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Bittersweet Feelings

von

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Ein ganz normaler Morgen

Autor: CatherineMiller

Titel: Bittersweet Feelings

Fandom: Weiß Kreuz

Kapitel: Ein ganz normaler Morgen

Teil: 1/?

Pairings: RanxNagi; BradxKen; SchuldigxYohjixSchuldig; FarfxOmi

Warnungen: noch keine

Danksagung: Vielen Dank an mein Betas emilyheart und takeuchi, die sich fleißig durch meine tausend Tippfehler mühen!

Sonstiges: Ein weiteres Danke geht an das Corrychan, der ich außerdem das Pairing FarfxOmi widme und das nur Dank ihr überhaupt vorkommt ( also liebe Farf-Fans, bedankt euch bei ihr, diejenigen, die Farf nicht mögen, sollten sich bei ihr beschweren XDD). Darüber hinaus hilft sie mir gelegentlich(oder auch öfter) mit Bildern und Begriffen aus, wenn mein Gehirn mal wider am Schlafen ist. Danke Süße!
 


 

"...ji...YOHJI!!", drang eine Stimme unter die dicke Decke des ältesten Weiß, die dieser fest um sich, insbesondere seinen Kopf geschlungen hatte. Grummelnd wühlte er sich ein wenig aus dem Stoff und sah sich Ken gegenüber, der spöttisch auf ihn herablächelte. "Wieder unter den Lebenden?" War der Braunhaarige eigentlich schon immer so laut gewesen? Yohji konnte sch nicht daran erinnern. Stöhnend verzog er das Gesicht, bevor er es wieder im Kissen vergrub. Doch so schnell war ein Kenken nicht abzuwimmeln.
 

"Aya hat gesagt, dass du noch fünf Minuten hast, bevor er dich holen kommt..." Wieder tauchte das Gesicht unter dem blonden Haarschopf auf. "Er hat geredet? Um diese Uhrzeit?", fragte Balinese aufs Höchste verwundert. Das war doch nicht möglich! Und wirklich, Siberian grinste nur leicht und zuckte die Schultern.

"Er hat ganz genüsslich seine Zeitung zusammengefaltet und sich noch einen Tee

eingegossen, nachdem er auf die Uhr gesehen hat...du weißt, was das bedeutet...."
 

Ok spätestens jetzt wusste Yohji, dass sein Kollege Recht hatte und er sich wirklich schleunigst erheben sollte, wenn er nicht gleich eine unfreundliche Bekanntschaft mit dem Fußboden machen wollte. Trotzdem siegte wieder der Kleinkindtrotz.

"Warum muss ich aufstehen? Ist doch sowieso nichts im Laden los...", moserte er genervt.
 

Ken rollte die Augen, denn manchmal machte Yohji seinem Namen alle Ehre (1) ...naja meistens sogar. Schnell packte er zu und riss dem anderen einfach die Decke weg, nur um sofort rot anzulaufen und sie zumindest zum Teil wieder herzugeben. Er hatte nicht bedacht, wie der andere normalerweise schlief und bekam nun ein wohlgeformtes, blankes Hinterteil entgegengestreckt.
 

"Erstens bekommen wir heute eine neue Lieferung und zweitens hat Aya es gesagt..." Damit war der Fall doch wohl erledigt, oder? Er hatte allerdings nicht die Diskussionsfreude eines verschlafenen Killers mitten in der Nacht bedacht. Immerhin war es erst neun Uhr.
 

"Menno, ich will aber nicht...ich steh nie wieder auf..." Yohji klang wild entschlossen, das durchzusetzen, weswegen Ken sich ein Lachen verbeißen musste. Man sollte nicht glauben, dass da der Älteste von ihnen vor ihm lag. Selbst die Schlafmütze Omi war vernünftiger.

"Oh gut, dann kann Aya dich ja aufsaugen, wenn du genug getrocknet bist und ich bekomm dein Zimmer!" Das half. Schneller als man schauen konnte saß Balinese senkrecht im Bett.

"Nichts bekommst du!"
 

Er maulte noch ein bisschen herum, schwang aber schließlich seinen - seiner Meinung nach - göttlichen Playboykörper aus den Laken und streckte sich ausgiebig. Ken machte schnell, dass er davonkam, bevor er noch Nasenbluten kriegte. Yohji hatte aber auch wirklich kein Schamgefühl! Ok, musste man bei so einem Körper auch nicht haben, aber für ihn war es einfach nur peinlich, zumal er nicht unbedingt darauf scharf war, dass jeder wusste, dass er schwul war.
 

Eigentlich stand er ja dazu, aber er wollte das Risiko lieber nicht eingehen, das seine Freunde und Kollegen negativ darauf reagierten, zumal er keine Ahnung hatte, was sie über dieses Thema dachten. Omi hätte wohl am ehesten Verständnis für ihn, Aya wäre es wahrscheinlich egal und Yohji würde ihn auslachen. Darauf konnte er dann doch verzichten.
 

Auf dem Gang begegnete er Aya, der ihn finster anfunkelte. Oh oh, der hatte wohl das mit dem Staubsauger gehört. Der Rothaarige hasste es wie die Pest, wenn man ihn in nahem Zusammenhang mit Haushaltsgeräten nannte, obwohl er ja nun wirklich der Einzige war, der sie regelmäßig benutzte. Er war allerdings auch der Einzige, der wusste, wie man sie richtig einsetzte, ohne sich und seine Umgebung, vor allem die etwas wertvolleren Einrichtungsgegenstände zu gefährden.
 

Es war also kein Wunder, dass man immer nur ihn mit Staubsauger und Mob hantieren sah, stilecht mit Staubwedel und Schürze. Ein Anblick, der dermaßen zum Lachen reizte, dass sich die übrigen Weiß-Killer lieber verzogen, solange ihr Anführer putzte, denn sie hätten es wohl nicht überlebt, wenn sie sich über ihr 'Hausmädchen' lustig gemacht hätten, dafür verstand sich dieses zu gut auf den Umgang mit spitzen, scharfen Gegenständen. Im Grunde genommen waren sie ja auch alle drei froh, dass Abyssinian das übernahm, denn sonst wären sie früher oder später im Dreck erstickt und sowieso schon längst verhungert, weil keiner auch nur annähernd Essbares zustande brachte.
 

Verlegen kratzte Ken sich am Hinterkopf. "Ähm...er ist aufgestanden...", informierte er seinen Leader. Der nickte nur und verschwand in seinem Zimmer.
 

Kopfschüttelnd sah der Fußballer dem eisigen Rotschopf hinterher. Aus dem würde er wohl nie schlau werden, auch nach den zwei Jahren, in denen sie nun schon zusammenarbeiteten nicht. Seufzend begab sich der braunhaarige Junge wieder in die Küche, um den Tisch fertig zu decken. Immerhin sollte die morgendliche Frühstücksschlacht bald beginnen und darauf musste man ja schon entsprechend vorbereitet sein.
 

Eine Viertelstunde später bequemte sich auch wirklich ein immer noch recht verschlafener, aber inzwischen geduschter und angezogener Playboy die Treppen hinunter. Ok, er war zumindest das, was Yohji unter angezogen verstand. Bedeckt mit Kleidungsstücken, die seine Haut mehr entblößten als versteckten, wie sie es eigentlich tun sollten, denn dazu war Kleidung doch da, oder? Wäre Ken nicht an diesen Anblick gewöhnt, er hätte sicher zu sabbern begonnen.
 

Müde kratzte sich der blonde Mann am Bauch und ließ sich mit einem absolut mitleiderregenden Seufzen und einer theatralischen Geste auf seinen Stuhl sinken. Der Fußballer konnte nur wieder den Kopf schütteln, stand aber schicksalsergeben auf und füllte Yohjis Tasse mit lebensspendendem Kaffee, bevor Aya wieder herunterkam und womöglich über den Müll meckerte, der herumlag. Damit konnte man den Playboy nämlich im Moment gut verwechseln, so wie der in seinem Stuhl hing.
 

"Bist du doch tot?", fragte der Braunhaarige seinen Kollegen neckend. Der grummelte nur übelgelaunt und grapschte dann nach der Tasse, die ihm entgegengestreckt wurde. Ahh Kaffee, gab es etwas besseres am frühen Morgen...von einem weichen, warmen Bett mal abgesehen...und vielleicht...nein diesen Gedanken verfolgte er besser ein andermal weiter.
 

Nebenbei fiel ihm auf, dass er schon seit einer verdammt langen Zeit nicht mehr morgens/mittags neben jemandem aufgewacht war. Grübelnd starrte er in die dampfende, schwarze Flüssigkeit in seiner weißen Tasse mit dem lachenden Kondom drauf. Er wusste auch nicht warum, aber er liebte dieses Ding. Seltsam, denn ausgerechnet Aya war auf die Idee gekommen, sie ihm zum Geburtstag zu schenken.
 

Er schüttelte den Kopf, vielleicht half ja dass, seine karussellfahrenden Gedanken in Reih und Glied zu bringen. Aber anstatt in geordneten Bahnen zu laufen, rannten sie noch wirrer durcheinander. Der ganz normale Morgenwahnsinn, wie er befand. Stöhnend ließ er seinen dröhnenden Kopf auf die Tischplatte sinken. Er hätte gestern eindeutig nicht so viel trinken sollen, dann würde ihm heute das Denken vielleicht leichter fallen.
 

Warum hatte er sich eigentlich betrunken? So hässlich war die Frau, die ihn angegraben hatte nun auch wieder nicht gewesen. Groß, lange Beine, kurze schwarze Haare, eigentlich nicht so sein Typ aber eigentlich ganz ansehnlich. Sie waren schnell ins Gespräch gekommen, aber es war deutlich zu spüren gewesen, dass die Kleine nicht nur reden wollte. Er hatte keine Ahnung, wie sie in dem etwas schäbigen Hotelzimmer gelandet waren und auch was danach passiert war, lag ziemlich im Dunkeln. Er wusste nur noch, dass er wohl recht schnell abgehauen war, konnte aber nicht mehr sagen, ob da mehr passiert war oder nicht.
 

Eine Hand auf seiner Schulter riss ihn zurück in die Realität. Als er aufsah bemerkte er das Aspirin und das Wasserglas vor seiner Nase. Dankbar nahm er beides an und war froh, dass Ken nicht weiter nachfragte, sondern ihn einfach grübeln ließ, denn ihm stand im Moment nicht der Sinn nach langen Gesprächen und zu so einem würde es zweifelsfrei ausarten, wenn er erst einmal zu reden begann.
 

Seit Wochen ging das schon so, dass er sich sinnlos betrank, sich abschleppen ließ und schließlich doch wieder flüchtete, hinterher aber nicht mehr wusste wieso und weshalb. Das war doch nicht normal, vielleicht sollte er ja mal einen Arzt oder so aufsuchen. Vielleicht wurde er aber auch impotent und ergriff deswegen immer die Flucht. Der Gedanke durchzuckte ihn siedendheiß und sofort saß er senkrecht auf seinem Stuhl, was ihm seltsame Blicke seines Kollegen einbrachte.
 

Konnte das denn sein, dass er, Yohji Kudou, Tokios größter Lover und Playboy Nr. 1 es einfach nicht mehr brachte, dass er wirklich... Er schluckte hart und wagte es nicht, den Gedanken erneut weiterzuführen. Nein, nein, das war sicher nur eine Phase, nicht mehr und nicht weniger... wenigstens solange er es sich einredete.
 

Er beschloss, diese Diskussion auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben, bevor Ken noch auf dumme Gedanken kam und womöglich nachhakte. Der Jüngere hatte gelegentlich trotz seiner etwas langen Leitung und der Tollpatschigkeit ein erstaunliches Gespür für die Stimmungen seiner Kollegen, dass es einem fast Angst machen konnte.
 

Zum Glück wurde Yohji durch das eben durch die Tür schießende, reichlich aufgelöst wirkende Hauschibi abgelenkt und sofort schaltete sich in ihm der gewöhnliche Modus ein, den er für seine Umwelt parat hielt. "Na Kleiner, schon so früh auf?", neckte er den Teamjüngsten frech.
 

Der stoppte mitten in der Bewegung und warf dem Älteren einen bitterbösen Blick zu, der bei ihm allerdings eher niedlich wirkte. "Nenn mich nicht Kleiner!", fauchte er gereizt und sein Blick schwenkte um auf Ken. "Warum hast du mich nicht geweckt? Ich komm zu spät zur Schule!" Gar nicht auf eine Antwort wartend, knöpfte er sein Hemd bis oben hin zu und stopfte es eilig in die Hose. "Meine Socken!", quietschte er erschrocken, als sein Blick auf seine nackten Füße fiel.
 

Auf dem Gang rannte er beinahe in Aya hinein, der einen Schritt zur Seite machte, um dem Wirbelwind zu entgehen. Heute hatten es eindeutig alle auf ihn abgesehen. Fehlte nur noch Yohji, dann war das Trio perfekt. Seelenruhig ging er in die Küche und schmierte dem Jüngsten sein Pausenbrot, legte es an den üblichen Platz und nahm schweigend die Autoschlüssel zu seinem Porsche.
 

Genauso lautlos wie er gekommen war, verließ er die Küche wieder und wenige Sekunden später fiel die Haustür mit einem leisen Klicken ins Schloß. Die beiden Zurückgebliebenen grinsten sich synchron an. Aya wusste immer ganz genau was zu tun war und er wusste auch, dass Omi mal wieder den Bus verpasst hatte. Aus der oberen Etage drang ein Schrei zu ihnen herunter. Anscheinend war es dem blonden Jungen auch gerade aufgefallen.
 

Es polterte und fluchte und das verwuschelte Chibi kam auf einem Fuß in die Küche gehüpft, weil er verzweifelt versuchte seinen Schuh an den anderen zu bekommen. Nur dank Yohjis hilfreich ausgestrecktem Arm wurde er vor einer Kollision mit den Küchenfliesen bewahrt. Hastig flog sein Blick zur Brotdose und sein Gehirn entschied, dass dafür keine Zeit mehr war. Eine weitere Hand, die dieses Mal Ken gehörte, drückte ihm das fertige Pausenbrot in die Hand und strich die blonden Strähnen glatt, während der Junge noch verwirrt auf das Päckchen starrte.
 

Dann bekam er seine Schultasche umgehängt und mit einem Schubs von zwei Händen stolperte er aus der Haustür, durch den Vorgarten, direkt auf den weißen Wagen zu, der bereits vor der Auffahrt auf ihn wartete. Mit betretenem Gesichtsausdruck und leicht geröteten Wangen stieg er ein und krümelte sich auf dem Ledersitz zusammen, um möglichst nicht aufzufallen.
 

Auf sein gemurmeltes "Gomen ne...arigatou Aya-san...", bekam er wie immer nur ein gebrummtes "Hn..." Ein ganz normaler Morgen eben und Omi nutzte die zwanzig Minuten Fahrtzeit, sich noch einmal den Stoff der ersten Stunde durchzusehen. Mit dem Rotschopf ein Gespräch anzufangen hatte er schon lange aufgegeben.
 

Es wunderte ihn nur, dass der andere das morgendliche Theater immer wieder mitmachte, ohne sich zu beklagen, oder die Geduld zu verlieren. Schon erstaunlich, denn Aya war ja nicht gerade bekannt für seine Umgänglichkeit, wenn ihm etwas nicht passte. Aber er sagte nie etwas, schmierte Omi jeden Morgen sein Pausenbrot, ohne dass ihn jemals jemand darum gebeten hätte.
 

Omi fand allerdings keine Zeit, sich länger Gedanken über das manchmal recht merkwürdige Verhalten seines Anführers zu machen, denn sie hielten vor der Schule. Der Junge bedankte sich noch einmal und sprang dann aus dem Wagen, damit Aya nicht noch länger warten musste. Er ahnte nicht, dass der weiße Porsche stehen blieb und ihm der wachsame Blick amethystfarbener Augen folgte, bis er das Schultor passiert hatte.
 

Erst, als Ran sich sicher war, das sein Schützling dort war, wo er hingehörte, wendete er das Auto und fuhr zurück zum Koneko.
 

Dort war Ken gerade dabei, die Liste für den Einkauf zusammenzustellen, den er noch am Vormittag erledigen wollte. Da Aya ja kochte, war in dessen feiner Handschrift bereits alles aufgeführt, was er für die Hauptmahlzeiten benötigte. Von Ken wurde nur noch erwartet, dass er genau das besorgte und an die Grundnahrungsmittel wie Bier und Chips in Yohjis Fall, Schokolade für Omi und Popcorn für sich selbst sowie Getränke dachte. Dafür war er von den anderen Haushaltspflichten entbunden, bei denen er ohnehin nie eine große Hilfe war. Bei ihm ging meistens mehr zu Bruch als dass es sauber wurde.
 

"Brauchst du noch was?", fragte er sein blondes Gegenüber, das bereits die dritte Tasse Kaffee in sich hineinkippte. Yohji schluckte, dachte kurz nach und schüttelte dann den Kopf. "Nein ich denke nicht, meine Kosmetik besorge ich selbst, du kaufst nur das falsche..."
 

"Wenn du auch immer so ganz speziellen Kram von Arma-irgendwas und dem Zwerg da willst..." Ken rollte genervt die Augen, denn er hatte nicht die geringste Lust, nur für Yohjis Düftchen und Cremchen durch die halbe Stadt zu fahren.
 

Der Playboy schnaubte entrüstet. "Armani heißt das und Calvin Klein ist kein Zwerg, sondern heißt nur so!" Seit er den Namen mal im Wörterbuch nachgeschlagen hatte, wurde er von Ken und Omi pausenlos aufgezogen. Aber eine Ikone wie er stand über solch neidischen Anfeindungen. Meistens jedenfalls. Zumindest dann, wenn er nicht, wie gerade, in einer Lebenskrise steckte.
 

Ken dagegen verstand gar nicht, was an diesen sündteueren Kosmetik-Artikeln so toll sei sollte und vervollständigte seine Liste, indem er noch ein paar persönliche Dinge draufsetzte.
 

"Ok, dann fahr ich jetzt mal...", verkündete er und stand auf, was ihm einen entsetzten Blick von Yohji einbrachte. "Was? Du willst mich doch nicht mit Mr. Eis alleine lassen?!" In Balineses Stimme schwang eindeutig leichte Panik mit.

Ken verbiss sich gekonnt ein breites Grinsen. "Warum nicht? Er sagt doch sowieso nichts..."
 

"Das ist es ja! Und wenn man auch nur einen überflüssigen Ton von sich gibt, von dem er sich angesprochen fühlt, dann..." Yohji schauderte etwas sehr übertrieben, was seinen Kollegen nun wirklich zum Lachen reizte. "Yohji, stell dich bitte nicht so an, als wärst du erst drei und müsstest beim bösen Onkel Aya zurückbleiben."
 

"Is aber so, ich werd sicher eingehen vor Langeweile..." Yohji zog wirklich alle Register, versuchte es sogar mit Omis Chibi-Bettelblick, der bei ihm allerdings reichlich daneben ging und nur lächerlich wirkte.
 

Ken erwiderte nichts mehr, hier wäre wohl jedes Wort vergebene Liebesmüh gewesen. "Ich werde jetzt gehen und du kannst ja was gegen deine Langeweile tun, indem du mal zur Abwechslung nicht nur rumhängst und auf Weiber wartest, sondern Aya mit der Lieferung hilfst..." Er hatte zwar keine Hoffnung, dass das ihrem Anführer mehr entlockte, als eine hochgezogene Augenbraue und einen kühlen Blick, aber einen Versuch war es wert und immerhin würde sein Freund dann nicht die ganze Zeit vor sich hinbrüten. Er würde dem anderen ja zu gerne helfen, aber bedrängen brachte gar nichts, das wusste er aus Erfahrung.
 

Also raffte er Geld, Liste und die Schlüssel von Yohjis Seven zusammen und verließ rasch das Haus, nachdem er sich Schuhe und Jacke angezogen hatte. In der Auffahrt begegnete ihm Aya, der soeben den Porsche auf seinem Platz parkte, so fein säuberlich gerade, als wären dort Abstandhalter eingebaut worden. Er selbst war ja froh, wenn er unbeschadet vom Supermarkt wiederkam. Aber er war ja auch nicht so perfekt, er war nur Baka-Ken.
 

Seufzend stieg er ein, startete den Motor, der sogleich schnurrend ansprang und steuerte das Fahrzeug mit mehr Glück als Geschick rückwärts aus der Einfahrt und dann in Richtung Supermarkt.
 

(1) Yohji = Kleinkind

Ein ganz und gar nicht normaler Morgen

Autor: CatherineMiller

Titel: Bittersweet Feelings

Fandom: Weiß Kreuz

Kapitel: Ein ganz und gar nicht normaler Morgen

Teil: 2/?

Pairings: RanxNagi; BradxKen; SchuldigxYohjixSchuldig; FarfxOmi

Warnungen: Kleinkind Schuldig XD

Danksagung: Vielen Dank an mein Betas emilyheart, Corrychan und takeuchi, die sich fleißig durch meine tausend Tippfehler mühen!

Sonstiges: Ein weiteres Danke geht an das Corrychan, der ich diesmal das Küchen-Farf widme (merkt man, dass sie einen Teil der Ideen beisteuert? XDD Vielleicht sollte ich sie als Co-Autor einsetzen XDDDD)
 


 

"FARFARELLO!!!!!!!" Schuldigs Stimme überschlug sich fast, als er den Namen seines Kollegen durchs Haus brüllte. Er schien ganz kurz vor einem mörderischen Tobsuchtsanfall zu stehen und wenn man sein Gesicht sah, hatte man das Gefühl, das er bereits mitten drin war, denn die Farbe seiner Haut biss sich bereits sehr stark mit dem leuchtenden Orange seiner Haare.
 

Einige mehr als unflätige Flüche folgten, wobei ihm wohl jeder den guten Rat gegeben hätte, wenigstens zwischendurch mal Luft zu holen. Daran dachte er im Moment nämlich gar nicht und so wechselte seine Gesichtsfarbe nach einer Weile zu Lila. Keuchend und schnaufend stand er schließlich im Gang des oberen Stockwerks der Villa Schwarz, während seine grünen Augen nach dem Übeltäter suchten.
 

Wie nicht anders zu erwarten blieb der natürlich verschwunden, was Schuldig selbst durchaus verstehen konnte, niemand setzte sich freiwillig seinem Zorn aus. Selbst seine ärgsten Feinde zitterten vor ihm.
 

Wutschnaubend stürzte er die Treppe hinunter, stolperte über seine eigenen Füße und fing sich gerade noch am Treppengeländer ab. Allerdings hatte er seinen Schwung und seine untere Körperhälfte nicht bedacht, die nun beide von seinem rechten Fuß, beziehungsweise dessen großen Zeh gebremst.
 

Aufjaulend und auf einem Bein hüpfend, sich das verletzte Körperteil haltend war er im unteren Flur gelandet und fluchte sich die Seele aus dem Leib. Der weißhaarige Ire spielte dabei in seinen Ausführungen eine nicht ganz unwesentliche Rolle, was aus der Sicht des Deutschen durchaus verständlich war.
 

Wo war er, der Übeltäter... der Kranke... der Perverse... der Mörder... der IRRE??!!! Das war die Tat eines Wahnsinnigen und überhaupt, solch eine Greultat konnte nicht ungesühnt bleiben, das konnte nicht angehen! Rache... ja er wollte Rache! Blutig wenn möglich... schmerzhaft war ja leider schwer möglich.
 

Sein Blick fiel auf die geschlossene Kellertür. Aha! Da hatte sich die miese, kleine Mörderratte also versteckt. Er sah noch einmal auf den Corpus Delicti in seinen Händen und für einen Augenblick traten ihm Tränchen in die Augen, die im Moment fast vollständig von langen Haaren verdeckt waren.
 

Warum hatte Farfie das nur gemacht? Er hatte ihn doch die letzten Wochen über gar nicht geärgert, war brav einkaufen gegangen, wenn man es von ihm verlangte, hatte auch nur ein ganz kleines bisschen über den Abwasch gemeckert und auch ansonsten war er doch wirklich nicht schlimm gewesen. Warum also, warum nur?
 

Seine armen, armen geliebten Schätzchen, seine Goldstücke! Aber er hätte es wissen müssen! Schon als der Ire urplötzlich verkündet hatte, dass er sich jetzt Hobbies zum Entspannen zulegen würde, hätte er es wissen müssen. Oder spätestens, nachdem Nagis Druckerpapier und seine eigene Nagelschere verschwunden waren und Crawfie sie unheimlich über den Papiermüll aufregte, der sich unglaublich vermehrt hatte.
 

Aber so was... so was... Unglaubliches! So was hatte er doch wahrlich nicht verdient, oder? So schlimm waren die paar Morde, die er schon begangen hatte nun auch wieder nicht! Schniefend, sich aber wieder am Riemen reißend, damit er nicht doch noch in Tränen ausbrach, stieß er die massive Stahltür auf und hüpfte die Treppe hinunter, weil sein Zeh immer noch sehr gemein wehtat.
 

Unten angekommen steuerte er schnurstracks auf die geschlossene 'Zimmertür' des Iren zu, riss diese einfach auf, ohne zu Klopfen. Wer brauchte schon Höflichkeit? Er jedenfalls nicht.
 

Er prallte zurück, als er unverwandt in ein goldenes Auge starrte, das zu einem Gesicht gehörte, welches sich nur drei Millimeter von seinem entfernt befand. Farfarello schien nur auf ihn gewartet zu haben, jedenfalls stand er auf einem Schemel, so dass sie sich auf gleicher Augenhöhe befanden.
 

Für einen Moment war Schuldig absolut sprachlos und gab eine gelungene Fisch-Imitation ab, als er seinen Mund ein paar Mal auf und zu klappte, ohne dass etwas herauskam. Er arbeitete nun schon so lange mit Farf zusammen, doch noch immer konnte der Weißhaarige ihm einen Schreck einjagen, und das, ohne sich auch nur im Geringsten anzustrengen, oder sich auch nur zu bewegen. Er stellte sich einfach auf einen Schemel hinter eine Tür und wartete.
 

Und wie er da auf dem Hocker stand, völlig bewegungslos mit keinerlei Ausdruck auf dem blassen Gesicht. Nur wenn man ganz genau hinsah, konnte man einen Funken Belustigung in dem einzelnen Auge sehn. Schuldigs Wut flammte wieder auf. Wie konnte der es wagen, sich über ihn lustig zu machen! Musste das jetzt unbedingt noch sein?
 

"Warum?" Seine Stimme zitterte ganz deutlich und er packte das Shirt des Kleineren und hob ihn etwas an, so dass er jetzt nur noch auf den Zehenspitzen auf dem Schemel stand. "Warum hast du ihnen das angetan? Sie konnten sich noch nicht mal wehren...du...DU...IRRER!" Das dem Orangehaarigen kein Schaum vorm Mund stand war aber auch schon alles.
 

Farf zuckte nur die Schultern, fand es aber nicht für nötig, sich dazu zu äußern. Interessiert musterte er den aufgelösten Schuldig und machte sich geistig den Vermerk, dass er das nächste Mal einen Fotoapparat herrichten sollte, um diese Augenblicke des Triumphes für die Nachwelt, oder einfach nur sich selbst, festzuhalten.
 

Und wie er seinen Sieg genoss! So sehr wie das Kekschenbacken für Nagi, nein noch viel mehr! Es tat so wunderbar gut, den nervigen Deutschen so zum Verzweifeln zu bringen. Waren das da nicht Tränen in den grünen Augen? Hoffentlich! er beugte sich vor, um besser sehen zu können.
 

Erschrocken wich der Orangehaarige einen Schritt zurück. Was sollte denn das bitteschön? Drehte Farf jetzt ganz ab? Bestimmt hatte der gute Braddy mal wieder über aller Arbeit vergessen, dem Weißhaarigen seine Tabletten zu verpassen. Auf die Idee, dass er da ja auch mal selber mit dran denken könnte, kam er erst gar nicht.
 

Sein Mund verzog sich angewidert. Ok, er war bi, aber erstens wusste dass nur sein Leader, glaubte er zumindest, und zweitens war Farfarello echt nicht sein Typ. Zu... irre... und narbig... und.... irre, ganz eindeutig. Er bevorzugte normalere Personen.
 

Allerdings bezweifelte er auch, dass richtige, zwischenmenschliche Beziehungen in Farfs Gedankenwelt überhaupt vorkamen, wenigstens solche nicht. Der andere schien ja starke Muttergefühle für ihren Chibi zu hegen, aber das konnte sich auch ziemlich schnell wieder ändern. Lag wahrscheinlich eh nur an dem ungetesteten Zeugs, mit dem er von Brad gefüttert wurde. Schuldig wollte gar nicht wissen, wo sein Anführer den Kram her hatte, aber immerhin schien es ja zu wirken.
 

Knurrend verengte er seine Augen und schnappte sich den Irren. Ihn fest am Arm gepackt haltend schleifte er ihn hinter sich her die Kellertreppe hinauf zur Küche, wo Brad garantiert saß und Zeitung las. Und die kleine Plage stopfte wohl diesen schrecklichen amerikanischen Flockenfraß in sich hinein, den sie Cerealien oder Cornflakes oder so nannten.
 

Ein Wunder, das der Zwerg noch keine Tonne war, so wie er den Kram vertilgte. Schu hatte mal aus purer Neugierde auf die Kalorientabelle gesehen und war vor Schreck fast rückwärts umgefallen. Nicht etwa, dass ihm so etwas schmeckte, aber es schadet ja nie, sich zu informieren, falls ihn mal sein Traumtyp auf der Straße ansprach und nach der Kalorienzahl von Cornflakes fragte, nicht wahr?
 

Aber so waren die Amis halt, lebten tierisch ungesund, sah man ja an Brad, der arbeitete sich noch irgendwann zu Tode und dann würde er der Schwarz-Leader werden. Nur mit Mühe überwand er den flüchtigen Anfall von akutem Größenwahn und konzentrierte sich wieder.
 

Das kleine Monster wurde schon genauso wie Crawford. Ein kalter Fisch, lernte sogar fleißig Englisch, diese schreckliche und ganz und gar unnütze Sprache. Deutsch war ja wohl das einzige Wahre, so melodisch und vor allem logisch strukturiert! Warum sah das nur Keiner ein? Wäre doch sehr praktisch, wenn alle Deutsch sprechen würden, oder? Zumindest für ihn selbst.
 

Ohne zu Zögern stieß er die Küchentür auf und blieb schwer atmend, immer noch Farf im Griff habend, im Türstock stehen. "BRAD! CRAWFORD! TU! WAS!" Um seinen Worten etwas mehr Gewicht zu verleihen, setzte er sein bestes Gewittergesicht auf und versuchte es mit dem Deathglare, den er sich von dem rothaarigen Kätzchen abgeschaut hatte.
 

Brad verschluckte sich vor Schreck an seinem Kaffee, als Schuldigs Gebrüll durchs Haus dröhnte und hätte ihn wohl prustend über den Tisch gespuckt, wenn die braune Flüssigkeit nicht wirkungsvoll vom Wirtschaftsteil seiner armen, unschuldigen Zeitung gebremst worden wäre. Diese wurde daraufhin restlos und endgültig in den Zeitungshimmel verfrachtet, wo sie jetzt ganz bestimmt harfespielend auf eine Wolke saß oder im Zeitungschor sang.
 

Missmutig legte er den nassen, tropfenden Fetzen weg und begegnete Nagis Blick. Die sonst so gut wie ausdruckslosen Augen des Jungen schimmerten milde amüsiert und wanderten dann von seinen Frühstücksflocken zu dem Hauseigenen und im Moment ziemlich schmollenden Telepathen, der Farfie ziemlich hart gepackt zu haben schien. Was hatte der wohl angestellt, dass Schuldig so ausrastete?
 

Ok, dazu brauchte es nicht viel, aber so sehr führte er sich dann doch nicht auf. Er hatte sich ja noch nichts dabei gedacht, als der Deutsche im Hausflur herumgeflucht hatte, das tat er schließlich immer, und meistens verstand man es eh nicht, weil es deutsch war. Im Japanischen konnte er es nämlich nicht so gut.
 

Diesmal schien es doch etwas Ernsteres zu sein und obwohl es Nagi niemals zugeben würde, allein, um sein Gesicht der Gleichgültigkeit nicht zu verlieren, war er doch neugierig, denn vielleicht konnte er das ja mal wiederholen, wenn Schu ihm zu sehr auf den Keks gegangen war. Ein Druckmittel in der Hinterhand war ja immer gut.
 

Brad versuchte, sich hinter seinem Brötchen zu verschanzen, das er nun mit aller Hingabe aufschnitt und mit Butter und Marmelade bestrich. Sehr interessant konnte so ein Teigklumpen sein, dass musste er schon sagen. Vielleicht ging der Langhaarige dann ja einfach wieder, wen er ihn einfach ignorierte? Träumen würde er ja noch wenigstens dürfen, oder?
 

"Braaahhhaaa~~aadddd...!!!!!" Es war unüberhörbar, das Schuldig einen Kommentar von ihm erwartete. Herrgott warum hatte er das nur nicht vorausgesehen? Vielleicht, weil in diesem Haushalt einfach NICHTS auch nur annähernd vorhersehbar war? Möglich... ok sehr wahrscheinlich. Brad beendete seine innere Diskussion mit einem barschen "Was?", dass er an Schuldig richtete.
 

"Der hat meine Bandanas kaputtgemacht!", kam auch sogleich die prompte Antwort. Für einen kurzen Moment fragte sich der Schwarz-Leader, ob er sich gestern Abend vielleicht nicht doch in der Tür geirrt hatte und anstatt in einer Villa mit vier Killern, im Kindergarten gelandet war. So abwegig erschien ihm der Gedanke gar nicht, wenn er sich so Schuldigs schmollend vorgeschobene und Farfs trotzig zusammengepresste Lippen anschaute.
 

"Er hat sie im Bad liegen lassen! Einfach so! Die waren einsam!", verteidigte sich der angegriffene Ire und fuchtelte mit seiner nagelneuen Bastelschere mit extra stumpfen Spitzen in der Luft herum, die er erst neulich bekommen hatte, als Nagi ihm seine ganz bösartig und heimtückisch versteckt hatte. Dass es eigentlich Schuldigs Nagelschere gewesen war und der Junge nur sein Druckerpapier beschützen wollte, ließ er mal unter den Tisch fallen.
 

Brad indessen war nahe daran, in Selbstmitleid zu versinken und seinen Job als Babysitter zu quittieren. Von Nagi war auch keine Hilfe zu erwarten, der versteckte sein Grinsen hinter seiner 'Hab-das-Bärchen-lieb'-Kabatasse. Seufzend massierte sich der große Schwarzhaarige die Schläfen und raffte sich schließlich doch auf.
 

"Schuldig, du bist 24 Jahre alt, man sollte meinen, dass du so was auch alleine regeln kannst! Stell dich nicht so an, wegen ein paar Stoffstreifen!" Das war doch nicht zu fassen. Farfarello kicherte irre und schadenfroh in sich hinein. Aber auch er bekam sein Fett weg. "Und du, Farf, bist auch alt genug um meins und deins zu unterscheiden! Du weißt ganz genau, wem die Bandanas gehören, also lass die Finger davon, es gibt genug Papier im Haus..."
 

Man hörte einen keuchenden Laut von Nagi, der sich soeben an seinem Kaba verschluckt hatte. Der Blick, mit dem er seinen Vormund bedachte, konnte man nur als entsetzt und anklagend bezeichnen, denn damit hatte der Hausirre praktisch den Freifahrschein an SEIN Papier. Das konnte Brad doch nicht so einfach machen! Wie sollte er bitte Ausdrucke für Missionen machen, ohne Papier im Drucker? So konnte er einfach nicht arbeiten!
 

Brad benutzte extra den Ton, den gewöhnlich Eltern anschlugen, um mit fünfjährigen Kindern zu reden, er wollte ja schließlich sicher gehen, dass ihn auch beide verstanden und das Gesagte auch speichern konnten. Nagi konnte sich ein leises Kichern nicht verkneifen, was ja schon wirklich untypisch für ihn war, denn trotz seines Entsetzens war es doch eine wirklich lustige Szene, wie Papa Crawford da den Streit zwischen seinen Sprösslingen schlichtete.
 

Das Gesicht seines Anführers verdüsterte sich augenblicklich noch mehr und der Ausdruck wurde noch saurer. "Muss du nicht in die Schule?", giftete sein Vormund schlecht gelaunt, woraufhin der Junge es vorzog, sich lieber im Stillen über das morgendliche Theater zu amüsieren und sein Papier zu verstecken.
 

Er hatte noch eine gute halbe Stunde, bis er los musste und Brad wusste das genauso gut wie er, aber der Ältere brachte es durchaus fertig, ihn früher vor die Tür zu setzen und genau in so einer Stimmung war er gerade. Da verkrümelte er sich lieber und las noch etwas in dem Manga, den er gestern Abend angefangen hatte.
 

Schuldig jammerte noch ein wenig vor sich hin und rauschte schließlich beleidigt ab, um in seinem Zimmer zu schmollen, da es hier ja keinen interessierte und dort ausgiebig und sehr lautstark seine armen verunglimpften Bandanas zu betrauern, die jetzt Brads Zeitung im Himmel Gesellschaft leisteten.
 

Farfarello dagegen setzte sich seelenruhig an den Tisch und legte die Bastelschere mit extra stumpfer Spitze aus der Hand, um nach einem der Brötchen zu greifen und es genüsslich zu sezieren. Er wusste ganz genau, dass seinen Anführer schon beim Zusehen der Appetit verging und irgendwie musste er sich ja schließlich für den entgangen Spaß mit Schuldigs Haarbändern rächen.
 

Und wirklich, wenige Sekunden später stellte der Schwarzhaarige seine Tasse mit einem hörbaren Klirren auf der Untertasse ab und erhob sich beinahe hastig. Es gab eben ein paar Dinge, die sein Magen nicht vertrug und Farfie beim Frühstück zusehen gehörte eindeutig dazu. Er nuschelte noch irgendetwas von 'Arbeitszimmer' und rauschte so schnell davon, dass sein Armani beinahe Falten schlug.
 

Wenig später war auch Nagi verschwunden. Entspannt lehnte sich der zurückgebliebene Irre zurück und wartete geduldig auf den rothaarigen Telepathen. Denn erst, wenn auch dieser seinen Raubzug durch die Küche beendet hatte, gehörte sein Reich wieder ihm und er konnte sich ans Tageswerk machen. Niemand konnte ernsthaft arbeiten, wenn Schuldig zwischendrin herumwuselte, beziehungsweise -fluchte.
 

Farfarello fragte sich manchmal wirklich, wie der Deutsche vierundzwanzig Jahre hatte überleben können, ohne sich größere oder gar lebensgefährliche Verletzungen zuzuziehen, so wie er mit Küchengeräten umging. Gut, dass er das in die Hand genommen hatte, sonst hätte der andere womöglich noch irgendwann die Villa abgefackelt. Obwohl, Crawfords Gesicht wäre sicher interessant gewesen. Aber wie er sich kannte, hätte er dann ganz sicher wieder keinen Foto zur Hand gehabt und dieses Experiment ließ sich nicht so leicht wiederholen wie das mit den Bandanas.
 

Und wenn man vom Teufel sprach, schon schoben sich ein paar orangefarbene Strähnen durch die Tür, gefolgt vom immer noch schmollenden Besitzer, der den Weißhaarigen keines Blickes würdigte, sondern schweigend sein Essen hamsterte und mit vollen Backen kauend wieder verschwand.
 

Zufrieden stand der Ire auf, band sich seine blau- und rosageblümte Schürze um, die ihm seine Kollegen zuletzt geschenkt hatten, nachdem seine viel hübschere, schwarze, in Flammen aufgegangen war, als Schuldig mal hatte kochen wollen und machte sich daran, das Schlachtfeld zu beseitigen, das die anderen hinterlassen hatten. Und so verschwanden Kaffeereste ebenso wie Brötchengekrümel und Kabaspritzer im Abfluss. Leise eine irische Weise summend grübelte Farf darüber nach, was er heute zum Mittag kochen könnte.
 

Erstaunlicherweise war das etwas, dass er konnte, ohne sich oder andere zu gefährden und es schmeckte sogar noch. Nachdem die Küche sauber war warf er einen Blick in den gefüllten Kühlschrank. Schließlich hatte Brad ja gestern eingekauft... Doch aus der kalten Höhle schlug ihm gähnende Leere entgegen.
 

Sein Blick wurde eisig. Crawford hatte es doch wirklich gewagt und den von ihm aufgestellten Einkaufsplan ignoriert. Seelenruhig rupfte Farfie die Einkaufsliste von der Pinnwand und marschierte in Richtung Büro des Schwarz-Leaders, von wo man schon von weitem eine autoritäre Stimme und Tastaturgeklapper hören konnte.

Ohne anzuklopfen stieß er die Tür auf.
 

Brad, der soeben in einem wichtigen Telefongespräch mit einem ihrer Kunden vertieft war, drehte sich mit seinem Stuhl herum, um den Störenfried unsanft wieder hinauszubefördern, denn eine solche Unverschämtheit besaß normalerweise nur einer. Dabei entging er nur dank einer Vision haarscharf einem fliegenden Dolch, der zitternd im Schreibtisch, in seinem sündteuren Schreibtisch aus Mahagoniholz, genau in der Telefonschnur stecken blieb. Hatte sich heute eigentlich alle Welt gegen ihn verschworen? Erst sein Kaffee und seine Zeitung, ein sich amüsierendes Chibi und jetzt auch noch das? Zuviel, eindeutig zu viel.
 

Gerade wollte er Farf gehörig anfahren, als ihm dessen Aufzug, Blick und der Zettel in der ausgestreckten Hand auffiel. "Oh nein... Farfie bitte nicht schon wieder... warum nicht Schuldig, der hat doch sowieso nichts zu tun!", versuchte er verzweifelt, das Schicksal doch noch einmal abzuwenden. Möglicherweise würde er ja ganz still und ruhig weiterarbeiten dürfen?
 

Doch er hatte seine Rechnung ohne Küchen-Farf gemacht. "Einkaufen. Jetzt." Die Stimme des Irren ließ absolut keinen Widerstand zu nicht einmal von Mr. Big Bad Brad Crawford höchstpersönlich. Seufzend und sich in sein Schicksal fügend nahm der Angesprochene mit zitternden Fingern die in sauberer Schrift abgefasste Einkaufsliste, die ihm ohne ein weiteres Wort entgegengehalten wurde und verstaute sie sorgfältig in seinem Jackett, damit sie auch ja nicht rein zufällig verloren ging, bevor er die Autoschlüssel seines Mercedes vom Haken angelte.
 

Farfarello hatte seinen Leader aus zusammengekniffenem Auge fixiert und nickte nun befriedigt. Er rupfte seinen Dolch aus der Tischplatte, drehte sich auf dem Absatz um und verließ das Büro genauso rasch in Richtung Küche, wie er zuvor gekommen war. Brad würde nichts vergessen. Das hoffte er zumindest für ihn.
 

Crawford blieb noch einen Moment in seinem Büro zurück und entließ zunächst den angestauten Atem aus seinen Lungen. Warum musste Farf immer so sein? Warum konnte er nicht jemand anderes schicken? Warum immer er? Ok, letzte Woche hatte Nagi gemusst und die Woche davor Schuldig, aber trotzdem, er war schließlich der Leader, da konnte man doch bitteschön erwarten, dass er mit solchen Aufgaben nicht belästigt wurde, oder?
 

Nein, Küchen-Farf hielt das für ungerecht und deswegen musste er sich jetzt wieder in die Hölle begeben, alles nur wegen diesem messerschwingenden, irren... Koch! Er hätte es besser wissen sollen, dem Iren ein Kochbuch zu Weihnachten zu schenken, gerade er. Aber niemand konnte voraussehen, dass Farf ausgerechnet dieses Buch nicht zerstückeln, sondern lesen und benutzen würde.
 

Es war ja schon in Ordnung, dass jeden Tag etwas Vernünftiges zu essen auf dem Tisch stand, vor allem, wenn man bedachte, das keiner von ihnen auch nur Rühreier zustande brachte. Und Schuldigs legendäre Kochversuche verdrängte er lieber ganz schnell, sonst erinnerte er sich auch wieder daran, was diese ihn gekostet hatten und das war sehr schlecht für seinen ohnehin strapazierten Magen.
 

Na schön, das Gute an der Tatsache, dass der Ire kochte überwog tatsächlich, aber deswegen musste er sich noch lang nicht mit der Tatsache abfinden, dass er jetzt in diesen dreimal verfluchten Supermarkt musste, in dem er nie etwas fand und sich regelmäßig verlief. Er hatte sogar schon überlegt, sich eine der Verkäuferinnen zu mieten und sie die Sachen zusammentragen zu lassen, aber erstens ließ das sein Stolz dann doch nicht zu und zweitens würde er es bitter bereuen, wenn auch nur etwas fehlte oder falsch gekaufte wurde.
 

Er würde also wohl oder übel in den sauren Apfel beißen müssen und sich durch den Supermarktdschungel kämpfen. Er war schließlich ein Mann, nein mehr, er war Schwarz. Ein wenig Stärke konnte man doch wohl auch in der Hölle zeigen.
 

Seine Schultern in dem hellen, trotz Kaffeeaktion makellos sauberen Anzug strafften sich. Er würde diese Bürde wahrlich tragen wie ein Mann... mit einem Einkaufswagen, an dem er sich festhalten konnte, um nicht verloren zu gehen. Doch dann fiel ihm ein, dass er diesen ja ganz alleine schieben musste und niemand sonst darauf aufpasste, dass er nicht verloren ging. Dumm gelaufen nannte man so was wohl. Besser er ging gleich los, damit er rechtzeitig zum Mittag wieder da war und Farfie nicht noch saurer wurde, als er ohnehin schon war.
 

Also dann auf in den Kampf...

Supermarkt des Schreckens

Autor: CatherineMiller

Titel: Bittersweet Feelings

Fandom: Weiß Kreuz

Kapitel: Supermarkt des Schreckens

Teil: 3/?

Pairings: RanxNagi; BradxKen; SchuldigxYohjixSchuldig; FarfxOmi

Warnungen: völlig verpeilter Brad XDD

Danksagung: Vielen Dank an mein Betas emilyheart, Corrychan und takeuchi, die sich fleißig durch meine tausend Tippfehler mühen!

Sonstiges: Also Corrychan wird nicht als Co-Autor eingesetzt, bekommt dafür ganz am Schluss ein eigenes Widmungs-Kapitel (wenn dass denn geht), in dem ich alles, was sie so verbrochen hat, mal zusammenfassen werde^^
 


 

Brad fuhr langsam. Wirklich langsam. Und trotzdem gelang es ihm, in schlappen 30 Minuten, den Supermarkt zu erreichen. Es war der Größte hier und das war der Grund, warum Farf wollte, dass er hier hinfuhr, genauso wie es der Grund war, dass er selbst nicht hier hinwollte.
 

Er hasste große Menschenansammlungen und musste jedes Mal fast gezwungen werden, um einkaufen zu gehen. Und nicht nur das, die Gänge des riesigen Gebäudes waren so verflucht lang, die Regale so vollgestopft mit allen möglichen Dingen, dass er sich jedes Mal verlief und eine der Verkäuferinnen nach dem Weg zur Kasse fragen musste.
 

Langsam wurde es schon wirklich peinlich. Aber vielleicht hatte er heute Glück und die ganzen Leute blieben schön in ihrem Zuhause, während er ganz mutterseelenallein einkaufen ging. Er würde ja wohl noch träumen dürfen, oder?
 

Schon als er auf die Einfahrt zum Parkplatz einbog, wurde ihm leicht schlecht. Heute war wirklich extrem viel los und entsprechend lange musste er für eine Parkmöglichkeit suchen. Da hatte doch tatsächlich so ein Depp von einem Fahrer seine Seven so geparkt, dass er gleich drei Plätze benötigte! Was war denn das bitteschön für ein Vollidiot?
 

Zähneknirschend schlängelte sich der Schwarzhaarige schließlich auf einen schmalen Parkplatz, auf den er gerade so passte. Wie erwartet stand SEIN Auto absolut perfekt in der Parklücke. Er wand sich aus der Tür, überprüfte noch einmal Einkaufsliste und Geldbeutel und schloss dann sehr sorgfältig ab.
 

Noch einmal tief durchatmen, die undurchdringliche Crawford-Maske noch einmal befestigen und los ging es. Er steuerte als Erstes auf die Einkaufswägen zu, steckte seine Marke rein und klammerte sich beinahe an die Stange, bevor er das Ding auf den Eingang zuschob. Irgendwann würde ihm Farf das so büßen!
 

Eine Welle von Wärme, der Geruch vieler Menschen auf einem Haufen, vermischt mit dem der Imbissnischen im Eingangsbereich des Gebäudes und lautes Stimmengewirr schlugen ihm entgegen, brachten ihn beinahe dazu, sich auf dem Absatz herumzudrehen und zu flüchten. Doch er riss sich zusammen und schob den Wagen weiter bis er zu der sich automatisch öffnenden Schranke kam, durch die er in den eigentlichen Verkaufsbereich gelangte.
 

Dort hindurchgehend kramte er die Einkaufsliste hervor und begann zu lesen. Zum Glück hatte Farf alles auf Englisch aufgeschrieben, so dass er sich nicht noch mit Schriftzeichenentzifferung aufhalten musste. Er konnte zwar Japanisch perfekt lesen, aber mit Handschriften war das immer so eine Sache, obwohl der Irre erstaunlich sauber schrieb, bedachte er da das Gekrakel von Schuldig...nein lieber gar nicht erst daran denken.
 

Etwas hilflos fand er sich schließlich vor einem Regal mit Konserven wieder. Drei Meter hoch, fünfzehn Meter lang, meldete sein analytisches Gehirn. Die Dose, die er suchte hatte einen Durchmesser von 5,3 Zentimetern. Wo zum Henker sollte er bitte in diesen fünfzehn Quadratmetern eine kleine Dose Maiskölbchen finden? Er mochte die Dinger ja noch nicht mal, warum sollte er sie dann kaufen? Weil Farf ihn sonst umbringen würde, ganz einfach. Oder sich noch schlimmer rächen, indem er nicht mehr kochte.
 

Also begann er, systematisch jeden Zentimeter des Metallgestells abzusuchen, irgendwann würde er schon finden, was er suchte. Und wie es Murphys Gesetz wollte, im letzten Regalboard fand er die Dose, die er gesucht hatte. Also schön, hatte er schon mal etwas, was nun? Die kleine Dose sah so einsam in dem riesigen Einkaufswagen aus.
 

Seufzend steuerte er in die Richtung, in der er das Frischobst und Gemüse vermutete. Er landete zwar beim Fisch, aber das war ihm auch recht, davon brauchte er ja auch noch was. Langsam dämmerte ihm die Strategie, die er hier verfolgen sollte: sich einfach von seinem Gefühl leiten lassen und dann einsammeln, was er brauchte. Irgendwann würde er schon alles beisammen haben.
 

Soweit die Theorie, aber die Praxis war dann doch etwas ganz Anderes. Denn als er schließlich das dritte Mal vor der Wursttheke stand, war sein Verzweiflungsspiegel so weit gestiegen, dass er bereit war, jemanden nach dem Weg zu fragen. Doch wie immer, wenn man eine brauchte, war natürlich keine Verkäuferin in Reichweite.
 

Hilflos sah Brad sich um und fühlte sich sehr verloren. So sah er wohl auch aus, denn plötzlich tippte ihm jemand auf die Schulter. "Sie sehen aus, als bräuchten sie Hilfe...", hörte er eine angenehme Männerstimme hinter sich. Erleichtert darüber, dass wohl jemand seine Misere bemerkt hatte, setzte er ein etwas gequält wirkendes Lächeln auf und drehte sich um.
 

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Ken war froh, als er Yohjis Sportwagen endlich in der vermaledeiten Parklücke hatte. Warum mussten die auch so verdammt eng sein? Er stieg aus und betrachtete sein Werk. Na schön, er stand etwas schief, aber das sollte wohl niemanden stören, schließlich war der Parkplatz ja wohl groß genug, oder?
 

Pfeifend schloss er ab, stopfte sich den Schlüssel in die Jackentasche und kramte nach der Einkaufsliste, die da irgendwo sicher war. Nach einer ganzen Weile suchen fiel ihm auf, dass sein Geldbeutel ja noch im Auto lag und er ohne den wohl ziemlich viel Aufmerksamkeit an der Kasse auf sich ziehen würde.
 

Also flitzte er noch mal zurück und holte ihn, bevor er sich endgültig einen Einkaufswagen besorgte und den Supermarkt betrat. Die Atmosphäre, die dort herrschte, schloss ihn sofort ein. Hier fühlte er sich wohl, niemand achtete auf ihn, er war absolut anonym. Er war kein Killer mehr, einfach nur ein ganz normaler junger Mann und Blumenhändler, der für sich und seine drei Mitbewohner einkaufen ging.
 

Interessiert beobachtete er nebenbei die Menschen in seiner näheren Umgebung. Da eine Frau mit Baby im Kindersitz des Einkaufswagens und einem weiteren Kind an der Hand. Das Dritte schien, der Wölbung ihres Bauches nach zu urteilen, bereits unterwegs zu sein.
 

Ken wurde für einen Moment wehmütig. Eine Familie, Kinder, das hätte er wohl mit Yuriko haben können. Doch er hatte schon damals gespürt, dass die junge Frau nicht die Richtige für ihn war, also hatte er sie in ein neues Leben ziehen lassen. Bestimmt war sie ohne ihn besser dran.
 

Heute wusste er gar nicht mehr, warum er sich überhaupt mit ihr eingelassen hatte. Vielleicht, um sich selbst zu beweisen, dass es auch ohne Kase ging, dass er nicht mehr auf diesen Mann angewiesen war, nicht mehr so wie früher. Kase hatte ihn verraten, aber wenn man es genau betrachtete, hatte er mit Yuriko das Selbe getan, nur, dass er nicht versucht hatte, sie umzubringen, aber das war auch schon alles.
 

Er hatte sie benutzt, wie Kase ihn benutzt hatte, um sich selbst etwas zu beweisen. Deshalb war ihre Beziehung von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen und er hatte es gewusst, hatte es nur nicht wahrhaben wollen.
 

Seufzend schüttelte er den Kopf , vertrieb so die trüben Gedanken und sah sich dann weiter im Eingangsbereich um, während er sich in den Strom der Menschen einreihte, die in den Supermarkt drängten.
 

Er beobachtete ein älteres Pärchen und musste unwillkürlich lächeln. Nichts wünschte er sich mehr, als irgendwann jemanden zu finden, mit dem er den Rest seines Lebens verbringen konnte. Ein normales Leben, vielleicht sogar mit Kindern. Allerdings wären das dann nicht seine Eigenen, denn dass er Frauen auf sexueller Ebene nichts abgewinnen konnte, wusste er spätestens seit seiner kurzen Beziehung mit Yuriko.
 

Trotzdem gab ihm das Bild dieser beiden alten Menschen, wie sie sich bei der Hand hielten und die Köpfe zueinander neigten, vertieft in ein Gespräch, ein warmes Gefühl und einen großen Teil seiner guten Laune wieder zurück.
 

Nachdem er die automatische Schranke in den Verkaufsraum passiert hatte, wurde es um ihn herum ruhiger. Die Menschen verteilten sich und gingen ihren Beschäftigungen nach. Auch er entknitterte die etwas sehr zerknüllte Einkaufsliste und ging nun systematisch die Reihen ab.
 

So chaotisch wie er ja sonst war, so gut kannte er sich seltsamerweise hier drin aus. Er hatte von Anfang an keine Probleme gehabt, sich zurechtzufinden, oder sich zu merken, wo hier was stand. Sorgfältig begann er damit, den Zettel abzuarbeiten und strich jedes Mal aus, wenn er etwas hatte. Aya wurde nämlich noch ungenießbarer, wenn er kochte und dabei feststellen musste, dass ihm eine wichtige Zutat fehlte.
 

Ken war besonders stolz darauf, dass er es fast jedes Mal schaffte, alles heil nach Hause zu bringen, auch wenn ihm öfter mal was beim Einpacken runter fiel, weil er einfach zu schusselig für diese Welt war. Umso vorsichtiger war er nun, als er die Waren aus den Regalen nahm und in den Einkaufswagen legte, vor allem bei den Eiern. Man glaubte ja gar nicht, wie schnell diese kleinen Biester aus ihrer Schachtel auf den Boden fielen!
 

Gelegentlich folgte sein Blick wieder den anderen Einkäufern, wie sie mehr oder weniger planlos durch die langen Regalreihen strichen, suchten, fanden... oder auch nicht. Als er ungefähr das zehnte Mal einen schwarzen Haarschopf erblickte, der ziellos durch den ganzen Supermarkt zu wandern schien, musste er doch etwas grinsen. Der war wohl neu hier, da konnten die ewigen Gänge einen schon ziemlich verwirren.
 

Er überlegte, ob er vielleicht seine Hilfe anbieten konnte, natürlich nicht ganz uneigennützig. Denn nicht nur die dichten, glänzenden Haare waren ihm aufgefallen, sondern auch ein reichlich verführerisches Hinterteil, das allerdings in den komischen Anzughosen, die der Mann trug, überhaupt nicht zur Geltung kam.
 

Und der Rest des Rückens war auch nicht schlecht, das musste man schon sagen! Breite Schultern, schmale Taille, insgesamt schlanker Körperbau, doch unter dem hellen Sakko waren eindeutig Muskeln zu erahnen.
 

Das Problem war nur, dass Ken eindeutig schüchtern veranlagt war. Er konnte nicht so einfach auf jemanden zugehen und ein zwangloses Gespräch beginnen. Ein paar Mal hatte er es versucht und das hatte höchst peinlich zu Stottern und Stammeln verbunden mit einer intensiven Rotfärbung seines Gesichtes geführt.
 

Aber dieser Kerl hatte was, obwohl er bis jetzt immer nur die Rückansicht gesehen hatte. Er war neugierig, das Gesicht des Fremden zu sehen, doch jedes Mal, wenn er sich gerade dazu durchgerungen hatte, in anzusprechen, war der Andere schon wieder auf Nimmerwiedersehen verschwunden, nur um dann genau wieder unvermittelt aufzutauchen, wenn der Braunhaarige gerade die Gedanken an ihn verdrängt und fast abgehakt hatte.
 

Besonders faszinierend fand er die Art, wie sich der Fremde bewegte. Anmutig, wie ein Raubtier und gleichzeitig so unsicher, als könnten jeden Moment die Nudel aus dem Regal springen und ihn anfallen. Und auch reichlich plan- und ziellos, wie gesagt.
 

Immer wieder nach dem Schwarzhaarigen Ausschau haltend, natürlich sehr unauffällig, arbeitete sich Ken durch die erste Hälfte des Supermarktes und gelangte schließlich zu den Theken mit frischen Artikeln. Aya wollte irgendwelchen europäischen Käse für so ein komisches Nudelgericht. Na er war ja mal gespannt, was das werden würde... bekam man so was hier überhaupt? Den seltsamen, ausländischen Namen des Zeugs kannte er jedenfalls nicht.
 

Suchend ging er die Käsetheke ab, fragte schließlich eins der Mädchen, das dahinter herumwerkelte. Die Kleine wurde etwas rot, half ihm aber und zog aus einer der hinteren Ecken ein kleines Stück seltsam aussehenden Käse. Ken verzog das Gesicht, nahm es aber an und legte es zu den anderen Einkäufen. Naja wenn Aya meinte... bis jetzt hatte ja noch alles geschmeckt, was er gekocht hatte, auch wenn das Zeug teilweise verboten aussah, vor allem, wenn es nicht Japanisch war.
 

Als er wieder aufsah, erblickte er den seltsamen Fremden, keine zwei Meter von sich entfernt. Selbst von hinten wirkte der arme Mann so verzweifelt, wie jemand nur sein konnte, der hilflos in einem Supermarkt herumirrte. Der Weiß-Killer bekam nun wirklich Mitleid und das half ihm nun auch, seine Schüchternheit zu überwinden. Er atmete tief durch und ließ den Wagen stehen. Mit zwei Schritten war er hinter dem Anderen und tippte ihm vorsichtig auf die Schulter, bevor er ihn ansprach.
 

"Sie sehen aus, als bräuchten sie Hilfe..."

Dr. Schuldig für alle Fälle

Autor: CatherineMiller

Titel: Bittersweet Feelings

Fandom: Weiß Kreuz

Kapitel: Dr. Schuldig für alle Fälle

Teil: 4/?

Pairings: RanxNagi; BradxKen; SchuldigxYohjixSchuldig; FarfxOmi

Warnungen: völlig verpeilter Brad XDD

Danksagung: Vielen Dank an mein Betas emilyheart, Corrychan und takeuchi, die sich fleißig durch meine tausend Tippfehler mühen!

Sonstiges: Schuldig is nicht ganz dicht, das is mir durchaus bewusst (und wer anders über ihn gedacht hat: hallo? ein DEUTSCHER Psych....ähä Telepath, was will man da bitte erwarten? XDD). Mir tut Yoji jetzt schon leid wenn ich ehrlich bin ^^" Viel Spaß beim Lesen!
 


 

Während sein Leader sich den Wirren und Schrecken des riesigen Supermarkts aussetzte, saß Schuldig in seinem Zimmer, schmollte und kaute gleichzeitig. Die Welt war ja sooo ungerecht zu armen, kleinen, deutschen Killern. Schniefend sah er auf seine Bandanas, oder vielmehr das, was davon übrig war.
 

Diesmal hatte Farfarello wieder ganze Arbeit geleistet und einen Scherenschnitt par excellence daraus gefertigt. Musste mit der Bastelschere mit extra stumpfen Spitzen ganz schön schwer gewesen sein, den teuren Stoff zu zerschneiden.
 

Jetzt prangten große, rautenförmige Löcher darin, oder eine Kette aus kleinen Männlein entstand, wenn man sie auffaltete. Und er hatte wirklich kein einziges ausgelassen. So konnte er doch unmöglich herumlaufen! Seine Haare hingen ihm wirr ins Gesicht, noch nicht mal die Sonnenbrille hielt sie einigermaßen zurück, keine Chance.
 

Er sah gar nicht mehr cool aus, überhaupt nicht, sondern einfach nur noch dämlich. Viel zu jung und... uncool! Wenn ihm seine langen Haare ja nicht so heilig wären, würde er sie abschneiden, aber sie waren sein ganzer Stolz. Vor allem ihre Farbe, die trotz aller Verleumdungen WIRKLICH echt war, hatte es ihm angetan. Andere gaben für so etwas massig Geld aus, während er einfach so von der Natur beglückt worden war... nicht nur was eine Haare anging selbstverständlich.
 

Seufzend vertilgte er den letzten Bissen Brötchen und erhob sich. Half alles nichts, musste er eben einkaufen gehen. Eine richtig ausgedehnte Shopping-Tour würde ihm jetzt wirklich gut tun, er brauchte ohnehin mal wieder was neues zum Anziehen, schließlich war er seit einer Woche nicht mehr in die Stadt gekommen.
 

Er wanderte in seinen begehbaren Kleiderschrank und sah sich stirnrunzelnd um. In seiner Hausjeans konnte er ja nicht gut raus gehen, wie sah das den aus. Summend und sich mit dem Zeigefinger auf die Unterlippe tippelnd schritt er die Regale und Kleiderstangen ab.
 

Schwer, wirklich schwer, schließlich sah er ja eigentlich in allem gut aus. Aber etwas Besonderes musste man schon tragen, wenn man schon mal bei Tageslicht auf die Straße ging. Hier hingen größtenteils Disco-Klamotten und teilweise sogar Anzüge für die gelegentlichen Treffen mit dem langweiligsten Menschen, den er kannte, seinem Boss Takatori.
 

Der Kerl war so ekelhaft, dass sich Schuldig schon aus Prinzip aus seinen Gedanken fernhielt. Alles woran der zu denken schien war Rache und Sex mit seinen Angestellten. Der Deutsche war nur froh, dass Schwarz einfach zu gefährlich war, für solche Aktionen war und dass Takatori das auch wusste. Er selbst hatte ja auch nichts gegen ein bisschen härteren Spaß und er liebte es auch, seine Opfer zu quälen, aber man konnte es auch wirklich übertreiben!
 

Einmal hatte er eine solche Szene im Kopf des geilen Bocks gesehen - mit ihm selbst in der Hauptrolle. Noch heute schüttelte es ihn, wenn er sich daran erinnerte. Und der Wichser hatte sich doch auch noch allen Ernstes gedacht, dass ihm SOWAS gefiel. Also bitte, er war vielleicht ein sadistischer Killer, aber doch nicht niveaulos!
 

Er schüttelte die lästigen Gedanken ab. Seine Laune war schon schlecht genug, da musste er sich nicht noch mit diesem Perversling abgeben. Wenn Brad wüsste, was der Boss über ihn dachte... Schuldig grinste leicht und zog ein schwarzes Seidenhemd von einem der Bügel. Oh, oh, der würde aber schauen! Vielleicht steckte er es ihm ja mal, aber wenn, dann nur, wenn er gerade in der Nähe war.
 

Er zog sich das Shirt über den Kopf und betrachtete einen Moment seinen Oberkörper im Spiegel, der auf der Außenseite des Schrankes angebracht war. Seufzend strich er ein paar seiner Narben nach. Viele waren es ja zum Glück nicht, aber doch einige und sie störten das schöne Gesamtbild wirklich, wie er befand. Nachdenklich betrachtete er eine, die kreisrund um seinen rechten Oberarm verlief. Er sollte den Kätzchen mal wieder einen Besuch abstatten, um etwas gegen seine Langeweile zu tun.
 

Ein wenig seiner Laune kehrte wieder zurück und er schlüpfte rasch in das Hemd, genoss das Gefühl des kühlen Stoffs auf seiner Haut. Die Jeans tauschte er noch gegen eine schwarze Lederhose, die mal ausnahmsweise nicht hauteng an ihm klebte, sondern sehr bequem saß. Er ging ja schließlich einkaufen, nicht aufreißen. Man wusste zwar nie, wem man auf der Straße begegnete, aber heute legte er es auch nicht auf ein Stelldichein an, dazu war er einfach nicht aufgelegt.
 

Zufrieden betrachtete er das Gesamtbild, bis sein Blick auf seine Haare fiel. Grummelnd schob er sich eine Sonnenbrille hinein, um wenigstens genug sehen zu können, bevor er sich Geldbeutel und Autoschlüssel schnappte.
 

Unten klappte eine Tür und wenig später hörte er, wie sich das Garagentor öffnete. Neugierig ging er ans Fenster und sah hinaus. Da rollte gerade Brads schwarzer Mercedes vom Hof. Sehr gut, dann konnte schon mal keiner meckern, weil er wieder nicht arbeitete, wie er es eigentlich tun sollte. Was konnte er denn dafür, wenn ihn der Papierkram einfach nur anödete? Er war sogar schon mal dabei eingeschlafen, kaum zu glauben aber wahr. Einfach eingeschlafen vor Langeweile.
 

Naja das würde ihm heute Morgen jedenfalls nicht passieren. Er musste jetzt nur noch an Farfie vorbeikommen, ohne dass dieser ihn erwischte und am Ende noch für Hausarbeit einspannte und alles war perfekt. Auf Zehespitzen schlich er zur Tür, öffnete sie geräuschlos und lauschte. Es war doch ab und zu ganz nützlich, die Scharniere zu schmieren, vor allem, wenn man sich unbeobachtete wegschleichen wollte.
 

Aus der Küche drangen leise Geräusche. Klapperndes Geschirr und laufendes Wasser. Guuut der Ire war also beschäftigt. Die Mistkröte von Chibi konnte ihm auch nicht in die Quere kommen, der war inzwischen in der Schule... hoffte Schuldig jedenfalls. Der verpetzte ihn nämlich, wenn er ihn erwischte, mit der Begründung, dass Schuldig sich immer um alles drückte und stinkefaul war. Üble Verleumdung, sonst nichts!
 

Schnell huschte er aus der Tür und schloss sie genauso lautlos wieder. Jetzt lauerte das nächste Hindernis: die Treppe. Die alte, hölzerne, knarzende Treppe. Farf konnte verdammt gute Ohren haben, wenn er wollte, selbst, wenn er wie gerade eben, abgelenkt war und er wollte immer gute Ohren haben, wenn Schuldig gerade dabei war, sich um etwas zu drücken.
 

Aber der Orangehaarige war ja nicht dumm. Also hatte er die Zeit, als seine Kollegen mal komplett ausgeflogen waren genutzt, um sich einen Slalom für die Treppe einfallen zu lassen. Er wusste jetzt genau, wo das Ding ächzte und wo nicht.
 

Unter einigen lächerlich wirkenden Verrenkung, die teilweise wirklich abenteuerlich aussahen, bewegte er sich schließlich die breite Stiege hinunter. Die letzten drei Stufen musste er springen, weil es bei denen absolut nicht möglich war, eine leise Stelle zu finden. Diesmal landete er allerdings geschickter in der Hocke als noch vor einer Stunde, als er sich so böse verletzt hatte.
 

Er atmete tief durch und entspannte sich etwas. So, nun musste er nur noch durchs Wohnzimmer, an der Durchreiche zur Küche vorbei, was mit Abstand das Schwerste war und in den Hausflur. Sollte doch eigentlich zu schaffen sein.
 

Gesagt, getan. Ins Wohnzimmer zu kommen war ja nicht weiter problematisch. Mit kritischem Blick maß er die Durchreiche. Dahinter konnte er Farfi werkeln sehen. Mit einem lautlosen Seufzen ließ er sich ergeben auf den Boden sinken. Was tat man nicht alles, um sein Haus verlassen zu können.
 

Mit robbenden Bewegungen schlängelte er sich langsam unter dem Loch in der Wand durch. Immer wieder musste er innehalten, weil er den Irren näher kommen hörte. Er konnte sich schon vorstellen, wie lächerlich er aussah, wie er da mitten in der Bewegung erstarrt, dalag, die Hintern etwas in die Luft gestreckt. Einen überaus wohlgeformten Hintern natürlich.
 

Die Schritte seines Kollegen entfernten sich und weiter ging's. Unbehelligt erreichte er die Tür, angelte nach der Klinke und robbte hinaus. Erleichtert und zufrieden stand er im Gang auf und klopfte den imaginären Staub von seiner Kleidung, richtigen gab es ja in diesem Haus nicht, dafür sorgte Farfarello schon. Von ihrem Fußboden konnte man durchaus essen, wenn man wollte, aber wer wollte das schon. Japaner vielleicht. er konnte sowieso nicht verstehen, warum die sich überhaupt diese Zwergentische nahmen, das machte doch wohl auch keinen Unterschied mehr.
 

Er grinste und nahm seine Jacke vom Haken. Gerade als er die Haustüre mit aller Vorsichtig geöffnet hatte und schon halb hinaus wollte, ging die Küchentür auf und ein weißhaariger Kopf schob sich durch den Spalt. "Wenn du bis zum Mittagessen nicht da bist, verhungere!", war alles, was Farfarello sagte, bevor er sich wieder zurückzog und die Tür schloss.
 

Schuldig war vor Schreck versteinert, mit einem Fuß in der Luft, den Rücken leicht gebeugt. Seine grünen Augen wanderten in Richtung Küche. Verdammt, dabei war er doch so vorsichtig gewesen! Wie hatte ihn der Irre nur bemerken können?!
 

Doch dann ging ihm auf, wie er gerade dastand und bewegte sich schleunigst zu seinem roten Sportwagen, bevor ihn noch die Nachbarn sahen. Nicht dass sie welche hätten, aber es wäre doch durchaus denkbar.
 

Er drückte auf den Autoschlüssel, nur um festzustellen, dass er mal wieder nicht abgeschlossen hatte. Allerdings wollte er den sehen, der es wagte, sein Baby zu klauen! Der lebte ganz bestimmt nicht mehr lange. Mit einer erstaunlich geschickten Bewegung, bedachte man seine Tollpatschigkeit an diesem Morgen, schwang er sich in das Cabrio und warf seine Jacke auf den Beifahrersitz. Spätestens in zwei stunden war der sowieso von Taschen belegt.
 

Er hatte nicht vor, zum Mittag wieder da zu sein, würde sich eben in der Stadt etwas zu essen besorgen, das sollte ja nicht weiter schwer sein, Tokio war ja wohl schließlich groß genug, selbst für einen verfressenen Deutschen. Noch sah man ihm ja nicht an, wie gerne er aß, immerhin hatte er durch seinen Job und das andauernde Training einen guten Ausgleich.
 

Noch einmal lächelte er sich selbstgefällig im Rückspiegel zu, bevor er den Motor startete und aus der Einfahrt in Richtung Innenstadt losfuhr. In Gedanken war er schon in seinen Lieblingsgeschäften, die eigentlich in den letzten Tagen die Neue Kollektion von Armani und Lagerfeld bekommen haben sollten. Da war sicher auch was für ihn dabei.
 

Vier Stunden später machte es sich ein zufriedener Deutscher, der mit einem Haufen Taschen beladen war, in einer kleinen Pizzeria gemütlich. Es ging doch nichts über gute, alte, europäische Küche. Dafür würde er jedes Sushi, jede noch so gute Misosuppe oder wie der ganze Kram hieß, stehen lassen.
 

Er bestellte sich eine Pizza Speciale XXL und stützte das Kinn auf eine Hand, um die Leute zu beobachten, die geschäftig an dem Fenster vorbeieilten, an dem er saß. Nebenbei stöberte er ein wenig in den Köpfen der anderen Gäste herum, doch er fand nichts, was ihn auch nur annähernd interessierte. Wie sehr ihn doch diese dämlichen Alltagsprobleme langweilten! Die hatte er doch selbst genug. Hallo, er lebte mit drei anderen Killern zusammen, von denen einer ein Workaholic war, der Zweite ein Pubertierendes Gör und der Dritte absolut durchgeknallt und da sollte noch mal einer sagen, er hätte Probleme!
 

Er selbst war ja überhaupt der einzig Normale in diesem Chaos, jawohl! Und er langweilte sich gerade furchtbar. Seufzend strich er sich über den nicht vorhandenen Bart. Dauerte denn das Essen hier immer so lange? Dass er gerade mal fünfeinhalb Minuten wartete, ließ er dabei außer Acht.
 

Also musste eben sein altbewährtes Mittel gegen sinkende Laune herhalten: er schaltete sich in die Köpfe der Weiß-Kätzchen, bei denen war normalerweise immer was los. Bei Aya musste er allerdings besonders vorsichtig sein, denn seltsamerweise war dieser der einzige außer Brad, der ihn spüren und auch ziemlich wirkungsvoll aussperren konnte und das macht böse Kopfschmerzen, wirklich sehr übel und gemein!
 

Die oberflächlichen Gedanken des gegnerischen Leaders interessierten ihn allerdings herzlich wenig. Die waren ungefähr genauso spannend wie Takatoris, nur weniger pervers und ekelhaft: Schwester, Rache, Schwester, Schwester, Rache Selbsthass, Schwesterschwesterschwester, Racheselbsthass, Schwester... endlos ging das so. Alle Gedanken drehten sich immer um dasselbe, nur gelegentlich tauchten mal seine Kollegen oder die nervigen Gören aus dem Blumenladen darin auf. und an die tieferen Gedanken, die vielleicht sogar ganz lesenswert gewesen wären, kam Schuldig ja wie gesagt nicht heran.
 

Aber Moment mal! Aha, Aya wusste also inzwischen, dass Omi und Nagi auf die gleiche Schule gingen, wunderte sich nur, warum der Jüngste noch nichts davon erzählt hatte. Aber entgegen der Erwartungen des Deutschen waren diese Gedanken mal nicht nüchtern und eisig sondern fast... besorgt. Der Eisklotz hatte Angst um das Chibi? Das war ja mal was ganz Neues, dass sollte er Brad mal bei Gelegenheit erzählen...oder auch nicht, so eklig wie der immer zu ihm war.
 

Und die kleinen Kröten schienen ganz gut miteinander auszukommen, jedenfalls war IHR Chibi noch nie mit größeren Verletzungen nach Hause gekommen. Immerhin hätte sein großmächtiger Anführer dann Zeter und Mordio geschrieen, weil seinem kleinen Goldstück was passiert war und dann wären weiße Köpfe gerollt. Anscheinend waren sich die beiden Leader in dieser Hinsicht gar nicht zu unähnlich. Ok, damit fiel dass mit dem 'Brad-erzählen' schon mal weg, wenn er keinen Wert darauf legte, dass SEIN Kopf rollte.
 

Er ließ Aya schön weiter Blümchen beschnippeln oder was auch immer er da gerade mit den unschuldigen Rosenbüschen tat, so genau wollte er dass gar nicht wissen und wandte sich dem Playboy zu. Omi war ja in der Schule und auf eine Stunde Erdkundeunterricht hatte Schuldig im Moment wenig bis gar keine Lust. Ken war auch nicht da, wahrscheinlich Fußballspielen und das war noch langweiliger für den Orangehaarigen, als Schulstoff nachzuholen.
 

Yohjis Gedanken waren ihm ohnehin meistens die Liebsten, da sie sich oftmals um die wirklich wichtigen Dinge drehten: Designer und Haarpflege. Der Blonde hatte teilweise richtig Ahnung, was angesagt war und der Deutsche hatte sich schon durchaus den ein oder anderen Trick und Tipp von ihm geholt... natürlich ohne zu fragen, warum sollte er denn?
 

Doch anscheinend hielt der Tag heute mehr als eine Überraschung für ihn bereit, denn für gewöhnlich waren die Gedanken des Playboys durchweg positiv, zumindest, wenn man nicht allzutief grub. Doch heute schien er betrübt, fast melancholisch zu sein. Gerade stand er im Laden und wässerte Blümchen, dachte dabei angestrengt nach.
 

Schuldig brauchte eine ganz weile, bis er in diesem Chaos aus durcheinander geratenen, überaus wirren, Gedanken zu Recht kam. Und da sagte man von ihm, dass er um die Ecke dachte! Dann sollte man sich aber mal dass hier ansehen...
 

Unbewusst fing er an, das Durcheinander zu ordnen, immer hübsch vorsichtig, damit es nicht so sehr auffiel, er wollte ja schließlich nicht helfen, oh nein! Er wollte nur Informationen haben und bahnte sich dafür einen Weg, sonst nichts.
 

Zunächst herrschte nur Dunkel um ihn herum, dass von Lichtblitzen durchzogen war, einer für jeden Gedanken. Im Moment rasten sie nur so an ihm vorbei, doch es fiel ihm nicht schwer, sie auf ein Normalmaß herunterzufahren. Jetzt begann er erst einmal, Wichtiges von Unwichtigem zu trennen.
 

Alle Gedanken an Blumenladen, Kunden, Essen und so weiter wurden bis auf weiteres rausgeworfen, die störten nur. Langsam arbeitete sich Schuldig zum schlimmsten Knäuel von Gedanken ganz im Inneren vor. Hier schien das echte Problem zu liegen und genau dass wollte er erfahren. Seine Neugierde war einfach zu groß und so machte er sich auch hier ans entwirren.
 

Er blinzelte leicht und saß plötzlich senkrecht auf seinem Stuhl. Yohji Kudou hatte Angst, impotent zu sein??!! NEIN! Das durfte nicht sein! So ein Mann durfte der Welt doch nicht einfach so verloren gehen! Wohl gemerkt, der Welt, nicht ihm selbst. Er hatte ja schließlich kein Interesse an diesem... naja an dem da halt, er hatte nie Interesse gehabt und würde auch nie Interesse haben, das über seinen Job und Tricks für glänzende Haare hinausging, nur damit das klargestellt war.
 

Allerdings jagte ihm der Gedanke, der wohl alle Männer grauste, einen kalten Schauer über den Rücken. Sowas wünschte man ja noch nicht mal seinem ärgsten Feind...außer vielleicht Takatori, dem schon, dann war der wenigstens keine Gefahr für seine Umgebung mehr, zumindest nicht mehr in dieser Hinsicht, dann war er eben nur noch sadistisch, nicht mehr pervers.
 

