es ihm nur um den Sex geht, hofften die meisten Frauen ihn doch noch an sich zu binden. Dieses Vorhaben misslang aber immer. Sie dienten ihm lediglich dazu seine körperlichen Begierden für eine Zeitlang zu stillen. Es war ja nicht so dass er die Frauen für seine Zwecke missbrauchte oder sie nicht respektierte nur gelang es noch keiner von ihnen sein Herz zu berühren. Und es wird auch keiner gelingen, denn er hatte das Herz eines Killers, ein rabenschwarzes Herz, davon war Ray fest überzeugt. Trotz dessen aber befand sich jetzt eine Frau, nein ein Mädchen eingesperrt in seinem Zimmer. Todmüde und von neuen Problemen bedrückt duschte sich Ray um den Blutgeruch los zu werden und legte sich auf die Couch

Ann sah sich im Schlafzimmer erst mal nach Fluchtmöglichkeiten um In der Mitte des Zimmers stand ein großes schwarzes und modernes Metallbett. An der linken Wand war ein dunkler Schrank mit menschengroßen Spiegeln in der Mitte. Am Fenster hingen wie auch im Wohnzimmer weinrote Vorhänge. Sofort ging sie auf diese zu und sah hinaus. Ihre Hoffnungen auf eine Flucht über das Fenster wurden nicht erfüllt, da das Apartment im 21. Stock lag. Enttäuscht wendete sie sich ab. Das Zimmer im Allgemeinen wirkte sehr kalt und riesig. An den Wänden hingen keine Bilder was noch zusätzlich zu der vorhandenen sterilen Atmosphäre beitrug. Ein kalter Schauer lief Ann bei der Betrachtung des Raumes über den Rücken. Sie verstand nicht wie jemand in einer solchen Umgebung gut schlafen konnte. Wenigstens hat er mir nichts angetan, dachte Ann also kann ich auch versuchen das Beste aus der Situation zu machen. Sie ging zielstrebig in Richtung des Schrankes und öffnete ihn. Die Kleidungsstücke waren sehr ordentlich gefaltet oder aufgehängt. Die vorherrschende Farbe war natürlich schwarz, es gab aber auch einiges in blauen und grauen Farbtönen. Ann suchte sich ein schwarzes Hemd raus in dem sie zu schlafen beabsichtigte, denn ihre eigenen Kleider waren mit Blutflecken überseht. So schnell sie nur konnte zog sie sich um und legte sich auf das Bett unter die Decke. Die Bettwäsche war weiß und roch noch sehr nach neuem so als wäre sie noch nie benutzt worden. Trotz ihrer Nervosität und Angst vor der Zukunft war die Müdigkeit stärker und Ann schlief ein. In einem unruhigen Schlaf wälzte sie sich von einer Seite zu anderen. Plötzlich wachte sie mit einem fürchterlichen Schrei auf und sprang aus dem Bett. Ihre Augen waren in Panik aufgerissen, Tränen liefen ihre Wangen runter und sie zitterte am ganzen Körper. Nach einigen Augenblicken begriff sie wo sie sich befand und das Alles nur ein fürchterlicher Alptraum war.

Ray schreckte ebenfalls hoch, etwas hat ihn aufgeweckt. Ein Schrei hatte ihn aufgeweckt. Aufmerksam hörte er in die Stille hinein, es war noch sehr früh am morgen und stock finster. Der Aufschrei kam aus dem Zimmer in dem sich das Mädchen befand, schleunigst ging Ray zur Zimmertür und horchte.

Sie hörte wie der Killer zur ihrer Tür kam und dort stehen blieb. Sie hat ihn wohl auch aufgeweckt, dachte Ann flüchtig. Ohne sich dessen bewusst zu sein ging auch sie zu Tür. Unentschlossen blieb sie davor stehen, sie sehnte sich zwar nach Trost und Geborgenheit aber erwartete sie das alles etwa von einem Killer? Wenigstens ist er ein menschliches Wesen, dachte sich Ann, und alleine dieser Gedanke hatte etwas Tröstendes an sich. Langsam setzte sie sich an die Tür angelehnt auf den Boden hin. Erst jetzt bemerkte Ann, dass sie immer noch leise schluchzte und Tränen ihre Wangen entlang liefen, konnte aber nichts dagegen tun. Sie hörte wie sich der Killer auf der anderen Seite auch setzte und wunderte sich wieso er nicht schlafen ging. In der Stille hörte Ann wie er ruhig und regelmäßig atmetete, ohne es zu merken glich sie ihre Atmung seiner an. Das Licht des nächsten Morgens fand den Killer und sein Opfer Rücken an Rücken sitzend nur durch eine Zimmertür getrennt. Ray wachte als erster auf, stand auf und streckte sich. Die digitale Uhr auf dem Tisch zeigte genau 6 Uhr 30. Plötzlich klingelte das Telefon. Ray ging ohne Umschweife sofort ran.

Einige Augenblicke herrschte nur Stille, doch dann fragte die Stimme von gestern:

"Ist sie noch bei dir?"

"Ja"

"Egal was du tust lass sie nicht aus den Augen", befahl die Stimme.

Ray antwortete nicht.

"Hast du mich verstanden?" fragte die Stimme aufdringlich.

"Ja" antwortete Ray, kaum seinen Ärger verbergend.

"Gut" sagte die Stimme und legte auf.

Er knallte das Telefon in seinem Ärger auf den Tisch. So eine Scheiße, dachte Ray wütend, jetzt muss er die verdammte Göre überall mit hin schleppen, dabei muss er heute zum Schießstand und danach zu seinem Schwertmeister. In Gedanken versunken wurde er plötzlich durch ein lautes Klopfen an der Zimmertür aufgeschreckt. Das Klopfen wurde durch das laute Schreien von Ann begleitet.

"Hey du! Hörst du mich?! Lass mich sofort hier raus! Ich muss dringend auf die Toilette!"

Ray fluchte leise vor sich hin, die Bestie ist aufgewacht.

