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Das Legendenbuch

♪♪Sieger des FF-WB-Zirkels ♪♪
von

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Der Herr der Träume

Es mag für uns unvorstellbar klingen, doch es gab einst eine Zeit, in welcher der Schlaf noch nicht von bunten Traumbildern erfüllt war. In dieser Zeit da lag die Nacht wie ein schwarzes Tuch über der Welt und ebenso lag der Schlaf wie eine kalte, sternenlose Imitation des nächtlichen Himmels über den Menschen.

Dies war die Zeit, als die Götter noch auf Erden wandleten und über die Schöpfung wachten.

In eben jener Zeit begab es sich, dass sich die Wege des Königssohnes Sewa mit jenen der Sonnengöttin Taiyo kreuzten und sich Ureshii, der Gott der Gefühle einen Spass daraus machte, in Sewa eine unsterbliche Liebe zu der goldenen Göttin zu erwecken.

Bald war der Prinz völlig verändert, er mochte nicht mehr essen, weder schöne Tänzerinnen, noch süsser Wein konnten sein Herz noch erfreuen und des Nachts fand er keinen Schlaf mehr. Man versuchte alles, um ihn auf zu heitern, doch niemandem erzählte er von seinem Kummer und niemand konnte ihn lindern.

Als Sewa eines Tages unglücklich im Garten seines Vaters sass, kam ein schwarzes Eichhörnchen von einem Baum geklettert und sah ihn mit seinen sanften Äuglein an. Gerade wollte Sewa das Tierchen verscheuchen, denn ihn verlangte nicht nach Gesellschaft, weder menschlicher, noch tierischer, da geschah etwas wundersames. Das Eichhörnchen wuchs und wuchs und je grösser es wurde, desto mehr bildete sich aus dem struppigen, drahtigen Fell ein fliessendes, geschmeidiges Seidengewand. Aus dem buschigen Schwanz entstand ein edler Pelzkragen und die Knopfäuglein des Eichhörnchens wichen den braunen Mandelaugen eines jungen Fräuleins.

„Sei gegrüsst, Prinz Sewa, ich bin Risu und ich kenne deinen Kummer. Du liebst die Sonne, Taiyo, nicht wahr?“, Risu kicherte. „Doch sorge dich nicht, ich weiss einen Ausweg für dich.“

„Was für ein Ausweg soll das sein, den mir ein Eichhörnchen weiss, selbst wenn es sich um eines handeln mag, das sich zu verwandeln weiss?“, fragte Sewa misstrauisch, doch Risu kicherte wieder.

„Was für Dummköpfe ihr Menschen doch seid. Ich bin doch kein Eichhörnchen, ich wählte diese Gestalt nur, um dir zu erscheinen, und auch das Mädchen, das du vor dir siehst, bin ich nicht wirklich“, erklärte sie.

„Was bist du dann?“, wollte Sewa wissen.

„Ich bin ein Geist. Genauer gesagt bin ich der Geist dieses Gartens. Ich bin das Gras auf dem du sitzt, ich bin der Baum, der dir Schatten spendet, ich bin der Rosenbusch, der dort drüben blüht und ich bin die Lotusblüte dort im Teich. Ich bin all dies und noch viel mehr. Doch wen interessiert das schon, wolltest du dir nicht meinen Vorschlag anhören?“

„Nun gut, auf dass er nicht schaden möge, sollte er auch nicht helfen“, meinte Sewa und Risu erklärte ihm, was er tun müsse, damit die Göttin des Lichtes wenigstens eine Nacht lang die seine sei.

Sofort nachdem Risu ihre Erklärung beendet hatte, eilte Sewa zu seinem Vater und bat ihn, ein grosses Fest aus zu richten. Ein Fest zu Ehren der goldenen Göttin. Voller Freude, dass sein Sohn offenbar den Lebenswillen wieder gefunden hatte, veranlasste der König sogleich, alle nötigen Vorbereitungen zu treffen.

Risu hatte Sewa verraten, dass Taiyo zuweilen das Laster der Eitelkeit mit sich trug und so befahl der Prinz, viele grosse Spiegel auf zustellen. Um das strahlende Antlitz der göttlichen Lichtbringerin zu imitieren und zu ehren, wie er behauptete.