Nachdenklich tippelte er auf seinem Tisch herum und nippte an seiner Cola. Moment mal, wo kam die denn auf einmal her? Er hatte nicht mal bemerkt, dass die Kellnerin inzwischen wieder da gewesen war. Nur hatte er immer noch ein Loch im Magen, das hieß wohl, dass er die Pizza noch nicht bekommen hatte.
 

Er nahm seine Gabel und stocherte damit auf seiner Serviette herum, machte sehr schöne, kleine Löchlein hinein. Hübsch, Farf hätte da sicher seine Freude daran. Besser, er zeigte ihm das nicht, sonst mussten noch mehr seiner Lieblingsstücke dran glauben.
 

Doch so sehr er sich auch versuchte, mit Belanglosigkeiten abzulenken, er kehrte immer wieder zu Yohji zurück. Er hatte doch nicht etwa Mitleid? Konnte doch nicht wahr sein! Wo war denn hier bitte der Knopf zum Abstellen, das war ja unerträglich, da fühlte man sich ja gleich auch ganz mies.
 

Wenigstens kam jetzt sein Essen, doch der Appetit war ihm größtenteils vergangen. Lustlos kaute er auf der Pizza herum, damit zumindest dieses eklige Gefühl in seinem Bauch aufhörte.
 

Nein, er hatte ganz bestimmt kein Mitleid, nicht, solange er sich das immer wieder ganz fest einredete, dann glaubte er es irgendwann bestimmt selbst. Aber das Gefühl blieb, auch die erste Hälfte der Riesenpizza konnte es nicht vollständig vertreiben. Also verputze Schuldig auch noch die zweite Hälfte, nur um auch wirklich sicher zu gehen, dass es nicht daran lag.
 

Bei einem klitzekleinen Schälchen Tiramisu, dass er ganz langsam löffelte, damit es länger hielt, grübelte er weiter über dass Problem des Weiß nach. Schließlich, so beschloss er für sich selbst, könnte er ja mal in ein paar ganz ganz vielen Jahrzehnten an genau diesen Punkt kommen und dann wäre es doch gut, eine Lösung zu haben, nicht war?
 

Natürlich gab es die diversen chemischen Hilfsmittel, aber wer wusste schon, was die mit einem Traumkörper wie dem seinem alles anstellten. Vielleicht gingen einem davon irgendwann die Haare aus, oder man wachte morgens mit einem dritten Auge auf der Stirn auf, könnte doch durchaus sein, oder? Möglich war alles...
 

Was also tun, wenn die...er traute sich nicht mal, das BÖSE WORT zu denken, was also, wenn DAS drohte? Vielleicht, hoffentlich war ja alle Aufregung umsonst und Yohji war im Moment einfach nur etwas gestresst und konnte deswegen nicht? Oder die Weiber waren zu hässlich gewesen. in diesem Fall würde Schuldig ja empfehlen, es mit Männern zu versuchen, aber dieser Rat würde wohl erst recht auf taube Ohre stoßen, schließlich war das Sorgenkind ja absolut strikt und ganz überzeugt hetero.
 

In dieser Richtung lag also keine Lösung, zumal der Langhaarige auch keinen Gedanken in diese Richtung gefunden hatte. Was also dann...vielleicht hatte er einfach nur zu viel getrunken und bekam deswegen keinen mehr hoch? Alkohol sollte ja auf einige Vertreter des männlichen Geschlechts solche Auswirkungen haben...wie gut dass er selbst niemals so viel trank...also soooo viel.
 

Der letzte Rest des Tiramisus war inzwischen verschwunden und Schuldig zog eine frische Schachtel Luckys aus der Jackentasche. Natürlich aus Deutschland importierte Zigaretten, weil er hier keine wirklich guten bekam, alles mindere Qualität, auch wenn das Gleiche draufstand. Das Papier des Filters war innerhalb von drei Sekunden durchgeweicht, obwohl er ganz bestimmt nicht sabberte.
 

Er riss das Plastik um die Verpackung auf und entfernte das Silberpapier unter der Papplasche. Nachdem er sich einen Glimmstängel herausgeklopft hatte, schloss er das Päckchen sorgfältig wieder und drehte es einen Moment lang in den Fingern, bis sein Blick auf das weiße Etikett auf der breiten Seite fiel. Na das war ja sowieso das Überflüssigste von allem! Als wenn diese lächerlichen Aufkleber jemanden daran hindern würden, weiter zu rauchen.
 

Mit einem kleinen Grinsen zündete er sich die Zigarette an, zog genüsslich daran, während er las: "Rauchen fügt Ihnen und den Menschen in Ihrer Umgebung Schaden zu!" Er schüttelte den Kopf und blies den Rauch genauso genüsslich und wie zur Demonstration wieder aus.
 

Aus purer Neugierde drehte er die Schachtel um und las auch den dummen Spruch auf der Gegenseite. Vor Schreck fiel ihm beinahe die Zigarette aus der Hand. Fasste man's denn! Da stand doch tatsächlich: "Rauchen macht impotent!" Ha! Da war also der Grund für Yohjis Problem! Der Kerl rauchte doch wie ein Schlot. Und ganz bestimmt keinen guten, Deutsch-Import, sondern den Kram, den sie hier verkauften. Na davon konnte man ja nur impotent werden.
 

Dass er selber ja gerade eine Zigarette in der Hand hielt, war ihm wohl mal wieder vorübergehend entfallen. Zufrieden lehnte er sich zurück. Doktor Schuldig hatte mal wieder alle Arbeit geleistet! Yohji trank und rauchte einfach zu viel und ließ sich zu sehr von seinem bösen Leader stressen, das war alles, na wenn das nicht einfach zu beheben war, dann wusste er ja nicht.
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

"KUDOU!" Ayas schneidend kalte Stimme riss Yohji unsanft aus seiner Starre. Verwirrt blinzelte er und schüttelte den Kopf. Warum brüllte der Kerl denn schon wieder so? Er stand doch brav hier und wässerte die Blumen. Und warum stand er da so, die Hände in die Hüften gestemmt, inmitten einer riesigen Lache schmutzigen Wassers.
 

"Hä?", war sein ganzer Kommentar. Aya musste sich wirklich beherrschen, um nicht den Besen zu nehmen, mit dem er gerade das Lager schön sauber gefegt hatte und auf seinen intelligenten Kollegen einzuprügeln. Nicht mal Ken war so dämlich, den ganzen Laden unter Wasser zu setzen, wenn er Blumen gießen sollte.
 

Statt dessen landete nur ein Putzlappen im Gesicht des blonden Playboys und das letzte, was er von seinem Anführer sah, war ein Zipfel grüner Schürze nach einem "Aufputzen! Jetzt!", bevor der Rothaarige im Wohnbereich verschwand, um sich abzuregen und noch eine Tasse Tee zu trinken, damit sich seine Nerven beruhigten. Dazu hatte er ja jetzt Zeit, denn sie hatten Mittagspause und Kudou würde eine ganze Weile beschäftigt sein.
 

Yohji stand immer noch sehr bedröppelt mitten im Laden und schaute jetzt das erste Mal nach unten. "Scheiße!", entfuhr es ihm, als er bemerkte, dass er gut einen halben Zentimeter hoch im Wasser stand. Auch kam er jetzt endlich auf die Idee, den Hebel, mit dem er das Wasser aus der Schlauchdüse gelassen und die ganze Zeit gedrückt gehalten hatte, loszulassen. Zum Glück war Aya schneller gewesen als er und hatte schon den Wasserhahn abgedreht. Der Schmutz in der Wasserlache kam von der Erde aus dem Blumenkübel, den der Blonde gerade gewässert hatte, oder besser gesagt über lange Zeit gewässert haben musste, so wie es hier aussah.
 

Besser er tat schnell, was sein Anführer gesagt hatte, sonst gab es noch mehr Ärger. Der Andere hatte für seine Verhältnisse ja schon wirklich human reagiert, denn er selbst hatte wenigstens keine offenen Wunden verpasst bekommen, die das Schmutzwasser noch mit schönem Rot zierten. Normalerweise hätte Aya wohl seine Freude daran gehabt, den Übeltäter schön langsam ausbluten zu lassen, aber entweder hatte er einfach nur keine Lust, die Schweinerei hinterher wieder wegzumachen, oder es lag daran, dass er die ganze Zeit schon so nachdenklich gewesen war, seit er Omi zur Schule gebracht hatte. War er in letzter Zeit morgens häufig, was allerdings nicht sonderlich auffiel, da er ja sowieso kaum ein Wort sprach.
 

Yohji riss sich zusammen und mahnte sich zur Eile, denn mit jeder Minute, die er nachher später am Mittagstisch saß, sank die Laune des Rothaarigen ins unendliche Nichts und das war verdammt tief, mal abgesehen davon, dass der Playboy keinen Drang dazu hatte, zu erfahren WIE tief es wirklich war, dazu war ihm sein kopf dann doch zu wertvoll.
 

Wenn er nur wüsste, was das eben gewesen war. Er neigte doch sonst nicht dazu, sich in seinen Gedanken zu verlieren, wenn er arbeitete. Irgendwie fühlte sich sein Kopf leichter an, seine Gedanken nicht mehr so furchtbar wirr und durcheinander, aber er konnte sich nicht erklären, warum eigentlich. Er hatte sich die ganze Zeit bemüht, die lästigen Gedanken zu verdrängen, sich nur mit Blumen und Kundschaft zu beschäftigen, doch anscheinend war ihm das kurz vor Schluss nicht mehr geglückt.
 

Schnell machte er sich an die Arbeit und schaffte sogar einen Großteil, bis ein lauter Ruf aus dem Wohnteil des Hauses drang. "Ich bin wieder dahaaaa..." Aha da war Omi...aber Moment mal, wo blieb eigentlich Ken? Durch seine ganzen Versuche, sich von seinem kleinen Problem abzulenken, hatte er sich wohl von allem abgelenkt und ihm war gar nicht aufgefallen, dass sein Kollege schon ziemlich lange vom Einkaufen zurück sein sollte. Er erstarrte kurz, blinzelte und schüttelte noch einmal den Kopf, diesmal aber wesentlich heftiger. Irgendwas lief hier verdammt falsch!

Retter in der Not

Autor: CatherineMiller

Titel: Bittersweet Feelings

Fandom: Weiß Kreuz

Kapitel: Retter in der Not

Teil: 5/?

Pairings: RanxNagi; BradxKen; SchuldigxYohjixSchuldig; FarfxOmi

Warnungen: keine

Danksagung: Vielen Dank an mein Betas emilyheart und Corrychan, die sich fleißig durch meine tausend Tippfehler mühen!

Sonstiges: Ken und Brad (jaja ich weiß, die meisten mögen das Pärchen nicht, ich schon XDD) im Supermarkt... gut oder schlecht?
 

Lasst ihr mir nen Kommi da? *auf Knien anbettel* *fieps*

*besten Welpenblick aufsetz*
 


 

Gespannt wartete Ken, dass sich der schwarzhaarige Fremde umdrehte. Inzwischen war er wirklich neugierig auf das Gesicht, dass sich unter den dunklen Strähnen verbarg, die so perfekt gegelt waren.
 

Der Mann schien für einen Moment wie erstarrte zu sein. Hatte er ihn etwa erschreckt? Doch dann sanken die angespannten, breiten Schultern etwas nach unten und der Körper setzte sich in Bewegung. "Ja vielen Dank, ich fürchte ich...." Ken entfuhr ein erschrockenes Keuchen, als er in das erleichterte Gesicht des vermeintlich Fremden blickte. Diese Züge würde er überall auf der Welt, selbst im Traum noch wieder erkennen, so hatten sie sich ihm ins Gedächtnis eingebrannt. Es war das Gesicht eines der Männer, die er am meisten hasste.
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

Brad spannte für einen Moment sämtliche Muskeln an. Er war so in Gedanken mit seiner verzweifelten Suche beschäftigt gewesen, dass es tatsächlich einem Normalsterblichen gelungen zu sein schien, ihn zu überraschen. Wie peinlich, welche Schande!
 

Doch dann sanken seine angespannten Schultern merklich nach unten. Er hatte wohl keine andere Wahl und der Mann hatte eine wirklich angenehme Stimme. Der war sicher besser, als eine von diesen dummen, himmelnden Verkäuferinnen. Und er hatte die Hilfe ja angeboten.
 

Er gab sich einen Ruck und drehte sich schließlich um. "Ja, vielen Dank, ich fürchte, ich...." er führte den Satz nie zu Ende, denn bei dem Anblick, der sich ihm bot, blieb ihm doch glatt die Spucke weg.
 

Da stand doch tatsächlich Ken Hidaka alias Siberian und starrte ihn fassungslos an. Tja das hatte er wohl nicht erwartet. Aber dann fiel ihm auf, dass er selbst wahrscheinlich gerade nicht viel besser dreinschaute, denn ihn überraschte es ebenso wie sein Gegenüber, den Anderen hier anzutreffen.
 

Er sah wie Kens Hand sich zur Faust ballte, als wenn er seine Bugnuks ausfahren wollte, die er natürlich nicht dabei hatte. Brad schluckte etwas, als er diese natürliche Abwehrreaktion des Killers sah, denn wenn der Braunhaarige ihn früher erkannt und seine Waffe dabeigehabt hätte, wäre er jetzt wohl Geschichte, Öffentlichkeit hin oder her. Kein Wunder, so abwesend wie er gewesen war.
 

Trotzdem fand er als erstes seine Fassung wieder. Zum Glück war er so trainiert, dass sein Gesicht keinerlei Regung gezeigt hatte, weder Überraschung noch sonst etwas. Nun erschien ein überhebliches Grinsen auf seinen kalten Zügen. "Sieh an..."
 

In Kens Wange zuckte ein Muskel und am liebsten wäre er Crawford an die Kehle gesprungen. Dieser arrogante Bastard! Wie sehr er ihn hasste! Doch hier konnte er ihn ja schlecht umbringen, mal ganz davon abgesehen, dass er wahrscheinlich sowieso keinerlei Chance gehabt hätte. Mit seinen Kräften war ihm Oracle nun mal haushoch überlegen. Und doch versetzte es ihm einen Stich, dass dieser niedliche Schwarzhaarige ausgerechnet der berechnende, eiskalte Schwarz-Leader sein sollte.
 

Brad überlegte einen Moment, als er keine Antwort bekam und das Grinsen verschwand wieder. Er musste zugeben, dass er hier absolut orientierungslos war, während Siberian wenigstens einigermaßen Durchblick in den Regalreihen zu besitzen schien, wenn man dem Inhalt seines Einkaufswagens trauen durfte.
 

"Es...ich...kannst...du...mir..........helfen?" presste er schließlich beschämt hervor. Welche Schande, ausgerechnet den Feind um Beistand bitten zu müssen und das auch noch bei so etwas Einfachem wie einkaufen. Das war doch seiner nicht würdig. Wenn er allerdings daran dachte, was ihn zu Hause erwartete, wenn er ohne die Dinge, die er besorgen sollte, wiederkam...ok, dann doch lieber Hidaka. Der Kerl schien zwar die Weisheit nicht gerade mit dem Schöpflöffel gefressen zu haben, aber fürs Einkaufen war es wohl augenscheinlich genug.
 

Kens Augen weiteten sich überrascht wieder und diesmal hatte er sich noch weniger in der Gewalt. "Bitte?!" Hatte er sich eben verhört? Es hatte ihn doch nicht etwa das Orakel persönlich um Hilfe beim Einkaufen gefragt oder? Anscheinend doch. Er hätte nicht gedacht, dass es etwas gab, was dieser perfekte Mann nicht beherrschte und schon gar nicht so was simples wie Waren in den Wagen legen und bezahlen gehen. Wie man sich doch täuschen konnte!
 

Brad schnaubte genervt. "Muss man dir alles zweimal sagen? Bist du so d..." Er bekam sich gerade noch rechtzeitig ein, denn ihm fiel auf, dass er ja hier drin auf Ken angewiesen war, wenn er sich nicht noch jemand Anderen suchen wollte und dazu hatte er jetzt absolut keinen Nerv mehr.
 

"Ähm...ich meine...du hast doch wohl verstanden, was ich gesagt habe, oder? So schlimm ist mein Akzent nun auch wieder nicht..." Also versuchte er es mit einem sehr unbeholfenen Scherz. Hatte wohl nicht so gewirkt, wie er gehofft hatte, den Hidakas Augen verdunkelten sich ein wenig und er lachte kein bisschen.
 

Ken rollte innerlich nur die Augen. Ihr Götter, der Mann wusste doch ganz genau, dass sein Japanisch so perfekt war, wie es nur sein konnte. Etwas Anderes war doch bei so einem nicht möglich. Er sollte jetzt auf der Stelle gehen und den Kerl einfach so hier stehen lassen. Doch irgendwie wirkte der Schwarz-Leader im Moment so...hilflos. Hilflos und sogar etwas unbeholfen, zwei Dinge, die ihm noch nie an dem Anderen aufgefallen waren. Ihm kam eine Idee, denn umsonst würde er sich sicher nicht mit diesem arroganten Sack abgeben, auch wenn er ziemlich viel Mitleid mit ihm hatte.
 

"Dein Name! Ich will deinen Namen wissen..." Er grinste triumphierend ob seines Einfalles. Brad zuckte etwas zusammen. "Wozu? Mein Name nützt dir gar nichts, ich hab eine absolut weiße Weste..." Wenn Siberian also in der Öffentlichkeit gegen ihn vorgehen wollte, würde er schlechte Karten haben.
 

Diesmal rollte Ken die Augen auch äußerlich. "Und mir sagt man immer, ich hätte ne lange Leitung...", maulte er leise "Ich kann dich ja wohl hier nicht gut 'Oracle' nennen oder?" Er hatte seine Stimme etwas gedämpft, immerhin standen sie hier direkt an einer Theke, und so etwas musste nun wirklich niemand außer ihnen mitbekommen.
 

Brad schlug sich fast mit der Hand vor die Stirn. Warum war ihm das eigentlich nicht selbst eingefallen? Also seufzte er nur und nickte. "Crawford...du kannst mich Crawford nennen...", meinte er dann leise und wich Kens Blick aus.
 

Der legte den Kopf etwas schief. "Crawford?" Wenn er es aussprach, hörte es sich irgendwie komisch an. Leicht falsch. Aber naja, wenn sein Feind meinte...Amerikaner sollten ja sehr seltsam sein, hatte er gehört. "Seltsamer Vorname...", bemerkte er nur nebenbei.
 

Am liebsten hätte der Schwarzhaarige sein Gegenüber nun gepackt und geschüttelt. "Das ist nicht mein Vorname, du Tr...ähm...naja, den werd ich dir sicher nicht sagen!" Oh, wie ihm doch die Beschimpfungen auf der Zunge lagen und er musste sie runterschlucken, wie gemein! Hoffentlich überlebte er den Einkauf, ohne daran zu ersticken, sonst machte Farf noch mehr Stress.
 

Kens Blick verdüsterte sich noch weiter, als wollte er sagen: 'Reiß dich ja zusammen!' Aber immerhin hatte Crawford ja Recht. Er war ein Trottel und würde immer einer bleiben, so war das nun mal, man sagte es ihm ja schließlich oft genug. Außer Fußballspielen und töten konnte er eben nichts. Selbst beim Blumenverkaufen war er zu so gut wie nichts zu gebrauchen. Aber damit hatte er sich schon lange abgefunden. An Tatsachen konnte man eben nur schwer etwas ändern.
 

Also beschwerte er sich auch nicht, sondern nickte nur leicht. "Zeig her, was brauchst du?" Er streckte die Hand nach dem Einkaufszettel aus.

Brad war erstaunt, dass Siberian nicht seinem Namen alle Ehre machte und ihm mit ausgefahrenen Krallen ins Gesicht sprang, spätestens jetzt, nachdem er ihn erneut beinahe beleidigt hatte. Umso mehr verwirrte es ihn, dass der Junge es nicht tat, sondern nur nickte und nach dem Einkaufszettel fragte. Etwas abwesend reichte er Ken das Stück Papier ganz automatisch, ohne zu überlegen.
 

Der Braunhaarige besah sich das Ganze eine Weile, zuckte dann die Schultern und reichte Crawford den Zettel zurück. "Du wirst es mir vorlesen müssen, ich kann kein Englisch..." Und dabei wurde er auch noch tatsächlich etwas rot, als würde er sich für seine mangelnde Bildung schämen. Er konnte doch auch nichts dafür, dass er immer lieber Fußball gespielt hatte und Vokabeln-Pauken so absolut ätzend fand. Aber in Moment wie diesen wünschte er sich, er hätte in der Schule etwas besser aufgepasst, dann müsste er sich jetzt vor seinem Feind nicht eine solche Blöße geben.
 

Die schwarzen Augenbrauen des gegnerischen Leaders zuckten steil nach oben. So wenig Bildung hätte er dann selbst von einem Kritiker-Agenten nicht erwartet. Aber vielleicht war Hidaka da ja eine Ausnahme. Sonderlich schlau schien er ja nun wirklich nicht zu sein und Brad war nur froh, dass er im Moment seinen impulsiven Hitzkopf ganz gut unter Kontrolle zu haben schien. Er wusste nicht, wie er reagieren würde, wenn Ken hier auf ihn losging.
 

Aber die Röte auf den Wangen des Fußballers war schon ganz interessant, um nicht zu sagen niedlich, auch wenn er natürlich dieses Wort niemals in den Mund nehmen würde, schon gar nicht in Verbindung mit dem Erzfeind Nummer zwei, Nummer eins war ja immer noch Abyssinian.
 

Diesmal verkniff er sich jedoch einen entsprechenden Kommentar und las einfach nur den Zettel, beziehungsweise, die schier endlos scheinende Liste vor. Eine Menge Sachen, die da drauf standen und natürlich alle völlig durcheinander.
 

Ken schüttelte verständnislos den Kopf. Wie konnte ein Mann, der sonst so auf Korrektheit und Perfektion achtete, zumindest was sein Äußeres betraf, wobei er gerne davon ausging, dass sich dieses auch auf sein Privatleben ausdehnte, wie konnte also so jemand so konfus sein, wenn es um etwas so einfaches wie Einkaufen ging? Das war ihm dann doch etwas unbegreiflich, aber er fragte nicht weiter, sondern hielt brav ihren unausgesprochenen Waffenstillstand ein. Man konnte ihm dann hinterher zumindest nicht vorwerfen, dass Weiß nicht hilfsbereit war, alles aber nicht das, sie waren schließlich die Guten!
 

Als erstes ordnete er gedanklich die Dinge, die Crawford benötigte in die entsprechenden Regale ein, in denen sie zu finden waren und steuerte dann auf den Ein- und Ausgang des Supermarktes zu. Brad musste eben sehen, wie er hinterherkam.
 

Der Schwarzhaarige taperte verwirrt hinterher, hob die Hand und gestattete sich einen Einwand. "Äh...Moment...ich dachte...du...hm...wie?" Brachte er heute eigentlich noch mal einen zusammenhängenden Satz heraus, oder stotterte er weiter die ganze Zeit irgendwelches wirres Zeug zusammen um die Zeit zu überbrücken?
 

Sein Feind hielt noch nicht mal im Schritt inne, sondern marschierte zielstrebig zum ersten Regal. "Was nützt es, mittendrin anzufangen? Wir beginnen da, wo man reinkommt, das ist am einfachsten...", erklärte er etwas ungeduldig. Man konnte doch bitte auch von einem hilflosen Schwarz erwarten, dass er ein bisschen mitdachte. Erst jetzt fiel ihm das Paradoxe an der ganzen Sache auf: er, ein WEISS, half einem SCHWARZ, anstatt ihn einfach stehen zu lassen.
 

Er konnte nur über sich selbst den Kopf schütteln, entschuldigte sich aber mit seinem Gewissen und außerdem hatte es wohl noch nicht mal ein arroganter Sack wie Crawford verdient, einsam und alleine in einem Supermarkt zu stehen und nicht mehr weiterzuwissen, das was dann doch zu grausam.
 

Brad tat das einzig sinnvolle in dieser Situation: er hielt den Mund. Da er auch sonst ein eher schweigsamer Geselle war, fiel ihm das nicht sonderlich schwer, aber Ken wurde das Schweigen von Minute zu Minute unangenehmer. Schließlich hielt er es einfach nicht mehr aus. "Warum schickst du nicht einen deiner Leute zum einkaufen?"
 

Crawford knirschte hörbar mit den Zähnen, was der Braunhaarige mit einem Schaudern zu Kenntnis nahm, aber geschickt überhörte. War wohl keine so tolle Frage gewesen. "Weil ich dran war." Ok, das war eindeutig. Und doch konnte der Fußballer es nicht lassen, nachzubohren.
 

"DU hältst dich an Regeln?" Er hätte nicht gedacht, dass auch Schwarz so etwas wie einen Haushaltsplan oder der Gleichen besaß, oder überhaupt Richtlinien, die nicht von ihrem Leader selbst aufgestellt worden waren. Der Schwarzhaarige zuckte die Schultern und fischte eine Packung Nudeln aus dem Regal, die ihm richtig erschien. "Berserker kocht, wir kaufen ein..."
 

Ken nahm ihm die Teigwaren wieder aus der Hand und legte sie zurück, holte dafür eine andere Schachtel heraus und legte sie in den Einkaufswagen des Schwarz. Die Worte brauchten eine ganze Weile, bis sie versickert waren. "Nimm die, die sind besser....Moment mal! Sagtest du gerade BERSERKER KOCHT?" Seine Stimme war ziemlich laut geworden und einige Leute schauten interessiert zu ihnen herüber. Errötend senkte er den Kopf und nuschelte eine Entschuldigung.
 

Dadurch entging ihm allerdings Brads erneutes Schulterzucken. Er könnte sich selbst für seine Dummheit die Zunge abbeißen. Sonst war es doch auch gar nicht seine Art, Privates auszuplaudern! "Einer muss es ja machen und er macht es freiwillig....", beendete er damit das Thema."Du willst mir doch nicht erzählen, dass es genießbar ist, was er fabriziert, oder?" Der Weiß schien den stummen Wink nicht verstanden zu haben und ganz und gar nicht dazu bereit zu sein, die Sache einfach so auf sich beruhen zu lassen.
 

Brad war inzwischen eindeutig genervt. "Doch ist es und bestimmt besser, als das von eurem Katanaschwinger!" Hupps, schon wieder! Siberians Augen weiteten sich deutlich. "Woher weißt...ok, schon klar, vergiss es..." Es machte ihn deutlich nervös, dass sein Gegenüber scheinbar alles über ihn zu wissen glaubte. Naja er hoffte, dass es nicht wirklich ALLES war, das könnte problematisch werden. Allerdings glaubte er auch nicht, dass ausgerechnet der Schwarz-Leader an seinem Verhalten oder seinen Gedanken interessiert war, das war doch dann eher Masterminds Kategorie und den entdeckte er zum Glück weder hier real noch spürte er ihn in seinem Kopf.
 

Nun war es an ihm, zu schweigen, während sie langsam Stück für Stück die endlosen Regalgänge abliefen. Kaum einmal musste er nachfragen, was noch auf dem Zettel stand, das meiste hatte er sich ohnehin schon beim ersten Mal gemerkt. Brad war beeindruckt, denn das hätte er von wirklich allen Weiß-Mitgliedern erwartet, aber nicht von Ken, der ja immer den Eindruck machte, als wäre er ein bisschen dumm. Aber anscheinend hatte der Junge nur ab und zu eine lange Leitung sonst nichts und das hatte Schuldig ja auch gelegentlich bis öfters, wenn es um seiner Meinung nach unwichtige Dinge ging.
 

Unauffällig beobachtete er den Jungen, der mit nachdenklichem Gesichtsausdruck vor ihm herlief. Braune, verstrubbelte Haare, schlanke Figur mit deutlichen Muskeln vom Sport, einfache Kleidung, alles in allem ein durch und durch unauffälliges Kerlchen, hübsch zwar aber nicht zu vergleichen mit beispielsweise Ayas exotischer Schönheit. Brad runzelte die Stirn. Er sollte aufhören, solche Sachen über seine Feinde zu denken! Trotzdem musterte er den Fußballer weiter, solange der es nicht bemerkte.
 

Doch obwohl Brad mehr als vorsichtig war, spürte Ken die Blicke des anderen wie Nadelstiche im Nacken. Was war denn das? Hatte er irgendwo ein seltsames Schild kleben, das ihm Yohji noch verpasst hatte, bevor er gegangen war? Wäre ja nicht das erste Mal! Auf dem Letzten hatte irgendwas von 'lieb haben und knuddeln' gestanden und prompt waren ihm sämtliche Weiber, die ihn von hinten gesehen hatten, um den Hals gesprungen. Also Erstens hatte er es dann doch nicht so nötig und zweitens wären ihm Männer sowieso lieber gewesen, aber das wusste sein blonder Kollege ja zum Glück nicht.
 

Moment mal, Crawford wusste doch alles, wusste er DAS etwa auch? Würde er dann auf der nächsten Mission eine dumme Bemerkung fallen lassen und ihn verraten? Das durfte nicht passieren, dafür war ihm das Verhältnis zu seinen Freunden viel zu wichtig! Fieberhaft überlegte er, was er tun könnte, um das scheinbar drohende Unheil noch einmal von sich abzuwenden.
 

Der Schwarzhaarige dagegen wusste nichts von alledem, es hatte ihn nie interessiert, wie Ken gepolt war und es würde ihn auch ganz sicher nicht interessieren, obwohl er es natürlich ganz ohne Schwierigkeiten herausfinden könnte, wenn er es denn wollte, das war doch eine seiner leichtesten Übungen! Doch daran dachte er im Moment gar nicht, vielmehr war er damit beschäftigt, die runde Kehrseite des Anderen zu begutachten, natürlich aus rein wissenschaftlichem Interesse, ob sich diese denn mit seiner messen könnte. Durchaus, wie er entschied, Kens Hintern war rein objektiv betrachtet wirklich nicht zu verachten.
 

Ken knabberte fieberhaft auf seiner Unterlippe herum, denn er hatte nicht die geringste Ahnung wie er den Schwarz bestechen sollte und Druck konnte er auch keinen auf ihn ausüben. Crawford würde sich höchstens halb tot lachen und ihm dann eine Kugel zwischen die Augen verpassen. Doch dann hatte er einen Geistesblitz, wie er es schaffen könnte, dass der Schwarzhaarige in seiner Schuld stand. Er warf ihm einen Seitenblick zu, machte dann ein äußerst unbeteiligtes Gesicht und erledigte zunächst alle noch ausstehenden Einkäufe, bevor er noch einen Blick auf seine eigene Liste warf und den Warenbestand in seinem Einkaufwagen vervollständigte.
 

Brad wartete einfach. Er hatte den Blick des Jungen sehr wohl gesehen und war gespannt, was jetzt kam. Das war irgendwie nett an Ken, man konnte in seinem Gesicht lesen, wie in einem offenen Buch, selbst auf Missionen, selbst wenn er sich sonst völlig unter Kontrolle hatte. Seine Augen verrieten ihn grundsätzlich, sagten seinem Gegenüber immer, was er gerade dachte und im Moment schien er sich über irgendetwas Sorgen zu machen und nachzudenken.
 

Der Leader sah allerdings davon ab, Schuldig einzuschalten, denn die dummen Kommentare, warum er sich von einem Weiß helfen lassen musste, die konnte er sich wahrlich ersparen. Wenn der Deutsche einkaufen ging, manipulierte er einfach irgendwen und trank in der Zeit einen Kaffee, er selbst musste sich eben anders behelfen. War doch gar nicht so übel, den Feind für sich arbeiten zu lassen und dafür noch nicht mal eine Gegenleistung erbringen zu müssen, zumindest solange, wie man die Tatsachen verdrehen und sich schöne Dinge einreden konnte. Aber irgendwas hatte die kleine Ratte doch sicher vor, dass sah er ihm an der Nasenspitze an, nur was? Brad war wirklich versucht, einen Blick in die nahe Zukunft zu werfen, ließ es dann aber doch bleiben, denn vielleicht gefiel ihm das ganz und gar nicht und im Augenblick war er eigentlich recht zufrieden. Dazu kam, dass Siberian sowieso nie lange irgendwas hinterm Berg halten konnte, er würde es also ohnehin erfahren, egal, was es war.
 

Sie schoben ihre Wägen in Richtung Kasse und Brad lenkte seinen wieder neben Kens, denn es sah seiner Meinung nach doch zu dämlich aus, wenn er die ganze Zeit hinter dem Braunhaarigen herdackelte wie ein Hündchen, vor allem, weil er sich für heute vor den Verkäuferinnen wohl schon genug zum Gespött gemacht hatte. Vielmehr würden seine armen, workaholic-geschädigten Nerven nicht mehr aushalten und der Tag hatte ja eben erst angefangen. Zu Hause musste er wieder seine Teamkollegen ertragen, beziehungsweise einen ganz bestimmten, orangehaarigen, der immer noch seinen Bandanas nachtrauerte und bestimmt Langeweile hatte. Darauf konnte er dann doch verzichten.
 

Ken dagegen bearbeitete seine Unterlippe noch ein wenig und warf immer wieder nachdenklich, ganz und gar unauffällige Seitenblicke zu seinem Nachbarn hinüber, in der Hoffnung, eine Antwort auf die Frage aller Fragen zu bekommen: Würde es funktionieren? Wahrscheinlich nicht, so wie er sich kannte, aber was schadete es schon, es einfach auszuprobieren?
 

"Wirst du es denn nächstes Mal alleine schaffen?", fragte er deshalb erstaunlich freundlich. Es konnte ja hilfreich sein, wenn er ein bisschen nett war. Brads Augenbrauen zogen sich misstrauisch zusammen, bis sie sich in der Mitte fast berührten. Was wollte Hidaka denn damit sagen? Dass er unfähig war? Nein, in seiner Stimme lag kein Spott und besonders in seinen Augen auch nicht. Also war es wohl eine ernst gemeinte Frage.
 

"Muss ja, oder?", gab er ein wenig kurz angebunden zurück, nicht, dass Ken etwa noch auf die Idee kam, das Thema weiterzuverfolgen. Er hatte allerdings nicht mit der Hartnäckigkeit und der langen Leitung des Jungen gerechnet. "Hm...naja...also...ich könnte dir ja vielleicht....." Er ließ den Satz mit Absicht offen, um Brad die Gelegenheit zu geben, vielleicht in seinem Sinne darauf zu antworten, so dass er den Anderen nicht beleidigte, das wäre wohl fatal gewesen.
 

Die dunklen Augen des gegnerischen Leaders richteten sich nun ganz auf den Weiß-Jungen. "...helfen?", fragte er etwas ungläubig, konnte gar nicht glauben, was er da gerade hörte. Das konnte doch wohl nur ein Irrtum sein, oder? Aber Kens Nicken belehrte ihn eines Besseren. "Das meinst du ernst oder?" Er blinzelte verwirrt, als der Feind wieder nickte. War der denn von allen guten Geistern verlassen? Takatori würde sie eliminieren, wenn er davon erfuhr, oder es zumindest versuchen und er bezweifelte, dass Kritiker davon viel mehr angetan sein würden.
 

Ken fing wieder an, auf seiner Unterlippe zu knabbern, war deutlich unsicher und trat nervös von einem Fuß auf den Anderen. War das nun gut oder schlecht? Irgendwie schien Brad das gar nicht von ihm erwartet zu haben. Hatte das Orakel auf einmal Probleme mit seiner Gabe? War er vielleicht nicht mehr voll einsatzfähig? Und wenn ja, WAS GING IHN DAS VERDAMMT NOCHMAL AN???

Der Weiß-Junge schüttelte den Kopf, um diese furchtbar lästigen Gedanken loszuwerden, das war ja nicht zum Aushalten!
 

Jetzt war es an Brad, verlegen zu sein. Langsam rückten sie in de Kassenschlange weiter nach vorne und Ken schien ihn erwartungsvoll anzusehen. Er schluckte ein paar Mal trocken, während sein Gehirn in Windeseile versuchte, Vor- und Nachteile der Sache abzuwägen. Denn dass der Feind ihn in eine Falle locken wollte, glaubte er einfach nicht, dafür war der Junge viel zu ehrlich und geradeaus. Wenn er zusagte, hatte er zumindest keine Probleme mehr was das Einkaufen betraf und unangenehm war die Gesellschaft des Braunhaarigen wider Erwarten auch nicht im Übermaß. Allerdings gab er sich damit auch eine Blöße und wurde ziemlich erpressbar gegenüber seinen Teamkameraden. Sollte vor allem Schuldig jemals herausbekommen, dass er die Hilfe des Weiß brauchte, um einzukaufen, würde er den Spott nie wieder loswerden.
 

Nahm er das Angebot aber nicht an, würde er den Jungen höchstwahrscheinlich kränken, was bei dessen hitzköpfigem Gemüt sicher nicht besonders ratsam war. Er hatte Ken schon wütend erlebt und legte ehrlich gesagt, trotz seiner Überlegenheit durch seine Kräfte, keinen Wert auf Wiederholung. Außerdem würde er dann auch in Zukunft den Kampf gegen den Supermarkt alleine bestehen müssen und wenn er das Genuschel von Farfarello neulich richtig deutete, würde diese Aufgabe demnächst komplett an ihm hängen bleiben und es gab absolut nichts, was er dagegen tun konnte, es sei denn, er wollte ab morgen wieder von Fertigfutter leben und darauf konnte er dann doch dankend verzichten.
 

Also dann eben das eine Unheil in Kauf nehmen, um das Andere abzuwenden. Er seufzte tief und nickte dann. "Na schön...ich nehme an, bleibt mir ja nicht viel Anderes übrig, fürchte ich..." Er lächelte ein wenig gequält, sollte heißen, seine Mundwinkel zuckten einen Moment lang nach oben und gingen sofort in ihre Ausgangsposition zurück, in der sie, ähnlich wie bei Aya, festgewachsen zu sein schienen, in einer absolut ausdruckslosen, geraden Linie.
 

Ken dagegen grinste fröhlich und nickte eifrig. "Ich bring dir das schon bei, keine Sorge..." Damit schob er seinen Wagen endgültig in die Kasse hinein und begann, seine Waren auf das Fließband zu legen und das war doch eine ganze Menge. Schnell schob er das leere Gefährt zum anderen Ende und packte dort alles wieder ein, ließ sich einen Haufen Tüten geben, denn verpacken würde er alles in Ruhe. Aya hasste nichts mehr, als wenn sein heißgeliebtes Gemüse, dass ja auch so gesund war und soo viele wichtige Vitamine enthielt, von denen sie allein viiiel zu wenig bekamen, zerdrückt war, da konnte er richtig sauer werden und das war wirklich keine sehr angenehme Sache. also lieber alles schön, brav sauber einpacken und heil nach Hause bringen.
 

Er bemerkte nebenbei, dass Brad sein Verhalten sehr aufmerksam zu beobachten schien, als wäre ihm so was völlig neu. Der Schwarz gehörte garantiert zu den Menschen, die alles sofort irgendwie, nur möglichst schnell, in die Tüten stopften und sich dann hinterher zu Hause wunderten, dass fast nichts noch ganz war. Überhaupt schien im gegnerischen Haushalt ein ähnlicher Gesundheitsfanatiker sein Unwesen zu treiben wie bei ihnen, der Liste nach zu urteilen. Gekochtes Essen war ja in der Regel auch ganz nett, aber man konnte es doch wirklich übertreiben!
 

Der Schwarz reagierte kaum auf Kens Worte, viel zu sehr war er damit beschäftigt, dessen seltsame Technik beim Einpacken zu beobachten. Wie wollte er denn den Kram nach Hause schaffen? Einfach so ins Auto? Nein, da nahm er sich noch Tüten... also erst später einpacken? Anscheinend... nunja, war mal auf jeden Fall nicht so stressig, wie wenn er es an der Kasse gemacht hätte. War vielleicht doch nicht ganz so dumm, der Kleine.
 

Er schloss sich dem Verhalten des Braunhaarigen an, lud zunächst alles auf das Fließband, dann wieder in den Wagen, nahm genügend Tüten und bezahlte. Dann ging er dem Anderen wieder hinterher, zu den eigens für das Verpacken der Einkäufe aufgestellten Brettern und tat es dem Jungen gleich, als dieser begann, die Sachen erst zu sortieren, obwohl er da noch nicht so ganz durchblickte, was wohin musste und warum.
 

Ken grinste in sich hinein. Das war doch mal wirklich ein Erlebnis, den großen Crawford, Chef-Orakel so hilflos und lernwillig zu sehen. Tatsächlich schien er ihm alles nachzumachen, also begann er, geduldig zu erklären, wie er es auch immer mit seinen Kids machte, mit denen er Fußball spielte. "Also unten rein in die Tüten tust du immer die schweren Sachen, die nicht zerdrücken können: Dosen, Flaschen, Wurstpackungen und so weiter... mach aber nicht zu viel rein, sonst wird's zu schwer und die Tüte reißt..." Er schielte zu seinem Nebenmann und beobachtete so ein wenig dessen treiben. Wenigstens stellte er sich nicht halb so dämlich an, wie er selbst als er das erste Mal einkaufen gewesen war.
 

Schnell war auch diese Arbeit beendet. Der Braunhaarige warf einen Blick auf seine Uhr. Noch mehr als eine halbe Stunde Zeit, bis er wieder zu Hause sein musste, Zeit genug also, noch einen Kaffee trinken zu gehen. Das gönnte er sich meistens nach dem Einkaufen, einfach nur dasitzen und ein wenig die Leute zu beobachten, dabei eine Tasse mit leckerem Getränk vor sich, so liebte er das.
 

Brad bemerkte den Blick und hatte zumindest den Anstand, einen Anflug von schlechtem Gewissen zu bekommen. "Zu spät?", fragte er in neutralem Ton, als ob ihn das gar nichts anginge. Ken schüttelte den Kopf so dass die braunen Strähnen flogen. "Nein, hab noch eine halbe Stunde Zeit... ich werd wohl noch einen Kaffee trinken gehen oder so...", erklärte er dann und packte die Tüten in seinen Einkaufswagen.
 

Der Schwarz tat es ihm gleich und überlegte einen Moment. Er war Ken eindeutig etwas schuldig und das war ihm alles andere als recht. "Sag mal... wie.. hm.. wie wär's... wenn ich dir einen Kaffee ausgeben würde? So als... hm..." Er scheute sich irgendwie ganz gewaltig, das Wort 'Dankeschön' auszusprechen. "...Gegenleistung?", umschrieb er deshalb recht geschickt. Ken grinste leicht, nickte dann aber. warum sich nicht für seine Dienst entlohnen lassen, dann brauchte er wenigstens kein schlechtes Gewissen zu haben. "Warum nicht? Aber eine Bedingung gibt es...", schränkte er trotzdem ein.
 

Eine schwarze Augenbraue hob sich merklich und fragend. Was wollte der Kerl denn? Das Teuerste vom teuren? Nicht das Geld für Brad eine Rolle spielte, aber trotzdem... "Kein Wort über den Job!" Das war wenigstens eine klare Ansage, auch wenn sie den Schwarzhaarigen noch mehr überraschte als Kens ganzes Verhalten zuvor. "Sicher... kein Problem...", willigte er deshalb rasch ein, bevor der Junge es sich womöglich noch anders überlegte und ihm noch mehr Forderungen einfielen.
 

Zufrieden nickte der Weiß. "Ok, dann komm..." Er schob seinen Wagen zu dem kleinen, ruhigen Cafe auf einer der Galerien des Zentrums, von dem aus man die ganzen vielen Menschen gut überblicken konnte und selbst doch so gut wie unsichtbar blieb. Brad nickte anerkennend, denn das war doch ein Ort nach seinem Geschmack, unauffällig, gemütlich, ruhig.
 

Sie ließen sich an einem der kleinen, runden Tische nieder und steckten ihre Nasen erst einmal in die Karten, obwohl Ken ja schon genau wusste, was er wollte. Es hätte aber wohl ziemlich dumm ausgesehen, wenn er einfach so in der Gegend herumgesessen wäre, denn Brad wusste es ja offensichtlich nicht. Die junge Bedienung kam und nahm ihre Bestellungen auf. Schon von weitem konnte man die Sternchen in ihren Augen sehen, angesichts dieser beiden Männer, die dort saßen, wobei der Braunhaarige das eigentlich eher auf seinen Feind bezog, als auf sich selbst. Oh ja, Brad war schon ein gutaussehender Mann, das musste er zugeben und er schien das auch genauestens zu wissen, denn er würdigte die junge Frau keines Blickes, als er einen einfachen Kaffee bestellte, nachdem er die Karte weggelegt hatte.
 

Der Fußballer schloss sich mit einer heißen Schokolade an und lehnte sich dann zurück, als dir Kellnerin enttäuscht wieder verschwand. "Ich glaube, du hast soeben ein Herz gebrochen", meinte er grinsend und deutete mit dem Kopf in die Richtung der Bedienung. Brad runzelte verständnislos die Stirn. "Wie meinst du das?", fragte er kühl und unbeteiligt, was man genauso gut als Arroganz auslegen konnte.
 

Der Weiß rollte die Augen ein wenig. "Na die Kleine da findet dich ganz toll..." Erstaunt drehte sich der Schwarz-Leader um, um einen Blick auf die Frau zu werfen, als habe er sie vorhin gar nicht wahrgenommen. "Oh...naja, mag sein..." Er wollte nicht zugeben, dass er davon absolut keine Ahnung hatte, folglich auch die Blicke, die sie ihm zugeworfen hatte, nicht wahrgenommen oder überhaupt registriert hatte. Er war furchtbar schlecht in solchen Dingen, aber normalerweise sah er den Ausgang eines Gesprächs ja vorher voraus und Schuldig rieb es ihm unter die Nase, so dass noch nie jemand seinen Mangel an Kenntnis über unauffällige, zwischenmenschliche Aktivitäten, bemerkt hatte, seien es nun Blicke oder Gesten oder sonst etwas.
 

Er hatte einfach immer viel zu viel zu tun, um sich mit so etwas sinnlosem auch noch abzugeben. Wenn man einen Partner wollte, sollte man das gefälligst sagen und damit basta. Nicht immer ewig drum herumreden und versuchen, es dem Anderen mit irgendwelchen lächerlichen Dingen begreiflich zu machen, weil man nicht zu direkt werden wollte, um keine Abfuhr zu riskieren. Das Leben bestand nun mal nur aus Abfuhren, wenn man es nicht geschickt anstellte, egal in welchem Bereich und Crawford wusste es zumindest auf geschäftlicher Ebene mit bewundernswerter Eleganz zu meistern, nicht abzublitzen. Dabei blieben allerdings die Sensoren für private Dinge größtenteils auf der Strecke, wegen mangelnder Ausbildung und Übung.
 

Ken amüsierte sich innerlich, denn für einen winzigen Moment waren die Gesichtszüge des Anderen entgleist, so kurz nur, dass er sich fragte, ob er es sich vielleicht nur eingebildet hatte, und gaben einen Teil der Überraschung und Verwunderung preis, die der Schwarzhaarige in diesem Moment zu empfinden schien. Es erstaunte den Fußballer, dass offensichtlich auch das Orakel zu überraschen war, wenn man sich nur geschickt genug anstellte.
 

Es dauerte nicht lange und ihre Getränke wurden gebracht. Diesmal zog die die Kellnerin gleich wieder zurück, weil sie sich wohl unter Brads musterndem Blick unwohl fühlte, denn wohlwollend war der nicht. Es hätte nicht viel gefehlt und Ken wäre in lautes Lachen ausgebrochen. Das sah irgendwie... niedlich aus, wie Crawford da versuchte, in den Blicken der Frau zu lesen und offensichtlich mit dem Ergebnis nicht zufrieden war. Er hätte nie gedacht, dass der Schwarz-Leader, der FEIND so... ja so sympathisch wirken konnte. Man musste offensichtlich nur nahe genug hinsehen...
 

Brad gab es irgendwann auf und widmete sich lieber seinem Kaffee, bevor der noch kalt wurde. Sein Blick fiel auf die gebräunte Hand seines Gegenübers, die die zweite Tasse umfasste, folgte ihrem Weg nach oben zu Hidakas Gesicht, zu den blassrosa Lippen, die sich langsam öffneten, um die warme Flüssigkeit einzulassen, wie sich die Augen halb schlossen um den süßen Geschmack zu kosten.
 

Er nahm seine eigene Tasse und trank einen Schluck Kaffee, wobei er sich natürlich prompt die Zunge verbrannte. Verflucht so was war ihm doch schon ewig nicht mehr passiert, warum hatte er das nicht vorausgesehen und war vorsichtiger gewesen? Oder hatte gleich von Anfang an besser aufgepasst. Er schalt sich im Stillen einen Narren, denn mit siebenundzwanzig sollte man wissen, dass frischer Kaffee heiß war, zumal dann, wenn man ihn jeden Tag Literweise trank.
 

Doch in seinem Gesicht rührte sich kein Muskel, der den kurzen Schmerz verraten könnte, das wäre ja noch schöner. Wozu trainierte man den jahrelang seine Beherrschung bis zur Perfektion? Genau! Damit man sich nicht vor seinem Feind beim Trinken lächerlich machte, so wie er es gerade im Begriff war. Und doch wanderten seine Augen über die gerade Linie von Kens Kinn weiter nach unter zum Hals des Sportlers, bevor er sich dann doch dem Treiben vor dem Fenster des Cafes zuwandte.
 

Ken saß offenbar entspannt in seinem Stuhl und tat es ihm gleich. Er beobachtete gerade, wie eine Mutter mit ihrem Kind diskutierte, das offensichtlich in eines der Süßwarengeschäfte wollte. Ein kleines Lächeln schlich sich auf sein Gesicht als er sah, wie geduldig die Frau war, denn er wusste, wie nervig und anstrengend quengelnde Kinder sein konnten.
 

Vorsichtig, um sich nicht zu verbrennen, trank er noch einen Schluck Schokolade und warf dann einen Blick zu Crawford hinüber, war überrascht, das dieser von den Leuten genauso fasziniert zu sein schien wie er selbst, zumindest klebte sein Blick an der Fensterscheibe. "Ist interessant oder?", versuchte der Weiß ein bisschen Konversation in Gang zu bringen, damit sie hier nicht die ganze Zeit schweigend nebeneinander saßen.
 

Graue Augen wandten sich ihm zu und einen Moment erschauerte er unter dem eisigen Blick, Irgendwie gefiel ihm der andere Brad wesentlich besser als dieser Unterkühlte. "Was meinst du?" Die Stimme war genauso frostig wie immer und Ken trat sich selbst mehrmals in den Hintern, dass er sich zuvor etwas Anderes eingebildet hatte. Wahrscheinlich hatte er sich beim letzten Sturz über Yohjis Klamotten den Schädel ein wenig zu heftig angeschlagen.
 

Schnell sah er wieder in die Passage hinaus. "Die ganzen Menschen... wie sie durcheinander laufen, Einige mit Ziel, Andere einfach nur so, weil sie Zeit haben... so viel Leben..." Er klang fast etwas wehmütig und Brads Stirn runzelte sich etwas, als er den Jungen von der Seite her ansah, doch seine Stimme war kühl wie immer.
 

"Du wärst gerne einer von ihnen, nicht wahr?", schoss er einfach mal ins Blaue. Er hatte keine Ahnung, ob er Ken damit nun zu nahe trat, oder ob er völlig falsch dachte, aber irgendwie machte der Braunhaarige diesen Eindruck.
 

Der Angesprochene hob die Schultern und trank noch einen schluck. "Manchmal ja... so normal... ihnen kommen alltägliche Probleme schlimm vor... das würde ich gerne mal erleben..." Sich einfach nur Gedanken über seine Mitbewohner und seinen Job machen zu müssen, ohne Nachts irgendwelche Verbrecher zu jagen und seine Hände noch mehr in das Blut unzähliger zu tauchen, das war ein Traum, den er sich wohl nie würde erfüllen können. Er seufzte leise, doch dann riss er sich zusammen, schließlich saß er hier ja nicht mit irgendwem, sondern mit seinem Erzfeind und er wusste selbst nicht, wieso er im Moment dazu neigte, diese Tatsache zu vergessen.
 

Doch zu seiner Überraschung kamen tatsächlich ein paar Worte zurück. "Ich weiß, was du meinst... doch du kannst es nicht ändern, also denk nicht darüber nach..." Etwas grob vielleicht, aber immerhin etwas. Ken legte den Kopf schief und betrachtete nun Crawfords kühles und doch anziehendes Gesicht. Das Gesicht eines Mannes, der keine Gefühle, kein Gewissen zu besitzen schien, was die letzte Äußerung nur wieder bestätigte und doch.... Der Junge wusste nicht, woran es lag, doch irgendwas faszinierte ihn, seit er den Schwarz so hilflos im Supermarkt gesehen hatte, als er noch nicht wusste, wer dieser war, auch wenn er es sich nicht erklären konnte. Er hasste den Anderen noch immer, das fühlte er ganz genau, aber warum war er ihm dann zeitweise sogar so etwas wie sympathisch?
 

Der Fußballer schüttelte den Kopf und Brad fragte sich, womit sich der Kleinere wohl gerade wieder auseinandersetzte. Von Schuldig wusste er, dass der Weiß sich oft über die nichtigsten Dinge Gedanken machen konnte und meist dazu neigte, eher sich selbst, als Anderen ein Fehlverhalten anzulasten. Eine sehr kraftraubende Strategie sein Leben zu meistern, wie der Schwarzhaarige fand, da war seine doch bedeutend besser. Es gab relativ wenig, über das er wirklich nachdachte, Fehler machte er keine, also waren immer die anderen Schuld, dafür sorgte seine Gabe im Normalfall.
 

Eine Weile saßen sie schweigend nebeneinander, während Ken über die Worte seines Feindes nachdachte. Irgendwie hatte er ja schon Recht, aber es ging nun einmal absolut gegen sein Gemüt, sich über solche Dinge keine Gedanken und Sorgen zu machen. und außerdem durfte ja wohl jeder einen Traum haben, oder? Bestimmt hatte auch Crawford einen. Vielleicht so was wie: Alle Weiß tot und er Chef von Takatoris Laden oder so, aber einen Traum hatte er ganz sicher!
 

Keiner von Beiden konnte später sagen, wie lange sie dort gesessen hatten, nicht mal Brad, der ja eigentlich über eine gute innere Uhr verfügte, aber als Ken das nächste Mal auf die Uhr sah, bekam er einen gewaltigen Schreck. Er war fast eine Dreiviertelstunde überfällig und sollte schon längst wieder zu Hause sein. Aya würde toben! Hastig erhob er sich, was ihm einen seltsamen Blick von Crawford einbrachte.
 

"Du bist zu spät...", stellte der gegnerische Leader ohne mit der Wimper zu zucken fest. Kens Blick verdüsterte sich gewaltig. "Du hast es gewusst!" Er musste sich wirklich beherrschen, um nicht lauter zu werden. Zu seinem maßlosen Ärger, hatte der Schwarz nicht einmal den Anstand, es abzustreiten, sondern nickte nur. "Seit etwa fünf Minuten..."
 

Der Junge blinzelte verwirrt, entspannte sich dann aber wieder. Warum sollte der andere lügen? Brachte ihm ja in diesem Fall nichts. Oder log ein Schwarz generell? Langsam hatte er aber genug von diesem ständigen hin und her zwischen Abneigung und Auftauen und es nervte ihn gewaltig, dass er rein gar nichts dagegen machen konnte.
 

Also schnaubte er nur und ging zu seinem Wagen. Kurz bevor er ihn erreichte, drehte er noch einmal den Kopf nach hinten. "Nächste Woche um neun hier." Mehr sagte er nicht, mehr war auch gar nicht nötig und damit verschwand er im Laufschritt, wich alten Omas und kleinen Kinder aus, um sie nicht über den Haufen zu fahren. Jetzt musste er aber wirklich machen, dass er nach Hause kam und sich dabei eine wirklich gute Ausrede einfallen lassen, warum er so lange gebraucht hatte. Autoschaden ging ja schlecht, dann würde Yohji ihn mit Sicherheit sehr langsam töten.
 

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In einem kleinen Cafe in einem großen Einkaufszentrum lehnte sich ein schwarzhaariger Mann in seinem Stuhl zurück, trank die letzten Reste seines Kaffees und blickte einem der vielen Menschen nach, die vor der Glasscheibe in seinem Blickfeld vorbeizogen.

"Ich weiß..."

Dann stand er auf, bezahlte und machte sich ebenfalls auf den Heimweg.
 


 


 

Denk ihr an den Kommi? *liebschau*

Home sweet home

Autor: CatherineMiller

Titel: Bittersweet Feelings

Fandom: Weiß Kreuz

Kapitel: Home sweet home

Teil: 6/?

Pairings: RanxNagi; BradxKen; SchuldigxYohjixSchuldig; FarfxOmi

Warnungen: keine

Danksagung: Vielen Dank an mein Betas emilyheart und Corrychan, die sich fleißig durch meine tausend Tippfehler mühen!

Sonstiges: Eigentlich nix, außer dass mir Ran leid tut... XD
 


 

Schnell verpackte der junge Mann seine Einkäufe in Yohjis Seven, brachte den Wagen weg und sprintete zum auto zurück, um sich dort auf den Sitz fallen zu lassen, den Motor anzuwerfen und schwungvoll aus der Parklücke zu wenden. Dasser dabei fast zwei andere Fahrzeuge touchierte, war ihm in diesem Moment reichlich egal, genauso wie die nachgeschüttelten Fäuste und geschrieenen Verwünschungen, die den seinen gessamten weg vom Parkplatz herunter begleiteten.
 

Nichts konnte schlimmer sein, als sein wütender Leader, gar nichts! Der Gedanke an Ayas zornig blitzende Augen ließen seinen rechten Fuss (1) bleischwer werden, so dass er in einer wahren Rekordzeit wieder am Koneko.
 

Mit einem furchtbar schlechten Gewissen parkte Ken den Sportwagen in der Einfahrt. Schief natürlich, aber darauf konnte er jetzt nicht achten. Viel zu sehr war er immer noch mit einer passenden Ausrede für seinen Anführer beschäftigt, der sicher schon vor Wut kochte, weil er solange gebraucht hatte und dadurch sicher zu spät zum Mittagessen kam.
 

Der Laden war schon seit über einer halben Stunde geschlossen und auch Omi war sicher schon längst aus der Schule zurück. Fehlte nur mal wieder Hidaka, wer denn sonst? Selbst Yohji quälte sich pünktlich aus dem Bett, wenn er nicht gerade Frühschicht hatte.
 

Zähneknirschend verfluchte er seine Dummheit und bepackte sich mit den unzähligen Einkaufstüten, um nicht mehrmals laufen zu müssen, was sich allerdings als ein sehr schwieriges Unterfangen herausstellte.
 

Wie ein Packesel wankte er zum Eingang ihres Privatbereiches und wollte eben auf den Klingelknopf drücken, als diese wie von selbst aufschwang. Das da noch ein menschliches Wesen dran beteiligt war, erkannte der Fußballer spätestens, als ihn eisige Amethyste von oben herab anfunkelten.
 

Der Jüngere zog ganz automatisch das Genick ein und duckte sich etwas, wobei er in Gedanken das mit dem menschlichen Wesen ganz schnell korrigierte. Wenn Aya so schaute, hatte er nämlich mehr Ähnlichkeit mit einem Dämon als mit sonst etwas.
 

"Ähm... hi...." Er versuchte es mit einem ein bisschen verlegenen Stottern und einem noch verlegeneren Grinsen und hielt die schweren Tüten wie einen Schutzwall vor sich. Sein Leader hätte wohl keine Skrupel, ihn einen Kopf kürzer zu machen, aber nur, wenn die Einkäufe dadurch nicht gefährdet wurden. Das hieß, wenn er es bis ins Haus schaffte, konnte er vielleicht einen sprint zur Treppe hinlegen und sich in seinem Zimmer verbarrikadieren. Dann fiel ihm jedoch ein, dass sich der weiße Tod wohl kaum von einem simplen Holzbrett abhalten lassen würde und er verwarf den Gedanken lieber ganz schnell.
 

Seine Arme wurden allmählich lahm und er trat von einem Fuß auf den Anderen, wurde immer nervöser, weil der Rothaarige immer noch schwieg. Nicht, dass das etwas Besonderes wäre, aber Ken hatte zumindest einen gepfefferten Vortrag über Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit erwartet, oder zumindest IRGENDWAS, aber nicht diesen einfach diesen Blick und sonst rein gar nichts.
 

"Tu...tut mir wirklich leid..... ich... hab..." Ja was hatte er denn? Er war sich sicher, dass Aya sofort jede Lüge durchschauen würde, das tat er meistens, auch wenn er es meistens nicht zeigte oder einfach ignorierte, irgendwann kam es wieder raus. Also am besten so nahe wie möglich an die Wahrheit halten, dann würde er vielleicht mit einem blauen Auge davonkommen.
 

"Ich hab einen... Bekannten getroffen... und hab beim Kaffeetrinken dann die zeit vergessen...", schlängelte er sich somit für seine Verhältnisse sehr geschickt um ein 'Shi Ne' herum. Wenn der Rotschopf erfuhr, mit wem er Kaffee getrunken hatte, wäre er sicherlich Geschichte, ein für alle Mal.
 

Zu seiner grenzenlosen Überraschung durchleuchtete ihn sein Leader nur mit einem seiner berüchtigten Röntgenblicke und hielt seine Ausrede wohl für glaubwürdig. Jedenfalls sagte er nichts weiter, sondern nickte nur und gab schließlich die Tür frei, um Ken endlich rein zu lassen. Erleichtert stapfte der junge Mann in die Küche und konnte dort endlich die Tüten abstellen. Seine Arme fühlten sich inzwischen an, als wenn sie jeden Moment abfallen würden.
 

Am Tisch saßen immer noch Omi und Yohji, waren gerade dabei, das Mittagessen in sich reinzustopfen und maßen ihn bei seinem Eintreten mit seltsamen Blicken. Irgendwie die abgespeckte Version von Ayas forschendem Mustern.
 

Ken begann, sich mehr als unwohl zu fühlen. Hatte er irgendwas im Gesicht oder sah man ihm den schwarzen Einfluss schon von weitem an. Unwillkürlich sah er an sich herunter, konnte aber nichts Ungewöhnliches entdecken. Sein T-Shirt war wie immer leicht verknittert, seine Jeans ganz normal ausgewaschen ohne größere Löcher und seine Lieblingsturnschuhe waren auch da, wo sie hingehörten.
 

Oh shit! Die Schuhe!! Schneller, als man schauen konnte, flitzte er in den Flur zurück und streifte sich die Treter von den Füßen. Er konnte nur inständig hoffen, nirgendwo Dreck hinterlassen zu haben, sonst würde seine Priorität auf der Ayas Liste der persönlichen Todeskandidaten noch um einiges steigen.
 

Barfuß wanderte er in die Küche zurück, wo besagter Rotschopf schon dabei war, das Gekaufte in die entsprechenden Schränke zu sortieren, mit einer Umsicht und Genauigkeit, die seine drei Mitbewohner immer wieder erstaunte. Kein Wunder, dass er immer merkte, wenn einer von ihnen hier irgendwo gewesen war, so akribisch wie er sämtliche Packungen zurechtrückte. Man konnte ja bekanntlich wirklich alles übertreiben und ihr Anführer gab da gerade das perfekte Beispiel ab.
 

Die drei sahen sich an und zuckten synchron die Schultern. Konnte ihnen ja egal sein, sie mussten oder besser durften hier ja nichts machen, sollte Aya doch seinen Perfektionismus ausleben, wenn es ihm Spaß machte, solange er sich meistens aus ihren Reichen heraushielt. Gegen gelegentliches Saugen hatte ja keiner was.
 

Kaum dass sich Ken an den Tisch gesetzt hatte, wurde auch schon ein Teller mit Essen vor ihm abgestellt. Überrascht sah er auf, doch der zugehörige Koch hatte sich schon wieder weggedreht und fuhr fort, die Tüten auszupacken.
 

Einen kurzen Moment spielte der Fußballer mit dem Gedanken eine dementsprechende Frage zu stellen, doch dann siegte sein Überlebenswille und er griff nach den Stäbchen, wünschte einen guten Appetit und fing dann an zu essen, genau wie die Beiden anderen.
 

Auch die Unterhaltung, die hauptsächlich ihr kleiner Blondschopf führte, kam wieder in Gang, wobei sich Yohji auf ein paar Grunzer und bestätigendes Nicken beschränkte, Ken nur ab und zu einen Kommentar einwarf und Aya ihrem Jüngsten ab und zu mit einem Blick zeigte, dass er ihm sehr wohl zuhörte, auch wenn man es ihm auf den ersten Blick nicht ansah.
 

Zum Bespiel glitt eine seiner Augenbrauen ein wenig nach oben, als der Kleine berichtete, dass sie demnächst einen neuen Schüler bekommen würden, der zwar zwei Jahre jünger war als er, aber in seine Klasse kommen sollte. Anscheinend war der Neuzugang ein richtiges Genie. "Ich frag mich nur, warum der von seiner letzten Schule geflogen ist, weil er doch so schlau sein soll..." Omi rieb sich nachdenklich über die Nase, während er im letzten Rest seines Gemüses stocherte, dass er eigentlich nicht mochte.
 

Yohji zuckte nur die Schultern, während Ken sich darüber Gedanken zu machen schien. "Muss ja nicht seine Schuld gewesen sein...", meinte er dann leise. Er wusste ja aus eigener Erfahrung, wie schnell man irgendwo rausflog, wenn man die falschen Freunde hatte.
 

Der Blondschopf legte den Kopf etwas schief. "Hm... wär schon möglich... ich kann ihn ja einfach mal fragen...", überlegte er dann laut. Ihm war es nie schwer gefallen, neue Kontakte zu knüpfen mit seiner freundlichen, offenen Art auf Menschen zuzugehen.
 

Der Einzige, der von dieser Idee ganz und gar nicht begeistert zu sein schien, war Aya. Bei dem Gedanken, Omi könnte sich vielleicht in die Nähe eines wüsten Schlägers begeben, wurde ihm ganz anders, auch wenn er es nicht zeigte. Sein Gesicht blieb unbewegt wie immer, nur ganz kurz flackerte etwas wie Besorgnis in seinen Augen auf, die aber niemand bemerkte.
 

"Denk dran, nicht auffällig zu werden...", meinte er nur, wie nebenbei, damit es nicht zu auffällig wurde. Omi senkte sofort den Kopf und nickte. "Natürlich Aya-kun, ich werde aufpassen...", versprach er sofort und meinte es auch so. Er wusste, was auf dem Spiel stand und dass die Schule im Prinzip auch ein Aspekt ihrer Tarnung als normale Bürger war, die er auf keinen Fall riskieren durfte, egal wie hilfsbedürftig der Neue auch sein könnte.
 

Er nahm sich vor, es einfach abzuwarten und vorerst nur zu beobachten, sich vielleicht ein wenig unauffällig umzuhören. Es würde ja noch ein paar Tage dauern bis der unbekannte in seine Klasse kam. Insgeheim hoffte er aber, dass es vielleicht jemand war, mit dem er sich auch über ernsthaftere Themen unterhalten konnte. Er hatte schon Freunde in seinem Alter, aber die waren immer so kindisch. Er selbst war ja nicht nur geprägt von seinem IQ sondern vor allem durch seinen nächtlichen Nebenjob.
 

Es wäre ja schon schön, wenn es jemand wäre, der ein bisschen was von Computern verstünde, dann könnten sie sich zusammen im Informatikunterricht langweilen oder so. Aber in jedem Fall würde er vorsichtig sein, wie er es Aya versprochen hatte, auch wenn es ihn wunderte, dass sich sein Anführer überhaupt zu Wort meldete bei solch einem Thema. Normalerweise hielt er sich bei so etwas aus der Diskussion heraus, selbst wenn er nach seiner Meinung gefragt wurde, gab er höchstens einsilbige Antworten.
 

Omi beschloss, dass er sich darüber ein andermal Gedanken machen würde, vielleicht hatte der Rothaarige ja nur heute mal einen guten Tag, wenn es denn so etwas bei ihm gab.
 

"Sag mal Ken-kun, wo warst du eigentlich so lange?", fragte er deshalb, um das Thema zu wechseln. Sofort sprang ihm ihr Ältester bei, den das offensichtlich weit mehr interessierte. "Ja Kenny, wo warst du denn so lange? Hast doch nicht rein zufällig jemand getroffen oder?" Er wippte auf seine unnachahmlich eindeutig zweideutige Art mit den Augenbrauen, was bewirkte, dass sich die Wangen des Angesprochenen leicht röteten.
 

"Ja, ich hab nen Bekannten getroffen und Kaffee getrunken, was dagegen? Hab halt nicht auf die Uhr gesehen....", maulte der Jüngere etwas verlegen, denn auf dem Gesicht des Playboys erschien ein anzügliches Grinsen.
 

"Einen BekanntEN also... nicht zufällig eine BekanntE?" So schnell würde er ganz sicher nicht aufgeben, egal wie sehr ihr Fußballer versuchte, sich aus der Affäre zu ziehen. Der wand sich in der Tat auf seinem Stuhl, versuchte, sich hinter seinem Essen zu verstecken. "Ja ganz genau, ein BekanntER!" Er betonte es ganz deutlich, nicht, dass Yohji noch auf dumme Gedanken kam. Obwohl, eigentlich war es ihm lieber, wenn der andere dachte, er hätte eine Freundin, nicht, dass er seinen eigentlichen Neigungen noch auf die Schliche kam.
 

Der Blonde grinste nur und zwinkerte ihrem Chibi zu, der sofort peinlich berührt rot anlief. "Yohji-kun! Lass Ken-kun doch! Er wird schon seine Gründe haben, warum er nicht sagt, wen er getroffen hat..." Irgendwie wurmte es ihn ja schon, dass der Braunhaarige nichts verriet, immerhin waren sie doch beste Freunde oder? Aber vielleicht wollte er es einfach nur nicht vor ihrem Ältesten ausplaudern, was er durchaus nachvollziehen konnte. Wenn man dem was erzählte und er es peinlich fand, wurde es einem noch tagelang unter die Nase gerieben. Er wusste sehr wohl, dass Ken eigentlich sensibler war, als er mit seinem Hitzkopf auf den ersten Blick wirkte, weswegen er auch warten würde, um ihn noch mal nach dem Vormittag zu fragen.
 

Siberian nickte dem jüngeren Teammitglied dankbar zu, aber Yohji dachte gar nicht daran, aufzuhören. "Ich hatte also recht, oder? Saaaag schon, ich kriegs doch sowieso raus!"
 

Ken wollte gerade auffahren, dass es den Playboy ja gar nichts anginge. mit wem er wo was machte, als sich eine dunkle, kühle stimme in das Gespräch mischte. "Es ist genug Kudou." Und nicht einmal ihr großmäuliger Playboy wagte es, sich Aya zu widersetzen, auch wenn er den Rothaarigen über die Gläser seiner Sonnenbrille hinweg böse anfunkelte.
 

Der Leader erwiderte den Blick ruhig, während er seine Reisschale vollends leer aß und dabei die verwunderten Blicke von Omi und Ken ignorierte. Niemand war es von ihm gewöhnt, dass er sich in die kleinen Kabbeleien einmischte, oder gar für jemanden Partei ergriff und umso verblüffter waren auch die Gesichter.
 

Schließlich verlor Yohji das Gefecht stummer Blicke und wandte sich ab, stand auf und trug sein Geschirr brav zur Spüle. Omi hatte Küchendienst und Ken war ja Einkaufen gewesen. Sie hatten noch etwa eine Stunde, bis sie den Laden wieder aufmachen mussten und diese Zeit gedachte er sinnvoll zu nutzen. Er würde eine Zigarette rauchen und sonst gar nichts tun.
 

Aya grinste innerlich, denn er hatte nicht erwartet, dass seine Regeln wirklich so penibel eingehalten wurden. Er hatte den Haushalt übernommen, kurz nachdem er zu Weiß gekommen war und am Anfang war es zu teilweise heftigen Auseinandersetzungen vor allem mit dem extrovertierten Kudou und dem schlampigen Ken gekommen. Doch inzwischen hatten sie wohl alle begriffen, dass es sich in einem sauberen, aufgeräumten Haus besser lebte und solange er nicht zu viel forderte, taten sie auch im Privatbereich freiwillig, was er wollte.
 

Omi war da ja von Anfang an unkompliziert gewesen, wie der Junge es eben in allem war. Sein sonniges Gemüt erinnerte den Rotschopf irgendwie an seine Schwester, was gleichzeitig den Beschützerinstinkt in ihm weckte und ihn sich zurückziehen ließ. Doch meistens überwog Ersterer. Und der Kleine schien ihn seinerseits, trotz seiner eisigen, abweisenden Art mehr zu mögen, als eigentlich gut für ihn war.
 

Diese Gedanken kamen ihm nicht zum ersten Mal und schließlich erhob er sich ruckartig, räumte sein Geschirr zum spülen und verließ rasch und wortlos die Küche, wobei er auf dem Gang beinahe mit Yohji zusammengestoßen wäre, der dort seine Zigaretten in seiner Jackentasche suchte.
 

Aya schnappte sich seine Jacke und schon war es aus der Tür hinaus, die hinter ihm ungewöhnlich laut zuklappte. Yohji steckte seinen Kopf noch einmal in die Küche, wo Ken und Omi mit verwirrten Mienen immer noch am Tisch saßen. "Habt ihr was zu ihm gesagt?"
 

Der Fußballer schüttelte den Kopf. "Nein, er hat Omi eine ganze Weile seltsam angesehen und dann ist er plötzlich aufgestanden, hat sein Zeug weggeräumt und ist weg..."

Omi nickte bestätigend. Ganz normal war ihr Anführer ja nie, aber das war dann doch seltsam.
 

Der Playboy runzelte die Stirn und zuckte dann die schultern. "Naja wird sich schon wieder einbekommen... wer weiß schon, was bei dem im Kopf vor sich geht...."
 

"Mastermind..." Ken hätte sich am liebsten sofort selbst in den hinter getreten, sobald ihm das Wort herausgerutscht war. Wie konnte man nur so blöd sein? Er hatte eindeutig zu viel unter schwarzem Einfluss gestanden heute Morgen, das musste es sein. verlegen grinsend wedelte er mit der Hand und versuchte so, das ganze abzutun, was ihm allerdings nur mehr schlecht als recht gelang, wie er an den Gesichtern seiner Kollegen erkennen konnte.
 

Omi tastete sich mal vorsichtig heran. "Sag mal, Ken-kun bist du sicher, dass es dir gut geht? Du bist heute Morgen so seltsam..." Vielleicht wurde ihr Sportler ja krank? So benahm er sich jedenfalls, als wenn er nicht ganz in der Spur wäre.
 

Erstaunlicherweise hielt sich der Älteste diesmal zurück und sagte auch nichts weiter, als Ken nur die Schultern zuckte und sich nicht weiter äußerte. Der Jüngere war wohl nicht der Einzige, der heute nicht ganz so da war, wenn er da so an die Sache mit den gewässerten Blumen, oder besser gesagt, dem gewässerten Boden dachte....
 

Er zog sich wieder zurück und stapfte die Treppen nach oben. Seine Zigaretten hatte er nicht gefunden, aber er hatte immer eine Schachtel im Vorrat, die würde er eben anbrechen.
 

In der Küche erhoben sich die beiden Zurückgebliebenen ebenfalls und Ken half ihrem Chibi beim Abräumen. Er wollte sich auch noch am Spülen beteiligen, wurde aber energisch verscheucht.
 

Grinsend machte sich der Braunhaarige auch auf den Weg in sein Zimmer. Wenn es um Arbeit ging, nahm es der Kleine schon genauso genau wie Aya! Kein Wunder, der war ja auch sein großes Vorbild, auch wenn er selbst das nicht so ganz verstehen konnte. Sicher, der Rothaarige war in allem gut, um nicht zu sagen, einfach perfekt, aber zu welchem Preis? Er schien kaum noch menschliche Züge zu haben und wenn dann nur Wut, Hass und Zorn. Ob er überhaupt wusste, was Gefühle waren? Ken bezweifelte es manchmal und doch wünschte auch er sich von Zeit zu Zeit diese eisige Kälte, die in der Seele ihres Leaders herrschte. Sie schütze sicher davor, verletzt zu werden und vor der nagenden Einsamkeit, die ihr Job mitbrachte.
 

Sicher, er hatte Omi und Yohji und auf irgendeine Weise auch Aya gerne, der ja doch irgendwie immer da war, wenn man ihn wirklich brauchte, aber wie lange konnte das noch so gehen? Es würde der Punkt kommen, an dem einer von ihnen nicht mehr weiterkam, einen Fehler beging oder schlicht an der Schuld zerbrach, die sie sich auf die Schultern geladen hatte, im Blut ertrank, dass an ihrer aller Händen klebte.

Himmel er sollte aufhören, solche Sachen zu denken, sonst lief er Gefahr, pessimistisch zu werden.
 

In seinem Zimmer überwand er geschickt den Hindernisparcours, der sich über dem Parkettfussboden erstreckte, darin war er schließlich geübt, und ließ sich auf sein Bett fallen, streckte sich der Länge nach darauf aus. Seufzend richtete er den Blick gen Decke und ließ seine Gedanken etwas schweifen.
 

Wohin Aya wohl ging, wenn er, so wie vorhin, urplötzlich das Haus verließ? Das tat er zwar nicht oft, aber doch häufig genug, dass er einem aufmerksamen Beobachter auffiel. Und einmal meinte Ken, in seinem Blick so etwas wie tiefen Schmerz gesehen zu haben, kurz bevor er sich abgewandt hatte. Aber das konnte doch gar nicht sein, oder? War es möglich, dass der Abgrund in der Seele des Rothaarigen viel tiefer war, als sie es sich alle zusammen auch nur vorstellen konnten?
 

Yohji hatte ja mal erfolglos versucht, ihm zu folgen, aber selbst der ehemalige Detektiv hatte keine Chance. Aya war wie eine Katze und wenn er nicht wollte, dass man ihm folgte oder ihn sah, dann brachte er es fertig, sich innerhalb von Sekunden in Luft aufzulösen. Eine praktische Fähigkeit, wenn man ein Killer war, aber sehr störend für neugierige Kollegen, die unbedingt mehr über jemanden herausfinden wollten.
 

Selbst Omi, der zu dem kalten Anführer ja noch den besten Draht hatte, wusste nicht mehr. Nur der Junge brachte es fertig, von Zeit zu Zeit so etwas wie den Ansatz eines Lächelns auf die Maske zu bringen, die Aya sein Gesicht nannte, was heißen sollte, er brachte die starren Mundwinkel zum Zucken, aber das war schon mehr als Ken sonst jemals mitbekommen hätte.
 

Und das zerbrechliche Band zwischen den beiden wäre beinahe zerrissen, als herauskam, dass Omi in Wirklichkeit ein Takatori war.
 

Nachdenklich verschränkte Ken die Arme hinter seinem Kopf. Er hatte Aya noch niemals so ausrasten sehen, nicht einmal damals nach der Sache mit dem menschlichen Schach, als er Takatori und Oracle das erste Mal begegnet war. Aber der Braunhaarige hatte nicht den Eindruck gehabt, dass es Wut auf ihr Chibi gewesen war, vielmehr hilfloser Zorn über die Ungerechtigkeit, die sie alle wieder einmal eingeholt hatte.
 

Er rollte sich auf den Bauch und stützte den Kopf auf die Unterarme. In der Tat, ihr Leader war ein völlig unberechenbarer, undurchsichtiger Mensch. Perfekt und doch völlig unvollkommen. Verwirrt rieb der junge Mann sich über die Augen. Davon bekam man ja Kopfschmerzen, von so vielen Widersprüchen auf einem Haufen.
 

Aber wo er gerade bei Widersprüchen war, so wie Oracle sich heute Morgen benommen hatte, war der auch eindeutig nicht ganz klar gewesen. Der Schwarzhaarige war doch mindestens genauso fehlerlos wie sein weißes Gegenstück, wenn nicht noch mehr. Und hätte man jemals gehört, dass sich so jemand hilflos zwischen Regalreihen wieder fand? Er könnte sich auch nicht daran erinnern, dass Aya jemals Schwierigkeiten beim einkaufen gehabt hätte und wenn, dann nicht in seiner Gegenwart.
 