Ohne ein Wort zu sagen öffnete er die Schlafzimmertür. Was er dort sah verschlug ihm einige Sekunden lang den Atem. Direkt vor der Tür nur mit seinem schwarzen Hemd bekleidet, die langen roten Haare wild durcheinander, stand Ann. Ihre smaragd-grünen Augen funkelten ihn böse an. Ohne etwas weiter zu sagen drängelte sie sich an ihm vorbei und ging auf die Toilette. Ray blieb noch einige Augenblicke wie angewurzelt stehen bevor er sich in die Küche begab um etwas zum Frühstück zu machen.

Ann nahm sich etwas mehr Zeit als sonst um sich fertig zu machen. Sie musste erst mal ihre Fassung wieder gewinnen bevor sie sich erneut dem Killer stellen konnte. Um nicht wieder nur im Hemd vor ihm zu stehen, holte Ann eine Sporthose aus dem Kleiderschrank und zog sie an. Diese war ihr natürlich viel zu groß also nahm sie die einzige Krawatte die im Schrank hing und band sie sich um die Hüften. Die Hose fiel jetzt wenigstens nicht mehr runter. Zufrieden mit ihrer Kreation verließ sie das Schlafzimmer und ging in die Küche.

Ray stellte gerade einen Teller mit Rührei auf den Tisch als Ann rein kam. Er vermied es sie anzusehen, als er es jedoch gezwungenermaßen tun musste verfinsterte sich sein Gesicht sofort merklich. Die Göre hat doch tatsächlich auch noch seine Sporthose angezogen und sie mit seiner einzigen Krawatte befestigt. Ann fiel sofort auf was los war und sie entgegnete: "Wenn du nicht willst dass ich deine Sachen anziehe, musst du mir welche kaufen. Ich konnte bei meiner Entführung ja kaum einen Koffer mitnehmen und meine Kleider die ich an hatte sind voller Blut."

Ray antwortete nichts, erkannte aber dass das Mädchen recht hatte, also mussten sie wohl oder übel heute noch Kleidung kaufen. Der Tag fing erst gerade an und Rays Laune war schon jetzt an einem Tiefpunkt angelangt wo es nicht mehr runter ging. Nach dem Essen räumte er alles weg, Ann saß nur da und beobachtete ihn. Ohne sich zu ihr umzudrehen sagte er: "Zieh dich an."

Ann guckte ihn etwas überrascht an doch dann zog sie wortlos ihren Mantel über. Bevor sie jedoch raus gehen konnten sagte sie zu ihm gewandt: "Du musst mir noch deinen Namen sagen. Ich kann dich ja gerne Killer nennen aber das wird wohl nicht in deinem Sinne sein."

Ray sah sie durchdringend an. So standen sie einige Augenblicke da bis er sich abwandte und nur ein Wort sagte:

"Ray."

Er hieß also Ray, dachte Ann als sie darauf wartete, dass er die Tür verschloss. An Flucht war jetzt überhaupt nicht zu denken, er würde sie sowieso schneller eingefangen haben, bevor sie zwei Schritte tun konnte. Die einzige Frage die sie jetzt noch beschäftigte war, wohin er sie wohl bringen wird. Ihn danach zu fragen erschien absolut aussichtslos. Er würde es ihr sowieso nicht sagen, also ging sie neben ihm her und verlor kein einziges Wort. Im Erdgeschoß angekommen empfing sie ein Portier und wünschte ihnen einen guten Morgen. Total überrascht sah er Ray mit seiner Begleitung an. Noch nie hat der alte Portier ihn mit einer Frau gesehen. Neugierig musterte er das Mädchen, die es anscheinend geschafft hatte Mr. Dameron einzufangen. Sie schien noch wahnsinnig jung zu sein, so um die 17-18 Jahre alt, mittlerer Größe, sehr schlank und athletisch gebaut. Das besondere an ihr waren ihre langen roten Locken und ihre fast unnatürliche smaragd grünen Augen. In Allgemeinen schien sie recht hübsch zu sein aber nicht der Typ von Frau bei der man sagen konnte sie wäre absolut unwiderstehlich. Die etwas seltsame Kleidung die das Mädchen an hatte bestätigte nur diese Vermutung. Bei einem Mann mit dem Aussehen von Mr. Dameron erwartete man eigentlich eine Frau, die einem Supermodel gleich kam und nicht solch ein mehr oder weniger gewöhnliches Mädchen, dachte sich der Portier als er Ann zum wiederholten Male musterte.

Ann bemerkte die neugierigen Blicke des Portiers und konnte sich schon vorstellen was er über die Beziehung zwischen Ray und ihr dachte. Verdammt zu gern hätte sie ihm ins Gesicht geschrieen, dass sie seine Geisel ist und nicht seine Hure. Stattdessen lächelte sie den Portier widerwillig an. Ray nickte nur in seine Richtung, bevor er mit Ann das Gebäude verlies.
 

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Die Schritte hallten laut in dem Keller des Morddezernats, als Tony schon früh morgens schnellen Schrittes den einsamen und grauen Flur zur Pathologie entlang ging. Es sind schon 48 Stunden seit dem Mord an Rodriges Penzzo vergangen und er hoffte, aus der erfolgten Autopsie schon einiges zu erfahren. Seine Erwartungen setzte er aber nicht zu hoch, denn zu gut wusste er, dass der Hitokiri keinerlei Anhaltspunkte hinterlässt. Etwas Gutes hatte der Weg zu Pathologie aber immer für ihn, denn da würde er Kirsten Valere treffen. Sie war mit ihren 34 Jahren schon die Chefpathologin der Polizei aber das war nicht das was den jungen Polizisten interessierte.

Kirsten Valere war eine sehr schöne Frau, mit ihren langen meist zu einem Pferdeschwanz zusammengebundenen kastanienbraunen Haaren und etwas schräg gesetzten zimtbraunen Augen. Sie war eine sehr elegante Erscheinung, die jedoch den Menschen oft etwas zurückhaltend und distanziert gegenüber trat. Auch zu Tony war sie eher kühl obwohl sie sich schon seit etwa fünf Jahren kannten. Ihn jedoch ärgerte die Kühle die sie auch bei ihm an den Tag legte. Schon seit einigen Jahren versuchte er vergebens sie zu einem Date zu überreden was aber nicht gelang. Diese Tatsache entmutigte ihn aber keinesfalls, eher im Gegenteil, da Tony ziemlich sturköpfig war dachte er nicht mal ans Aufgeben.