Das Fest ging seinen Gang, man feierte den ganzen Tag lang und als die Nacht kam, da erschien die Sonnengöttin selbst um sich von den sterblichen Erdbewohnern feiern zu lassen.

Darauf hatte Sewa gewartet. Rasch liess er einen süssen, schweren Wein auftragen und bot der Göttin einen Becher davon an, welchen sie bereitwillig annahm. Der Prinz befahl einem Diener, er solle zusehen, dass sich der Kelch der Göttin niemals vollständig leere und der Diener erledigte seine Aufgabe gewissenhaft.

Spät in der Nacht hatte Taiyo dem Wein so sehr zugesprochen, dass es Sewa gelang, sie, eine Göttin, zu verführen.
 

Der darauf folgende Tag begann wie jeder Tag mit der Dämmerung, doch kein Sonnenstrahl brach durch die Wolken und vertrieb das Dämmerlicht, denn noch immer lag die Königin des Himmels im Bette des Prinzen Sewa und schlief ihren Rausch aus.

Yoru, der Gott der Nacht und Bruder Taiyos, sah das in Dämmerung gehüllte Land mit Sorge und schickte die Götterbotin Musume zur Erde um seine Schwester zu finden. Dies war ein leichtes für die Götterbotin, denn nun, da die Nacht vorbei war, war auch Taiyos strahlender Glanz, den sie des Nachts ab zu legen pflegte, zurückgekehrt.

„Mutter Taiyo, Mutter Taiyo, so wacht doch bitte auf!“,, versuchte Musume die Göttin zu wecken und schüttelte sie behutsam an der Schulter.

Nur langsam kam die Herrin des Tages zu sich. „Was ist geschehen? Wo... bin ich hier Musume?“ Dann fiel ihr Blick auf den, trotz des Lichtes noch immer schlafenden, Königssohn und die Ereignisse der letzten Nacht kehrten zu Taiyo zurück. „Musume! Schick deine Gefährten, die Regenwolken, aus! Sie sollen den ganzen Himmel bedecken, hörst du?“, befahl sie rasch.

„Aber... wieso?“

„Ich muss mit Irohi reden...“, murmelte Taiyo und suchte ihre Sachen zusammen.

„Aber, Mutter Taiyo, Ihr könnt nicht einfach zurück. Was ist mit den vielen Menschen? Soll es denn heute gar nicht Tag werden? Denkt doch nur, die Menschen würden völlig aus dem Rythmus fallen“, versuchte Musume die goldene Göttin zurück zu halten und Taiyo musste zugeben, dass sie Recht hatte.
 

Als Taiyo des Abends zum göttlichen Palast zurückkehrte, wurde sie bereits vom Gott des Feuers Irohi erwartet. Als die Göttin der Sonne ihm schluchzend von den Ereignissen der letzten Nacht berichtete, war er ausser sich, erfuhr er doch nicht nur, dass Taiyo sich im Rausch von dem Menschensohn hatte verführen lassen, sondern auch von ihrer Befürchtung, nun ein Kind des Prinzen unter dem Herzen zu tragen.

Bald bewahrheitete sich diese Befürchtung. Irohi überlegte lange und beschloss schliesslich, dass er die Gegenwart dieses Kindes nicht ertragen würde. Und so forderte er von Taiyo, das Kind verschwinden zu lassen.

„Das kann ich nicht, Irohi. Es wird ein gutes Kind, das weiss ich. Und ich liebe es, egal wie und warum es entstand. Das Kind kann nichts dafür, dass ich eitel war und mich verführen liess, also warum willst du es bestrafen, in dem du ihm seine Mutter nimmst?“

„Mir ist egal was du tust, Taiyo, aber ich will dieses Kind nicht sehen, niemals!“, rief Irohi erbost aus.

„Irohi, wo soll das Kind denn hin? Etwa zu seinem Vater?“, wollte Taiyo wissen.

„Warum nicht?“

„Es wäre nicht glücklich unter Menschen. Jeder würde merken, vielleicht sogar sehen, dass es nicht die Tochter oder der Sohn von Menschen ist und es hätte zudem ein unnatürlich langes Leben, so dass es alle seine Freunde und Spielgefährten überleben würde, das weisst du genau so gut wie ich.“ Taiyo schüttelte den Kopf.