Er schloss seine Augen und beschloss, die ganze Sache erst einmal auf sich beruhen zu lassen und auch seinem Team nichts davon zu erzählen, dass er mit Schwarz bei einem Kaffee gesessen hatte, die brachten es fertig und ließen ihn einweisen oder so was. Er verstand sich ja noch nicht mal selbst, was ihm wohl am meisten zu schaffen machte.
 

Es wurmte ihn schon, dass der niedliche Schwarzhaarige, der ihm zuvor so gut gefallen hatte, ausgerechnet Oracle alias Crawford sein musste. Und der Name war doch bescheuert, selbst für einen Ausländer! Konnte man doch gar nicht richtig aussprechen.
 

Ken seufzte leise und zwang seinen Körper, sich zu entspannen, verbot seinen Gedanken einfach, sich weiter im Kreis zu drehen und Fangen zu spielen, das führte doch sowieso zu nichts.
 

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In der Küche werkelte ein blonder Junge summend vor sich hin. Ähnlich wie Ken im Obergeschoß machte sich auch Omi Gedanken um Aya. Er wollte seinem Leader so gerne helfen, doch jedes Mal, wenn er versuchte, dem Anderen einen Schritt näher zu kommen, zog sich dieser zurück.
 

Zuerst hatte er die Befürchtung gehabt, es könnte vielleicht an seiner Herkunft liegen, doch dann hatte er begriffen, dass es einfach nur der Schutzmechanismus des Rothaarigen war, sich vor allem und jedem zu verschließen. Es stimmte den Jüngstens des Teams traurig, denn manchmal konnte er die Einsamkeit in den Augen seines Anführers sehen, auch wenn das nur flüchtige Momente waren.
 

In letzter Zeit verschwand der Ältere immer öfter nachmittags für ein paar Stunden und von Ken wusste er, dass das vormittags nicht anders war. Früher war das nur sehr selten passiert, Aya nahm den Job im Blumenladen viel zu wichtig, um sich freizunehmen. Es musste also irgendetwas wichtiges sein, dass ihn vom Koneko wegholte, etwas, dass über sein Pflichtgefühl ihrem Team und ihrer Arbeit ging und Omi konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, was das sein sollte.
 

Er hatte noch nie erlebt, dass der Rotschopf unzuverlässig gewesen wäre, sah man einmal von Missionen ab, in denen Takatori irgendwo auftauchte, da sah der Andere einfach nur noch rot und nichts außer seinem Feind existierte mehr. Keiner von ihnen wusste warum, aber Ayas Hass auf den Mann schien ins unermessliche zu gehen.
 

Vielleicht hingen sein zeitweiliges Verschwinden und diese Wut auf Omis Blutsverwandten ja irgendwie zusammen? Der kleine Hacker dachte nicht gerne in diesem Zusammenhang an Reiji, aber er konnte ja auch nicht leugnen, dass eine Verbindung zwischen ihnen bestand, dass würde bedeuten, sich selbst zu belügen, was er ohnehin schon viel zu oft tat.
 

Einmal abgesehen von seinen ständigen Befürchtungen, Aya konnte sich doch noch abwenden und ihr Team verlassen, erfüllte auch ihn eine tiefe Abneigung gegen den Feind, der es fertig gebracht hatte, ein Kind, dass ihn für seinen Vater hielt, im Stich zu lassen.
 

Und Omi machte sich nichts vor, ohne ihren Leader würde ihr Team lange nicht so gut funktionieren, vielleicht sogar ganz auseinander brechen. Yohji war ein guter Kämpfer, aber für einen Anführer war sein Ego einfach zu groß und er besaß weder die nötige Weitsicht, noch den Willen, die Verantwortung für seine Kollegen zu übernehmen. Mit Ken war es ähnlich. Wenn bei diesem der Hitzkopf durchkam, was eher oft als selten passierte, nahm er nichts mehr um sich herum wahr, am allerwenigstens Gefahr. Und er war viel zu vertrauensselig, was einfach zu viele Menschen auszunutzen wussten. Er selbst war ein guter Hacker und konnte besser organisieren als die meisten, aber die Älteren sahen in ihm oft noch ein unschuldiges Kind, niemanden, auf den sie auf Dauer hören würden, dessen Befehle sie ohne Widerspruch entgegennahmen.
 

Nein, ohne Aya wäre sie nicht überlebensfähig, könnten sie ihre Aufträge nicht mit solcher Präzision ausführen. Der Rothaarige behielt in der Mehrzahl der Fälle einen absolut kühlen Kopf, achtete selbst im hitzigsten Gefecht noch auf die Sicherheit seiner Kollegen, mehr als auf seine eigene, wenn man es genau betrachtete. Er war ein guter Stratege und ein ruhiges Zentrum, auf das man sich verlassen konnte, dass einem selbst in schwierigen Situationen Halt gab.
 

Umso mehr machte sich Omi nun Sorgen um ihren Anführer. Nicht, dass dieser sich großartig verändert hätte, das nicht, aber allein seine Einmischung in das Gespräch vorhin, dass er freiwillig Partei ergriffen hatte, war schon etwas Besonderes. Vielleicht taute er ja doch nach zwei Jahren der gemeinsamen Arbeit, des gemeinsamen Lebens langsam auf? Wünschenswert wäre es ja wirklich, wenn auch ein ungewohnter Gedanke. Sie alle hatten sich schon fast an das kühle Verhalten gewöhnt, selbst Yohji, der sich immer noch regelmäßig und völlig erfolglos deswegen aufregte.
 

Sie schätzten es wohl alle, eine gewisse Normalität im Hinterkopf haben zu dürfen, denn genau dass verstand Aya zu vermitteln, wenn er Omi morgens sein Schulbrot schmierte, ihn zur Schule fuhr, das Haus putzte, das Essen kochte, Yohji aus dem Bett schmiss, im Laden für Ordnung sorgte und abends bei ihnen mit einem Buch in seinem Sessel saß. Er war etwas, von dem man ausgehen konnte, dass es immer da war, etwas, auf das man sich verlassen konnte.
 

Und das machte Omi am allermeisten Angst, dass es vielleicht irgendwas im Leben seines Leaders geben könnte, das genau dieses Gefühl der Sicherheit raubte, die Illusion, in der sie lebten, zerstörte und das letzte bisschen Menschlichkeit, das sie sich bewahrt hatten, gleich noch mitnahm. Ohne diese wären sie wohl nicht besser als die, denen sie nachts nachjagten und die sie zur Strecke brachten.
 

Die Hände des Weiß hatten während seiner Grübeleien fleißig gearbeitet und fast automatisch, schließlich hatte er auch schon oft genug Geschirr gespült, sonderlich anspruchsvoll war das ja auch nicht. Er riss sich selbst aus seinen Gedanken und verräumte alles ordentlich, damit Aya nachher, wenn er wieder zu Hause war, nichts zu beanstanden hatte.
 

Er wollte eben ins Wohnzimmer gehen, um noch etwas fernzusehen, als im Flur das Telefon klingelte. Wer war denn das um diese Zeit? Die Leute aus seiner Schule wussten, dass er nachmittags arbeiten musste, Yohjis Weiber riefen immer erst gegen Abend an und Ken hatte heute auch kein Fußball. Schulternzuckend machte er kehrt und eilte an der Apparat.
 

Höflich meldete er sich mit seinem Namen und war nicht wenig erstaunt, als er die ruhige Stimme seines Leaders am anderen Ende vernahm. Dieser teilte ihm mit, dass sie heute ohne ihn auskommen mussten und legte wieder auf. Nicht mehr und nicht weniger. Keine Angabe, wo er war, wann er wiederkommen würde oder etwas in der Richtung.
 

Ok, für den Notfall hatte er sicher sein Handy, oder doch zumindest seinen Pieper an und zum Abendessen würde er wohl wieder da sein, schon aus Angst, was mit seiner Küche passierte, wenn der Fußballer oder der Playboy Hunger bekamen und eventuell kochen wollten. Aber trotzdem machte es Omi noch nachdenklicher.
 

Er legte den Hörer zurück und verzog sich nun wirklich ins Wohnzimmer, schaltete den Flimmerkasten an und zappte durch die Programme. Ab und an blieb er irgendwo hängen, ohne recht zu wissen warum, denn er war wieder tief in Grübeln versunken, ohne dass er viel von dem Geschehen der diversen Soaps, Talkshows oder Filmen mitbekommen hätte, die um diese Uhrzeit liefen.
 

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Am anderen Ende der Stadt klappte ein junger Mann gerade sein Mobiltelefon zu, das er eben ausgeschaltet hatte und betrat das Gebäude, vor dem er gerade eingetroffen war. Er würde heute Nachtmittag keine Schicht übernehmen, er würde heute Nachmittag gar nichts mehr tun.
 

Mit ruhigen, gemessenen Schritten durchquerte er die große Eingangshalle, die voller Grünpflanzen stand, drückte den Knopf und wartete geduldig auf das Eintreffen der Kabine. Er grüßte einige vorbeigehende Frauen in weißer Uniform, die freundlich zurück lächelten. Man kannte ihn hier.
 

Die silbermetallenen Türhälften öffneten sich lautlos und gaben den Weg zu dem kleinen Raum frei. Der Mann trat ein und tippte kurz auf eine der Tasten. Ohne ein Geräusch schloss der Eingang sich wieder und der Lift setzte sich in Bewegung.
 

Wenig später hallten leise Schritte über den menschenleeren Gang des obersten Stockwerks. Er kannte den Weg, würde ihn selbst noch mit verbundenen Augen finden, so oft war er ihn gegangen. Normalerweise brachte er immer etwas mit, meistens Blumen, doch heute kam er mit leeren Händen. Sie würde es ihm sicher nachsehen, sie kannte ihn ja lange genug.
 

Ohne, dass er jemandem begegnet wäre, blieb er vor einer der unzähligen Tür stehen. Obwohl er wusste, dass es absolut sinnlos war, klopfte er kurz an das lackierte Holz, wartete einen Moment und trat dann erst ein. Stille empfing ihn, noch bedrückender als zuvor, fast tödliche Ruhe, die nur gelegentlich von einem maschinellen Zischen oder Piepsen durchbrochen wurde.
 

Er schloss die Tür lautlos hinter sich, trat langsam näher und setzte sich auf das Bettgestell, dass unter seinem Gewicht leicht nachgab. Mit zitternden Fingern strich er ihr eine braune Haarsträhne aus dem Gesicht und zwang sich zum Lächeln. Sie sollte ihn nicht traurig sehen, sie sollte nicht wissen, was aus ihm geworden war. Sie sollte ihn so in Erinnerung behalten, wie er früher gewesen war... früher... bevor...
 

Er schluckte leicht und eine einzelne Träne löste sich aus seinem linken Augenwinkel, eine Träne, die er beim besten Willen nicht zurückhalten konnte, so sehr er sich auch anstrengte. Hastig und verstohlen wischte er sie weg.

Sie sollte ihn nicht weinen sehen, er hatte niemals vor ihr geweint.
 

Es kostete ihn fast seine gesamte Kraft und Beherrschung, seine Gefühle zurückzudrängen. Erst nach einer ganzen Weile traute er seiner Stimme wieder so weit, dass er sich zu sprechen traute.
 

"Hallo, Aya-chan..."

Zuhause ist es doch am schönsten... oder?

Autor: CatherineMiller

Titel: Bittersweet Feelings

Fandom: Weiß Kreuz

Kapitel: Zuhause ist es doch am schönsten.... oder?

Teil: 7/?

Pairings: RanxNagi; BradxKen; SchuldigxYohjixSchuldig; FarfxOmi

Warnungen: keine

Danksagung: Vielen Dank an mein Betas emilyheart (kei83) und Corrychan, die sich fleißig durch meine tausend Tippfehler mühen!

Sonstiges: Einfach nur ein bisschen Gedankenspielereien, ohne großartige Handlung, ein paar Basics ^^ Ich hoffe es gefällt trotzdem, wenn nicht, das nächste Kapitel hat wieder mehr Aktion! ^^"
 


 

Brads Abgang aus dem Supermarkt war wesentlich weniger überhastet. Er bezahlte, stand dann auf und schob den vollbepackten Wagen zum Ausgang, lud alles in seinen Mercedes, brachte das Drahtgefährt in seine Unterkunft und stieg in sein Auto, alles, ohne sich sonderlich zu beeilen. Er hatte noch Zeit und Farf erwartete ihn sicher nicht früher zurück als sonst, der würde schon was finden, was sich kochen ließ.
 

Er stieg ein und beobachtete einen Moment die Grüppchen von Menschen, die zusammenstanden und heftig über einen üblen Rowdy diskutierten, der eben über den Parkplatz gefegt war. Nur mit Mühe konnte der Schwarz ein fettes Grinsen unterdrücken, denn er wusste doch ziemlich genau, WER sich da so übel benommen hatte, oder konnte es sich zumindest sehr gut vorstellen, wozu ja auch nicht viel gehörte, das konnte man wohl selbst ohne seine Gabe.
 

Kopfschüttelnd, dass sich die Leute noch nicht mal eine einfache Autonummer merken konnten, lenkte er seinen Wagen in Richtung Heimat. Ihr irisches Hausmütterchen würde Augen machen, dass er diesmal alles vollständig, heil und ganz anbrachte und nicht noch mal losfahren musste wie sonst fast immer. Und Nagi dürfte auch bald wieder da sein.
 

Seine Stirn runzelte sich etwas. Der Kleine hatte partout nicht damit rausrücken wollen, warum er so unbedingt die Klasse wechseln wollte, nicht mit aller Überredungskunst, noch nicht einmal mit Drohungen hatte er ausgepackt. Und er hatte es anscheinend inzwischen ziemlich gut heraus, Schuldig zu blocken, denn nachdem er einmal den Telepathen auf den Jungen angesetzt hatte, weigerte sich dieser standhaft, es ein zweites Mal zu versuchen.
 

Ein zufriedenes Lächeln umspielte trotz allem Brads Lippen. Er war stolz auf Nagi, denn dieser lernte wirklich schnell. Nur seine Schulnoten ließen ab und zu wirklich zu wünschen übrig, vor allem in Sport, Musik und Kunst. nicht, dass das wichtige Fächer wären, aber es machte einfach kein gutes Bild und außerdem konnte man ja auch wegen diesen Nebensächlichkeiten durchfallen. Hoffentlich besserte sich das mit dem Klassenwechsel, wäre ja möglich, dass es ganz einfach am Umfeld lag, oder dass der Kleine nicht genug gefordert war.
 

Der Leader hatte diese Einrichtung gewählt, nachdem sie nach Tokyo gezogen waren, weil es ganz einfach die Beste war, die es gab und er eigentlich gedacht hatte, seinem Schützling hier die Bestmögliche Ausbildung angedeihen lassen zu können. Denn irgendwann würde Takatori wohl einem Mächtigeren auf die Füße treten, so wie der sich benahm und dann war es ganz schnell aus mit ihrer sicheren Geldquelle.
 

Ok, er selbst hatte seine Unternehmen, die ihm ein angenehmes Leben ermöglichen würden, Schuldig konnte sich ohne Probleme mit seiner Gabe durchschlagen und Farf würde zur Not in einer Irrenanstalt ohne Probleme unterkommen, aber ihr Jüngster würde ohne vernünftigen Schulabschluss auf der Straße stehen ewig konnte er ja auch nicht bei Brad bleiben, zumal er sich kein bisschen für dessen Geschäfte interessierte.
 

Nachdenklich rückte der Schwarzhaarige seine Brille zurecht und bog von der Hauptstraße des Viertels ab, in dem ihre Villa stand. Er machte sich Sorgen um ihren Kleinen, keine Frage, sogar mehr, als es gut für ihn war. Er sollte sich nicht an ein Kind hängen, schon gar nicht an eins, das morgen sterben konnte, trotz seiner starken, übernatürlichen Fähigkeiten. Aber er hatte den Jungen aufgelesen, es war nun an ihm, für ihn zu sorgen, sich um ihn zu kümmern. Er konnte nur hoffen, dass er ein einigermaßen gutes Vorbild war, aber da hatte er eigentlich keine sonderlich großen Bedenken.
 

Das größte Bemuttern übernahm ja ohnehin Farf, erstaunlicherweise, wie er selbst zugeben musste. Der Ire war so ziemlich der Einzige, der ihn doch immer wieder regelmäßig überraschen konnte, und das obwohl er es inzwischen wirklich gewöhnt sein sollte. Vielleicht lag es einfach am unberechenbaren Naturell des Weißhaarigen, wer wusste das schon? Nicht mal Schuldig konnte das mit Sicherheit sagen, zu groß war für ihn die Gefahr, nicht mehr herauszukommen, wenn er sich einmal wirklich im Geist des Irren befand. Das hatten Verrückte wohl so an sich.
 

Er verdrängte die Gedanken rasch und parkte den Mercedes präzise in der dafür vorgesehenen Parkbucht in der Hofeinfahrt. Er lud zunächst alle Tüten aus, schloss dann den Wagen gewissenhaft ab, bevor er sie zur Tür transportierte und diese aufschloss.
 

Einen Blick in die Zukunft zu werfen, das sparte er sich, war nur unnütze Energieverschwendung, denn immerhin würde Farf in der Vision vorkommen und das war ein Unsicherheitsfaktor, der alle Planung über den Haufen warf.
 

Und wenn man schon vom Teufel sprach, beziehungsweise dachte, kam er auch schon aus der Küche. Musternd lief der Blick aus dem goldenen Auge über Brad und die Einkäufe. Dann verschwand er wieder in seinem Reich. Daran, seinem Leader vielleicht beim tragen zu helfen, dachte er keine Sekunde lang, warum auch, der war ja schließlich groß genug.
 

Brad schnaubte nur und brachte dann die Plastiktüten in die große Küche, stellte sie dort auf den Tisch, der noch nicht zum Essen gedeckt worden war. Farf legte den Kochlöffel beiseite, mit dem er gerade in einem der Töpfe auf dem Herd gerührt hatte und machte sich ans Auspacken. Schon nach wenigen Handgriffen richtete er sich wieder auf und fixierte den Schwarzhaarigen mit einem Gesichtsausdruck, den man nur als ungläubig bezeichnen konnte.
 

Er räumte alles aus, betrachtete alle Packungen genau, untersuchte sie auf Beschädigungen und fand absolut nicht. Alles war ganz, nichts fehlte. Sein Blick wechselte von Ungläubigkeit zu abgrundtiefen Misstrauen.
 

Brads Augenbrauen wanderten nach oben. "Ist was?", knurrte er, nicht gerade gut gelaunt. Er erwartete ja keine Freudensprünge, aber doch wenigstens etwas Anerkennung, wo er doch insgeheim auf sich so stolz war. "Stimmt was nicht?" Wehe, der Irre sagte jetzt was Falsches! Er hatte alles so gemacht, wie es aufgeschrieben worden war und wenn was fehlte, dann war es nicht seine Schuld. Er konnte zwar hellsehen aber so gut dann doch wieder nicht.
 

Farfarello besah sich das ganze noch mal, trippelte dann zwei Schritte auf seinen Anführer zu, und starrte ihm misstrauisch in die Augen, bevor er langsam nickte. "Ja. Es ist alles da." Er ließ sich sogar dazu hinreißen, einen Satz zu bilden, der mehr als zwei Wörter besaß und dazu noch absolut verständlich war, an sich schon ein kleines Wunder und mehr als alles andere Ausdruck seiner Verblüffung, die man ihm sonst nicht ansah.
 

Brad grollte nur. "Na und? Was dagegen?" Das war doch die Höhe! Da gab er sich mal extra Mühe, ließ sich von einem Weiß helfen, warf seine ganze Würde über Bord, nur damit der Irre zufrieden war und was machte der Kerl? Beschwerte sich noch! "Wenn das alles ist, ich bin in meinem Büro." Er musste dringend das Telefonkabel auswechseln, dass Farf am morgen durch seinen Messerwurf ruiniert hatte, sonst war er ja von der Außenwelt abgeschnitten.
 

Und Takatori wäre wohl auch nicht begeistert, wenn er seinen Lieblings Bodyguard nicht erreichte. Es war schon fast lächerlich, für welche Anlässe sie in letzter Zeit gerufen wurden. Herrgott, sie waren Elitekiller mit übernatürlichen Fähigkeiten, so gut wie unbesiegbar und keine Kindermädchen. Doch genau dafür schien ihr Boss sie zu halten.
 

Zuletzt waren sie auf den Geburtstag seiner jüngsten unehelichen Tochter geschickt worden. Was bitte sollten sie da? Ihn vor den Attacken von Sechsjährigen beschützen? Geworfene Mohrenköpfe abwehren? Ihm die Serviette reichen, wenn er sich schmutzig gemacht hatte? So war es dem ganzen Team jedenfalls vorgekommen. Ok, sie wurden dafür bezahlt und das nicht zu knapp, aber man konnte ja bekanntlich alles übertreiben.
 

Er hegte in den letzten Monaten immer mehr den Verdacht, dass ihr Auftraggeber nach und nach seinen Verstand einbüßte. Er tat völlig sinnlose Dinge, ließ grundlos Mitarbeiter eliminieren, die keinerlei Gefahr darstellten und widmete sich irgendwelchen dubiosen Experimenten. Eigentlich passte das gar nicht zu dem kühl-analytischen Geist, den er früher einmal besessen hatte.
 

Seufzend ließ Brad sich in seinen bequemen Bürosessel fallen und stützte für einen Moment den Kopf auf den Armen auf. Es lief überhaupt nicht so, wie es laufen sollte und es gefiel ihm überhaupt nicht, dass seine Gabe ihn in dieser Hinsicht so schmählich im Stich ließ. Wenn er versuchte, etwas über ihre Zukunft als Takatoris Handlanger herauszufinden, bekam er jedes verdammte Mal nur verschwommene Bilder und Migräne, die sich gewaschen hatte. Also ließ er es bleiben, was ihn noch nervöser machte. Er hasste es, nicht zu wissen, was als nächstes passieren würde, seinem Schicksal sozusagen ausgeliefert zu sein, wie jeder normale Mensch. Er war nun mal nicht normal und das war auch gut so!
 

Mit finsterem Blick bedachte er die gekappte Telefonschnur, als wäre sie der Verursacher aller Probleme. Eine schöne Vorstellung, brachte nur leider nichts. Also erhob sich der Leader seufzend wieder und ging zum Schrank. Zugegeben, er hatte gewusst, dass so etwas passieren würde und sich vorsorglich einen Vorrat an Telefonen und anderen unentbehrlichen, technischen Geräten zugelegt, aber ärgerlich war es trotzdem.
 

Seine Laune hob sich auch nicht, als er das Telefon auswechselte und testete, ob es funktionierte, was es zum Glück tat. Ein weiteres Problem hätte er im Moment nicht verkraftet, er war ja schließlich auch nur ein Mensch. Also hängte er sich hinter die Strippe und kontrollierte nebenbei seine Emails. und da sollte noch mal jemand sagen, dass Männer nicht mehr als eine Sache auf einmal machen konnten!
 

Er hatte gerade wieder eingehängt und machte sich daran, die aktuellen Aufträge zu sortieren, als unten die Haustür mit einem gewaltigen Donnerschlag in Schloss fiel. Oh Oh, da hatte aber jemand gewaltig schlechte Laune!
 

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Nagis Stimmung senkte sich zum Nullpunkt. Nicht nur, dass er heute morgen hatte laufen müssen, weil Brad sich verkrochen hatte und der Bus schon wieder längst weg war, als er zur Haltstelle kam, nein er musste einen weiteren Vormittag mit diesen Dumpfbacken und verzogenen Rotzgören und Bonzenkindern verschwenden, in deren Matschgehirne der Schulstoff sowieso nie reinpassen würde!
 

Das Problem war nur, dass die meisten dieser Schwachköpfe ziemlich groß, ziemlich muskelbepackt und ziemlich gemein waren und er seine Kräfte nicht einsetzen durfte. Das war eine der Lektionen, die ihm Brad als aller erstes eingehämmert hatte, obwohl es dessen eigentlich kaum bedurft hätte. Er wusste ganz genau, wie normale Menschen auf seine Gabe reagierten, nur zu gut.
 

Deswegen war es nicht verwunderlich, dass er sich nicht hatte wehren können, als sie ihn nach Schulschluss vor dem Tor abpassten. Wieder einmal. Bis jetzt hatte er es ganz gut geschafft, die blauen Flecken zu verbergen, zumal die Schläger ja darauf achteten, nicht allzu offensichtliche Verletzungen zu hinterlassen.
 

So war er auch diesmal mit ein paar Prellungen und einem eingerissenen Ärmel davongekommen. Und nun war er wütend, aber so richtig. Wütend auf die Kerle, auf sich selber, auf die ganze beschissene Schule! Er war nur froh, dass er Brad endlich dazu gekriegt hatte, die Klasse wechseln zu dürfen. Nicht, dass es da etwa keine solche Typen gab, aber dort gab es auch mehr Kleine und Schwache und er würde leichter untertauchen können in der Masse. Und die meisten waren zudem genauso intelligent wie er und somit würde er noch weniger auffallen und sich vielleicht nicht mehr gar so sehr langweilen.
 

Im Grunde interessierte er sich nicht für seine Mitmenschen, die würden sowieso nichts mehr mit ihm zu tun haben wollen, wenn sie um sein Geheimnis wusste, würden sich von ihm abwenden, ihn anspucken und Monster nennen. Da war es doch besser, erst gar keine Beziehungen aufzubauen. Ihm reichte es ja schon, wenn sie ihn in ruhe ließen.
 

Er fand die schule generell sinnlos. Das meiste, was die Lehrer verzapften wusste er ohnehin schon und dass, was er nicht wusste, interessierte ihn nicht. Aber in dieser Hinsicht verstand sein Leader keinen Spaß, obwohl es ein leichtes gewesen wäre, ihn einfach ein paar Jahre älter zu machen und ihn damit von der Schulpflicht zu entbinden. Aber nein, er musste da Tag für Tag wieder hin, welche Zeitverschwendung!
 

Im Prinzip hätte er ja auch ohne Probleme jetzt schon seinen Schulabschluss machen können, den Stoff beherrschte er jedenfalls, aber das würde zu viel Aufmerksamkeit auf sie lenken, bla bla bla, die Sätze kannte er mittlerweile auswendig rückwärts, so oft musste er sie sich anhören. Also musste er eben weiterhin so tun, als wäre er nur ein bisschen schlauer als alle Anderen.
 

Sein Gemüt hatte sich noch immer nicht beruhigt, als er die Einfahrt zu ihrer großen Villa hoch stapfte und schließlich die Haustür aufschloss. Er konnte sich nur mit Mühe beherrschen, sie nicht einfach aus den Angeln zu fetzen, aber das hatte letztes Mal gewaltigen Ärger und Internetverbot gegeben, nicht wegen der kaputten Tür, sondern weil diese im Flug eine von Brads Lieblingskommoden erwischt und komplett zertrümmert hatte. Was stand das blöde Ding auch mitten im Flur an seinem Platz im Weg herum?
 

Also begnügte er sich damit, das schwere Holz zurück in seine vorige Lage zu donnern. Hach, welch eine Befriedigung! Die Fensterscheiben klirrten leise und die Luft schien zu knistern. Wenn er so wütend war, wie jetzt gerade, hatte er Mühe, seine Kräfte zu zügeln und nicht selten ging dabei etwas, meist unabsichtlich zu Bruch. Doch dieses Mal blieb alles heil, auch wenn seine Haare noch unordentlicher lagen als sonst.
 

Wo war Schuldig? Der Deutsche war genau der Prellbock, den er jetzt brauchte! Mit seinem dummen Geschwätz lieferte der immer einen Grund, ihn an die nächste Wand zu pinnen und dort ein wenig zappeln zu lassen. Doch keine einzige orangefarbene Haarsträhne ließ sich blicken. Wie schade. Da brauchte man ihn einmal und dann war die Nervensäge nicht da.
 

Der Junge feuerte seine Schultasche in eine Ecke und schickte ihr einen tödlichen Blick hinterher. Das Ding war ohnehin leer, da er heute schon alle Bücher abgegeben hatte. Er hatte sich nicht verabschiedet, von wem auch? Ein paar der Lehrer würde er ohnehin wiedersehen und die Widerlinge aus seiner ehemaligen Klasse konnten seinetwegen verrecken.
 

Seine Wut legte sich ein klein wenig und die Fenster hörten auf, wie wild hin und her zu schwingen. Er wollte auch keinen Rüffel von Brad riskieren, denn so etwas sah man bestimmt von außen.
 

Also marschierte er schnurstracks in die Küche, aus der es schon verführerisch nach essen duftete. Das war jetzt genau das, was er brauchte, ein wenig Ruhe und ein Stück Schokolade, um sich wieder zu beruhigen. Zum Glück bekam er solche Wutanfälle nicht besonders oft, aber wenn, dann eben richtig.
 

Er nickte Farfarello grüßend zu und ließ sich dann auf seinen Platz sinken. Der Tisch war inzwischen gedeckt, allerdings nur für drei Personen. Also war Schuldig wirklich nicht da. Seufzend rieb er sich über die Schläfen und erinnerte dabei ganz stark an Crawford, wenn dieser sich über etwas aufregte, es aber nicht zeigen wollte. Immerhin hatte er seine Gesichtszüge wieder im Griff.
 

Farfarello beobachtete seinen kleinen Chibi eine ganze Weile, bevor er schließlich zum Kühlschrank ging und ein Stück von der Tafel Schokolade abbrach, die im obersten Fach lag. Er wusste schon, was er dem Kleinen am besten Gutes tun konnte. Ohne ein Wort legte er die Nascherei auf den Tisch und streichelte kurz über die verwuschelten, braunen Haare, mehr nicht.
 

Aber mehr war auch gar nicht nötig. Nagi sah kurz hoch und seine Mundwinkel zogen sich ein klein wenig nach oben, während er nach der Schokolade griff und sie langsam verspeiste. Wie immer war der Ire mit seiner schweigsamen Art und der Ruhe, die von ihm ausging, die beste Medizin für ihn. Brad redete zwar auch nie viel, aber Farf war doch irgendwie anders. Nicht so autoritär und Respekt gebietend.
 

Der Junge zog ein Bein auf den Stuhl und legte seine Stirn darauf, schloss für einen Moment die Augen, während er das süße Zeug auf seiner Zunge zergehen ließ. Nach und nach wich die Anspannung wieder aus seinem Körper und sein Herzschlag normalisierte sich ebenfalls.
 

Farf lächelte nur stumm und mit unbewegtem Gesicht in sich hinein, rührte in seinen Töpfen, schmeckte hier und da noch etwas ab und nickte schließlich. Das war gut genug für die Bande, wie er befand. Er füllte das Essen in Schüsseln und stellte es auf den Tisch, nachdem er einen kleinen Knopf neben dem Telefon betätigt hatte.
 

Das war eine Anschaffung gewesen, auf die er bestanden hatte, als er die Küche übernommen hatte: ein Signalgeber in alle Zimmer. Er hatte keine Lust, jedes mal hinter allen herzutelefonieren oder durchs Haus zu schreien, wenn er fertig war, er schrie niemals. Also hatte er eine Leitung in jedes Zimmer legen lassen, verbunden mit einem kleinen Lautsprecher. Er musste nur noch das praktische Knöpfchen drückten und ein Ton hallte durchs ganze Haus, rief die Anderen, in diesem Fall Brad, herunter in sein Reich.
 

Keine zehn Sekunden später ging oben eine Tür und leise Schritte auf der Treppe zeigten, dass Brad auf den Ruf reagiert hatte. Der weißhaarige konnte sich nur mit Mühe beherrschen, nicht breit zu grinsen. Oh ja, er hatte seine Kollegen und seinen Leader schon wirklich gut im Griff, wenn es ums Essen ging.
 

Besagter Anführer tauchte in diesem Moment in der Küche auf und setzte sich wortlos an den Tisch. Nagi bekam ein Nicken zur Begrüßung und Farf einen kühlen Blick. Das Essen wurde da schon interessierter gemustert. Sah gut aus, aber selbst wenn nicht, würde er das nie laut sagen, er hing an seinem Haussegen und war froh, wenn der nicht schief hing.
 

Auch der Koch legte seine Schürze ab und setzte sich zu den beiden Anderen. Brad als Oberhaupt nahm sich als erstes und war froh, dass Schuldig nicht da war, dem er regelmäßig auf die Finger hauen musste, weil der Deutsche zu gierig war und nichts mehr übrig blieb, wenn er einmal den Löffel in den Schüsseln hatte.
 

Nagi bekam als nächstes, auch wenn er nicht viel aß und Farf machte den Abschluss, wie immer. Es war noch mehr als genug da, immerhin saß der Verfressendste ja nicht mit am Tisch. Schweigend begannen die drei zu essen und genossen, jeder für sich, die Stille. Das musste man doch ausnutzen, wenn der Orangehaarige mal nicht da war, denn normalerweise plapperte der die ganze Mahlzeit sinnloses Zeug, wurde von zwei Augenpaaren mit Blicken aufgespießt. Nur den Irren schien die Nervensäge nicht zu interessieren, er ignorierte ihn einfach.
 

Als sein Teller fast leer war, hob Brad den Blick wieder und musterte seinen Schützling. "Wie war die Schule?" Er klang kühl wie immer, aber wenigstens interessiert und nicht so, als wäre es unwichtig für ihn.
 

Für einen winzig kleinen Moment fing der Tisch an zu wackeln, bevor sich Nagi wieder unter Kontrolle hatte und das Bein zurückzog, als wäre er nur damit angestoßen. "Gut." Was sollte er denn sagen? Hey, Brad, hör mal zu, das sind so ein paar Idioten, die mich jedes Mal in die Mangel nehmen, wenn ich nicht schnell genug bin? Oh, er konnte sich schon lebhaft vorstellen, was das für eine Reaktion hervorrufen würde!
 

Der Amerikaner würde die Augenbrauen zusammenziehen, bevor seine Stirn sich runzelte. Dann würde er seine Brille zurechtrücken und einen Blick mit Farf wechseln, der in der Zwischenzeit schon seinen Dolch aus der Halterung an seiner Wade gekramt hätte. Und dann würde er fragen: kennst du die näher? Na ja und dann würde man am Morgen in der Zeitung etwas von unidentifizierbaren Leichen in der Müllverbrennungs- oder der Kläranlage lesen können.
 

Seufzend stocherte er in den Resten auf seinem Teller herum und wich dem forschenden Blick seines Leaders aus. "Wirklich?" Nagi nickte nur, was sollte er auch sonst tun? Ok, er könnte vielleicht Schu bitten, die Typen so zu manipulieren, dass sie ihn einfach vergaßen oder so, aber dann würde sein Anführer es auf jeden Fall erfahren.
 

Eine andere Möglichkeit wäre, dass Brad ihn für unfähig hielt, sich selbst zu verteidigen und dass wollte er eben sowenig. Crawford sollte stolz auf ihn sein und sich nicht noch um ihn Sorgen machen müssen, er hatte ja so schon genug am Hals.
 

"Freust du dich auf die neuen Klasse?" Verwundert hob der Junge nun doch den Blick. War Brad irgendwo gegengelaufen oder warum stellte er so viele Fragen? Normalerweise gab er sich doch nach dem 'gut' zufrieden und ließ ihn in Ruhe. Was sollte das also?
 

"Na ja wird wohl interessanter werden, weil sie da anspruchsvolleren Stoff haben...", versuchte er geschickt zu umschreiben, dass es ihm eigentlich reichlich egal war, Hauptsache er brachte die Schule schnell genug hinter sich. Aber noch mehr Klassen konnte er einfach nicht überspringen, er war ja jetzt schon über zwei Jahre jünger als alle Anderen.
 

Crawford nickte und lehnte sich zurück. "Ich fahr dich morgen früh..."

Fast fühlte Nagi sich versucht, seinem Leader an die Stirn zu fassen, um zu sehen, ob dieser Fieber hatte. Er musste sonst immer betteln, wenn er den Bus verpasste und eine Predigt über Pünktlichkeit und Verpflichtungen auf dem Weg zur Schule über sich ergehen lassen. "Da -danke....", stotterte er deshalb verwirrt und sah zu Farfie hinüber, der ebenfalls den Kopf gehoben hatte, das erste Mal, in ihrem 'Gespräch'.
 

Nachdenklich musterte der Ire den Schwarzhaarigen. Der schaute irritiert zurück und erhob sich dann. "Ich bin die nächsten zwei Stunden unter keinen Umständen zu sprechen...", informierte er sein Team, was praktisch hieß, dass er mit ihrem Boss telefonieren musste. Mitleidige Blicke verfolgten ihn, als er die Küche verließ und nach oben ging.
 

Nagi und Farf sahen sich an und zuckten synchron die Schultern. Vielleicht bekam Brad ja die Grippe, so was sollte ja auch Hellsehern ab und zu passieren. Gemeinsam räumten sie den Tisch ab und spülten das Geschirr. Der Irre rückte sogar noch ein Stück Schokolade für den Teamjüngsten heraus, bevor dieser sich im Wohnzimmer auf die Couch lümmelte und den Fernseher anmachte. Hausaufgaben hatte er ja heute keine.
 

Seine Gedanken schweiften zu seinem Leader im oberen Stockwerk. Er beneidete ihn wirklich nicht, sich andauernd mit Takatori herumschlagen zu müssen. Der Mann war... unheimlich. Außerdem sah er ihn immer so seltsam an, auf eine Art, die ihm einen eisigen Schauer über den Rücken jagte.
 

Brad hatte das anscheinend noch nicht bemerkt, sonst hätte er schon etwas unternommen, oder? Schuldig las niemals die Gedanken des Bosses, er hatte ihm mal erzählt, was darin so vor sich ging und Nagi verstand ihn wirklich. So etwas würde er auch nicht wissen wollen. Nur Farf beobachtete ihren Auftraggeber immer besonders wachsam, vielleicht hatte er es ja mitbekommen.
 

Ein warmes Gefühl breitete sich in dem Jungen aus ob der Fürsorglichkeit des Iren. Dieser würde niemals zulassen, dass ihm etwas passierte. Er gab auf ihn acht, seit er vor ein paar Jahren kurz nach Schuldig zu ihnen gestoßen war, oder besser gesagt, vor ihrer Tür abgeliefert worden war. Brad war ganz schön sauer gewesen und am Anfang hatte er selbst große Angst vor dem Fremden gehabt, der sich so seltsam benahm und nicht selten gewalttätige Anfälle bekam.
 

Er war ihm mindestens genauso unheimlich wie der Orangehaarige Mann, der mit so seltsamem Akzent sprach und dessen Stimme er so oft in seinem Kopf hörte oder fühlte, wie sie in seinen Gedanken wühlte, das unterste zu oberst kehrte. Lange hatte er gebraucht, um den Beiden genauso wie Crawford zu vertrauen, doch inzwischen fühlte er sich zu Hause eigentlich wohl, sicher und beschützt, ein Zustand, der ihm vor seiner Zeit bei Schwarz völlig fremd gewesen war.
 

Sicher, es gab auch Streit und nicht oft bracht Schuldig ihn mit seiner nervigen Art an den Rand seiner Beherrschung, doch im Großen und Ganzen hatte er es wirklich gut getroffen. Wäre da nicht ihr nächtlicher Job gewesen, Nagi hätte sich direkt als glücklich bezeichnen können. Es war nicht so, dass er wirklich Gewissensbisse gehabt hätte, er mochte die Menschen ohnehin nicht, zu viel hatten sie ihm angetan und wenn ihn wirklich Alpträume heimsuchten, verbrachte die Nacht in Brads Bett, der niemals eine Bemerkung darüber verlor, sondern ihn wortlos in die Arme nahm und bei sich schlafen ließ.

War sein Anführer nicht da, so krabbelte er eben zu Farf ins Bett, der hatte auch nie etwas dagegen.
 

Oft wurde er sowieso nicht mitgenommen, nur, wenn das Team wirklich auf seine Fähigkeiten angewiesen war. Crawford sucht meist irgendeine Ausrede, warum er zu Hause bleiben konnte, doch das wenige, was er mitbekam reichte ihm schon. Er wünschte sich, so zu sein, wie die Anderen. Brad, für den Job gleich Job war, Schuldig, der jede Gelegenheit zum spielen nutzte und dem es gefiel, seine Opfer leiden zu sehen und Farf mit seinem Gottestick, der immer für alles, was er tat, eine gute Ausrede hatte, schließlich schmerzte ja so ziemlich alles Gott, was er machte.
 

Seufzend drehte der Junge sich auf den Rücken und starrte blicklos auf de Mattscheibe, über die irgendeine hirnlose Talkshow flimmerte. Er war gespannt, was für einen Auftrag sie wohl als nächstes bekommen würden. Vielleicht wieder so was gefährliches wie der Kindergeburtstag letzte Woche.
 

Nagi wusste schon, warum er diese kleinen Gören hasste. Takatoris uneheliche Tochter war gerade zwölf geworden, schien aber nicht auf diesem Niveau zu sein, denn ihre Freundinnen waren im Schnitt halb so alt gewesen wie die Gastgeberin. Aber vielleicht konnte man jüngere Kinder ja leichter kontrollieren, denn darin stand die Kleine ihrem Erzeuger in nichts nach.
 

Während des gesamten Nachmittags war er durch den riesigen Garten geschleift worden, musste sich bewundern und antatschen lassen wie eins der Ponys, die da ebenfalls waren. Er war sich vorgekommen wie eine Hauptattraktion, hatte aber alles brav mitspielen müssen, schließlich konnte man ja die Tochter des Chefs nicht beleidigen, egal wie hässlich oder penetrant sie war.
 

Brad hatte ein Gesicht gemacht, als hätte er Zahnschmerzen und Schu war alle fünf Minuten aufs Klo verschwunden, nachdem die Bälger angefangen hatten, sich für seine langen, orangeroten Haare zu interessieren und daran herum zu ziehen. Nur Farfie hatte das alles ganz toll gefunden und mit den Gören gespielt, bis sie nach Hause mussten. Es war doch immer wieder erstaunlich, wie friedlich der Ire war, wenn es um Kinder ging.
 

In ganz ruhigem und ernstem Tonfall hatte er ihnen die Bedeutung von Gott und seinem Wirken erklärt, wie man ihn am meisten verletzen konnte und warum, welche Waffen man für welchen Anlass brauchte und wie man sie am effektivsten einsetzte. Die Mädchen waren mit weit aufgerissenen Augen und offenen Mündern im Kreis um den -weißhaarigen gesessen und hatten andächtig und fasziniert gelauscht, bis Takatori schließlich dazwischen gegangen war und sie zu den Ponys getrieben hatte.
 

Nagi grinste in sich hinein bei der Erinnerung und die Vorstellung an die Gesichter der Eltern, wenn die Bälger abends erzählten, was sie alles erlebt hatten. Takatori würde wohl einiges zu erklären haben, sollten es 'normale' Kindern sein, mit denen seine Tochter verkehrte und nicht etwa Yakuza oder dergleichen. Er gönnte es ihm wirklich, der hatte doch nichts anderes verdient.
 

Wenn doch nur Brad endlich einsehen würde, wie sinnlos der Job bei diesem verrückten Ekel war, aber nein, der sah ja nur das Geld, dass sie für die Kinkerlitzchen bekamen und das war immerhin nicht wenig.
 

Immer noch gelangweilt fing der Junge an, durch die Kanäle zu zappen. Nichts, was ihn auch nur irgendwie ansatzweise interessieren würde. Seine Gedanken schweiften wieder ab, diesmal zurück zur Schule. Ein wenig war er ja nun doch gespannt, wie seine neue Klasse sein würde, denn er musst ja immerhin noch etwas Zeit mit ihnen verbringen, auch wenn es nicht mehr sein würde, als es unbedingt nötig war.
 

Natürlich würde er niemals zugeben, dass ihm die Schüler nicht vollkommen egal waren. Die gehässigen Bemerkungen taten weh, so sehr er es auch vor sich selbst und seinen Kollegen leugnete. Er war schon manches Mal neidisch gewesen, wenn er die Jugendlichen auf dem Pausenhof hatte lachen und herumalbern sehen, aber er konnte sich Freunde, oder auch nur Menschen, die ihm irgendwie näher standen, einfach nicht leisten, zu groß war die Gefahr, dass ihre Geheimnisse gelüftet werden würden.
 

Im Übrigen legte er wenig Wert darauf, dass alle erfuhren, dass er mit drei Männern zusammenlebte, mit denen er eigentlich nicht verwandt war, das würde nur noch mehr Gerede und dumme Kommentare geben. Bemerkungen dieser Art musste er sich ohnehin schon zu Hauf anhören, wegen seiner zierlichen Statur, den weichen Gesichtszügen und seiner großen Augen.
 

Er seufzte wieder, und schloss die Augen einen Moment. Manchmal wünschte er sich weg, einfach weit weg, irgendwohin, wo ihn niemand kannte, niemand etwas über ihn wusste. Wo es keine Gemeinheiten gab. Keine Morde. Wo er sich nicht verstecken musste.
 

Ruckartig setzte er sich auf und rieb sich über die geschlossenen Lider um die Bilder zu verdrängen, die in ihm aufstiegen, Bilder eines Hauses mit großem Garten, keine Großstadt weit und breit, nur Wärme und Sonnenlicht. Und keine Einsamkeit.
 

Wütend auf sich selbst schaltete er den Fernseher aus und erhob sich, um die Treppe nach oben zu stapfen, nicht so laut, wie er es gerne würde, er wollte ja schließlich keinen Ärger mit Brad, aber auch nicht so leise, wie es normalerweise seine Art war. Träume blieben Träume und damit basta. Wenn man versuchte, sie wahr zu machen, zerplatzten sie wie Seifenblasen, in die man zu viel Luft geblasen hatte. Man sollte sie nicht zu ernst nehmen, sonst wurde man nur enttäuscht, das hatte er als Kind in bitteren Lektionen lernen müssen, erst von seinen Eltern, dann bei Eszett. Dann lieber gar nicht erst träumen. Wer keine Erwartungen hatte, konnte nicht verletzt werden und Punkt.
 

Leise schloss sich seine Zimmertür hinter ihm. Aus Brads Arbeitszimmer war kein Laut zu vernehmen, was allerdings nicht ungewöhnlich war, da dieses schalldicht isoliert worden war, denn dort drin fanden auch ihre Einsatzbesprechungen statt.
 

Ruhelos marschierte er in seinem Zimmer auf und ab. Er wusste auch nicht, was mit ihm los war, denn normalerweise war er nicht so aufgekratzt. Gut, normalerweise hatte er auch immer etwas zu tun, entweder machte er Hausaufgaben, oder er arbeitete an einer Mission. Hatte er wirklich mal frei, klemmte er sich eben so hinter seinen PC aber darauf hatte er im Moment so gar keine Lust. Ihm war nicht nach stillsitzen.
 

Vielleicht sollte er ein bisschen rausgehen? Machte er ja sonst nie, aber nur hier sitzen oder langweilige Talkshows im Fernsehen verfolgen war ja auch nicht das wahre. Also schnappte er sich eine leichte Windjacke, man wusste ja nie, wie schnell es kalt wurde und machte sich wieder auf den Weg nach unten. Er gab Farf Bescheid, der ihn nur mit einem undeutbaren Blick bedacht, dann aber wortlos nickte und sich wieder dem Buch zuwandte, dass er gerade, am Küchentisch sitzend, gelesen hatte.
 

Das Ding war auffällig dick, aber Nagi hatte auch keine Lust, jetzt danach zu fragen, welches es war. Würde wohl eins über Satanismus oder etwas ähnliches sein. Irgendwas, aus dem man erfahren konnte, wie man Gott am besten verletzte, vermutlich. Von solchen Werken hatte der Ire mehr als genug in seinem Keller stehen, in allen Formen, Farben, Arten und Ausführungen und trotzdem fand er immer mal wieder eins, dass Dinge enthielt, die er noch nicht wusste, aber bei der nächsten Mission ausprobieren konnte.
 

Der Braunhaarige musste ein wenig lächeln, als er die Haustüre hinter sich schloss. Sie waren schon wirklich eine seltsame Familie: ein arbeitswütiges Orakel, ein zurückgebliebener Telepath, ein fürsorglicher Irrer und zu guter Letzt noch er selbst. Ja wirklich, seltsam waren sie.

Immer noch tief in Gedanken, wanderte er langsam ihre Auffahrt, dann ihre Straße hinunter, ziellos, einfach dorthin, wohin ihn seine Füße trugen, gleich wo das sein mochte, er hatte Zeit.

Sport statt Mord

Autor: CatherineMiller

Titel: Bittersweet Feelings

Fandom: Weiß Kreuz

Kapitel: Sport statt Mord

Teil: 8/?

Pairings: RanxNagi; BradxKen; SchuldigxYohjixSchuldig; FarfxOmi

Warnungen: keine

Danksagung: Vielen Dank an mein Betas emilyheart (kei83) und Corrychan, die sich fleißig durch meine tausend Tippfehler mühen!

Sonstiges: Tadaaaaa Aktion! Wie versprochen, es passiert mal wieder was ^^ Ich hoffe wie immer es gefällt XD

Preisfrage: Wer is der mysteriöse Fremde am Schluss? Na? Kommt ihr doch sicher drauf! Tipp: Kein Spanner XDD
 

Und nu noch zu den treuern Leseerchen, die mir immer einen Kommi dalassen *_____*
 

@ElbeKalay Super dass es dir gefallen hat (mir selbst nämlich nicht so^^). Ich freu mich, dass das Kap so rüber gekommen ist, wie ich es geplant habe ^^

@Kayla Gut geraten, aber nein, er trifft nicht auf Ran ^^ Ich hatte es ernsthaft in Erwägung gezogen, es dann aber wieder verworfen, weil der gute Aya noch nicht soweit ist udn wohl eher auf offener Straße Hackfleisch aus dem Schwarz-Chibi machen würde. Deswegen hab ich mir ma den kleinen Hitzkopf als "Treff-Partner" rausgesucht ^^"
 

Ken schreckte aus seinem Dösen auf und warf einen Blick auf die Uhr. Eine halbe Stunde war vergangen, seit er sich auf sein Bett hatte fallen lassen. Schon so viel? Er hatte gar nicht gemerkt, wie die Zeit vergangen war. Seufzend setzte er sich auf. Noch zwei Stunden Schicht im Laden inmitten von kreischenden Schulmädchen, bevor er sich in den Park verziehen durfte.
 

Aya hatte eine wirklich gnädige Laune gehabt, als er ihn gefragt hatte, ob er an drei Nachmittagen die Woche mit seinen Jungs trainieren durfte. Allerdings hatte er damit auch die Schicht am Samstagmorgen übernehmen müssen und das, obwohl er eigentlich eher ein Langschläfer war. Aber was tat man nicht alles, um seinen Leader zu besänftigen.
 

Das Fußballspielen mit den Kindern war ihm wichtig. Genau wie das Einkaufen gab es ihm ein gewisses Gefühl von Normalität, dass er vor allem nachts mehr vermisste, als alles Andere.
 

Er fuhr sich durch seine verstrubbelte, braunen Haare, eigentlich ein sinnloses Unterfangen, die machten sowieso immer, was sie wollten, rieb sich über die Augen und zwang sich dann, aufzustehen und ins Bad zu trotten, wo er sich etwas kaltes Wasser ins Gesicht spritzte, um den letzten Rest Schläfrigkeit endgültig zu vertreiben. Er machte im Laden auch so schon genug kaputt durch sein Ungeschick, das musste er nicht noch durch Dösigkeit verschlimmern.
 

Crawford passierte so was sicher nie, dass er einfach so etwas fallen ließ, oder über seine eigenen Füße stolperte, genauso wenig wie Aya. Der Rothaarige konnte.... MOMENT MAL! Was war das eben für ein Gedanke gewesen? Er dachte schon wieder an den Schwarz?
 

Im Spiegel sah ihm sein erschrockenes Gesicht entgegen, in seinen Ohren pochte sein viel zu schneller Herzschlag. Er schluckte leicht und zwang sich zur Ruhe. Es war ja wohl nicht verboten, auch mal an seinen Feind zu denken, oder? Wenn man über seinen Feind nachdachte, konnte der einen nicht überraschen, ja genau, das war völlig normal und... und... naja logisch eben, oder?
 

Er schüttelte den Kopf, so dass die dunkelbraunen Strähnen nur so flogen. Wenn er sich ja selbst nicht bewusst gewesen wäre, was er da für Unsinn dachte.... Wenn Dummheit wehtun würde, müsste er sicherlich den ganzen Tag schreiend durch die Gegend laufen!
 

Sich über sich selbst ärgernd schritt der Fußballer seinem Spiegelbild eine Grimasse und verließ rasch das Bad, bevor ihm noch irgendwelche dämlichen Gedanken kamen. Alleine wenn sein Anführer wüsste, dass er ihn und Oracle im selben Atemzug auch nur in Erwägung gezogen hatte, wäre er schneller tot, als er 'stopp' sagen könnte. Wie gut, dass der nicht in seinen Kopf sehen konnte, ganz im Gegensatz zu Mastermind der... argghhhh! Schon wieder?
 

Am liebsten hätte er seinen Kopf gegen die Wand gehauen, in der Hoffnung, wieder normal oder zumindest wieder Ken-mäßig zu werden. Nachdenklich auf seiner Unterlippe herumkauend wanderte er die Treppe hinunter, von dort aus durch die Verbindungstür in den Laden und ins Gewächshaus. Hier hatte er meistens seine Ruhe und die Blumen beruhigten ihn eigentlich immer.
 

Er schnappte sich eine Gießkanne, füllte sie und fing an, die Pflanzen zu wässern. Yohji hatte heute Morgen ja nur die im Verkaufsraum übernommen, das hier war seine Aufgabe und er machte sie gerne.
 

Doch heute wollte sich die ersehnte Ausgeglichenheit, die er sonst hier immer verspürte, einfach nicht einstellen. Er fühlte sich aufgekratzt wie schon lange nicht mehr, wenn er ehrlich war, eigentlich schon den ganzen Mittag lang. Wurde wirklich Zeit, dass er wieder etwas Energie abbauen konnte. Am besten er joggte zum Park, anstatt sein Motorrad zu nehmen. Das würde sicher helfen.
 

Zufrieden mit dem Ergebnis seiner Überlegungen goss er die Blumen fertig. Von nebenan hörte er, wie der Rollladen geöffnet wurde und die ersten Schreie drangen herein. Konnten die dummen Weiber nicht EIN Mal wegbleiben? Sie kauften doch sowieso nichts, sondern kamen nur, um sie zu begaffen und um zu versuchen, sie irgendwie unauffällig anfassen zu können.
 

Nur an Aya trauten sie sich nicht ran, obwohl man zu deutlich sehen konnte, wie sehr es ihnen in den Fingern juckte, herauszufinden, ob seine roten Haare echt waren.
 

Ken unterdrückte ein schadenfrohes Grinsen. Manchmal war es doch gut, nur Durchschnitt zu sein. Seine Haare und Augen waren zwar heller, als eigentlich bei Japanern üblich, aber lange nicht so auffällig wie die der Anderen.
 

Yohji legte es ja darauf an, beachtet zu werden und sein Äußeres kam dem wirklich entgegen, aber ihren Leader und ihr Chibi schien das eher zu stören. Um ihn selbst wurde zwar auch etwas Wirbel gemacht aber lange nicht so viel, dachte er zumindest. Vielleicht fiel es ihm ja auch einfach nur nicht auf, oder er hatte sich inzwischen daran gewöhnt, aber eigentlich wusste er ja, warum weniger der Gören auf ihn flogen als auf seine Kollegen. Er war eben einfach nicht so attraktiv, eine Tatsache, mit der er sich schon länger abgefunden hatte. Daran konnte er eben nichts ändern, sein Gesicht war, wie es war, normal und langweilig, genau wie die braune Farbe seiner Haare und Augen. Nichts besonderes, nichts Außergewöhnliches.
 

Sicher, er könnte bei beiden helfen, sei es nun mit Tönung oder mit Kontaktlinsen, doch wozu? Er würde sich darin ohnehin nicht wohlfühlen, noch mehr wie jemand, der eigentlich nur eine Rolle spielte, noch weniger würde er, er selbst sein können als im Moment. Verkleiden konnte sich jeder, aber deswegen fand man noch lange keine Anerkennung bei seinen Mitmenschen, nicht zwangsläufig jedenfalls.
 

Er hatte eben einfach nicht Yohjis Charme oder Ayas kühle Eleganz und so zum knuddeln wie Omi war er schon lange nicht mehr. Ihm genügte es, wenn die Kinder im Park ihn mit leuchtenden Augen ansahen, weil er mit ihnen spielte, ihnen etwas beibrachte, sich einfach um sie kümmerte, denn viele Eltern taten es nicht. Es musste einfach genügen, mehr konnte er nicht erwarten und es war ja ein schönes Gefühl, wenn man wenigstens ein bisschen gebraucht wurde.
 

Mit etwas wehmütigem Gesichtsausdruck wässerte er die letzten Töpfe und stellte die Gießkanne an ihren Platz, bevor er sich einen Lappen nahm und das, was er verschüttet hatte, wieder aufwischte.

Das Einzige was er sich wirklich wünschte, was in seinem Leben fehlte, war eine Person, an die er sich lehnen konnte, mit der er über alles sprechen konnte, seine Ängste, seine Zweifel seine Vergangenheit, sogar seinen Job.
 

Natürlich könnte er das auch mit Omi, immerhin war er ja sein bester Freund, aber der Kleine würde ihn nicht verstehen. Er war manchmal noch so jung, trotz seiner Tätigkeit als Killer und seiner eigenen Vergangenheit. Der Junge würde ihm zuhören, ihn nicht unterrechen, aber einen Rat oder Hilfe konnte er ihm nicht geben.
 

Er wollte keinen Freund, er wollte... ja r wollte jemanden, der ihn... lieben konnte, den er lieben konnte, ohne erneuten verrat fürchten zu müssen. Aber wo gab es so jemanden schon. Erstens hielt es sowieso nie jemand lange mit ihm aus, er hatte ja auch nichts zu bieten, nicht einmal gutes Aussehen und zweitens ging alles früher oder später einmal in die Brüche, das konnte man eben nicht ändern.
 

Er verließ das Gewächshaus und schaltete wieder um auf den Ken, den alle kannten, den lauten Tollpatsch, der gerne lachte. Nicht, dass er das nicht wirklich gerne tat, aber gerade im Moment war ihm so gar nicht danach.
 

Kaum dass er den eigentlichen Laden betreten hatte, schallte ihm auch schon vielstimmiges Gekreische entgegen, das ihn beinahe einen Schritt zurücktaumeln ließ. Waren die Mädchen heute extrem laut oder lag es nur an seiner seltsamen Stimmung, dass er den Lärm so intensiv wahrnahm?
 

Er ließ den Blick durch den kleinen Raum schweifen, erblickte Aya hinter der Kasse, der die wenigen, zahlenden Kunden bediente und sich gleichzeitig die Schulmädchen mit eisigen Blicken vom Leib hielt, Yohji, der wie immer an einer Wand lehnte und in bester Playboy-Manier mit einer erwachsenen Frau flirtete und Omi, der in einer Traube von Gestalten in Schuluniformen beinahe unterging.
 

Ein echtes Grinsen schlich sich auf sein Gesicht, während er sich seine Verkaufsschürze umband und dann zur Rettung seines besten Freundes eilte, der im Moment kaum noch richtig atmen zu können schien, so sehr bedrängten ihn die Mädchen.
 

Als ihn die Weiber entdeckten, schallte ihm ein 'Keeeen-kuuuuun!' entgegen und am liebsten wäre er sofort wieder geflüchtet. Doch er blieb, bediente und beriet geduldig, ertrug das Getatsche und das Gezerre wie immer. Hier hatte er seinen Hitzkopf recht gut unter Kontrolle, die Gören konnten ja nichts dafür, dass sie so nervig und dumm waren.
 

Die Zeit verging erstaunlich schnell und doch war er froh, als er endlich gehen durfte. In einem unbeobachteten Moment schlich er sich aus dem Laden, nachdem Aya ihm erlaubend zugenickt hatte, verkrümelte sich in ihren Wohnbereich und gönnte sich erst mal ein Glas Cola. Manchmal war selbst dieser Job Schwerstarbeit.
 

Seine Laune hob sich etwas, als er die Treppe hoch in sein Zimmer sprintete, sich rasch umzog und seinen Fußball schnappte, ihn in seinen Rucksack stopfte. Wieder unten, nahm er noch die Colaflasche aus der Küche mit, ließ sie zu dem runden Leder verschwinden, vergaß natürlich, seinen Schlüssel einzupacken und war schon aus der Türe raus in Richtung Park, bevor am ende noch jemand auf die Idee kommen konnte, ihn aufzuhalten.
 

Er musste über zwei Zäune und eine Mauer klettern, aber das war immer noch besser, als den Weg vorne am Koneko entlang zu nehmen und den Weibern in die Arme zu laufen, die sich dann vielleicht noch an ihn kletteten. Er wollte jetzt seine Ruhe und nicht 'Ken-kun' sein!
 

In gleichmäßigem Laufschritt joggte er die Straßen entlang. Das tat wirklich gut! Die Luft hier in der Stadt war zwar nicht wirklich frisch, aber die Bewegung weckte seine Lebensgeister und beruhigte ihn durch die Gleichmäßigkeit gleichzeitig. Und seiner Kondition schadete es ganz sicher auch nicht, wenn er sich mal wieder etwas mehr anstrengte, als sonst.
 

Gut, er war körperlich wirklich fit, ganz ohne Trainingsstudios, Gewichtheben oder sonstige Foltermethoden, aber andererseits hätte er in seinem Job wohl kaum so lange überlebt, wenn er es nicht wäre.
 

Frei schwebten seine Gedanken durch den Kopf, als er sich bewusst nur auf das Laufen konzentrierte, nichts bedrückte ihn mehr, nichts hatte mehr Bedeutung, außer immer weiter einen Fuß vor den anderen zu setzen. Am liebsten hätte er ewig so weitergemacht, nicht denken, nur fühlen, atmen, doch viel zu schnell war er am Park angekommen.
 

Die geschotterten Wege federten besser als der harte Asphalt der Straßen zuvor, aber hier war auch die Gefahr größer, auszurutschen, weswegen er sich auf den Untergrund konzentrieren musste. Schon war die Fußballwiese mit den beiden Toren in sich, auf der sich bereits einige Kinder tummelten.
 

Ken rannte etwas schneller, um zu ihnen zu gelangen und wurde sofort mit großem Hallo begrüßt. Für eine Weile verschwanden alle trüben Gedanken, alle verwirrten Gefühle und er gestattete sich für ein paar Stunden, einfach nur glücklich zu sein und mit seinen Schützlingen zu toben.
 

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Seine Füße hatten ihn hierher getragen... was wollte er hier? Hier war er doch sonst nicht, er kannte niemanden, wollte niemanden treffen. Zu viele Leute, zu laut, zu voll. Er hatte gar nicht bemerkt, wie viel Zeit bereits vergangen war, sollte es ihn interessieren? Vielleicht... wurde er erwartet? Nein, sicher nicht, es war noch nicht dunkel.
 

Nagi blinzelte in die Nachmittagssonne und schien erst jetzt, als er am Eingang zu einem Park stand, wieder in die Realität zu finden. War er wirklich so sehr in seine Gedanken vertieft gewesen? Anscheinend.
 

Normalerweise mied er solche Orte wie die Pest, denn die vielen Menschen, die sich hier aufhielten, lachten, grölten, sich vergnügten, nicht selten auch stritten und sich sogar prügelten, verursachten ein unangenehmes Gefühl in seiner Magengegend.
 

Doch dann sah er sich achselzuckend um. Wenn er schon mal hier war, konnte er auch genauso gut ein wenig durch die grünen Flächen spazieren, er hatte ja ohnehin nichts Besseres zu tun. Den Blick richtete sich fest auf den Boden, ab und zu kickte er einen der Kiesel von sich her, verlor ihn aber schnell aus den Augen, wenn er sich nicht darauf konzentrierte.
 

Schon jetzt ging ihm der Lärm, das Lachen auf die Nerven. Am liebsten hätte er sofort wieder umgedreht, wäre nach hause gelaufen, um sich in seinem wunderbar stillen Zimmer zu vergraben. Aber er wollte im Moment nicht zu viel nachdenken und dazu wäre es zwangsläufig gekommen, hier hatte er immerhin etwas Ablenkung, auch wenn es unangenehm war.
 

Er vergrub die Hände tief in den Taschen seiner Schuluniform, die er immer noch anhatte. Warum, wusste er eigentlich nicht recht, er hatte sie eben einfach nicht ausgezogen, das machte er selten. Ihn sah ja sowieso niemand, warum sollte er da extra die Kleidung wechseln? Außerdem meinte Brad, dass dieses Ding unauffällig wäre.
 

Das er nicht lachte! Er sah hier niemanden, der keine Freizeitkleidung trug! Und wie er auffiel! Er bemerkte die Blicke, die ihm folgten sehr wohl, entschied aber, sie zu ignorieren und einfach weiter die hochinteressanten Kiesel unter seinen Füßen zu betrachten.
 

Eine ganze Weile wanderte er ziellos durch das weitläufige Parkgelände, ohne einen Blick für seine Umgebung, immer noch tief in Gedanken versunken, als er plötzlich Kindergeschrei links von sich wahrnahm, das lauter war, als die bisherigen Geräusche. Er hob den Kopf um zu sehen, warum die Gören denn so plärrten und erkannte, dass er am Rande eines Fußballfeldes stand.
 

Etwa fünfzehn mehr oder weniger kleine Gestalten rannten darauf hin und her, immer dem schwarz-weißen Ball nach, den sie mehr oder weniger geschickt vor sich hertrieben.
 

Nagis Gesicht verzog sich angewidert. Ihm war Sport jeder Art verhasst, insbesondere der Schulsport. Für einen schmächtigen Jungen wie ihn war es schwierig genug, sich normal in der Schule zu behaupten, doch die Sportstunde war praktisch ein Freibrief für alle, ihn zu schubsen, zu knuffen, zu treten und Fußball stand auf seiner Hass-Liste ganz weit oben.
 

Seit er das letzte mal einen Spikes bewehrten Schuh ans ungeschützte Schienbein bekommen hatte, weigerte er sich strikt, noch mal zu spielen, egal, wie schlecht die Note dafür ausfiel. Da war selbst der Stress mit Brad erträglicher.
 

Mal ganz abgesehen davon, dass er es sinnlos fand, wenn zwanzig erwachsene Leute auf einem Rasen einem runden Stück Leder hinterher rannten und versuchten, es an zwei Leuten vorbei in ein Netz zu bringen. Aber jedem das seine.
 

Er wollte schon weitergehen, als sein Blick plötzlich auf eine größere Person inmitten der Kinder fiel. Ein braunhaariger Mann, nicht besonders groß, kräftig gebaut, analysierte sein Gehirn. Ein unauffälliger Typ, beinahe hätte Nagi ihn sogar übersehen, so perfekt passte er sich in die Gruppe Jüngerer ein, als gehöre er da hin. Aber etwas an seinen Bewegungen kam dem Jungen vage vertraut vor, so als wüsste er, wen er vor sich hatte, nur das passende Gesicht dazu fehlte.
 

Er beschloss, dass es nichts ausmachte, ob er noch ein paar Minuten blieb oder nicht, denn er wollte herausfinden, wer der Fremde war. Er blieb am Spielfeldrand stehen und beobachtete ihn aufmerksam. Sein Killerinstinkt meldete ihm etwas Vertrautes an der Art, wie der Andere rannte, sprang, mit den Armen wedelte, wenn die Kinder etwas nicht nach seinen Vorstellungen taten.
 

Seine Stimme konnte er nicht hören, dafür war er zu weit weg, nur ab und zu trieben ein paar unzusammenhängende Wortfetzen zu ihm herüber.
 

Die Stirn des Hackers runzelte sich, als er angestrengt nachdachte. Der Mann war offensichtlich eine Art Trainer und er war sich ziemlich sicher, dass er keine solche Person in seinem Bekanntenkreis hatte, woher also....
 

In diesem Moment drehte sich der 'Trainer' um und Nagi konnte in das fröhlich lachende Gesicht von Siberian blicken. Vor Schreck blieb ihm beinahe die Luft weg und er stolperte zwei Schritte rückwärts. Von allen Menschen, die er in diesem dreimal verfluchten Park, in den er nicht hatte gehen wollen, auf diesem Fußballfeld, das er nicht angesteuert hatte, treffen konnte, musste es natürlich ausgerechnet einer seiner Erzfeinde sein, mitten am helllichten Tag, in einer Gruppe von Kindern, so dass Nagi nicht einmal gegen ihn vorgehen konnte.
 

Wenn er dem Weiß schon begegnen musste, konnte das nicht wenigstens in einer dunklen Gasse sein, in der er mit dem Anderen kurzen Prozess machte? Nein, es musste ja hier sein! Sein Tag konnte ab jetzt ja nur noch besser werden, schlechter ging es nicht mehr. Definitiv nicht. Oder?
 

Noch hatte Hidaka ihn nicht bemerkt, aber was nicht war, konnte ja noch werden. Warum stand er also wie festgewachsen hier herum und starrte den Feind immer noch perplex an? Er war doch sonst nicht so furchtbar langsam!
 

Sein Hirn gab seinen Muskeln den Befehl zum Bewegen, doch nichts rührte sich. Er war noch immer fasziniert, einen Killer, jemanden, der Menschen für Geld tötete, in einer Kindergruppe zu sehen. Und das ganz offensichtlich freiwillig. Nicht nur das, es schien ihm auch noch Spaß zu machen, dem glücklichen Gesicht zu urteilen.
 

Vielleicht war es das, was Nagi so sehr irritierte. Wann hatte er das letzte Mal gelächelt? Nicht dieses kleine Lächeln, das er manchmal seinen Kollegen schenkte, sonder so ein offenes, zufriedenes, glückliches Lächeln, wie es gerade auf Siberians Gesicht lag. Durften Killer überhaupt lächeln? Das sie es noch konnten, sah man ja, aber war die Schuld, die sie jedes Mal auf sich luden nicht viel zu groß?
 

Nagi schüttelte den Kopf, wandte den Blick aber nicht ab. Er wollte sich keine Gedanken über den Feind machen, keinen Einzigen und trotzdem tat er es. Er machte sich doch sonst auch keinen Kopf um andere Menschen, am allerwenigsten um die, die ohnehin auf der falschen Seite des Lebens und damit auf ihrer Abschussliste standen.
 

Einmal, nur ein einziges Mal hatte er es gewagt, sein Herz an eine andere Person zu hängen und er hatte es bitter bereut. Sicher, er mochte seine Kollegen und Freunde, seine Familie und er würde alles für sie tun, doch das war etwas Anderes. Bei ihnen konnte man sicher sein, dass sie nicht so bald sterben würden, trotz ihres gefährlichen Jobs. Und bei ihnen wusste er, dass seine Zuneigung auf Gegenseitigkeit beruhte, auch wenn sie es so gut wie nie, oder nur in winzig kleinen Gesten zeigten.
 

Seine Konzentration richtete sich wieder auf seinen Gegner, der ihm inzwischen ein ganzes Stück näher gekommen war, ihn aber offenbar immer noch nicht bemerkt hatte.

Verächtlich zogen sich die Mundwinkel des Jungen nach unten. Wie konnte man nur so nachlässig sein und den Feind am Spielfeldrand nicht bemerken.
 

Doch dann schalt er sich selbst einen Narren. War er nicht selbst gerade so in Gedanken versunken gewesen, dass er noch nicht einmal bemerkt hatte, wohin er gelaufen war? Ein schöner Killer! Er sollte lieber machen, dass er verschwand, bevor Siberian sich seiner Anwesenheit doch noch bewusst wurde.
 

In diesem Moment drehte sich Ken, der schon gefährlich nahe war, aber bisher mit dem Rücken zu ihm gestanden hatte um, dunkelblaue Augen trafen auf Haselnussbraune und beide erstarren mitten in der Bewegung.
 

Auf einen Schlag war das freie Lächeln aus dem Gesicht des Fußballers gewischt. Er hatte sich schon die ganze Zeit beobachtet gefühlt, was ihn allerdings nicht weiter störte, denn das kam öfter vor. Er hätte niemals vermutet, dass Schwarz so weit ging und ihn schon am helllichten Tage suchte. Die Begegnung am Morgen mit Crawford ließ er mal außen vor, die war wohl wirklich Zufall gewesen... oder? Auf einmal war er sich da nicht mehr so sicher.
 

Nagi blinzelte leicht, achtete allerdings darauf, dass sich keine Regung in seinem Gesicht abzeichnete. Fast einen winzig kurzen Moment spürte er Bedauern, als er sah, wie sich sein Feind verspannte, unwillkürlich eine abwehrende Haltung einnahm und wahrscheinlich auf einen Angriff wartet. Aber auch wirklich nur für den Bruchteil einer Sekunde, dann kehrte sein Hass auf den Anderen zurück.
 

Ken ließ die Kinder stehen und kam etwas steifbeinig auf den Jüngeren zu. Auch sein Gesicht hatte sich in eine nichts sagende Oberfläche verwandelt, einzig seine Augen loderten, zeugten von seinem mühsam unterdrückten Temperament. Knapp vor dem kleineren Jungen blieb er stehen.
 

"Ist Takatori so weit gestiegen, dass er seine Ratten schon am Tag losschicken kann? Was willst du, Schwarz? Mich töten? Bitte sehr..." Er breitete die Arme aus, bot seine ungeschützte Brust an. "Ich kann mich nicht wehren, ich hab noch nicht mal eine Waffe dabei..." Im Augenblick verspürte er nur Hass, dass ihm nun auch noch die wenigen Stunden, in denen er einfach abschalten konnte, an nichts denken musste, dass mit dem Job zu tun hatte, genommen wurden. Wie konnte Schwarz es nur wagen?
 

Die Augen des Kleineren weiteten sich für einen kurzen Moment. Glaubte dieser Depp denn wirklich, dass er, ausgerechnet ER in die Öffentlichkeit ging, um Weiß zu beseitigen? Wenn, dann hätten sie ja wohl Schuldig geschickt, der konnte so was wenigstens absolut unauffällig machen, in dem er einfach das Hirn des Betreffenden 'ausknipste', wir er immer so schön sagte.
 

"Nein.... ich..." Er wusste nicht wirklich, was er sagen sollte und trat unwillkürlich einen Schritt zurück. Siberian kam ihm viel bedrohlicher vor, als sonst, zumal er ja wusste, dass er seine Kräfte auf keinen Fall einsetzen durfte, wenn ein Außenstehender es mitbekommen konnte und davon gab es hier nun wirklich mehr als genug.
 

Kens Haltung entspannte sich etwas. "Was willst du dann?", fragte er misstrauisch. Er traute dem Braten kein bisschen. Das konnte doch kein Zufall sein, dass sie Schwarz sonst nur ab und zu bei Missionen über den weg liefen und heute begegnete er zwei von ihnen am gleichen Tag und dann auch noch privat, privater ging es ja schon fast nicht mehr.
 

Sein Blick glitt musternd über Prodigy. Ok, der Kleine sah wirklich nicht so aus, als würde er gerade einen Auftrag ausführen, mehr so, als käme er gerade aus der Schule. Ob das nur Tarnung war? Oder ging er wirklich da hin?
 

Dass der Junge die gleiche Schuluniform trug, in die auch der Weiß-Jüngste jeden Morgen schlüpfte, fiel ihm natürlich nicht auf, er hatte jetzt ganz andere Probleme.
 

Nagi fühlte sich unwohl, als würde ihn der Blick aus den braunen Augen sezieren. Schnell fand er wieder zu seiner unbeteiligten Miene zurück und zuckte gleichgültig die Schultern. "Ich weiß zwar nicht, was es dich angeht, Weiß, aber ich war spazieren. Was dagegen?" Jetzt klang er wieder selbstsicher, fast gelangweilt, so als ginge ihn das alles gar nichts an.
 

Ken setzte gerade an, etwas Entsprechendes zu sagen, als plötzlich die Kindergruppe, die bis jetzt mehr oder weniger geduldig mit einigem Abstand gewartet hatte, sich um sie scharte.
 

"Keeenn-kun! Wir wollen weiterspielen!", maulten die Kleinen und sahen die Älteren aus riesengroßen Augen an, bei denen zumindest der Fußballer absolut schwach wurde.
 

"Ist schon gut, ich komme... wir haben uns nichts mehr zu sagen..." Damit drehte er sich um und ließ Nagi einfach stehen, sich nicht weiter darum kümmernd, ob der Schwarz nun da war oder nicht. Er hatte seine freien Stunden und die wollte er gefälligst genießen und damit basta!
 

Nagi blies beinahe die backen auf, vor Empörung, konnte sich aber gerade noch von dieser kindischen Reaktion zurückhalten. Was bildete sich dieser Drecksack eigentlich ein? Er war Schwarz, er war der Feind und dieser, dieser... der ließ ihn einfach so stehen! AM liebsten hätte er ihn ungespitzt und den Bode gerammt, wohlgemerkt mit dem Gesicht voraus.
 

Plötzlich zupfte etwas an seinem Ärmel. Er sah nach unten und blickt in die großen Augen eines Jungen, vielleicht acht Jahre alt und sehr zierlich. Nagi blinzelte ein paar Mal. Fast wäre ihm ein erstaunter Ausruf entflohen. Der Kleine da wirkte beinahe wie er selbst in diesem Alter. Doch im Gegensatz zu ihm selbst, zierte ein breites Grinsen das Gesicht des Knirpses.
 

"Willsu nich mitsbielen?" Er lächelte noch breiter, so dass man die große Zahnlücke, die das Lispeln verursachte, auch gut sehen konnte.

Nagi zuckte abweisend die Schultern. "Ich kann nicht Fußballspielen...", versuchte er das Kind abzuwimmeln.
 

Der Junge imitierte seine Geste. "Iss auch nißt...", antwortete er dann, als wäre es das normalste der Welt."Machd aba nißts... die andern sin gans liep und Ken-kun paßt auf, dass nikß paßiert...." Der Zwerg bemühte sich ganz offensichtlich, Nagis Ängste aus dem Weg zu schaffen und ergriff vertrauensvoll die Hand des älteren Jungen.
 

"Komm iss gans einfach!", behauptete er gut gelaunt, und fing einfach an, an dem zugehörigen Körper zu ziehen.

Nagi musste wohl oder übel mitkommen, wenn er sich nicht mit Gewalt losmachen wollte, denn der Kleine hatte erstaunlich viel Kraft in den Fingerchen. In ihm sträubte sich alles dagegen, zu seinem Feind geschleppt zu werden und dann auch noch in dieser Situation, die er aus dem Sportunterricht in der Schule ja kannte. Siberian würde jede Gelegenheit nutzen, um ihn zu verletzen, da war er sich sicher, er würde es ja nicht anders machen, wäre er in der Lage dazu.
 

Unglücklicherweise war er nicht nur ein ganzes Stück kleiner als der Andere, sondern ohne seine Telekinese auch kräftemäßig hoffnungslos unterlegen. So gut es ging, wehrte er sich und doch konnte er es nicht verhindern, dass er innerhalb von Sekunden komplett von Kindern umringt war, die ihn alle bestaunten und anfassten, Fragen stellten wie: "Wer bist du?", "Wie heißt du?" oder "Spielst du auch mit?"
 

Und doch fühlte er sich nicht so unwohl wie auf dem Kindergeburtstag, denn die Kinder hier waren wesentlich besser erzogen, zerrten nicht an ihm oder versuchten nicht, ihn zu kneifen oder zu treten. Noch nicht.
 

Eigentlich war die Bande ja auch ganz goldig, aber zeigen oder zugeben würde er das noch nicht einmal unter Folter. Der Junge, der noch immer seine Hand umklammert hielt, schleifte ihn weiter mit und jetzt halfen auch die anderen, so dass es für Nagi kein Entkommen mehr gab, bis schließlich Ken darauf aufmerksam wurde, dass fast alle seine Schützlinge anderweitig beschäftigt zu sein schienen.
 