Auch jetzt überlegte er im Gehen eine neue Taktik wie er die kalte Schönheit überreden könnte mit ihm auszugehen.

Mit einem energischen Schwung machte er die Tür in die Pathologie auf und ging rein. Wie immer grüßte ihn die schwer nach Spiritus und anderen Chemikalien riechende Luft. Die Umgebung war weiß, steril und kalt. Neben einem Schrank mit einem Fläschchen in der Hand und ihm den Rücken zugekehrt stand Kirsten Valere.

"Einen schönen guten Morgen, Kirsten." sagte Tony fröhlich

"Ihnen auch einen guten Morgen Kollege McCannon." entgegnete Kirsten ohne sich zu ihm umzudrehen.

"Wann hören sie endlich auf mich so zu nennen. Sagen sie Tony zu mir."

"Sie sind sicherlich wegen Rodriges Penzzo hier." stellte sie fest und drehte sich erst jetzt um.

Tonys fröhliches Lächeln verzog sich zu einem ärgerlichen.

"Du machst das mit Absicht nicht war?"

Ohne auf seine Frage einzugehen öffnete sie die Akten und sagte:

"Wie sie schon sicherlich wissen wurde der Kopf mit einem sehr scharfen Gegenstand entfernt, so wie sie alle. Es hat kein Kampf stattgefunden, denn er hatte keinerlei weitere Verletzungen. Das Opfer war angetrunken, das heißt er hat es nicht mal mitgekriegt wie es um ihn geschah. Weiter gibt es nichts zu sagen. Es ist immer dasselbe."

Mit diesen Worten reichte sie ihm die Akte und drehte sich wieder zu dem Schrank mit den Chemikalien um.

Tony sah sich den Autopsiebericht flüchtig durch und klemmte diesen unter seinen Arm.

"Weist du Kirsten heute läuft ein sehr guter Film im Kino und da wollte ich dich fragen ob..."

"Du kennst doch meine Antwort. Wieso versuchst du es immer wieder?"

"Ich gebe halt nie auf, das müsstest du doch schon inzwischen gemerkt haben."

"Du bist wirklich stur aber ich bin es auch also lass uns sehen wer gewinnt." sagte Kirsten und ging zu ihrem Schreibtisch der in einer anderen Ecke stand. Damit zeigte sie an dass für sie das Gespräch beendet war.

Tony drehte sich zum Gehen und murmelte: "Ja lass uns sehen."

Auf dem Weg zu seinem Büro machte er noch einen Zwischenstopp bei der Spurensicherung und ließ sich den Bericht mitgeben. In seinem Büro angekommen sah er auch schon O'Kail dort sitzen.

"Verdammt! Es ist wie immer. Er hinterlässt uns Nichts."

ärgerte sich Tony und schmiss in seinem Frust die Berichte auf den Schreibtisch.

Ohne ein Wort zu sagen nahm O'Kail diese und fing an sie durchzusehen. Heute musste er noch runter ins Archiv und sich den Rest der Berichte abholen. Jack wollte sich selbst ein Bild des Killers machen ohne dass ihn jemand störte.

Tony beobachtete ihn neugierig und wartete was wohl sein neuer Partner zu sagen hat. Jack jedoch erhob sich, ging zum Kopierer und machte sich Kopien von den Berichten, dann nahm er die Kopien und ging aus dem Büro raus. Tony blieb total verwirrt und sprachlos zurück.

Auf seinem Weg zum Archiv blieb er vor den Fahrstuhl stehen und wartete. Mit einem leisen Rascheln ging die Tür des Fahrstuhls auf und Jack wollte schon reingehen als er mit jemandem kollidierte. Etwas überrascht stellte er fest, dass es eine Frau war. Als sie wieder etwas stabiler auf den Beinen stand guckte sie zu ihm hoch, denn sie war wesentlich kleiner als er, und lächelte. Sie hatte das schönste Lächeln dass er jemals gesehen hatte, zwei kleine Grübchen zierten ihre Wangen. Ihre himmelblauen Augen sahen voller Fröhlichkeit und Vertrauen in die Welt. Die kurzen lockigen blonden Haare umrahmten ihr junges Gesicht. Sie war bestimmt nicht älter als 20.

"Das sieht mir wieder mal ähnlich, aus purer Schusseligkeit jemanden umzurennen. Entschuldigen sie bitte nochmals."

Jack guckte sie eine Zeitlang etwas verwirrt an bis sein kalter Blick wieder da war.

Die Frau schien dies jedoch nicht abzuschrecken, denn sie streckte ihm ihre Hand zu Begrüßung aus und sagte: "Ich heiße übrigens Elisabeth Bauer. Mich nennen aber alle Ellie. Und wie heißen sie? Ich bin noch neu hier und deswegen kenne ich kaum jemanden."

In diesem Moment rief jemand: "Ellie wo bleibst du denn?!"

Die ausgestreckte Hand wurde wieder entfernt als die Frau zurückrief: "Ich bin gleich wieder da."

"Es tut mir so leid aber ich muss jetzt gehen. Es hat mich sehr gefreut. Entschuldigen sie mich bitte nochmals dass ich sie fast umgerannt habe." sagte die Frau lächelnd und ging.

Jack stand noch ein paar Sekunden total fassungslos da, bevor er in den Fahrstuhl hineinging. Das war die seltsamste Frau die er jemals in seinem Leben getroffen hatte.

Mit dieser Feststellung im Kopf drückte er den Knopf und der Fahrstuhl glitt leise raschelnd in den Keller.
 