„Von mir aus“, schrie Irohi nun, „dann behalte es eben! Aber sei dir gewiss, dass du mich dann nie wieder zu Gesicht bekommen wirst.“
 

Irohi liebte Taiyo, doch er konnte nicht verstehen, dass sie ein Kind, dass sie schlimmstenfalls bis in alle Ewigkeit immer und immer wieder an diese schmächliche Nacht erinnern würde, behalten wollte. In seiner Verzweiflung und seiner Ratlosigkeit liess er Taiyo einfach stehen und zog sich zurück in die unterirdischen, von glühender Lava durchströhmten Gewölbe, welche er sein Reich nannte.

Auch die Herrin des goldenen Lichtes war ratlos. Natürlich liebte auch sie Irohi und wollte ihn nicht verlieren, doch wie hätte sie ein unschuldiges Kind, ihr Kind, einfach im Stich lassen können?

Doch ihr Bruder Yoru, der silberne Gott der Nacht, wusste Rat.

„Gib es mir, dein Kind. Es kann ein Spielgefährte für meine Tochter Hanako und später Teil meines Gefolges werden. So würde es aus Irohis Blick weichen und dennoch könntest du es jeden Tag, wenn wir uns in der Dämmerung treffen, sehen“, erklärte er und schweren Herzens akzeptierte Taiyo diesen Vorschlag.
 

Das Kind Taiyos wurde ein gesunder kleiner Junge, mit dem lockigen braunen Haar seines leiblichen Vaters, doch mit den selben klaren, blauen Augen und einem feinen goldenen Leuchten wie seine Mutter. Sein Name war Terasu.

Die ersten Jahre im Leben Terasus waren glücklich. Mizuko, die Göttin des Wassers und Geliebte Yorus zog ihn ebenso liebevoll auf ihr eigenes Kind, Hanako. Und die kindliche Göttin des Waldes und des Wachstums nahm Terasu sofort als jüngeren Bruder an. Oft sassen Hanako und Terasu im Garten des Götterpalastes, wo sie spielten und Hanako dem kleinen Terasu bunte Blumen ins Haar flocht.

Doch es kam der Tag, an dem Terasu das spielen mit Hanako langweilig wurde und er Yoru bat, ihn des Nachts mit sich zu nehmen. Und so traf Terasu nach einem tränenreichen Abschied von Hanako und Mizuko, in der Dämmerung zum ersten Mal seine leibliche Mutter, doch ohne zu wissen wer sie war. Taiyo jedoch erkannte ihren Sohn sofort, obgleich sie ihn seit mehr als einem Jahrzehnt nicht mehr gesehen hatte, und schloss ihn unter Tränen in ihre Arme.

„Vater,“, wandte sich Terasu verwirrt an Yoru, „wer ist diese Frau, dass sie sogar weint, wenn sie mich seht?“

Aus Taiyos Freudentränen über das Wiedersehen mit ihrem Sohn wurden Tränen der Trauer. Zu wissen, dass Terasu, ihr Sohn, ihr eigen Fleisch und Blut, offensichtlich nicht wusste, wer sie war, brach ihr schier das Herz. „Yoru... Bruder... Warum hast du ihm nicht...“, begann sie, doch sie konnte den Satz nicht beenden, zu überwältigt war sie von ihrer Trauer.

„Verzeih, Schwester, ich hielt ihn bisher für zu jung“, versuchte Yoru leise, seine Schwester zu beruhigen.

„Aber heute... heute hättest du es ihm doch sagen müssen. Du wusstest doch, dass er dich heute begleiten würde, nicht wahr?“

„Glaub mir, ich hätte es ihm gesagt, hätte ich es gewusst. Doch gerade als ich mich heute Abend aufmachen wollte, fragte mich Terasu, ob er mich heute begleiten dürfe. Mir blieb einfach keine Zeit mehr. Ich werde ihm später alles erklären“, versprach Yoru, denn ihre Wege mussten sich bereits wieder trennen.

Doch Yoru kam nicht dazu, Terasu zu erklären, wer er wirklich war, denn schon bald nachdem er mit seinem Gefolge los gezogen war, musste er den Sohn der Sonne zurückschicken. Terasu trug das Licht seiner Mutter in sich und erhellte die Nacht beinahe so stark wie Taiyo den Tag und so war es Mizuko, welche Terasu in die Geschichte seiner Herkunft einweihte.

„Dann war das also meine... Mutter? Meine leibliche Mutter?“, fragte Terasu ein wenig ungläubig, als Mizuko geendet hatte.