Die braunen Augen des Fußballers blitzten einen Moment amüsiert auf, als er seinen Feind so ganz offensichtlich hilflos in der Kindertraube stehen sah, denn der sah nicht gerade so aus, als wäre er freiwillig hier. Es wunderte den Weiß nur, warum der Kerl es einfach mit sich machen ließ und nicht seine Kräfte einsetzte, denn dann wäre er innerhalb von Sekunden frei. Anscheinend hielt ihn irgendetwas zurück, was auch eine Erklärung dafür wäre, warum er selbst noch lebte und nicht schon längst zerquetscht am Boden lag.
 

Ob es die Kinder waren, die Prodigy davon abhielten? Oder war es die Öffentlichkeit, konnte Takatori es sich doch nicht leisten, so viel Aufmerksamkeit auf seine ach so blütenweiße Weste zu lenken?
 

Wie auch immer, er hatte jetzt jedenfalls ein Problem, denn er kannte seine Kleinen gut genug um zu wissen, dass sie den Jungen nicht mehr so schnell aus ihren Fängen lassen würden. Allen voran Kenshi, der die Hand des Fremden festhielt. Stolz präsentierte er seinen Fund. "Schau ma, Ken-kun... er will auch mitsbielen!", verkündete er lauthals und die anderen Kinder stimmten ein freudiges Gejohle an. Mitspieler, besonders neue, denen man vorführen konnte, was man schon alles gelernt hatte, waren hier immer gerne gesehen.
 

Auch dass Nagi bei dieser Aussage wie wild den Kopf schüttelte, tat der Aufregung keinen Abbruch, es wurde ganz einfach ignoriert. Ken überlegte einen Moment, ob er dem nicht Einhalt gebieten sollte, doch dann zuckte er nur die Schultern. Geschah dem Schwarz ganz recht!
 

"Also dann... wollen wir weiter machen?" Vielstimmiges Quietschen und sofort stoben die Racker auseinander, alle auf der Suche nach den Bällen, die verwaist im Gras lagen. Kenshi dachte gar nicht daran, sein neues Opfer so schnell aus den Fängen zu lassen und achtete darauf, dass Nagi auch ja in seiner Nähe blieb.
 

Seufzend ergab sich der jüngste Schwarz in sein Schicksal und erwartete seinen Untergang. Was anderes konnte es ja nicht werden, wenn man versuchte, Nagi Naoe und Sport miteinander zu vereinbaren, dass war, wie wenn man Öl in Feuer goss.
 

Der Kleine, der ihn mitgezerrt hatte, kümmerte sich auch wirklich rührend um ihn und spielte ihm unermüdlich Bälle zu, die er allerdings mehr schlecht als recht annehmen konnte. Zusätzlich war er durch seine unpassende Kleidung noch behindert.
 

Irgendwann riss auf Kenshi dann der Geduldsfaden und er rief laut nach seinem Trainer, der sich bisher noch nicht hatte blicken lassen. "Keeen-kun! Kommßtu mal?"
 

Nagi zuckte zusammen. Während der letzten halben Stunde hatte ihn der Weiß keines Blickes gewürdigt, hatte sich ausschließlich mit den anderen Kindern beschäftigt und ihn komplett links liegen lassen, was ihn zugegebener Maßen schon erstaunt, aber aus gegebenem Anlass auch nicht weiter gestört hatte.
 

Und jetzt sollte der auch noch herkommen?! Und wie er das tat, keine zwei Minuten später kam er schon angetrabt. "Was gibt's denn, Kenshi?" Nagi ignorierte er weiterhin.
 

Der Junge sah treuherzig von einem zum andern. "Er kann dass nißt... kannßtu helfn?" Wer konnte so einem Blick aus Kinderaugen schon widerstehen? Ken konnte es jedenfalls nicht. Er maß Prodigy mit einem kalten Blick, sagte aber nichts weiter, sondern nickte nur. "Dafür bin ich ja da..." Er bemühte sich wirklich, den Jüngeren wie jeden anderen seiner Schützlinge zu behandeln, auch wenn es ihm nicht leicht fiel, da der Hass in ihm brodelte und kurz vor dem Überkochen war.
 

"Lass mal sehn, was du kannst... wie heißt du noch gleich?" Er grinste ein klein bisschen gemein. Zumindest erfuhr er so gleich noch den Namen eines weiteren Schwarz. Hoffentlich hatte der nicht auch so einen, den man nicht aussprechen konnte. Aber der Kleine sah ziemlich japanisch aus, es war also kaum zu erwarten, dass er einen ausländischen Namen trug... allerdings wusste man bei Schwarz ja nie, die hatten ja auch einen Amerikaner als Anführer!
 

Nagi schluckte einen Moment sichtbar und wand sich unter der Frage. Längst hatte er sich nicht mehr so im Griff wie sonst, diese Situation war einfach zu verwirrend für ihn. noch nie hatte ihn jemand aufgefordert, irgendwo mitzumachen und sei es nur ein kleiner Junge, der mit ihm Fußball spielen wollte. Auch dass die anderen Kinder sofort darauf eingegangen und ihn begeistert aufgenommen hatten, obwohl sie ihn noch nie gesehen hatten, wollte ihm nicht so recht plausibel erscheinen und er wusste noch nicht so genau, ob er das mochte, oder nicht.
 

"Ich... mein Name ist... Nagi...", antwortete er schließlich etwas stockend. Er konnte ja schlecht mit seinem Nachnamen ankommen und so viel würde der Weiß schon nicht damit anfangen können, dafür waren die Hackerbarrieren um ihre persönlichen Daten einfach zu gut. Er wusste schließlich, worauf er zu achten hatte.
 

Ken sah sein Gegenüber nur einen Moment lang stumm an, bevor er nickte. "Nagi also...", antwortete er ohne Wertung in der Stimme und rührte sich schließlich, als Kenshi ungeduldig an seinem Shirt zupfte.
 

"Na komm, zeig mal, was du kannst..." Er spielte Nagi den Ball zu, der etwas überrascht war über den plötzlichen Stimmungswechsel, jedoch versuchte, das Leder irgendwie dazu zu bringen, dass zu tun, was er wollte. Nicht dass es ihm gelungen wäre.
 

Ken grinste ein wenig. Das hier war also etwas, was sein Erzfeind nicht beherrschte und irgendwie gab ihm das ein verflucht gutes Gefühl, denn sonst waren immer sie diejenigen, die gegen die übernatürlichen Kräfte ihrer Gegner machtlos waren. Aber dies war ein der wenigen Dinge die ER konnte und darauf war er sogar etwas stolz.
 

"Nein, nein... langsamer, lass den Ball zu dir kommen und brems ihn dann mit der Innenkante deines Fußes... versuch's gleich noch mal!" Wieder wurde ein Ball zu dem Jüngeren gespielt und diesmal klappte es schon besser, als er den Rat des Trainers beherzigte.
 

"Und gleich noch mal..." Nagi war überrascht, wie gut das ging. Und noch machte Ken keine Anstalten ihn in irgendeiner Weise zu foulen oder ihn zu behindern. Geduldig spielte er ihm die Bälle zu und verbesserte ihn, ohne einmal laut zu werden oder ihn anzufahren und dass, obwohl er sich wirklich nicht sehr geschickt anstellte.
 

Nach und nach kamen auch die anderen Kinder dazu und die Runde, in der der Ball gespielt wurde, erweiterte sich. Nagi schaltete irgendwann sein Gewissen, dass er hier mit seinem Feind spielte aus und beteiligte sich ebenfalls aktiv. Er mochte es zwar nicht gerne zugeben, aber das machte dann doch Spaß, vor allem, in die lachenden Gesichter der Kleinen zu sehen. Ein wenig schien es fast, als würde ihre Fröhlichkeit auf ihn übergehen, ihn erfüllen und seine Laune heben.
 

Als Ken schließlich das Training für beendet erklärte, hatte er zwar geschwitzt und seine Schuluniform hatte mehr als einen Grasfleck, aber für die einzige Verletzung, eine Prellung am linken Knie, war er selbst verantwortlich, da er gestolpert war.
 

Die Kinder zerstreuten sich und Ken sah ihnen lächelnd hinterher. Sein Blick fiel auf den Braunhaarigen Jungen, der nun wieder am Spielfeldrand stand. Wenn er es nicht besser gewusst hätte, hätte er gesagt, dass dessen Gesichtsausdruck beinahe wehmütig war. Aber das bildete er sich sicher nur ein, immerhin war der Kleine ja ein Schwarz, auch wenn er selbst noch ein Kind war.
 

Der Fußballer nahm seinen Rucksack, klemmte sich den Ball unter den Arm und gab sich dann einen Ruck, ging zu seinem Gegner hinüber. Er hatte heute Morgen schon mit einem Feind eine Einigung erreicht, warum nicht auch noch mit einem Zweiten? Und der Junge sah so furchtbar verloren aus, wie er da stand, mit den Händen in den Taschen seiner Uniform, die Schultern etwas hochgezogen und den anderen Kindern hinterher blickend. Diesen Eindruck konnte er auch nicht abschütteln, indem er sich die Bilder der Opfer vor Augen führte, die der Junge schon auf dem Gewissen hatte: mit verrenkten Glieder daliegende Leiber, äußerlich keine Verletzung aber so ziemlich jeden Knochen im Leib gebrochen.
 

Nagi hob den Blick, als er die Präsenz des anderen nahe bei sich fühlte. Sein Blick wurde augenblicklich wieder ausdruckslos und stahlhart, wie man es von ihm gewohnt war, durch für einen kurzen Augenblick hatte Ken die Traurigkeit und Wehmut darin gesehen. "Was willst du Weiß?" fragte er abweisend und trat einen Schritt zurück um mehr Abstand zwischen ihre Körper zu bringen. Die Nähe behagte ihm ganz und gar nicht.
 

Ken zuckte die Schultern. "Keine Ahnung", antwortete er wahrheitsgemäß. Er wusste nicht warum, aber der Junge tat ihm leid. Er machte nicht den Eindruck, als wäre er so fröhlich wie Omi, ganz und gar nicht. Er wirkte kühl, introvertiert und die Aura der Unnahbarkeit umgab ihn fast greifbar. Es musste ein einsames Leben sein, das er führte.
 

Der Fußballer spürte, dass er den Kleinen nicht zu weit treiben durfte, vor allem jetzt, da kaum noch Zeugen um die Wege waren. Die Sonne begann bereits, sich zu senken, was Nagi mit erstaunen bemerkte. Er hatte gar nicht mitbekommen, dass sie so lange gespielt hatten. Die Zeit war wirklich wie im Fluge vergangen und er sollte machen, dass er rechtzeitig zum Abendessen nach Hause kam, bevor Brad oder Farf sich noch Sorgen machten. Die beiden wurden dann immer unausstehlich und darauf konnte er verzichten.
 

Er schüttelte den Kopf und wollte gerade etwas auf Kens dämliche Antwort erwidern, reichlich verspätet zwar, aber immerhin. Doch der Weiß hatte sich schon zum Gehen gewandt und war bereits einige Meter entfernt. Da drehte er sich noch mal um, maß den Jungen mit einem seltsamen Blick.
 

"Wir spielen dreimal die Woche...", meinte er nur drehte sich wieder um, schulterte seinen Rucksack und joggte los in Richtung seines Zuhauses.
 

Nagi stand einen Moment perplex da, gerade noch konnte er verhindern, dass seine Kinnlade nach unten klappte. War das eben ein Angebot gewesen? Es hatte sich beinahe danach angehört. Oder war es eine Falle? Würde das nächste Mal das ganze Team anrücken, um ihn fertig zu machen, wenn er sich nicht wehren konnte? Trotz seiner übernatürlichen Kräfte hatte er gegen vier Profikiller keine Chance, das war ihm klar. Vor allem gegen vier, die ihn bis aufs Blut hassten, was er durchaus verstehen konnte, ihm ging es ja nicht anders, oder?
 

Nachdenklich runzelte er die Stirn und wanderte langsam wieder zurück zur Schwarz-Villa. Hasste er die andere Gruppe wirklich? Ok, sie waren lästig, wenn sie ihnen in die Aufträge reinpfuschten und der Jüngste hatte ihm schon mehr als einmal mit einem geschickt platzierte Computervirus einen Strich durch die Rechnung gemacht, aber mehr war das doch eigentlich nicht. Zumindest nicht auf den ersten Blick. Ging man tiefer, kam ihm da schon einiges in den Sinn.
 

Weiß war dafür verantwortlich, das Tot... er mochte nicht daran denken. Er hatte das Mädchen trotz, oder vielleicht gerade wegen ihrer Kindlichkeit, ihrer unschuldigen Art gemocht, sehr gemocht. Ja, Tot war ein Grund, Weiß zu hassen.
 

Nicht zufrieden mit dem Ergebnis seiner Gedanken beschleunigte er seine Schritte und beeilte sich nun, nach Hause zu kommen. Er musste nachdenken, in Ruhe in seinem Zimmer, wo ihn niemand ablenkte. Eine Frage, die ganz oben stand war, ob er Siberians Einladung folgen und ein weiteres Mal zum spielen kommen würde.
 

Wenn er ganz ehrlich zu sich war, dann stand die Antwort bereits fest. Lange hatte ihm nichts mehr so Spaß gemacht, wie mit den Kindern über die Wiese zu laufen, auch wenn er den Sinn des ganzen immer noch nicht erfasst hatte. Das Spiel war und blieb bescheuert, aber die Fröhlichkeit der Kleinen hatte etwas Faszinierendes an sich, was ihn gleichzeitig anzog und abstieß. Er war verwirrt, mehr als verwirrt. Und wie bitte sollte er Crawford klar machen, dass er nun dreimal die Woche am Nachmittag verschwinden würde. Eigentlich würde er es nur Farfarello erklären müssen. WENN er noch mal zum spielen ging.
 

Keiner von beiden bemerkte die einsame Gestalt in dem langen schwarzen Mantel, die sie aus dem Schutz einiger Bäume heraus beobachtet hatte.

Zwiespalt

Autor: CatherineMiller

Titel: Bittersweet Feelings

Fandom: Weiß Kreuz

Kapitel: Zwiespalt

Teil: 9/?

Pairings: RanxNagi; BradxKen; SchuldigxYohjixSchuldig; FarfxOmi

Warnungen: keine

Danksagung: Vielen Dank an mein Betas emilyheart (kei83) und Corrychan, die sich

fleißig durch meine tausend Tippfehler mühen!

Sonstiges: Sooo wir nähern uns dem Ende des Vor-Blablas und die Story kommt ein klitzekleinwenig in Schwung, auch wenns noch nicht so aussieht (ja das Ding hat ne Story xDD)
 

Und nun nochmal für die Leserchen (diesmal allerdings nur ein Kommentar *sniffu*
 

@Kayla Jaaa das Kenny is halt doch zu was gut, ne? Besonders wenns um ,Kinder' geht XDD Ja der ,Typ im Mantel' is tatsächlich Ran, kein Spanner (XD) und ja es wird verflucht schwer, die beiden IRGENDWIE zusammen zu bringen, auch wenn ich da schon so ne Idee im Hinterkopf hab ^^
 


 

Mit einer etwas nachlässig wirkenden Bewegung strich er sich eine der widerspenstigen Haarsträhnen hinters Ohr. Doch kaum löste sich seine hand, rutschte sie auch schon wieder nach vorne. Er ließ sie, wo sie war, es nützte sowieso nichts.

Zum ersten Mal seit langem war er unschlüssig, welchen Schritt er als nächstes gehen sollte.
 

Ein frischer Wind kam auf, bauschte den langen, schwarzen Mantel, den er trotz beinahe sommerlicher Wärme trug. Das schwarze Material schützte ihn, auch wenn es jetzt, am helllichten Tag, mehr Blicke auf sich zog, als ihm eigentlich lieb war.
 

Er zog sich noch etwas weiter in Richtung der wenigen Büsche zurück, die vereinzelte zwischen den Stämmen stand, suchte Deckung hinter einem der Bäume. Doch die zwei Gestalten, die er beobachtete, schienen keinen Blick in seine Richtung übrig zu haben, viel zu sehr maßen sie einander, das konnte er selbst auf diese Entfernung erkennen.
 

Kens Haltung war eindeutig angespannt, fast schien er einen Kampf zu erwarten. Besorgt runzelte er die Stirn. Wenn es wirklich zu einer Auseinandersetzung kam, würde er eingreifen müssen, so etwas konnte und durfte nicht in der Öffentlichkeit stattfinden. Schön und gut, wenn sie sich im Dunkel der Nacht bekriegten, wo niemand sie sah, aber nicht hier, nicht in der Nähe von Kindern.
 

Diese hatten ihn eigentlich hierher getrieben, nachdem er das Krankenhaus verlassen hatte. Er war nicht besonders lange bei seiner Schwester geblieben. Aus einem unerfindlichen Grund war er heute besonders rastlos. Er kam oft hierher, sah den glücklichen Kinder mit ihren heilen Familien beim Spielen und Lachen zu. Es zeigte ihm, dass es irgendwo eine Zukunft gab und weckte gleichzeitig einen bittersüßen Schmerz in seinem Inneren.
 

Vielleicht war er auch einfach nur ein Masochist, so genau konnte er das nicht sagen, er wusste nur, dass er immer wieder hier herkam, aber eigentlich nur dann, wenn er die anderen im Laden wusste. Er legte keinen Wert darauf, nach privaten Dingen gefragt zu werden, er wollte die Distanz bewahren. Und bis jetzt hatte ihn noch niemand angesprochen, was ihn eigentlich selbst wunderte.
 

Seine Erscheinung war nicht gerade unauffällig, seine dunkelroten Haare, die schlanke Gestalt immer verborgen unter einem langen schwarzen Mantel, er sah weder vertrauenserweckend aus, noch wie jemand, der Kinder mochte, zumindest nicht auf eine normale Art.
 

Die Wahrheit war allerdings, dass er Kinder wirklich liebte, auch wenn er es niemals zeigte, nicht mehr zeigen konnte. Er hatte seine Schwester schon vergöttert, als sie noch ein Baby gewesen war, obwohl er selbst ja nur ein paar Jahre älter war und das hatte sich mit den Jahren nicht geändert. Er war immer gern der große Bruder gewesen, hatte sich niemals davor gedrückt, oder es als lästig empfunden.
 

Und diese Liebe zu seiner Schwester hatte sich wohl auch auf andere Kinder übertragen. Er hatte keine Hoffnung, jemals wieder ein normales Leben, ohne Hass, Gewalt und Tod zu führen, aber zumindest für ein paar Stunden konnte er sich an die Illusion klammern, die das fröhliche Lachen in ihm auslöste, an die Bilder längst vergangener Tage, die voller Leben und Glück gewesen waren. Sie schienen so unglaublich weit weg zu sein, er hatte beinahe vergessen wie es war, wenn man ehrlich lächelte, sich über etwas freute.
 

Noch hielt der Strohhalm, den seine Schwester ihm bot, indem sie einfach weiterlebte, seiner Existenz damit einen Sinn gab, doch wie lange würde es dauern, bis auch diese letzte Bande zerriss? Er endgültig in das Grab stürzen würde, dass er sich schon vor Jahren geschaufelt hatte? Er hoffte, aber er war nicht unrealistisch. Die Hoffnung, dass seine geliebte Kleine je wieder ihre Augen öffnen würde, war mehr als gering.
 

Seine linke Hand ballte sich zur Faut und er musste aufpassen, seinen Atem unter Kontrolle zu halten. Nach ein paar Minuten hatte er sich wieder im Griff und sein Blick klärte sich.
 

Er kannte den schuldigen, wusste, wo dieser zu finden war, hatte ein schlagkräftiges Team, das zu hundert Prozent hinter ihm stand, ihm überall hin folgen würde und doch waren ihm die Hände gebunden! Manchmal hatte er das Gefühl, jeden Moment verrückt zu werden, wenn er noch länger warten musste. Er hasste es, Geduld haben zu müssen. Wozu? Warum konnte er nicht jetzt erledigen, weswegen er zum Killer geworden war?
 

Er atmete schnell einmal tief durch. Wenn er nicht aufpasste, würde ihn sein Hass auf alle Takatoris wieder übermannen. Das durfte nicht geschehen. Es gab zumindest einen Takatori, der nicht schlecht war.
 

Für einen kurzen Moment wurden seine Augen ein wenig weicher als normal, bevor sie wieder das harte Schimmern annahmen, das sie immer wie die gleichfarbigen Edelsteine wirken ließ. Omi war anders, Omi war kein Takatori, zumindest nicht in seinem Herzen. Er hatte eine ganze Weile gebraucht, aber schließlich hatte er begriffen. Welches Recht hatte er, ausgerechnet er, jemanden nach seiner Herkunft zu beurteilen, nach seiner Familie?
 

Er hob den Blick, der mittlerweile auf dem Gras zu seinen Füssen gelandet war, wieder zur Wiese hin. Ken war wieder von den Kindern umringt, spielte mit ihnen, korrigierte geduldig ihre Fehler.

Ein winziges Lächeln huscht über Ayas Mundwinkel. So hitzköpfig der Sportler ja sonst war, so geduldig war er mit Kindern.
 

Er sah weiter zu der kleineren Person, die immer noch am Spielfeldrand stand. Er wusste nicht, was er denken sollte. Er kannte den Kleinen, kannte ihn gut. Der Hass wallte einen Moment lang wieder in ihm auf. Es war mit die Schuld dieses Kindes, dass sein Leben zerstört worden war, dass er nun die Nächte mit Töten verbrachte, anstatt mit Freunden loszuziehen, dass seine Eltern in ihrem kalten, nassen Grab lagen, anstatt ihre Firma zu leiten und nicht zuletzt, dass seine Schwester in einem Krankenhausbett zum Schlafen verurteilt war, anstatt erwachsen zu werden.
 

Sekundenlang presste er die Lider aufeinander. Zumindest schien Ken so viel Verstand besessen zu haben, es nicht auf eine offene Konfrontation ankommen zu lassen, die er ohnehin verloren hätte. Doch dann stellten sich immer noch zwei Frage: warum war der kleine Schwarz hier, ausgerechnet hier und warum ging er nicht einfach wieder, nachdem er nun offensichtlich seinem Feind begegnet war.
 

Dass Ken das Team verriet und Freundschaft mit Schwarz pflegte, dass glaubte er nicht. Er kannte den Jungen man gut und sein Denken war viel zu sehr in schwarz und weiß gehalten, als dass er Grautöne dazwischen hätte akzeptieren können. Er wusste, wie schwer ihn der Verrat seines Freundes getroffen hatte, mit dem offenbar mehr verbunden gewesen war, als jeder von ihnen ahnte. Er hatte ja nichts dagegen, aber er war für Ken und alle anderen verantwortlich, er würde nicht zulassen, dass so etwas noch einmal passierte.
 

Nein, Verrat war dem Fußballer fremd, da gab es keinerlei Zweifel. Eher würde er noch Yohji oder Omi im Verdacht haben, gäbe es denn Anlass zu so etwas. Was also tat der Feind immer noch am Rand des Fußballfeldes? Faszinierte ihn dieser Ballsport, der eigentlich wenn überhaupt, nur zu körperlichen Ertüchtigung diente, so sehr? Aya konnte es sich nicht vorstellen. Er konnte sich nicht vorstellen, dass es überhaupt etwas gab, was dieses Kind interessierte, außer es hatte etwas mit hacken oder zerstören zu tun.
 

Er beobachtete etwas angespannt, wie plötzlich ein kleiner Junge auf den Killer zukam, eine ganze Weile neben ihm stehen blieb und zu ihm hochschaute, ohne beachtet zu werden. Entweder ignorierte Prodigy ihn mit Absicht, oder er hatte ihn noch nicht bemerkt.
 

Das Kind hob die Hand und zog am Ärmel des Älteren. Für einen kurzen Moment hielt der stille Beobachter die Luft an. Er hatte gesehen, was passiert war, als Prodigy mal bei einem Auftrag per Zufall von einem Wachmann ihres eigenen Auftraggebers angerempelt worden war. Von dem armen Mann war nicht mehr viel übrig geblieben und beinahe hätte der Rothaarige sogar Mitleid mit ihm gehabt, wäre er nicht ohnehin zwischen ihm und dem Zielobjekt gestanden, hätte daher sowieso beseitig werden müssen.
 

Doch wer seine eigenen Leute mit einem Lidschlag tötete, der machte vielleicht noch nicht einmal vor kleinen Kindern halt. Seine rechte Hand glitt unter seinen Mantel, wo normalerweise sein Katana befestigt war. Er griff ins Leere. Natürlich, er konnte ja nicht gut mit einer Waffe in der Tasche in ein Krankenhaus spazieren, zumindest nicht mit einer solch auffälligen.
 

Sich selbst verfluchend verengten sich seine violetten Augen zu schmalen Schlitzen. Wenn diese Ratte dem Kind etwas tat, würde er ihn eben mit bloßen Händen zerreißen, wenn es sein musste.
 

Doch nicht dergleichen passierte. Er sah, wie Prodigy den Blick nach unten wandte, hatte fast den Eindruck, der Junge wäre überrascht. Das Gespräch zwischen den beiden konnte er natürlich nicht hören, aber kurze Zeit später wurde der kleine Schwarz einfach von dem Knirps mitgezogen.
 

Ayas Augenbrauen wanderten steil in die Höhe. Was wurde das denn? Warum riss der Braunhaarige sich nicht einfach los? Gekonnt hätte er es, das stand fest und dafür hätte er sich noch nicht einmal bewegen müssen. Ein Gedanke, ein Zucken würde wohl ausreichen, um den wesentlich Kleineren wirkungsvoll von seiner Hand wegzubefördern. Doch Prodigy zappelte zwar etwas, doch man gewann den Eindruck, dass das eigentlich mehr als halbherzig war. Er schien ein wenig hin- und hergerissen zu sein, ob er nun mitgehen sollte, oder nicht.
 

Das Kind zog den Killer in Richtung Ken, der bis dahin keinen Blick mehr an den Spielfeldrand verschwendet hatte. Er hatte wohl beschlossen, seinen Feind einfach zu ignorieren und zu warten, bis dieser wieder verschwand.
 

Eine wahre Traube von Kindern bildete sich um das ungleiche Paar, dass sich noch immer langsam auf den Trainer der Gruppe zu bewegte. Nur drei der Kleinen, die gerade im Spiel mit Ken beschäftig waren, sowie dieser selbst bemerkten zunächst nichts von momentanen Mittelpunkt des Interesses.
 

Erst nach einer ganzen Weile fiel es dem Fußballer auf, dass er beinahe alleine war und er schaute hoch. Selbst auf diese Entfernung konnte Aya kurz ein gewisses Amüsement im Gesicht seines Kollegen erkennen, wenn auch nur für den Bruchteil einer Sekunde, er kannte ihn einfach zu gut. Und er musste selbst zugeben, dass es schon wirklich lustig aussah, wie da der kleinste Killer der gefürchteten Truppe Schwarz, mitten in einem Haufen kleiner Kinder stand und ganz offensichtlich nicht weiterwusste.
 

Der Junge, der ihn mitgezerrt hatte, sagte etwas zu Ken, woraufhin Prodigy wild den Kopf schüttelte. Der Weiß-Leader nahm an, dass der Zwerg wollte, dass der Fremde mitspielte, warum sollte er ihn sonst aufs Spielfeld schleifen? Und er hatte wohl mit seiner Vermutung, dass das Opfer ganz und gar nicht damit einverstanden war, ebenfalls recht gehabt.
 

Was würde Ken nun tun? Sein Kollege maß den Kleineren mit einem langen Blick, zuckte dann jedoch die Schultern und rief etwas, dass die Kinder begeistert quietschen ließ. Sofort zerstreuten sich alle wieder. Doch Prodigy entkam den Fängen seines kleinen Diktators nicht mehr. Das Kind schien es nicht zu interessieren, ob der Ältere nun wollte oder nicht, immer wieder wurde ihm der Ball zugespielt.
 

Mit einem Heben der Mundwinkel beobachtete Aya den Feind, wie er sich mehr schlecht als Recht durch das 'Spiel' kämpfte. Man sah, dass er weder Spaß daran hatte, noch dass er es besonders gut konnte, im Gegenteil, er stellte sich noch ungeschickter als Omi an und das wollte ja schon mal was heißen.
 

Irgendwann schien auch die Geduld des langmütigsten Trainers zu Ende zu sein und der kleine Junge stoppte den Ball, drehte sich in Richtung Ken und rief wohl nach ihm. Der Fußballer hatte sich wieder aufs Ignorieren verlegt und Prodigy keines Blickes gewürdigt, als könne er ihn dadurch weghexen.
 

Nun aber kam er schnell angetrabt, konzentrierte sich allerdings voll auf seinen Schützling. Dieser sprach kurz mit ihm, woraufhin Ken den Kopf hob und seinen Feind das erste Mal ansah. Der Schwarz schien erstaunlicherweise etwas nervös oder fast verunsichert zu sein, er trat von einem Fuß auf den anderen, kaum sichtbar, aber doch da.
 

Die beiden sprachen miteinander und der Weiß schien ein wenig seiner ablehnenden Haltung zu verlieren. Zu gerne hätte Aya gewusste, welche Worte dort gewechselt wurden, aber auf diese Entfernung war das unmöglich. Nahe genug heran konnte er auch nicht, weil es dort keinerlei Deckung für ihn gab.
 

Und wer wusste, wie nervös der kleine Hacker noch wurde, wenn auf einmal zwei Weiß auftauchten anstatt einem und der auch noch in dem selben Mantel, den er immer auf Mission trug. Lieber das Risiko nicht eingehen, die Kinder waren immer noch in der Nähe und jeder Angriff hätte sie in Gefahr gebracht.
 

Er zog sich noch ein klein wenig weiter zurück, währen Ken auf dem Spielfeld gerade mit Prodigy die Annahme eines Balles übte. Nicht, dass es viel genützt hätte, für Aya sahen die Bemühungen des feindlichen Killers immer noch genauso unbeholfen aus, wie am Anfang, wenn auch nicht mehr so verkrampft.
 

Nach und nach gesellten sich die Kinder wieder dazu und der Ball wurde weitergespielt. Sie schienen einen Heidenspaß dabei zu haben, das runde Leder herumzukicken und Ken wuselte zwischen ihnen herum, gab immer mal wieder Tipps und Anweisungen, bezog diesmal auch Prodigy mit ein, als wäre er einfach nur einer seiner kleinen Schützlinge.
 

Die Gruppe löste sich auf, als die Sonne begann, zu sinken, bis schließlich nur noch die beiden verfeindeten Killer auf dem Platz waren. Würde es jetzt zum Kampf kommen? Noch war der Park voll von Menschen. Noch sahen beide den Kindern hinterher, bevor Ken sich schließlich in Bewegung setzte und seine Sachen zusammenpackte.
 

Ayas Stirn runzelte sich wieder, als er sah, wie sein Kollege einen Moment lang zögerte, sich dann jedoch einen Ruck zu geben schien und zu dem Jungen hinüberging. Dessen Schuluniform hatte während des Spiels ordentlich gelitten und die sonst blassen Wangen waren von Laufen etwas gerötet. Die dunkelbraunen Haare kräuselten sich ein ganz kleines bisschen im Nacken, wo sie vom Schweiß etwas feucht waren.
 

Er sah hoch und sein Gesicht verschloss sich augenblicklich wieder, als er Siberian so nahe vor sich bemerkte. Es gehörte nicht viel Fantasie dazu, zu erraten, was der Kleine sagte und Ken zuckte nur die Schultern, antwortete knapp.
 

Prodigys Blick wandte sich ab, er schien nicht an weiterer Konversation interessiert zu sein. Der rothaarige Weiß konnte beobachten, wie sich der Fußballer zum Gehen entschloss, jedoch nach ein paar Schritten stehen blieb und etwas über die Schulter sagte.
 

Genau konnte er den Gesichtsausdruck des Schwarz nicht erkennen, aber er schien wirklich überrascht zu sein, über das, was er da hörte. Zu gerne hätte Aya gewusst, was Ken da von sich gegeben hatte, dass er den Hacker so aus der Bahn warf, dass er sein Gesicht nicht mehr unter Kontrolle hatte. Soweit er wusste, passierte das nur sehr selten, Prodigy war fast so gut wie er selbst und Oracle, wenn es um das Verstecken von Gefühlen ging.

Vielleicht lag es aber auch nur daran, dass sie eben nicht auf Mission waren, sondern wie ganz normale, junge Leute im Park Fußball spielten.
 

Kopfschüttelnd versuchte der Weiß-Leader diese Gedanken loszuwerden. Sie waren nun mal nicht normal, aus wenn Ken es in diesen paar Stunden schaffte, seinen Job zu vergessen und abzuschalten, Aya war sicher, dass auch der Fußballer immer den schalen Beigeschmack spürte, es nur nicht wahrhaben wollte, oder es verdrängte.
 

Er sah seinen Kollegen nun endgültig im Laufschritt verschwinden, wunderte sich einmal mehr über die Energie, die dieser immer noch hatte. Man sollte doch meinen, nach dem ganzen Gerenne mit den Kindern hatte er jetzt genug, aber dem war wohl nicht so.
 

Einen Moment noch blieb Prodigy stehen, drehte sich dann aber auch um und ging in die entgegengesetzte Richtung, nicht rennend aber auch nicht gemütlich. Nun gut, vielleicht hielt Oracle es ähnlich wie er selbst und wollte, dass der Jüngere pünktlich zu Hause war. Er fühlte sich auch nie wohl, wenn Omi abends alleine noch draußen war. Sicher, der Junge war ein Killer, würde also wissen, wie er sich zu verteidigen hatte, aber trotzdem war er erst siebzehn und noch fast ein Kind.
 

Erst nachdem beide eine ganze Weile außer Sicht waren, gab Aya seine Deckung auf und trat aus dem Schatten der Bäume. Der Wind frischte auf und nun war er froh, seinen Mantel anzuhaben. nicht, dass es etwa kalt wurde, nicht für normale Verhältnisse, aber er fror immer sehr schnell.
 

Er ließ sich Zeit, nach Hause zu kommen. Essen gab es immer erst spät, wenn keine Mission anstand und abends suchte sich jeder selber etwas, wenn er mal nicht da war und auf gemeinsames Essen bestand. Er fand einfach, dass gehörte zu einer Wohngemeinschaft dazu. Sie mussten sich Hundertprozent aufeinander verlassen können und Essen förderte ja bekanntlich sie soziale Interaktion... hatte er mal gelesen.
 

Es war ja nicht so, dass er sich irgendwie rege an der alltäglichen Essensschlacht beteiligte, denn nichts anderes war es, wenn Yohji anfing, Omi zu ärgern oder sich mit Ken um das letzte Stückchen Fleisch oder Reisbällchen fast prügelte. Es amüsierte ihn wider Willen, die anderen zu beobachten und es gab ihm das Gefühl, nicht alleine zu sein, nicht ganz jedenfalls. Er zeigte es niemals, aber er mochte die drei, mochte sie wirklich. Sie waren außer Aya-chan die einzige Familie, die er noch hatte.
 

Die Hände wieder tief in den Taschen seines Mantels vergraben stapfte er auf den Kiespfaden zurück nach Hause. Der Park leerte sich zusehends, je dunkler es wurde, doch ihn kümmerte das nicht, im Gegenteil, er bevorzugte es, nicht viele Leute um sich zu haben, am besten niemanden. Er konnte es sich immerhin zeitweise einreden, dass es so war.
 

Seine Gedanken kreisten wieder um sein zentrales Problem. Was sollte er nun tun? Sollte er überhaupt etwas tun? Er gab es ja nicht gerne zu, aber das, was er gesehen hatte, verwirrte ihn. Vielleicht war das ja eine neue List von Schwarz, sie nacheinander aufzureiben, vielleicht sogar, gegeneinander aufzuhetzen?
 

Wenn ja, dann musste er den Kontakt, den Ken da gepflegt hatte, so schnell wie möglich unterbinden. Der Jüngere war manchmal so naiv, hatte man ja an seinem ehemals besten Freund gesehen, der ihn beinahe umgelegt hätte. Einmal mehr dankte Aya seiner Vorahnung, dass er Ken gezwungen hatte, eine kugelsichere Weste anzuziehen.
 

Andererseits, welchen Grund hätte Schwarz, es derart umständlich anzugehen? Sicher, sie waren starke Gegner, aber nicht unbesiegbar, schon gar nicht für vier Killer mit übersinnlichen Fähigkeiten.
 

Eine ganz andere Möglichkeit wäre natürlich, dass die Begegnung wirklich nur Zufall gewesen war und Ken einfach Mitleid mit dem Jüngsten Schwarz gehabt hatte. Passen würde es ja zu ihm und bis zu einem gewissen Punkt konnte er das ja auch verstehen. Der Junge hatte wirklich verloren ausgesehen, wie er da herumgestanden war.
 

Diese Vermutung wurde durch den Eindruck unterstützt den Prodigy gemacht hatte, als er sich dann schließlich auf das Spiel mit den Kindern eingelassen hatte. Er wirkte nicht mehr so verkrampft, sonder beinahe... zufrieden? Vielleicht... Aber er war immer noch der Feind, daran ließ sich nichts rütteln! Er hatte Aya-chan beinahe auf dem Gewissen. natürlich war es hauptsächlich Masterminds Schuld, aber der Kleine war beteiligt gewesen genauso wie die anderen beiden, dieser dreimal verfluchten Gruppe.
 

Sein Hass wallte aufs Neue auf und er war froh darum. Hass war besser als das Mitleid, dass er dem Feind gegenüber empfunden hatte. Feinde bemitleidete man nicht, Feinde eliminierte man und Schluss.
 

Außerdem wollte er lieber gar nicht wissen, wie ihr Auftraggeber darauf reagierte, wenn er erfuhr, dass Ken und Prodigy sich begegnet waren, und nicht mit einander gekämpft, schlimmer noch, einträglich miteinander Fußball gespielt hatten. Das Leben seines Kollegen wäre verwirkt, keine Chance diesen 'Verrat' irgendwie wieder gut zu machen.
 

Er seufzte tief. Eine wirklich verfahrene Situation. Er würde seinen Kollegen natürlich decken, solange er nicht hundertprozentig wusste, was da vor sich ging, doch die Götter mochten Ken gnädig sein, wenn er herausfand, dass der Jüngere das Team tatsächlich verriet. Dann würde ihn noch nicht einmal der Schutz seiner Freunde vor Ayas Hass bewahren. Er mochte den Fußballer wirklich gern, aber in dieser Hinsicht gab es für ihn selbst nur Schwarz oder Weiß, Verräter oder Verbündeten.
 

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Yohji lag auf seinem Bett, rauchte und starrte an die Decke. Das Fenster stand sperrangelweit offen und ließ die kühle Nachtluft ins Zimmer. Er wagte nicht, es zu schließlich, während er an einem Glimmstängel zog, zu groß war die Gefahr, dass Aya den Rauch roch und sich beschwerte. Der letzte Streit dieser Art war ziemlich unschön für seine Person ausgegangen, denn obwohl der schmale Rothaarige nicht danach aussah, war er auch ohne Schwert ein ernstzunehmender Gegner. Also ließ er eben das Fenster offen und sparte sich selbst damit viel Unmut.
 

SO schlimm war das ja auch nicht, er hatte immer noch die Hoffnung, dass die Überdosis Sauerstoff in Verbindung mit einer Portion Nikotin seine Gedanken klärte und dafür sorgte, dass er den Vorfall am Morgen endlich abhaken konnte. Er wusste immer noch nicht, was in ihn gefahren war, dass er so lange da gestanden hatte, ohne zu merken, dass das Wasser überlief.
 

Fast die ganze Zeit, die er zum Putzen hatte aufwenden müssen, hatte er nicht nur in Gedanken geflucht, aber zum Glück waren ja keine Kunden mehr da gewesen, sonst hätte er sich gleich den nächsten Ärger eingehandelt. Er machte langsam ja sogar Ken Konkurrenz, der mit seiner Tollpatschigkeit immer noch die Spitze an Rüfflern ihres Anführers hielt. Omi wurde nur selten mit unfreundlichen Worten bedacht, was wohl daran lag, dass Aya den Kleinen trotz seiner Verwandtschaft auf irgendeine Art ins Herz geschlossen hatte, sofern er denn so was besaß. Manchmal bezweifelte der Playboy es wirklich, vor allem, wenn er die Gnadenlosigkeit in Betracht zog, die der Rothaarige gegenüber seinen Feinden an den Tag legte.
 

Er schauderte ein wenig, nicht nur aufgrund der Kühle im Zimmer. Nein, er war froh, dass er sich trotz seines Jobs, trotz Asukas Tod ein Stück seiner Menschlichkeit bewahrt hatte. Er hasste das Töten nach wie vor, ihrem Leader schien es einfach egal zu sein. Ob er niemals Gewissensbisse hatte? Quälten ihn niemals Alpträume, in denen ihn die ermordeten verfolgten, versuchten, ihn endgültig mit hinab in den Sumpf des Verderbens zu ziehen, in dem sie ohnehin alle steckten? Er wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war bis...
 

Sein Handy piepte zwei Mal. Träge legte er die Zigarette in den Aschenbecher auf seinem Nachttisch und tastete nach dem kleinen Gerät, das ebenfalls dort irgendwo lag. Er fand es und ein Blick auf das Display genügte, um ihn die Augen verdrehen zu lassen. Schon wieder Mariko. Wurde es das Weib denn nie leid, Abfuhren von ihm zu kassieren? Ok, er war ein paar Mal mit ihr aus gewesen, hatte auch eine Nacht mit ihr in ihrer Wohnung verbracht, aber das war nichts, woran er sich hätte erinnern müssen. Die blonde Frau war im Bett so, wie sie auch sonst war, langweilig, oberflächlich und gewöhnlich.
 

Er gähnte, überflog die Nachricht rasch und drückte auf 'löschen'. Er hatte wenig Lust, sich mit der zu treffen, er hatte überhaupt keine Lust, irgendeine Frau zu treffen. Lieber rauchte er seine Zigarette fertig und hing etwas seinen Gedanken nach.
 

Asukas Bild tauchte vor seinem inneren Auge auf, verdrängte alle anderen Frauen, von denen er sich an die meisten ohnehin nur verschwommen erinnerte. Klar und deutlich sah er das Gesicht der einzigen Person, die er jemals wirklich geliebt hatte. Sie war seine Gefährtin gewesen, seine Freundin und Geliebte, sein Halt, seine Stütze und sein Kissen, auf dem er sich ausruhen konnte, alles zugleich.
 

Seit sie tot war, spielte er nur noch mit den Frauen, keine hatte es bisher vermocht, ihn länger als ein paar Tage zu interessieren. Richtig schlimm war es aber eigentlich erst geworden, als er sie eigenhändig umbringen musste. Die Tat nagte schwer an ihm, obwohl er genau wusste, dass er keine andere Wahl gehabt hatte. Der einzige Trost, den er hatte bestand in der Tatsache, dass er sich weiterhin einreden konnte, dass dies nicht mehr seine Asuka gewesen war. Die Frau, die er geliebt hatte, war schon vor Jahren gestorben und Neu hatte versucht, ihn umzubringen, eiskalt und mitleidslos, ganz anders als die fröhliche, lachende Person, die sie einmal gewesen war.
 

Rasch verdrängte er den Schmerz, der in ihm hoch kroch und zündete sich eine neue Zigarette an, nachdem er die aufgerauchte im Aschenbecher ausgedrückt hatte. Er musste aufpassen, sonst verfiel er wieder in eine seiner melancholischen Phasen und er hatte nicht genug Alkohol da, um sich darin zu ertränken. Und weggehen wollte er auch nicht, er ertrug in Momenten wie diesen nicht, wenn sich Frauen an ihn hängten, ihn anflirteten. So sehr er auch die weibliche Gesellschaft sonst suchte, wenn er in einer Stimmung wie dieser war, ekelte ihn das affektierte Getue, dass die meisten Weiber in den Discos so an sich hatten, einfach nur an. Ansonsten waren sie immer willkommen, sie hielten ihn mehr oder weniger wirkungsvoll vom Nachdenken ab.
 

Sonst war er abends fast nie zuhause, denn dann passierte zwangsläufig so was wie jetzt gerade. Doch bevor er sein kleines Problem nicht in den Griff bekommen hatte, machte es wenig Sinn, eine Frau abzuschleppen. Vielleicht sollte er einfach nur weniger trinken, dann würde sich ihm zumindest nicht die Frage stellen, was am Vorabend passiert war.
 

Wäre so etwas nun ein einmaliger Vorfall, würde er sich nicht weiter darum scheren, doch es häufte sich in den letzten Wochen fast schon bedenklich, was zur Folge hatte, dass er oftmals gar nicht erst wegging. Geld hatte er genug, aber auf Dauer schadete der Alkohol nun mal seinem Körper und der war nicht nur sein Statussymbol, sondern vor allem auch die Lebensversicherung in seinem nächtlichen Job.
 

Er angelte sich die Fernbedienung und schaltete die Stereoanlage ein. Eine Weile tippte er durch die verschiedenen Radioprogramme, fand aber nichts, was ihm zusagte. Auch wenn man es bei ihm nicht vermutete, wenn er nicht gerade ausging, mochte er lieber ruhige, angenehm harmonische Musik, nicht die hämmernden Beats, die im Moment so in waren. Zum Tanzen gut, zum Entspannen allerdings gar nichts.
 

Er tippte auf die Taste, die den CD-Player aktivierte und schloss die Augen, als die sanften Klänge eines europäischen Komponisten aus den Lautsprechern drangen. Aus welchem Land die Musik kam, oder in welcher Sprache sie gesungen wurde, war ihm eigentlich gleichgültig, auch wenn er den Text nicht verstand, solange nur die Melodie stimmte.
 

Schnell drückte er den Glimmstängel aus, den er noch immer in der Hand hielt und schloss die Augen, ließ die Musik wirken. Nach und nach entspannte sich sein Körper und auch die Gedanken ruhten ein wenig. Eine angenehme Trägheit machte sich in ihm breit, wie er sie schon sehr lange nicht mehr gespürt hatte, doch irgendwas hielt ihn davon ab, zu hinterfragen, wo diese so plötzlich herkam. Er wollte eine Weile einfach nur zufrieden sein.
 

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Schuldig lehnte sich zufrieden zurück. Sein neuestes Spielzeug reagierte genau so, wie er es wollte. Diese Gedanken waren ja nicht mehr auszuhalten gewesen, so trist und depressiv. Da wurde ja jeder normale Telepath krank von! Das konnte er sich und seinen Leidensgenossen ja nicht antun. Also hatte er mal eben eingegriffen und das Karussell in Balineses Kopf wirkungsvoll gestoppt.
 

Der Depp führte das auch noch auf die Musik zurück. Die schläferte einen höchstens ein, so langweilig war sie. Na schön, der Komponist war auch Europäer, von denen konnte man nicht allzu viel erwarten, das wusste er aus Erfahrung. Ganz schlimm waren da die Franzosen, aber dafür hatten die wenigstens andere Qualitäten... das Schicksal sorgte schon irgendwie für Ausgleich.
 

Er hatte den Playboy immer mal wieder 'besucht' an diesem Nachmittag und sich köstlich über dessen Gedanken amüsiert. Durch seine Augen hatte er die Frauen beobachtet, abgecheckt und sich danach bei zweien in die Köpfe geschlichen, um zu prüfen, ob sich eine Begegnung in real lohnte. Nur das Gekreisch dieser dämlichen Mädchen, das in Yohjis Kopf geradezu widergehallt hatte, hatte ihn wirklich aufgeregt. Er fragte sich ernsthaft, wie die vier das den ganzen Tag aushielten.
 

Siberian war dann auch ziemlich schnell verwunden und eigentlich hätte er sich den Blick in dessen Kopf sparen können. Wo sollte der Trottel denn hin, wenn nicht zum Fußballspielen? Der hatte ja keine anderen Hobbies. Und das, obwohl er wirklich mal was neues anzuziehen vertragen hätte. Herrgott, der Kerl war doch nicht hässlich, nicht sein Geschmack, er stand nicht auf kleine, muskulöse Sportler, aber objektiv betrachtet, war er ganz ansehnlich, wenn er nur nicht immer so altbacken herumlaufen würde. Und eine neue Frisur wäre auch mal ganz gut, der ungekämmte Wuschellook war doch schon längst aus der Mode! Dass er selbst nur ein paar Zentimeter größer war als eben bedachter, ließ er wohlweislich weg. Bei ihm wirkte das ganz anders.
 

Gemächlich wickelte er sich eine lange, orangefarbene Strähne um den Finger, spielte ein wenig damit herum und rückte schließlich sein neu gekauftes, todschickes Bandana zurecht, das ihm wirklich ausgezeichnet stand. Das Weiß hob die außergewöhnliche Farbe seiner Haare noch besonders hervor und schmeichelte seinem leicht gebräunten Teint.
 

Nur mit Jeans bekleidet lümmelte er auf seinem breiten Bett, dreht sich schließlich auf den Bauch und schlenkerte mit den Beinen. Das heute Morgen war wirklich lustig gewesen, als Balinese so verwirrt gewesen und sogar ausgerutscht war. So kannte man den arroganten Playboy gar nicht.
 

Suchend ließ er seinen Blick über den geöffneten, begehbaren Kleiderschrank wandern. Ach ja, es hatte schon Vorteile, in einer Villa zu wohnen, aber andererseits wüsste er auch nicht, wo er sonst seine Klamotten hintun sollte. In einen normalen Schrank passten sie jedenfalls nicht, das hatte er nach dem letzten Umzug gemerkt. Also nutzte er das ehemalige Ankleidezimmer, das neben seinem lag, das brauchte sowieso niemand. Und dort drin war so herrlich viel Platz, da konnte er noch lange einkaufen gehen.
 

Er war noch unentschlossen, was er heute Abend tragen sollte. Ganz in weiß, um sofort die Aufmerksamkeit in seiner Lieblingsdisco aus sich zu ziehen? In dem Schwarzlicht, das dort herrschte, würde er eine wahre Lichtgestalt sein. Eine Überlegung wert, durchaus.
 

Allerdings könnte er sich natürlich auch dunkel kleiden, um die Aura des Mystischen und Gefährlichen, die ihn umgab, wenn er es darauf anlegte, noch zu verstärken. Kam ganz darauf an, was er heute suchte. So wie die Aktien standen, war ihm eher nach einem Partner, der ihn ein wenig forderte. Ob Mann oder Frau würde er dann entscheiden, wenn er sich das Angebot betrachtet hatte, er legte sich da im Vorhinein selten fest.
 

Er könnte natürlich auch mit schreiend bunter Kleidung gehen, würde zwar etwas Aufwand bedeuten, weil diese Sachen selten aus seinem Schrank kamen und daher ganz unten verstaut lagen. Aber so was zog meistens irgendwelche Freaks oder Ökos an, die lieber über die Schädlichkeit der Zigarette in seiner Hand oder die Gefahr des Alkohols in seinem Drink diskutierten, ihm sämtliche Schäden, die diese in seinem Körper anrichteten, angefangen vom Lungenkrebs bis hin zur Leberzirrose in alle Details beschrieben, als zu tanzen und vielleicht ein bisschen Spaß zu haben.
 

Er war keine Schlampe, er sprang nicht mit jedem oder jeder die er traf in die Kiste... nur fast. Er liebte es nur, zu flirten, zu spielen, zu reizen und manchmal auch zu provozieren. Viele der Menschen, mit denen er an einem Ausgehabend sprach, interessierten ihn kein Stück, er vergaß sie, sobald sie aus seinem Blickfeld verschwanden. Die meisten ihrer Geister waren oberflächlich und langweilig, grausam.
 

Und selbst bei ihm, als Telepath, kam es vor, dass er sich in jemandem täuschte, entschied er sich wirklich dafür, mehr zu wollen als nur nettes Geplänkel. Manche Frauen dachten an etwas ganz anderes, wenn man mit ihnen schlief, nicht viele, zugegeben, aber doch en paar und es gar nichts, was ihn mehr störte. Warum baggerten die ihn denn an, wenn sie doch nichts von ihm wollten?
 

Allein deshalb hatte er in letzter Zeit lieber Männer als (Bett-)Partner, die waren wenigstens bei der Sache und ließen sich nicht durch irgendwelche nichtigen Fragen ablenken, wie zum Beispiel, ob man nun im Licht der Toilette die drei Stellen Cellulitis in ihrer rechten Kniebeuge sehen konnte oder nicht. Wen interessierte denn das? Er wollte nicht ihre Kniebeuge sehen, wenn er sie vögeln wollte, das ganz bestimmt nicht. Das war wohl das allerletzte was ihn in diesem Moment interessierte.
 

Männer machte sich höchstens Gedanken um die Länge ihres... na ja das sah er ja noch ein, obwohl ER da natürlich keinerlei Probleme hatte. Er war ihm eigentlich auch reichlich egal, ob sein Partner nun groß, klein oder sonst wie geartet war, er war ja schließlich kein Uke. Niemals. Das fehlte ja gerade noch, dass er sich von irgendeinem dahergelaufenen Kerl... bäh nein danke.
 

Mit einer eleganten Bewegung schwang er sich von Bett auf die Füße. Seinem Körper gönnte er einen kurzen Blick im Spiegel. Zufriedenstellend. Er sollte mal wieder in den Trainingsraum gehen. Sein Bauch war natürlich flach wie immer, etwas anderes ließ er gar nicht erst zu, aber ein paar kleine Muskeln mehr würden ihm sicher nicht schaden. Nicht so bodybuilder-mäßig, aber ein wenig mehr war schon in Ordnung. Seine Haut war straff und glatt, na ja er war ja auch erst vierundzwanzig, wäre schlecht, wenn er jetzt schon nachließ. Dann konnte er sich ja gleich einmotten lassen.
 

Es hatte schon Nachteile, wenn man dich im Kampf auf seine Gabe und eine nette kleine Schusswaffe verlassen konnte, man trainierte seine körperlichen Kräfte weniger. Er war eben nicht Farfarello, den man nicht selten beim Gewichtheben finden konnte, wenn er nicht gerade in der Küche stand oder das riesige Haus putzte. Angeblich schmerzte das ja auch Gott, warum hatte er allerdings noch nicht herausfinden können. Man sah es dem Iren unter seiner gewöhnlichen Kleidung nicht wirklich an, aber er hatte wirklich Kraft und war niemand, mit dem sich Schuldig irgendwann mal anlegen wollte, egal aus welchen Gründen.
 

Obwohl sie nun schon so lange zusammenarbeiteten, wurde er aus dem Weißhaarigen nicht schlau und er hatte den Verdacht, dass es Crawford ähnlich ging. Er ging das Risiko nicht ein, in den wirren Geist zu tauchen, auch wenn Farf die meiste Zeit eigentlich gar nicht so verrückt wirkte. Aber er hatte keine Ahnung, wie es in dem Kopf des Anderen aussah und deswegen ließ er es lieber ganz bleiben, er hatte nämlich keine Lust, auf ewig in einem fremden Geist gefangen zu sein oder sich sogar ganz darin zu verlieren, das musste ganz furchtbar langweilig sein, vor allem, weil er bezweifelte, dass er im Notfall Gewalt über seinen Kollegen hatte.
 

Selbst bei Nagi tat er sich da schon schwer. Der Junge war unglaublich stark, wenn er es wollte und er lernte schnell, wirklich schnell. Wenn er richtig sauer war, half nichts und niemand, sein Toben zu bändigen, dann konnte man nur warten und hoffen das man, die Umgebung, inklusive der eigenen Person den Wutanfall überlebte. Brad schaffte es ab und zu, den Jungen in solchen Situationen in die Schranken zu weisen, weil er doch so etwas wie eine Vater- oder zumindest Respektfigur war, er selbst hatte wirklich Mühe, Kontrolle über den Geist des Jüngeren zu bekommen und die Kräfte so lange zu blocken, bis er wieder ruhig war.
 

Seine Schritte trugen ihn in seinen Kleiderschrank, wo er sich einmal um die eigene Achse drehte. Viel Auswahl... Er schloss die Augen, streckte die Hand aus und griff willkürlich in die Reihe von Hosen, fühlte Leder unter seinen Fingerspitzen. Er sah wieder hin. Ja, die war in Ordnung, matt dunkelgrün. Also, dann dunkles Outfit. Ein schwarzes Hemd, das am Hals mit Bändern geschlossen oder in seinem Fall, nicht geschlossen war passte hervorragen dazu, seine schwarzen Stiefel und ein dunkles Bandana, das er natürlich in weiser Voraussicht heute Morgen ebenfalls besorgt hatte, wie auch gleiche Stücke in allen anderen Farben. Man wusste ja nie, zu welcher Kleidung man es womöglich trug.
 

Er streifte die bequeme Jeans ab, überlegte kurz und entfernte die Boxershorts gleich mit. Es sah äußerst unvorteilhaft aus, wenn man unter einer engen Lederhose die Unterwäsche sah, das war nicht sexy. Das weiche, anschmiegsame Material der Hose fühlte sich sehr angenehm auf seiner Haut an. Er schlüpfte in das Hemd, schnürte es nur nachlässig so dass ein Stück seiner nackten Brust unter dem dünnen Stoff hervorblitzte. Dann wechselte er das Bandana, betrachtete sich noch einmal prüfend im Spiegel und nickte zufrieden. Die dunkle Farbe seiner Kleidung hob sein exotisches Äußeres, insbesondere seine orangefarbenen Haare wirkungsvoll hervor, die knapp sitzende Hose betonte seinen Hintern und überließ dennoch genug der Fantasie, um neugierig zu machen.
 

Ein Blick auf die Uhr mahnte ihn, sich ein bisschen zu beeilen, wollte er heute noch irgendwen für die Nacht finden, sofern ihm nachher der Sinn danach stand und so schloss er rasch die Schnallen seiner Stiefel, nahm sich seinen Schlüssel und schnappte sich die Lederjacke vom Haken, nachdem er lautstark die Treppe hinuntergepoltert war.
 

Ohne auf den wütend gebrüllten Kommentar aus einem der oberen Zimmer zu achten, warf er die Haustür ins Schloss und schwang sich in sein Auto. Geld hatte er absichtlich keines mitgenommen, wozu war man schließlich Telepath, wenn man seine Gabe nicht für so etwas benutzte? Skrupel hatte er da keine, warum auch?
 

Er setzte sein Lieblingsgrinsen auf parkte schwungvoll aus der Einfahrt aus. Der Abend konnte nur ein Erfolg werden.

Morgendliches Chaos

Autor: CatherineMiller

Titel: Bittersweet Feelings

Fandom: Weiß Kreuz

Kapitel: Morgendliches Durcheinander

Teil: 10/?

Pairings: RanxNagi; BradxKen; SchuldigxYohjixSchuldig; FarfxOmi

Warnungen: keine

Danksagung: Vielen Dank an mein Betas emilyheart (kei83) und Corrychan, die sich

fleißig durch meine tausend Tippfehler mühen!

Sonstiges: Sooo der erste schritt in die Zukunft ist getan ^^
 

Kommentare:
 

@yinni: *grinsel* Dankesehr ich werde mich bemühen ^^

@Kayla: Eine meiner treuesten Leserinnen und Kommischreiberinnen ^^ *nochmal wirklich bedank* Und dann werde ich auch noch mit Sorion-sama verglichen *vergötter* Colours ist WIRKLICH toll *nur zustimmen kann* Und ich fühle mich wirklich geehrt! *nick nick* Viel Spaß noch beim weiteren Lesen
 


 

Mitten in der Nacht klappte eine Tür. Das Geräusch hallte leise in dem hohen Flur wieder. Kleine, nackte Füße tapsten über den dicken Teppich, verursachten so gut wie kein Geräusch. Nur das protestierende Knarren einiger alter Bodendielen zeigte an, dass gerade jemand unterwegs war.

Wieder wurde eine Türe geöffnet, leise wieder geschlossen. Er blickte zu dem großen Bett, dessen Umrisse man in der Dunkelheit kaum ausmachen konnte, doch seine Beine trugen ihn mit schlafwandlerischer Sicherheit hinüber. Fast hätte er gezögert, doch dann wurde die Bettdecke wortlos angehoben, so dass er darunter schlüpfen konnte. Schnell krabbelte er auf die Matratze, rutschte eng an den warmen Körper heran und vergrub sein Gesicht im Stoff des Shirts, das die kräftige Brust bedeckte. Tief atmete er den vertrauten Geruch ein, spürte, wie sich starke Arme um ihn schlossen, ihn festhielten, ihm ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit gaben.

Er wusste zwar genau, dass er am Morgen wieder allein sein würde, aber jetzt war er da, passte auch ihn auf und würde nicht zulassen, dass die Alpträume wiederkamen.

Trotzdem dauerte es, ganz anders als sonst, wesentlich länger, bis er endlich wieder einschlief und er spürte deutlich, dass er nicht alleine war mit seinen überspannten Nerven. Er schloss die Augen und irgendwann bequemte sich die Müdigkeit wieder, ihn zu übermannen.
 

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Omi schlug die Augen auf. Wie immer tat er sich schwer damit, aufzuwachen oder seinen Körper überhaupt dazu zu bringen, auf die Helligkeit im Zimmer zu reagieren. Wieso war es hier so hell? Er machte doch abends immer seine Rollläden zu, damit ihn erstens das Licht morgens nicht störte und er zweitens nachts keine Panik bekam, wenn er aufwachte und in die Dunkelheit hinaussehen konnte.
 

Sein Gehirn brauchte etwas, bis es sich dem Zustand seines Körpers anpasste und ebenfalls aufwachte. Er erinnerte sich, warum er nicht in seinem eigenen Zimmer war, warum er in einem fremden Bett lag und warum ihm von der Wand gegenüber eine Fußballmannschaft anstarrte, anstatt dass ihm seine Lieblingsfiguren aus Final Fantasy entgegensahen.
 

Er hatte schlecht geträumt und sich danach nicht getraut, wieder einzuschlafen. Also hatte er sich aufgerafft, war über den ausnahmsweise aufgeräumten Flur gewandert und zu Ken ins Bett gekrabbelt. Hatte er schon längere Zeit nicht mehr gemacht und er konnte sich nicht einmal erinnern, was er denn so Furchtbares geträumt hatte.

Und wie immer war er am Morgen allein aufgewacht. Ken war immer schon früher weg, er stellte auch niemals Fragen, sondern ließ Omi einfach immer wieder in sein Bett, etwas, was ihm der Jüngere hoch anrechnete. Er konnte meist nicht einmal mehr sagen, was ihm nachts solche Angst gemacht hatte und er war immer mehr als froh, dass sein Freund darüber nie ein Wort verlor, sondern ihn morgens ganz normal wie immer weckte.
 

Langsam streckte er sich und warf einen Blick auf die Uhr. Halb sieben, sehr früh für seine Verhältnisse, normalerweise musste man ihn erst in einer halben Stunde fast gewaltsam aus dem Schlaf reißen. Also nutzte er die Zeit, um noch ein bisschen nachzudenken, bevor Ken hereinkam und der Alltag endgültig begann, er aufstehen und in die Schule gehen musste.
 

Aya musste gestern Abend erst sehr spät heimgekommen sein, er hatte ihn jedenfalls nicht mehr gesehen und so aufgeräumt, wie der Flur heute Nacht gewesen war, musste er nach allen anderen in sein Zimmer gegangen sein, denn besonders Ken hatte die Angewohnheit, seine Sachen überall liegen zu lassen und er selbst war prädestiniert dafür, darüber zu fallen.
 

Er rollte sich noch einmal unter der warmen Decke zusammen, versuchte sich so klein wie möglich zu machen, vielleicht würde ihn sein Kollege dann ja übersehen. Ob sein Leader ihn heute Morgen wieder in die Schule fahren würde? Wahrscheinlich, da er ja so gut wie jeden Tag den Bus verpasste. Ein bisschen peinlich war es ihm ja schon, jedes Mal die Dienst des Rothaarigen in Anspruch nehmen zu müssen, aber auf der anderen Seite schaffte er es eigentlich nie, pünktlich das Haus zu verlassen, von wenigen Ausnahmen einmal abgesehen, egal wie früh Ken oder Aya ihn weckten.
 

Seufzend setzte er sich schließlich um zehn vor sieben auf und schwang die Beine aus dem Bett. Brachte ja doch nichts, hier weiter herumzuliegen und außerdem hatte er ja heute einen Anreiz, in die Schule zu gehen. Sonst war das für ihn immer tödlich langweilig. Um nicht ganz so sehr aufzufallen, musste er sich meistens bedeckt halten, auch mal mit Absicht eine schlecht Note schreiben. Allerdings machte er das nur, wenn es dem Gesamtergebnis nicht mehr schadete, er wollte ja schließlich einen guten Abschluss schreiben und da zählten die Noten jetzt auch schon.
 

Probleme hatte er eigentlich keine, seine Lehrer waren nett, wenn auch manchmal etwas langweilig, seine Klassenkameraden zwar oberflächlich, aber im Großen und Ganzen in Ordnung und der Schulstoff bestenfalls ermüdend, aber keinesfalls schwierig. Es war wirklich selten, dass er für die Hausaufgaben länger brauchte, weil sie zu schwer waren, eigentlich nur, wenn die Lehrer ihnen umfangreiche Aufgaben erteilten oder er währenddessen immer wieder von etwas abgelenkt wurde.
 

Aber heute war etwas Besonderes, heute würde ein neuer Schüler in ihre Klasse kommen. An sich war das nicht so unglaublich ungewöhnlich, oftmals wurden ihnen Neue zugeteilt, wenn man glaubte, dass diese höherbegabt als normale Jugendliche waren, aber die wenigsten von ihnen schafften das gesteigerte Niveau ihres Unterrichts und gingen lieber wieder zurück in ihre eigenen Klassen oder gar Stufen. Alles, was er über den Neuen wusste, war, dass er wohl extrem gut sein musste, zumindest in den relevanten Fächern und dass er zwei Jahre jünger war als sie.
 

Das war nun wirklich etwas Außergewöhnliches, denn bis jetzt war er selbst mit siebzehn das jüngste Mitglied des Klassenverbandes gewesen. Sollte der wirklich erst fünfzehn sein, so würde er nächstes Jahr mit sechzehn schon seinen Schulabschluss machen und das dürfte neuer Rekord an ihrer Schule sein. Wenn er den dann noch tatsächlich in ihrer Klasse schaffte, standen ihm wohl Tür und Tor für alle Wege in seinem Leben offen, jede Universität würde ihn mit Handkuss und Stipendium nehmen.
 

Omi hoffte nur, dass das nicht noch so eine kleine, klugscheißerische Brillenschlage war, aus denen die Hälfte der Gruppe bestand und die nur ihre Bücher und sonst nichts kannten. Die meisten wussten noch nicht mal, wo man einen Computer anschaltete.
 

Und der Großteil des Rests waren entweder Prolos, die dauernd ihre Klappe zu weit aufrissen, obwohl nichts dahinter steckte, und die nur dank Papis Finanzspritze überhaupt noch an der Schule waren. Nur eine handvoll Leute waren einfach nur normal, mit denen konnte man auch mal nachmittags durch die Stadt ziehen oder Eis essen.
 

Richtige Freunde hatte Omi in der Klasse ja nicht, aber das lag eher daran, dass er zwar immer nett und freundlich zu allen war, sie aber sonst auf Distanz hielt. Er durfte sich einfach nicht näher mit jemandem anfreunden, zu groß wäre das Risiko, denjenigen in Gefahr zu bringen. Und mit den Mädchen war das so eine Sache... sie waren ja ganz nett, aber furchtbar aufdringlich, nicht nur im Laden, sondern auch in der Schule, vor allem in den Pausen. Er wusste gar nicht, was so toll an seiner Person war, dass man sich immer um ihn scharen und ihn anfassen musste.
 

Er war klein für sein Alter, zierlich und hatte seiner Meinung nach eher einen weiblichen als einen männlichen Touch, keine tiefe Stimme, keine sonstigen Besonderheiten. Aber wenn er noch einmal das Wort 'süß' im Zusammenhang mit seinem eigenen Namen hörte, dann musste er sich wohl zusammenreißen, um nicht unhöflich zu werden. Er war weder süß, noch niedlich oder putzig! Es reichte ja schon, wenn Yohji ihn immer mit diesem spöttisch-gehässigen Unterton 'Sexy' nannte. Als ob das passen würde! Er kannte den Playboy nun schon so lange und trotzdem störte ihn der dämliche Spitzname immer noch, genauso wie alle anderen, die er in den Jahren verpasst bekommen hatte. Man musste doch nicht immer darauf herumreiten, dass er der Kleinste ihres Teams war, schließlich erledigte er die ganze Vorarbeit ihrer Aufträge, schlug sich regelmäßig die Nächte um die Ohren, nur um dann am nächsten Morgen in der Schule dauernd gefragt zu werden, ob es ihm auch gut ginge.
 

Mit einem leisen Grummeln machte sich sein Magen bemerkbar, dass er sich gefälligst im Bad beeilen sollte, um ihn zu füllen. Also schlurfte der blonde Junge gemächlich über den Flur in sein Zimmer und dann, mit frischen Sachen auf dem Arm, in Richtung des gekachelten Raums, aus dem er auch erstaunlich schnell wieder gewaschen und angezogen herauskam.
 

Unten in der Küche wurde er überrascht von drei Augenpaaren gemustert, wobei er genauso erstaunt zurückblickte. Was machte Yohji denn hier? der hatte doch gar keine Frühschicht! War der Ältere krank, dass er trotzdem freiwillig aufstand? Und er musste schon eine ganze Weile wach sein, denn er war bereits geduscht, angezogen und frisiert.
 

Der Playboy fing sich als erster wieder. "Morgen, Sexy, was treibt dich denn schon herunter?" Omi warf ihm nur einen giftigen Blick zu und entschied, dass er aufgrund des ungeliebten Kosenamens heute nicht antworten würde. Er setzte sich an den Tisch, wo bereits seine Reispops, sowie ein Becher Kaba standen und nur darauf warteten, in seinen Magen zu wandern.
 

Aya hatte nur einen Moment von dem Brot aufgesehen, dass er gerade schmierte, und sich gleich wieder seiner Arbeit zugewendet. Trotzdem entging Omi nicht, dass sein Anführer heute noch blasser war als sonst. Und wenn er sich nicht ganz täuschte, waren da sogar Augenringe zu erkennen. Doch er hütete sich, danach zu fragen, sonst musste er am Ende noch mit dem Bus fahren, oder gar laufen.
 

Ken enthielt sich dem 'Gespräch' und kaute nur weiter auf seinem Toast herum. Er trug noch immer sein Schlafshirt und Boxershorts, weil er Omi nicht durch Suchen im Kleiderschrank hatte wecken wollen, als er heute Morgen aufgestanden war. Der Kleine hatte so friedlich geschlafen, dass er entschieden hatte, ihm noch etwas Ruhe zu gönnen, nachdem er sich die halbe Nacht an ihn geklammert hatte.
 

Er fragte nie, warum Omi zu ihm kam, konnte sich schon vorstellen, dass diesen die Albträume genauso sehr plagten wie ihn selbst, wenn auch häufiger. Und wie immer war er gegen sechs aus dem Bett verschwunden, damit es dem Chibi morgens nicht am Ende noch peinlich war, dass er wie ein Kind, das Angst vor der Dunkelheit hatte, zu ihm gekommen war. Ihm machte das nichts aus, wenn der Kleine da war, schlief er ruhig und sein Bett war breit genug, dass sie keinen Platzmangel hatten.
 

Omi gähnte verhalten hinter seinem Löffel hervor. So ganz wach war er immer noch nicht. Wie er doch dieses frühe Aufstehen hasste! Lieber arbeitete er nachts lang, als morgens schon so früh wieder auf der Matte stehen zu müssen. Aber das sahen die Schulbehörden leider anders und um der lieben Tarnung willen ging er eben jeden Tag hin. Naja so gut wie jeden.
 

Wenn er ganz ehrlich war, machte er das nicht nur für Weiß, sondern weil es eben sein Stückchen Normalität war. Ken ging zum Fußball, Yohji zog abends durch die Kneipen und er ging eben wie jeder halbwegs intelligente Junge seines Alters, in die Schule. Was Aya machte, wusste er nicht. Vielleicht ging er ja zu seiner Schwester...
 

Er hatte den Rothaarigen nie darauf angesprochen, warum er immer so eisig war, er wusste es auch so aus den Kritikerakten. Wozu war man schließlich der Hacker des Teams? Außerdem würde er die Informationen nie ausnutzen, er mochte seinen Anführer. Er glaubte nicht, dass dieser etwas von seinem Wissen ahnte und das war ihm auch ganz recht, ihr Verhältnis war durch seine unsägliche Verwandtschaft schon angeknackst genug. Der Andere hatte zwar gesagt, dass er ihm nichts nachtrug und niemand etwas für seine Abstammung konnte, aber die Sache nagte mehr an Omi, als er eigentlich zugeben wollte. Er WOLLTE kein Takatori sein, er wollte einfach nur Omi Tsukiyono sein, wie die ganzen letzten Jahre, aber dieses Privileg war ihm leider verwehrt worden. Stattdessen durfte er sich der Sohn eines der größten Gangsterbosse in Japan nennen. Super. TOLL. Welcher jugendliche Killer wünschte es sich nicht, gegen seinen eigenen Vater operieren zu dürfen.
 

Es war ja nicht so, dass es ihm etwas ausmachte, gegen Verbrecher zu kämpfen, aber wenn es der eigene Vater war, dass bekam die Sache einen noch bittereren Beigeschmack als ohnehin schon. Sicher, sein Hass auf den Mann, der sein Erzeuger war, saß tief, tiefer als alles andere und jetzt, wo er sich wirklich daran erinnerte, was geschehen war, noch mehr. Und trotzdem blieb ein Rest zurück, ein Rest von... Zweifel? Nein, eher Verzweiflung.
 

Schnell schob er die Gedanken beiseite und wandte sich wieder der Gegenwart zu. Die besorgten Blicke von Ken und Yohji zeigten ihm schon, dass er wohl wieder etwas apathisch vor sich hingestarrt hatte. Morgens saß seine Maske eben noch nicht so perfekt, wie en Rest des Tages über. Er war einfach zu müde, um sich immer und grundsätzlich zusammenzureißen. Vielleicht sollte er sich mal angewöhnen, abends früher ins Bett zu gehen? Würde eventuell was helfen, zumal sie im Moment keinen Auftrag hatten. Er gähnte noch einmal, diesmal aber mehr als Alibi, weil er so tief in Gedanken gewesen war und seine Kollegen schienen es zu akzeptieren.
 

Er drehte sich um, wollte Aya gerade eine Frage stellen, als er bemerkte, dass der Rothaarige nicht mehr da war. Wann war der denn verschwunden? War er wirklich so weit weg gewesen? Schien fast so. Sicher, sein Leader bewegte sich immer so leise wie eine Katze, so dass er einen schon mal überraschen konnte, aber unsichtbar machen, oder in Luft auflösen konnte er sich deswegen noch lange nicht. Er blinzelte leicht, zuckte dann die Schultern und übersah das Grinsen, das sich Ken und Yohji zuwarfen. Gemeinheit, nur weil er ein wenig abwesend gewesen war!
 

Schnell löffelte er die restlichen Reispops in sich hinein, damit Aya nicht meckerte, weil er wieder was von seinem Frühstück übrig ließ. Ein Blick auf seine Brotdose sagte ihm, dass diese wie immer gefüllt war. Schon ein bisschen peinlich, dass er morgens nichts, aber auch gar nichts auf die Reihe brachte! Selbst sein Pausenbrot musste ihm noch geschmiert werden.
 

Er wurde etwas rot um die Nase, als der kaffeetrinkende Playboy einen entsprechenden Kommentar abgab und nuschelte verlegen etwas Unverständliches in seinen noch nicht vorhandenen Bart, packte dann schnell die Dose in seine Schultasche. Doch Yohji war nicht umsonst so früh aufgestanden und bereits hellwach. Außerdem hatte er gerade Langeweile, weil Ken nicht gewillt schien, sich mit ihm zu unterhalten. Also stichelte er eben ein bisschen an Omi herum. War ja keiner da, der ihn daran hinderte und um diese Uhrzeit war das Chibi das perfekte Opfer, weil es sich kaum wehren konnte.
 

"Lass den Kleinen in Frieden, Kudou!" Oho, was war denn das? Drei Augenpaare schwenkten zur Tür, wo Aya mit verschränkten Armen am Rahmen lehnte und den Team-Ältesten mit finsterem Blick fixiert hatte. Yohji duckte sich ein wenig und hob abwehrend die Arme. "Schon gut, schon gut!" Er grinste leicht und schüttelte innerlich den Kopf. Was war denn in den gefahren? Heute Morgen bewegte er sich nicht nur wie der Tod, er sah auch so aus. Leichenblass, schwache, aber erkennbare Ringe unter den Augen, ein müder Zug um den Mund, der nicht ganz so ausdruckslos war, wie sonst. Und er hatte mehr als 'hn' gesagt und das vor Öffnung des Ladens!
 

Dem Playboy kam ein Gedanke. Er stand auf, nahm sich einen Rotstift und trat an ihren Kalender, in dem alle wichtigen Termine festgehalten wurden. Er setzte an und kritzelte etwas auf den heutigen Tag. Omi und Ken warfen sich fragende Blicke zu, und sogar Ayas Augen folgten dem Älteren. Was wurde denn das, sonst machte der doch immer einen weiten Bogen um den Kalender, könnte ja was drin stehen, was Arbeit für ihn bedeutete.
 

Yohji hatte sich derweil wieder aufgerichtet und betrachtete stolz sein Werk. Zufrieden nickend setzte er sich wieder und schnappte sich seine Kaffeetasse, trank zufrieden einen weiteren Schluck und lehnte sich dann bequem zurück.
 

Seine Kollegen waren näher getreten, um die krakeligen Schriftzeichen entziffern zu können, die er auf das Papier gekritzelt hatte. Nur Aya blieb wie immer, wo er war, tat, als würde ihn das alles nicht angehen.
 

Vom Kalender war urplötzlich Kichern zu hören, wenn auch nur unterdrückt und Ken machte, dass er aus der Küche und in sein Zimmer zum Anziehen kam, bevor er noch laut herausplatzte und damit Ärger provozierte. Auch Omi wandte sich nach einem Moment ab, die Hand immer noch vor den Mund gepresst und trank rasch den Rest seinen Kabas aus, an dem er sich prompt verschluckte. Hilfreich klopfte ihm Yohji auf den Rücken, schließlich wurde der kleine Hacker noch etwas länger gebraucht und es wäre wohl eine Schande, wenn er alle Aufträge überlebte, nur um dann beim Frühstück an einem Schluck Kaba zu ersticken.
 

Nun doch etwas neugierig geworden, löste sich der Weiß-Leader von seinen Standplatz, trat aber nicht an den Kalender, sonder tat, als würde er den Tisch abräumen und das Geschirr abzuwaschen. Wie praktisch, dass die Spüle genau neben der Wand mit dem Monatsplaner war. Er stellte sich so, dass seine Kollegen sein Gesicht nicht sehen konnten und schielt zum Kästchen für den heutigen Tag, in dem Yohji mit dem Rotstift herumgemalt hatte.
 

Er brauchte einen Moment, bis er den Sinn des Geschriebenen erfasst hatte und seine Augen weiteten sich. Dann blickte er schnell wieder auf das Geschirr und senkte den Kopf so weit, dass sein Grinsen auf jeden Fall verborgen wurde, so klein es auch sein mochte.
 

Das war doch wieder typisch Playboy! Das stand: 'AYA HAT BEIM FRÜHSTÜCK MEHR ALS HN GESAGT', markiert mit drei fetten Kreuzen in x-Form. So was konnte auch nur diesem Spinner einfallen! War heute eigentlich irgendein besonderer Tag, dass die sich so seltsam benahmen? Yohji und Omi standen pünktlich auf, Ken redete kaum, er selbst HATTE geredet und zudem noch ein bisschen gegrinst und dann auch noch diese Aktion. Innerlich konnte er nur den Kopf schütteln. Verrückt, anders konnte er es nicht beschreiben. Na dann konnte er sich ja auf einen Tag gefasst machen! Und dass, wo er die Nacht über kaum geschlafen hatte.
 