********************
 

Draußen war es überraschend warm. Die Sonne schien in all ihrer frühlingshaften Pracht vom blauen Himmel. Die Vögel sangen in den Bäumen. Kurz es war ein Tag den man allgemein genoss. Von all dem bemerkte Ann kaum etwas als sie mit Ray aus dem Haus kam. Sofort gingen sie auf den Parkplatz, um sein Auto zu hohlen. Dort standen um die hundert verschiedener Wagen. Ein Auto fiel Ann jedoch besonders auf, es war ein titanfarbener 3er BMW. Sie hätte wissen müssen, dass dieses Auto "ihm" gehörte, als Ray zum Wagen ging und ihn entriegelte. Alle Autos spiegelten irgendwie bestimmte Merkmale der Persönlichkeit ihres Besitzers wieder. So war dieses Auto wahnsinnig schön anzusehen und hatte einiges in Geschwindigkeit und Komfort zu bieten, war aber für normal Sterbliche nicht zu erreichen. Ray war genauso, makellos und attraktiv aber sehr verschlossen und unerreichbar. Beide setzten sich ohne jegliche Gefühlsregung in das Auto und fuhren los. Ann guckte aus ihrem Fenster, die Hochhäuser von New York flogen nur so an ihr vorbei als sie auf den Highway entlang fuhren. Es schien so als würde sich der Traum jeden Mädchens erfüllen, zusammen mit einem wahnsinnig gutaussehenden Mann in einem tollen Auto auf dem Highway in New York zu fahren. Für Ann jedoch war es wohl eher ein nicht enden wollender Alptraum, gefangen und auf die Gnade seitens eines Killer hoffend.

Im Auto war es still. Ann fühlte wie diese Stille ihr schon auf die Ohren zu drücken begann. Sie drehte sich zu Ray um und guckte ihn aufdringlich an. Er merkte natürlich sofort, dass das Mädchen ihn ansah, versuchte es aber zu ignorieren bis es nicht mehr ging.

"Was?" fragte er kalt, so dass Ann ein Schauer den Rücken herunterlief.

"Könnte ich vielleicht etwas Radio hören?"

Ohne zu antworten schaltete Ray das Radio an. Ann lies innerlich einen Seufzer der Erleichterung entweichen. Die Stille war weg.

Die Kaufhäuser waren voll. Ray fragte sich ob es daran lag, dass es Samstagmittag war. Er lies das Mädchen die Geschäfte aussuchen, begleitete sie aber auf Schritt und Tritt. Trotz ihrer schrecklichen Lage genoss Ann es einkaufen zu gehen. Sie war noch nie in solch großem Einkaufszentrum, wo so viele verschiedene Geschäfte waren. Wenn sie schon solch eine Gelegenheit bekam sollte sie es doch auch nutzen, dachte sich Ann und ging begeistert in ein Unterwäschegeschäft. Ray blieb dicht hinter ihr. Im Geschäft waren nur Frauen und Mädchen anwesend, die ihn jetzt etwas überrascht anstarrten. Sein Gesicht blieb jedoch ohne jegliche Gefühlsregung. Die Aufmerksamkeit der Frauen verlagerte sich jetzt auf Ann, die sich in ihrer unpassenden Kleidung noch unbehaglicher fühlte. Ihre Gefühlsregungen konnte sie jedoch nicht so gut verbergen wie Ray und so trat sie einige Male nervös von einem Fuß auf den anderen, bevor sie weiter ging. Als die beiden etwas weg waren löste sich die vorher entstandene Spannung auf und die Frauen fingen an, leise über das seltsame Pärchen zu tuscheln.

Ann überwand nach einiger Zeit ihre Nervosität und begann, sich Unterwäsche auszusuchen. Ray stand da und ließ sie nicht aus den Augen.

Ann suchte sich alles aus was sie brauchen würde und wollte schon zu Kasse gehen, als ihr plötzlich eine tolle Idee kam wie sie dem Killer eins auswischen könnte. Zwar war die Idee doch etwas kindisch aber besser als nichts, dachte Ann als sie zur Tat schritt.

Sie suchte einen roten wahnsinnig erotischen BH aus und drehte sich zu Ray um.

"Und werde ich dir in dem hier gefallen?" fragte Ann keck und etwas lauter als notwendig, was absolut beabsichtigt war.

Den BH hielt sie hoch damit er ihn sehen konnte. Es wurde wieder still und die anwesenden Frauen warteten begierig darauf wie die Antwort von Ray lauten wird.

Ann spürte wie seine Augen sie regelrecht verärgert durchbohrten und bereute einen Augenblick lang was sie gemacht hatte aber nur für einen Moment. Dann hob sie herausfordernd ihre linke Augenbraue.

"Du weißt doch, dass du mir nackt am Besten gefällst." antwortete Ray und sah ihr schockiertes Gesicht.

Sie konnte nicht fassen dass er das laut ausgesprochen hat. Alle Frauen im Geschäft musterten sie jetzt von überall her und machten sie noch ärgerlicher als sie es jetzt schon. Sie nahm die Sachen die sie ausgesucht hatte mit und ging in Richtung Kasse. Als Ray ihr folgte holte er seine Kreditkarte raus, um für die Sachen zu bezahlen. Er gab die Karte Ann und ging schon mal von bewundernden Blicken der Frauen begleitet zu Tür. Dort wartete er, ohne sie aus den Augen zu lassen.

Die Verkäuferin lächelte Ann zu und sagte voller begeisterter Blicke für Ray: "Sie haben so ein Glück solch einen Mann zu haben!"

Ann wollte zuerst etwas dagegen sagen lies es jedoch bleiben, es hatte eh keinen Zweck.

Sie bedankte sich bei der Verkäuferin und ging.

Die Einkäufe waren ungefähr in zwei weiteren Stunden erledigt, da Ann sehr schnell jegliche Lust verloren hatte. Jedes Mal, wenn sie in ein Geschäft hineinkamen, wurden sie angestarrt. Ray, weil er so attraktiv war und auf Frauen eine regelrechte Anziehungskraft ausübte und sie, weil sie bei ihm war, wobei die Blicke, die sie anzog, die von Neid und Eifersucht waren. Sogar das Einkaufen war mit ihm die reinste Qual, dachte Ann total verärgert. Für Ray war diese Art von Aufmerksamkeit alltäglich und er hatte gelernt damit umzugehen, das heißt, es zu ignorieren. Seit dem Vorfall im Unterwäscheladen wurde zwischen den Beiden kein einziges Wort gewechselt. Ann versuchte so gut es ging ihren "Schatten" zu ignorieren und Ray blieb so weit es ihm möglich war im Hintergrund, ohne die Gefahr einzugehen sie aus den Augen zu verlieren.