„Ja.“

„Und du und Vater und Schwester Hanako?“ Terasu stiegen Tränen in die Augen.

„Wir nahmen dich auf, doch wir sind nicht deine Familie. Aber das bedeutet nicht, dass wir dich nicht genau so lieben, wie wenn du unser leibliches Kind wärst, Terasu.“ Mizuko nahm ihren weinenden Ziehsohn liebevoll in den Arm und strich ihm über die braunen Locken. „Es muss schrecklich für Taiyo gewesen sein, zu merken, dass ihr eigenes Kind sie nicht erkennt“, murmelte die Herrin der Ozeane.

„Und nun... nun kann ich sie nicht einmal wiedersehen und ihr sagen, dass es mir leid tut“, schluchzte Terasu und klammerte sich an Mizuko.

„Ach, Terasu, wir werden einen Weg finden, wie du sie wiedersehen kannst. Ganz bestimmt.“, seufzte Mizuko.

„Mutter, könnten wir Terasu nicht in ein Gewand aus Dunkelheit hüllen, so dass sein Licht nicht hindurch dringen kann? Dann könnte er doch mit Vater gehen und Taiyo treffen“, schlug Hanako vor.

Mizuko runzelte die Stirn. „Wir könnten ein Stück vom Nachthimmel nehmen und daraus ein Gewand für Terasu nähen“, meinte sie schliesslich langsam.
 

Als Yoru zurückkehrte, unterbreitete ihm Mizuko den Vorschlag ihrer Tochter und bat ihn, von seiner nächsten Reise über das Firmament ein Stück des Himmels mit zu bringen. Doch der Gott der Nacht musste sie enttäuschen.

„Mizuko, du vergisst, dass auch ich ein Leuchten besitze. Käme ich dem Rand des Himmels nahe genug um ein Stück davon mitzunehmen, würde mein Leuchten es erhellen, so dass es nicht länger dunkel wäre, sondern hell wie bei Tage und das würde Terasu nichts nützen. Aber...“, Yoru überlegte kurz, „... wenn du beim nächsten Neumond meinen Wagen nehmen und das Stück selbst holen würdest, könnte es gehen.“

So blieb denn Mizuko nichts anderes übrig, als zuwarten, bis ihr Geliebter einmal mehr im Spiegelreich der finsteren Göttin verschwand und es Neumond wurde. Rasch stieg sie in Yorus silbernen Wagen und bat die beiden Silberhische Tsukiko und Magetsu, welche den Wagen zogen, sie zur dunkelsten Stelle des Himmels zu bringen, wo sie rasch ein grosses Stück für Terasus Gewand herausschnitt. Sorgfältig vernähte sie das Loch wieder und brauste zurück zum Hariyama, dem Berg der Götter.

Hanako erwartete ihr Mutter bereits. Aus Ranken hatte sie einen Webstuhl entstehen lassen, damit Mizuko das Himmelstück neu weben konnte um ein richtiges Gewand daraus zu nähen. Obwohl sie sich sofort daran machten, das Stück aus dem Himmel auf zu trennen und fast ohne Unterlass daran arbeiteten, kehrte Yoru aus dem Spiegelreich zurück ehe sie fertig waren. Mit sich brachte er ein Büschel Haare, welche er der Herrin der Finsternis, Kurayami, abgeschnitten hatte und die Mizuko ebenfalls in den Stoff einweben sollte.

Nach langer, mühseliger Arbeit, war Terasus Gewand am Abend des einundzwanzigsten Tages endlich fertig und er durfte erneut mit Yoru auf die Wanderung über den Himmel gehen. Nicht nur Terasu, sondern auch Taiyo hatte diesen Tag sehnsüchtig erwartet. Endlich konnten sie sich treffen. Nur kurz, aber sie beide waren da, das war alles was zählte.
 

Nun, verehrter Leser, würde diese Geschichte hier ein denkbar schönes Ende finden, hätte es mit Terasu nicht noch eine letzte Bewandtnis. Denn nachdem Terasu seine Mutter in der Dämmerung getroffen hatte, wanderte er weiter mit Yoru über den Nachhimmel und sah mancherlei Dinge. Und so begab es sich, dass er eines Nachts eine junge Frau erblickte, die in der Dunkelheit der Nacht umherirrte und immer wieder den Namen eines Mädchens rief.