Er war gestern noch lange durch den Park gewandert und hatte nachgedacht, ohne wirklich zu einem Ergebnis zu kommen. Als er schließlich doch nach Hause gekommen war, hatte nur noch in Yohjis Zimmer Licht gebrannt. Er hatte sich gewundert, den Playboy überhaupt hier im Haus anzutreffen, denn normalerweise war der um diese Uhrzeit gerade irgendwo in Tokios Nachtleben unterwegs oder trieb sich in fremden Betten herum. Hier im Haus hatte er ja Verbot für Aktivitäten, die man vorzugsweise zu zweit und in tieferen Regionen betrieb, erhalten. Aya wollte nachts schlafen und nicht wachliegen müssen, weil irgendeine Tussi meinte, es wäre besonders aufregend, so laut wie möglich zu schreien, oder weil ein Bett rhythmisch gegen die Wand schlug.
 

Und erstaunlicherweise hatte sich der Blonde immer daran gehalten. Ok, am Anfang hatte er etwas nachhelfen und ihn 'überreden' müssen, aber schlussendlich hatte er begriffen und seitdem hatte es in dieser Hinsicht keine Probleme gegeben. Kein Wunder, Yohji hielt viel auf sein ach so hübsches Gesicht und wollte es noch etwas länger behalten.
 

Er spürte die Blicke seiner Kollegen in seinem Nacken wie kleine Nadelstiche. Erwarteten die eine Reaktion? Konnten sie warten bis sie schwarz wurden! Er sah demonstrativ zur Wanduhr, denn es war inzwischen schon wieder reichlich spät für Omi. Der Junge sprang auch augenblicklich auf. "Kuso!"
 

Kaum geflucht, schon war er aus der Küche gewuselt, bevor ihn Ayas böser Blick treffen konnte. Man hörte leises Poltern auf der Treppe, eine Zimmertür die geräuschvoll geöffnet wurde, eine Schrankschublade auf, dann wieder halb zu. Das Zuklappen einer Tür. Hüpfendes Poltern, als Omi versuchte, sich während des Laufens die Socken anzuziehen und ein hastiges "Arigatou Ken-kun!", als er von seinem Kollegen davor bewahrt wurde, auf dem Boden aufzuschlagen. Kurzes Poltern wieder auf der Treppe. Stoppen. Kurzes Poltern zurück. Eine Tür, die geöffnet wurde, kurzes Wühlen und das Geräusch von knisterndem und reißendem Papier, leises, unterdrücktes Fluchen. Die Tür wieder zu und diesmal endgültiges Poltern auf der Treppe.
 

Aya hatte bereits seinen Mantel an und war auf dem Weg nach draußen, um den Wagen schon mal aus der Ausfahrt zu wenden. Er war etwas beruhigter, denn so anders war dieser Morgen eigentlich gar nicht, bis auf seinen Start lief alles wie immer, sie waren inzwischen schon ein eingespieltes Team, wenn es um die Versorgung ihres Jüngsten zu dieser frühen Stunde ging.
 

Der bekam gerade von Yohji in der Küche seine Schultasche und den Hausschlüssel in die Hand gedrückt, nachdem er sich die Schuhe im Flur angezogen hatte, die blonden Haare wurden noch mal gewuschelt, jetzt, wo er sich nicht wehren konnte und einen kleinen Schubs aus der Haustür hinaus, während ihm Ken, der gerade die Treppe herunterkam, einen schönen Tag wünschte. Kaum war die Tür im Schloss grinsten sich die beiden Älteren an, ließen ihre rechten Handflächen aufeinander klatschen und machten sich dann daran, das Geschirr abzutrocknen, das Aya als Alibi gespült hatte.
 

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Nagi schlug die Augen auf. Anders als sonst, war er nicht sofort hellwach gewesen, sondern im Gegenteil, es hatte eine ganze Weile gebraucht, bis er es schaffte, seine bleischweren Lider zu heben und dass, obwohl es draußen bereits hell, also Zeit zum Aufstehen war.
 

Irgendetwas war anders. Er konnte nicht genau sagen was, oder warum es ihm nur so unterschwellig auffiel. Es war nichts, was ihn beunruhigte, aber doch etwas, das nicht so war, wie es hätte sein sollen. Er war nicht in seinem Zimmer, ok, das hatte er erwartet. Er kannte den Raum, in dem er geschlafen hatte, zur Genüge, um nicht einmal die Augen öffnen zu müssen. Alleine der Geruch, der ihn hier umgab war ihm so vertraut, wie sein eigener. Was allerdings ganz und gar ungewöhnlich war, war das Gewicht der Arme um seinen Körper, das fehlende Gefühl der Einsamkeit, dass er sonst immer beim Aufwachen empfand, weswegen er auch jedes Mal so schnell wie möglich aufstand.
 

Nachdem er ein paar Mal geblinzelt hatte, um klar sehen zu können, wusste er auch, wo das Gefühl herkam. Ganz entgegen seiner Gewohnheit lag Brad noch im Bett, nein mehr noch, er hielt ihn immer noch im Arm und schien tief und fest zu schlafen. Der Junge blinzelte gleich noch einmal. Das hatte sein Anführer in all den Jahren, in denen er nun regelmäßig zu ihm ins Bett krabbelte, nicht gemacht. Immer war er verschwunden und nur manchmal war Nagi aufgewacht, weil ihm plötzlich die Wärmequelle fehlte. Meist schlief er noch etwas weiter, bis ihn entweder der Wecker aus dem Schlaf riss, oder er von selbst wach wurde.
 

Stirnrunzelnd musterte er das Gesicht seines Ziehvaters. Wenn er schlief, wirkte er jünger als siebenundzwanzig. Im Gegenzug sah er aber auch tagsüber älter aus. Die paar Mal, die Nagi ihn beim Schlafen hatte beobachten können, waren mühelos an einer Hand abzuzählen, also würde er das jetzt ausnutzen. Er musste nur aufpassen und sich schlafend zu stellen, wenn der Ältere Anstalten machte, aufzuwachen.
 

Soweit er sich erinnern konnte, war Brad von ihnen immer als erster wach, verkroch sich schon früh in seinem Büro, bis Farfarello zum Frühstück rief. Die innere Uhr des Schwarzhaarigen verhinderte eigentlich, dass er jemals verschlief, oder er bekam frühzeitig eine Vision. Warum also heute nicht?
 

Ein kurzer Blick auf die Uhr verriet dem Jungen, dass es noch keinesfalls spät war, gerade Mal kurz nach sechs. Aber für die Verhältnisse seines Leaders war das schon hochgradig verschlafen. Gewöhnlich saß er zu dieser Uhrzeit bereits geduscht und in Armani gekleidet in seinem Zimmer und tippelte irgendwelche Emails oder Missionsberichte. Manchmal korrigierte er auch noch schnell Nagis Hausaufgaben, wenn er am Abend zuvor keine Zeit mehr dazu gehabt hatte.
 

Nagis Stirn furchte sich noch weiter. Umso erstaunlicher war es, dass Brad immer noch schlief und das, obwohl er sich bereits bewegt hatte. Entweder war der Amerikaner dermaßen erschöpft, dass er es nicht mitbekam und damit nicht wie sonst bei jeder kleinsten Berührung, bei jedem Geräusch sofort hellwach wurde, oder er war krank. Beides konnte sich der jüngste Schwarz eigentlich nicht vorstellen. Sie hatten in letzter Zeit keine Mission gehabt, die sie irgendwie körperlich gefordert hätte, von den Nerven wollte er mal gar nicht denken. Für ihn war da das Stichwort: Kindergeburtstag. Und es reichte, um ihm kalte Schauer den Rücken hinunterzujagen.
 

Das Zweite schloss er aus, weil Brad gestern noch nicht krank ausgesehen hatte, im Gegenteil, er schien sogar gute Laune zu haben, nachdem er am Morgen hatte einkaufen müssen, etwas, dass noch nie vorgekommen war. An solchen Tagen ging man dem Anführer besser aus dem Weg, wenn man seinen Kopf behalten wollte, Haushaltseinkäufe waren für ihn scheinbar Stress pur.
 

Allerdings passte das seltsame Verhalten jetzt auch sehr gut zu dem gestern. Warum die Fragen nach der Schule, das Angebot, ihn hinzufahren und jetzt das hier?
 

Nagi hob eine Hand, streichelte Brad flüchtig über die raue Wange, auf der sich die dunklen Schatten der Bartstoppeln abzeichneten. Es bereitete ihm Sorge, dass der Amerikaner nicht auf seiner Höhe zu sein schien, zumal Takatori wirklich immer bekloppter wurde. War es das? Machte sich der Leader Gedanken um ihren Boss? Wahrscheinlich, zumindest in Hinblick auf sein Team. Er würde es ja nie zugeben, aber Nagi wusste ganz genau, dass sie ihm nicht so egal waren, wie er immer aller Welt weismachen wollte. Er setzte sich grundsätzlich für sie ein und seine Predigten vor einer Mission, insbesondere für den tollpatschigen und manchmal etwas hitzköpfigen Schuldig, waren legendär.
 

Hatte er also vielleicht etwas in einer Vision gesehen, was Anlass zur Sorge bot, so dass er nachts keinen Schlaf fand? Das würde zumindest erklären, warum er gestern so seltsame Fragen gestellt hatte, warum er jetzt noch Ruhe benötigte und noch nicht einmal wach wurde, als Nagi ihn angefasst hatte.
 

Vorsichtig schlängelte er sich aus den Armen des Größeren, um ihn nicht zu wecken. Dass er selbst jetzt weiterschlief machte den Jungen nun wirklich stutzig. Doch er entschied, Brad schlafen zu lassen, wenn er SO erschöpft war. Auf leisen Sohlen verließ er das fremde Zimmer, schloss die Tür sehr lautlos hinter sich. Aus Schuldigs Zimmer hörte man es laut rumsen.
 

Die Augen des Telekineten verengten sich. Was machte der deutsche Tollpatsch denn da schon wieder, wo ihr Anführer doch schlafen sollte! Er huschte über den Flur, genoss einen Moment das Gefühl des Teppichs unter seinen nackten Füssen. Leise, um Brad nicht noch mehr zu stören, öffnete er die Zimmertür des Telepathen und fand diesen wider Erwarten wach und voll bekleidet, mit einer Zigarette in der Hand am Fester stehen. Der Deutsche hatte einen Fuß angehoben und massierte sich die Zehen, die er sich offensichtlich zuvor am Stuhl angestoßen hatte, zumindest lag der umgestürzt auf dem Boden.
 

"Sei gefälligst leise, Brad schläft noch!", fauchte er in gedämpfter Lautstärke, was den Orangehaarigen verwundert aufsehen ließ. Er war so in Gedanken gewesen, dass er nicht einmal bemerkt hatte, wie der Junge hereingekommen war. "Hä? Ist er krank?" Seit wann stand ihr Anführer denn später als Sonnenaufgang auf?
 

Nagi schüttelte den Kopf. "Ich denke nicht, er war zwar gestern etwas seltsam, aber krank hat er nicht gewirkt... sei trotzdem leise, ok?" Sein Zorn hatte sich wieder etwas gelegt und er verließ das Zimmer, um sich waschen und anziehen zu gehen. Auf dem Gang kam ihm ein verwuschelter Brad entgegen, die Brille etwas schief auf der Nase und noch immer mit Seidenboxershorts und Schlafshirt bekleidet. Müde blinzelte er den Kleineren an, wuschelte ihm kurz durch die dunklen Haare und verschwand dann wortlos im Bad.
 

Der Junge starrte ihm mit offenem Mund hinterher. So was machte Brad nie. NIEMALS. Dass ihm Farf mal durch die Haare fuhr, ok, kam vor, oder dass ihn Schuldig wuschelte, um ihn zu ärgern, ok, an der Tagesordnung, aber dass Brad, BRAD CRAWFORD ihn mehr anfasst als normal?
 

Er drehte auf dem Absatz herum und kehrte in Schuldigs Zimmer zurück. Diesmal bemerkte der Deutsche sein Eintreten sogar. Verwirrt blickte er den Telekineten an, holte sich dann seine Antwort einfach, ohne zu fragen. "Er hat WAS?"

Nagi knurrte leise. Er hasste es, wenn der Telepath ungefragt in seinen Gedanken wühlte. Aber zumindest wusste er jetzt, dass er sich das nicht eingebildet hatte.

Er nickte leicht. "Er muss ziemlich neben der Spur sein, wenn er so was macht....", meinte er langsam.

Schuldig nickte leicht. Es gab ihm zu denken und zusammen mit den Informationen, die er gestern per Zufall erhalten hatte, ergab es etwas, das ihn wirklich beunruhigte.
 

"Ich werd mit ihm reden, ok, Chibi?" Den blitzenden Blick, der auf ihn abgeschossen wurde und der ihm wohl auf der Stelle zu Staub hätte zerfallen lassen, wäre es denn möglich gewesen, ignorierte er geflissentlich.

Der Telekinet schnaubte nur, zuckte dann die Schultern. Schuldig wusste etwas, das konnte er ihm praktisch an der Nasenspitze ansehen und es machte ihn wahnsinnig, dass er nicht wusste was und stattdessen immer noch wie ein Kind behandelt wurde.
 

Plötzlich fiel ihm etwas ganz anderes auf. "Sag mal, warum bist du eigentlich schon wach?", fragte er deshalb etwas erstaunt. Es war gerade mal halb sieben. Noch einmal musterte er seinen Kollegen und bemerkte, dass dieser immer noch Partyklamotten trug, auch wenn diese etwas ramponiert aussahen, als hätte er darin lange irgendwo herumgelegen. Schuldig bestätigte seinen Verdacht. "Ich war noch gar nicht im Bett....", antwortete er ausweichend und das übliche Grinsen zierte sein Gesicht, um seine Besorgnis zu überspielen.
 

Er legte Nagi kurz eine Hand auf die Schulter und sah ihn für einen Moment sehr ernst an, bevor er den Gedanken abzuschütteln schien und den Jungen in Richtung Tür schob. "Geh jetzt, sonst meckert Farf wieder, dass du nicht genug Zeit zum Essen hast..." Er lächelte ein erstaunlich ehrliches Lächeln, was den Kleineren dazu bewog, im Moment nicht näher nachzufragen, sondern einfach zu gehen. Wenn der Deutsche in dieser Stimmung war, bekam man sowieso nichts aus ihm heraus, sinnlos also, weiter Energie darauf zu verschwenden.
 

Also zog er sich mit einem Nicken zurück, um sich fertigzumachen. Schuldig sah ihm kurz nach, rauchte dann seine Zigarette zu Ende. Brad wusste etwas, soviel war sicher, das erklärte auch sein seltsames Verhalten, die für seine Verhältnisse sehr deutliche Besorgnis um ihren Jüngsten, seine Erschöpfung. Er musste eine Vision gehabt haben. Die Frage war nur, wie viel er wusste und was sie, zusammen mit seinen eigenen Informationen, daraus machen würden. Sicher, sie waren stark, als Team fast unschlagbar, aber eben doch nur fast. Keiner von ihnen war unsterblich. Brads Gabe unzuverlässig, Nagis noch nicht vollständig ausgebildet, auch wenn er von Tag zu Tag stärker wurde, Farfarello war unberechenbar, wenn ihn der Blutrausch wirklich gepackt hatte und seine eigenen Fähigkeiten konnten leider von immer mehr Leuten geblockt werden. Er konnte dann zwar immer noch Dinge in ihre Geister projizieren, aber ihre Gedanken blieben unerreichbar und eine Kontrolle war ebenfalls erst dann wieder möglich, wenn die Schilde gesenkt wurden. Brad war so ein Fall und Schuldig war wirklich froh, ihn als Leader und nicht als Gegner zu haben. So überzeugt er ja von sich selbst war, kämpfen wollte er gegen den Schwarzhaarigen wirklich nicht müssen.
 

Er musste mit seinem Anführer reden, die Frage war nur, auf welcher Seite dieser stehen würde, wenn sich die Sache so entwickelte, wie Schuldig es vermutete. Würde er zu ihnen oder dem Geld stehen? Er selbst musste sich diese Frage nicht stellen, seine Kollegen konnten zwar allesamt nervenaufreibend sein, aber im Zweifelsfall stand seine Loyalität ganz klar fest. Außerdem war Schwarz die einzige Art von Familie, die er jemals besessen hatte und die würde er sich nicht wegnehmen lassen.
 

Er schloss kurz die Lider und schickte einen Gedanken an Brad, der diesen um eine Unterredung in seinem Büro bat. Die Antwort kam sofort. //Warum fragst du nicht normal?// Schuldig wusste genau, wie sehr der Amerikaner den mentalen Kotakt hasste und dass er ihn nur verwendete, wenn es nicht anders ging.
 

//Die anderen sollen nichts davon mitbekommen... es ist wichtig... ich denke du weißt, worum es geht...// Er hielt sich so kurz wie möglich. Ein telepathisches Nicken kam zurück.
 

//Wenn ich Nagi in die Schule gefahren habe... geh jetzt nach unten, Farf wartet und ist heute gereizt...// In seinem Zimmer rieb sich Brad über die Schläfe, während er in seine Anzughose schlüpfte. Der telepathische Kontakt machte seine Kopfschmerzen nicht gerade besser, ganz im Gegenteil. Er konnte es nicht ausstehen, wenn Schuldig in so ansprach, aber in diesem Fall hatte er wohl keine andere Wahl. Er war gespannt, was der Rothaarige ihm zu sagen hatte und nach dessen Andeutung wusste er auch, worum es ging. Seine Vision hatte ihm nur Vages gezeigt und Weiß hatte eine sehr... seltsame Rolle darin gespielt, die er sich nicht erklären konnte.
 

Die halbe Nacht hatte er darüber wach gelegen und gegrübelt, bis er schließlich sah, dass Nagi bald kommen würde. Die Wärme des Jungen hatte seine Nerven etwas beruhigt und so war er schließlich doch gegen morgen noch mal eingeschlafen, wenn auch nicht für wirklich lange. Das Verschwinden des kleinen Körpers und schließlich das Rumpeln aus Schuldigs Zimmer hatten ihn geweckt und jetzt war er noch müder als vor dem Einschlafen, von dem Hämmern in seinem Kopf einmal ganz abgesehen.

Die Schmerzen nach einer Vision war er ja gewöhnt, die je nach Intensität der Bilder in ihrer Stärke variierten, doch diesmal war es wirklich besonders schlimm, ein untrügliches Zeichen dafür, dass etwas im Busch war. Etwas Schlimmes. Und er hatte noch keine Ahnung, wie er das abwenden sollte, was er gesehen hatte, obwohl er schon die verschiedensten Möglichkeiten durchgespielt hatte.
 

Er schüttelte resignierend den Kopf. Alles wäre einfacher gewesen, wenn er wenigstens ein paar klare Bilder empfangen hätte, aber nein, das wenige, was er von der Zukunft wusste, war auch noch höchst verschwommen gewesen, egal wie sehr er sich darauf konzentrierte. Er würde eben abwarten müssen, was Schuldig zu sagen hatte, vielleicht begriff er dann die Zusammenhänge besser.
 

Brad fuhr sich durch die noch ungekämmten Haare und schloss das blütenweiße Hemd über der Brust, steckte es sauber in die Hose und richtete vor dem Spiegel die Krawatte, die er sich über den Kopf gezogen hatte. Sehr gut, wenigstens sah man ihm nicht an, wie wenig er geschlafen hatte, nur wenn man ganz genau hinsah, konnte man ein paar Falten um seinen Mund sehen, die eigentlich in seinem Alter dort noch nicht sein sollten. Nicht mehr lange und er würde ganz bestimmt erste graue Haare bekommen, bei seinem Job und Team eigentlich kein Wunder, von seinem Auftraggeber mal ganz zu schweigen.
 

Schnell noch in das helle Jackett geschlüpft, den mittleren Knopf geschlossen und mit dem Kamm die Haare gerichtet und Brad Crawford war gerüstet für den Tag. Aber jetzt musste er erst mal das Frühstück überleben. Er konnte nur hoffen, dass der Deutsche wenigstens heute morgen davon absehen würde, ihren Jüngsten zu ärgern, sonst würde zum einen Farf noch vor dem Essen die Küche putzen müssen und zum zweiten wäre es wohl sehr schade um die eventuell wertvollen Informationen, die der Telepath für ihn hatte, wenn er ihn massakrierte, bevor er sie ausspucken konnte.
 

Also schluckte er noch vorsorglich drei Aspirin und gemahnte sich selbst zur Geduld. Die Kopfschmerzen würden in absehbarer Zeit abklingen, dass wusste er aus Erfahrung und unter Schlafmangel litt er des Öfteren, das sollte also auch kein Problem sein. Nur seine unnatürliche Unruhe machte ihn schier wahnsinnig. Entgegen seinen Gewohnheiten platzte er fast und konnte es kau erwarten, bis Nagi endlich in die Schule musste.
 

Leise wandert er die Treppe hinunter und betrat die Küche. Die übrigen drei saßen schon am Tisch, nur Schuldig hob den Kopf und warf ihm einen undeutbaren Blick zu, als er sich ebenfalls auf seinem Stuhl niederließ. Brad erwiderte diesen kurz, wandte sich dann jedoch seiner Tasse Kaffee zu, die bereits an seinem Platz vor sich hindampfte. Hunger hatte er keinen, jedenfalls nicht solange er dieses dumpfe Gefühl von Übelkeit im Magen hatte, die sicher von seinen Kopfschmerzen herrührte.
 

Also begnügte er sich mit der schwarzen Flüssigkeit, die zumindest seine Lebensgeister aufwecken würde, wenigstens die, die sich nicht gerade im tiefsten Winterschlaf befanden. Ein Seitenblick zu Schuldig zeigte ihm, dass es dieser genauso hielt und auch nicht viel wacher aussah, als er sich fühlte. Nur Nagi schien einigermaßen ausgeruht und futterte seine Cornflakes in sich hinein, nuckelte nebenbei an seiner Kabatasse. Farfarello war sowieso nie anzumerken, ob er müde war oder nicht, auch wenn er heute etwas abwesender wirkte als gewöhnlich.
 

Es fiel dem Schwarzhaarigen nicht leicht, sich in Geduld zu üben und zu warten, bis sein kleiner Schützling fertig gegessen und sich für die Schule angezogen hatte, so dass sie endlich losfahren konnten. Am Rande registrierte er, dass der Telepath die letzten paar Minuten unruhig auf seinem Stuhl hin und her gerutscht war. Nun ja, Geduld war ja noch nie die Stärke des Deutschen gewesen, daran hatte er sich mit den Jahren beinahe gewöhnt.
 

Endlich, endlich war Nagi fertig und wartete mit seiner Schultasche in der Hand im Flur auf seinen Ziehvater. Der erhob sich, unterdrückte dabei mit Mühe ein Seufzen der Müdigkeit, nahm schließlich die Autoschlüssel vom Haken und folgte dem Jungen zu seinem Mercedes, in dem sie eine halbe Minute später in Richtung Schule davonfuhren.
 

Nachdenklich sah Schuldig seinen Kollegen hinterher, entschloss sich dann aber doch, etwas zu essen, um nicht am Ende noch vom Fleisch zu fallen, und verspeiste zwei Brötchen mit Marmelade. Er versuchte erst gar nicht, ein Gespräch zu beginnen, denn erstens hätte das bei Farf wohl sowieso nicht geklappt, ihm nur seltsame Blicke aus einem goldenen Auge beschert, oder wäre in einer einseitigen Diskussion über die verschiedenen Möglichkeiten, Gott zu hurten, geendet und dafür hatte er im Moment keinerlei Nerv. Das konnte ja durchaus lustig sein, vor allem, wenn man den Iren ein wenig verwirrte, in dem man ihm ganz neue Möglichkeiten offerierte, auf die er selbst noch gar nicht gekommen war. Das Problem bestand dann nur darin, den Weißhaarigen daran zu hindern, sie sofort auszuprobieren.
 

Also zog der Deutsche es vor, zu schweigen, auch wenn es ganz und gar nicht seiner Natur entsprach, es gewährte ihm zumindest ein wenig Ruhe.
 

Eine knappe halbe Stunde später wurde die Haustür wieder geöffnet und wenig später trat Brad wieder in die Küche. "Wir haben ein Problem....", verkündete er und nahm sich noch eine Tasse Kaffee.
 

Während Schuldig seinem Leader etwas verwundert seine Aufmerksamkeit schenkte, sah Farfarello noch nicht einmal hoch, sondern starrte nur weiter apathisch vor sich hin, was Brad noch mehr zu reizen schien. "Farfarello! Hör mir gefälligst zu, es geht um Nagi!" Das endlich provozierte eine Reaktion und das Auge des Iren richtete sich sofort auf den Schwarzhaarigen.
 

"Bombay geht mit ihm zur Schule!" So jetzt war es raus. Was ihn eigentlich noch mehr verblüffte als die eigentliche Nachricht, war die Reaktion seiner Kollegen. Während Farfarello sich einfach nur wieder abwandte und mit seinem Messer zu spielen begann, zuckte der Deutsche nur die Schultern. "Und? Weiß ich schon lange...", meinte er dann.
 

Brads Gesicht rötete sich etwas und er war kurz davor, den nichtsnutzigen Telepathen zu erwürgen. "Du WUSSTEST es? Und hast es MIR nicht gesagt???" Er schäumte fast vor Wut. Wie hatte der Rothaarige ihm eine so wichtige Information nur vorenthalten können?"
 

"Mann, reg dich ab, Braddy... Oder hat dich vielleicht eine Vision gewarnt, dass dem Kleinen was passiert?" Schweigen antwortete ihm. "Na also... die zwei haben anscheinend keine Probleme, also mach nicht so einen Terz, das geht auf den Kreislauf!" Er trank den letzten Schluck aus seiner Kaffeetasse und genoss es richtig, seinen Anführer mal verblüfft zu sehen.
 

Brad dagegen wusste nicht, worüber er sich mehr aufregen sollte: über Schuldigs respektlosen, provozierenden Tonfall, oder über die Tatsache, dass der deutsche Spinner leider recht hatte. So unzuverlässig seine Gabe ja war, bis jetzt hatte sie ihn immer rechtzeitig gewarnt, wenn es um die Sicherheit des Teams ging und er bezweifelte, dass es diesmal anders sein würde.
 

Aber Schuldig wusste noch eins draufzusetzen. "Abyssinian weiß es übrigens auch und er hat sich nicht halb so sehr darüber aufgeregt wie du... sieh's ein, du kannst es nicht ändern und die Jungs haben sich anscheinend so weit arrangiert, dass sie sich in der Öffentlichkeit nicht an die Kehle gehen, was soll's also?" Er schüttelte den Kopf, weil er das Problem wirklich nicht verstand.
 

"Was es soll? Verdammt, Bombay ist unser Feind, er..." Ja, was sollte der Junge denn tun? Sie verraten? Erstens würde das sowieso nichts bringen und zweitens würde er seine eigene Identität dann genauso preisgeben. Und ansonsten könnte er nur versuchen, Nagi zu schaden, was zumindest auf physischer Ebene nicht viel Erfolg haben würde. Und psychologisch eigentlich auch nicht, dafür war sein Kleiner sowieso zu eigenbrötlerisch, um sich über die Meinung anderer, insbesondere seiner Feinde Gedanken zu machen... zumindest hoffte er das. Immerhin schienen die beiden schon recht lang auf eine Schule zu gehen und bis jetzt war ja nichts passiert.
 

Er entschloss sich also, tief durchzuatmen und lieber noch eine Tasse Kaffee zu trinken, als sich weiter aufzuregen. Das verstärkte seine immer noch präsenten Kopfschmerzen nur wieder und darauf konnte er nun wirklich verzichten.
 

Seufzend stellte er die Kaffeetasse ab und wechselte das Thema, bevor er sich noch mehr blamierte. In diesem Haushalt lief eindeutig etwas schief! "Du wolltest mich sprechen?", wandte er sich deswegen an den Deutschen. Dieser nickte.
 

"Nicht hier..." Seine Lippen formten das Wort 'Zuhörer' und Brad verstand. Er warf Farfarello einen Seitenblick zu, auch wenn er nicht glaubte, dass Schuldig diesen gemeint hatte. Und wirklich schüttelte der Rothaarige sofort den Kopf.
 

Der Schwarz-Leader erhob sich und deutete seinem Kollegen, ihm zu folgen. Der Ire würde mitkommen, wenn es ihn interessierte, was sie zu besprechen hatten, doch der sah nicht danach aus, sondern stocherte sich mit seinem Lieblingsdolch ein wenig im Arm herum. Naja, er machte die Sauerei wenigstens selbst wieder weg, wenn er welche anrichtete, aber das kam kaum noch vor, weswegen sich Brad auch keine Sorgen machte.
 

Die beiden Männer stiegen die Treppe in den ersten Stock hoch und betraten das schallisolierte, abhörsichere Büro Crawfords. Wenn man einen Auftraggeber wie sie hatte, konnte man nicht vorsichtig genug sein.
 

Brad ließ sich in seinen bequemen Ledersessel hinter dem voll gepackten Schreibtisch sinken, deutete Schuldig, sich ebenfalls zu setzen, stützte die Ellenbogen auf der dunklen Tischplatte auf und faltete die Hände vor seinem Kinn. Das neue Telefon stand auf seinem Platz und verdeckte geschickt das Loch, dass Farfarellos Messer in die teure Tischplatte gegraben hatte.
 

Der Deutsche platzierte sich in betont lässiger Haltung auf einem der Besucherstühle, musterte seinen Leader abschätzend und schwieg einen Moment. "Was weißt du schon, Brad?", fragte er dann leise und überraschend ernst, sogar das übliche Grinsen war nicht in seinem Gesicht platziert und wenn man genau hinsah, bemerkte man, dass seine entspannte Position nicht halb so lässig war, wie sie wirkte.
 

Der Schwarzhaarige rückte seine Brille zurecht, obwohl diese perfekt wie immer auf seiner Nase saß, ein untrügliches Zeichen für seine innere Unruhe. Er rieb sich leicht über die Schläfen, blickte seinen Kollegen dann durchdringend an. "Nicht viel mehr als du, vermute ich....", antwortete er dann etwas ausweichend. Er wusste nicht, woran er bei Schuldig war. Sicher, er würde diesem Mann sein Leben anvertrauen, genauso wie den beiden anderen auch, aber konnte er ihm auch ihre Sicherheit anvertrauen? Den Schlüssel zu ihrem Überleben?
 

Schuldig nickte leicht. "Vermutlich... du hattest eine Vision?", schoss er einfach ins Blaue. Woher sollte der andere auch sonst Informationen haben, vor allem SOLCHE? Brad antwortete mit der gleichen Geste.
 

"Es war nicht viel, größtenteils verschwommen, aber das, was ich gesehen habe, hat mir schon gereicht....", rückte er endlich mit der Sprache heraus. Die Karten mussten auf den Tisch, vielleicht konnten sie gemeinsam das Schlimmste verhindern, wenn es nicht schon längst im Gange war. Er würde das Risiko Schuldig eben einfach tragen, es tragen müssen.
 

Die feinen Augenbrauen des Deutschen hoben sich nachdenklich. "Ich war gestern weg...", begann er dann seinerseits, scheinbar zusammenhangslos "War eigentlich nichts besonderes los.... Musik war gut, die Leute ok..."
 

Brad wartete geduldig. "Jedenfalls bin ich dann mit einem ins Gespräch gekommen... keine Ahnung mehr über was... hab mal einen Blick in seinen Kopf geworfen... hat für Takatori gearbeitet... naja ist ja auch noch nichts besonderes, das tun viele Leute..." Bei den riesigen Konzernen ihres Auftraggebers kam es durchaus mal vor, dass er abends auf Mitarbeiter stieß.
 

"Ich hab aus reiner Neugierde mal nachgesehen, als was er denn arbeitet und siehe da: eine kleine Laborratte... hat eigentlich gar nicht so ausgesehen... na egal, auf jeden Fall ist er einer, der wohl ziemlichen Durchblick hat, was in den Kellern unseres Bosses so abgeht und nicht nur da..."
 

Die Stirn des Schwarz-Leaders hatte sich während dem kleinen Monolog immer mehr gerunzelt. "Es wird mir nicht gefallen, oder?", fragte er dann etwas vorsichtig nach.
 

Schuldig schüttelte den Kopf. "Es wird dir ganz und gar nicht gefallen... dieser... Psycho treibt dort unten Versuche an Menschen... ok, dass ist jetzt nichts so Besonderes, das Wichtige ist, an WAS für Menschen... durch die Bank Geistesgestörte, Psychopathen, Zurückgebliebene, solche eben... und nun rate mal, an welcher Sorte Menschen noch!"
 

In Brads Kopf blitzte ein Gedanke auf, der ihn ein kleinwenig blasser werden ließ. "PSI-Talente!" Der Deutsche nickte bestätigend. "Keine gewöhnlichen natürlich, nur wirklich stark Veranlagte mit gut ausgeprägter Gabe. Und er hat schon eine Liste von möglichen Versuchsobjekten... und ein Name steht ganz oben mit dabei..."
 

Den Lungen des Schwarzhaarigen entwich die Luft mit einem leisen Laut. Er hatte gar nicht gemerkt, dass er sie angehalten hatte. Als Schuldig die ersten Details lieferte, hatte er nur an Farfarello gedacht, der ja als Schwerstgestörter in den Akten geführt wurde. Seine eigene Gabe war zu unpräzise, um für solche Versuche gut zu sein und Schuldig würde den Teufel tun und so was mit sich machen lassen... "Nagi!"
 

Der Orangehaarige nickte ganz langsam. "Er will Nagi. Definitiv. Er ist wahrscheinlich das beste Versuchskaninchen, das er sich wünschen kann. Außergewöhnlich stark ausgeprägte Gabe und dazu körperlich und geistig noch schwach genug... einen derart anfälligen Telekineten findet man nicht oft und Takatori hat ihn praktisch vor der Nase, auf dem Präsentierteller. Ich hab nicht rausbekommen können, was das eigentlich für Experimente sind, die da in den Kellern stattfinden, da war eine Mauer durch die ich nicht konnte, ohne dass es aufgefallen wäre, aber soviel ist sicher: das, was Takatori macht ist sicher nicht angenehm!"
 

Brad ließ sich wieder in den Stuhl zurückfallen, aus dem er sich halb erhoben hatte und vergrub das Gesicht in den Händen. Solche Augenblicke der Schwäche erlaubte er sich nur selten, zumal noch vor anderen. "Und ich hatte gehofft, mich zu irren...", murmelte er gedämpft, presste die Lider fest aufeinander, bis er kleine bunte Punkte sah. Seine Gedanken rasten wild durcheinander, schienen einen Ausweg aus seinem Kopf zu suchen. Mit aller Disziplin, die er sich in jahrelanger, schmerzhafter Übung antrainiert hatte, zwang er sich wieder unter Kontrolle. Panik half hier keinem. Verdammt, sogar Schuldig wirkte ruhiger als er selbst, obwohl man genau sehen konnte, wie es auch in ihm brodelte, wenn man wusste, worauf man achten musste.
 

Der Deutsche kaute nervös auf der Unterlippe. Er war schon die halbe Nacht damit beschäftigt, einen Ausweg zu suchen, doch ihm war beim besten Willen nichts eingefallen, was sie nicht in unmittelbare Lebensgefahr gebracht hätte. Doch sie mussten ihren Jüngsten schützen, um jeden Preis und mochte er auch noch so hoch sein.
 

"Was machen wir jetzt? Wir können Takatori nicht ausschalten, nicht mal mit unseren Fähigkeiten..." Inzwischen, nach Brads Reaktion, stellte er nicht mehr in Frage, auf welcher Seite dieser stand. Wenn es um Nagi ging, verstand sein Anführer keinen Spaß.
 

Der Amerikaner sah seinen Kollegen ein kleinwenig hilflos an. "Was denkst du hab ich letzte Nacht gemacht? Mir will und will nichts einfallen, was uns hier wieder rausbringt..." Es fiel ihm alles andere als leicht, solch ein Geständnis zu machen, aber die ganze Sache wühlte ihn wesentlich mehr auf, als sie es eigentlich dürfte. Hinzu kam der Schlafmangel und die immer noch vorhandenen Kopfschmerzen, die das Denken auch nicht gerade erleichterten.
 

Schuldig schien nicht gewillt, das Gespräch so schnell zu beenden. Jetzt hatte er den Anderen endlich mal am Haken. "Was genau hast du gesehen?"
 

Brad seufzte leise. "Nur ein paar verschwommene Bilder... ich hab Nagi schreien gehört... Farfarello mit leerem Blick dasitzen sehen... und damit meine ich wirklich leer, nicht so apathisch wie er sonst ist sondern richtig... tot... aber er hatte eindeutig geatmet... ich weiß nicht, was das zu Bedeuten hat..." Er wüsste nichts, was der Iren dazu bringen würde, buchstäblich seinen Geist aufzugeben, so dass nur noch sein Körper als Hülle zurückblieb. Als lebende tote Hülle.
 

Die Augen des Rotschopfes verengten sich in wenig. "Das ist aber noch nicht alles, oder? Was war da noch?"

Grummelnd nickte sein Gegenüber, denn Brad hasste nichts mehr, als durchschaubar zu sein. Er zögerte einen Moment. "Weiß...", meinte er dann leise "Seite an Seite mit uns... Abyssinian.... an Nagis Bett...." Er verzog das Gesicht, als hätte er Zahnschmerzen.
 

Schuldig musste plötzlich trotz der ernsten Situation lachen. "Nee, oder? Der Eisblock und unser Chibi? Glaubst du doch nicht im Ernst!" Der giftige Blick seines Leaders sprach Bände, trotzdem konnte er ein leicht hysterisches Kichern nicht unterdrücken. "Und du bist sicher, dass bei dir da alles ok ist?" Er tippte sich leicht gegen die Schläfe.
 

Der Schwarzhaarige zischte nur etwas sehr, sehr unfreundliches und zuckte dann die Schulter. Eigentlich hatte Schuldig ja recht. "Ich weiß es nicht... ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen wie es dazu kommen sollte...." Doch allein schon bei dem Gedanken, Abyssinian könnte auch nur einen Finger an seinen Nagi legen, kam ihm fast die Galle hoch und ein Übelkeitsgefühl machte sich in seinem Magen breit. Niemals würde er das zulassen, dass dieser Kerl, dieser berechnende Kühlschrank in die Nähe seines Kleinen kam uns schon gar nicht SO.
 

Ein leises Knurren entkam ihm, bevor er es zurückhalten konnte, was Schuldig wieder zum Lachen reizte. "Das gefällt dir nicht, nicht wahr?", feixte er etwas übermütig, obwohl ihm besonders dieser Teil ganz und gar nicht gefiel. Doch der Schlafmangel tat seinen Teil zu seiner Stimmung bei und die lustig tanzenden Punkte vor seinen Augen waren auch nicht zu verachten.
 

"Natürlich gefällt mir das nicht, was denkst du denn?", fauchte der Leader gereizt zurück. Nicht gefallen war nun wirklich eine gelungene Untertreibung! Er hasste den Gedanken und würde dieses rothaarige Etwas am Liebsten auf den Mond oder gleich in die ewigen Jagdgründe befördern. Aber was würde das für Auswirkungen haben?
 

Schuldig gingen ganz ähnliche Gedanken durch den Kopf. "Was würde passieren, wenn wir Abyssinian aus dem Weg räumen würden? Oder will ich das gar nicht wissen?" Seine Stirn runzelte sich etwas. Hatte er nicht ein paar Minuten zuvor sich selbst geschworen, alles zu tun, damit Nagi geschützt werden würde? Aber ihn an den Feind auszuliefern? Nannte sich das etwas neuerdings Schutz? Und was, wenn es die einzige Möglichkeit war? Seufzend rieb er sich die Schläfen, sah dann auf und bemerkte, dass Brad sich entspannt zurückgelegt und die Augen geschlossen hatte. Für einen Moment glaubte er, dass sein Anführer eingeschlafen wäre, doch dann sah er, dass sich dessen Augen, hinter den geschlossenen Lidern bewegten. Brad versuchte doch wohl nicht etwa in seinem übermüdeten Zustand eine Vision zu erzwingen oder? Er war einmal dabei gewesen, als es sich nicht hatte vermeiden lassen und wusste daher, wie anstrengend und schmerzhaft das für den Hellseher war. Schnell sprang er auf, wagte aber nicht, das Geschehen zu unterbrechen, da er nicht wusste, was das für Auswirkungen haben könnte.
 

Also trat er nur etwas unruhig von einem Fuß auf den anderen und wartete ungeduldig, bis sich wieder etwas regte.

In diesem Moment setzte sich Brad ruckartig gerade hin und riss seine Augen auf. Schuldig wich erschrocken einen Schritt zurück, als er den Ausdruck in ihnen sah. "Was?", fragte er leicht verwirrt, denn so schlimm hatte er es sich nicht vorgestellt.
 

"Unmöglich", lautete die etwas gepresste Antwort und Schuldig wagte nicht, weiterzubohren.
 

Er setzte sich wieder und atmete tief durch. "Ok, Alternativen? Irgendwelche?" Es musste doch einen anderen Weg geben, oder?
 

Brad schluckte leicht. "Ich weiß es nicht, wirklich nicht..." Seine Stimme klang etwas belegt, ohne dass er es verhindern konnte und seine Augen schlossen sich wieder. "Ich muss darüber nachdenken..." Er fühlte sich müde und erschöpft, sein Kopf hämmerte wie verrückt. Vielleicht sollte er sich ein bisschen hinlegen, vielleicht.... Er merkte gar nicht, wie ihm langsam die Sinne schwanden und er in den Stuhl zurücksank. Ein warmes, weiches Gefühl machte sich in ihm breit, als wäre er in Watte gepackt und er ergab sich nur zu gern der Schwäche, obwohl ein Teil von ihm versuchte, noch dagegen anzukämpfen.
 

Er hörte nicht mehr, wie sein Name gerufen wurde, fühlte nur noch ein schweres Gefühl in seinen Muskeln und Dunkelheit hüllte ihn wie eine schützende Decke ein.

Highschool High

Autor: CatherineMiller

Titel: Bittersweet Feelings

Fandom: Weiß Kreuz

Kapitel: Highschool high

Teil: 11/?

Pairings: RanxNagi; BradxKen; SchuldigxYohjixSchuldig; FarfxOmi

Warnungen: keine

Danksagung: Vielen Dank an mein Betas emilyheart (kei83) und Corrychan, die sich

fleißig durch meine tausend Tippfehler mühen!

Sonstiges: Ich bitte nochmals um Entshculdigung für die vielen Fehler im letzten Teil, ich hab die Datei vom vorletzten und letzten Beta vertauscht *dröppel* Ich hab sie alle ausgebessert, hoff ich.

Wenn jemandem auffällt, dass das bei diesem Teil wieder der Fall sein sollte, bitte melden, dann korrigier ichs nochmal ^^
 

Kommentare:
 

@Shinn: Das meiste hab ich ja schon per ENS gesagt, so dass hier nicht mehr viel übrig bleibt XD Aber auf jeden Fall nochmal danke für den langen Kommi *die Dinger lieb* *verbeug und arigatou sag*

@Kayla: Jaja auf das arme Nagi-schätzchen wird noch was zukommen, Brads Visionen sind ja nicht umsonst ^^ Aber was, verrat ich nicht, sonst wärs ja langweilig, ne? XD Viel Spaß beim weiteren lesen! Ach ja und danke, dass du mich auf die rechtschreibfehler aufmerksam gemacht hast! *Trantüte is*

@schokocherry: Vielen Dank und viel sPaß weiterhin beim Lesen! ^^

@kamui_san: Hier kommt schon das neue Kapitel ^^ Ziemlich schnell diesmal glaub ich, lag aber daran, dass ich ein bisschen Zeit zum Schreiben hatte ^^ Viel Spaß damit!
 


 

Nagi stieg aus dem schwarzen Mercedes und nickte Brad zum Abschied zu. Er hatte eigentlich erwartet, dass sein Leader sofort weiterfahren würde, schließlich hatte er doch bestimmt genug Arbeit zu Hause. Doch der Wagen blieb stehen, die grauen Augen folgten ihm auf seinem Weg zum Schultor.
 

Kopfschüttelnd schloss er den obersten Knopf seiner Schuluniform, den er aus Bequemlichkeit bis jetzt offen gelassen hatte. Jetzt war keine Zeit, sich über Crawfords seltsames Verhalten Gedanken zu machen, er musste erst mal diesen Tag überleben.
 

Etwas unschlüssig stand er wenig später vor einer der hellen Türen, fragte sich, ob er anklopfen, oder einfach hineingehen sollte. Er hatte gerade die Hand gehoben, als ihn ein derber Stoß in die Seite traf und auf den Boden beförderte. Verwirrt udn nicht wenig verärgert sah er auf, direkt in hellblaue Augen udn einem blonden Pony, die zu einem kindlich geschnittenen Gesicht gehörten.
 

Atemlos wie er war, schien der andere erst jetzt zu merken, dass er gerade jemanden umgerannt hatte und wandte ihm seinen Blick zu. Die großen Augen weiteten sich noch mehr udn Nagi vermutete, dass er selbst im Moment nicht unbedingt besser aussah.
 

"DU!", entfuhr es beiden gleichzeitig. Wie erstarrt blickten sie einander an, nicht fähig, auch nur einen Muskel zu rühren.
 

//Scheiße und ich hab noch nicht mal ne Waffe dabei!//, schoss es Omi durch den Kopf. Sofort schalt er sich selbst einen Narren. Sie waren hier in der Schule, nicht auf dem Schlachtfeld und das auch nicht erst seit gestern. Er hatte natürlich gewusst, das der Schwarz auch hier war, doch sie waren sich nie über den Weg gelaufen, zum Glück. Was wollte der also hier?
 

Nagi saß noch immer am Boden, überlegte, was er nun tun sollte. Angreifen konnte er Bombay ja nicht gut, hier in aller Öffentlichkeit. Aber er war noch immer sauer, um nicht zu sagen, stinksauer, nicht zuletzt, weil sein Hintern schmerzte. Und der Depp stand einfach nur so da, starrte ihn an! Könnte sich ja wenigstens entschuldigen! Aber der war auch nur einer von diesen Ekeln, sonst nichts.
 

Die Gedankengänge der beiden wurden apprubt durch das Auftauchen ihrer Klassenlehrerin unterbrochen.
 

"Guten Morgen, die Herren, was gibts es, dass sie noch nicht in ihrem Klassenzimmer sind?" Die schrille, Kopfschmerzen verursachende Stimme der Frau löste die Jungen endlich aus ihrer Starre. Omi besann sich schneller und streckte Nagi eine Hand entgegen. Er wirkte unsicher dabei, fast so, als würde er generell daran zweifeln, dass Nagi die Hand überhaupt annahm.
 

Nagi spielte mit, ergriff die Hand, obwohl er nichts lieber getan hätte, als sie wegzuschlagn. Er konnte sich nicht schon am ersten Tag Ärger mit seiner neuen Klassenlehrerin einhandeln, dann würde Brad noch mehr am Rad drehn. Synchron verbeuten sie sich. "Entschuldigen sie bitte, Sensei, es wird nicht wieder vorkommen!"
 

Die Lehrin gab sich damit zufrieden udn schob sie in Richtugn Klassenraum. "Na schön, belassen wir es dabei... und nun verschwinden sie, Tsukiyono, ab auf ihren Platz, wenn sie schon mal ausnahmsweise rechtzeitig zum Unterricht kommen!"
 

Nagi konnte sich nur mit Mühe ein Grinsen über diese Spitze verbeißen. Hach wie schön, wenn der Feind einen Rüffel bekam! Zumal er selbst ja nichts sagen durfte. Er verbeugte sich noch ein weiteres Mal. "Sensei? Mein Name ist Naoe, ich soll ab heute diese Klasse besuchen", sprach er die Frau ruhig an, hielt ihrem stechenden Blick aus den kleinen Vogelaugen ohne Probleme stand.
 

"Ah ja, das Wunderkind, nicht wahr? Na dann kommen sie... Naoe war der Name?" Der Junge nickte und trat nach ihr in den Klassenraum ein. Omi hatte sich inzwischen auf seinen Platz, relativ weit hinten im Zimmer verkrümel und war gerade dabei, seine Schulsachen aus der Tasche zu wühlen. Deshalb entging ihm auch die Ankunft des 'Neuen'. Erst das Verstummen aller Gespräche und das kollektive Aufstehen seiner Mitschüler holte ihn wieder zurück und schnell erhob er sich, um nicht wieder unangenehm aufzufallen. Einmal am Tag reichte ihm. Er wollte sich auch im Moment noch gar nicht ausmalen, wie Aya reagieren würde, wenn er erfuhr, dass Prodigy ab sofort in seine Klasse gehen sollte. Er bezwifelte, dass sein Leader nichts davon wusste, dass sie auf die gleiche Schule gingen, dafür hatte der Rothaarige einfach zu scharfe Augen und auch wenn Nagi unauffällig war, so erkannte ein Killer seinen Feind doch. ihm selbst hatte nie etwas daran gelegen, einen Streit von Zaun zu brechen, er hasste Ärger und vermied ihn, wo es nur ging und scheinbar hatte sich so etwas, wie eine stille Übereinkunft zwischen ihnen gebildet. Sie ließen einander in Ruhe udn normalerweise begegneten sie sich nie.
 

Nach dem alltäglichen Morgengruß setzten sie sich wieder. "Das hier ist Naoe Nagi, er wird ab heute in eure Klasse gehen, helft ihm ein wenig am Anfang. Mein Name ist Marashima, ich unterrichte hier Japanisch und Englisch." Damit war auch 'der Neue' abgehakt und erledigt. Nagi verbeugte sich höflich und wartete, das ihm ein Platz zugewiesen wurde.
 

Die Lehrerin blinzelte ihn erst etwas irritiert an, als er keine Anstalten machte, vom Pult wegzutreten, bis sie begriff warum. "Achso... ja... naja setzen sie sich da hinter zu Tsukiyono, der hat sicher nichts dagegen." Sie gab ihrem Schüler einen Schubs in die Richtung und widmete sich dann ihren Unterlagen. Nebenbei lobte sie sich für den Einfall, Naoes Vornamen noch schnell in der neuen Klassenliste nachgeschlagen zu haben, bevor sie ihn vorstellte. Das Getuschel in der Klasse ignorierte sie vorerst.
 

Nagis Augen weiteten sich ein ganz klein wenig, doch er protestierte nicht, packte nur seine Schultasche fester und machte sich auf den Weg zu seinem Platz. Bombay sah ihm aus seinen großen Bambiaugen fast erschrocken entgegen, schien nicht recht zu wissen, was er tun sollte. Aber was sollten sie protestieren? Offiziell kannten sie sich erst seit heute und sie konnte ja schlecht sagen, dass sie zu zwei rivalisiernden Killergruppen gehörten, die sich bis aufs Blut hassten, oder?
 

Das schien der Blonde dann auch einzusehen udn so räumte er, wenn auch einen Moment zögernd, das Chaos auf einer Bankseite weg. Seine himmelblauen Augen blickten ihn ernst an, doch sein Mund lächelte wie immer.

"Hallo... Nagi.... freut mich...." Omi stolperte beinahe über den unvertrauten Namen, doch er schaffte er und überspielte seine Unsicherheit, so gut es ging. Die kalten Augen des Gegners schienen ihn zu druchbohren, was es ihm nicht gerade einfacher machte. Unruhig rutschte er auf seinem Stuhl hin und her, beobachtete Prodigy beim Auspacken und zögerte, ihn ein weiteres Mal anzusprechen, nachdem er auf seinen Gruß nur einen undefinierbaren Blick und ein kappes Nicken geerntet hatte.
 

Auffallend war das Gemurmel, dass sich ausbreitete, während der braunhaarige Junge die Bankreihen durchquerte. Vor allem die Mädchen steckten die Köpfe zusammen, warfen ihm immer wieder verstohlene Blicke zu, von denen sie wohl glaubten, er würde sie nicht sehen. Dumme Gänse!
 

Allerdings gefiel ihm die Miene einiger größerer Jungen ganz und gar nicht. Die war nämlich einfach nur hämisch udn geprägt von Vorfreude zu nennen. Na wunderbar, ging das hier also genauso weiter wie in der alten Klasse. Naja wenigstens war hier der Stoff wohl ein wenig anspruchsvoller, auch wenn er bezweifelte, dass Marashima mit ihrer Kreische ein fehlerfreies Englisch unterrichten würde.
 

Schweigend und mit gleichgültiger Miene setzte er sich neben Bombay. Manchmal fragte er sich, ob der Junge wirklich so naiv und freundlich war, wie es den Anschein hatte. Da kam der Feind, um nicht zu sagen der Erzfeind neu zu ihm in die Klasse, wurde auch noch neben ihn gesetzt udn was machte der Kerl? Lächelte und begrüßte ihn freundlich! Versuchte weder, ihn unter der Bank zu treten - zumindest bis jetzt -, warf ihm noch nicht einmal einen bösen Blick zu, sondern beobachtete ihn nur.
 

Ohne einen Blick zur Seite zu verschwenden, packte er seine Tasche aus, wobei da außer einer Stiftebox und einem Block sowieso nicht viel drin war. Nur sein Pausenbrot, dass Farf noch geschmiert hatte und ein bisschen Krimskrams.
 

Die Lehrerin schien sich nun endlich gesammelt zu haben uns erhob sich von ihrem Platz. "Bevor ich es vergesse, Naoe, ihre Bücher bekomme sie in der Pause in der Lehrmittelbücherei. Nehmen sie Tsukiyono mit, der kann ihnen beim tragen helfen. Und nun wird mir einer von ihnen den Stoff der letzten Stunde wiederholen... Nakasuta, wie wäre es denn mit ihnen?" Marashimas Lächeln ähnelte stark dem eines Haifisches, der gerade Beute gewittert hatte und der Gesichtsausdruck der bedauernswerten Schülerin, die sich nun erhob, um an die Tafel zu kommen, schien ihr recht zu geben.
 

Nagi schielt zu seinem Banknachbarn hinüber. Der war zwar kurz zusammengezuckt, als er die Anweisung der Lehrerin gehört hatte, aber es schien eher daher zu rühren, dass sie ihn überhaupt angesprochen, als an dem Auftrag, den sie ihm gegeben hatte. Der Dunkelhaarige passte einen unbeobachteten Moment ab, als sie die Lehrerin mit ihrem unwissenden Opfer auseinandersetzte. "Ich hol meine Bücher alleine!", zischte er zu seinem Feind hinüber. Erstaunlich, noch nicht einmal jetzt änderte sich der Blick unter den hellen Ponyfransen. Bildete er es sich ein, oder wurde er sogar noch ein wenig weicher?
 

"Ist doch kein Problem, ich helf dir..." Omi hob nur eine Schulter zum Zeichen, dass ihm das nicht ausmachte und Nagi gab für den Moment, mehr als verwirrt, auf. Es war nicht gut, sowas im Unterricht zu besprechen und womöglich noch Feuersirene da vorne auf sie aufmerksam zu machen. Unbewusste hatte er der Frau schon einen Spitznamen verpasst, der seiner Meinung nach perfekt zu ihr passte. Nicht zuletzt aufgrund ihres Organs, das einem durchaus einen Gehörschaden beschweren konnte, wenn man nicht auspasste. Wahlweise wohl auch Albträume von Luftangriffen und ABC-Geschützen.
 

Also richtete er seinen Blick nach vorne und tat den Rest der Stunde so, also würde er sich nur auf den Unterricht konzentrieren. Marashimas 'Geschick' und Mächtigkeit der englischen Sprache blieb ihm vorerst erspart, da sie im Moment japanisch unterrischtete, was ihm auch ganz recht war. Laut seinem Stundenplan hatten sie als nächstes Mathematik. Den Lehrer kannte er, noch relativ jung und ab und an ganz witzig und auf jeden Fall hatte er eine angenehmere Stimme, was schonmal ein eindeutiger Pluspunkt war.
 

Dann eine Doppelstunde Sport, sein absolutes Hassfach. Bis zur Pause war es also noch eine unendlich lange Zeit und die zwei Stunden Qual lagen noch zwischen ihm und der Erlösung. Wenn er die Mienen seiner Klassenkameraden richtig deutete, freuten die sich auf das Kommende, Sport war nämlich leider eine viel zu gute Gelegenheit, Anderen eins auszuwischen, ohne dass es groß auffiel. Und es war ihm absolut klar, wer nun das neue Opfer spielen durfte.
 

Seufzend wandte er sich dem Japanischunterrischt zu, schaute sogar mit Bombay zusammen in dessen Buch, da er ja noch kein eigenes besaß. Ohne Aufforderung hatte der einfach das ding aufgeschlagen, in die Mitte der Bank gelegt und mit einem Finger auf die entsprechende Stelle getippt. Warum machte der sowas? Nur, um einem bissigen Kommentar ihres Lehrkörpers vorzubeugen? Nagi verstand es nicht und Verwirrung war etwas, was er ganz und gar nicht schätzte. Viel lieber hatte er klar Verhältnisse. Ganz beiseite schieben ließ sich das auch nicht während der ganzen Stunde, die schier endlos zu dauern schien.
 

Die Zeit kroch nur so dahin. Beide hingen mehr oder weniger ihren Gedanken nach, den Schulstoff beherrschten sie ohnehin schon lange. Viel mehr beschäftigte sie der Gedanke an die kommende Pause und an die Sportstunden in Nagis Fall. Er hatte keine Ahnung, was ihn erwartete, wollte es eigentlich auch gar nicht wissen, aber große Wahl hatte er nicht. Sicher, er könnte Übelkeit vortäuschen, aber dann würde sein Erziehungsberechtigter, also Brad, davon in Kenntnis gesetzt werden und dann gabs Stunk und einen Vortrag über das Drücken vor unangenhemen Dingen. Oder noch schlimmer, Farfie machte sich Sorgen um ihn. Erstens wollte er keinem Sorgen machen und zweitens wurden die Mutterinstinkte des Iren bisweilen etwas hyperaktiv, wenn Nagi sich nicht gut fühlte und dem Jungen gingen im Moment zu viele Sachen durch den Kopf, als dass er sich mit gutem Gewissen hätte verhätscheln lassen können.
 

Er wurde ein paar Mal von Marashima aufgerufen und mit der ersten halben Stunde, die er ihr folgte, drängte sich ihm der Eindruck auf, dass sich die Frau für eine begnadete Lehrerin und noch dazu für... attraktiv hielt. Sie ließ mehr als nur einmal spitze Bemerkungen gegen die teilweise recht ansehnlichen Schülerinnen und deren Aussehen fallen, die alle nur den Zweck zu haben schienen, die Mädchen lächerlich zu machen. War die alte.... war sie nur neidisch oder hielt sie sich wirklich für so hübsch? Er schluckte leicht und musterte sie richtig.
 

Sie war groß für eine Frau und noch größer für eine Japanerin, hatte dürre, wenn auch nicht unbedingt hässliche Beine, die unter dem knielangen Rock des apricotfarbenen Kostüms im westlichen Stil, gut sichtbar waren. Die Farbe hätte ihr wohl gestanden, hätte sie nicht ihren ohnehin schon blassen Teint noch milchiger und ihre farblosen, aschblonden Haare, die von ersten, grauen Strähnen durchzogen waren, noch farlosen gemacht.

Auch ihr Oberkörper war sehr schmal mit wenig Brust, kaum Taille, dafür einem langen Hals, mit dem sie bestimmt gut in anderer Leute Fenster hineinspähen konnte und einem kleinen Vogelkopf. Die Haare streng zu einem Knoten zusammengefasst und das Gesicht hager und von den ersten Ärgerfalten durchzogen, rundeten zusammen mit den kleinen, dunklen Knopfaugen hinter einer randlosen Lesebrille das Bild perfekt ab. Nagi schauderte ein wenig. Dann ja bitte jede Andere, aber nicht die da!
 

Er konnte sich gerade noch davor bewahren, den Kopf zu schütteln und das Gesicht angeekelt zu verziehen. Und zu dieser Schreckschraube kam noch Bombays Anwesenheit. Es war irgendwie ein seltsames Gefühl, so mehr oder weniger einträchtig neben dem Feind zu sitzen, mit ihm sogar in ein Buch zu schauen und wenn ihm nicht bald ein geeigneter Grund einfallen würde, blieb das den ganzen Rest des verdammten Schuljahres so.
 

Er seufzte lautlos in sich hinein und war froh, als endlich der Schulgong, das Ende der Stunde ankündigte. Sie mussten für Mathe das Klassenzimmer nicht wechseln, also blieb er einfach sitzen, starrte vor sich auf die Bank, während um ihn herum das mittelmäßige Chaos ausbrach.
 

Plötzlich tippte ihm jemand auf die Schulter. "Hi, ich bin Juny..." Er hob den blick und sah in das hübsche Gesicht eines Mädchens. Knapp nickend bejahte er dessen Frage und hoffte, die Schroffheit würde ausreichen um sie zu vertreiben. Zuviel gehofft, denn das schien sie eher anzuspornen, mit ihm ins Gespräch zu kommen. Am liebsten hätte er ein paar bissige Bemerkungen gemacht, doch das war nicht seine Art, also schwieg er, diesmal ein ziemlich gequältes Schweigen, musterte sie nebenher ein wenig. Ansehnlich, offensichtlich Ausländerin, vielleicht Amerikanerin, ihr Akzent war dem Brads, den er am Anfang gehabt hatte, recht ähnlich. Und der Name tat sein übriges zu Nagis Vermutung bei. Nun zumindest wäre sie vielleicht ein ganz guter Unterrichtspartner für Englisch, denn er bezweifelte stark, dass die Mehrheit der Klasse dieser Sprache wirklich mächtig war, er wusste aus eigener Erfahrung, wie schwierig die Aussprache der ungewohnten Silben sein konnte, dagegen war die Schrift ein Klacks.
 

Allerdings bezweifelte er, dass die Gör in ihrer Muttersprache viel spannendere Sachen zu sagen hatte, als auf japanisch. Sie textete ihn im Prinzip nur mit Sachen zu, die er eh schon wusste, er war ja nicht erst seit heute auf der Schule. Doch er bekam plötzlich Hilfe von unerwarteter Seite.
 

"Juny-san, ich glaube, ich hab Sensei Kanas Stimme gehört...", brachte Omi das übersprudelnde Mädchen zum Verstummen. Sie horchte auf un trat schnell den Rückzug an, um nicht bei dem Lehrer unangenehm aufzufallen, der allerdings doch noch eine ganze Weile auf sich warten ließ.
 

Nagi sah seinen Banknachbarn erstaunt an, bekam noch das verschmitzte Lächeln mit, bevor er sich schnell wieder abwandte.

Omi konnte sich gerade noch beherrschen, Nagi aufmunternd auf die Schulter zu klopfen. "Mach dir nichts draus, sie nervt jeden...", murmelte er dem Jüngeren zu und drehte sich dann zu seinem Hintermann um, der ihn angesprochen hatte.
 

Nagi hörte dem Gespräch der Beiden nicht zu, viel zu sehr war er damit beschäftigt, das eben Geschehene zu verarbeiten. Bombay hatte ihm geholfen. Ihm. geholfen. So richtig und mit Absicht. Er hatte das Mädchen bewusst mit einer falschen Information gefüttert, damit es von ihm abließ. Jetzt schüttelte er wirklich den Kopf. Das war doch absolut absurd, oder? Würde er gleich aufwachen? Träumte er diesen ganzen, seltsamen Vormittag nur? Was passierte denn jetzt noch? Würde er auf einmal zum Sportass mutieren? Er unterdrückte gerade noch ein Auflachen. Oh nein, SO verrückt konnte noch nicht einmal ein Traum sein, da lernten ja Schweine vorher fliegen.
 

Wo war denn der verfluchte Mathelehrer, wenn man ihn mal brauchte? Er wollte jetzt nicht darüber nachdenken, was heute alles ganz furchtbar schief lief und dass sein Leben urplötzlich dabei war, sich irgendwie zu verselbständgen. Jetzt waren schon zwei seiner Feinde nett zu ihm, Brad war seltsam drauf, Schuldig grinste nicht die ganze Zeit... so komisch es klingen mochte, doch im Moment verhielt sich Farfarello noch am normalsten in seinem Umfeld. Und noch viel seltsamer war es, dass ausgerechnet dieser Gedanke ihm etwas von seiner Ruhe zurückgab, nicht viel, aber es würde reichen, um die nächste Stunde zu überstehen.
 

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Omi lag halb auf seiner Schultasche und döste ein wenig vor sich hin, als ihn die Stimme seines Mathelehrers aus seinen Tagträumen riss. "Tsukiyono, hätte sie die Freundlichkeit meinem Unterricht zu folgen? Oder langweile ich sie etwa?" Der Junge beeilte sich, eine Entschuldigung zu murmeln und versuchte, das Gekritzel an der Tafel zu entziffern. Bei welcher Aufgabe waren sie eigentlich gerade?
 

Ein Blatt mit Notizen in sauberer Schrift wurde ihm unter die Nase geschoben und ein Finger tippte auf die entsprechende Stelle. Er verkniff sich einen erstaunten Seitenblick und las rasch die richtige Lösung vor, bevor der Lehrer noch wirklich böse wurde. Eigentlich kam er ja mit allen gut aus, aber er hatte die letzte Nacht nicht vernünftig geschlafen und war jetzt hundemüde.
 

Der junge Mann an der Tafel nickte zufrieden und ließ von ihm ab, die Aktion von Nagi hatte er nicht mitbekommen.
 

Der Blonde fixierte den anderen Jungen und las in seinen Augen eine eindeutige Ansage, bevor diese wieder ausdruckslos wurden. //Wir sind quitt.// Er nickte leicht zum Zeichen, dass er verstanden hatte und wandte sich nun wirklich dem Unterrichtsgeschehen zu. Er wollte sich nicht nochmal auf Nagis Hilfe verlassen, es war nicht seine Art, sich mit anderer Leute Federn zu schmücken. Lieber arbeitete er selber bevor er fremdes Lob erntete.
 

Also bemühte er sich, die Augen offen zu halten und von dem Geschehen wenigstens ein bisschen was mitzubekommen. Nicht, dass er Probleme mit dem Verständnis hätte, die Aufgaben hatte er alle schon zu Hause durchgerechnet, aber er war verwirrt, um nicht zu sagen enttäuscht. Er hatte so gehofft, dass vielleicht jemand in die Klasse kommen würde, der die gleichen Interessen hatte wie er, mit dem er sich wirklich anfreunden, vielleicht ein bisschen fachsimpel könnte. Und nun war das Prodigy! Von allen Möglichen war es genau der, den er am wenigsten hier haben wollte und jetzt war es auch noch sein Banknachbar!
 

Fachsimpeln könnte er mit ihm sicher, vor allem, wie man sich in fremde Datenbanken einhackte, wie man Sicherheitssperren knackte, Passwörter decodierte und Gebäude verminte, wie man die besten Schutzprogramme entwickelte, wie man... stopp moment mal. Mal ganz abgesehen davon, dass der Andere, nie, niemals freiwillig mehr als nur das Nötigste mit ihm kommunizieren würde, fiel alles, was er sich gerade in Gedanken aufgezählt hatte unter das dick und fett geschriebene Wort MISSION. Das hatte hier erstens nichts zu suchen, hier war er einfach nur Omi Tsukiyono, durfte lachen und fröhlich sein, musste sich keine Gedanken ums Überleben machen - zumindest bis jetzt -, zweitens war er nur ein normaler Schüler, genau wie... Nagi und wusste solche Sachen deshalb gar nicht und drittens war das da immer noch der FEIND, auch wenn er das für einen Moment vergessen zu haben schien. Was war es nur, das es so furchtbar leicht machte zu verdrängen? Er hatte die ganze letzte Stunde kaum daran gedacht, hatte dem Anderen geholfen, ohne auch nur einen Moment zu überlegen, ob es denn richtig war. Lag es einfach nur an seinem harmoniesüchtigen Naturell, dass er jetzt schon versuchte, nett zu seinem Gegner zu sein oder war es einfach der Gedanke, dass Nagi vielleicht auch... normal sein wollte?
 

Kam er hierher, weil es normal für einen Jungen ihres Alters war, die Schule zu besuchen? Und hatte er dann das Recht, ihm diese Normalität zu nehmen? Auch wenn er der Feind war... er stellte sich einen Moment lang vor, wie es wäre, wenn er selbst nicht mehr zur Schule gehen dürfte. Es gefiel ihm ganz und gar nicht, denn hier war einer der wenigen Orte, an dem er auch ab und zu für ein paar Stunden... nicht vergessen, aber vielleicht verdrängen konnte.
 

Aber konnte er auch verdrängen, dass Nagi ein Mitglied von Schwarz war? Schwarz, die die Drecksarbeit für seinen Erzeuger machten? Die Ouka getötet hatten.
 

Er schielte zu seinem Nachbarn hinüber. Er sah aus wie.... ja wie jeder andere Schüler. Na gut, vielleicht nicht ganz, die meisten hatte wenigstens keinen solchen nichtssagenden Gesichtsausdruck, aber trotzdem. Er folgte dem Unterricht, er las mit ihm in einem Buch, waren sie denn hier drin wirklich so unterschiedlich?
 

Während er grübelte, merkte er gar nicht wie die Stunde vorrüberging. Der Gong ließ ihn überrascht aufschauen. Schon vorbei? Na da hatte er mal wieder wahnsinniges Glück gehabt, dass Kana ihn nicht noch einmal aufgerufen hatte. Und dabei hatte er sich doch so fest vorgenommen, aufzupassen!
 

Innerlich vor sich hingrummelnd und sich selbst verfluchend stopfte er seine Sachen in seine Schultasche. Noch zwei Stunden Sport und dann war endlich Pause. Doch, er ging gerne zur Schule, aber manche Fächer hatte er eben lieber als Andere.

Sport machte er nicht wirklich gerne, aber im Moment spielten sie Basketball, etwas, dass er wenigstens einigermaßen konnte. Im Fußball hatte er sich, trotz Kens intensiver Hilfe, mehr schlecht als recht geschlagen. Er bewunderte seinen Freund für sein Geschick mit dem runden Leder, zumal er wusste, dass er das niemals beherrschen würde.

Der derzeitige Ballsport war ihm wesentlich lieber. Genug Kondition hatte er ja und seine Zielsicherheit stand außer Frage, weswegen er fast nie den Korb verfehlte. Ein leicht bitteres Lächeln umspielte seine Lippen, während er seine Trainingstaschen aus dem überfüllten Spint kramte. Wenn er Nachts sein Ziel verfehlte, war er so gut wie tot.

Das einzige Problem, das er hatte waren die Schränke. Baumlange Kerle, muskelbepackt mit nicht viel Gehirn, dafür mit reichlich Kohle aus Papis Taschen ausgestattet und nur deswegen in der Klasse für Sonderbegabte, ja nur deswegen überhaupt noch auf der Schule. Im großen und Ganzen kam er gut mit ihnen zurecht, auch wenn es die ein oder anderen Reibereien gab, doch im Sport schienen deren Gehirn auf Erbsengröße zu schrumpfen. Vermutlich das Adrenalin, das sollte ja bekanntlich wirkungsvoll am Denken hindern... zumindest bei einigen Menschen.
 

Wenigstens hatten sie nicht mit den Weiber zusammen Unterricht, das würde ihm ja gerade noch Fehlen, mit einer Bande himmelnder, seufzender, quietschender... Mädchen spielen zu müssen, die ihn womöglich noch alle antatschen wollten. Er mochte ja viele von ihnen wirklich gerne aber manchmal gingen sie einfach zu weit.
 

Er war nur ein wenig besorgt, wie sich Prodigy anstellen würde, auch wenn er sich selbst dafür gleich wieder ausschimpfte. Er sollte sich nicht um den Feind sorgen, Punkt. Dennoch konnte er es nicht ganz verhindern, zumal der Junge nicht so aussah, als würde er hobbymäßig viel Sport treiben. Gut, in Ordnung, so sah er auch nicht aus, aber Nagi war ja noch um einiges schmäler und zierlicher als er. Und auch jünger, wenn er die Akte richtig gelesen hatte, wovon er gerne ausging.
 

Eigentlich müsste er jetzt Schadenfreude empfinden oder? Er selbst hatte gegen die Schränke schon kaum eine Chance, Nagi, nein, Prodigy erst recht nicht. Er musste sofort aufhören, den anderen Jungen bei seinem Namen zu nennen, das schaffte viel zu viel greifbare Nähe. Das war ja fast ein Ausdruck von Sympathie. Nagi.... Prodigy durfte ihm nicht sympathisch werden, das konnte unter Umständen ganz verheerende Auswirkungen haben. Was, wenn er eines Nachts zögerte, wenn seine Hand, die die Darts hielt, zitterte. Lieber gar nicht erst daran denken. Ablenkung, jetzt sofort!
 

Schnell marschierte er in die Umkleidekabine und suchte sich einen Platz in einer Ecke. Die anderen Jungen lärmten fröhlich herum, trieben ihre Scherze, wie es Jugendliche nunmal taten. Ein paar Pfiffe wurden ausgestoßen, als Nagi den Raum betrat. Der Junge sah sich suchend um, doch auf einmal schien nirgendwo mehr ein freier Platz zu sein. Die Schränke bauten alles zu und die Schwächeren trauten sich nicht, dem Neuen, der ganz offensichtlich oben auf der Abschussliste stand, einen Platz anzubieten.
 

Omi zögerte, er hatte sich doch gerade erst selber ermahnt, doch bei Nagis Anblick, wie er da beinahe hilflos mit seiner Sporttasche in der Hand stand und nicht wusste, was er tun sollte, konnte er gar nicht anders. "Nagi, komm, hier ist noch Platz...." Der Braunhaarige hob den Kopf, sah seinen Gegner erstaunt und verwirrt zugleich an, setzte sich dann aber nach kurzem Zögern in Bewegung.
 

Er schien nicht recht zu wissen, was er davon halten sollte und musterte den Blonden misstrauisch. Omi lächelte nur. "Ich beiße nicht, keine Sorge...", scherzte er, doch irgendwie schien das etwas daneben zu gehen. Also ließ er es lieber bleiben und zog sich stattdessen um, bevor er noch zu spät kam. Aus dem Augenwinkel heraus konnte er sehen, dass der Jüngere es ihm gleichtat.
 

Er schlüpfte aus seinen Sachen, und rein in die kurze Sportkleidung. Das war das, was er an diesem unterricht wirklich hasste, waren diese widerlich knappen Höschen, kaum genug Stoff, um sich anständig darin zu bewegen. War garantiert der Einfall eines alten Perverslings, diese Kleidung einzuführen. Vielleicht war das ja ein Verwandter von Yohji gewesen? Zwar anders herum gepolt, aber seinem Kollegen hätten diese Dinger - Trikot wollte er es gar nicht nennen, dafür war einfach zu wenig Stoff dran - an Frauen sicher sehr gut gefallen. Naja wenigstens mussten sie alle darin herumlaufen.
 

Mit ein paar seiner Klassenkameraden scherzend, verschwand er in der Turnhalle udn begann, sich warmzulaufen. Kaum außer Atem, stoppte er schließlich und fing an , seine Muskeln zu dehnen. Wie immer, blieben auch heute die kommentare der Klassenmachos, von wegen Mädchen und die anzüglichen Pfiffe, wenn der Lehrer gerade mal außer Hörweite war, nicht aus. Er hasste es zwar immer noch, aufgrund seiner Statur und seines etwas weichen Aussehens gehänselt zu werden, aber inzwischen regte er sich kaum noch darüber auf. Nur wenn Yohji ihn damit aufzog, störte es ihm mehr als sonst. Warum wusste er nicht, vielleicht, weil sein Kollege WIRKLICH männlich war, vor allem gegen diese Typen hier, die trotz ihres Körperbaus noch irgendwie... unfertig wirkten. Also zuckte er nur die Schultern und lächelte, bis er merkte, dass sich die Aufmerksamkeit verlagerte.
 

Es brauchte nicht viel Fantasie, um zu erraten, wer da wohl gerade aus der Umkleide getreten war. Er drehte sich um und wirklich, das stand Prodigy in der kurzen Hose und einem weißen Shirt, dass ihm aber etwas zu groß war, seinen Körper noch schmächtiger wirken ließ. Die Haare vom Umziehen noch zerstrubbelter als sonst, das puppenhafte Gesicht ausdruckslos wie immer, ließ er den Spießrutenlauf über sich ergehen, trat zum Sportlehrer und stellte sich mit einer Verbeugung vor.
 

Fast tat er Omi leid, aber ging das überhaupt? Konnte er Mitleid mit dem Feind haben? Es viel ihm trotz allem schwer, in dem kleinen Jungen dort einen Gegner zu sehen, was wohl auch durch die Kleidung bedingt war, die ihn noch jünger wirken ließ, als er ohnehin schon war.
 

Die widerstreitenden gefühle machte ihn ganz verrückt und er war froh, als sich endlich alle aufgewärmt hatten und der eigentliche Unterricht begann. Bewegung war gut, da musste er nicht so viel denken und heute durfte er sogar eines der Teams zusammstellen. Drei seiner Mitspieler wählte er sofort aus, bei dem Vierten zögerte er etwas. Es waren nur noch ein paar übrig, diejenigen, die sowieso niemand haben wollte, waren ohnehin schon bei ihm. Die Anderen sahen sie immer nur als hinderlich an, als Klotz am Bein während des Spiels. Ok, so unrecht hatte sie ja nicht, die er ausgewählt hatte, besaßen allesamt mindestens zwei linke Füße und Hände, aber ihm ging es nicht ums gewinnen, Körbe werfen konnte er selbst, ihn freute nur jedes Mal das Leuchten in ihren Augen, wenn sie nicht erst ganz am Schluss aufgerufen wurden, oder gar der Streit ausbrach, wer sie in die Mannschaft nehmen musste.
 

Omi gab sich einen Ruck und rief Nagis Namen. Der Junge, der am Rande stand und irgendwie fehl am Platz, beinahe verloren wirkte, hob überrascht den Blick, seine sturmblauen Augen richteten sich auf seinen neuen Mannschaftskapitän und schienen nach einem Anzeichen für eine neue Gemeinheit zu suchen.
 

Ohne es zu merken wurde Omis Lächeln weicher, noch freundlicher. Alleine dieser Ausdruck in den sonst so leeren Augen war es wert gewesen, den anderen mit in die Gruppe zu nehmen und es verschaffte ihm zudem Genugtuung, einen Schwarz überrascht zu haben, was ja nicht gerade einfach war. Darüber durfte er sich doch freuen oder? Sollte er deswegen ein schlehctes Gewissen haben? Nein, das war schon in Ordnung, schließlich hatte er Prodigy ja auch geholfen.
 

Insgesamt wurden drei Mannschaften gebildet, die alle mindestens einmal gegeneinander spielen sollten. Seine war gleich als erstes dran. Unglücklicherweise bekam auch die 'Gruppe der Schränk' wie er sie immer wieder gern in Gedanken nannte, das erste Spiel zugewiesen.
 

Sein Sportlehrer war ja wirklich ein ganz netter Mann, aber manchmal zweifelte Omi wirklich an seinem Augenmaß, denn alles in allem waren seine Leute etwa die Hälfte der Anderen, in allen Dimensionen wohlgemerkt. Vielleicht wollte der arme Mann den Todeskampf aber auch nur schnell beenden, denn es war klar, dass sie keine Chance gegen die Größeren hatten. Omi würde es trotzdem versuchen, Aufgeben war nichts, was er gerne machte.
 

Der blonde Junge ließ seinen Blick geübt über die Gegner wandern. Er spielte schon lange gegen sie und kannte jede Schwäche, hatte alle schon unterbewusst beim ersten Mal gespeichert, eine Angewohnehit seines Jobs.