Endlich saßen sie wieder im Auto und Ann entspannte sich, als der Wagen sanft entlang des Highways fuhr. Starke Müdigkeit machte sich in ihr breit, wahrscheinlich von dem Schlafmangel der letzten Tage. Ray sah, dass das Mädchen eingeschlafen war. Endlich hatte er seine Ruhe, kein Radio, kein Einkaufszentrum und das wichtigste kein aufmüpfiges Gör, das ihm das Leben schwer machte. Er hoffte, dass es wenigstens die eine Stunde, die sie bis zum Schießstand benötigten, so ruhig bleiben wird.

Während dieser Zeit musterte er sie etwas genauer. Ihr Kopf mit den langen roten Locken ruhte an der Kopflehne. Die sonst so strahlend grünen Augen waren geschlossen und die frühlingshaften Sonnenstrahlen unterstrichen das Helle ihrer Haut. Ihr gesamtes Erscheinungsbild vermittelte den Eindruck einer zerbrechlichen Porzellanpuppe. Diese ganze Situation erschien Ray unwirklich. Noch vor ein paar Tagen wäre so etwas absolut undenkbar gewesen. Da taucht doch tatsächlich ein Mädchen auf, das sein ganzes Leben auf den Kopf stellt, und ihm bewusst macht, wie machtlos er dem Ganzen gegenüber steht. So in Gedanken versunken und ohne es zu merken, kam er an seinem Ziel, dem Schießstand, an. Zu Ann gewandt streckte er seine Hand aus um sie zu wecken, hielt jedoch inne. Sie sah so friedlich aus; ein Lächeln zierte ihr Gesicht. Etwas in ihm sträubte sich, sie jetzt zu wecken. Unentschlossen verharrte er in dieser Position. In diesem Moment machte Ann langsam die Augen auf. Er sah sie direkt an. Ohne es zu merken schenkte sie ihm ein Lächeln. Sein Blick wurde intensiver. Plötzlich wendete er sich ab; Anns Lächeln starb auf ihren Lippen. Der Augenblick war vorbei.

Ohne ein Wort zu sagen stieg Ray aus seinem Wagen aus, Ann folgte ihm mit einem Seufzer. Für sie sah die Gegend nicht sehr einladend aus und sie beeilte sich, um dicht hinter Ray zu bleiben. Das Gebäude, auf das er zielstrebig zuging, sah alt und stark heruntergekommen aus. Ann fragte sich, was er hier wohl wollte, bis sie das Schild über dem Eingang sah: "Ronald's Schießstand".

Also wollte er hier für seinen dreckigen Beruf üben, dachte sie angewidert. Innen fiel ihr Blick direkt auf die schmutzige und spärliche Einrichtung, denn die wenigen Tische und Stühle, die da waren, stammten wahrscheinlich noch aus dem Unabhängigkeitskrieg. An den alten Tischen saßen einige wenige Männer, die sie jetzt unverschämt und auch überrascht anstarrten. Die meisten von ihnen waren schon älter und genauso heruntergekommen, wie der Schießstand selbst. Angewidert wandte sie ihren Blick ab und in Richtung Bar. Dort stand hinter dem Tresen der Barkeeper, der höchstwahrscheinlich auch der Besitzer des Schießstandes war. Sein Aussehen unterschied sich nur geringfügig von dem der an den Tischen sitzenden Männer. Mit einem lüsternen Blick schaute er zu Ann hinüber, die daraufhin näher zu Ray rückte. Gemeinsam gingen sie auf den Schießstand zu, der sich in einer dunklen und verrauchten Ecke des Gebäudes befand. Die neugierigen Blicke der Männer verfolgten die Beiden bis dahin. Jedoch traute sich keiner von ihnen Ann nahe zu kommen, da sie von Rays Überlegenheit ihnen gegenüber wussten. Dieser für sie seltsame Mann kam schon seit Jahren regelmäßig zum Üben. Er war Einzelgänger. Genauso wortlos wie er kam, ging er auch wieder und niemand besaß den Mut, ihn anzusprechen. Schon allein durch seine Ausstrahlung blieben die Meisten auf Distanz. Das Überraschende war jetzt, dass er plötzlich mit einer Frau auftauchte. Jeder der Anwesenden stellte sich dieselbe Frage: "Wer war die Fremde?"

Indes hat Ray bereits mit den Vorkehrungen für seine Übungen begonnen. Ann dagegen stand nur gelangweilt da. Plötzlich verlagerte sich ihre Aufmerksamkeit auf die Männer am Tisch, die sich angeregt unterhielten und das in einer Lautstärke, die nicht zu überhören war. Neugierig hörte sie sich die Unterhaltung an.

"Der hat ja eine scharfe Mieze mit. Dachte, der ist schwul!" sagte der Kahlköpfige.

"Bei so einem Weib kann man gar nicht schwul werden!!!" entgegnete der Dürre.

"Die würde ich echt mal gerne flach legen." sagte ein anderer der Männer und guckte Ann schleimig an.

"Für mich kein Problem, die hat ja eh' nichts im Kopf! Ist nur fürs Ficken gut!" erwiderte der Kahlköpfige.

Mit jedem Satz mehr steigerte sich Anns Wut. Wie konnten sie so etwas über sie sagen, ohne sie eigentlich zu kennen. Sie wird es ihnen noch zeigen. Entschlossen drehte sie sich zu Ray um und tippte ihn an der Schulter. Etwas irritiert wandte er sich um und sah sie zornig an. Ann ließ sich aber davon nicht abschrecken.

"Gib mir eine Waffe!" forderte sie ihn auf.

Ohne etwas zu sagen, wollte er sich schon abwenden, als Ann ihn erneut aber entschlossener aufforderte: "Gib mir die verdammte Waffe! Ich will auch mal."

Auf seine nun folgende Reaktion war sie nicht vorbereitet. Er drehte sich in ihre Richtung und hielt ihr seine Waffe an die Stirn.

"Gib Ruhe sonst mach ich's." sagte Ray mit eisiger Stimme. Ann starrte ihn mit entsetzten Augen an. Einer der Männer, die das Geschehen aufmerksam beobachteten, sagte spöttisch: "Der hat ja die Kleine ganz schön im Griff."

In diesem Moment wendete sich Ray von Ann ab, lud seine Waffe und richtete sie auf den Mann.

"Hey, das war nicht so gemeint. Bleib cool." sagte der Mann resigniert.