„Vater, ich werde nachsehen, was da los ist. Ich komme bald wieder zurück“, sprach Terasu und verliess Yorus Gefolge.

Sanft landete er auf dem moosbewachsenen Waldboden im Schutze von dichten Kiefern und trat dann an die Frau heran.

„Verzeiht, gute Frau, aber ihr scheint jemanden zu suchen“, sagte er vorsichtig.

„Ja, ich suche meine kleine Tochter Fuan“, erklärte die Frau besorgt.

„Was ist denn geschehen?“

„Fuan fürchtet sich vor dem Schlafengehen, sie fürchtet die Dunkelheit, die sich dann über sie legt, und ist deshalb weggelaufen.“ Die Augen der Frau füllten sich mit Tränen. „Ihr kann doch alles Mögliche passieren, so allein im Wald und dann auch noch Nachts.“

Terasu hatte Mitleid mit der Frau, denn sie erinnerte ihn auf eine gewisse Weise an seine eigene Mutter und versprach, ihr bei der Suche nach Fuan zu helfen.
 

Terasu fand das kleine Mädchen weinen auf einem Felsen sitzen, der wie ein silberner Dorn in der Mitte einer kleinen Lichtung trohnte.

„Du bist Fuan, nicht wahr?“, sprach Terasu die Kleine an, worauf diese vor Schreck so sehr zusammenzuckte, dass sie beinahe von dem Felsen gefallen wäre. Terasu lächelte. „Hab keine Angst, deine Mutter sucht dich schon überall. Sie macht sich grosse Sorgen um dich.“

„Ich will nicht wieder nach Hause“, erwiderte Fuan trotzig. „Dann muss ich schlafen gehen!“

„Und davor fürchtest du dich, ich weiss.“ Wieder lächelte Terasu.

„Dann ist es immer so schrecklich dunkel...“, meinte Fuan kleinlaut.

„Aber du kannst nicht einfach gar nicht mehr schlafen. Schlaf ist für die Menschen sehr wichtig, ohne ihn würden sie irgendwann zusammenbrechen und wären zu gar nichts mehr nütze“, erklärte Terasu.

„Ich will trotzdem nich!“, beharrte Fuan.

„Wenn es wirklich nur die Dunkelheit ist, kann ich dir vielleicht helfen.“

„Wie denn?“, wollte Fuan erstaunt wissen.

„Nun, Fuan, ich bin Terasu, der Sohn der Sonnengöttin Taiyo“, sagte Terasu und streifte die Kaputze seines Gewandes zurück um Fuan das Leuchten zu zeigen, „Wenn du möchtest, gebe ich dir für die Nacht einen Traum.“

„Ein Traum? Was ist das?“, fragte Fuan neugierig, denn zu eben jener Zeit gab es noch keine Träume.

„Ein ganz kleiner Teil des Lichtes, das mich umgibt. Damit es nicht mehr so dunkel ist.“, erklärte Terasu lächelnd und gab Fuan einen Lichtfunken, kaum grösser als ein weit entfernter Stern am Himmel.

„Aber... so etwas Kostbares kannst du mir doch nicht schenken, Terasu!“, protestierte Fuan und wollte ihm den Funken, aus dem einmal ein Traum werden sollte, zurück geben.

„Stimmt, ich kann dir mein Leuchten nicht schenken, nicht einmal einen so winzigen Teil davon, aber ich kann es dir für die Nacht leihen. Ich werde den Traum morgen früh, wenn die Dämmerung kommt wieder abholen.“

Fuan dachte nach und setzte dann ein trauriges Gesicht auf. „Und morgen Abend? Dann ist es wieder dunkel.“

Terasu lachte. „Nein, denn morgen werde ich dir einen neuen Traum bringen.“

„Versprochen?“

„Natürlich, ich schwöre es bei meiner Mutter, kleine Fuan“, lachte Terasu. „Aber nun solltest du zu deiner Mutter zurückgehen. Sie hat grosse Angst um dich.“

Lächelnd sah Terasu zu, wie Fuan zurück lief, den Funken seines Lichtes fest in den Händen um ihn ja nicht zu verlieren und er wusste, dass er dieses kleine Mädchen sehr glücklich gemacht hatte. Dann kehrte auch er zurück zu Yoru und einem Gefolge.
 