Er wusste ganz genau, dass diese Kerle zwar aus vielen Muskeln und leidlich viel Gehirn bestanden, dadurch aber auch sehr unbeweglich waren. Er winkte seine Mannschaft zu sich. "Also, egal was ihr macht, bleibt in Bewegung, nicht stehenbleiben, ok? Diese großen Ochsen sind langsam, nutzen wir das!", versuchte er sie zu ermuntern, erntete aber von drei Seiten nur zittriges Lächeln, von einer einen ausdrucklosen Blick.
 

Er seufzte. Na schön, dann musste er eben zusehen, dass es so wenig Verluste wie möglich gab. "Ok, geht ihnen einfach nur aus dem Weg, in Ordnung?" Diesemal bekam er sofort von den Dreien ein heftiges Nicken, von Prodigy wieder keine Reaktion. Aber was hatte er denn erwartet? Dass der Kleinere ihm vor Freude gleich um den Hals sprang? Eher unwahrscheinlich. Aber zumindest hatte er keine spitze Bemerkung gemacht, oder sich geweigert und irgendwie freute Omi das, auch wenn er versuchte, es sich selbst zu verbieten. Was würde Aya nur sagen, wenn er ihn so sehen könnte? Der Gedanken ernüchterte ihn ein wenig. Ja, an seinen Leader denken war gut, da kam man ziemlich schnell von allem runter. Er schämte sich sofort für die Gemeinheit, auch wenn sie nur in Gedanken war, aber er hatte genug Respekt vor dem Älteren, dass es ihn vor erneuten Dummheiten bewahren würde. Aya hatte ihn nicht getötet, er war ihm nicht einmal böse wegen seiner Familienabstammung und wie dankte er es? Spielte hier mit dem Feind einträglich Basketball, hatte ihm in den letzten Stunden mehrmals geholfen. Am liebsten hätte er sich in eine Ecke verkrochen und erst mal in Ruhe über alles nachgedacht, aber mitten im Unterricht ging das ja schlecht. Besser er konzentrierte sich schnell, sonst bekam er heute wirklich noch was ab und die blauen Flecken von der letzten Mission waren noch mal alle weg, auf neue konnte er getrost verzichten.
 

Er begab sich mit den Anderen aufs Spielfeld, nahm seine Position ein. Springen würde er nicht, der gegnerische Kapitän war viel zu groß, als dass er den Ball erreichen könnte. Lieber rannte er hinterher und versuchte ihn so zu erhaschen, das hatte meist mehr Effekt und sah weniger lächerlich aus.
 

Da war auch shon der Anpfiff und das Spiel begann. Omi hängte sich voll rein, was man von seinen Mitspielern nicht gerade sagen konnte, die bemühten sich eher, nicht allzuviele Tritte und Kniffe zu kassieren, kamen darüber aber kaum an den Ball.

Plötzlich durchschnitt ein leiser Schmerzensschrei die Halle.
 

Der blonde Junge stoppte mitten in der Bewegung und drehte sich in die Richtung, aus der der Laut gekommen war. Er sah nur jemanden am Boden liegen und machte, dass er hinkam, dass sah verdammt nach Prodigy aus, wenn ihn nicht alles täuschte.
 

Und er täuschte sich nicht. Sofort umringte eine Traube von Schülern den Gefallenen, der sich jetzt langsam wieder bewegte, die einen mit hämischem Grinsen, die anderen mitleidig schauend. Der Sportlehrer drängte sich durch die Jungen, kniete sich nieder und half Nagi beim Aufrichten. Gut sah der Junge nicht aus. Auf seinem rechten Jochbein breitete sich bereits eine blaue Färbung aus und Knie, sowie Ellenbogen waren aufgeschürft.
 

"Was war hier los?", verschaffte er sich Gehör, über den murmelnden Stimmen. Er fixierte den Raufbold, der am nächsten stand. Der Junge hob abwehrend die Arme und machte sein unschuldigstes Gesicht. "Ich wars nicht, ehrlich! Er ist nur über seine eigenen Füsse gestolpert!" Der Lehrer sah Nagi fragen an.
 

Immer noch etwas benommen nickte der Braunhaarige, um sich nicht noch mehr Ärger einzuhandeln. Seine Wange schmerzte ganz gemein, wo ihn der Ellenbogen des Größeren getroffen hatte. Die Woche fing ja wirklich schon gut an, seine erste Stunde Sport und dann gleich sowas! Konnten sie nicht etwas mit weniger Körpereinsatz machen? Meditieren vielleicht?
 

Er versuchte aufzustehen, doch sein linker Fuß knickte unter ihm weg und er musste die Zähne zusammenbeißen, damit ihm kein Schmerzlaut entkam. Helfende Hände hielten ihn, ohne dass er wusste, zu wem sie gehörten.
 

"Ich bring ihn ins Krankenzimmer...", hörte er eine Stimme von weit her und die des Lehrer antwortet. "In Ordnung, Omi, komm dann aber wieder her... und ihr Anderen, seht zu, dass ihr weitermacht!"
 

Omi? Bombay half ihm? Schon wieder? Es schien fast so, denn sein Arm wurde um den Nacken einer größeren Person gelegt, nicht viel größer, aber doch etwas und er wurde endgültig auf die Füße gezogen. Hinkend, um den verletzten Fuß nicht zu stark zu belasten, durchquerte er die Halle, weiterhin auf seinen Feind gestützt und ließ sich in Richtung Schulschwester transportieren. Die Gedanken hinter seiner Stirn rasten. Warum machte der das?
 

Wollte er die Gelegenheit nutzen, jetzt wo er wehrlos war und ihm auf dem Gang nochmal eine reinwürgen? Allerdings hatte er das den ganzen Tag über nicht versucht. Er hatte, soweit er das in seinem etwas benebelten Zustand beurteilen konnte, noch nicht einmal gelacht, als er selbst am Boden gelegen war. Warum nicht? Steckte da irgeneine Gemeinheit dahinter? Hatte er vielleicht den Auftrag bekommen, sich bei ihm einzuschmeicheln? Oder hatte er nur auf eine solche Gelegeheit gewartet?
 

Seine Verwirrung steigerte sich noch, als er sich schließlich im Krankenzimmer wiederfand, wo er einen Eisbeutel für sein Gesicht, sowie Pflaster für Ellenbogen udn Knie und einen festen Verband um den verstauchten Knöchel bekam. Brad würde jubeln.
 

Omi hatte während der ganzen Zeit an der Wand gelehnt und aus dem Fenster gestarrt. Er schien tief in Gedanken zu sein, denn die Schwester musste ihn mehrmals ansprechen, bis er reagierte.
 

"Du kannst ihn jetzt wieder zurückbringen...", meinte die ältere Frau mit einem freundlichen Lächeln, das Omi sofort erwiderte. Innerlich stritt er immer noch mit sich selbst. Er war eindeutig im Zwiespalt mit seiner Loyalität Weiß gegenüber und seinem Gerechtigkeitssinn, wenn es um Schwächere ging. und Nagi war im Moment ganz eindeutig Schwächer. Nachdenklich kaute der Blonde auf seiner Unterlippe, während er den Dunkelhaarigen wortlos zurück zur Turnhalle stützte, damit dieser nicht mit seinem vollen Gewicht auf dem verletzten Fuß laufen musste.
 

Was ihn zudem erstaunte war, dass sein Gegner nicht ein einziges Mal protestierte. Also entweder tat die Verstauchung wirklich so weh, oder aber der Andere war genauso verwirrt wie er selbst. Sie hatten die Tür zur Umkleide beinahe erreicht, als er plötzlich leise Worte neben sich hörte.
 

"Warum tust du das?" Nagi sah seinen Helfer nicht an, hielt den Blick starr auf den hässlichen, hellgrauen Fussbodenbelag gerichtet.
 

Omi blinzelte ein paar Mal. "Warum tue ich was? Dir Helfen?" Ein schwaches Nicken war die Antwort. Er dachte einen Moment lang nach. Eigentlich sollte er langsam eine Antwort darauf haben, wo er doch den ganzen bisherigen Vormittag nichts anderes gemacht hatte, als darüber nachzudenken. Doch ihm wollte keine Begründung einfallen, zumindest keine, die nicht in seinen eigenen Ohren lächerlich geklungen hätte.
 

"Ich weiß nicht.... ich glaube.... das hier ist keine Mission, wir sind nicht im Kampf.... ich will hier keinen Streit, verstehst du? Ich will.... das hier ist normal....", stammelte er etwas zusammenhangslos heraus, weil er beim besten Willen nicht wusste, wie er es erklären sollte. Seine Wangen röteten sich leicht, es war ihm peinlich, dass er hier wie ein kleines Kind mit seinem Feind stand und nicht weiter wusste.
 

Zu seiner Überraschung sah er aus dem Augenwinkel heraus, wie Nagi nickte. "Ich weiß was du meinst....", murmelte der Junge, sah ihn aber weiterhin nicht an. "Aber geht das denn?" Hey, der klang ja fast etwas bedauernd.
 

Omi zuckte die Schultern. "Ich weiß es nicht.... wir können es ja... versuchen?", fragte er dann hoffnungsvoll. Er wollte sich nicht mit Nagi streiten, nicht hier und er wollte auch nicht dauernd auf seinen Rücken aufpassen müssen. Aber konnte er ihm vertrauen? Nein, sicher nicht. Sie mussten ja auch keine Freunde werden, das ging einfach nicht, aber vielleicht kamen sie wenigstens einigermaßen miteinander aus.
 

Prodigy schien zu überlegen, wiegte dann den Kopf hin und her und sah Omi auf einmal offen an. "Dass das klar ist, nur ein Waffenstillstand, mehr nicht!" Täuschte der Blonde sich, oder war da wirklich etwas mehr Ausdruck in den mitternachtsblauen Augen als sonst? Nein, das hatte er sich sicher nur eingebildet!
 

Und doch konnte er selbst ein Lächeln nicht unterdrücken. "Ok, Waffenstillstand, nur hier in der Schule..." Mehr konnte und wollte er nicht erwarten und es war ein seltsames Gefühl, aber kein schlechtes. Er war... erleichtert und seine Laune, die die letzten Stunden ziemlich gedrückt gewesen war, hob sich. "Na komm, gehen wir wieder rein, sonst gibts Ärger...." Und schon wurde Nagi wieder in die Turnhalle befördert.
 

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Der Gong, der die letzte Stunde beendete, erlöste Nagi schließlich. Naja erlösen war vielleicht ein wenig zu hart ausgedrückt, sooo schlimm war der Schultag ja nicht gewesen. Er hatte von Unterricht nicht allzu viel mitbekommen, da er die ganze Zeit am Grübeln gewesen war, aber zumindest hatten ihn alle anderen in Ruhe gelassen nach dem Vorfall in der Sportstunde.
 

In der Pause hatte er seine Bücher geholt - MIT Omis Hilfe, obwohl er versucht hatte, sich dagegen zu wehren - und dann hatten sie gemeinsam gegessen. Gemeinsam. So wie in 'zusammen'. Es war ein komisches, verwirrendes Gefühl, auf einmal nicht mehr alleine in einer Ecke des Schulhofes zu sitzen, möglichst unauffällig, damit ihn niemand ansprach, sondern neben jemandem, der redete. Geantwortet hatte er zwar so gut wie nie, aber irgendwie schien dass den Blonden nicht zu entmutigen. Na schön, er hatte auch nicht viel gemacht, um ihn zu vertreiben. Besser gesagt, gar nichts.
 

Seufzend rieb er sich über die Stirn, da sich langsam leichte Kopfschmerzen bemerkbar machten. Das war doch alles absurd, völlig verquer. Und doch hatte er irgendwann den verrückten Tag einfach akzeptiert, warum, konnte er selbst nicht sagen. Er mochte Bombay immer noch nicht, der Hass saß tief aber Omi... Omi war ihm irgendwie sympathisch. Der Junge hatte ihn sogar fast dazu gebracht, zu reden, als er, fast mit sich selbst, über die neuesten Software-Entwicklungen diskutiert hatte. Natürlich nur über den Alltagsgebrauch, nichts missionstechnisches.
 

Und selbst jetzt lief sein... Feind immer noch neben ihm her, trug einen Teil der wirklich schweren Bücher, damit Nagi seinen verstuchten Fuß nicht zu sehr belasten musste. Wenn er ehrlich war, wusste er nicht, was er mit so viel Freundlichkeit anfangen sollte. Zu ihm war noch nie jemand wirklich nett gewesen, von seinen Kollegen einmal abgesehen. Er hatte ja auch nie versucht, engere Beziehungen zu anderen Menschen zu knüpfen, die hätten ohnehin zu nichts geführt. Niemand durfte etwas von seinem Job wissen und von seiner Gabe erst recht nicht.
 

Aber Omi.... vor Omi musste er zumindest das nicht verstecken, der wusste bescheid, ihre nächtliche Aktivität band sie aneinander und stieß sie zugleich ab. Sie waren wie zwei Seiten einer Münze, nur wer war welche? Sein ganzes Leben hatte aus Schwarz bestanden, was davor war, daran wollte er lieber nicht denken. Weiß waren immer die Bösen gewesen, solange sie existierten. Er war in dem Bewusstsein aufgewachsen, dass das, was er tat, das Richtige war.
 

Was aber, wenn es seinem neuen Banknachbarn nicht anders ging? Der Junge war Takatoris Sohn, das wusste er. Naja eigentlich war er es nicht, aber er würde den Teufel tun und Geheimnisse ausplaudern. Das konnte ihn und ganz Schwarz das Leben kosten. Aber wie musste sich jemand fühlen, der gegen den - vermeindlich - eigenen Vater kämpfte?

Und warum zum Teufel interessierte ihn das alles überhaupt? Er sollte es wie Schuldig halten, nehmen, was ihm geboten wurde und es bis zum letzten ausnutzen.

Vielleicht interessierte es ihn, weil er zu begreifen begann, dass es nicht nur Bombay gab, sondern weil er heute das erste Mal Omi kennengelernt hatte. Ob es dem Anderen ähnlich ging? Sollte er vielleicht einfach fragen? Aber das würde dann wohl doch zu weit gehen, sie hatten einen Waffenstillstand geschlossen, nicht mehr und auf weiteres sollte er sich einfach nicht einlassen.
 

Und doch ließen sich seine Gednaken nicht einfach ausschalten. Gestern Ken, heute Omi. War das nur Zufall? Bestimmt, er glaubte nicht an Sachen wie Schicksal. Aber seltsam war es schon. Und es wurmte ihn, dass er jetzt bereits anfing, die Beiden als Personen, nicht mehr nur als Gegner zu sehen, wie er es eigentlich tun sollte. Es konnte mehr als fatale Folgen haben, wenn ihm die Feinde zu nahe kamen.
 

Für heute hatte er jedenfalls erst mal genug und er war froh, dass der Tag gelaufen war. Zuhause wartete Farfarello auf ihn und was er jetzt brauchte, war ein wirklich großes Stück Schokolade, um sich wieder zu beruhigen und vielleicht nochmal ganz nüchtern über alles nachdenken zu können.
 

Die beiden Jungen steuerten auf das Schultor zu und fast gleichzeitig fiel ihnen ein brandroter Sportwagen auf. Keine große Kunst, der stand ja genau vor dem Eingang, im Halteverbot natürlich.
 

Omis Augen weitete sich etwas, als er den Fahrer erkannte und seine Schritte wurden immer langsamer und langsamer. "Ähm.... vielleicht ist es besser, wenn du alleine weitergehst...", murmelte er unsicher und drückte Nagi seine Bücher in die Hand.
 

//Zu spät, Kätzchen, ich hab dich schon gesehen....// Tönte da auch schon die spöttische Stimme Schuldigs in seinem Kopf. Die Augen des Blonden verdunkelten sich etwas.
 

Nagi nickte nur und nahm seine Sachen entgegen. //Schuldig lass ihn zufrieden!//, sandte er nur an seinen Kollegen, nickte Omi zum Abschied noch einmal zu und humpelte dann auf das Cabrio zu. Die Tür wurde geöffnet, er stieg ein und begegnete dem überraschten Blick des Deutschen. "Was ist denn in dich gefahren?", fragte der Ältere etwas verwirrt.
 

Der Junge unterdrückte ein Grinsen. Seine Barrieren waren besser, als er angenommen hatte, oder Schuldig hatte einfach nur nicht nachgesehen. "Erklär ich später, jetzt fahr los... was machst du eigentlich hier, wo ist Crawford?" Es war schon mehr als seltsam, dass der Leader ihn nicht abgeholte, nachdem er ihm am Morgen noch eingeschärft hatte, auch ja auf ihn zu warten udn nicht zum Bus zu gehen. Naja vielleicht musste er ja ein wichtige Telefonat führen. Aber immerhin hatte er Schuldig geschickt. Allerdings machte ihn der besorgte Gesichtsausdruck des Telepathen stutzig.
 

"Schuldig?" Der Orangehaarige schüttelte den Kopf. "Es ist nichts, er fühlt sich nur nicht gut... er hatt heute morgen eine Vision erzwungen...." Nagis Augen weiteten sich erschrocken. Er wusste, wie anstrengend das für seinen Anführer war und Brad war doch sowieso nicht auf der Höhe gewesen. "Geht es ihm gut?"
 

Schuldig lächelte beruhigend. "Natürlich geht es ihm gut, er schläft..." Etwas beruhigter ließ der kleine Telekinet sich in das Lederpolster sinken, aber ein Rest an Besorgnis blieb trotzdem. Nicht zuletzt weil Crawford Visionen wirklich nur dann herausfbeschwor, wenn es um etwas ernstes ging. Doch er fragte nicht, wusste genau, dass er von seinem Kollegen keine Antwort bekommen würde. Er musste sich gedulden.
 

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Omi sah dem davonfahrenden Wagen hinterher und löste sich schließlich aus dem Schatten der Schulmauer. So schnell, wie die Präsenz in seinen Gedanken da gewesen war, so schnell war sie auch wieder verschwunden. Überraschend für ihn, denn normalerweise nutzt schuldig jede Gelegenheit, ihn zu reizen, zu ärgern, zu verspotten. Und er wusste ganz genau, wo er seine Gegner am empfindlichsten Treffen konnte. Umso mehr erstaunte es ihn, dass der Telepath nicht weitergemacht hatte. Ob Nagi da seine Finger im Spiel....
 

Plötzlich legte sich eine schlanke Hand auf seine Schulter. Er fuhr herum und blickte in die kalten Augen seines Anführers. "Komm...", mehr sagte der Rothaarige nicht. Es klang noch nicht einmal kälter als sonst und doch hatte der Junge das Gefühl, als würde ein Kübel Eiswasser über ihm ausgeschüttet werden. Hatte Aya ihn etwa gesehen? Mit Nagi zusammen?
 

Zögernd folgte er dem Älteren um eine Ecke herum, wo der weiße Porsche geparkt war. Stumm stieg er ein und schloss die Tür.

Während der ganzen Fahrt wurde kein Wort gesprochen, auch wenn der Blonde mehrmals ansetzte. Was sollte er jetzt machen?
 

Wenn der Andere ihn gesehen hatte, konnte er sich auf einiges gefasst machen, wenn nicht, würde er sich womöglich verraten. Es war wohl das Beste, wenn er erstmal gar nichts sagte und einfach abwartete. Vorsichtig warf er seinem Leader einen seitenblick zu, doch der konzentrierte sich wie immer stur auf die Fahrbahn und den Verkehr, bis der Wagen sauber geparkt in der Einfahrt stand.
 

Mit einem mulmigen Gefühl im Magen nahm Omi seine Schultasche und stieg aus.

Law and Order

Autor: CatherineMiller

Titel: Bittersweet Feelings

Fandom: Weiß Kreuz

Kapitel: Law and Order

Teil: 12/?

Pairings: RanxNagi; BradxKen; SchuldigxYohjixSchuldig; FarfxOmi

Warnungen: keine

Danksagung: Vielen Dank an mein Betas emilyheart (kei83) und Corrychan, die

sichfleißig durch meine tausend Tippfehler mühen!

Sonstiges: Ist nicht so lange diesmal, aber für alle Freunde des Cliffhangers ein gefundenes Fressen XD Das nächste Kapitel wird leider etwas länger dauernd, da ich im Moment wg priv. Probleme nicht zum Schreiben komm... aber keine Sorge! In spätestens 2 Wochen geht's weiter *versprech*
 

Kommentare:
 

@Shinn: XDD Danke fürs Kompliment und den muffin, war sehr lecker ^^ *schleck* Naja Yohji is doch schon n bissl pervers oder? Gibt's Playboys die nicht pervers sind? O.o *nicht wüsste*

@kunami-chan: *verbeug* Danke sehr ^^ Ich bemühe mich und hoff, das nächste schneller fertig zu bekommen als geplant ^^

@Kayla: Ja unser Omittchi... lieben wir ihn nicht alle? *schmunzel* Du eminst Aya und Nagi im nächsten... wäre eine überlegung wert, geplant war eigentlich Aya und Schu... *am Kopf kratz* Naja ich würde sagen... mal sehn was draus wird XD Viel spaß beim lesen ^^

@Mika-Chan-w: Danke sehr, ich hoffe sie gefällt dir auch weiterhin ^^ viel spaß beim Lesen!
 

Das Erste was er wahrnahm, als sich der Nebel in seinem Geist langsam löste war... Dunkelheit. Na wunderbar, jetzt konnte er wieder einigermaßen klar denken und sah dafür nichts, oder wie? Seine Finger tasteten nach dem Schalter seiner Nachtischlampe, wurden jedoch von einer schmalen, feingliedrigen Hand aufgehalten, die seine zurück auf die Bettdecke drückte.
 

"Was....?" Seine Lider hoben sich langsam, schlossen sich jedoch sofort geblendet wieder. Naja, man konnte nichts sehen, wenn man die Augen zu hatte, nicht wahr? Diese Erfahrung hatte er gerade wieder machen müssen und schalt sich selbst einen Narren für seine Dummheit.
 

"Bleib liegen... trink..." Ein Glas oder Becher wurde an seine Lippen gehalten, er öffnete sie ganz automatisch, verzog aber kurz das Gesicht, als er die klebrige Süße auf seiner Zunge fühlte. Was war das? Schmeckte seltsam, nicht schlecht, aber... süß eben.
 

"Cola, du brauchst Energie....", kam auch die prompte Antwort auf seine Frage.

Brad versuchte krampfhaft, die Eindrücke zu sortieren. Ok, es war also Tag, dass hatte er aus dem kurzen Blick, den er auf sein Zimmer hatte werfen können, geschlossen. Und warum lag er dann im Bett? Er schlief niemals, solange es hell war. Auch nicht wenn es dunkel wurde. Nachts... nachts, ja da schlief er manchmal.
 

Verwirrt fragte er sich im gleichen Moment, warum er eigentlich solchen Unsinn dachte. Hatte er vielleicht einen Schlag auf den Kopf bekommen? Das würde zumindest seinen gegenwärtigen Zustand erklären. Dann musste es aber ein besonders heftiger Schlag gewesen sein.
 

Stirnrunzelnd versuchte er sich zu erinnern. Er hatte Nagi zur Schule gefahren... das Gespräch mit Schuldig... seine Kopfschmerzen... Schuldig!
 

"Schuldig?!" Er wollte hochfahren, wurde aber von unsichtbaren Händen festgehalten. Einen Moment wehrte er sich, musste aber schnell aufgeben, weil ihn die Kräfte rasch wieder verließen. Ganz langsam und sehr vorsichtig diesmal, öffnete er die Augen erneut.
 

"Ruhig... er ist unten und isst was, nehm ich an...." Nagi blickte besorgt auf seinen Ziehvater hinunter. Er hatte die letzten zwei Stunden damit verbracht, zu grübeln, warum Brad sich so was angetan hatte. So wichtig konnte es doch wohl nicht sein, oder? Es gab ihm ein Gefühl der absoluten Hilflosigkeit, den Älteren so bleich und bewegungslos in den Kissen liegen zu sehen und absolut nichts tun zu können. Was nützten ihm all seine tollen Superkräfte, wenn er damit noch nicht mal jemandem helfen konnte, den er gerne hatte? Auch wenn der Deutsche ihm noch so oft versichert hatte, dass es Crawford gut ging, ein Rest Sorge blieb doch. Ein ziemlich großer Rest sogar.
 

Er wusste aus Erfahrung, dass der Andere jetzt Schlaf und Energie am nötigsten hatte, deshalb auch die Cola. Vorsichtig, um ihm nicht wehzutun, drückte er den Größeren wieder in die Horizontale und beobachtete, wie dessen Blick langsam klarer wurde.
 

"Was ist passiert?" Die normalerweise sehr kraftvolle Stimme schwankte etwas, auch der eisige Ton, der gewöhnlich immer mitschwang, wenn auch nur unterschwellig, war fast vollständig aus ihr verschwunden, ein untrügliches Zeichen, wie schlecht es Brad im Moment ging.
 

Nagi zuckte leicht die Schultern. "Schu hat gesagt, du hast versucht eine Vision zu erzwingen...", frischte er dann das Gedächtnis seines Leaders auf. Dessen Stirn furchte sich noch mehr. Wenn er nicht aufpasste, bekam er noch frühzeitig die ersten Falten, schoss es dem Jungen irrsinniger Weise durch den Kopf. In diesem Moment war er froh, dass Brad keine telepathischen Fähigkeiten hatte, das würde dann doch sehr peinlich werden.
 

Er ließ den Anderen die Nachricht verdauen und darüber nachdenken, während er ein weiteres Glas einschenkte. "Trink...", forderte er dann den Älteren auf, der sich fast widerstandslos helfen ließ und brav trank, eine Tatsache, die Nagis Sorge gleich noch mal ankurbelte. Brad tat niemals freiwillig etwas, das von ihm verlangt wurde, schon gar nicht ließ er sich helfen.
 

Erschöpft schloss der Schwarzhaarige seine Augen wieder. Die Erinnerung kehrte nur langsam zurück. Richtig... er hatte die Vision erzwungen, als es um die Beseitigung Abyssinians ging. Die Bilder kamen, zögerlich nur, als wollten sie ihn nicht erschrecken, doch sie kamen wenigstens.
 

"Brad? Alles in Ordnung?" Die besorgte Stimme seines Ziehsohnes riss ihn aus den Gedanken. Er hatte gar nicht bemerkt, wie fest er die Zähne aufeinander gebissen hatte, seine Kiefer begann schon zu schmerzen. Schnell lockerte er den Druck und seufzte leise. "Schon gut... es ist nichts..." Nagi fragte zum Glück nicht weiter, sondern beließ es dabei.
 

Ein paar Minuten später hörte er das Rascheln von Kleidung und einen Stuhl, der vorsichtig zurückgeschoben wurde. "Ich geh dir was zu Essen holen..." Die Stimme des Kleinen schien weit weg zu sein. Er spürte sich nur nicken und war auch schon wieder weggedämmert. Sein Körper war wohl mehr belastet worden, als er erwartet hatte. Er hasste Überraschungen.
 

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Nagi stieg langsam die Treppe hinunter. Zu beeilen brauchte er sich nicht, Brad war eben wieder weggedöst. Sollte er schlafen, essen konnte er in einer halben Stunde auch noch, das tat sich nichts.
 

Seine Teamkameraden hoben den Blick, als er die Küche betrat. Selbst Farfarello schien so etwas wie Interesse am Befinden ihres Anführers zu haben.

"Er ist aufgewacht...." Der Junge nickte nur auf Schuldigs Feststellung hin. Entweder der Deutsche hatte es in seinem Kopf gelesen oder er wusste ganz einfach, dass Nagi niemals seinen Posten vor Brads Bett verlassen hätte, bevor sich dieser rührte und wenn neben dem Haus eine Bombe einschlagen würde.
 

Farfarello stand auf, trat an den Herd und füllte eine Schüssel mit dem Eintopf, den er gemacht hatte. Er drückte ihren Jüngsten auf einen Stuhl und stellte das Essen wortlos von ihm ab, drückte die schmale Schulter noch mal sanft und warf Schuldig einen fragenden Blick zu. Der schüttelte den Kopf und räumte brav sein leeres Geschirr auf.
 

Der Ire verengte die Augen ein wenig. Irgendwas stimmte nicht. Sonst musste man den Deutschen zum wegräumen seines Krempels beinahe prügeln, ihm mit allem möglichen drohen, bevor er mal seinen faulen Hintern bewegte. Irgendwas hatten die beiden Älteren da oben besprochen und dann war Brad umgekippt, soviel hatte er schon mitbekommen. An dem Gespräch selbst hatte er kein Interesse gehabt, wenn es etwas wichtiges war, würde er es noch früh genug erfahren, wenn nicht, war es ihm egal.

Doch jetzt... Nagi machte sich Sorgen und stocherte eher lustlos im Eintopf herum, anstatt wirklich etwas zu essen und DAS war ihm nicht gleichgültig. Der Junge musste essen! Er war schon den ganzen Nachmittag noch stiller gewesen als sonst.

Farf war ein paar Mal oben gewesen, um nach ihm zu sehen, als dieser an Brads Bett gewacht hatte, doch der Kleine hatte nicht mal den Blick von ihrem Leader gelöst.
 

Vielleicht sollten er, Schuldig und sein Lieblingsmesser mal ein Gespräch unter drei Augen führen? Er spielte wirklich mit dem Gedanken, denn anders würde der Deutsche wohl nicht herausrücken. Andererseits wäre es nicht gerade vorteilhaft, ihr Team noch weiter zu schwächen. Man wusste ja nie, wann ein neuer Auftrag hereinkam. Und außerdem hatte er weder Lust, für zwei Kranke zu kochen, noch wollte er, dass sich Nagi noch mehr Sorgen machte, also verwarf er die Idee lieber wieder.
 

Daran, mal zu fragen, dachte er gar nicht, das wäre ja zu einfach und wenn Farf ja alles war, aber einfach nicht.

Er begnügte sich für den Moment damit, sich wieder an den Tisch zu setzen und die blitzsaubere Tischplatte anzustarren, während er nach einer Lösung suchte. Er war vielleicht verrückt, das wusste er auch, aber dumm war er sicher nicht. Doch trotz allem Grübeln wollte und wollte ihm nichts einfallen. Also würde er wohl oder übel warten müsse, bis Brad wieder auf den Beinen war.
 

Lustlos rührte Nagi ein wenig in seiner Schüssel, als wenn das etwas am Inhalt ändern würde. Um Farfie einen Gefallen zu tun, aß er ein paar Bissen, obwohl er weder Appetit noch Hunger hatte und am liebsten wieder nach oben verschwunden wäre. Der Irre schien seine Gedanken zu erahnen und sagte nichts. Ansonsten hätte er wohl darauf bestanden, dass der Junge ordentlich aß, doch er blieb stumm.
 

Nach einer Weile hatte der Jüngste genug und schob die Schüssel von sich weg. Hatte er sich das nur eingebildet oder war gerade wirklich ein seufzend von dem Weißhaarigen gekommen? Er hob überrascht den Blick, sah aber nur die Rückenansicht seines Kollegen, der sich schon wieder am Herd zu schaffen machte. Hatte er sich wohl nur eingebildet, solche Befindensäußerungen machte Farfarello so gut wie nie, warum also jetzt? Er schüttelte den Kopf und rieb sich kurz über die Schläfen, eine Geste, die er im Laufe der Jahre, ohne es zu merken, von Brad übernommen hatte.
 

Er schaute wieder hoch, als ihm eine warme Schale in die Hand gedrückt wurde. Nur ein paar einsame Kartoffelstückchen und etwas Gemüse schwammen darin herum. Er begegnete dem Blick des Iren, der ihn mit einem winzigen Lächeln betrachtete. "Geh schon, er wird Hunger haben..."
 

Dem Anderen einen dankbaren Blick zuwerfend erhob er sich, nickte Schuldig, der genauso erstaunt schien wie er, noch einmal zu und verließ dann die Küche wieder in Richtung oberes Stockwerk. Ein besorgter Blick aus einem einzelnen, goldenen Auge folgte ihm.
 

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Aya hatte kein Wort mit ihm gewechselt, auch nicht, nachdem sie dass Koneko wieder erreicht hatten. War das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen? Er redete ja sonst auch nie, aber heute bekam dieses Schweigen irgendwie eine ganz neue Dimension. Es war fast schon bedrohlich.
 

Omi hatte eigentlich keine Angst vor seinem Anführer, nicht wirklich. Er respektierte ihn, bewunderte ihn für seine eiserne Disziplin und seine Stärke, aber wirklich Angst hatte er nicht. Und doch blieb ein ungutes Gefühl in der Magengegend. So als wenn er etwas ganz wichtiges verpasst hätte, nein schlimmer, als wenn er jemanden hintergangen hätte.
 

So abwegig war der Gedanke für ihn gar nicht. Er wusste ganz genau, was Schwarz mit Ayas Familie gemacht hatte, nein eigentlich nicht mit Ayas Familie, sondern mit Rans. Er hatte ein Bild von dem Jungen gesehen, der er einmal gewesen war und es hatte ihm einen tiefen Stich versetzt, denn die Veränderung musste man einfach bemerken.
 

Diese violetten Augen hatten mal gerne gelacht, genauso wie der heute kalte und strenge Mund. Dieses puppenhafte Gesicht, das oft aussah wie aus Marmor gemeißelt war nicht immer so gewesen. Es hatte scheinbar eine Zeit gegeben, wo man offen in diesen Zügen hatte lesen können. Heut schien ihm Ayas Körper nur mehr eine leere Hülle zu sein, fast tot, erfroren im Eis der Gefühlskälte.
 

Er hatte sich oft überlegt, ob er nicht mal mit dem Älteren reden sollte, den Gedanken aber wohl zu recht jedes Mal wieder verworfen. Sein Leader wollte nicht, dass irgendjemand etwas über seine Vergangenheit wusste, das hatte er von Anfang an mehr als klar gemacht und Omi fand, dass er kein Recht hatte, ihm diese Privatsphäre zu nehmen. Eigentlich hatte er sie ihm in dem Moment gestohlen, als er sich in den Hauptrechner ihres Auftraggebers einhackte und sich die Informationen genommen hatte. Aber er war so furchtbar neugierig gewesen, was dieser stille Mann verbarg, den aber irgendwie eine Aura von Bitterkeit fast greifbar umgab.
 

Er war sich sicher, dass die anderen Beiden das ebenfalls spürten, aber Yohji mischte sich nicht ein, weil er wohl fand, dass ihn solche Sachen nichts angingen und Ken, weil er ohnehin oft genug mit dem Rotschopf auf Kriegsfuß stand. Es war Omis, seine eigene Aufgabe, das Team menschlich zusammenzuhalten, Aya sorgte für ihre Organisation und dafür, dass sie alle die Nächte einigermaßen überlebten, er schmiss praktisch den gesamten Haushalt, er putzte, er kochte, mehr konnte man von ihm nicht verlangen.
 

Unsicher blickte er auf den schlanken Rücken vor ihm. Der Rothaarige hatte sich seines Mantels entledigt und steuerte sofort die Küche an, aus der es bereits verführerisch duftete. Ken und Yohji waren wohl noch im Laden beschäftigt, sonst würden die beiden schon längst um ihren Leader herumschleichen und versuchen, etwas aus den Töpfen zu bekommen. Und wie immer würde ihnen Aya dabei fast die Finger abhacken und nur ihre exzellenten Reflexe würde sie davor bewahren, danach weniger Glieder zu haben als vorher.
 

Etwas langsamer zog er sich aus und folgte dem Älteren dann. Seine Sporttasche stellte er an den Kellerabgang, damit Aya die schmutzigen Sachen waschen konnte. Ein wenig schämte er sich ja schon wegen seiner Bequemlichkeit, aber es war unter Strafe verboten, die Waschmaschine auch nur anzufassen, nachdem sowohl Yohji, als auch Ken und er selbst eine ganze Ladung von Unterwäsche und Shirts verfärbt hatten. Ayas Wäsche.
 

Leise schlich er sich in die Küche und begann, den Tisch zu decken. Kurz warf er einen Blick über die Schulter seines Leaders, um zu sehen, was es zu essen gab, doch der Rothaarige schien ihn nicht einmal wahrzunehmen. Normalerweise brachte ihm so was wenigstens einen strengen Seitenblick oder ein Schnauben ein, dass ihn vertreiben sollte, aber diesmal... nichts!
 

Gut oder schlecht? Noch etwas mehr verunsichert zog er das Genick leicht ein und stellte flache Teller auf den Tisch. Er wusste nicht so genau, was das da in den Töpfen war, wahrscheinlich irgendein westlich angehauchtes Rezept, dass der Größere ausprobierte, aber Suppe war es mal auf jeden Fall nicht. Ihm war es eigentlich auch egal, bis jetzt hatte es immer noch alles geschmeckt, was Aya gekocht hatte, auch wenn der Anblick nicht immer wunderschön war. Da lobte er sich doch japanisches Essen! Da aß das Auge meistens gerne mit.
 

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Er beschäftigte seine Hände und Gedanken mit der hoch anspruchsvollen Aufgabe, Karotten in kleine, winzigkleine Stückchen zu schneiden. So klein hätten sie eigentlich gar nicht sein müssen, aber er brauchte jetzt etwas, mit dem er sich ablenken konnte. Er hatte die ganze Zeit kein einziges Wort gesprochen, auch aus Angst, seine vielleicht voreiligen Schlüsse laut auszusprechen und Omi damit zu verletzen.
 

Der Junge hatte in letzter Zeit genug mit seinen Familienverhältnissen zu tun gehabt, da musste er sich nicht noch mit einem unobjektiven, ungerechten Leader herumschlagen. Und doch, am liebsten hätte er den Kleinen gepackt und so lange geschüttelt, bis dieser ihm Rede und Antwort stand. Nur der ängstliche Ausdruck in den großen, blauen Augen hinderte ihn daran. Allerdings wusste er nicht, wie lange noch.
 

Ok, er hatte die ganze Zeit gewusst, dass Nagi und Omi auf eine Schule gingen, hatte auch nichts dagegen gesagt, weil sich die Jungen anscheinende gut arrangiert hatten und sie jede Aufmerksamkeit vermeiden mussten. Omis Sicherheit, die Sicherheit des ganzen Teams stand für ihn an oberster Stelle, egal, welchen Eindruck er manchmal machte. Er war für diesen Chaotenhaufen verantwortlich, hatte die Verantwortung übernommen und gewusst, worauf er sich einließ. Weiß war zu einer Art Familie geworden, auch wenn er es sich oft nicht eingestehen wollte. Er mochte sie alle, Omi ganz besonders, der für ihn so etwas wie ein kleiner Bruder geworden war. Er hatte zwar ein unglaublich schlechtes Gewissen gegenüber seiner Schwester, konnte aber nicht verhindern, dass ihm der kleine Hacker immer mehr ans Herz gewachsen war, bis er sich schließlich einen festen Platz darin erobert hatte.
 

Er wusste, dass es dem blonden Jungen wohl ähnlich ging, er war dessen erste Bezugs- und Ansprechperson. Er war ja nicht blind, er wusste genau, wie sehr ihn der Kleine manchmal verehrte, obwohl er nicht der Meinung war, dass es da viel zu verehren gab, ganz und gar nicht.
 

Umso schwerer traf ihn es deswegen, was er heute gesehen hatte. Omi hatte Prodigy geholfen, seine Bücher zu tragen. Der Kleinere war gehumpelt und der jüngste Weiß hatte ihm wohl deshalb seine Unterstützung angeboten. Aber warum das? Man lief doch nicht einfach so einträchtig neben seinem Feind her, half ihm auch noch ganz offensichtlich. Ok, der kleine Dunkelhaarige hatte nicht besonders glücklich ausgesehen, vor allem, als er Schuldig vor dem Schultor gesehen hatte.
 

Aya war vor dem Deutschen gekommen, er wusste allerdings nicht, warum ihn dieser nicht bemerkt hatte. Gut, er war hinter einer Ecke verborgen gewesen, aber die mentalen Fühler des Telepathen hätte ihn ohne Mühe registrieren müssen. Vielleicht hatte der Schwarz keine Lust zu spielen, so unwahrscheinlich es auch klang.
 

Der Rothaarige seufzte in sich hinein. Er hatte gesehen, wie sich Omis Augen weiteten, als er den Fahrer des auffälligen Wagens bemerkt hatte, wie er zusammengezuckt war, sich aber gleich darauf wieder entspannt hatte. Nein, Omi hatte Schuldig nicht am Schultor erwartet, er war erschrocken gewesen, ihn zu sehen, da war er sich ganz sicher. Der Kleine hatte Prodigy seine Bücher zurückgegeben und war stehen geblieben, hatte ihm nachgesehen, nachdenklich, fast, als wäre etwas Unerwartetes geschehen.
 

Das alles war ihm ein Rätsel, aber eins, das er gedachte zu lösen. Erst Ken und jetzt Omi. Und beides Mal Prodigy. Wo war die Verbindung? Setzte Schwarz ihren Jüngsten absichtlich ein, um ihr Vertrauen zu gewinnen? Möglich wäre es, die dachten wohl, einem Kind würden sie außerhalb des Jobs nichts tun. So Unrecht hatten sie damit zwar nicht, aber wenn es sein musste, wenn es die Sicherheit aller verlangte, würde er den gegnerischen Killer aus dem Weg schaffen, so sehr es auch sein Gewissen belasten mochte.
 

Auf eine Art verstand er Omi ja, aber so etwas ging einfach nicht, er konnte nicht dulden, dass solche Beziehungen zum Feind gepflegt wurden. Was, wenn einer der Beiden eines Tages zögerte, bevor er zuschlug? Es konnte sie alle das Leben kosten.
 

Doch vorerst verschob er das Problem auf später, genauer gesagt auf nach dem essen. Ken und Yohji mussten jeden Moment kommen und er selbst musste erst mal warten, bis er seine aufgebrachten Gefühle wieder völlig unter Kontrolle hatte. Er durfte sich keinen Ausraster leisten, keine Schwäche, das ging nicht.
 

Ein letztes Mal rührte er in einem der Töpfe, gab die Karotten hinein und schmeckte noch mal ab. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass es heute nicht schmeckte wie sonst, konnte aber durchaus am Fehlen der typisch japanischen Gewürze liegen. Die gehörten in ein französisches Rezept nun mal nicht hinein. Was er da gekocht hatte, wusste er eigentlich nicht so genau, den Namen konnte er jedenfalls nicht aussprechen, aber das auf dem Bild hatte lecker ausgesehen. Seins sah zwar nicht annähernd so gut aus, aber man konnte es durchaus essen. Die Meute würde sich sowieso nie beschweren, die aßen so gut wie alles, was man ihnen vorsetzte, oder sie hatten einfach zu viel Respekt vor ihm, um zu meckern. Allerdings konnte er sich das, gerade bei Yohji nicht wirklich vorstellen, bedachte man insbesondere die Aktion vom Vormittag.
 

Er gab es auf, mit den wenigen Gewürzen, die er überhaupt verwenden durfte, noch etwas bewirken zu wollen und stellte die Töpfe auf den vorbereiteten Untersetzer auf dem Tisch. Omi wuselte davon, wohl um die anderen Beiden zu holen.

Aya setzte sich und stützte einen Moment den Kopf in die Hände. Heute fühlte er sich so richtig scheiße. Übermüdet, weil er fast nicht geschlafen hatte, dann die Sache mit Omi und heute Nachmittag würde er auch noch die kreischenden Schulmädchen ertragen müssen. Life sucks, ganz eindeutig, um es in der Sprache des arroganten Schwarz-Leaders zu sagen.
 

Er rieb sich die brennenden Augen, richtete sich aber rasch auf, als er Schritte und Stimmen auf dem Gang vernahm, rückte seine Maske schnell zurecht und schon saß Aya am Küchentisch, ruhig, beherrscht, kühl wie immer und ignorierte die Eintretenden völlig. Innerlich musste er leicht schmunzeln, weil Yohji Ken schon wieder aufzog.
 

Der junge Fußballer hatte seinem Ruf als Tollpatsch wohl wieder alle Ehre gemacht und war noch beim Rausgehen über einen Blumenkübel gestolpert, der dort mindestens schon seit einem halben Jahr stand. Typisch Ken! Er wollte gar nicht wissen, wie viele Untersetzer und Blumengestecke er zu den fünf heute Morgen noch in seiner Abwesenheit kaputt gemacht hatte. Vielleicht sollte er anfangen, es dem Braunhaarigen vom Gehalt abzuziehen, aber Ungeschicklichkeit war wohl nicht therapierbar. Leider. Er wäre der erste gewesen, der den Sportler da hin geschleift hätte.
 

Aber so sagte er nichts weiter, wartete nur, bis sich alle gesetzt und Essen auf ihre Teller geschaufelt hatten, bevor er sich ebenfalls nahm.
 

Ken ließ entmutigt den Kopf hängen, während sich schon vor einer Weile ein Rotschimmer auf seinen gebräunten Wangen ausgebreitet hatte. Er wusste doch, dass er ein elender Tollpatsch war, da musste der Playboy nicht auch noch so drauf rum reiten. Er seufzte leise, stocherte ein wenig in seinem Essen und überwand sich schließlich, damit Aya nicht meckerte, steckte sich den ersten bissen in den Mund. Schmeckte irgendwie seltsam heute, etwas fad, wie er fand, aber nicht schlecht.
 

Auch Omi schien keinen so rechten Appetit zu haben, das sah er aus dem Augenwinkel. Überhaupt schien ihr Jüngster heute etwas geknickt zu sein. War es in der Schule vielleicht nicht so gelaufen, wie er gehofft hatte?
 

Die Stille dehnte sich am Tisch aus und nur Yohji schien sein Essen mit besten Genuss in sich hineinzustopfen wie sonst eher selten. Der Blonde war den ganzen Tag schon auffällig entspannt gewesen, nicht so miesmuffelig wie sonst, wenn er Frühschicht hatte.
 

Ken war das Schweigen irgendwie unangenehm. "Na Omi, wie war die Schule heute?", fragte er deshalb, nachdem er runtergeschluckt hatte. Der kleine Blondschopf hob den Blick. "Gut...."
 

Naja ging auch ausführlicher, aber bitte. "Und wie ist der Neue so?" Der Chibi hatte da doch mal was erwähnt, wenn er sich richtig erinnerte, was er doch stark hoffte. Sonst müsste er sich nicht nur Gedanken über seine Motorik und seine Intelligenz, sondern auch noch über sein Gedächtnis machen und dabei eventuell zu einem unerfreulichen Ergebnis kommen.
 

Omi blinzelte leicht. Er hätte nicht gedacht, dass Ken sich das gemerkt hatte. "Er... naja... er..." Er schluckte leicht und warf einen Seitenblick zu Aya. Der hatte sich nicht geregt, doch der Junge war sicher, dass ihn die Amethyste ganz genau beobachteten. Er setzte noch mal an. "...er... ist...... nett... irgendwie... und..." Wie sollte er das jetzt sagen?
 

Ken runzelte die Stirn. Mit seinem besten Freund stimmte definitiv etwas nicht. Sonst war er doch auch nicht so. "Und?", fragte er deshalb weiter, anstatt einfach aufzugeben. Neben sich hörte er, wie der Rotschopf sich etwas rührte und die Stäbchen auf seinen Teller legte. "Ja, Omi, und?", durchschnitt die tiefe Stimme auf einmal das entstandene Schweigen.
 

Der kleine Blonde zuckte wie unter einem Hieb zusammen, was nun auch Yohjis Aufmerksamkeit auf den Plan rief, der dem ganzen zunächst nur mäßig interessiert gefolgt war. Omi wand sich sichtlich unter den forschenden Blicken seiner Kollegen. "...und... ach verdammt! Und es ist Prodigy! Und ich hab ihm geholfen, seine Bücher zu tragen, na und?" So, nun war es raus. Er kniff die Augen zusammen und wartete auf das Donnerwetter. Doch zunächst vernahm er nur das Klirren, als zwei paar Stäbchen aus den dazugehörigen Händen auf den Tisch, beziehungsweise in Kens Fall, gleich auf dem Boden landeten. Und die darauf folgende Totenstille.
 

Yohji zog scharf Luft ein, wechselte einen Blick mit seinem brünetten Kollegen, der Rothaarige hatte sich wieder seinem Essen gewidmet, als ob nichts wäre. "Aber... aber... geht's dir gut?" Ken schien sich in erster Linie um Omis Sicherheit zu sorgen und musterte den Jungen gleich noch mal ausführlich.
 

"Natürlich geht's mir gut... er hat auch gar nichts versucht... nicht das kleinste bisschen!" Was machte er denn da, versuchte er gerade, Nagi zu verteidigen? Und wo blieb eigentlich Ayas Wutanfall? Immerhin hatte er doch seine Schuld inzwischen zugegeben, oder? Konnte sein Leader so jemanden wirklich in seiner Gruppe dulden.
 

Die Sache schien seine Kollegen jedenfalls sehr zu verblüffen. Yohji kopierte im Moment noch ziemlich originalgetreu Kens Fischimitation, bevor er sich wieder einigermaßen fing und erst mal einen Schluck Wasser kippte. Viel lieber hätte er jetzt was Stärkeres gehabt, doch dank ihres weisen Anführers herrschte ja Alkoholverbot an öffentlich zugänglichen Plätzen. "Aber.... aber warum?" Das war die erste Frage, die ihm überhaupt einfiel. Nur was warum, das wusste er nicht so genau, da gab es so unglaublich viele Warums.
 

Omi stocherte etwas in seinem Essen herum, sah dann wieder unsicher hoch. "Naja, in meiner Klasse ist er wohl, weil er einiges auf dem Kasten hat, das wissen wir alle... mich wundert's nur, dass er erst jetzt dahin gekommen ist... naja vielleicht auch Tarnung oder so... und nichts gemacht hat er... ich weiß nicht... es gab für ihn genug Möglichkeiten, wo keiner zugesehen hat... aber hat er auch sonst nie versucht, wir sind und auch so nie begegnet und... naja... ich hab ihm geholfen weil er sich beim Sport verletzt hat und dann hab ich ihn ins Krankenzimmer gebracht und dann musste er doch alle neuen Bücher holen, aber die konnte er doch nicht alle tragen, weil es so viele waren und naja... dann hab ich ihm eben tragen geholfen, weil... weil... weil er mir leid getan hat... glaub ich......", sprudelte es dann praktisch aus ihm heraus. Er war doch kein Verräter, war er nicht, oder? ODER? Er suchte den Blick seines Anführers, doch der funkelte ihn nur kalt an. "Bitte... Aya-kun... ich... ich hab einfach nicht nachgedacht... er war... er ist da doch auch nur ein Schüler... ich... es war einfach so... normal... ich..." Ohne dass er es verhindern konnte, schossen ihm die Tränen in die Augen. Jetzt hatte er es also geschafft, er hatte das letzte bisschen Vertrauen, dass Aya ihm entgegengebracht hatte, auch noch vernichtet! Nicht nur, dass er ein Takatori war, nein jetzt half er auch noch dem Feind, verteidigte ihn vor seinen Kollegen, den einzigen Freunden, die er überhaupt hatte.
 

Ein Stuhl scharrte zurück und leise, rasche Schritte entfernten sich, kurz darauf hörte man Schüsselklappern und das Zuschlagen der Haustür. Verzweifelt vergrub er sein Gesicht in den Händen. Was sollte er jetzt tun? Aya würde ihm das niemals verzeihen, nie! Er hatte Mitleid mit dem Feind gehabt, etwas, das im Weltbild seines Leaders schlichtweg nicht existierte. Und er wollte doch so gerne den Ansprüchen des Rothaarigen gerecht werden. Er wollte doch nur, dass der stille Mann ihn auch mochte, nichts Anderes. Aya hatte ihn getröstet, als er seine Brüder hatte umbringen müssen, hatte ihm Rückhalt gegeben und was machte er?
 

Er wollte nicht weinen, nein wollte er wirklich nicht, aber die Tränen bahnten sich ihren Weg durch seine fest geschlossenen Lider, tropften still zwischen seinen fingern hindurch. Er hatte alles falsch gemacht, dabei hatte er doch nur ein bisschen nett und... einfach ein bisschen normal sein wollen.
 

Plötzlich spürte er Hände, die sich auf seine Schultern legten und er wurde an eine breite Brust gezogen, während andere, feingliedrigere ihm durch die Haare streichelte. Ein warmer, vertrauter Geruch hüllte ihn ein. "Hey... ist ja schon gut, er kriegt sich wieder ein, ganz bestimmt...", versuchte Ken den weinenden Jungen zu beruhigen. Auch Yohji stimmt ihm zu und hätte ihrem Anführer wohl am liebsten den Hals umgedreht. Der hätte sich auch wirklich etwas beherrschen können! Omi schniefte nur und schüttelte den Kopf, kuschelte sich noch mehr an Ken und blinzelte vorsichtig hoch. Zwei besorgte Augenpaare musterten ihn.
 

"Ich... ich wollte doch nur... ein bisschen nett sein... weil... es ist doch Schule... und keine Mission...", brachte er abgehackt hervor, weil er immer wieder Schluchzer unterdrücken musste. Der Braunhaarige nickte nur. "Ich weiß ja... ich weiß... nur für Aya ist immer alles Mission. für ihn gibt es nur Mission..." Er wechselte einen Blick mit Yohji. Oh, ihr Leader würde definitiv was zu hören bekommen, wenn er seinen dürren Arsch wieder nach Hause bewegt hatte, da waren die Beiden sich auch ohne Worte einig.
 

Doch so leicht ließ sich Omi nicht beruhigen. "Ich hab... hab ihn verraten... ich... deshalb..." Er brach wieder ab. Die Augen des Fußballers verdunkelten sich etwas und er seufzte leise. "Omi.... Omi ich bin doch nicht besser..."
 

Verwirrt hob der Kleine den Kopf, sah seinen besten Freund fragend an. "Was meinst du?" Er hickste leicht vom Weinen. Auch Yohji musterte seinen Kollegen etwas misstrauisch.
 

Der Brünette seufzte und wandte den Blick ab. Das war ihm mal wieder so rausgerutscht, er und sein verfluchtes Ungeschick! Er hatte doch nur Omi helfen wollen und nun hatte er sich nicht nur verplappert, jetzt musste er auch rausrücken. "Ich hab gestern mit Nagi Fußball gespielt... der stand plötzlich am Feld... naja und irgendwann hat ihn einer von meinen Jungs mitgeschleppt und dann haben wir halt alle zusammen gespielt...", murmelte er dann leise. Dass er Nagi zum erneuten Training eingeladen hatte, verschwieg er mal lieber.
 

Yohji stieß die Luft aus, die er unbewusst angehalten hatte und der blonde Junge sah ihren Sportler mit riesengroßen Augen an. Das war ja fast noch schlimmer, als das, was er gemacht hatte. Ok nur fast, aber es kam schon wirklich nahe dran, oder?
 

Ken zog den Kopf etwas zwischen die Schultern, als er den Blick ihres Ältesten sah. "Hey... er hat mir halt leid getan... ich hab in ihm in diesem Moment einfach nur einen normalen, einsamen Jungen gesehen, nicht mehr... er war doch so wie die Anderen auch... normal halt, Omi hat schon recht... und irgendwie seh ich's auch nicht ein, so wie Aya zu denken... das Leben besteht nicht nur aus Mission, zumindest nicht die Tage. Und er hat auch weder bei mir, noch bei den Kindern irgendwelche schmutzigen Tricks versucht, im Gegenteil, er hat ordentlich eingesteckt und sich noch ungeschickter angestellt als ihr Beide zusammen, obwohl er mit seinen komischen Kräften viel hätte anrichten können... er hat aber gar nichts gemacht, einfach nur mitgespielt...", setzte er dann noch nachdenklich hinzu.
 

Der Playboy ließ sich stöhnend in seinem Stuhl zurücksinken, kraulte aber Omi immer noch durch die Haare. "Oh mein Gott, ich bin von Irren umgeben...fehlt nur, dass er mir auch noch irgendwo über den Weg läuft, dann wäre die Situation ja wirklich perfekt... lass es bloß nicht Aya wissen, klar? Es reicht, wenn er auf einen sauer ist, wenn du ihm das jetzt auch noch erzählst, rastet er aus..."
 

Ken grummelte leise und zog Omi noch etwas fester an sich, der bei Yohjis Worten etwas zusammengezuckt war. Der Junge wollte doch gar nicht, dass der Rotschopf überhaupt böse war. Aber was passiert war, war nun mal passiert, dass konnte er nicht mehr ändern.
 

Der Fußballer runzelte ärgerlich die Stirn. Für wie dumm hielt ihn Yohji eigentlich? "Weiß ich selber, du Depp!", brauste er auf, wurde nur von Omi auf seinem Schoß davon abgehalten, sich auf den Älteren zu stürzen. Der hob abwehrend die Hände. "Schon gut, schon gut, ich wollt's ja nur noch mal gesagt haben!", verteidigte er sich kopfschüttelnd. Ken und sein Hitzkopf... der würde ihn noch so manches Mal in eine unangenehme Situation bringen und man musste nicht Oracle sein, um das zu prophezeien.
 

Der Fußballer grummelte noch eine ganze Weile vor sich hin, ließ die Sache aber vorerst auf sich beruhen. Er wusste ja, dass er nicht gerade intelligent war. Schließlich wurde ihm das oft genug gesagt, trotzdem musste Yohji nicht so drauf rum reiten!
 

Nach einer Weile löste sich Omi wieder von den Beiden. "Ich werd dann wohl mal Hausaufgaben machen gehn..." Auch wenn die Tränen versiegt waren, sah er immer noch sehr geknickt aus. Oh, Aya sollte nur wagen, nach Hause zu kommen, der würde was erleben! Das hatte der Kleine nun wirklich nicht verdient, eine solche Behandlung, zumal der Rothaarige wirklich wissen sollte, wie der sensible Junge aus so was reagiert mit seiner Vergangenheit!
 

Doch die Beiden sagten nichts mehr, sondern nickten nur und damit verschwand Omi in Richtung Treppe. Die Älteren räumten den Tisch ab und spülten schnell das Geschirr, der Appetit war ihnen ohnehin vergangen, selbst Yohjis gute Laune war wie weggeblasen. Schweigend öffneten sie den Laden am Ende der Mittagspause wieder und wurden sofort von kreischenden Mädchen umringt. Aya tauchte den ganzen Nachmittag nicht auf, meldete sich nicht, was wohl auch besser für ihn war. Aber so leicht würde er nicht davonkommen, alles konnte der sich auch nicht erlauben, insbesondere, wenn es um ihren Chibi ging.

There's nothing to forgive

Autor: CatherineMiller

Titel: Bittersweet Feelings

Fandom: Weiß Kreuz

Kapitel: There's nothing to forgive

Teil: 13/?

Pairings: RanxNagi; BradxKen; SchuldigxYohjixSchuldig; FarfxOmi

Warnungen: keine

Danksagung: Vielen Dank an mein Betas emilyheart (kei83), Corrychan und Cap, die

sichfleißig durch meine tausend Tippfehler mühen!

Sonstiges: Bestechungen in Formvon Schokoladeneis mit Sahne und Schokoladenpudding sind immer gerne gesehen XDD Nein im Ernst, schreibt mir einfach Eure Wünsche und Vorstellungen in Form von Kommis, wenns mir möglich ist, geh ich auch gerne drauf ein ^^
 

Kommentare (diesmal leider nur zwei *Augen ausheul* Werde ich schlechter? Wahrscheinlich... *sniff*)
 

@Shinn: Jaaa Ken der kleien Tollpatsch, ich liebe ihn einfach... ich hab mir gedacht, dass es ihm ähnlich sieht, sowas zu machen ^^ Er ist ja nicht wirklich dumm... nur ein wenig... tapsig eben ^^" Und Farfie hat ja nur ein Auge, also kann er schlecht, eine Unterhaltung ,unter vier Augen' führen, ne? Dank an dieser Stelle an meine beta Corry, die hat mich drauf aufmerksam gemacht XD Danke für die Kekse, waren sehr lecka ^^

@Yaya-chan1999: Weswegen musst du denn getröstet werden? *streichel* *neugierig desu* Mit was könnte ich dich denn noch aufmuntern? *fragend schau*
 


 

Er rannte durch die Mittagssonne. Obwohl sich das Jahr bereits dem Ende zuneigte, war es außergewöhnlich warm und in seinem langen, schwarzen Mantel war es noch wärmer.
 

Aya hatte keinen Blick für die Straße, keinen Blick für die Menschen oder seine Umgebung, er wusste noch nicht einmal, wohin er eigentlich rannte, er wollte einfach nur weg. Am liebsten weg vor seiner inneren Stimme, die ihn schon jetzt ausschimpfte, was für ein Narr er doch war, Omi die ganze Schuld zu geben, denn genau so würde der Kleine das interpretieren. So und nicht anders und es war seine Schuld.
 

Irgendwann blieb er keuchend stehen, sah sich das erste Mal um. Er hatte keine Ahnung, wo er hier war, offensichtlich eines der besseren Viertel Tokios, er war hier noch nie gewesen und eigentlich war es ihm auch egal. Er würde einfach weiterlaufen und wenn er die nächste Bushaltestelle fand, würde er vielleicht einsteigen und in die Stadt zurückfahren. Die Metropole war zwar groß, aber selbst hier gab es ein gewisses System.
 

Seufzend trottete er weiter. Er wusste selbst nicht so recht, warum er das Konneko verlassen hatte, er war doch sonst nicht so emotional. Er hatte Omi vorher gesehen, zusammen mit Prodigy, warum hatten ihn also die Worte des blonden Jungen so aufgewühlt? Schön, der Kleine hatte dem Feind geholfen, dem Feind, der für die Auslöschung der Hälfte seiner Familie verantwortlich war, der seine Schwester ins Koma gebracht hatte, aber seine Kollegen wussten nichts davon, niemand außer Kritiker wusste davon und weder Persha noch sonst jemand hatte ihn jemals damit konfrontiert, was für deren Gesundheit wirklich sehr förderlich war. Warum also hatte er einen solchen Ausraster bekommen?
 

Er war gegangen, bevor er noch etwas sagte, dass ihm hinterher möglicherweise sehr leid tun könnte, es war das einzig richtige gewesen, auch wenn er die Anderen damit im Ungewissen ließ. Er musste sich erstmal selbst wieder unter Kontrolle bringen.
 

Seine brodelnden Gefühle zum Trotz hielt seine Maske noch, aber er fragte sich ernsthaft wie lange. Irgendetwas an Omis gestottert hatte eine Lawine in ihm losgetreten, eine von der Sorte, die man nicht aufhalten konnte, egal wie weit und wie lange man lief. Er hasste den Gedanken, sich nicht mehr beherrschen zu können, etwas zu tun, dass er später bereute und er hasste sich selber dafür, dass er dem Kleinen wehgetan hatte. Er liebte den Jungen wie einen Bruder, auch wenn er es niemals zugeben würde, schon allein deshalb nicht, weil er sich wie ein Verräter an Aya-chan vorgekommen wäre. Aber er wusste genau, dass er alles getan hätte, um den Kleinen glücklich zu sehen, dass er alles versuchte, um ihn zu schützen, dass er auch deshalb heute vor der Schule nahe daran gewesen war, sich den kleinen Schwarz vorzuknöpfen.
 

Und doch... noch einmal rasten Gesprächsfetzen durch seinen Kopf, noch einmal hörte er Omis Versuche, sich zu entschuldigen...

//... weil... weil er mir leid getan hat... er ist da doch auch nur ein Schüler... es war einfach so... normal...//

Dazu kam auch noch der flehende Blick auf großen, blauen Augen, der sich ihm eingebrannt hatte. Durfte er wirklich so vermessen sein, und Omi für seine Gutherzigkeit tadeln, vielleicht sogar verachten?
 

Er hatte nicht gezögert, als es daran ging, den Jungen aus der Gewalt seiner psychopathischen Familie zu befreien, er hatte nicht einmal eine Sekunde lang darüber nachgedacht, dass es vielleicht eine Falle hätte sein können, er hatte den Kleinen getröstet, war für ihn da gewesen, obwohl es seiner kalten Schale schadete, Omi einen Blick hinter die Maske gewährt hatte, etwas, dass er niemals hätte zulassen dürfen. Und doch war es geschehen.
 

War es unrecht, war der Junge einem Klassenkameraden half? Nein, das ganz sicher nicht, es hätte ihn doch stark gewundert, wenn es anders gewesen wäre, aber ausgerechnet DIESER? Und Ken, was war mit Ken? War es Unrecht, mit einem Jüngeren Fußball zu spielen? Auch diese Frage musste er verneinen, aber ausgerechnet mit dem FEIND? Durfte er das dulden? WOLLTE er das dulden?
 

Omi hatte schon Recht, wenn er sagte, dass Prodigy in diesem Moment so... normal gewesen war. So normal, wie ein Killer, der zur Schule ging, so normal, wie ein Mörder, der Nachmittags mit Kinder spielte, so normal, wie ein Attentäter, der nachts durch Clubs zog und Weiber aufriss, so normal wie ein verdammter Schwertkämpfer, der heimlich seine kleine Schwester im Krankenhaus besuchte, damit niemand etwas von seiner Vergangenheit erfuhr....
 

Aya ließ sich gegen die nächst beste Hausmauer sinken und vergrub das Gesicht in den Händen. Die Gedanken hinter seiner Stirn rasten, ließen seinen Atem schneller gehen. Für einen kurzen Moment hatte er das Gefühl, verrückt zu werden, endgültig durchzudrehen. Es war nicht die Empfindung, die er hatte, wenn er etwas mitbekam, das mit Takatori zu tun hatte, nein es war das niederschmetternde Gefühl, dass alles zu viel wurde, ihm über den Kopf wuchs, nicht mehr unter seiner Kontrolle war.
 

Doch nach ein paar Augenblicken siegte die Vernunft wieder, die selbe kalte Entschlossenheit, die ihn davor bewahrt hatte, den Verstand zu verlieren, als seine Eltern starben, die ihn befähigt hatte, sein Schwert zu ergreifen und Nacht für Nacht auf die Jagd nach dem Abschaum der Menschheit zu gehen, die ihn die Wand um sich herum hatte aufbauen lassen, die fast nichts und niemand durchdringen konnte. Niemand außer einem kleinen, schmächtigen Jungen mit großen, blauen Augen und der Fürsorge einer Mutter Theresa.
 

Wider willen verzog sich sein Mund zu einem Lächeln, etwas, dass er nicht oft tat. Er dachte gerade absoluten Blödsinn und es amüsierte ihn, als er das selbst merkte. Mutter Theresa, so ein Schwachsinn, er sollte vielleicht weniger lesen und mehr schlafen... sein Lächeln wurde wehmütig. Irgendwie stimmte sein Gedanke ja, der Kleine half allem und jedem, egal wie unfreundlich, beleidigend oder eiskalt er war. Er hatte sich nicht durch seine harte Schale abschrecken lassen, war beharrlich geblieben und sich schließlich einen Platz in seinem Herzen erobert, auch wenn es noch so kalt war. Er seufzte leise, denn die Erinnerung, die dadurch heraufbeschworen wurde, verursachte ein leichtes Ziehen in seiner Brust. Irgendwie war er neugierig, wie sich Omi und Aya-chan verstanden hätten, die beiden würde sicherlich ein niedliches Paar abgeben.... aber dazu würde es niemals kommen, niemals... und außerdem wurde er seit ungefähr zehn Minuten beobachtet, meldete ihm soeben ein kleiner Bereich seiner Wahrnehmung, der bis jetzt von seinen außergewöhnlich starken Gefühlen verdrängt worden war.
 

Ruckartig richtete er sich auf und sein Gesicht wurde wieder zu der üblichen, starren Maske, als er sich umsah. Weit musste er nicht schauen, da, keine fünf Meter vor ihm stand er, wie aus dem Boden gewachsen. Er musste wirklich tief in Gedanken gewesen sein, da er ihn nicht hatte kommen hören, die fremde Präsenz nicht gespürt hatte. Soweit er wusste konnte der sich nicht teleportieren wie Mastermind, zumindest hatte er es noch niemals mitbekommen.
 

Seine Haltung war angespannt, als würde er einen Angriff erwarten, doch Aya war für den Moment viel zu verwirrt, zu aufgewühlt und zu verwundert, um an so etwas überhaupt zu denken. Mal ganz abgesehen davon, dass sie sich hier in der Öffentlichkeit befanden und er deshalb sowieso nichts machen konnte. Sein Katana lag auch zu Hause und er schalt sich innerlich für seine Dummheit aus, in Zeiten wie diesen ohne Waffe aus dem Haus zu gehen, nicht mal ein Wurfmesser hatte er mitgenommen, so überstürzt, wie er weggerannt war. Nicht, dass er gegen die verfluchten, übersinnlichen Kräfte eine Chance gehabt hätte.
 

Was wollte der denn eigentlich? Stand da drüben und starrte ihn an, als gäbe es nichts Interessanteres zu sehen. Nicht einmal gerührt hatte er sich. Und warum war er überhaupt hier? Wollte er ihn erledigen, jetzt, wo er allein und ohne Waffe unterwegs war? War für die kleine Kröte bestimmt kein Problem, der musste nur einmal mit der Wimper zucken und er war so platt wie von einer Dampfwalze überrollt.
 

Ein kleiner Teil seines Bewusstseins lachte sich gerade über ihn kaputt, seinen Sarkasmus hatte er ganz offensichtlich trotz allem doch nicht verloren, auch wenn er nur äußerst selten zum Vorschein kam. Vielleicht wurde er ja schizophren? Oder er bekam mehrere Persönlichkeiten, weil er den seelischen Druck nicht mehr aushielt. Viel wahrscheinlicher war allerdings, dass er einfach nur verflucht durcheinander war, sonst nichts. So ungern er es auch wahrhaben wollte. Er war eben doch nur ein Mensch und auch er hatte eine Belastungsgrenze. Der wenige Schlaf in Verbindung mit den heutigen Erlebnissen war schon Grund genug, ein wenig abzudrehen.
 

Als sich sein kleineres Gegenüber immer noch nicht rührte, zwinkerte er kurz, befahl seinen Gedanken, die Klappe zu halten und zwang seine Gefühl zur Ruhe. Er brauchte jetzt all seine Aufmerksamkeit, auch wenn es ihm noch so schwer fiel.
 

Der Junge machte keine Anstalten, seine Absichten zu erklären, also wäre es wohl das Beste, einfach mal nachzufragen. "Was willst du?" Gut, seine Stimme klang wie immer, eiskalt, abschätzend, gefühllos höchstens ein wenig rau, aber das machte nichts.
 

Er sah, wie Prodigy zusammenzuckte und ihn ansah, als hätte er eben ein Gespenst gesehen, bevor sein Gesicht wieder absolut ausdruckslos wurde. "Mastermind hat mir gesagt, wo du bist...", kam die unzusammenhängende Antwort. "Oracle schickt mich..."
 

Aha, da kam man also der Sache näher. Beinahe hätte sich eine rote Augebraue steil gehoben, doch sie blieb dank guter Beherrschung, wo sie war. Auch sonst verließ kein abfälliges Geräusch die zusammengepressten Lippen des Weiß-Leaders, so gerne es auch hinaus wollte. Der arrogante Sack von einem Ami schickte den Jungen? Warum kam er denn nicht selbst? War sich wohl zu fein.
 

Prodigy schien seine Gedanken zu erraten. "Er hat geschäftlich zu tun und befürchtet, dass du auf Mastermind sofort losgehen würdest...", meinte er deshalb erklärend.
 

Aya blinzelte leicht überrascht. das hatte er dann doch nicht erwartet. Wollte Oracle etwa den Kindheitsfaktor seines Hackers nutzen oder was? Ok, so furchtbar Unrecht hatte er ja nicht, bei Mastermind hätte er wohl wirklich erst zugeschlagen und gar nicht erst zugehört, was wohl auch an der Art des Deutschen lag. Und dass er Farfarello nicht schickte, verstand sich ja von selbst. Blieb also nur noch das Kind...
 

Die gleichgültige stimme riss ihn wieder in die Wirklichkeit. "Er will dich treffen.... zwei von euch und zwei von uns, du kannst wählen, wen du mitnimmst.... komm nicht allein, komm nicht mit mehr, so ist der Deal... keine Waffen..."
 

Aya glaubte für einen Moment, sich verhört zu haben. Was sollte das denn? Warum zum Henker wollte der Kerl sich mit ihm treffen. Und, was die viel wichtigere Frage war, warum sollte er sich mit dem Feind treffen wollen, mit dem Mann den er bis aufs Blut hasste, fast so sehr verabscheute wie seinen Auftraggeber?
 

"Warum sollte ich?", gab er deshalb zurück, denn diese Frage konnte er sich nicht verkneifen. Prodigy blinzelte etwas.
 

"Er hat dir ein Angebot zu machen... hör es dir an, es wäre in deinem Interesse... Mastermind kann eine menge Sachen mit Menschen anstellen... auch mit solchen, die schon fast tot sind..." Er brach kurz ab, schien zu überlegen, ob er nun schon zu viel gesagt hatte, kam aber wohl zu dem Schluss, dass es in Ordnung war.
 

"Übermorgen Nacht um drei im Park am Fußballfeld... du kennst die Stelle..." Damit drehte er sich um und war nach wenigen Sekunden aus Ayas Blickfeld verschwunden. Ein verwirrter Blick aus amethystfarbenen Augen folgte ihm.
 

Taumelnd ließ sich der Weiß wieder gegen die Hauswand sinken. Was zum Teufel hatte DAS zu bedeuten gehabt? Der Kleine hatte keinen Versuch gemacht, ihn anzugreifen, obwohl sie zumindest momentan keine Zuschauer gehabt hatte, er hatte ihm nur eine Botschaft überbracht, aber was für eine! Was sollte er denn mit diesem Rätsel anfangen?
 

//Mastermind kann eine Menge Sachen mit Menschen anstellen... auch mit solchen, die fast schon tot sind... auch mit solchen, die fast schon tot sind... fast tot...//

Er hatte das dringende Gefühl, dass er die Antwort ganz genau kannte, doch er war zu aufgewühlt, sie zu erkennen. Am besten sah er erstmal zu, dass er sich wieder in den Griff bekam, bevor er weitere Schritte plante.

Er musste nachdenken und zwar dringend! Langsam wandte er sich um und ging in die Richtung zurück, aus der er gekommen war, gelangte nach kurzer Zeit an eine Bushaltestelle und wartete einfach.

//...fast tot...... fast...//
 

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Nagi zwang sich dazu, nicht schneller zu gehen. Am liebsten wäre er einfach weggerannt, aber er musste stark sein, obwohl er innerlich zitterte. Natürlich hätte ihm Abyssinian niemals etwas antun können und doch waren seine Knie weich, als hätte er eben ein Gespenst gesehen.
 

Sein Mund verzog sich abfällig. So weit hergeholt war das gar nicht, so wie sein Feind ausgesehen hatte. Leichenblass im Gesicht, was durch die blutroten Haare nur noch verstärkt wurde, Schweiß auf der Stirn und einen ganz leicht irren Blick, der ihm im ersten Moment einen kalten Schauer über die Wirbelsäule gejagt hatte.
 

Doch das war nicht das eigentliche Problem, so sah der ja meistens aus, vor allem, wenn er auf Schwarz traf. Was ihn wirklich erschüttert hatte, war das Lächeln auf den Lippen des gegnerischen Leaders, zuerst amüsiert, dann ganz eindeutig wehmütig, als würde er an etwas denken, dass ihm Schmerz verursachte und zugleich schön war. Was hatte er neulich gelesen... bittersüß, ja so hatte das Lächeln ausgesehen. Irgendein Schriftsteller hatte diese Empfindung in einem Roman beschrieben, er wusste nur nicht mehr wer oder wann, aber wenn er ein Bild davon hätte machen sollen, dann wäre es dieses Lächeln auf dem Gesicht des Rothaarigen.
 

Er ertappte sich bei der Frage, an was der andere wohl gedacht hatte, dass so schön und bitter zugleich war. Es rührte etwas in ihm, etwas, dass er schon lange glaubte, vergessen zu haben... Mitgefühl. Abyssinian hatte ihm Leid getan.
 

Seine Stirn runzelte sich unwillig. So was durfte nicht passieren, Omi fing wohl schon an, auf ihn abzufärben und das nach dem ersten Tag. Er seufzte leise und kickte einen Stein vor sich her über den Bürgersteig.

Dieses Gefühl von Anteilnahme hatte sich noch verstärkt, nachdem er die Botschaft überbracht hatte, die ihm von Brad gegeben worden war. Er verstand sehr gut, wie verwirrt sein Feind wohl gewesen sein musste, ihm selbst ging es ja nicht anders. Er war, nachdem Brad gegessen hatte, aus dem Zimmer geschickt worden, während sein Leader Schuldig gerufen und mit ihm eine ganze Zeit diskutiert hatte. Zu gerne hätte er gewusst, um was es ging, denn dass es etwas mit der erzwungenen Vision vom Morgen zu tun hatte, war ihm klar und er machte ich sorgen um Brad.
 

Nach einer knappen halben Stunde war der Orangehaarige wieder aufgetaucht und hatte ihn reingeschickt. Sein Leader sah noch blasser und schlechter aus als vorher, irgendwas schien ihm große Sorgen zu bereiten, dass sagte Nagi schon der Blick mit dem er ihn bedachte. Doch er hatte nichts dazu gesagt, ihm nur den Auftrag gegeben und gemeint, dass Schuldig gerade herausfinden würde, wo Abyssinian sich aufhielt, dass es keine Schwierigkeiten geben würde. Dann war er auch schon wieder eingeschlafen, wobei die Sorgenfalten noch nicht einmal jetzt aus seinem Gesicht verschwinden wollten.
 

Er hatte die Mission erfüllt, aber jetzt war er noch verwirrter als zuvor. Nie hätte er gedacht, den kühlen, berechnenden Rothaarigen einmal so vorzufinden, offensichtlich am Ende mit allem, völlig fertig auf gut japanisch. Das gab ihm dann doch wirklich zu denken, denn er glaubte nicht an Zufälle. Beide Leader in desolatem Zustand, obwohl sich der gegnerische noch sehr gut beherrschen konnte, aber das musste doch irgendetwas zu bedeuten haben oder?
 

Er lief etwas schneller, jetzt wo er außerhalb von Abyssinians Sichtweite war. Der Andere folgte ihm nicht, was ihm ganz recht war, er hatte nicht die geringste Lust, jetzt noch einen rießen Umweg machen zu müssen, nur um Verfolger abzuschütteln. Er war nahe dran an der heimatlichen Villa, erstaunlich, wie weit Abyssinian in der kurzen Zeit gelaufen war. Er musste wirklich gerannt sein, als wäre sein schlimmster Alptraum hinter ihm her.
 

Wenig später erreichte er sein Zuhause, betrat das große Gebäude leise, wie immer wenn er nicht gerade extrem schlecht gelaunt war. Im Moment war er eher nachdenklich eingestellte, als er seine Schuhe auszog und ins Wohnzimmer schaute, wo nur der Ire auf dem Sofa saß und mit Notizblock irgendeiner Kochsendung im Fernsehen folgte. Er hatte zwar noch Hausaufgaben zu machen, aber irgendwie wollte er im Moment nicht alleine sein, deswegen gesellte er sich zu seinem Kollegen auf das Sofa, zog die Beine an und schlang die Arme darum.
 

Er spürte, wie die Aufmerksamkeit Farfs von dem Fernsehprogramm auf ihn überging, wie ihn das goldene Auge musterte. Für einen kurzen Moment hatte er den Eindruck, dass der Weißhaarige etwas sagen wollte, doch dann blieb er stumm, was dem Jungen auch ganz recht war. Er wollte sich jetzt berieseln lassen und ein bisschen nachdenken.
 

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Er war wirklich verflucht weit gelaufen, das merkte er jetzt, wo er mit dem Bus zurückfuhr sehr deutlich. Sechs Mal musste er umsteigen, um überhaupt in eine bekannte Gegend zu kommen, das letzte Stück lief er wieder, weil er in Ruhe nachdenken wollte.
 