Ray musterte ihn noch kurz und drehte sich abfällig um. Während er sich mit seinen Schießübungen beschäftigte, dachte Ann über die vorangegangene Situation nach. Ihr wurde klar, dass er ihr nur einen Schrecken einjagen wollte, da die Waffe nicht geladen war, als er sie auf sie gerichtet hatte. Aus ihrer dunklen Ecke heraus beobachtete Ann seine Schiesskünste, ohne noch ein Wort zu sagen. Eine halbe Stunde später verließen beide den Schießstand.

Wieder fand sich Ann auf dem Weg zu einem ihr unbekannten Ziel. Es herrschte eine schon gewohnte Stille. Ann fragte sich, wohin Ray sie jetzt wohl bringt. Die Gegend, die sie jetzt aus den Autoscheiben sah, schien von wohlhabenden Leuten bewohnt zu sein. Die Häuser waren recht groß und gepflegt. Die Straßen waren sauber und der Rasen gemäht. Etwas abseits von anderen Häusern, von großen Bäumen umgeben, stand ein älteres Haus. In der Einfahrt befand sich ein größeres blaues Auto. Ray bog in diese Einfahrt ein und stellte seinen Wagen direkt hinter dem Blauen ab. Ann war etwas ratlos, folgte Ray aber wortlos hinterher, als er ausstieg. An der Eingangstür wurden sie bereits erwartet. Ein älterer Herr namens Toshi Sato stand an den Stufen und wartete auf seine Gäste. Er hatte kurze graue Haare und war recht klein, was seine asiatische Abstammung unterstrich. Obwohl nur in Hemd und Hose gekleidet, schien er nicht zu frieren. Ray ging zielstrebig auf ihn zu und gab ihm zur Begrüßung die Hand. Das Wiedersehen der Beiden verlief freundschaftlich. Danach ging Ray sofort ins Haus und ließ Ann verstutzt links liegen. Unsicher trat sie von einem Bein auf das Andere. Herr Sato musterte sie kurz, sah ihre Verlegenheit und ging auf sie zu.

"Guten Tag. Ich bin Herr Toshi Sato. Kommen sie doch herein." Ann lächelte dankbar.

"Hallo, ich bin Ann Reyers."

Daraufhin begaben sie sich ins Haus.

Ann schaute dort um; Ray war nirgends zu sehen. Stattdessen kam ihnen eine junge Frau Anfang dreißig entgegen. Sie hatte schulterlange schwarze Haare und braune Augen. Ihre asiatische Abstammung kam durch die Form ihrer Augen deutlich zum Vorschein. Sie lächelte Ann freundlich und etwas erstaunt an.

"Das hier ist meine Tochter Cathrine" sagte Herr Sato. "Cathrine, das hier ist Ann."

Ann lächelte die Frau freundlich und etwas nervös an.

"Hallo Ann, es ist wirklich nett, sie kennen zu lernen" sagte sie und reichte dem Mädchen zur Begrüßung die Hand. "Entschuldigt mich bitte, aber ich muss jetzt gehen, Ray wartet sicherlich schon auf mich" sagte Herr Sato und verließ den Raum.

Die beiden Frauen blieben alleine zurück.

Ray war schon umgezogen und bereit zum Training. Das Schwert hielt er schon, wie gewohnt, sicher in der Hand. Endlich hatte er jetzt die Chance, sich abzureagieren, seine ganze Wut los zu werden; sein Meister wird ihm sicherlich dabei helfen. Herr Sato musterte seinen Schüler aufmerksam und sah, dass dieser wesentlich zorniger und gereizter war als sonst. Etwas musste vorgefallen sein; was, wird sich schon bald zeigen. Damit ging das Training los.

Ann saß in der Küche, vor ihr ein Becher mit heißem Tee. Cathrine stand am Tisch und schnitt Gemüse für das Abendessen zurecht.

"Ich hoffe, der Tee schmeckt ihnen" sagte Cathrine und lächelte.

"Sie können auch "du" zu mir sagen" erwiderte sie, "und der Tee ist wirklich sehr aromatisch."

Cathrine nickte nur zustimmend.

"Sag mal Ann, wo hast du Ray eigentlich kennen gelernt?" fragte sie, als sie sich zu ihr umdrehte.

"Na ja, er hat mich entführt."

Cathrine hob überrascht und fragend ihre rechte Augenbraue. "Eigentlich dachte ich, er würde mich umbringen, so wie er mich gejagt hat, aber nein, er schlug mich nur bewusstlos."

"Du bist sein Opfer!" schlussfolgerte Cathrine fassungslos.

Das konnte doch nicht sein, Ray lässt seine Opfer nie am Leben. Was ist nur passiert? Sie musterte die etwas verunsicherte Ann noch einmal. Das Mädchen schien keine Ahnung davon zu haben, wie knapp sie ihrem Tod entronnen ist. Ray wird mir alles erklären müssen, dafür werde ich schon sorgen, dachte Cathrine so in sich rein.

"Ich habe große Angst vor dem, was noch kommen könnte. Bitte helfen sie mir!" flehte Ann in der Hoffnung, doch noch Hilfe zu finden.

"Es tut mir leid! Ich kann dir aber nicht helfen." sagte Cathrine und setzte sich zu ihr an den Tisch.

"Ich bin mir sicher, dass Ray gute Gründe für deine Entführung hat. Er ist mein Bruder, ich kann mich ihm nicht in den Weg stellen. Eins kann ich dir aber versichern, zu etwas zwingen wird er dich nicht."

Die Hoffnung in Anns Augen schwand.

"Solange sie ihre Entscheidung, mir nicht zu helfen, mit ihren Gewissen vereinbaren können, erwarte ich keine Hilfe."

Das traf Cathrine mitten in ihrem wunden Punkt und sie schaute schuldbewusst aus dem Fenster.

"Wenn du wüsstest, was ich weiß, würdest du anders denken." sagte sie nach einer längeren Pause.