Als er am nächsten Abend mit einem neuen Traum zu Fuan kam, hatten sich fast alle Kinder des Dorfes, in dem Fuan lebte, versammelt. Fuan hatte ihnen von dem Traum erzählt und nun wollten sie alle auch einen Traum haben. Jeder von ihnen verbeugte sich vor Terasu und bat höflich darum, auch einen zu bekommen. Terasu war zwar überrascht, doch brachte er es nicht übers Herz, den Kindern die Bitte ab zu schlagen, zumal sie so höflich und respektvoll vorgetragen wurde und so gab er jedem Kind einen Traumfunken mit.

Doch es blieb nicht bei den Kindern, bald baten auch Erwachsene um einen Traum. Manche kamen sogar von weit her in das Dorf um Terasu um einen Traumfunken zu bitten.

Terasu war verzweifelt. Die Träume schienen die Menschen zwar glücklich zu machen, aber das Verteilen und Einsammeln der Funken während der Dämmerung kostete ihn so viel Zeit, dass er seine Mutter nicht mehr sehen konnte.

Hanako klagte er sein Leid.

„Nun, kleiner Bruder, es sieht aus, als hättest du eine Aufgabe gefunden. Träume, das gefällt mir. Und ich habe eine grossartige Idee, wie du deine Träume verteilen und wieder einsammeln kannst, ohne auf deine Begegnungen mit Taiyo verzichten zu müssen.“, kicherte die kindliche Göttin.

„Und welche?“, wollte Terasu wissen.

„Ich werde dir ein paar Gefährten machen. Ganz kleine Wesen, Käfer vielleicht. Ja, ich denke, Käfer sind gut geeignet für diese Aufgabe. Und jedem dieser kleinen Käfer geben wir ein Säckchen, so dass sie die Traumfunken mitnehmen und den Menschen bringen können.“ Hanako lächelte voller Stolz über diese wunderbare Idee und machte sich sogleich an die Arbeit. Terasu half ihr so gut er konnte, doch Hanako war viel bewanderter, wenn es darum ging, Wesen aus Lehm zu formen, hatte sie doch schon die Menschen und die Tiere des Waldes, der Felder und der Berge geformt, und so schickte sie Terasu zur Lebensgöttin Chi, damit sie den Käfern Leben einhauche.
 

An diesem Abend besuchte Terasu Fuan ein letztes Mal und erklärte ihr, dass er von nun an nicht mehr selber kommen könne um ihr ihren Traum zu bringen. Fuan war traurig, denn sie wusste, dass sie Terasu, den sie liebgewonnen hatte und der ihr Freund geworden war, nun nie mehr wiedersehen würde, doch als sie die leuchtenden Käferchen sah, rief sie aus: „Sie nur, Mama, das Würmchen glüht ja!“

Terasu lachte. „Fuan, du hast mich gerade auf eine Idee gebracht, wie meine kleinen Helfer heissen. Glühwürmchen.“ Doch dann wurde er ernst. „Ich muss jetzt gehen, Fuan. Behalt mich in Erinnerung, denn ich werde dich auch in Erinnerung behalten.“ Er küsste das kleine Mädchen sanft auf die Stirn und verabschiedete sich auch von Fuans Mutter.
 

Seither verteilen die Glühwürmchen jeden Abend Terasus Licht, welches den Schlaf der Menschen erhellt und ihnen Bilder und Welten zeigt, so farbenprächtig und schön, wie nur ein Traum sein kann. Doch keines dieser Bilder und keine dieser Welten war je farbenprächtiger oder schöner als die Träume von Fuan, den Mädchen, das Terasu eine Aufgabe gab.
 

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Kokoros kleine Laberecke:
 

Die Geschichte von Terasu spukte mir schon länger im Kopf herum, wie so ziemlich alle Legenden, weil ich im Moment so nachlässig mit Schreiben bin T_T Egal, ich habe sie bei einem Wettbewerb eingereicht, aber Chancen rechne ich mir keine aus. Ich bin irgendwie völlig am vorgegebenen Genre vorbei geschlittert. Ich mein, eine Darkfic ist es schon mal ganz klar nicht, eher eine Lightfic XD Sorry, blöder Witz, ich weiss ^^;. Action is es auch nicht, es geht ja eher ruhig zu und her und Comedy ist ja wohl das allerfalscheste der falschen Genres, die man dieser Legende zuordnen kann, ich finde die Geschichte sogar sehr ersthaft. Bleiben noch Romanzen und das... naja das ist es nur bedingt... Ich meine, klar am Anfang zwischen Taiyo und Sewa kann man (mit seeeeeeeeehr viel Fantasie -.- ) eine Romanze reininterpretieren. Genau so wie bei Fuan und Terasu am Ende, wobei die zwei deutlich mehr von einem Paar haben als Taiyo und Sewa... Aber so ne richtige Romanze is es ja eben auch ned... Wo zur Hölle könnte man das überhaupt einordnen? Hat einer ne Idee?