Am Liebsten wäre er jetzt ins Krankenhaus gefahren, hätte sich ein wenig mit Aya-chan unterhalten... naja hätte ein paar Worte zu ihr gesagt, aber es gab da noch etwas, was er unbedingt vorher erledigen musste und das wartete im Koneko in seinem Zimmer, war wahrscheinlich immer noch todunglücklich, nur weil er selbst sich nicht besser in der Gewalt gehabt hatte.
 

Er wusste nicht, wie er sich am besten bei Omi entschuldigen sollte, er hatte nicht mal den blassesten Schimmer einer Ahnung. Er hatte so was seit Jahren nicht mehr gemacht, konnte man es verlernen, um Verzeihung zu bitten? Anscheinend, denn alle Worte, die ihm einfielen, klangen entweder gestelzt, arrogant, geheuchelt oder schlichtweg bescheuert. Vielleicht sollte er auch einfach gar nichts sagen, und darauf hoffen, dass Omi ach so verstehen würde? Aber das wäre dann doch zu mies....
 

Ehe er sichs versah, stand er auch schon wieder vorm Koneko. Der Rollladen war zwar noch nicht heruntergelassen worden, aber er sah auch keine Kundschaft mehr hinter der Glasscheibe, nur Ken, der irgendwas auffegte. Seufzend betrat er den Laden. Was hatte der Trottel denn jetzt schon wieder kaputt gemacht? Dem Haufen Scherben nach zu urteilen, irgendwas wertvolles...
 

Er blieb knapp vor seinem Kollegen stehen, doch es dauerte eine ganze Weile, bevor er bemerkt wurde. Der Fußballer fuhr mit einem erschrockenen Keuchen zurück, als er beinahe Füße, die in schwarzen Stiefeln steckte, mit aufgekehrt hätte.
 

"Man, Aya, musst du dich immer so anschleichen?", moserte sein Gegenüber auch sofort los und bewarf ihn mit bösen blicken... oder das, was er dafür hielt. Der Rothaarige überlegte einen Moment ernsthaft, ob er dem Braunhaarigen nicht mal Unterricht geben sollte, DAVOR hatten jedenfalls noch nicht mal die Schulmädchen Angst!
 

Er schüttelte leicht den Kopf, sah dann auf den Berg Scherben und Erde zwischen ihnen. Er stellte keine Fragen, aber das musste er auch gar nicht. Ken zog leicht das Genick ein und wirkte auf einmal sehr schuldbewusst.
 

"Naja, weißt du... Yohji und ich....", begann er etwas stotternd, doch eine blasse, schmale Hand, die sich leicht hob, hinderte ihn am Weitersprechen.

Aya wollte gar nicht wissen, was die beiden wieder angestellt hatten, Gott, die waren ja schlimmer als Kleinkinder, keine Sekund konnte man sie aus den Augen lassen, ohne dass sie irgendwelchen Blödsinn machten.
 

"Wo ist Omi?" Ein verwirrtes Blinzeln aus dunkelbraunen Augen, die jedoch sofort einen seltsamen Ausdruck annahmen, folgte. Irgendwie verschloss sich Kens Gesicht, auch wenn der Rothaarige sich das nicht so ganz erklären konnte.
 

Missmutig fegte der Fußballer weiter. Seine Wut war während der vergangenen Stunden etwas abgekühlt, aber lange nicht so, dass er nicht mehr sauer auf seinen Leader war, ganz und gar nicht. Er wollte ihn nur nicht mehr sofort umbringen, ein Vorteil wenn man bedachte, dass sie ohne den Rotschopf schlichtweg aufgeschmissen waren.
 

Doch der schien sich nicht weiter aufhalten zu wollen, gar nicht auf eine antworte zu warten, so viele Plätze im Haus, wo sich ihr Jüngster aufhalten konnte, gab es ja auch nicht. Wortlos stiefelte er an Ken vorbei in den Wohnbereich, ließ Yohji einfach stehen, der gerade aus der Küche kam und ihn aufhalten wollte, nach einem einzigen Blick aus eiskalten Amethysten aber dann doch lieber aufgab und sich zu Ken in den Laden verzog.
 

Aya schlüpfte aus seinen Stiefel, hinein in seine Hausschuhe und hängte seinen Mantel, sowie seinen Schlüsselbund ordentlich an ihre Plätze. Mit einem raschen Blick in die Räume des untern Stockwerks überzeugte er sich davon, dass Omi hier nirgends war, stieg dann die Treppe nach oben. Der Kleine würde um diese Uhrzeit sicher Hausaufgaben machen.
 

Vor der Tür mit dem Hundewelpenposter blieb er einen Moment lang stehen. Er hob eine Hand, wagte aber nicht, anzuklopfen. Im gleichen Augenblick schalt er sich einen Feigling. Er hatte das ganze angezettelt, jetzt musste er es auch ausbaden, so einfach war das und er würde sich sicher nicht drücken.
 

Entschlossen klopfte er leise mit den Fingerknöcheln gegen das helle Holz, wartete geduldig auf eine Antwort und trat erst ein, als der Junge auf der anderen Seite ihn dazu aufforderte. Mit einem harschen Befehl zwang er seine flatternden Nerven unter Kontrolle und rückte noch einmal seine Maske zurecht, betrat dann das Zimmer ihres Jüngsten.
 

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Omi nahm sich seine Schultasche und verschwand die Treppe nach oben. Appetit hatte er keinen mehr, definitiv nicht, dafür fühlte er sich viel zu mies. Er fühlte sich... wie ein Verräter, obwohl er doch eigentlich gar nichts schlimmes gemacht hatte. Und trotzdem hatte er das Gefühl, Ayas Vertrauen missbraucht zu haben. Ok, sein Leader hatte ihm nie von seiner Vergangenheit erzählt, aber er hatte davon gewusst und Nagi trotzdem geholfen.
 

Seufzend schloss er die Zimmertür hinter sich und ließ sich geknickt auf seinen Schreibtischstuhl fallen. Er vergrub das Gesicht in den Händen, fuhr sich verzweifelt durch die wuscheligen, blonden Haare. Alles, was er im Moment tun konnte, war warten und hoffen, dass Aya nichts Dummes anstellte. Eigentlich glaubte er das ja nicht, aber man wusste bekanntlich nie. Und bei dem Temperament des Rothaarigen, wenn es denn mal durchbrach, war ihm alles zuzutrauen.
 

Aber er musste sich doch unbedingt entschuldigen, wenn sein Anführer wieder da war, auf der Stelle und er musste ihm versprechen, nie wieder ein Wort mit Na... Prodigy zu wechseln. Es würde ihm zwar nicht leicht fallen, das wusste er jetzt schon, aber ihm blieb nichts anderes übrig, er musste das Vertrauen seines Leaders wiedergewinnen, um jeden Preis.
 

Omi schüttelte den Kopf leicht, um den Kopf etwas klarer zu bekommen, packte dann seine Mathehefte aus und versuchte, sich auf die komplizierten Rechnungen, die sie als Hausaufgabe bekommen hatten, zu konzentrieren. Ein sinnloses Unterfangen, wie er nach einer halben Stunde feststellen musste. Trotzdem machte er verbissen weiter, sonst würde er sich nur noch mehr Ärger einhandeln, wenn er morgen Anschiss von seinem Lehrer und womöglich eine Mitteilung mit nach Hause bekam. Aya war zwar nicht sein offizieller Vormund, aber er hatte schon ganz am Anfang die Aufgabe übernommen, solche Sachen zu unterschreiben.
 

Zwei stunden und ein halbes Duzend Blockblätter später, war er keinen Schritt weitergekommen und nahe am Verzweifeln. Er konnte auch keinen der anderen fragen, Ken hatte keine Ahnung von höherer Mathematik, der hatte ja die Schule fürs Fußball nach seinen Pflichtjahren sausen lassen und Yohji hatte nie wirklich aufgepasst. Manchmal fragte sich Omi wirklich, wie der Playboy überhaupt seinen Abschluss geschafft hatte, so dumm, wie der sich manchmal anstellte.
 

Er war fast soweit, dass er den Kram frustriert wegpacken wollte, und sich lieber noch seinen Japanischaufgaben widmete, als es leise an seiner Tür klopfte. Er erstarrte einen Moment, denn so ein Geräusch machte nur einer. Ken kam meistens sowieso rein, ohne vorher zu klopfen und Yohji schlug immer gegen das Holz, als wäre es für alles Unglück der Welt verantwortlich. Nur Aya klopfte leise und doch deutlich hörbar.

Omi schluckt hart, schaffte es dann aber, ein 'herein' herauszuwürgen. Würde jetzt das große Donnerwetter folgen, dass er sich die ganze Zeit unbewusst ausgemalt hatte?
 

Aus großen Augen sah er seinem Leader entgegen, wie er herein trat, die Tür leise hinter sich schloss, dann auf ihn zukam. Unbewusst duckte er sich ein wenig, sammelte schon Wörter auf seiner Zunge. Ihm fiel auf, dass Aya noch blasser geworden war, die Ringe unter seinen Augen tiefer. Überhaupt wirkte er erschöpft, auch wenn er versuchte, es zu überspielen. Einem weniger aufmerksamen Beobachtet wäre es wohl gar nicht aufgefallen, aber der blonde Junge kannte seinen Anführer inzwischen gut, zumindest was dessen äußere Erscheinung betraf. Er senkte betreten den Blick, schämte sich dafür, den Anderen so angestarrt zu haben, da er genau wusste, wie sehr sein Leader das hasste.
 

Noch bevor der Rotschopf irgendetwas sagen konnte, sprudelte Omi bereits los. "Aya-kun... es tut mir so leid, bitte, ich hab einfach nicht nachgedacht, ich wollte nicht das Team verraten oder so etwas, ich hab auch gar nicht mit ihm über Missionen geredet oder auch nur daran gedacht, wirklich nicht und es war nicht meine Absicht, mich mit ihm anzufreunden, gar nicht, ich wollte nur ein bisschen nett sein, wie zu jedem anderen auch und ich werde natürlich nie wieder ein Wort mit ihm reden, ich schaff das, ganz bestimmt! Nur Aya-kun... Aya bitte verzeih mir..." Tränen standen in den großen Augen und man sah, wie der Rothaarige deutlich zusammenzuckte.
 

In den violetten Augen blitzte deutlich Schmerz auf, auch wenn Omi nicht deuten konnte, worauf sich dieser bezog, er nahm einfach mal an, dass es auf seinen Verrat gemünzt war. Schon hob er an, noch mehr zu sagen, da fühlte er, wie sich schlanke, kühle Finger auf seine Lippen legten.
 

Verwirrt schloss er den Mund wieder und blickte sein Gegenüber an. Was sollte das denn jetzt? Doch er traute sich nicht, nachzufragen.
 

Die Sekunden vergingen, bevor Aya endlich antwortete. "Es gibt nichts zu verzeihen, Omi." Der Junge blinzelte leicht. Durfte er seinen Ohren trauen, hatte der Rothaarige da gerade im ernst verlauten lassen, dass er ihm nicht böse war, dass er keinen Verrat begangen hatte, dass es nicht schlimm war... Moment er sollte vielleicht nicht so viel interpretieren. Er wollte eine Frage stellen, doch wieder wurde er unterbrochen.
 

"Ich muss mich entschuldigen, ich habe... überreagiert... es tut mir leid Omi, es war nicht meine Absicht dich zu verletzen... und du musst dich in der Schule nicht von Prodigy fernhalten, wenn du nicht willst... du hast absolut recht, dort seit ihr einfach nur Schüler, nichts weiter..."
 

Wow.

Überfahren starrte der Blonde Junge den Älteren an. Das erste was ihm aufging war eigentlich nicht der Sinn der Worte, die noch etwas brauchten, bis sein Gehirn sie verarbeitet hatte, sondern die Länge der Sätze. Und es waren noch gleich mehrere hintereinander.

//Das wäre was für Yohji und den Kalender...//, schoss es ihm irr witzigerweise durch den Kopf.
 

"Aber... Aya..." Er wusste nicht, was er sagen sollte, sein Leader hatte ihm verziehen, hatte wirklich gesagt, dass es nicht schlimm war, wenn er den Feind nett behandelte, hatte einen FEHLER zugegeben, etwas, dass noch nie, niemals vorgekommen war. Und in diesem Moment konnte Omi einfach nicht anders.
 

Er warf sich Aya in die Arme, spürte erstaunt, dass er aufgefangen und nicht sofort weg geschoben wurde. Wieder stiegen ihm die Tränen in die Augen und wieder konnte er sie nicht zurückhalten. Er fühlte, wie schmale Hände ihm tröstend über den Rücken strichen, ihn an den warmen, schlanken Körper drückten, spürte die Zuneigung, die der Rothaarige nur so ausdrücken konnte, die ihm aber so unendlich viel bedeutete.
 

Aya ließ den kleinen einfach weinen, streichelte ihm über den Rücken, wartete geduldig, bis er sich wieder einigermaßen beruhigt hatte, das war er ihm einfach schuldig. Er ließ die Nähe zu, vor der er seit über zwei Jahren geflüchtet war, die er nie hatte zulassen wollen und spürte erstaunlicherweise, wie sich auch seine eigenen, aufgewühlten Gefühle und Gedanken langsam beruhigten, wie sich die Wogen langsam glätteten und ihn zur Ruhe kommen ließen, wie er nach und nach wieder klar denken konnte, sich wieder vollständig in den Griff bekam. Und er war Omi dankbar dafür, auch wenn der Junge nichts davon mitbekam.
 

Nach einiger Zeit verebbten die leisen Schluchzer schließlich und der Kleine löste sich langsam von ihm, wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und lächelte verlegen. "Danke Aya...", nuschelte er leise und setzte sich schließlich wieder. Und Aya ließ es zu, dass sich seine Mundwinkel etwas hoben, schenkte dem Jüngeren ein Lächeln, dass dieser wirklich glücklich zu machen schien.
 

Er schaute von dem etwas verheulten Gesicht auf den Schreibtisch, auf dem sich die Papiere und zerknüllte Zettel türmten. Schnell trat er noch einen Schritt näher und beugte sich über die Notizen, überflog sie kurz, nahm sich dann einen Stift und kritzelte ein paar Zeichen und Zahlen in seiner feinen, sauberen Handschrift aufs Papier.
 

Dann richtete er sich wieder auf und fuhr Omi kurz über den blonden, zerzausten Schopf, bevor er sich zum Gehen wandte. Der Blick des Jungen und ein strahlendes Lächeln verfolgten ihn bis zur Tür.
 

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Zwei Tage später lag Aya auf seinem Bett und versuchte, ein Loch in seine weiße Zimmerdecke zu starren. Jedenfalls würde es einem heimlichen Beobachter so vorkommen, denn bis auf gelegentliches Zwinkern rührte sich kein Muskel in dem schlanken Körper.
 

Schon geschlagene drei Stunden ging das so, inzwischen war es draußen dunkel, das Abendessen lange vorbei. Yohji war auf Streifzug durch die Bars, Ken sah sich im Wohnzimmer ein Fußballspiel an, Omi machte in seinem Zimmer Hausaufgaben.
 

Und noch immer war die Frage, wen er heute Abend mitnehmen würde. Denn dass er ging, stand unwiderruflich fest. So viel ihm seine Kollegen auch bedeuteten, seine Schwester hatte absoluten Vorrang, seinen Schwur würde er nicht brechen, niemals!
 

Doch wer sollte ihn begleiten? Dass es ganz sicher nicht der blonde Playboy sein würde, hatte relativ schnell festgestanden, Yohji würde mit seinen dummen Kommentaren das Treffen womöglich platzen lassen. Seine erste Wahl wäre natürlich Omi gewesen, schon alleine aufgrund von dessen ausgeglichenem Temperament. Aber konnte er das dem Jungen auch wirklich zumuten? Nicht nur, dass er ihn in höchste Gefahr bringen würde, sollte schwarz ihnen eine Falle stellen, wovon er eigentlich fast ausging, nein, er musste auch noch zusehen, sogar mithelfen, wie er womöglich mit dem Erzfeind paktierte.
 

Ken konnte er allerdings auch nicht mitnehmen, dessen Hitzkopf war viel zu stark aufgeprägt. Eine dumme Bemerkung, und sein Temperament ging mit dem Fußballer durch. Nicht auszudenken, falls Oracle Mastermind mitbringen sollte, was ja nicht auszuschließen war. Also doch Omi.
 

Seufzend erhob der Weiß-Leader sich und machte sich auf den Weg ins Zimmer des Chibis. War der eigentlich immer schon so kurz gewesen? Sonst war er ihm immer länger vorgekommen. Wieder stand er vor der Tür, wieder zögerte er, anzuklopfen. Er hatte ein vages Gefühl von déja-vue, bevor er ärgerlich den Kopf schüttelte und gegen das Holz pochte.
 

Die Antwort kam diesmal prompt und er trat ein. Omi sah ihm fragend entgegen und sein Herz krampfte sich einen Moment lang zusammen. Kurz, für die Dauer eines Lidschlags war er versucht, einfach wieder zu gehen, doch Ken mitzunehmen, oder Yohji anzurufen, doch dann sah er in die blauen Augen, wusste, dass er niemandem mehr vertrauen konnte als diesem schmächtigen Jungen.
 

"Hallo Aya-kun... was gibt's?" Aya atmete noch einmal tief durch, bevor er sich auf das Bett des Jüngeren setzte und schließlich anfing zu sprechen. Er tat das sonst nie und vielleicht begriff der Kleine deshalb von Anfang an den Ernst der Lage.
 

"Hör zu, Omi. Ich hab heute Abend eine Mission, eine sehr private... und ich muss jemanden aus dem Team mitnehmen. Es ist verdammt gefährlich, vielleicht tödlich..." Noch einmal holte er tief Luft, gab Omi die Zeit, schon jetzt zu protestieren, doch der Junge blieb stumm und so machte er weiter. Es war an der Zeit, sein Geheimnis zumindest einer Person zu offenbaren, auch wenn er es so knapp wie möglich halten würde.
 

"Ich habe eine kleine Schwester, die im Koma liegt. sie ist der Grund, warum ich für Weiß kämpfe. Und jetzt wurde mir ein Angebot gemacht, dass mir vielleicht erlaubt, den Verursacher ihres Zustands endlich auszuschalten..." Jetzt, wo er es erzählte, klang es selbst in seinen eigenen Ohren unwahrscheinlich, unglaubwürdig, fast schon fantastisch. Den Teil der Botschaft, den er bis jetzt nicht deuten konnte, ließ er lieber weg, alles musste Omi auch nicht wissen.
 

Noch immer schwieg sein Kollege, was er als Zeichen nahm, weiter zusprechen. "Der Haken an der ganzen Sache ist der, oder besser die, die mir diesen Deal angeboten haben..."
 

Omis Augen weiteten sich und Aya konnte praktisch sehen, wie der Junge verstand. "Schwarz."

Der Rothaarige nickte. "Ja, Schwarz. Prodigy hat mich vorgestern Nachmittag abgepasst und mir die Botschaft von Oracle überbracht. Zwei von ihnen, zwei von uns, heute Nacht im Park."
 

Der Blonde riss die Lider noch weiter auf. "Und du willst MICH mitnehmen?", fragte er etwas ungläubig, suchte im Gesicht seines Leaders nach Zweifel, Zögern, Irgendwas, doch der sah ihm nur ruhig entgegen. Sonst fragte er nichts, bohrte nicht nach, wollte keine Antworten wissen, die er ohnehin schon lange kannte.

Und Aya war froh darüber, froh, dass er nicht mehr sagen musste, dass Omi noch nicht mal wissen wollte, WER denn der Verursacher war, es hätte dem Jungen nur noch mehr Schmerz bereitet, wenn er gewusst hätte, dass auch diese Tat auf das Konto seines Vaters ging.
 

"Ja, erstens brauche ich eine Fernwaffe für den Notfall und zweitens....." Diesmal zögerte er leicht, bevor er es aussprach, es offenbarte einfach zu viel von ihm. "... zweitens... vertraue ich dir."
 

Diese Worte trieben dem Kleineren auch prompt die Tränen in die Augen. "Aya... ich.... danke Aya!" Es war ein so wahnsinnig gutes Gefühl, sein Leader, sein großer Freund vertraute ihm, sprach es sogar aus und Omi war sich ziemlich sicher, dass er das noch nie zu jemandem gesagt hatte, zumindest nicht, seit Aya-chan im Koma lag. Es erfüllte ihn mit Stolz, dass ausgerechnet er dieses Vertrauen verdient zu haben schien , auch wenn er wirklich nicht wusste mit was. Er konnte nachvollziehen, wie schwer dem Rotschopf seine Offenbarung, die Lüftung zumindest eines Teils seines Geheimnisses gefallen sein musste, wo er doch so immer darauf bedacht war, seine drei Kollegen auf Abstand zu halten.
 

Doch Aya wehrte rasch mit einer knappen Handbewegung ab. Es war ungewohnt, so viel zu sprechen, so viel von sich zu zeigen und er war sich sicher, dass er dieses Gefühl nicht mochte. "Danke mir nicht... vielleicht wirst du die Nacht nicht überleben, wenn du mit mir kommst..."
 

Omi schüttelte nur den Kopf. "Ich bin ein Killer, irgendwann wird eben einer kommen, der schneller ist als ich und wenn das heute mein Schicksal sein sollte, kann ich auch nichts dagegen tun. Ich werde dir helfen!" Seine stimme klang fest entschlossen und er sah nicht so aus, als würde er noch davon abweichen, es sich überhaupt überlegen wollen.
 

Und wenn Aya ehrlich war, dann erleichterte ihn diese Antwort ungemein. Hätte Omi abgelehnt, wäre er alleine gegangen, auf die Gefahr hin, das der Deal platzte. Ken hätte er sicher nicht noch gefragt.

Langsam erhob er sich vom Bett. "In Ordnung, sei bis zwei Uhr fertig. Ken wird dann schon schlafen, er wollte morgen früh joggen gehen, Yohji ist dann noch längst nicht zurück. Und nimm ein paar Darts mit, die Armbrust lass hier, keinen Waffen hieß es..." Damit befand er, war alles gesagt, was gesagt werden musste und er ging zur Tür. Auch Omi blieb stumm, was sollte er auch antworten? Er würde sich noch etwas ausruhen, ein paar Pfeilspitzen präparieren und pünktlich fertig sein.
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

Die Nacht war stockfinster. Kein Mond, kein einziger Stern war am Himmel zu sehen, nur das gelegentliche Blicken eines startenden oder landenden Flugzeugs. Es war kalt, ungewöhnlich, wenn man die Temperaturen des Tages bedachte, aber passend zur Stimmung der beiden Gestalten, die sich lautlos, nur als schatten sichtbar aus dem Hauseingang lösten.
 

Kaum hörbare Schritte hallten auf dem Asphalt wider, ein unbedarfter Zuhörer hätte sie nicht einmal wahrgenommen. Es schien, dass das Sprichwort wirklich stimmte: der Tod kam auf leisen Sohlen und Aya und Omi machten ihren Codenamen alle Ehre, besser, leise, schneller hätte sich keine Katze fortbewegen können.
 

Sie erreichten den Park innerhalb kürzester Zeit, ihre Schritte wurden langsamer. Sie würden genau pünktlich sein, nicht zu früh und nicht zu spät. Als Team eingespielt verständigten sie sich maximal mit knappern Gesten, kein Wort fiel, keine Bewegung würde unnötig gemacht.
 

Um punkt drei Uhr traten sie aus dem Schatten der Baumgruppe am Fußballfeld, von der aus Aya schon Nagi und Ken beobachtet hatte. Im gleichen Augeblick lösten sich aus der Dunkelheit ein großer und ein kleinerer Umriss.
 

Im blassen Schein der Straßenlaternen, die in einiger Entfernung brannte, konnte Aya den Schwarzleader, sowie den kleinen Telekineten erkennen. Erstaunlich, er hatte nicht erwartet, dass Oracle ausgerechnet Prodigy mitnehmen würde, er hätte eher auf Mastermind getippt. Aber so war es ihm auch recht.
 

Noch machten die beiden keine Anstalten, irgendwie anzugreifen und die halbierten Teams blieben in gebührendem Abstand zueinander stehen.
 

Der Amerikaner drehte den Kopf, nickte seinem kleinen Begleiter zu und Nagi erwiderte die Geste bestätigend. Automatisch spannten beide Weiß ihre Muskeln, wartete auf die erste Welle des telekinetischen Impulses, der sie wohl gegen die Bäume schleudern würde, doch nichts geschah. Prodigy trat zu Omi, berührte ihn ganz leicht am Arm und wenn man genau hinsah, konnte man fast ein zögerliches, sehr schüchternes Lächeln auf dem verschlossenen Gesicht erkennen. "Komm mit, wir gehen da rüber..." Die Stimme war kaum zu hören, aber Omi verstand.
 

Doch erst als sein Leader ihm ein Zeichen gab, zu tun, was der Feind wollte, bewegte er sich wirklich vom Fleck, allerdings mit sehr gemischten Gefühlen. Er wollte Aya nicht alleine lassen, schon gar nicht mit Oracle, der Mann war ihm einfach unheimlich, nicht nur aufgrund seiner Gabe.
 

Der Rothaarige fixierte sein Gegenüber mit dem üblichen, eisigen Blick, in den sich jetzt unverholener Hass gemischt hatte. "Nun Schwarz, ich höre? Ich bin hier, wie du wolltest, zwei von uns, zwei von euch, keine Waffen..."
 

Der schwarzhaarige verzog geringschätzig die Lippen. "Keine Waffen? Soll ich nachprüfen? Ich wette der Kleine hat ein paar Darts mit Gift dabei, von dem Dolch in deinem Stiefel will ich gar nicht erst anfangen... aber lassen wir das, deswegen sind wir nicht hier..."
 

Aya schwieg, wartete nur, dass der gegnerische Leader weiter sprach.
 

Brad rückte seine Brille etwas zurecht. Er liebte es, den Rothaarigen so zappeln zu sehen, er würde jede Wette eingehen, dass der andere ihm am Liebsten an die Gurgel gegangen wäre, egal, wie aussichtslos die Sache eigentlich für ihn war. Wären seien Kopfschmerzen nicht, würde er das Spielchen sicher noch eine ganze Weile weitertreiben. Aus purem Sadismus wartete er noch ein paar Sekunden länger, bevor er schließlich wieder anhob.
 

"Mastermind wird deine Schwester aufwecken."
 


 

Sooo schluss für heute, aber für alle aufmerksamen, treuen Leserchen: Wer findet das eingebaute Zitat aus Herr der Ringe? (Gibt auch ne extra Widmung im nächsten Kapitel ^^")

Kleiner Tipp: Es ist aus dem 2. Film (Die zwei Türme) ^^ Viel Spaß beim Suchen!

Bye

Cate

Der Pakt mit dem Teufel

Autor: CatherineMiller

Titel: Bittersweet Feelings

Fandom: Weiß Kreuz

Kapitel: Der Pakt mit dem Teufel

Teil: 14/?

Pairings: RanxNagi; BradxKen; SchuldigxYohjixSchuldig; FarfxOmi

Warnungen: keine

Danksagung: Vielen Dank an mein Betas emilyheart (kei83), Corrychan und Cap, die

sichfleißig durch meine tausend Tippfehler mühen!
 

Preisverleihung: Kayla hat das kleine Rätsel um das eingebaute Zitat geknackt! *gratulier* *Urkunde überreich* *Keks abgeb*
 

ANGEBOT: Wenn ihr mir auf das Kapitel mindestens 10 Kommis dalasst, gibt's beim nächsten Hochladen 2 neue Kapitel auf einmal *anbiet* Überlegts Ecuh *fies bin* Gerne auch Kritik oder Wünsche ^^"
 

News: Hab eine Gundam wing FF angefangen, der Prolog ist schon oben ^^ Wer die Serie also mag, einfach ma reinschauen ^^
 

Kommentare:
 

@Kayla: *verbeug* Danke sehr ^^ Nein, unser liebster Ami hat natürlich hintergedanken ^^ Aber welche... lies selbst *grinsel* Und du hattest recht mit dem Zitat *nach oben deut* Und damit du jetzt nicht mehr auf Kohlen sitzen musst: viel Spaß beim lesen!

@Shinn: Danke sehr, freut mich, dass dich mein Schreibstil immer no net langweilt... ja, die Sache hat natürlich einen Haken, so einfach bietet das weder unser Deutscher, noch unser lieber Braddy an... aber lies am Besten selbst ^^ Und danke, hab mich sehr bemüht, die Gefühle glaubhaft zu schildern *anstrengend war* Also dann: gut les! XD

@wingly: Danke sehr, freut mich, dasses dir gefallen hat! Ich bemühe mich, möglichst zügig weiterzumachen! Viel Spaß beim Lesen, bis zum nächsten Mal ^^

@Drakea: Gerade noch vor dem Update XD Freut mich, dass du trotz allem bei der Stange geblieben bist ^^ Ich hab mir am Anfang etwas mehr Zeit gelassen, um den Hintergrund, so wie ich ihn mir vorstelle, etwas besser darzulegen, ich hoffe es war nicht allzu langweilig >.< Und unser lieber Aya hat sich ja zum Glück wieder gefangen XD Es ist eindeutig schwerer, dass zu beschreiben, was hinter der Puppenfassade steckt...*seufz* Aber schön, dasses dir gefallen hat ^^ Und najaaa auch große, weise Anführer stehen mal auf dem Schlauch, vor allem, wenn sie durch den Wind sind XD
 

Amethystfarbene Augen trafen auf Dunkelgraue. In den kalten Edelsteinen flackerte es kurz, kaum sichtbar, wie eine fast vergessene Erinnerung, erlosch aber kaum eine halbe Sekunde später schon wieder. Es gab sie nicht, nicht für ihn.
 

"Du lügst. Wieso sollte Mastermind so etwas tun? Und warum sollte ich dir vertrauen? Wer sagt mir, dass ich für dich nicht nur die Drecksarbeit machen darf?", fragte der rothaarige Leader gleichmütig. Nichts in seinem schönen, kalten Gesicht, das im Mondlicht noch mehr als sonst dem einer Statue glich, wies darauf hin, dass sich irgendein Gefühl in dem schmalen, hoch gewachsenen Körper regte.
 

Doch Brad hatte das Funkeln in den Augen bemerkt, er hatte gesehen, wie sich etwas den Weg nach oben gebahnt hatte, etwas, dass seine stärkste Waffe gegen seinen Gegner und zugleich der Schlüssel zu ihrem Überleben war: Hoffnung. Die Hoffnung, dass die geliebte Schwester doch noch zu retten war, nach den langen Jahren des Wartens, dass das Blut, der Tod so vieler Menschen nicht einfach nur eine grausame Spielart des Schicksals gewesen war, sondern dass alles irgendwie einen Sinn ergab.
 

"Du hast recht, ich könnte dich belügen... ich könnte dich sogar töten, hier und jetzt, wenn ich das wollte, das wissen wir beide, aber warum tue ich es nicht? Wir sind Feinde, daran wird sich nichts ändern, aber nun gibt es einen gemeinsamen Gegner. Ich bitte dich nicht um Freundschaft, ich biete dir ein Geschäft an, das solltest du niemals vergessen. Ein Waffenstillstand und gelegentliche Zusammenarbeit, nicht mehr und deine Schwester wird nicht länger Dornröschen spielen müssen." Ein kaltes, abschätzendes Lächeln umspielte die Lippen des Schwarzhaarigen. Oh ja, sie verstanden sich, sie waren vom gleichen Schlag und wenn es um Abyssinians Schwester ging, war er einfach nur furchtbar berechenbar. Er würde anbeißen, ganz sicher.
 

Aya stand unbeweglich da. Kein Muskel rührte sich in seinem Körper oder seinem Gesicht, doch hinter seiner Stirn sah man es arbeiten. Im Prinzip war es Unsinn, die Entscheidung war in dem Moment gefallen, als er einem Treffen mit Oracle zugestimmt und sich damit in die Hände seines Feindes begeben hatte. Sein Leben bedeutete ihm nichts, nur Aya-chan zählte. Und wenn ihm dieser Mann, dieser Killer, dem er ebensoviel Hass entgegenbrachte wie dessen Auftraggeber, ihm anbot seiner geliebten Kleinen zu helfen, dann würde er darauf eingehen. Er würde sogar dem Teufel seine Seele anbieten, wenn sie dafür wieder aufwachte, seine altes Ich, Ran, hatte er bereits geopfert, er hatte außer ihr nichts mehr, wofür es sich zu leben lohnte, warum also nicht auch diesen letzten Schritt tun? Sollte Oracle ihn benutzen, wofür er wollte, ihm war es gleich.

Er würde das Ende in jedem Fall nicht erleben, aber sein Gegenspieler ebenso wenig.
 

//....fast tot... also das hat er gemeint... und er hat recht, Aya..... Aya-chan ist fast tot...//
 

Er nickte ganz leicht, was ihm ein weiteres, arrogantes Grinsen einbrachte. Dass der widerliche Ami nicht noch einen Spruch abließ in die Richtung 'hab ich doch gleich gewusst', war aber auch schon wirklich alles. Doch der gegnerische Leader ahnte wohl, dass Aya sich dann nicht mehr zurückhalten könnte.
 

Der Rothaarige drehte den Kopf und überzeugte sich mit einem schnellen Blick davon, dass es Omi immer noch gut ging. Die beiden Hacker standen etwas abseits vor einer Baumgruppe, unterhielten sich leise und machten nicht die geringsten Anstalten, sich anzugreifen.
 

Eine Frage brannte ihm auf der Zunge, etwas dass er unbedingt wissen musste. "Warum?" Man brachte doch nicht einfach mal seinen Auftraggeber um, denn er hatte nicht das Gefühl, dass Takatori schlecht zahlte, oder Schwarz sich allzu kurz halten ließ, warum also?
 

Er sah zurück zu Oracle und zu seinem Erstaunen zuckte ein Muskel im Gesicht des Schwarzhaarigen. Hatte er etwa einen wunden Punkt getroffen? Das spärliche Licht reichte nicht aus, um Einzelheiten der Gesichtszüge zu erkennen, aber er bemerkte die Augen, die hinter der Brille für einen Moment von seinem Gesicht abwichen, zu den beiden Jungen wanderte.
 

Aya folgte dem Blick, runzelte die Stirn, entspannte sie aber gleich wieder, als er bemerkte, was er da machte. Doch dann fiel der Groschen und er konnte gerade noch verhindern, dass seine Augen sich weiteten. "Der Junge?", fragte er, um seine emotionslose Stimme bemüht.
 

Der Blick aus grauen Augen verbrannte ihn beinahe und wenn die Situation nicht so verdammt ernst gewesen wäre, hätte er wohl darüber gelacht, denn der Amerikaner hatte ihm soeben einen Schwachpunkt verraten, einen, von dem er nicht einmal geahnt hatte, dass er da war. Kaum zu glauben, dass der eisige Mistkerl sich für etwas anderes als seine eigene Person interessieren konnte. Aber der Kleine schien ihm wirklich viel zu bedeuten.
 

Umso mehr wollte er jetzt wissen, was hinter der Sache steckte und er würde nicht locker lassen, bis er alles wusste.

Oracle stieß ein genervtes Seufzen aus, was der Rotschopf mit Verwundern feststellte. Dann begann der Andere ohne Aufforderung zu sprechen. Anscheinend hatte er vorausgesehen, dass er nicht aufgeben würde und kooperierte freiwillig. Allein das zeigte, wie wichtig dem gegnerischen Leader die Zusammenarbeit mit Weiß war, wie sehr er das andere Team brauchte.
 

"Takatori experimentiert schon seit Jahren an Menschen herum, was genau weiß ich nicht, interessiert mich auch nicht. Aber in letzter Zeit hat er ein neues Hobby. Er testet eine sehr unschöne Methode, um Verrückte ruhig zustellen oder zu kurieren und will dafür Berserker...." Vielleicht reichte das ja, um Abyssinians Neugierde zu befriedigen. Brads Mundwinkel verzogen sich leicht. Manchmal hasste er seine Gabe wirklich, vor allem, wenn sie ihm einen Strich durch die wohl kalkulierte Rechnung machte.
 

Auf der anderen Seite hätte er auch niemals etwas von den Hintergründen preisgegeben, ganz einfach erstens, weil es die Weißratten nichts anging und zweitens, weil er niemals sein tun rechtfertigte, sogar selten genug vor seinem eigenen Team. Der Deal wäre geplatzt und die ganzen Probleme, die er ohnehin schon hatte eskaliert. Also lieber in den sauren Apfel beißen, es ging immerhin um zwei Mitglieder seines Teams, unter anderem seinen Ziehsohn.

Als die beiden Weiß vorhin aus dem Schatten getreten waren, hätte er sich am liebsten auf Abyssinian gestürzt, zu frisch und eindrücklich war das Bild, dass er von der rothaarigen Kanalratte und seinem kleinen Nagi hatte. Doch auch diesmal hatte die Beherrschung, die er sich so mühevoll über fast zwei Jahrzehnte hinweg antrainiert hatte, gewirkt und keines seiner Gefühle verraten.
 

Zu seinem Leidwesen schien der andere Leader keineswegs mit diesen Informationen zufrieden zu sein. War er so leicht zu durchschauen? Nein, wahrscheinlich hatte Abyssinian nur mitbekommen, wie er zu Nagi gesehen hatte, ein Fehler, für den er sich selbst hätte ohrfeigen können. So etwas war ihm schon so lange nicht mehr passiert, unter Umständen konnten solche Dummheiten durchaus tödlich sein. Was, wenn sein verrücktes Gegenüber nun auf die Idee kam, dem Jungen was anzutun, nur um seinem Erzfeind eins auszuwischen? Brad glaubte zwar nicht, dass Ran sich an Kindern vergriff, bei Aya war er sich da aber nicht so ganz sicher, wenn den der Rausch so richtig gepackt hatte, unterschied er nicht mehr zwischen richtig und falsch, dann gab es nur noch seine dumme Rache.

Also rang er sich dazu durch und erzählte auch noch den Rest, verraten hatte er sich ohnehin schon und vielleicht würde es sogar eine Seite in Aya anrühren, vielleicht hatte Ran Mitleid.
 

"Aber das ist nicht sein Hauptprojekt.... Er sammelt PSI-Talente aus dem ganzen Land, teilweise auch aus Amerika und Europa zusammen, und macht Versuche mit ihnen. Was er da genau ausprobiert, weiß ich nicht, das konnten wir nicht herausfinden..."
 

Nun runzelte sich die stirn sichtbar. "Warum dann der Junge?" Mastermind wäre doch wohl der geeigneter, bei seiner Gabe!
 

Oracle schüttelte leicht den Kopf. "Das ist einfach zu beantworten. Meine Gabe ist für konstante Versuche zu unregelmäßig, zu unzuverlässig ausgeprägt, solange ich nicht bereit bin, mitzuarbeiten. Berserker ist aus bekannten Gründen nicht geeignet und Mastermind würde den Teufel tun und überhaupt irgendwas an sich versuchen lassen. Er ist zu stark, als dass man ihn manipulieren könnte, ohne etwas in seinem Kopf ernsthaft zu beschädigen. Prodigy dagegen ist noch fast ein Kind, körperlich nicht in der Lage sich gegen eine erwachsene Person zu wehren, noch nicht gefestigt in seinen geistigen Kräften und seiner Persönlichkeit. Und seine Gabe ist selbst für einen Telekineten außergewöhnlich stark ausgeprägt, jetzt schon, wenn er sie auch nicht immer kontrollieren kann. Du kannst dir vorstellen, wie es sein wird, wenn er erst erwachsen ist."
 

Damit endete der Monolog und Aya sah genau, dass Oracle nun nicht weiter sprechen würde. Er wusste genug und bohrte auch nicht weiter. Es lagen ihm noch unzählige Fragen auf der Zunge, doch was er wissen musste, fand er auch so heraus.

Viel wichtiger erschien ihm nun ihr Deal, was mit dem gegnerischen Team war, interessierte ihn eigentlich wenig.
 

"Was sind die Bedingungen?" Er wollte klare Verhältnisse, keine Augenwischerei oder Halbherzigkeiten.
 

Der Schwarzhaarige nickte leicht, genau das hatte er vorhergesehen. Das mochte er so an Abyssinian, der Mann hatte zwar einen deutlichen Knacks weg, aber er arbeitete absolut effektiv und zielgerichtet.
 

"Ein einfacher Deal: ihr helft uns, Takatori und alles, was dazugehört, auszuschalten und beteiligt euch an der Überwachung von Prodigy, falls unser derzeitiger Auftraggeben doch noch auf die Idee kommen sollte, seinen Plan in die Tat umzusetzen, bevor wir etwas dagegen unternehmen können. Mastermind wird dafür deine Schwester aufwecken. Wir verschwinden und ihr hört nie wieder von uns." Er war sich bewusst, dass der Gegner wohl nie aufhören würde, Schwarz zu hassen, aber das musste er auch gar nicht, der Hass hielt ihn aufrecht, gab ihm Kraft, trieb ihn immer weiter voran und genau das war es, was Brad für diese Sache brauchte.
 

"Unsere Hacker werden zusammenarbeiten, was kein großes Problem sein dürfte..." Er deutete mit dem Kopf leicht auf die beiden Jungen und Aya nickte.

"Zwei Bedingungen."

Aha, ganz so einfach war es also doch nicht, hätte den Amerikaner auch schwer gewundert, wenn der Rotschopf auf einmal zu allem ja und Amen sagen würde. Er wartete einfach, dass der Andere sich weiter äußerte.

"Mastermind bleibt aus unseren Köpfen und der Irre hält sich von unseren Leuten fern."

Ok, damit konnte Brad durchaus leben, er würde einfach Schuldig sagen, dass er keinen Weiß mehr manipulieren sollte, weil das zu sehr auffiel und wenn er unbedingt in ihre Köpfe schauen musste, dann wenigstens so, dass es keiner merkte, denn er wusste genau, dass er den neugierigen Deutschen niemals dazu bringen würde, sich ganz raus zuhalten. Auch Farfarello stellte kein Problem dar, den würden sie ohnehin nur bei Aufträgen sehen und da der Ire ja nicht mal annähernd halb so verrückt war, wie sie immer alle glauben machten, mussten sie eben nur aufpassen, dass ihm keiner über den Weg lief, wenn er in den Blutrausch verfiel, ansonsten nichts.
 

Er nickte leicht und wandte sich zum Gehen, drehte sich aber noch mal zu Aya um und warf ihm ein kleines Handy zu. "Kommunikation. Kritiker sollte es nicht mitbekommen. Und noch etwas: Prodigy weiß nichts von der Gefahr, in der er schwebt und das soll auch so bleiben. Sorg dafür, dass das alle wissen." Der hasserfüllten Blick, der ihm daraufhin zugeschickt wurde, ignorierte er einfach, während er nach Prodigy rief und kurz darauf in der Dunkelheit verschwand, als wäre er niemals da gewesen.
 

Der Weiß-Leader blieb stumm zurück und wog den kleinen Gegenstand nachdenklich in seiner Hand. Noch hatte er die Möglichkeit auszusteigen, noch hatte er Kritiker, Persha, nicht verraten, noch war niemand zu schaden gekommen. Doch dann sah er wieder Aya-chan vor sich, wie sie in ihrem kalten, sterilen Krankenhausbett lag, angeschlossen an Maschinen und sein Entschluss stand unverrückbar fest.

Die Frage war nun nur noch, wie er es den Anderen sagen sollte. Sicher, Ken und Yohji könnte er ohne weiteres vorspielen, dass dies ein neuer Auftrag von Persha war, er ihnen aber nicht mehr sagen durfte, doch Omi würde das niemals glauben. Nicht nur, dass der Junge von diesem Treffen hier wusste, er könnte sich auch ohne Probleme die nötigen Informationen mittels seines PC besorgen, indem er sich bei ihren Auftraggebern ins Netzwerk hackte.
 

Seufzend wartete er, bis der blonde Junge wieder an seiner Seite war. Es würde ihm kaum etwas anderes übrig bleiben, als sein Geheimnis endgültig zu offenbaren, auch wenn ihm das mehr als alles andere widerstrebte. Er hatte keine andere Wahl, er brauchte sein Team.
 

"Ist alles in Ordnung, Aya-kun?", fragte die helle Jungenstimme neben ihm, große, babyblaue Augen sahen ihn fragend an, ließen ihn wieder schlucken. Er war sich bewusst, in welche Gefahr er den Kleinen brachte. Sollte Kritiker erfahren, was sie tun würden, was ER tun würde, waren sie so gut wie tot. Doch er musste das Risiko einfach eingehen, Omi würde ihn verstehen, da war er sich sicher.
 

Er nickte leicht und konnte nicht verhindern, dass er seinem jüngeren Kollegen kurz durch die Haare strich. "Ich erklär es euch allen zusammen, in Ordnung?", fragte er leise, merkte selber, wie heiser und belegt seine Stimme klang. Seine Maske bröckelte ganz gefährlich, er musste wirklich aufpassen, dass er sie heute nicht am Ende noch verlor. Das durfte nicht passieren, er musste jetzt stärker sein als jemals zuvor, alles hing von ihm ab. Von seiner Person. Von seiner Willenstärke und seiner Autorität.
 

Mit einem vagen Gefühl von Schmerz in der Brust zog er seine Hand weg, wandte sich ab, er ertrug den besorgten Blick Omis einfach nicht mehr. Womit hatte er denn verdient, dass der Junge sich Sorgen um ihn machte, er schickte sie alle sehenden Auges in die Gefahr, vielleicht in den Tod aus purem Egoismus. Aber er hatte einen Schwur getan, er würde Aya-chan rächen und jetzt hatte er eine Möglichkeit gefunden, sie zurückzubringen, er hatte es geschafft. Warum freute er sich also nicht, sondern verspürte nur diesen schalen Geschmack einer Niederlage auf der Zunge, die bitteren Gedanken der Verzweiflung in seinem Kopf? Er brauchte wahrscheinlich einfach nur etwas Zeit, um das alles zu realisieren, das musste er sein.
 

Stumm wandte er sich um und gemeinsam machten sich die beiden Killer auf den Weg nach Hause, ungesehen, ungehört, nur namenlose Schatten in der Nacht.
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

Kaum waren sie außer Sichtweite ließ sich ein großer Schatten gegen einen Baum sinken, hielt sich den Kopf.

Nagi trat besorgt einen Schritt näher, streckte die Hand aus, um Brad sanft am Oberarm zu berühren.

"Soll ich Schuldig bescheid sagen, dass er uns holt?", fragte er leise, denn es war noch ein gutes Stück bis nach Hause. Er war dagegen gewesen, dass Brad heute schon das Bett verließ. Der große Mann war noch immer geschwächt, mehr als er zugab, aber man sah es deutlich an den harten Linien in seinem Gesicht, wenn er sich über die Treppe quälte, an seinem mangelnden Appetit, daran, dass er seit knapp drei Tagen nicht mehr in seinem Büro gewesen war, sondern fast ununterbrochen schlief.
 

Wenn er sich dadurch ja wenigstens erholt hätte, aber sobald er die Augen schloss und ins Traumland überdriftete, wurde er unruhig, warf sich herum, wachte nach ein paar Minuten wieder auf. Nur ein paar Stunden während der Nacht, wenn Nagi zu ihm unter die Decke kroch, war er entspannter.
 

Der Junge seufzte leicht, wartete aber geduldig auf eine Antwort. Es machte ihn absolut wahnsinnig, weil er genau wusste, dass irgendetwas vor sich ging, es aber keiner für nötig befand, ihm zu sagen, was. Aber er beschwerte sich nicht, er wollte nicht noch mehr Probleme machen.
 

Brad nickte ganz leicht und Nagi konzentrierte sich auf Schuldig, der sich grummelnd meldete, anscheinend gerade mit etwas anderem beschäftig war.

//Schwing deine faulen Telepathenhintern hierher, Brad kippt gleich um!//

Die Worte genügten anscheinend, um den deutschen in Schwung zu bringen. Der Junge spürte, wie der Orangehaarige noch die Information ihres Standorts aus seinem Kopf fischte.

//Gib mir zehn Minuten Chibi... und sei nicht immer so frech!// Die Stimme in seinem Kopf bemühte sich wohl, wie immer zu klingen, aber Nagi hörte deutlich die Besorgnis heraus, die er absolut teilte.
 

Er spürte, wie sein Kollege sich wieder ausklinkte und richtete seine Konzentration wieder auf seinen Anführer. "Geht's noch?" Vorsichtig griff er mit seinen mentalen Fähigkeiten zu und stützte seinen Leader sanft, aber bestimmt, damit er nicht umfiel. Im blassen Licht der Laternen konnte er die Schweißtröpfchen erkennen, die auf der Stirn des Schwarzhaarigen standen, die verkrampften Kiefermuskeln, die von zusammengebissenen Zähnen herrührten.
 

Und er spürte, dass Brad sich tatsächlich in den telekinetischen Griff sinken ließ, etwas, dass er sehr selten machte, was aber deutlich zeigte, wie sehr in dieses Treffen angestrengt hatte, wie viel Beherrschung nötig gewesen war, um so lange auf den Beinen zu stehen und wie immer auszusehen.
 

Die grauen Augen schlossen sich langsam und Nagi hatte schon Angst, dass der Andere ohnmächtig werden würde, schickte ein Stoßgebet zu ein paar Göttern, die er kannte, dass Brad durchhielt, bis wenigstens Schuldig da war. Er fühlte sich so hilflos, hatte keine Ahnung, was er machen sollte. Verzweifelt versuchte er, die Dunkelheit mit Blicken zu durchbohrend, als würde sie den Deutschen dadurch schneller ausspucken.
 

Die zehn Minuten waren doch schon längst um, oder? Was trieb dieser unzuverlässige Psychopath denn wieder? Musste er sich erst noch umziehen und die Haare machen oder was? Konnte er nicht EINMAL....
 

Da spürte er die warme, große Hand auf seiner Schulter. Erschrocken fuhr er herum, sah in das Gesicht seines orangehaarigen Kollegen, der den Mund zu einem spöttischen Lächeln verzogen hatte.

"Ich hab doch gesagt, du sollst nicht so frech sein! Und ich hab es sogar in acht Minuten geschafft anstatt in zehn..."
 

Er wandte sich Brad zu, strich diesem kurz über die Stirn, woraufhin sein Leader die Augen öffnete. Nagi konnte sehen, dass die Beiden wohl miteinander sprachen, dann schloss Schuldig die Augen und konzentrierte sich. Nur Sekunden später wich die Anspannung aus dem Gesicht des Schwarzhaarigen und er sank in Nagis Griff zusammen.
 

Erschrocken hielt der Junge seinen Ziehvater etwas fester, damit er ihm auch ja nicht ausrutschte und suchte den Blick des Deutschen. Der lächelte beruhigend.

"Keine Sorge, er schläft nur... es wird alles wieder gut..." Seltsamerweise besänftigten die Wort die aufgebrachten Nerven des Telekineten, vielleicht war es auch das zugehörige Gefühl, dass Schuldig ihm schickte, er konnte es nicht sagen.
 

Vorsichtig hob er Brads schlaffen Körper hoch und ging neben Schuldig her zu dessen Auto. Er blinzelte leicht als er erkannte, dass dort keineswegs der feuerrote Sportwagen von Schuldig, sondern der schwarze Mercedes von Brad stand.
 

"Er wird dich umbringen wenn er das erfährt!", prophezeite er düster, denn dazu musste man wirklich kein Hellseher sein.
 

Schuldig grinste nur breiter und zuckte die Schultern. "Dann sollten wir wohl besser dafür sorgen, dass das nicht passiert, oder? Außerdem gab es keine andere Möglichkeit, in meinen Zweisitzer hätten wir ja schlecht reingepasst, oder?"
 

Nagi gab auf. Dem Kerl gingen ja doch nie die Argumente aus, also sagte er lieber nichts mehr, sondern legte Brad auf den Rücksitz, krabbelte dazu, so dass der Kopf seines Leaders in seinem Schoß zu liegen kam.
 

"Übrigens Chibi, es heißt Telepath, nicht Psychopath!"
 

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Schweigen.

Entsetztes Schweigen.

Tödliches Schweigen.

Schweigen, das nicht enden wollte.
 

Omi schluckte hart. Er hatte ja geahnt, was kommen würde, schon als Aya ihn gebeten hatte, mit zu diesem Treffen zu kommen, aber vielleicht hatte er es einfach nur nicht wahrhaben wollen.
 

Er sah hinüber zu Ken und Yohji, die beide mehr als entsetzt, stocksteif auf ihren Plätzen saßen, wohl nicht glauben konnten, was sie da eben gehört hatten. Omi konnte es ihnen nicht verdenken. Es war, als wäre ihr Weltbild eben um 180° auf den Kopf gedreht worden und nun wussten sie nicht mehr, wo oben und unten war.
 

Vor allem Ken schien es schwer zu treffen. Der Fußballer hatte ein denken in klaren Linien, schwarz oder weiß, gut oder böse, kaum etwas dazwischen. Und nun stellte sich ihr Anführer, den sie alle mehr oder weniger heimlich bewunderten - der ihnen immer als eine Art Sinnbild der Gerechtigkeit vorgekommen war, auch wenn das natürlich nicht stimmte -, hin und eröffnete ihnen, dass er vor hatte, mit DEM Feind zu paktieren, dass der Deal bereits abgeschlossen war und sie nun zu entscheiden hätten, auf welcher Seite sie standen.
 

Man sah Yohji deutlich an, dass er kurz davor war in hysterisches Kichern auszubrechen. Der Playboy fuhr sich verwirrt durch die inzwischen völlig zerzausten Haare. Verdammt wer hatte geahnt, was das sollte, als Aya sie heute Abend alle in den Missionsraum bestellt hatte? Er war von einem neuen Auftrag ausgegangen, von einer Lagebesprechung oder etwas ähnlichem, aber doch nicht von SOWAS! Am liebsten hätte er sich jetzt eine Zigarette angezündet, aber der Rothaarige sah nicht so aus, als würde er das dulden.
 

Nervös knetete der Blonde die Finger, warf einen Blick zu seinen Kollegen. Ken schien genauso geschockt wie er selbst, der Fußballer starrte im Moment nur apathisch vor sich hin, schien die ganze Sache erst mal noch richtig verarbeiten zu müssen. Omi dagegen schien nicht halb so überrascht zu sein.
 

"Du hast es gewusst nicht war?" Die ersten Wörter, die die Stille durchbrachen, trafen den Jüngsten wie Peitschenhiebe. Er duckte sich tiefer in seinen Sessel hinein, wich dem Blick des Ältesten aus und nickte leicht. "Ich war bei dem Treffen mit Schwarz gestern Nacht dabei...", murmelte er dann leise.
 

"Lass den Jungen zufrieden, Kudou, der hat damit nichts zu tun! Es war meine Entscheidung und damit Schluss. Ich hab ihn nur mitgenommen, weil ihr dafür nicht in Frage gekommen wärt." Aya fixierte den Playboy mit einem dermaßen stechenden Blick, dass der automatisch die Augen senkte, doch dann meldete sich der Trotz des Älteren zurück.
 

"Warum? Verdammt warum ausgerechnet Schwarz? Ich hab immer gedacht, dass du derjenige von uns bist, der diese Schweine am meisten von uns allen hasst! Woher der plötzliche Wandel? Das kann doch nicht dein Ernst sein, verdammt noch mal!" Seine Stimme war immer lauter und aggressiver geworden.
 

Allerdings ließ sich der Rothaarige davon nicht aus der Ruhe bringen, das letzte, was sie jetzt brauchen konnten, war eine Schlägerei, nur weil Yohji seinem Namen mal wieder alle Ehre machte.

"Ich habe meine Gründe, Kudou, sie haben mir ein Angebot gemacht, dass ich unmöglich ablehnen kann."
 

"Geld? Geht's etwa um Geld? Bezahlt die Kritiker nicht genug, bist du so raffgierig, dass du dich selbst mit denen einlässt, du... du..." Dem großen Mann fiel scheinbar keine passende Bezeichnung für seinen Anführer ein. Er sprang auf und begann, wie ein gefangener Tiger auf und ab zu marschieren.
 

Aya blieb weiterhin ruhig, es brachte absolut nichts, wenn er jetzt auch noch die Beherrschung verlor, obwohl er seinem Kollegen am liebsten die Faust in sein ach so hübsches Gesicht gerammt hätte.

"Hör mir gut zu, denn ich werde das nur ein einziges Mal sagen. Ich habe kein gesteigertes Interesse an Geld, also unterstell mir das nie wieder. Es gibt eine Person, die durch meine Schuld im Koma liegt und ich werde alles tun, um ihr zu helfen, ALLES! Mastermind hat die Fähigkeiten...."

Seine Stimme wurde auf einmal ganz leise, kaum noch zu verstehen. "Mir bleibt keine Wahl.....", flüsterte er erstickt und zum ersten Mal, seit der rothaarige Japaner zu Weiß gestoßen war, senkte sich sein Blick, wich dem der Andere aus. Und keiner wagte es, noch weiter zu fragen.
 

Im Moment überlegten wohl alle, was wohl schockierender war: dass sie womöglich mit Schwarz zusammenarbeiten sollten, oder dass Aya so etwas wie einen Hauch von Gefühlen zeigte, dass er etwas von sich preisgab, an dass er sich bisher mit allem geklammert, dass er mit allem verteidigt hatte, was er besaß.
 

Langsam, ganz langsam erhob sich Omi und trat zu seinem Anführer. Er streckte vorsichtig eine Hand aus und legte sie auf die Schulter des Älteren. amethystfarbene Augen richteten sich wieder auf ihn und sein Leader schien sich wieder absolut in der Gewalt zu haben, der Moment der Schwäche war vorüber, die Augen leuchteten wieder kalt.
 

Der Junge lächelte schüchtern. "Ich gehe mit dir..." Für ihn war es eigentlich nicht wirklich eine Entscheidung gewesen. Sicher, sie handelten gegen Kritiker, gegen Persha, das war ihm auch klar, aber sie konnten endlich wirkungsvoll gegen seinen Erzeuger vorgehen, der ja wohl so was wie die Wurzel allen Übels darstellte und außerdem war Aya sein Freund, egal was kam, egal ob der nun seine Freundschaft haben wollte oder nicht.
 

Für einen Moment sah er seinen warmen Funken in den violetten Augen, bevor der harte Schimmer sie wieder ganz erfüllte. Der Rotschopf blickte abwartend zu seinen anderen Kollegen.
 

Yohji hatte seine Wanderung aufgegeben, nur seine Hände bewegten sich immer noch nervös, als könnte er sich nur mit Mühe unter Kontrolle halten. "Ach zum Teufel damit! Du lässt dich ja sowieso nicht davon abbringen...." Im Prinzip war bei ihm die Entscheidung in dem Moment gefallen, als Aya sein Versprechen, seine Schuld erwähnt hatte. Er kannte dieses Gefühl nur zu gut, das alles beherrschte, einen völlig einnahm, bis man meinte, kaum noch atmen zu können, diese niederschmetternden Gedanken, die Schuld, selbst noch am Leben zu sein, während der geliebte Mensch tot war, oder im Fall seines Leaders, im Koma lag, was fast genauso schlimm war.
 

Resigniert ließ er sich wieder auf seinen Platz sinken. Er gab es zwar nie zu, doch obwohl der Rotschopf sich immer abweisend verhielt, sah Yohji in ihm schon so etwas wie einen Freund, nicht nur bei ihrem nächtlichen Job, sondern auch gerade in Situationen wie diesen, in denen er Unterstützung brauchte, was selten genug vorkam.
 

Und dass Aya sie um etwas bat, ihnen einen Teil seines wohlbehüteten Geheimnisses anvertraut hatte, bewies auch ihm, dass sie dem Anführer nicht egal waren, hätte er noch eine Bestätigung gebraucht. Niemals würde er die unzähligen Male vergessen, in denen die Umsicht und Sorgfalt des Anderen ihnen das Leben gerettet hatte.
 

Aya nickte leicht, sein Gesicht entspannte sich ein klein wenig, sofern man das unter der starren Maske überhaupt erkennen konnte. Aber seine Kollegen hatten gelernt, auf Kleinigkeiten zu achten.
 

Die amethystfarbenen Augen wanderten vom Playboy hinüber zu ihrem Fußballer, der immer noch leichenblass und wie erstarrt dasaß. "Ken?", fragte er leise und sehr ruhig, fast, als würde er wissen wollen, was der Braunhaarige heute Abend vorhatte.
 

Als würde er aus einer Art Trance erwachen, hob der junge Mann den Blick, seine Augen im Gegensatz zu sonst leer, fast leblos. Omi eilte an seine Seite, streichelt ihm vorsichtig über den Oberarm. "Ken-kun, alles in Ordnung mit dir? Sag doch was!", bat er leise. Er hatte Angst um seinen besten Freund, denn so wie der aussah, ging es ihm ganz und gar nicht gut.
 

"Welchen Auftrag haben wir?" Alle drei, selbst Aya fröstelte leicht. Diese Stimme hatten sie von ihrem Kollegen das letzte Mal gehört, als er beschlossen hatte, Kaze zu töten und alle hatte gehofft, dass es das letzte Mal gewesen wäre. Sie hatten sich wohl geirrt.
 

Der Rothaarige fing sich als erster wieder. "Ausschaltung von Takatori mit Schwarz' Hilfe und Überwachung von Prodigy, bis er aus dem Weg geräumt ist."
 

In Kens Augen kehrte ein wenig Leben zurück. "Nagi? Was hat Nagi mit der Sache zu tun?" Am liebsten hätte er sich sofort die vorlaute Zunge abgebissen, was Aya für ein Gesicht machte. Verlegen wand er sich unter dem prüfenden Blick. "Ich... naja weißt du... ich hab vor ein paar Tagen mit ihm Fußball im Park gespielt... er war auf einmal da...."
 

Aya hob eine Hand. Es war also nichts, was er nicht schon wusste, deshalb brauchte Ken es nicht noch einmal zu wiederholen.

"Laut Oracle macht Takatori in letzter Zeit Versuche an PSI-Talenten und hat es auf... Nagi abgesehen...." Er stolperte beinahe über den Namen, als würde es ihm Schwierigkeiten bereiten, die beiden Silben auszusprechen. Und wirklich einfach war es für ihn nicht, ein richtiger Name gab einem Menschen nun mal eine Identität, eine Persönlichkeit und damit war Prodigy nicht mehr nur einfach irgendein Feind, den es zu eliminieren galt, sondern auch eine Person.
 

Kens Augen weiteten sich leicht und man konnte deutlich sehen, wie es hinter seiner Stirn arbeitete. Ursprünglich hatte der Weiß-Leader seinem Team nicht alles erzählen wollen, doch er wusste, wie sehr der Brünette Kinder liebte und die Aussicht, dass einem, selbst wenn es sich um ein Mitglied der Gegner handelte, etwas passierte, würde ihn dazu bewegen, sich anzuschließen.
 

Und wirklich, ganz langsam nickte Ken, der kalte Ausdruck aus seinen Augen verschwand wieder, was nicht nur Omi mit Erleichterung feststellte. "Ok, dann habt ihr ja auch sicher nichts dagegen, dass ich einmal die Woche mit Oracle einkaufen gehe, nicht wahr?"
 

RUMMMS! Yohji hatte sich eben wieder niederlassen wollen, nachdem das Gerenne keinen Effekt gezeigt hatte und saß nun prompt neben, statt auf der Sitzfläche.

"Sa... sag das bitte noch mal!", krächzte er erstickt, schien kaum Luft zu bekommen, während Omi einfach einen Karpfen imitierte. Aya bemühte sich, absolut gleichgültig zu wirken, doch selbst ihm waren der Schreck und die Überraschung in die Glieder gefahren. Im ersten Moment konnte er sich nur mühsam beherrschen, Ken nicht an die Gurgel zu gehen.

Allein der Gedanke, dass ein Mitglied seiner Gruppe mit ORACLE einkaufen ging, verursachte ihm Magenschmerzen.
 

"Cloffordo und ich haben ausgemacht, dass wir unsere Wocheneinkäufe in Zukunft zusammen erledigen werden." Herausfordernd blickte er in die Runde. Wenn sein Anführer einen Pakt mit dem Feind schloss, konnte er auch mit ihm einkaufen gehen!
 

Und wirklich, zuerst sah Aya so aus, als würde er jeden Moment explodieren, doch dann atmete er tief durch und nickte leicht. "Wir werden eng zusammenarbeiten müssen, nicht nur auf Missionen, gewöhnen wir uns besser daran", war alles, was der Rotschopf dazu sagte, obwohl man ihm ansehen konnte, wie es in ihm brodelte.
 

Yohji gaffte seinen Kollegen immer noch von Boden aus an. "Cloffordo? Bist du bescheuert?" Er rappelte sich wieder auf. "Der Kleine, dass kann ich ja noch verstehen, der ist ja fast noch ein Kind, aber Oracle? Sag mal wie kommst du eigentlich auf Cloffordo?" Seine Gedanken rasten im Kreis und er nahm seine Wanderung durch den Raum wieder auf.
 

Ken schob trotzig das Kinn vor. "Er hat mir seinen Namen gesagt", brauste er genauso laut auf. Sein Hitzkopf brach wieder voll durch und er hatte Mühe, sich zu beherrschen. "Außerdem geht es dich überhaupt nichts an, was ich mache! Aya hat gesagt es ist ok und ich..."
 

"Was du?", höhnte der Playboy zurück. Die beiden Kontrahenten standen sich inzwischen mit geballten Fäusten gegenüber, viel fehlte nicht mehr und sie würden sich aufeinander stürzen. "Du hast doch gar keine Ahnung! Der verarscht dich doch von vorne bis hinten!"
 

Ken knurrte wütend und spannte schon die Muskeln. Es war ja nicht so, dass er sich darüber keine Gedanken gemacht hätte, aber jedes Mal, wenn er entschieden hatte, den Kontakt doch zu unterbinden kam ihm das Bild eines im Supermarkt umherirrenden Crawfords in den Sinn. Und grundsätzlich folgten weitere, die sie zusammen im Café zeigten, zwar schweigend, aber immerhin, er sah wieder das kurze, dankbare Funkeln, als er dem Amerikaner geholfen hatte und sofort ging seine innere Diskussion wieder los. Und nun musste auch noch dieser arrogante Faulenzer ankommen und ihm Vorwürfe machen! Er war vielleicht nicht der schlaueste, aber so dumm nun auch wieder nicht und von Yohji ließ er sich gleich dreimal nichts sagen.
 

Doch bevor er den Größeren wirklich angreifen konnte, schob sich eine schlanke Gestalt zwischen sie. Aya maß beide mit einem eisigen Blick, der sie wie betretene Schuljungen die Köpfe senken ließ.

"Wir haben wichtigeres zu tun als euer kindisches Gehabe! Benehmt euch wie die Erwachsenen, die ihr sein wollt! Ich habe gesagt, es ist in Ordnung und damit basta!" Derart gescholten konnten sie gar nicht anders, als sich wieder auf ihre Plätze fallen zu lassen und diesmal fand der designerjeansbedeckte Hintern des Blonden auch seinen Sitz.
 

Man hörte Omi erleichtert aufatmen. Der Junge hasste es, wenn die Älteren miteinander stritten, er hatte Angst, dass einer vielleicht irgendwann ging und nicht mehr wiederkam. Er wollte seine Familie nicht schon wieder verlieren. Und umso mehr erleichterte es ihn, dass Aya regelmäßig einschritt, bevor die Fetzen richtig flogen, denn obwohl der Rothaarige doch ein paar Jahre jünger war als ihr Teamältester, machte dieser niemals den Versuch, zu protestieren, selten trotzte er, meistens verschwand er einfach für ein paar Stunden oder schmollte in seinem Zimmer. Ihr Leader hatte einfach zu viel Autorität.
 

Und wirklich, der Playboy verschränkte zwar die Arme vor der Brust, machte aber keine Anstalten, noch einmal aufzumucken.

Ken dagegen gab sich alle Mühe, nicht allzu zufrieden auszusehen, womöglich überlegte es sich Aya sonst noch anders. Er wusste ja selbst nicht, weswegen er so vehement darauf bestand, mit seinem Feind einkaufen zu gehen, bestimmt wollte er sich nur einfach nichts von Yohji sagen lassen, genau dass würde es sein. Nachdenklich betrachtete er ihren Anführer. Das alles erklärte aber immer noch nicht, warum ausgerechnet der seine Erlaubnis gegeben hatte. Selbst wenn ihre Teams wirklich zusammenarbeiten würden - der Gedanke jagte Ken trotz allem immer noch einen eisigen Schauer über den Rücken - hieß das ja noch lange nicht, dass er gemeinsame Aktivitäten außerhalb des Jobs akzeptieren würde, was er ja ganz offensichtlich tat. Er seufzte leise und beschloss, die Gedanken auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben, wenn er dafür Zeit hatte.
 

Eine ganze Weile saßen sie schweigend da, schauten einander etwas betreten an, keiner wagte, erneut das Wort zu ergreifen und Aya sah keine Notwendigkeit darin. Es war alles gesagt, was es zu sagen gab. Plötzlich ging oben im Haus die Hintertür.
 

Die vier jungen Männer waren sofort auf den Beinen, verteilten sich ganz automatisch an strategischen Punkten im Raum. Schritte auf der Treppe in den Keller. Hochhackige Schuhe, lange Beine in Strumpfhosen und schließlich ein knapper Rock, der sich um wohlgeformte Hüften spannte, kam zum Vorschein.
 

"Störe ich gerade bei irgendwas?", fragte Manx mit leichtem Amüsement in der Stimme, während sie die Killer einen nach dem anderen musterte. Keiner wich ihrem Blick aus.
 

Als keine Antwort kam, zuckte sie nur leicht die Schultern. Normalerweise wurde sie zumindest von Yohji begrüßt, wenn auch meistens mit irgendeinem schlüpfrigen Spruch oder Angebot. Wahrscheinlich hatten die sich mal wieder in den Haaren.
 

"Naja egal, ihr hab einen neuen Auftrag..."

Das Spiel mit dem Feuer

Autor: CatherineMiller

Titel: Bittersweet Feelings

Fandom: Weiß Kreuz

Kapitel: Das spiel mit dem Feuer

Teil: 15/?

Pairings: RanxNagi; BradxKen; SchuldigxYohjixSchuldig; FarfxOmi

Warnungen: keine

Danksagung: Vielen Dank an mein Betas emilyheart (kei83), Corrychan und Cap, die

sichfleißig durch meine tausend Tippfehler mühen!

Disclaimer: Alles nix meins und ich mach auch kein Geld damit, auch wenn ichs gebrauchen könnte XD
 

DURCHSAGE: Die zehn Kommentare für das Kapitel wurden erreicht (es waren sogar elf! ^^). Vielen Dank an alle fleißigen Schreiberlinge, die sich ein paar Minuten Zeit genommen haben! *verbeug*

Zur Belohnung gibt's diesmal wie versprochen zwei Kapitel! Viel Spaß damit!!!
 

ZUSATZ: Das Angebot besteht weiterhin: Bei mindestens zehn Kommentaren, gibt's beim nächsten Upload 2 Kapitel auf einmal!
 

Kommtenare:
 

@Shinn: Cloffordo is sogar nicht nur fast umgekippt *blinzel* Tja auch Orakel haben ihre Schwächen... aber natürlich wusste er, dass er solange durchhalten würde *hust hust* Jaaa Takatori is schon ein W*** Der wird noch viel schlimmer *prophezeih* Freut mich, dasses dir schon wieder/immer noch gefällt ^^

@Kayla: Ja für seinen Nagi tut selbst der große, böse Brad alles ^^ Is halt doch irgendwie sein Sohn... Ich hab mich beeilt, ganz ehrlich, aber meine Betaleser wollten nicht so unbedingt wie ich XD *schiel* Und irgendwie muss ich ja mal mit den Pärchen anfangen, ne? Freut mich, dass dich die Stelle mit Ken so amüsiert, ich musste auch ziemlich fett grinsen, als ich das geschrieben hab XD

@fatalis: Warnung: LIES MEINE FF NICHT NACH 1 UHR NACHTS, WENN DEINE ELTERN SCHON IM BETT SIND UND NEBENAN SCHLAFEN XDDDD Zufrieden? *grins* Nicht, dass so ne Warnugn fürs nächste Kapitel nötig wäre, aber sicher ist sicher XDD Das Kapitel mit Schu und Yohji kennst du ja schon, aber trotzdem viel sPaß mit dem anderen ^^ Ich hoffe mal, Brad wird nicht irgendwann zu normal, etwas kühl und distanziert darf er ja durchaus bleiben...

@Locke: Tadaaaaaa ein ganzes Kapitel nur Schu und Yohji... und wo das herkommt sind noch viel mehr *verschwörerisch flüster* XDD Nee ma Spaß beiseite, ich mag die beiden auch gerne und es wird sicher noch mehr von ihnen kommen, keine Sorge... allein schon, weil sie am Einfachsten zusammenzubringen sind XD

@CeresNila: Ich kann dich beruhigen, es war nix wichtiges, was Omi und Nagi besprochen ham XD Allein deswegen, weil mir nix eingefallen wäre *schäm* ^^ Aber nu viel Spaß beim Weiterlesen!

@Su-chan1999: reut mich, dasses dir gefällt ^^ Ich bemüh mich immer, das Innere der Personen ein bisschen zu beleuchten und hoffe halt, dass mir das einigermaßen gelingt ^^

@Asagao: Jep der Auftrag... wichtig *grinsel* Wirst du ja sehn ^^ Schon, dass die FF dir gefällt, bis zum nächsten Mal!

@kalenowo: *grinsel* Jaja die Sache mit Cloffordo... ich hab im Anime auch mehrmals hinhören (und lesen) müssen, bis ich gerafft hab, was die damit überhaupt meinen... Japaner halt XD Ich bemüh mich, auch weiterhin etwas Witz drinzulassen, auch wenns jetzt langsam aber sicher ernst wird... im wahrsten Sinne des Wortes ^^ Aber ich werde meinens til halten, so gutes geht! *fest vornehm*

@Drakea: XDd Eigen, in der Tat, aber trotzdem danke für den Kommentar ^^ Ich krieg gerne Kommentar, gleich welcher Art und deiner hat mir gefallen ^^ Hoffentlich bleibst du dabei, freu mich schon auf den nächsten ^^

@nazue: Freut mich, dass du das mit der Länge so siehst, wir haben nämlich noch nicht mal Halbzeit @_@ *selbst Angst bekomm* Wenn cih dran denk, was ich in die Story noch alles reinstopfen muss... *seufz* Aber wird schon werden ^^ Ich hab die Charaktere halt auf meine Wise etws interpretiert, mich aber bemüht, weitestgehend am Original zu bleiben, eh voilà XD Ist mir doch ganz gut gelungen, glaub ich (hoff ich doch mal ^^) Und sicher geht die Story weiter, BF is und bleibt mein Baby, auch wenn ich noch andre Projekte nebenher laufen hab ^^ Die hier bring ich ganz sicher zuende, komme was wolle (sollte ich sagen, dass die Fortsetzung schon in Planung ist *dröppel* XD)

@erdschlange: Super, freut mich, dasses dir gefällt ^^ ich mach sowas sehr gerne, auch wnns nicht immr leicht fällt, vor allem bei sehr komplexes Charakteren wie Aya oder vor allem Farf *seufz* Aber ich arbeite dran XD Bei den Pairings steht zweimal Yohji, weil man für gewöhnlich den Seme vor das x, den Uke danach hinschreibt (kann auch mal anders sein, aber in der Regel weiß man dann gleich, wer wer is ^^). Bei Yohji und Schu is das aber nicht so strikt getrennt, dh beide werden Uke und Seme sein (auch wenn Schu noch nichts von seinem Glück weiß *böse grins*) ^^ Bei den anderen fällt das leichter, mal ehrlich: Brad als uke??? Mal vielleicht von sehr dominanten Charakteren wie Aya oder Schuldig abgesehen, Yohji von mir aus auch noch, aber niemals bei Ken XD
 


 

~~ WEISS! Aus Tokyo sind in den letzten vier Wochen dreiundzwanzig Kinder verschwunden. Sie stammen alle aus armen Verhältnissen, es ist keine Spur von ihnen zu finden, die Polizei tappt im Dunkeln. Unsere Kontaktmänner haben uns Informationen zugespielt, nach denen Hiroshi Nakamura, industrieller Großunternehmer, für die Vorkommnisse verantwortlich ist. Er verkauft die Kinder an reiche, osteuropäische Familien.

Euer Ziel: Ausschaltung von Nakamura und seinen Mitarbeitern, Befreiung der Kinder, die sich noch in Japan befinden. Weiße Jäger, jagt den schwarzen Schwarm. ~~
 

Yohji zündete sich eine frische Zigarette an und lehnte sich mit einem lasziven Lächeln gegen den Tresen der Bar. Er gratulierte sich selbst für seine gute Schauspielkunst, denn äußerlich würde ihm niemand ansehen, wie er sich gerade fühlte: absolut angepisst.
 

Scheiß Tag, scheiß Besprechung, scheiß Auftrag, scheiß Abend. Die Musik zu schrill und viel zu laut in seinen Ohren, die hämmernden Bässe nicht fähig, sein Gehirn zu betäuben, der Drink in seiner Hand schmeckte schal und abgestanden, obwohl dieser ganz frisch war, die Weiber kamen ihm heute noch extremer geschminkt vor als sonst, das Licht war zu grell. Mit einem Wort: er wollte nach Hause, aber sein Stolz verbot es ihm, weil er vorher noch groß angekündigt hatte, dass er auch trotz Auftrag ausgehen würde.

Ok, das waren jetzt ein paar viele Wörter gewesen, aber was sollte es, hörte ja eh keiner zu...
 

Seufzend nahm er noch einen Schluck des Cocktails, verzog leicht die Mundwinkel, als ihm der Alkohol erst in die Zunge, dann in die trockene Kehle biss. Er hasste es, wenn man den Tequila dermaßen herausschmeckte, schlecht gemischt also. Naja, auch egal, der Abend war sowieso schon einfach nur noch zum Vergessen, da machte der schlechte Geschmack, der sich auf seiner Zunge ausbreitete auch nichts mehr. Vielleicht hielt das penetrante Aroma von Alkohol wenigstens, was es versprach und betäubte seine übrigen Sinne etwas. Vielleicht brannte es ihm auch einfach das Gehirn heraus, sodass er gar nicht mehr denken musste, ja, das wäre sicher eine lohnende Alternative zu dem Chaos, das in seinem Kopf herrschte.
 

Er hatte einfach Ablenkung gebraucht, verdammt, ihm war buchstäblich die Decke auf den Kopf gefallen, also hatte er sich in Schale geschmissen - und verdammt, er sah richtig gut aus - und war aus dem Haus verschwunden, noch ehe sein weiser Anführer meckern konnte, weil sie in der nächsten Nacht einen Hit hatten und keinen angenehmen noch dazu.
 

Und wofür das alles? Um sinnlos Geld auszugeben und sich hier zu ärgern und zu Tode zu langweilen. Aber zu Hause wäre er durchgedreht. Er war ja schon im Besprechungsraum für einen Moment nahe dran gewesen, sich einfach auf seinen Leader zu stürzen und ihm ein wenig Vernunft in den dummen, rachsüchtigen Schädel zu bleuen. Sicher, er verstand ihn ja irgendwo, er wusste nur zu gut aus eigener Erfahrung, was Schuldgefühle mit einem Menschen anstellen konnten, verdammt, er hätte beinahe das ganze Team auf dem Gewissen gehabt, weil er der falschen Person vertraut hatte, aber ihr Götter, das war doch noch lange kein Grund einen Pakt mit... ja, mit dem Teufel zu schließen. Der Vergleich erschien ihm in diesem Augenblick irgendwie passend, vor allem, wenn man Schwarz vor sich sah.
 

Oracle mit seinen schwarzen Haaren und der eisigen Aura, die selbst seinen eigenen Leader manchmal noch zu übertreffen schien, der Kleine, der nicht einmal zu wissen schien, was Gefühle eigentlich waren, dessen Gesicht immer eine ausdruckslose Maske war, wo selbst noch der Schwarzleader ab und zu grinste, dann der weißhaarige Irre, der immer explizit Gott strafte, wobei die Wahl der Methoden ja manchmal schon richtig kreativ zu nennen war, das musste man schon sagen.