Ann erwiderte eine zeitlang nichts. Später stand sie auf und fragte, ob sie sich umsehen könne. Cathrine hatte nichts dagegen und so begab sie sich auf einen Streifzug durch das Haus. Dabei stellte sie fest, dass das Haus zum größten Teil typisch amerikanisch eingerichtet war und nur selten asiatisches durchschimmerte. Plötzlich hörte sie Geräusche, denen sie nachging. Dies führte sie zur Veranda, von der man einen schönen Blick auf den gesamten Garten hatte. Dort sah sie Ray und Herrn Sato mit den Schwertern in der Hand gegeneinander kämpfen. Der tödliche Tanz mit den Waffen übte eine starke Faszination auf Ann aus und sie näherte sich ihnen, blieb aber außer Sichtweite. Plötzlich wurde der Kampf unterbrochen und die beiden Kämpfer setzten sich erschöpft auf die Verandastufen. Eine zeitlang herrschte Stille.

"Du scheinst mir heute unkonzentriert zu sein. Ich hätte dich schon drei Mal töten können und normalerweise kann ich dich nicht mal berühren" begann Herr Sato.

Ray schwieg weiter.

"Was ist los mit dir? Hat es etwas mit dem Mädchen zu tun?" "Nein!" antwortete Ray kurz und prägnant.

"Wer ist sie überhaupt und was macht sie hier?"

"Sie ist nur ein unbequemer Auftrag."

Als Ann das hörte drehte sie sich um und ging. Herr Sato seinerseits bemerkte allerdings, dass Ray ihm auf keinen Fall die ganze Wahrheit gesagt hat. Für ihn war klar, dass die Unkonzentriertheit von ihm durch das Mädchen verursacht wurde und sie keineswegs nur ein Auftrag war.

Etwas später am Abend versammelten sich alle am Tisch zum Abendbrot. Es herrschte wieder einmal eine bedrückende Stimmung. Cathrine bemühte sich immer wieder, eine Unterhaltung in Gang zu setzen, was ihr aber den ganzen Abend über nicht gelang. Nach dem Essen verabschiedeten sich Ray und Ann von den Satos und fuhren zurück in die Stadt.

Draußen war es dunkel und nur durch die Scheinwerfer der entgegenkommenden Autos gelang etwas Licht in das Innere des Wagens. Die Spannung, die beim Abendbrot herrschte, verschwand. Eine gelöste Atmosphäre machte sich breit. Ann dachte, dass jetzt ein passender Moment wäre, um ein Gespräch zu beginnen.

"Ist Cathrine deine richtige Schwester? Ihr seht euch nicht sehr ähnlich."

Ray reagierte, wie auch sonst immer, nicht auf ihre Frage. Ann gab nicht auf, stellte ihre nächste Frage allerdings schon etwas forscher: "Na, willst du mit deinem unbequemen Auftrag nicht reden???"

Ray, wie gewohnt, schaut sie wieder nur erbost an. Ihr platzte der Kragen und sie schrie ihn an: "Du bist ein arroganter, selbstgefälliger, kaltherziger und seelenloser Killer!!! Kannst du nicht wenigstens eine Gefühlsregung zeigen, und wenn es nur Wut ist! Ich habe das Gefühl, ich rede hier mit einem Eisblock."

Daraufhin machte Ray eine Vollbremsung, drehte sich um und sagte monoton: "Wenn ich könnte, würde ich dich hier sofort erschießen."

Mit diesen Worten wendete er sich um und fuhr weiter. Ann saß geschockt auf dem Beifahrersitz.

Der Schock hielt bis zum Apartment an. Wutentbrannt ging Ann ins Schlafzimmer und schmiss die Tür hinter sich zu. Jetzt kamen auch die Tränen. Ray dagegen blieb äußerlich ruhig, goss sich eine halbes Glas Whiskey ein und setzte sich vor den Kamin. Nachdem das Glas leer war legte er sich auf die Couch und versuchte zu schlafen. Beide hatten wieder eine unruhige und schlaflose Nacht vor sich.
 

********************
 

Es war dämmerig in der Wohnung, denn draußen war es schon längst dunkel und nur die Laternen vertrieben die schwarzen Schatten. Alleine in einem Zimmer brannte ein trübes Licht. In einem schweren und aus Leder bestehendem Sessel saß Jack O' Keil von Bergen Papier umringt. Schon seit heute Nachmittag saß er so da und ging alle Berichte über den Hitokiri- Killer durch. Der ganze Fall machte ihm sehr zu schaffen, alles was er aus den Berichten entnahm ließ ihm die Haare zu Berge steigen. Wie konnte ein Mensch so etwas vollbringen? Schon seit fünf Jahren ermordete der Killer Menschen, mit Rodriges Penzzo sind es zurzeit 14 Opfer. Nur im Jahre 1997 gab es keine Opfer, in diesem Jahr starb bei einem Unfall auch der in diesem Fall ermittelnde Polizist und man glaubte schon es wäre vorbei, als am 11.02.98 das nächste Opfer ohne Kopf aufgefunden wurde, der Hitokiri war wieder da. Alle seine Opfer köpfte er und es schien keinerlei Zusammenhänge zwischen ihnen zu geben, was auch die Annahme zuließ das es sich hierbei um einen Auftragskiller handelte und nicht um einen verrückten Serienmörder. Die Frage aber nach dem Auftragsgeber oder Auftraggebern ließ sich hartnäckig nicht beantworten. Die Opfer waren so vielfältig gewählt dass es sich als sehr schwierig gestaltete die Motive des Auftragsgeber zu Ermitteln und somit auch sie selbst. Weiterhin stellte man in den Berichten fest, dass der Killer nur nachts tötete und seine Opfer in den ganzen USA verstreut waren. Man schätze ihn ungefähr auf 25-35 Jahre alt, in der Schwertkunst sehr bewandert vielleicht sogar ein Meister dieser Kunst, was der Theorie der asiatischen Abstammung beipflichtete. Nie hinterließ er Zeugen oder überhaupt irgendwelche Spuren, deshalb war er auch nicht zu fassen.

Jack ließ den letzten Bericht zu Boden fallen und fuhr sich mit seiner Hand durch das dichte dunkle Haar. Erschöpft lehnte er sich ganz in seinen Sessel rein und schloss die Augen. In seiner Wahrnehmung aber reiten sich Bilder mit kopflosen Menschen aneinander, blutdurchtränkt und vor Schreck aufgerissenen Augen. Was haben sie wohl getan um solch einen Tot zu verdienen?

Ausgelaugt und aufgerieben stand Jack auf und ging ins Badezimmer. Nach einer kurzen Dusche ging er ohne die Berichte wieder aufzuheben ins Bett. Morgen erwartete ihn ein langer Tag.