Während ich an der Legende gearbeitet habe, hab ich meine Freunde mit der Frage, ob es ethnisch korrekt ist, eine Göttin besoffen zu machen, genervt. Irgendwie war der Alkohol die letzte Möglichkeit, die mir geblieben ist. Taiyo würde Irohi nicht von sich aus betrügen, dazu liebt sie ihn zu sehr. Ein Liebeszauber oder etwas ähnliches fiel auch aus, weil Taiyo als Göttin dagegen immun wäre (zumindest gegen den Zauber eines Menschen)... Und da sag nochmal einer, Alkohol sei keine Lösung XD

An der Legende zu arbeiten hat mir sehr gut getan. Das war wiedermal nötig. Das schöne war, dass ich gegen Ende richtiggehend nen Turbo drin hatte. Ich musste recht selten innehalten und überlegen, wie der nächste Satz lauten könnte. Es war einer dieser Tage an denen einem die Sätze förmlich aus den Fingern fliessen, ohne, dass man selbst etwas dazu tun muss. Man muss nicht einmal denken, sondern nur machen, die Geschichte schreibt sich quasi selbst. Und ich persönlich finde, dass dinge, über die man nicht nachdenkt, sondern sie einfach tut meistens besser rauskommen, als Dinge, bei denen man stundenlang überlegt, wie man sie machen soll ^^ Ich möchte gern öfters so arbeiten können. Aber leider funktioniert das „Nicht denken. Machen“-Prinzip ned auf Knopfdruck T_T

Ich mag die Legende aber trotzdem ^^ Ich finde, Taiyo wirkt dadurch weniger Sueig, sondern eher Menschlich und Terasu ist einfach nur knuffig XD

Aber hey Leute, fragt mich bloss nicht, wie ich auf die Idee gekommen bin, denn ich habe keine Ahnung!
 

Also denn, fröhliche Weinachten euch allen und ein gutes neues Jahr, falls wir uns bis dahin nicht mehr sehen ^.^
 

Eure Kokoro



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Kommentare zu diesem Kapitel (6)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2007-07-30T12:40:44+00:00 30.07.2007 14:40
Uff... endlich durch.
Das 14. Kapitel war in Sachen Fehler deutlich besser, als das dreizehnte.
Na ja, soviel von mir.
Und womit schlage ich jetzt die Zeit tot?
*auf Pirsch geht*

Man liest sich.
Von: abgemeldet
2007-01-06T08:33:38+00:00 06.01.2007 09:33
Hallo!

Wie schaffst du es immer, gleich die ersten Sätze so zu formulieren, dass man gar nicht mehr aufhören kann zu lesen? Das ist echt ein Talent...und dann auch gleich diese Metapher mit darin..Wirklich toll!
Die Legende ist wie immer schön ge- und beschrieben. Eine fantastische Idee und wie gewohnt stimmungsvoll umgesetzt...du hast ganz zu recht mit deinen anderen Legenden gewonnen, dass ist klar! Dein Stil ist einfach unnachahmlich und großartig!
Von:  Medihra
2006-12-21T20:32:31+00:00 21.12.2006 21:32
Danke für den Tipp.
Hat mich wirklich aus meiner "Scheiße-der-Windows-Media-Player-stürzt-andauernd-ab"-Stimmung geholt.

Sehr schöne Szenenbeschreibung und sehr ausdrucksstark. Das gefällt mir.
Da können sich viele (Bad-)Fic-Autoren/innen eine gaaaanz dicke Scheibe von dir abschneiden.

^^

Grüße
Cynthia (Anda)
Von:  Hotepneith
2006-12-21T19:32:01+00:00 21.12.2006 20:32
Endlich etwas Neues...und dann gleich so etwas Schönes.
Wie soll ich sagen...etwas romantisch-trauriges..und doch irgendwie mit dem guten Ende, das ich so mag. Immerhin ist es schön, dass so die Träume in die Welt kommen. Auch, wenn ein gut Teil der Darsteller in deiner Geschichte nicht gerade glücklich in deren Verlauf sind. Irgendwie wirkt das Ende mit Fuan doch recht versöhnlich. Und Terasu hat irgendwie seine Aiufgabe gefunden.

bye

hotep
Von:  Tikal
2006-12-21T19:02:10+00:00 21.12.2006 20:02
So, erstmal nach langer, langer Zeit von mir ein Lebenszeichen... ^^ In letzter Zeit hatte ich leider nie genug Zeit, um hier bei Mexx in FFs reinzulesen und diese auch noch zu kommentieren... und auch über die Ferien siehts jetzt eher schlecht aus. ^^ Erwarte also keine Wunderkommentare von mir... obwohl du Recht hast und ich mich öfter hätte melden müssen. ^^°


Zur Legende gibt es - wie üblich - wenig zu sagen. Es erstaunt mich immer noch, so wie damals, als ich zum ersten Mal in das Buch reingeschaut habe, wie du es schaffst, dir für eine Fantasiewelt so eine Mythologie dazuzudenken... ^^ Fantasievoll, aber nicht unglaubwürdig. Es könnten glatt Legenden aus einer echten Mythologie sein. Und da macht auch diese Legende keine Ausnahme.
Ich find es wirklich toll, wie du dieses Gedankenspiel um den Traum-'Gott' (kann man das so sagen? Terasu ist ja schließlich 'nur' ein Halbgott... ^^) aufbaust.. und dass man sogar Göttinnen mit Wein fangen kann, gefällt mir besonders gut. Darauf wäre ich nie gekommen, aber die Idee finde ich einfach genial. ^^ Und nicht nur als alter Glühwürmchenfan mag ich das Ende. Es.. passt einfach, dass die Glühwürmchen die Träume auf die Erde bringen sollen.. anders kann ich es nicht sagen. ^^


Für die Genre-Frage habe ich jetzt auch keine Antwort... es ist alles zusammen und doch gar nichts von denen, die du genannt hast... aber ich finde auch, dass gerade diese Geschichte gar keine wirkliche Zuordnung braucht. ^^ Wenn du sie doch irgendwie einteilen willst, schreib doch was von 'Mythologie' oder 'Legende' als Genre... Legenden sind doch normalerweise unmöglich in nur eine Kategorie zu packen. Warum sollte es bei deinen Legenden anders sein? ^^
Von:  Monkey-D-Suria
2006-12-21T19:00:27+00:00 21.12.2006 20:00
Hallo^^, wie versprochen, werde ich dann mal sofort kommentieren!!! Freut mich, dass ich die Erste bin *jubelz*^^!!!
Schon allein der erste Absatz deiner neuen Legende zeigt, warum du die Gewinnerin unseres WW's bist: dein Ideenreichtum, geschmückt mit dem Schreibstil ist einfach fantastisch! Auf so was mal zu kommen *neid, neid* - genial!
Ebenso beeindruckend ist die Beschreibung des Waldgeistes - auch hier mein Lob für die Idee - und raffiniert die Idee, die Sonnengöttin rumzukriegen XD.

Doch ab da gestaltet sich das Kapitel äußerst traurig: mir tun alle drei leid: Taiyo, Irohi und Terasu. Ein gelungenes Wirrwarr der Gefühle, in dem alle drei schwelgten.
Auch das Treffen der Mutter mit dem Kind ist toll gemacht: die Planungen und die Ideen, diese anscheinend unüberbrückbaren Grenzen zu durchstreiten zeigen, dass du dir sehr viel Gedanken mit der Legende gemacht hast.

Der folgende Teil gefällt mir - wie alles andere - sehr gut: du sprichst den Leser an und es ist sogar beneidenswert, auf diese Beschreibung des Traumes zu kommen. Ebenso auf den Gedanken, Glühwürmchen als die Verteiler der Träume zu wählen.

Ein insgesamt fantastisches Kapitel; aber eigentlich bin ich es, ehrlich gesagt, von dir nicht anders gewohnt XDD.

P. S. Dir auch Frohe Festtage^^!!!


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