Tony saß gerade gemütlich beim Frühstück, als sein Telefon klingelte. Noch mit halbem Sandwich im Mund nahm er ab.

"Ja."

"Verdammt McCannon, wo bleiben sie? Der Chef will sie dringend sehen." fluchte eine verärgerte Stimme.

"Ich bin schon unterwegs." sagte Tony und legte auf.

Vor sich hin fluchend beeilte er sich anzuziehen. Eine viertel Stunde später saß er schon in seinem Wagen auf dem Weg zum Morddezernat.

Dort angekommen bemerkte er eine gewisse Spannung in der Luft. Etwas schien vorgefallen zu sein. Ohne Umschweife ging er zum Büro des Chefs. * (kommt noch die Beschreibung des Chefs)

Vor der massiven Tür des Büros blieb Tony stehen und klopfte an.

"Kommen sie rein." sagte eine raue Stimme.

Im Innern war es etwas dämmerig und ein schwerer Duft einer gerade gerauchten Zigarre lag in der Luft.

"Sie wollten mich sprechen Chef?!"

"Ja McCannon. Setzen sie sich."

Tony schaute sich nach einem Stuhl um und erst jetzt bemerkte er, dass noch jemand im Raum war. In einer dunklen Ecke saß ein Mann. Schatten verdeckten sein Gesicht, man konnte aber seine Militäruniform deutlich sehen. "Militär? Was hat denn das Militär hier verloren?" fragte sich Tony etwas irritiert.

"Setzen sie sich endlich McCannon!"

Tony nahm sich daraufhin einen in der Nähe stehenden Stuhl und setzte sich. Das Gefühl des Unbehagens blieb aber.

"Wie weit sind sie mit dem Bericht über den neuen Hitokiri- Fall? "

"Sie haben ihn morgen auf ihrem Tisch."

"Es ist folgendes McCannon, wie sie gesehen haben ist Mayor Davis hier und er möchte einen Blick in die Hitokiri Akte werfen. Sie werden alle seine Fragen beantworten und alle seine Bitten erfüllen."

Tony saß nur total geschockt da. Was ist nur los? Wieso interessiert sich das Militär für den Fall?

"Haben sie mich verstanden?!"

"Ja Chef."

"Gut, dann können sie gleich mal anfangen. Mayor Davis geht gleich mit."

Bei diesen Worten erhob sich dieser und trat ins Licht, so dass Tony jetzt sein Gesicht sehen konnte. Er hatte ein relativ hageres Gesicht und war so um die Mitte Vierzig.

Beide verließen das Büro des Polizeichefs und begaben sich in Tonys, keiner sagte etwas.

Jack war gerade erst im Büro angekommen als er Tony und seinen Begleiter sah. Was hatte McCannon denn mit dem Militär zu schaffen? Einen Verdacht schöpfend beschloss Jack noch im Büro zu bleiben und zu sehen was passiert.



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  Stoff
2006-10-10T16:54:42+00:00 10.10.2006 18:54
hey also ich muss den anderen komi-schreibern hier voll und ganz zustimmen! diese ff is einfach genial, (hab sie erst gestern entdeckt) bitte sei so lieb und schreib sie weiter, sie is eifach geill!!!!
könntest du mir bitte bescheid geben ob du sie vielleicht nich doch nochmal aufgreifst??? biiiittteeeeeeeee *auf knie fall und bettel*
fänds echt klasse wenn du weiterschreiben würdest ^^
Von: abgemeldet
2006-10-07T22:41:48+00:00 08.10.2006 00:41
Ich habe deine FF erst gestern entdeckt, als ich die Empfehlungen durchstöbert habe. Es ist sehr sehr schade, dass du nicht weiterschreibst. Ich finde deine FF sehr gelungen und würde natürlich gerne eine Fortsetzung lesen. Wäre toll, wenn du sie wieder aufgreifen würdest...
Von: abgemeldet
2006-05-15T14:28:04+00:00 15.05.2006 16:28
Ehm.....ich bin wohl die einzige die diese ff dieses Jahr liest. Wieso eigentlich. Solch eine ff darf nicht in Vergessenheit geraten werden. Es ist so schön.
Bitte schreib doch weiter.
Ich versprech auch das ich es weiter lese.

Arme Ann, ganz allein mit ihm. Obwohl da bahnt sich etwas.
Ich hoffe aber nicht so schnell.
Der Meister gefällt mir.
Die 2 Polisten sind so klasse. Überhaupt Jack. Ich finde sie sollten noch einbisschen geqäult werden.
Dann ist es noch spannender.
Ich liebe Dramatik.
ciau Rumsi
Von: abgemeldet
2005-07-28T21:03:04+00:00 28.07.2005 23:03
Hab deine ff gerade erst entdeckt als ich bei deiner anderen slayers-ff nachgeschaut habe ob schon das nächste kap da ist.
Ich fasse es nicht dass ich diese ff noch nicht bemerkt habe oh mein gott O.O
Weißt du eigentlich wie wunderschön diese ff ist?
Du musst unbedingt weiterschreiben, ich hab gesehen dass du lange nicht mehr geupdatet hast.
Bitte schreib weiter *schluchz*
Seit ich angefangen hab diese ff zu lesen bin ich richtig süchtig danach geworden oh mein gott O.O
Ich hoffe dass du diese abgefahrene ff weiterführen wirst.
Ich flehe dich förmlich an (shit nochmal!! ich bin total hin und weg!!! O.O)
Die beiden passen so gut zusammen und ich denke wirklich das ray anfängt ann so richtig zu mögen, auch wenn er es nicht zeigt XD
Selbst wenn er sie einen "unbequemen auftrag" nennen mag XD
Bitte schreib weiter^^
hdgdl^^
bis bald^^
deine liebe^^
DarkAngel-Zellas
Von:  Xell
2005-03-29T16:47:43+00:00 29.03.2005 18:47
Noch keine Kommis? Dann fang ich halt an.
Ray scheint so ganz langsam Gefühle für seinen "unbequemen Auftrag" zu hegen... Eine interesante und sehr spannende FF. ^_^ Bin ja mal gespannt ob ihn die 2 Polizisten auf die Schliche kommen.
Schreib bitte weiter!


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