Yohji schüttelte den Kopf leicht. Ja, wirklich, Teufel alle miteinander... aber moment mal, da fehlte doch einer, oder? Ja richtig, der nervige, ewig grinsende, sadistische Psychopath, der mit seinen flammend roten Haaren geradewegs aus der Hölle entstiegen zu sein schien. Warum kehrte er nicht einfach wieder dahin zurück, woher er gekommen war, Deutschland oder so hatte Manx mal erwähnt, wo immer das liegen mochte. Wenn das ganze Land aus solchen Typen bestand, dann war er wirklich froh, nicht da wohnen zu müssen.

Allerdings wunderte er sich dann auch, warum die dann nicht längst versucht hatten, die Weltherrschaft an sich zu reißen....
 

//Es ist aber nicht nett, so über mich zu denken...//, meldete sich da plötzlich eine Stimme in seinen Gedanken, die eindeutig NICHT zu ihm gehörte! Und fast sofort spürte er auch die Präsenz, die in seinen Gedanken wühlte, das Unterste zu oberst zu kehren schien.

Vor Schreck ließ er den Drink fallen, doch der wurde von einer schlanken Hand aufgefangen, bevor er auf dem Boden auftreffen konnte.
 

Schuldig hatte ein süffisantes Lächeln aufgesetzt und nippte kurz an dem Strohhalm, den Yohjis Lippen wenige Minuten zuvor berührt hatten. Fast augenblicklich verzog sich das Gesicht angeekelt.

"Und so was trinkst du? Widerlich! Aber naja, wenn's schmeckt..." Der Deutsche wusste natürlich genau, dass Yohji das Zeug keineswegs mit Genuss trank, aber er konnte es einfach nicht lassen, den Anderen zu reizen, drückte ihm dabei das Glas wieder in die Hand. Es amüsierte ihn einfach zu sehr, zu sehen, wie sich die katzengrünen Augen wütend verengten, ihn anblitzten.
 

//Und übrigens, Kätzchen, es heißt Telepath, nicht Psychopath, wie oft soll ich euch das denn noch sagen, hm? Und wir HABEN versucht, die Weltherrschaft an uns zu reißen, und ihr habt uns sogar dabei geholfen, hast du in Geschichte nicht aufgepasst, oder lassen sie euch da nur Kaiserdynastien auswendig lernen?//

Yohji stöhnte leise auf und griff sich an die Stirn, als er fühlte, wie die Präsenz tiefer wühlte. Er versuchte, sich dagegen zu wehren, kam sich aber dabei gleichzeitig absolut lächerlich und schwach vor. Er hatte dem starken Telepathen rein gar nichts entgegenzusetzen.
 

Endlich schien der Orangehaarige zufrieden mit dem zu sein, was er gefunden hatte und ließ vom Kopf seines Feindes ab, schwang sich elegant auf einen Barhocker, der neben ihm gerade wie durch Zauberhand frei geworden war und winkte dem Barkeeper. Wenig später wurden zwei Gläser mit blauem Inhalt vor ihnen abgestellt.

Schuldig entfernte das Glas aus Yohjis Hand, ersetzte es durch das eben bestellte und griff nach dem zweiten.

"Auf gute Zusammenarbeit!", prostete er dem Blonden beinahe fröhlich zu. Nur wenn man genau hinsah, konnte man den gemeinen Funken in seinen Augen sehen.
 

Yohji sah genau hin, kurz auf das Glas hinunter, als würde er spekulieren, ob sich Gift darin befand, zuckte dann aber die Schultern. Einen Drink hatte er noch nie ausgeschlagen und solange der Schwarz bezahlte, war es ihm egal. Dieses Egal-Gefühl verstärkte sich noch zunehmend, als er bemerkte, dass das Zeug im Glas wirklich gut schmeckte, angenehm mild, eine Mischung aus Sahne und Früchten mit einer Spur Alkohol darin, genau richtig. Für einen Moment überlegte er, warum er Mastermind eigentlich trotz der Lautstärke der Musik problemlos verstand, kam dann aber mit sich selbst überein, dass der Telepath wohl einfach mental nachhalf.

Ein leises, spöttisches Lachen in seinem Kopf, gepaart mit einem Grinsen als optischem Reiz bestätigte seine Vermutung.
 

Schuldig musterte sein Gegenüber noch einmal. Nett, das musste man wirklich sagen. Der Andere war ihm aufgefallen, als er den Laden betreten hatte, sicher, so was wie das blonde Kätzchen sah man ja auch nicht alle Tage: groß, sehr schlank, die für einen Japaner völlig untypischen, hellen Haare, der knackige Hintern, umspielt von einer engen Lederhose, die Oberkörpermuskeln betont durch ein enganliegendes, bauchfreies Top, ein langer Mantel gegen die herbstliche Kälte, die draußen bereits herrschte, die Sonnenbrille, die an dem Mann festgewachsen zu sein schien.

Der Deutsche ertappte sich dabei, dass er sich fragte, ob Yohji das Ding wohl auch noch trug, wenn er Weiber flachlegte. Wahrscheinlich schon, damit er deren Visagen nicht sehen musste. Augen zumachen wäre ja auch zu einfach gewesen.
 

Der Anblick sagte ihm zu, das konnte er nicht leugnen, sehr sogar. Na schön, sie waren Feinde, aber er war doch auch nur ein Mann, Braddy würde das zwar nicht verstehen, aber die direkte Order lautete, Weiß nicht anzugreifen, zu verletzen, zu belästigen, blabla, aber von nachstellen, flirten und vögeln war da eindeutig keine Rede gewesen, das wäre ihm aufgefallen! Er hatte ein Ohr für sowas.
 

Nur irgendetwas sagte ihm, dass der Blonde von der Vorstellung, mit ihm mal so ein bisschen ins Bett zu gehen, alles andere als begeistert war, nur was? Vielleicht die hasserfüllt funkelnden Augen, die ablehnende Haltung oder die wirklich einfallsreichen Beleidigungen, die dieser gerade in seinem Kopf rezitierte? Nein, das sicher nicht.

Der Orangehaarige runzelte die Stirn leicht, doch dann ging ihm ein Licht auf. Natürlich! Yohji dachte ja, er wäre hetero. Naja und er selbst war ein Mann, ergo, das funktionierte in den Augen seines Feindes nicht.

Gedanklich klopfte er sich gerade stolz auf die Schulter für seinen Geistesblitz.
 

Ok, hetero sein war vielleicht ein Grund, aber ganz sicher kein Hindernis und es würde ihn sicherlich nicht davon abhalten, es trotzdem zu versuchen. Er hatte striktes Verbot, auf seiner üblichen Ebene mit den Kätzchen zu spielen, also musste er sich dringend eine andere Abwechslung und Beschäftigung verschaffen, bevor er am Ende noch Langeweile bekam, denn dann hatte er auch immer schlechte Laune und das nervte sein Team ungemein und er wurde dauernd dumm angemacht, was auch kein Zuckerschlecken war. Nein, dann lieber die Spielchen auf eine andere Ebene verlagern, das war dann immer noch besser.
 

Dass sein Objekt nun ausgerechnet Yohji war, störte ihn eigentlich nicht weiter, es hätte auch genauso gut einer der Anderen sein können. Gut, vielleicht nicht gerade der Fußballfreak, dessen Gedanken waren so furchtbar langweilig, nur Bälle und Tor, den ganzen Tag und es war dem Telepathen einfach zu mühsam, dauernd die Sache mit diesem Kaze herauskramen zu müssen, die hatte Ken nämlich wirklich tief in sich vergraben, so als wolle er sie für immer verdrängen. Zwar waren seine Selbstvorwürfe ab und an ganz unterhaltsam, genauso wie seine eingebildeten Minderwertigkeitskomplexe, aber auch das wurde mit der Zeit öde. Außerdem hatte Nagi Siberian wohl irgendwie für sich beansprucht, zumindest interpretierte Schuldig das mal so, warum spielte man sonst mit jemandem freiwillig Fußball? Die Begegnung der Beiden hatte er inzwischen herausgefunden, es allerdings weniger verstanden, warum sich ihr kleiner Hacker ausgerechnet mit dem Sportler amüsierte. Aber bitte, wenn er denn meinte, das war ja nicht sein Problem, er war ja nur derjenige, der Ken alle Knochen einzeln brechen würde, sollte mit Nagi was passieren.

Der Junge wurde halt doch langsam erwachsen, auch wenn es dem Deutschen wenig in den Kram passte, dass das ausgerechnet JETZT war. Ihm wäre es am liebsten, wenn der Kleine immer dieses süße, stille Kind mit den großen, mitternachtsblauen Augen blieb, dass er noch bis vor kurzem gewesen war. Aber nein, dann hatte ja dieses zurückgebliebene Wesen von Tot auftauchen müssen und vorbei war's mit der kleinen Familienidylle.
 

Schnell lenkte er seine Gedanken wieder auf die Gegenwart. Wo war er noch mal gewesen? Ach ja, also Ken schied als potentielles Spielzeug also schon mal aus, der kleine Bombay auch, der erinnerte ihn mit seinen riesigen, blauen Augen viel zu sehr an sein eigenes Chibi, als dass er eventuelle, sadistische Handlungen so wirklich hätte genießen können, also sparte er es sich lieber gleich.
 

Immerhin wäre da ja dann noch der gute Aya gewesen. Anziehend, in der Tat, eine wirklich exotische Schönheit mit den roten Haaren und der blassen Haut, den feinen Gesichtszügen, die immer an eine Porzellanpuppe erinnerten und der schlanken Gestalt. Aber in seinem Kopf herrschte immer eisige Kälte, Schuldig hielt sich nicht gerne dort auf. Jedes Mal, wenn er doch kurz in die Gedanken des Rotschopfes eintauchte, hatte er hinterher immer das Gefühl wirklich zu frieren, obwohl das natürlich Unsinn war. Zudem drehten sich die Gedanken des gegnerischen Leaders immer nur um seine Schwester, seine Selbstvorwürfe, seine Schuld und seine Rache, öde, furchtbar langweilig, nichts, was ihn auch nur für ein paar Stunden beschäftigen könnte.
 

Er musste zugeben, dass Yohji in dieser Hinsicht das geeignetste Objekt war, um seine Unausgelastetheit auszugleichen, das konnte er nun wirklich nicht leugnen, es war also doch nicht so furchtbar großer Zufall gewesen, dass seine Wahl gerade auf den Playboy gefallen war, aber dass sie sich heute hier über den Weg liefen, das hatte er nun wirklich weder geplant, noch erwartet.

Sie hatten morgen einen Hit, also hatte Brad ihm heute Abend freigegeben, damit er sich nochmal austoben konnte und dann bei dem Auftrag voll bei der Sache war. Primitive Strategie, aber effektiv.
 

Er blinzelte leicht, zufrieden mit den Ergebnissen, die ihm sein Denken beschert hatte, denn jetzt brauchte er kein schlechtes Gewissen zu haben, wenn er das Gefühl hatte, dass Balinese ihm gefiel, das war ja schließlich irgendwo auch Sinn und Zweck des Spiels und so lehnte er sich entspannt gegen das Holz des Bartresens und entließ Yohji wie nebenbei aus seinem mentalen Griff.
 

Der Weiß hatte doch tatsächlich vor ein paar Minuten abhauen wollen, als er gedanklich noch mitten in der Debatte gesteckt hatte und so ging das ja nicht! Sein Spielzeug hatte sich nicht einfach so zu verdrücken, dann hatte er ja nichts mehr, mit dem er sich beschäftigen konnte, nicht wahr? Und was dann passierte, hatte er ja schon ausführlich erläutert, musste also nicht wiederholt werden.

Jedenfalls hatte der Teil seines Bewusstseins, der nicht gerade aktiv am Denkprozess beteiligt gewesen war, einfach mal zugegriffen und den Blonden auf seinem Platz gehalten, bis er fertig war.

Manchmal fragte er sich selbst wirklich ernsthaft, wie er es schaffte, bei Aufträgen absolut zielgerichtet und effektiv zu arbeiten, im Privatleben aber so oft um die Ecke dachte. Zugegeben, er fragte es sich nicht oft.
 

Im Moment interessierten ihn eigentlich viel mehr die Gedankengänge seines neuen Kätzchens, denn die Flüche waren in den letzten Minuten noch um einiges farbenprächtiger geworden, auch wenn der Playboy schlau genug war, nichts davon auszusprechen, das hätte wohl auch wirklich etwas dämlich ausgesehen.

Schuldig wurmte es beinahe ein bisschen, dass er wohl das Beste verpasst hatte, aber erstens war seine interne Diskussion wirklich wichtig gewesen und zweitens lebte er mit einem Amerikaner und einem gotteslästernden Iren zusammen und er bezweifelte doch sehr stark, dass etwas über deren Einfallsreichtum ging, wenn sie mal richtig loslegten. Vor allem Farfarello wusste teilweise Wörter, von denen sich der Deutsche beim besten Willen nicht erklären konnte, woher der Weißhaarige sie hatte, von IHM jedenfalls nicht.
 

Langsam aber sicher gingen Balinese dann doch die Variationen aus und der Orangehaarige hielt es für angebracht, sich jetzt auch mal wieder einzuschalten, zumal der Blonde sich auch wieder bewegen konnte, die Möglichkeit also nicht ausgeschlossen war, dass der Andere durchaus handgreiflich wurde, so wie die Augen im Moment angriffslustig funkelten. Das Einzige, was ihn momentan noch zurückhielt, war der Wutausbruch seines Leaders, den er nicht miterleben wollte, sollte er die Abmachung mit Schwarz gefährden. Gut so, das bedeutete praktisch den Freifahrschein für Schuldig.
 

"Aber Kätzchen, sei doch nicht so biestig, lass die Krallen drin, sonst muss ich sie dir stutzen..." Yohji zitterte vor Wut, als die Stimme sowohl akustisch, als auch mental an sein Ohr drang. Er hasste diese Hilflosigkeit, er hasste es, sich benehmen zu müssen und vor allem hasste er Mastermind! Und vielleicht sollte er ganz schnell mit dem Denken aufhören, wenn er einen Telepathen neben sich hatte, denn der nutzte sofort die Kerbe, die der Blonde ihm geschlagen hatte.
 

"Du willst dich nicht benehmen? Och, da wüsste ich aber schon was, wo du ganz unanständig sein darfst...." Die Töne troffen wie flüssiger Samt über die Lippen des Deutschen, direkt in sein Ohr, hatten allerdings seinen eindeutig bitteren, giftigen Stachel.
 

Erschrocken wich Yohji einen Schritt zurück und seine Gefühle schäumten einen Moment derart über, dass Schuldig sich mit leicht verzerrtem Gesicht zurückziehen musste, um nicht augenblicklich überrannt zu werden. Huch, anscheinend schien der Gedanke, er könnte den Japaner irgendwie interessant finden, in diesem ein mittelschweres Durcheinander anzurichten.
 

Erleichtert, dass er sich wieder bewegen konnte, machte der Playboy gleich noch einen Schritt von Mastermind weg. Am liebsten hätte er den Feind angefaucht, dass er ihn mal sonstwas konnte und sich gefälligst jemand anderen für solche Dinge suchen sollte, aber er hatte ja noch strenge Anweisung bekommen, keinen Ärger zu machen, wenn er schon einen Abend vor einer Mission ausging. Wenn er sich jetzt mit Mastermind prügelte und morgen nicht voll einsatzfähig war, würde Aya ihm nicht nur den Kopf abreißen, sondern ihn auch nie wieder vor einem Hit weglassen, und der Rotschopf hatte wirklich gute und überzeugende Mittel, seine Ansichten durchzusetzen.
 

Also machte er weiterhin keine Anstalten, den Schwarz anzugreifen, oder verbal zu beleidigen, dafür sprachen seine Gedanken eine wirklich eindeutige Sprache. Allerdings schien der Schuß eher nach hinten loszugehen, als den gewünschten Effekt zu erzielen, denn in den leuchtend grünen Augen glomm ein Funke auf, der Yohji einen kalten Schauer über den Rücken schickte. Der Blonde hasste es, nicht Herr einer Situation zu sein und genau das war im Moment ganz offensichtlich der Fall.
 

Um seine Unsicherheit und Verlegenheit zu überspielen, nahm er noch rasch einen Schluck aus seinem Glas und sah sich nach einer Frau, nach IRGENDWEM um, mit dem er sich umgeben könnte, um einen Grund zu haben, aus der Nähe seines Feindes zu entkommen.

Der lehnte derweil lässig und immer noch grinsend am Bartresen, nahm ab und zu einen Schluck seines Cocktails, schien sich aber nicht weiter für seine Umgebung, dafür um so mehr für Yohjis Person zu interessieren, denn er fixierte den Blonden auf eine Art und Weise, die diesen ganze nervös machte und ihn sich irgendwie wie eine Maus fühlen ließ, die von einer Katze beobachtet wird. Zwar schien die Katze, in diesem Fall Mastermind, im Moment satt und nicht auf Angriff aus zu sein, aber man wusste ja bei diesen Viechern nie, die waren absolut unberechenbar, das wusste doch jeder!
 

Schuldig amüsierte sich derweil gut über Yohjis Gedanken, fand es jetzt aber an der Zeit, sich auch mal wieder bemerkbar zu machen. So, wie sich das Kätzchen suchend umsah, war ihm ganz offensichtlich langweilig und das traf sich gut, denn der Deutsche gedachte sehr wohl, sein Spielzeug zu beschäftigen.
 

//Aber, aber, erstens bist du hier das Kätzchen, BALINESE und zweitens, lass das 'Mastermind', das klingt zwar ganz nett, ist aber auf Dauer sehr nervig. Mein Name ist Schuldig.//
 

Yohji runzelte die Stirn, ob dieser seltsamen Bemerkung. Der Kerl verriet ihm seinen Namen? Also, normal war das nicht, soviel stand fest, aber was war an dem Psychopathen... pardon, TELEPATHEN schon normal? Aber rein aus Trotz, um nicht sofort nachzugeben, wiederholte er in Gedanken noch ein paar Mal 'Mastermind' und sei es auch nur, um den Orangehaarigen etwas zu ärgern.
 

Schuldig grinste zur Antwort nur vielsagend. Irgendwie gefiel es ihm, dass das Kätzchen nicht sofort aufgab, obwohl der Weiß genau wusste, dass er keine Chance gegen ihn hatte. Das würde ein wirklich interessanter Abend werden.
 

In diesem Moment legte sich ein schlanker, heller Arm um Yohjis Taille und ein wohlgeformter, kurviger Körper schmiegte sich gegen die Seite des Playboys.

"Yohhhhhhjjjiiii....", hauchte eine unangenehm klingende Stimme und die Frau klimperte auffordernd mit den Wimpern auf eine Art, die sie wohl für sehr verführerisch hielt.
 

Der Blonde blickte einen Moment lang irritiert an sich herab, schluckte leicht, als er erkannte, wen er da vor sich hatte.

"Ehe... hallo... Mariko... lange nicht gesehen...", stotterte er etwas verlegen. Er wusste schon, warum er sich nie auf die Sms und Anrufe der kleinen, blonden Schnepfe gemeldet hatte, spätestens, als ihm ihr schweres, Kopfschmerzen verursachendes Parfum in die Nase stieg, sodass er sie am liebsten von sich weg geschoben hätte.
 

Mariko zog einen Schmollmund, der anscheinend irgendwie niedlich oder anziehend wirken sollte, Yohji dagegen fand ihn einfach nur gekünstelt und übertrieben, zumal die Lippen noch mit grellroter Farbe geschminkt waren.

Überhaupt sah die Frau aus, wie eben in den Farbtopf gefallen und, wenn man sich ihre Kleidung betrachtete, würde man sie eher dem horizontalen als irgendeinem vertikalen Gewerbe zuordnen.
 

Für einen Moment war der Playboy so abgelenkt, dass er noch nicht mal mehr an Schuldig dachte, der ja auch noch in der Nähe war. Vielmehr beschäftigte er sich mit dem Gedanken, wie er sein lästiges Anhängsel wieder loswurde, das sich gerade an ihn klammerte als würde ihr Leben davon abhängen. Dass sich dabei ihre langen Fingernägel unangenehm schmerzhaft in seine Haut bohrten, war nur ein weiterer, unerwünschter Nebeneffekt dieser Aktion.
 

"Du warst in letzter Zeit gar nicht mehr hier... warum hast du dich nicht gemeldet, ich hab dich so sehr vermisst! Und ich dachte, nach allem, was wir zusammen hatten...." Sie ließ den Rest des Satzes offen, ob absichtlich, oder weil sie einfach zu dumm war um weiterzumachen, konnte Yohji nicht sagen, es interessierte ihn eigentlich auch kein bisschen, nur sah sie ihn so erwartungsvoll an, dass er sich gezwungen sah, zu antworten.
 

"Hör mal... Mariko... es war ja ganz nett mit dir, aber... ich fürchte, wir passen einfach nicht zusammen...", versuchte er es dann auf eine einigermaßen diplomatische Art und Weise. Er ließ jetzt einfach mal weg, dass sie ihn schon nach einer halben Stunde zu Tode gelangweilt hatte, im Bett eine Niete und ihre Brüste nicht nur operiert waren, sondern auch noch so aussahen, das würde dann doch zu weit führen, nicht wahr? Er war nicht unhöflich zu Frauen... naja, zumindest meistens nicht.
 

Seine Meinung begann sich stark zu wandeln, als Mariko nun anfing, ihm in Erinnerung zu rufen, was sie denn alles 'zusammen gehabt hatten' und wie ein Wasserfall auf ihn einredete. Er verstand sowieso fast nichts wegen der Lautstärke der Musik und das, was er verstand, gefiel ihm nicht.

Als er gerade so richtig schön am Verzweifeln war, wurde plötzlich der krallende Frauenarm von ihm heruntergepflückt und ein anderer, wesentlich kräftigerer legte sich stattdessen um ihn.

Erschrocken schaute er auf und blickte geradewegs in brennende, leuchtend grüne Augen.

Oh oh, da war aber jemand sauer! Das konnte sogar Yohji sehen, obwohl er den Schwarz nicht besonders gut kannte, sah man einmal von ihren Missionsbegegnungen ab. Am liebsten hätte er sich sofort wieder losgemacht, denn der Arm des Deutschen verursachte ein flatterndes Gefühl in seiner Magengrube, dass er nicht so genau zuordnen konnte und es eigentlich auch gar nicht wollte. Schon gar nicht jetzt.
 

Doch ein warnender Blick hielt ihn zurück.

//Dafür schuldest du mir was, Kätzchen....// Die Stimme im Kopf des Blonden war weich, erstaunlich sanft, ohne sarkastischen Unterton, aber der Weiß wusste sofort, dass sein Feind es absolut ernst meinte.

Für einen kurzen Moment schwankte der Playboy, doch dann spürte er, wie sich spitze Nägel in seinen Unterarm bohrten und eine schrille Stimme in sein linkes Trommelfell biss. Und er fühlte sich ganz automatisch nicken, egal, was der Schwarz verlangte - und das würde garantiert etwas unangenehmes werden - er würde es erfüllen, wenn ihn nur dieses schreckliche Weib endlich in Ruhe ließ.
 

"Na Schatz, willst du mir deine BEKANNTE nicht vorstellen?", hörte er in diesem Moment Schuldig mit honigsüßer Stimme säuseln. Den Deutschen verstand er seltsamerweise problemlos und an Marikos Gesicht erkannte er, dass es ihr ebenso ging.

Für einen Moment entglitten der Blonden die Gesichtszüge und offenbarten absolute Fassungslosigkeit. Doch dann hatte sie sich wieder im Griff und antwortete, bevor Yohji es tun konnte.
 

"ICH bin seine Freundin und wer bist du?"

Die Augenbrauen des Playboys gingen steil nach oben, ob dieser Dreistigkeit. Verdammt, er hatte EINMAL mit dieser Frau geschlafen, noch nicht mal eine ganze Nacht mit ihr verbracht, was bildete sich die eigentlich ein?! Aus purem Trotz, weniger, weil es ihm wirklich gefiel, schmiegte er sich an Schuldigs warmen Körper, legte ihm eine Hand auf die Brust, sodass er die festen Muskeln unter dem dünnen Stoff spüren konnte. Seltsames Gefühl.
 

Schuldig grinste Mariko ein bisschen an, was sich noch wesentlich vertiefte, als er Yohjis Reaktion fühlte. Das Kätzchen war also doch nicht so hetero, wenn es darum ging, seine Haut zu retten. Nun ja, der Orangehaarige konnte nicht leugnen, dass es ihm gefiel, wie sich der große, schlanke Körper an ihn schmiegte, daran konnte er sich eventuell sogar gewöhnen.... aber erst mal mussten sie die Tussi loswerden.
 

Mit seinem besten, abfälligen Blick musterte er sie von oben bis unten.

"Ach ja? Ich glaube, das sieht er anders... zumindest waren WIR noch bis vor ein paar Minuten zusammen, ist doch so, oder Kätzchen?" Fragend sah er den Playboy an, der nur nickte und sich sofort noch näher drückte.

Jetzt war Schuldig doch ein klein wenig irritiert. Er sah im Kopf des Blonden nach und unterdrückte nur mit Mühe ein sehr viel tieferes Grinsen, als er erkannte, dass diese Nähe nicht von ungefähr kam, sondern dass das Weib ihre Krallen immer mehr in den Arm des Anderen schlug. Da musste er schleunigst was dagegen machen, bevor noch womöglich was auf der Haut zurückblieb.
 

In den Kopf der Frau einzudringen war ihm nicht möglich, das hatte er gleich als erstes versucht. Die hatte einfach nicht genug Gehirn, das er manipulieren konnte, ihr ganzes Denken bestand nur aus Oberflächlichkeiten. Er hatte gar nicht gewusst, dass man so überhaupt leben konnte! Dann also eben auf die konventionelle Methode.
 

Er beugte sich näher zu Yohji knabberte verspielt an dessen Ohr und stellte zufrieden fest, dass der Blonde erstarrte. Auch wenn er sich sofort etwas versteifte, so rückte er doch zumindest nicht von Schuldig ab, was dieser als Zeichen nahm, weiterzumachen. Langsam wanderte sein Mund über die weiche Wange, während seine Nase den Geruch des Anderen in sich aufnahm, der sich sofort in sein Hirn zu brennen schien. Dieses Aroma von Tabak, einem dezenten Herrenparfum und... einfach Yohji würde er nicht so schnell wieder vergessen.
 

Überaus zufrieden mit sich selbst bemerkte er, wie Mariko den Arm des Playboys losließ, als hätte sie in glühende Kohlen gefasst, nachdem ihr Gehirn verarbeitet hatte, dass sich Yohji gerade von einem Mann liebkosen ließ. Freiwillig. Und er schien es auch noch zu genießen, worauf die halbgeschlossenen Augen hindeuteten.
 

"Schwuchtel!", zischte sie wütend, drehte sich auf dem Absatz herum und floh aus der Disco.
 

Yohji war leicht zusammengezuckt und versuchte sofort, als sie außer Sichtweite war, von Schuldig abzurücken. Doch der Deutsche dachte gar nicht daran, seine Beute so leicht aus seinen Fängen zu lassen.
 

Wütend wehrte sich der Weiß gegen den festen Griff, die Nähe des Anderem war ihm unangenehm, nein, mehr als das, sie machte ihn unglaublich nervös und das hasste er mehr als alles andere. Er hatte die Situation nicht unter Kontrolle und das fuchste ihn wahnsinnig.
 

Und tiefer als der Unwille darüber, von Mastermind angefasst zu werden, hatte sich das einfache, noch nicht mal besonders schlimme Schimpfwort in seinen Kopf gegraben. Schwuchtel.

Ihr Götter, wie lange hatte ihn niemand mehr so genannt? Er wusste es nicht mehr, er hatte es in den letzten zehn Jahren trotz seines gepflegten, heutzutage würde man wohl sagen metrosexuellen Auftretens immer geschafft, sich mit genügend Frauen zu umgeben, sodass ihm derartiges gar nicht erst unterstellt wurde, was nicht immer ganz einfach gewesen war.

Irgendwann hatte er begriffen, dass es einfach nur Neid war, der aus den Kommentaren der meisten Männer sprach, die sich dennoch über ihn ausließen.
 

Warum traf es ihn also gerade jetzt so sehr? Er konnte sich die Frage nicht beantworten und hatte jetzt eigentlich auch gar keine Zeit dazu, er zappelte nämlich immer noch in Schuldigs Griff und versuchte von dem Orangehaarigen loszukommen.
 

Wieder fühlte er den warmen Atem an seinem Ohr, wieder jagte ihm ein heißkalter Schauer das ganze Rückgrat hinunter. Das war doch eindeutig nicht normal, so fühlte er sich doch sonst nicht in der Gegenwart anderer Männer. Na schön, zugegeben auch nur sehr selten in Gegenwart von Frauen, aber immerhin!

Was war also an Schuldig, dass er sowas bei ihm auslöste? Derart unerwünschte und unerfreuliche Reaktionen seines verräterischen Körpers?
 

"Oh nein, Kätzchen, nicht unerwünscht, ich wünsche mir das sehr wohl... und nun zum anderen Teil unseres Handels, du bist mir was schuldig....", schnurrte die Stimme wieder und Yohji meinte fast, die kleinen Vibrationen an seiner Haut fühlen zu können, auch wenn das natürlich Unsinn war, die Bässe hämmerten immer noch viel zu laut, auch wenn sie auf einmal nur von weit her zu kommen schienen.
 

Wenigstens wurde er auf einen Schlag wieder nüchtern, als ihm die Worte erstmal ins Hirn gesickert waren. Hatte ganz schön lange gedauert, wie er nebenbei feststellte.

Seine Augen weiteten sich ein wenig, wie sehr hatte er doch gehofft, dass Mastermind das einfach vergessen würde, aber nein, den Gefallen konnte ihm der Andere ja nicht tun.
 

Der Playboy wollte gar nicht wissen, was der Orangehaarige denn beabsichtigte, wahrscheinlich sowas wie sich nackt auf die Tanzfläche stellen und Rhumba tanzen oder etwas ähnlich Demütigendes.
 

Ein leises Lachen, diesmal nicht spöttisch, sondern ehrlich amüsiert.

"Du bringst mich in der Tat auf Ideen, Kätzchen, aber nein, so gemein bin ich dann doch wieder nicht..." Schuldig musste ja nicht dazu sagen, dass er den Gedanken für mehr als einen Moment in Erwägung gezogen hatte, aber Yohji würde dann womöglich doch noch eine Möglichkeit finden, ihn umzubringen, wenn er derart wütend war und das wollte der Deutsche doch nur sehr ungern provozieren. Er hing immer noch an seinem Leben.

Also schüttelte er nur lächelnd den Kopf. Oh nein, er wusste eigentlich schon ganz genau, was er sich wünschte. Und genau das sprach er jetzt auch aus.
 

Yohji riss entsetzt die Augen auf. Das konnte doch nicht sein Ernst sein, nie im Leben! Niemals würde er DAS tun, das... das... das ging doch einfach nicht! Verdammt, er hatte einen Ruf zu verlieren. Auf der anderen Seite wollte er auch unbedingt beweisen, dass er der ehrenhafte von ihnen beiden war und eine Abmachung nicht einzuhalten ging da ja nunmal leider gar nicht!

In Gedanken fluchte der Blonde schon wieder lauthals, was Schuldig einen kleinen Stich versetzte, den er aber rasch beiseite schob. Er war jetzt der Sadist, er konnte nicht verletzt werden und damit Punkt.

Allerdings bestärkte es den Telepathen nur noch darin, genau das einzufordern und nichts anderes, auch wenn sich der Weiß gerade darüber Gedanken machte, ob es nicht vielleicht doch vorteilhafter wäre, auf die Tanzfläche zu verschwinden. Nein, lieber doch nicht, diese Blamage würde er noch viel weniger loswerden, als das, was sein Feind von ihm verlangte.

Also gewissermaßen Augen zu und durch.
 

"Naja, du kannst die Augen auch offen lassen, das ist natürlich kein Problem... außerdem solltest du zielen...", erinnerte ein trockener Kommentar den Blonden daran, dass er seine Gedanken keineswegs nur für sich alleine hatte. Und er hasste den Gedanken, hasste ihn wirklich.
 

Schuldig schien das keineswegs irgendetwas auszumachen, im Gegenteil, er war eigentlich sehr zufrieden mit sich, er hatte eigentlich nicht erwartet, so schnell so gut zum Zug zu kommen. Umso überraschter war er nun, als Yohji sich vorbeugte und seine Lippen fest auf die des Deutschen drückte, kurz zwar nur, aber deutlich spürbar.
 

Naja, ein guter Anfang, aber nicht das, was er gewollt hatte! Immerhin musste er nicht noch endlose Diskussionen führen, manchmal hatte dieses Ehr- und Ehrlichkeitsgetue der ,Guten' eben doch seine Vorteile, wie er soeben feststellte. Zumindest für ihn, Yohji würde das wohl ganz anders sehen, aber primär war er jetzt erst mal an der Erfüllung der ,Schulden' interessiert.
 

//Na na, Kätzchen, das wird doch wohl für dich kein Kuss gewesen sein, oder? Wo bleibt denn bitte dein Ehrgeiz? Biggest lover in town... kann es sein, dass du dich deshalb weniger mit Frauen abgibst? Weil du dich schämst, dass du nicht vernünftig küssen kannst?//, stichelte und reizte der Orangehaarige den Weiß weiter, um ihn aus der Reserve zu locken.
 

Und wirklich, Yohjis Augen verdunkelten sich sofort zornig. Sowas ging nicht gegen sein Ehrgefühl als Weiß, so was ging gegen seinen Stolz als Playboy! Er hatte schon Frauen geküsst, da war Mastermind noch nicht mal stubenrein gewesen! Was bildete sich der Kerl eigentlich ein?!
 

Die Wut schaltete den Verstand des Blonden vorübergehend völlig aus, aufgebracht packte er in die langen Haare des Anderen und zog dessen Kopf harsch zu sich. Trotz seines Zorns konnte er nicht umhin zu bemerken, wie weich und seidig sich die langen Strähnen unter seinen Fingerspitzen anfühlten und dort ein leichtes Kribbeln auslöste.
 

Noch fester grub er seine Hände hinein, presste seine Lippen wieder auf Schuldigs, doch diesmal richtig und ohne die Scheu des ersten, zögerlichen Kusses. Er würde jetzt und hier beweisen, dass er der umwerfendste Küsser war, den dieses deutsche Aas jemals erlebt hatte. Ha, der würde sich gleich umsehen! Und danach würde Yohji ihn zitternd und wimmernd einfach stehen lassen, jawohl!
 

Doch vorerst konzentrierte er sich auf den erstaunlich weichen Mund seines Feindes. Er hätte nie gedacht, dass ein Mann derart zarte Lippen haben könnte und automatisch wurde der fast grobe Kuss, den er Schuldig hatte aufzwingen wollen sanfter, fast schon zärtlich.

Vorsichtig knabberte Yohji an der Unterlippe des Orangehaarigen, sog sie leicht in seinen Mund und ließ seine Zungenspitze lockend darübergleiten. Tastend arbeitete er sich weiter vor, von Schüchternheit keine Spur mehr, warum auch, das hier war sein Terrain, auf dem er sich auskannte, das hier war sein Gebiet. Und dass er einen Mann küsste, na schön, das war etwas Neues für ihn, aber irgendwie machte ihm das im Moment am wenigsten aus. Warum, wusste er nicht zu sagen, später... später konnte er darüber nachdenken... nicht jetzt....

Doch es ärgerte ihn maßlos, dass dieser impertinente Telepath einfach nur so dastand, ihn die ganze Arbeit machen ließ und gar nicht daran dachte, den Kuss zu erwidern! Dann musste er sich eben noch ein bisschen ins Zeug legen.

Schmeichelnd und fragend fuhr seine Zunge über die absolut ebenmäßigen, glatten Zähne des Deutschen, bettelte um Einlass.
 

Und, als hätte er Yohjis Gedanken gelesen - was er wahrscheinlich wirklich hatte - erwachte der Deutsche plötzlich aus seiner Starre. Sein Mund öffnete sich auffordernd, ließ den neugierigen Eindringling passieren, seine Arme schlangen sich ganz um den schlanken Körper des Anderen, pressten ihn fest an sich, streichelten den geraden Rücken hinunter und blieben dann im Kreuz des Playboys liegen.
 

Yohji jagten wieder Schauer die Wirbelsäule hinunter und postwendend wieder hinauf, als Schuldig den schmalen Streifen nackter Haut berührte, den sein kurzes Oberteil über der Hüfte nicht mehr bedeckte.

Er nutzte die Freiheit, die ihm der Andere plötzlich gab, tauchte langsam in die Mundhöhle seines Feindes ein, suchte nach deren Bewohner. Lange musste er sich allerdings nicht alleine herumtreiben, schon spürte er, wie ihm Schuldigs Zunge nicht minder neugierig entgegenkam.

Der Playboy seufzte leise, seine Muskeln, die bis eben noch verspannt gewesen waren, lockerten sich ganz automatisch und er sank immer mehr gegen die breite Brust des anderen Mannes. Seine Arme legten sich um Schuldigs Nacken, seine Hände gruben sich noch immer in die langen Haare seines Gegenübers und wühlten darin herum, als würde der Kuss nicht ausreichen, um seine ungebändigte Energie auszuleben.
 

Schuldig befand, dass er den Blonden nun genug hatte zappeln lassen und begann, den Kuss jetzt endlich aktiv zu erwidern. Es hatte ihn schon die ganze Zeit in den Fingern gejuckt, doch erst jetzt gab er seinem Gefühl nach, drängte Yohjis Zunge zurück, folgte ihr aber auf dem Fuß, um sie in ein heftiges Duell zu verstricken, auf das der Weiß nur zu gerne einstieg.
 

Es wunderte den Langhaarigen schon, dass der Andere so bereitwillig das Spielchen mitspielte, aber er verbot sich, jetzt darüber nachzudenken, dafür war später noch Zeit, jetzt hatte er ganz andere Sorgen. Zum Beispiel, den warmen Körper noch mehr an sich zu drücken, seine Hände auf diesen perfekten Hintern zu legen und diesen leicht zu kneten... oh ja, das waren viel schönere Beschäftigungsmethoden, als denken!
 

Der Playboy seufzte lautlos in den Kuss hinein, als er die großen Hände fühlte, die seinen Körper liebkosten, ganz genau zu wissen schienen, was ihm am Besten gefiel, was er in diesem Moment brauchte.

Er hob eines seiner langen Beine, legte es um Schuldigs Taille, ohne zu wissen, was er da eigentlich tat, es fühlte sich einfach richtig an, sich an den Körper des Anderen zu pressen, als wolle er mit ihm verschmelzen und....
 

MOMENT MAL! Was machte er hier eigentlich??!! Er war gerade dabei, Schuldig (=Mann und noch dazu Schwarz und damit Feind) zu bespringen, aber buchstäblich! So frustriert konnte er doch eigentlich gar nicht sein oder? Er war doch..... ja genau er.....

Sein Denken wurde erheblich von der großen Hand, die unter dem Oberteil seinen nackten Rücken streichelte, von der geschickten Zunge, die seine neckend umspielte und nicht zuletzt vom Becken Schuldigs, das sich aufreizend an seinem rieb, abgelenkt. Was hatte er nochmal machen wollen? Ach ja, sich losreißen, den Anderen beschimpfen, um... ja wozu eigentlich?
 

Er vergaß es in dem Moment, als sich die andere Hand des Deutschen unter seinen Hosenbund schmuggelte und aus Ermangelung an Unterwäsche, sofort auf heiße Haut traf, sich wieder um seine rechte Pobacke legte und diese sanft massierte.

Ihr Götter, das war GUT! Er hatte zwar keine Ahnung, wie Schuldig es geschafft hatte, seine Hand in diese Hose zu bekommen, die saß wirklich verdammt eng, doch er genoss das Gefühl ungemein, auch, weil dadurch natürlich vorne der Stoff gespannt wurde und fest über seinen Schoß rieb, seine beginnende Erregung noch zusätzlich zu der reibenden Hüfte stimulierte.
 

Sein Gehirn hatte sich inzwischen sogar so weit abgeschaltet, dass ihm der Gedanke, von einem Mann, nein, von SCHULDIG erregt zu werden, nichts mehr ausmachte. Sollte der Kerl doch anstellen, was er wollte, solange er nur weitermachte! Nichts, außer ihnen beiden existierte mehr für Yohji, keine Disco, keine gaffenden Leute, kein Schwarz, kein Weiß, kein Persha oder Takatori, einfach gar nichts mehr. Er schwebte auf einer Wolke aus Erregung und Behagen und zum ersten Mal seit Jahren fühlte er sich wieder wirklich begehrt und... beschützt? Vielleicht.

Hätte ihn der Deutsche nicht gehalten, seine weichen Knie hätten sicherlich unter ihm nachgegeben, aber so klammerte er sich an den kräftigen Körper, versuchte, sich noch dichter an ihn zu schmiegen.
 

Schuldig lächelte zufrieden. Ja, genau so wollte er sein Kätzchen haben, willenlos, nur durch seine Handlungen. Und dabei hatte er noch nicht mal viel machen müssen, anscheinend war der Blonde lange nicht mehr vernünftig geküsst worden, wenn er bei einer solch einfachen Liebkosung schon wegschmolz. Ihm sollte es auf jeden Fall recht sein, beschweren würde er sich ganz sicher nicht, dafür fühlte sich der Körper des Anderen viel zu gut unter seinen Händen an.

Am liebsten hätte er den Playboy jetzt einfach gepackt und in eine dunkle Ecke gezerrt, doch er verbot es sich selbst. Er musste sich an seinen Plan halten, sonst würde das Spiel schneller vorbei sein, als ihm lieb war. Yohji würde zu ihm kommen, auf die ein oder andere Art, aber es war reizvoll, seine Gabe nicht einzusetzen, sondern die Maus dazu zu bringen, sich freiwillig in die Fänge der Katze zu begeben, stellte er für sich fest, indem er das von Yohji verwendete Bild noch einmal aufgriff.
 

Langsam löste er den Kuss wieder, zog seine Hand aus der Hose und unter dem Shirt des Weiß hervor, sah ihm einen Moment mit einem weichen Lächeln in die halb geöffneten, verschleierten Augen. Gott, warum hatte er sich diesen bescheuerten Plan zurecht gelegt und vorgenommen, sich auch daran zu halten? Er konnte sich kaum zurückhalten, einfach da weiterzumachen, wo er in diesem Moment innegehalten hatte, bis Yohji ihm völlig verfallen war.

Doch er hielt sich zurück, dieses eine Mal würde er Geduld haben und sei es nur, um sich selbst zu beweisen, dass er es konnte, wenn er denn wollte.
 

Also nahm er seine Hände völlig von Yohji und trat einen Schritt zurück, strich sich dann seine verwirrten Haare glatt und wickelte sich grinsend eine feuerorange Strähne um den rechten Zeigefinger.

//Nett, Kätzchen, wirklich nicht schlecht für den Anfang....// Damit drehte er sich um und verschwand in der Masse der Menschen, die die Disco bevölkerte, als hätte es ihn nie gegeben.
 

Yohji stand immer noch am selben Fleck, in derselben Haltung, starrte immer noch auf denselben Punkt, an dem Schuldig bis vor ein paar Sekunden gewesen war. Hatte er sich das gerade eingebildet? Hatte er in seiner Fantasie mit seinem Feind herumgeknutscht? Nein, das war nicht möglich! Die Kratzer auf seinem Arm und die Beule in seiner Hose bewiesen ihm das Gegenteil.
 

Fassungslos schüttelte er den Kopf. Wie hatte das nur passieren können? Was hatte er getan? Er hatte....

Schuldig hatte ihn zitternd und wimmernd einfach stehen gelassen!

Point of no Return

Autor: CatherineMiller

Titel: Bittersweet Feelings

Fandom: Weiß Kreuz

Kapitel: Point of no Return

Teil: 16/?

Pairings: RanxNagi; BradxKen; SchuldigxYohjixSchuldig; FarfxOmi

Warnungen: keine

Danksagung: Vielen Dank an mein Betas emilyheart (kei83), Corrychan und Cap, die

sichfleißig durch meine tausend Tippfehler mühen!

Disclaimer: Alles nix meins und ich mach auch kein Geld damit, auch wenn ichs gebrauchen könnte XD
 

Angebot: Bei mindestens zehn Kommentaren gibt's beim nächsten Update zwei Kapitel auf einmal!!
 

Kommentare: siehe Kapitel 15 ^^
 


 

"Bombay an Team, Meldung!"

"Siberian hier, Korridor zwei ist sauber."

"Balinese hier, Korridor vier ist sauber."

"Abyssinian hier, Korridor eins ist sauber."
 

"Roger, Team, Korridor drei auch sauber, grünes Licht für weiteres Vorrücken, Erreichen der Sicherheitstür in fünf, vier, drei, zwei, eins, gebe den Code ein, Bombay Ende."
 

Omi legte das kleine Gerät an, das er zum Knacken von Türcodes entwickelt hatte und wartete, bis die richtige Kombination ausgerechnet worden war, gab den richtigen Code ein, der den Weg in den Raum freigab.

Zeitgleich bekamen auch die anderen drei Killer grünes Licht, als die Sicherheitssperren in ihren Abschnitten aufgehoben wurden.

Leise sirrten die Drähte aus Yohjis Uhr, ein kaum wahrnehmbares Klicken zeigte an, dass Kens Bugnuks ausgefahren worden waren, ein schleifendes Geräusch begleitete das Katana, das aus der Scheide gezogen wurde.
 

Noch einmal tief durchatmen, der Tür einen Fußtritt versetzen und rein. Solche Szenarien hatten sie schon hundert Mal durchlebt, doch immer wieder war es ein Nervenkitzel, nicht zu wissen, was auf der anderen Seite der Tür auf sie wartete.
 

Ihre Augen brauchten nur den Bruchteil einer Sekunde, sich an das Dunkel zu gewöhnen und dann sahen sie es: nichts. Gar nichts, sie blickten geradewegs in die erstaunten Gesichter ihrer Kollegen, anstatt in die erschrocken aufgerissenen Augen ihres Ziels.

Ken fluchte leise und öffnete die Fäuste, so dass seine Krallen wieder einfuhren. "So eine Scheiße, wo ist der hin? Das gibt's doch gar nicht, wir haben doch alle Fluchtwege abgeschnitten!" Zornig trat er gegen eine der Stahlwände. Sie hatten doch alles so sorgfältig geplant, hatten den Mistkerl wie eine Ratte in die Falle getrieben, nachdem sie seine Handlanger aus dem Weg geschafft hatten, wie hatte der Kerl nur entkommen können? Das war doch unmöglich!
 

Yohji und Omi ging es ganz ähnlich, nur dass der Playboy sowieso schon seit gestern so auffällig still war, kaum ein Wort sprach und irgendwie blass aussah und es einfach nicht die Art ihres Chibis war, einen Wutausbruch zu bekommen.

Der Blick des Braunhaarigen wanderte zu ihrem Anführer. Der stand noch immer in der gleichen, angespannten Haltung da, die Augen halb geschlossen, schien irgendwie... zu lauschen? Ken wollte eine entsprechende Frage stellen, wurde aber von einer erhobenen Hand daran gehindert und schwieg deshalb ungeduldig. Seine Finger zuckten unruhig.
 

Aya legte den Kopf etwas schief, ging dann auf eine der glatten Wände des Sicherheitsraumes zu, wich dabei den beiden Stühlen und dem kleinen Schreibtisch, dem einzigen Mobiliar, aus. Auch er hatte erwartet, das Opfer hier zu finden, immerhin war es das sicherste Zimmer im ganzen Gebäude und hatte den Ruf eines kleinen Fort Knox gehabt. Jetzt lagen draußen die Leichen der Wachmänner und sie waren hier drin, nur der, auf den sie es abgesehen hatten, der blieb unsichtbar.

Doch da war etwas... Geräusche, die er nicht richtig zuordnen konnte... Wimmern? Seine Augenbrauen zogen sich etwas zusammen, als er das Katana wegsteckte, um beide Hände frei zu haben. Vorsichtig legte er seine behandschuhten Fingerspitzen gegen das kalte Metall der Wand, beugte sich noch etwas näher. Ja, ganz eindeutig, dahinter rumorte etwas.
 

Er gab seinem Team ein Zeichen, näher zu kommen, ließ die Hand in der Luft kreisen und wusste, ohne sich umsehen zu müssen, dass die drei sich sofort lautlos strategisch im Raum und seiner Nähe verteilten, wobei ihm Ken mit seiner Nahkampfwaffe am nächsten stand und ihnen Omi mit den Darts den Rücken deckte. Yohji bewegte sich irgendwo dazwischen, den ausgefahrenen Draht einsatzbereit.
 

Mit zusammengekniffenen Augen musterte der Rotschopf die Wand. Auf den ersten Blick war hier nichts Besonderes zu entdecken, doch wenn man genau hinsah, bemerkte man die winzigen Einkerbungen entlang einer Schweißnaht. Sanft fuhr er daran entlang, übte immer mehr Druck aus, bis ihm schließlich ein mechanisches Knirschen anzeigte, dass er die richtige Stelle gefunden hatte.

Er lehnte sich mit seinem ganzen Gewicht gegen den Stahl und drückte mit aller Kraft, doch erst als Ken ihm zu Hilfe kam, ließ sich die Geheimtür so weit bewegen, dass sie hindurchschlüpfen konnte. Er deutete den Anderen, ihm zu folgen und trat in den dunklen Gang hinein, nachdem er wieder sein Schwert gezogen hatte.
 

Fast sofort hüllte ihn die Finsternis ein und er musste sich voll auf sein Gehör und seinen Tastsinn, sowie seinen Instinkt für Gefahr verlassen, eine Tatsache, die ihm nicht besonders gefiel, aber er konnte auch nicht das Risiko eingehen und mit seiner Taschenlampe Licht machen, nicht bevor er wusste, was vor ihm lag.
 

Er hörte keinen Laut, aber er wusste, dass sein Team sich dichter hinter ihm befand, er konnte Kens Körperwärme selbst durch das Leder seines Mantels spüren, er roch den schwachen Hauch von Yohjis Rasierwasser, gemischt mit dem Tabakaroma, das den Playboy immer umgab und er fühlte die beruhigende Präsenz, die immer von Omis Person ausging. Und auch wenn er es nicht gerne zugab, aber es war ein gutes Gefühl, seine... Freunde hinter sich zu wissen, die ihm den Rücken deckten.
 

Doch seine volle Aufmerksamkeit galt nun dem, was vor ihnen lag, ein winziger Fehler konnte sie alle das Leben kosten, er durfte sich gerade jetzt keine Schwäche erlauben, er war Abyssinian, seine Kollegen verließen sich auf ihn. Sorgsam jeden Schritt vorher austestend, falls sich ein Hindernis oder gar ein Loch vor ihm befand, bewegte er sich geräuschlos durch die Dunkelheit, tastete sich dabei an der Stahlwand entlang. Schon bald spürte er, wie die Luft deutlich kühler wurde, es ging leicht abwärts und plötzlich war das Material unter seiner Hand nicht mehr das widerstandsfähige Metall sondern Stein. Ja, es sah Ratten ähnlich, sich bei Gefahr in den Keller zu verziehen.
 

Laute vor ihm ließen dem Rotschopf einen eiskalten Schauer über den Rücken laufen und er beschleunigte automatisch seine Schritte. In Gedanken betete er zu allen ihm bekannten Göttern, dass es nicht das sein mochte, was er vermutete, befürchtete. Nicht um seiner selbst Willen, er hatte schon vor langer Zeit systematisch alle Gefühle in sich abgetötet, von Hass und Zorn vielleicht einmal abgesehen, seiner Meinung nach existierte in ihm nichts mehr, was ihn auf Missionen behindern konnte. Sein Privatleben stand auf einem ganz anderen Blatt geschrieben.

Nein, er dachte vor allem an Omi und Ken, für sie schickte er gleich noch ein paar Stoßgebete mehr hinterher, als würde es ihnen irgendetwas bringen. Es gab keine Götter, nichts, was seine schützende Hand über sie hielt, das hatte er schon vor über zwei Jahren begriffen. Aber schaden konnte es ja auch nicht.
 

Die leisen Schreie nahmen an Lautstärke zu und für einen Moment meinte er, das Blut in seinen Adern gefrieren zu fühlen. Fest biss er sich auf die Unterlippe, um alles niederzukämpfen, was automatisch in ihm aufstieg, er musste jetzt beherrscht und kühl handeln oder sie alle würden den Morgen nicht mehr erleben.

Er spürte deutlich, wie die Anderen hinter ihm unruhig wurden. Natürlich, ihr Gehör mochte vielleicht nicht ganz so gut sein wie seines, aber immer noch mehr als geschärft und auch sie hatten in ihrem Job mehr als genug gesehen, um einordnen zu können, was da vor sich ging.
 

Seine Muskeln reagierten sofort, als er ihnen den Befehl dazu gab und mit einer leise gezischten Aufforderung lief er los, zu schnell für diese Lichtverhältnisse, aber er konnte nicht mehr warten, sie mussten retten, was noch zu retten war, sie mussten dort so schnell wie möglich hin. Und deshalb rannte er, auch auf die Gefahr hin, über etwas zu stolpern, verließ sich voll und ganz auf seine antrainierten Instinkte, die ihn zuverlässig warnen würden. Auch wenn seine Selbstbeherrschung manchmal sehr zu wünschen ließ, so gehorchte ihm sein Körper doch immer mehr als zuverlässig, war und blieb eine der wenigen bestimmbaren Konstanten in seinem Beruf.
 

Und auch diesmal wurde er rechtzeitig gebremst, er tastete sich vor und stieß auf Holz. Eine Tür. Diesmal zögerte er nicht, er nahm kurz mit den Händen maß, schätzte die Stabilität ab, drehte sich einmal mit Schwung um die eigene Achse und versetzte den Brettern einen so gewaltigen Tritt, dass sie splitternd in alle Richtungen auseinanderflogen.

Mit grimmig verzogenem Gesicht und gezogenem Katana stürmte er in die Helligkeit und erstarrte.
 

Schuldig trommelte nervös mit den Fingerspitzen auf dem Lenkrad herum. Erst, als er beinahe die Hupe getroffen hätte, ließ er die Hände auf seine Oberschenkel sinken. Leicht fröstelnd zog er den dunkelgrünen Doppelreiher fester um sich. Um diese Jahreszeit wurden die Nächte schon verflucht kalt und er war dankbar für den warmen Mantel, zumal die Standheizung leider nicht besonders viel hergab. Er hätte sie schon vor Wochen reparieren lassen müssen, doch er war bis jetzt zu faul gewesen, in die Werkstatt zu fahren, ein Umstand, den er jetzt mehr als bereute.
 

Neben ihm hämmerte Nagi auf die Tastatur seines Laptops ein, als gäbe es kein Morgen. In dem ausdruckslosen Gesicht des Jungen war nicht die kleinste Regung zu erkennen, nichts ließ Rückschlüsse darauf zu, wie die Arbeit voranging.

Seufzend rückte der Deutsche sich ein wenig auf dem Fahrersitz zurecht, zog seine Pistole, überprüfte die Ladung, steckte sie gesichert wieder in sein Schulterholster zurück, eine Geste, die absolut automatisch und nicht wirklich bewusst wirkte.
 

"Prodigy an Oracle. Sie sind drin", hörte er da auf einmal die Stimme seines jüngeren Teamkollegen neben sich, der Informationen an ihren Anführer weitergab, der sich mit Farfarello auf der anderen Seite des Gebäudekomplexes befand.

Anscheinend erhielt der Junge eine positive Antwort, denn er klappte den Deckel seines Geräts zu und stellte es beiseite.

"Wir gehen rein."
 

Erfreut riss Schuldig die Autotür auf und sprang ins Freie, hätte sich dabei beinahe in seinen eigenen Beinen verheddert und konnte sich erst im letzten Moment am Rahmen des Fahrzeugs festklammern, um nicht unangenehmen Kontakt mit dem Boden zu schließen. Die kleine Aktion trug ihm einen spöttischen Blick von Nagi ein, der wesentlich ruhiger ausgestiegen war und bereits den roten Sportwagen umkreist hatte.

Freches Gör, von wem hatte er sich das wieder abgeschaut?
 

Grummelnd machte er die Tür zu und schloss ab. Noch einmal überprüfte er die beiden Revolver und die Reservemagazine, ein Routinecheck, mehr nicht, er wusste auch so, dass alles wie immer an seinem Platz war.

NAG, mit Headset ausgestattet, war bereits ein paar Schritte voraus und der Deutsche beeilte sich ihm zu folgen. Er hatte nicht vergessen, in welcher Gefahr vor allem ihr Jüngster schwebte, zumal sie sich jetzt gerade einem ausdrücklichen Befehl von Takatori widersetzten. Sie sollten die Ziele der gegnerischen Gruppe beschützen, stattdessen machten sie sich gerade auf den Weg, die Kätzchen vor ihrem Untergang zu bewahren.
 

Er war ja wirklich gespannt, wie Crawford DAS ihrem Boss erklären wollte, aber erstmal musste er dafür sorgen, dass sein neues Spielzeug heil aus dieser Sache wieder herauskam. Die Anderen natürlich auch, aber wozu waren denn seine Kollegen da? Er würde sehen, dass Yohji nicht viel abbekam, sonst war er ja zu nichts mehr zu gebrauchen!
 

Lautlos huschten die zwei Gestalten über den ausgestorbenen Innenhof. Eigentlich wäre es nicht mehr nötig gewesen. Hier im äußeren Ring der kleinen Festung war nichts mehr am Leben, was über die Größe einer mittleren Küchenschabe hinausging, das bemerkte nicht nur der Orangehaarige mit seinen telepathischen Fähigkeiten, das zeigten ihnen auch die Leichen, auf die sie immer wieder stießen.
 

Sie bogen nach ein paar hundert Metern vom Pfad der anderen Gruppe ab, nahmen wie verabredet den Weg über eines der oberen Stockwerke. Brad hatte vorausgesehen, dass sie von hier aus einen besseren Zugriff auf den Keller haben würden, zu dem die Kätzchen gerade unterwegs waren.

Sie sprachen kein Wort, auch nicht, als nach einer Weile Crawford und Farfarello zu ihnen stießen. Ein kurzes Nicken war alles, was zur Begrüßung benutzt wurde, mehr war nicht nötig, um sich zu verständigen.

Auch Brad trug noch das Headset, genauso wie Nagi, auch wenn es jetzt nicht mehr gebraucht wurde.
 

Gemeinsam strebten sie den von ihrem Hacker berechneten Punkt an, von dem aus sie zuschlagen würden. Wenig später hatten sie die beiden Luken erreicht, von denen aus es direkt in den Raum unter ihnen ging, allerdings durch einen engen Schacht, durch den sie gerade so durchpassen würden. Ein Umstand, der vor allem Brad sichtlich missfiel, aber das Orakel hatte alle Möglichkeiten durchgespielt und das hier war die einzige, wie alle acht überleben würden, auch wenn es ihm nicht passte.
 

Also verzog er keine Miene, öffnete eine der Luken. Schuldig neben ihm tat es ihm gleich. Farfarello stellte sich hinter seinen Anführer, Nagi hinter Schuldig, so hatten sie die besten Chancen, sollten sich doch noch wider Erwarten Probleme während des Abstiegs auftun.
 

Ohne zu zögern schwang sich der Amerikaner in den Schacht, nickte dem Deutschen noch einmal zu und ließ dann los. Keine zwei Sekunden später hörte er bereits Geräusche von unten, Laute, die er lange nicht mehr gehört hatte. Schreie von Kindern.

Rasch drängte er die Bilder, die in ihm aufstiegen zurück und baute eine stabile Mauer darum. Nicht jetzt, später.
 

In seinem Kopf beschwerte sich Schuldig gerade lauthals über den widerlichen Gestank in seinem Schacht und über den Dreck, eine willkommene Ablenkung, wie er sich eingestehen musste. Er herrschte den Telepathen an, den Mund und die Gedanken zu halten und sich zu konzentrieren, obwohl das eigentlich nicht nötig gewesen wäre. Der Andere war einfach nicht glücklich, wenn er nichts zu meckern hatte, das passierte schon ganz automatisch und tat seine Handlungseffektivität keinen Abbruch.
 

Das Licht unter ihm wurde heller und dann war er aus der Röhre heraus, landete geschmeidig auf dem gefliesten Untergrund, genau vor Siberians Füßen, wie er es vorausgesehen hatte. Er verfluchte die Bewegungslosigkeit des Jungen, deckte den Weiß, so gut es eben ging. Was stand der denn da wie angewachsen?!

Noch im Fall hatte er bereits den Revolver gezogen, legte jetzt an, zielte und schoß, alles in einer einzigen, fließenden Bewegung.
 

Ken drängte hinter seinem Anführer aus dem dunklen Gang, wäre beinahe in ihn hineingelaufen, so plötzlich blieb der Rothaarige stehen. Hinter sich hörte er Yohji scharf einatmen.

Er machte einen Schritt zur Seite, hinter Ayas Rücken hervor und seine Augen weiteten sich vor Entsetzen. Der große Raum war anscheinend zur ,Aufbewahrung' der Kinder verwendet worden, zumindest deuteten die kleinen Zellen, die in die Wände eingelassen worden waren darauf hin.

Jetzt war es eine Todeskammer.
 

Überall lagen Kinderleichen verstreut, kleine Körper, denen die Kehle aufgeschlitzt worden war, kleine Gesichtchen, in deren aufgerissenen Augen noch immer der Schrecken des Endes stand, die ihn flehend und anklagend zugleich anzusehen schienen.
 

Unwillkürlich hob er die Hand vor den Mund, um den Brechreiz zu unterdrücken. Er hatte ja schon viel gesehen, gedacht, dass er die Grausamkeit der Menschen kannte, doch in diesem Moment... Tränen schossen ihm in die Augen.
 

Aya vor ihm bewegte sich plötzlich und auf einmal fiel auch die Lähmung von ihm selbst ab und er bemerkte die fünf Gestalten, die sich im hinteren Teil des Raumes aufhielten.

Und er begriff, dass er nur noch am Leben war, weil diese genauso überrascht waren, die vier Killer zu sehen, wie umgekehrt.
 

Doch die Männer erholten sich nur allzu schnell von ihrem Erstaunen, zogen beinahe gleichzeitig Schusswaffen unter den dunklen Mänteln hervor.

Automatisch wollte er sich zur Seite fallen lassen, um dem sicheren Ende auszuweichen, doch er stolperte über etwas Weiches, Nachgiebiges.

Unwillkürlich begang er den schlimmsten Fehler, den ein Killer nur machen konnte: er ließ das Ziel und die Gefahr aus den Augen und sah nach unten.
 

Eiseskälte durchzog seinen gesamten Körper, ließ ihm mitten in der Bewegung zur Salzsäure erstarren. Das durfte nicht wahr sein, das konnte einfach nicht! Das war nicht wahr, er bildete es sich bloß ein!!!
 

"NEIN!!!" Sein Schrei verhallte im Raum, ohne dass ihm irgendjemand Beachtung geschenkt hätte. Die Anderen waren sicher schon längst in Bewegung, um ein schlechteres Ziel abzugeben. Aus dem Augenwinkel heraus erkannte er das Rot von Ayas Haaren, das an ihm vorbeihuschte, wohl versuchte, die Gegner noch zu erreichen, die inzwischen ausgeschwärmt waren und sie einkesselten.
 

In diesem Moment erkannte er, dass sie verloren waren. Gegen Schusswaffen auf solch engem Raum hatten sie keine Chance, nicht die geringste.

Langsam hob sich sein Kopf wieder. Sein Gesicht war wie blankgefegt, kein Ausdruck war darauf zu erkennen, in seinem Inneren herrschte nur eisige Leere. Nicht einmal für Wut war noch Platz. Er fühlte einfach gar nichts mehr, als wäre er schon längst tot, nur dass sein Körper noch atmete und sein Herz noch schlug. Noch.
 

Was hatte es denn noch für einen Sinn, weiterzumachen? Er hatte versagt, er hatte die Unschuldigen nicht beschützen können. Er war nutzlos.
 

Mit tödlicher Ruhe sah er, wie eine der dunklen Gestalten auf ihn anlegte, wobei er sich fragte, warum er noch immer lebte, bis ihm aufging, dass zwischen ihrem Auftauchen und dem jetzigen Zeitpunkt höchstens vier, fünf Sekunden vergangen sein konnten.

Er machte keine Anstalten, auszuweichen, kein Muskel rührte sich in seinem Körper, kalt sah er dem Tod ins Gesicht.
 

Doch plötzlich landete etwas Großes, Helles genau vor ihm, so dass er den Luftzug auf seinem erstarrten Gesicht spüren konnte. Es verdeckte ihm die Sicht auf das Geschehen und auf einmal schienen die Schüsse und Schreie von weit her zu kommen, wie durch dichten Nebel.
 

Ein Gesicht tauchte vor ihm auf, ausländische Gesichtszüge, von schwarzen Haaren umrandet, dunkelgraue Augen blitzten ihn hinter Brillengläsern wütend an, Lippen schrien ihm etwas zu, doch er konnte es nicht verstehen.

Langsam senkte sich sein Blick wieder zu seinen Füße und noch langsamer sank er schließlich in die Knie, seine Arme schlossen sich unwillkürlich über den kleinen, leblosen, blutüberströmten Körper, über den er gerade gestolpert war. Nichts war mehr wichtig, gar nichts mehr. Er hatte versagt.
 

Nagi zählte langsam bis zehn, wie vereinbart, wechselte dann noch einen stummen Blick mit Farfarello und glitt lautlos in den Schacht, in dem schon Schuldig verschwunden war. Sein Gehirn arbeitete auf Hochtouren, auch wenn er nach außen hin völlig ruhig wirkte. Er versuchte, sich darauf zu konzentrieren, möglichst viel Energie in seine Kräfte zu leiten, laut Crawford würde er sie brauchen.
 

Trotzdem kam ihm der Weg nach unten fast endlos vor. Und dann war da nichts mehr, er fiel etwa zwei Meter tief und nur dank seines Trainings und etwas Telekinese, die seinen Sturz abfing, gelang es ihm, unverletzt zu bleiben. Innerlich fluchte er über sein Ungeschick, während er sich vorsichtig aufrichtete, im gleichen Moment an eine warme, breite Brust gezogen, sein Kopf wurde mit dem Gesicht voran gegen festen Stoff gedrückt.

Zappelnd versuchte er sich zu wehren, doch Schuldig ließ nicht locker und seine Kraft wollte er gegen seinen Kollegen nicht einsetzen, auch wenn er nicht verstand, was das alles sollte.
 

Ein Ruck ging durch den großen Körper, er spürte, wie die Muskeln sich verkrampften und dann war er frei. Er blickte sich um und im nächsten Augenblick wünschte er, es nicht getan zu haben, immer noch blind zu sein.

Übelkeit und bittere Galle stieg in seiner Kehle auf, ließen sich nur mit Mühe zurückdrängen. Leicht schwankend sah er sich nach seinem Team um. Schuldig hatte vor ihm Stellung bezogen, deckte ihn und die beiden Weiß hinter ihnen mit seinem Körper, schoss immer noch auf die für ihn selbst unsichtbaren Gegner, während er versuchte, gleichzeitig den heranfliegenden Kugeln auszuweichen und Nagi zu schützen. Dem Jungen fiel auf, dass sich sein Kollege langsamer als sonst bewegte, aber dafür hatte er jetzt keine Zeit. Es war keine Zeit für Gefühle.
 

Rasch trat er aus der Deckung hervor, baute sofort einen Schutzschild um sie herum auf und bezog dann genauso wie der Deutsche vor Bombay und Balinese Stellung, lenkte die Kugeln auf die Angreifenden zurück. Schon bald stand ihm der Schweiß auf der Stirn. Noch nie hatte er seine Kräfte so lange und auf diese Weise einsetzen müssen. Mit Entsetzen spürte er, dass die Energie in ihm schnell schwand, ein Umstand, der ihm völlig fremd war. Er hoffte nur, dass die Zeit noch reichte.
 

Zwei der Gegner lagen bereits am Boden und rührten sich nicht mehr, doch die verbliebenen drei leisteten trotz Verletzungen erbitterten Widerstand.
 

"Prodigy! Deckung auf Abyssinian!", ertönte da Brads Stimme links von ihm. Sofort gehorchte er, ohne darüber nachzudenken, leitete einen Teil der Energie auf den Rothaarigen um, der an ihnen vorbei stürmte, direkt auf den Feind zu. Verdammter Selbstmörder! Ihre einzige Chance.
 

Am Rande bekam er mit, wie Schuldig Balinese und Bombay zu dem am Boden knienden Siberian drängte, sich dann zusammen mit Brad und Farf um die drei zusammenschloss, sollte sich irgendwo noch ein Feind verstecken und aus dem Hinterhalt angreifen wollen.

Doch Nagis Hauptaugenmerk lag auf dem Leader der anderen Gruppe, der sicher unter seinem Schutzschild, kurzen Prozess mit den drei Männern machte. Innerhalb von zehn Sekunden war keiner von ihnen mehr am Leben.
 

Erleichtert seufzend ließ der kleine Telekinet den Schutzschild sinken, seine Schultern sanken erschöpft nach unten und er schwankte leicht. Für einen Moment verschwamm das Bild vor seinen Augen und er musste kräftig blinzeln, um wieder klare Sicht zu bekommen.
 

Er drehte sich langsam zu seinem Team um, das immer noch wachsam den Raum sicherte, bis schließlich sowohl Schuldig, als auch Brad Entwarnung gaben. Noch immer erfüllte Wimmern die Luft und erst auf den zweiten Blick erkannte Nagi, woher es kam. In einer der kleinen Zellen waren noch etwa fünf Kinder zusammengepfercht, die sich ängstlich zusammenkauerten und aneinander klammerten, sie aus weit aufgerissenen, entsetzten Augen ansahen.
 

Der Junge musste kräftig schlucken, als er in die kleinen Gesichter sah, warf dann einen Blick zu Schuldig, der sich wohl gerade leise mit Brad unterhielt. Der Orangehaarige nickte leicht, streifte im Vorübergehen kurz Nagis Schulter mit der rechten Hand, als er auf das Metallgitter zumarschierte, davor stehen blieb und die Augen schloss. Wenig später verstummten die gequälten Laute und die Kinder sanken eines nach dem anderen in sich zusammen.

Telepathie war schon praktisch, man konnte andere alles vergessen lassen. Die Kleinen würden sich an nichts erinnern, wenn sie erwachten.

Ein bitterer Zug umspielte Nagis Lippen. Wie sehr wünschte auch er sich manchmal, einfach nur vergessen zu können.
 

Er wandte sich ab und musterte seine Feinde. Aya schlug eben das Blut von seinem Schwert, steckte es weg und begann dann, den Raum systematisch abzugehen, blieb bei jeder Leiche stehen, beugte sich hinab, schloss ihr die Augen, nachdem er sie auf Lebenszeichen untersucht hatte. Er würde keine mehr finden, die Schweine hatten zu gute Arbeit geleistet.

Der Rothaarige war wie... wie eine Maschine, schoss es dem Telekineten durch den Kopf. Keine sichtbare Regung auf dem Gesicht, die Bewegungen geschmeidig und elegant wie immer, tat er seine grausame Pflicht ohne auch nur einmal zu zögern. Einer musste es ja machen.
 

Nagis Blick glitt weiter zu Balinese und Bombay. Der Größere hatte den kleinen Blonden immer noch im Arm, drückte ihn ganz ähnlich an sich, wie Schuldig vorhin ihn selbst. Aha, deswegen waren also keine Darts geflogen.

Geringschätzig verzogen sich die Lippen des Hackers. Idioten, gaben eine in diesem Fall sehr hilfreiche Waffe auf, nur weil der Jüngste das Blutbad nicht sehen sollte.

Er wusste ganz genau, dass er heute Nacht kein Auge zutun würde, aber im Moment saß der Schock noch sehr tief, er spürte nichts, rein gar nichts. Sein Gehirn arbeitete mit fast schon absurder Präzision.

Auf einmal schoß ihm ein erschreckender Gedanke durch den Kopf.

Was, wenn er gar keinen Schock hatte, wenn es ihm wirklich nichts mehr ausmachte, kleine, tote Kinder zu sehen, Wesen, wie er selbst eines gewesen war, bevor Brad ihn aufgesammelt hatte? Was, wenn er inzwischen genauso kalt wie die anderen seines Teams geworden war? Doch, nein, so ganz stimmt das nicht, er war sich sicher, dass es den Anderen auch nahe ging, sie konnten und wollten es nur nicht zeigen.

Brad versteckte sich hinter seiner Maske, Schuldig hinter seiner momentanen Aufgabe, nur in Farfs Augen konnte man einen mühsam unterdrückten Schmerz sehen, wenn man wusste, worauf man zu achten hatte. Der Ire stand bewegungslos da, nur seine Hände öffneten und schlossen sich in schnellem Rhythmus, der einzige offensichtliche Hinweis auf das, was in seinem Inneren vorging.
 

Sie alle hatten ein zweites Gesicht und jeder hatte seine Art, mit solchen Ereignissen umzugehen. Der Deutsche würde sich betrinken, Brad würde sich in Arbeit vergraben, Farfarello würde den Schmerz an seinem Körper auslassen und er selbst... ja, was würde er machen?
 

"Siberian?" Brads Stimme riss ihn aus den Gedanken und sein Blick flog zu Ken, der sich immer noch nicht gerührt hatte, immer noch auf dem Boden kniete, etwas umklammert hielt. Keine Regung, keinen Laut gab er von sich und doch traf es Nagi wie ein Hammerschlag.

Langsam, Schritt für Schritt trugen ihn seine Füße zu der kauernden Gestalt. Im ersten Moment dachte er, der Andere wäre verletzt, doch dann sah er sie. Die Kinderleiche, die der Weiß in den Armen hielt, fest an seine Brust drückte. Seine Kleidung war inzwischen über und über mit dem Blut des kleinen Körpers bedeckt, es hatte seine Kleidung durchweichte, als hätte er darin gebadet.
 

Bombay, der sich endlich aus Yohjis schmerzhaft hartem Griff hatte befreien können, entfloh ein leiser Schrei, doch dafür hatte Nagi jetzt keinen Sinn, ihn interessierte nur das seltsame Verhalten Siberians.
 

Der Junge umrundete Brad, blieb neben dem Knieenden stehen und ging langsam in die Hocke. Der Amerikaner wollte seinen Ziehsohn erst daran hindern, doch ein Blick in das Gesicht des Hackers ließ ihn innehalten.
 

Eine kleine, schmale Hand legte sich auf Siberians Schulter. "Ken?", fragte Nagi sehr leise und langsam, unendlich langsam wandte der Ältere ihm sein Gesicht zu.

Keuchend zog der Telekinet Luft ein, als er den leeren Ausdruck darauf erkannte. Nur in den dunkelbraunen Augen wütete ein solch tiefer, allumfassender Schmerz, der sein Herz sich zusammenkrampfen ließ.
 

Der Fußballer wandte den Blick wieder ab, die Fingerspitzen seiner linken Hand fuhren sanft, zärtlich über die Wange des kleinen Gesichts, das er an seiner Brust gebettet hatte. Die Augen des Kindes waren geschlossen, doch der Ausdruck tiefen Entsetzens war selbst im Tod nicht von den weichen Zügen gewichen.
 

Nagi sah genauer hin, doch dann überrollte es ihn wie eine schwarze Welle aus purer Agonie. Er kannte ihn. Er kannte den Jungen, den toten Jungen, der dort in Kens Armen lag!

"Nein... bitte nicht....", kam es flüsternd über seine plötzlich trockenen Lippen. Das durfte nicht sein. Eine warme, schwere Hand legte sich auf seine Schulter und eine einsame Träne rann ihm über die Wange.

Er starrte einfach nur auf Kenshis wachsbleiches Gesicht, unfähig, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen.
 

Yohji lehnte sich erschöpft gegen die steinerne Wand. Sein schwarzer Mantel glänzte dunkel vom Blut der vielen Leichen, die er nach oben geschafft hatte. Eine hässliche Arbeit, aber irgendwer musste die Kleinen dorthin bringen, wo sie von der Polizei gefunden werden konnten, denn das Gebäude würde in weniger als einer halben Stunde in die Luft fliegen um alle Spuren zu verwischen. Und die Kinder sollte ein anständiges Begräbnis bekommen, sie sollten nicht dort drin bleiben.
 

Rechts von ihm legte Aya gerade den letzten, toten Körper neben den Anderen ab, nur Ken stand noch immer mit dem kleinen Bündel im Arm da. Er hatte noch kein Wort gesprochen, seit das Gefecht mit Schwarz' Hilfe beendet worden war. Kein Muskel rührte sich im Gesicht seines Kollegen und dem Playboy rann ein eiskalter Schauer über den Rücken.

Das war nicht ihr liebenswerter, tolpatschiger, hitzköpfiger Ken, das war eine Statue und sie erinnerte auf eine grausame Art und Weise an Aya.
 

In diesem Moment begriff Yohji zum ersten Mal wirklich, was seinen Leader zu dem machte, was er nunmal war: oft nicht mehr als eine kalte Hülle, scheinbar völlig emotionslos.

Seufzend stieß er sich von der Wand ab und wollte auf seinen Kollegen zugehen, doch plötzlich vertrat ihm jemand den Weg. Er sah hoch, direkt in Schuldigs glimmende Augen.
 

Der Deutsche schüttelte leicht den Kopf. "Nicht jetzt... lass ihm seine Zeit...", meinte der Telepath ungewohnt ernst, was den Playboy dazu brachte, nicht aus der Haut zu fahren und die Beleidigungen, die ihm auf der Zunge lagen, hinunterzuschlucken. So ungern er es auch zugeben wollte, der Andere schien recht zu haben.
 

Trotzdem sah er überhaupt nicht ein, kleinbei zu geben und so packte der Blonde den Ausländer am Oberarm, wollte ihn beiseite drängen.

Erschrocken ließ er wieder los, als Mastermind ein leichtes Keuchen von sich gab und bemerkte, dass seine eigene Hand voller Blut war.

"Was...?", fragte er völlig verwirrt und beobachtete überrascht, dass der Orangehaarige sich mit schmerzverzerrtem Gesicht an die Stelle fasste, die er selbst gerade losgelassen hatte. Und erst jetzt bemerkte er den großen Blutfleck auf dem dunkelgrünen Stoff. Warum war ihm das vorher nicht aufgefallen? Das sprang doch ins Auge! Er war wohl einfach zu abgelenkt gewesen oder hatte den Deutschen nicht ansehen wollen... wahrscheinlich ein bisschen von beidem.
 

"Du bist verletzt..." Keine Frage, eine simple Feststellung, allerdings ohne den schadenfrohen Unterton, den er selbst gerne in seiner Stimme gehabt hätte.

Schuldig zuckte nur die Schultern. "Was geht's dich an?" Er wollte wohl abweisend klingen, hatte dabei aber eher den Tonfall eines trotzigen Kindes.
 

Yohji runzelte ärgerlich die Stirn.

"Ich bleibe niemandem etwas schuldig!", meinte er dann kühl und funkelte den Anderen wütend an. Mastermind hatte ihn und Omi mit seinem Leben beschützt, ohne ihn wären sie beide jetzt tot, also würde er jetzt nicht zulassen, dass dieser Idiot vor seiner Nase verblutete.
 

"Verbinden, jetzt!" Seine Stimme ließ keinen Widerspruch zu.

Schuldig machte große Augen. Was bildete sich dieser impertinente, aufgeblasene, arrogante.... WEIß sich eigentlich ein? Ok, es war schon niedlich, beziehungsweise es WÄRE niedlich GEWESEN, wenn der Tonfall anders gewesen und von einem netten Streicheln über den gesunden Arm begleitet gewesen WÄRE und sein Kätzchen besorgt gewirkt HÄTTE, aber nein! Nix besorgt, nix streicheln, ein Befehl, bei dem sich in ihm schon wieder alles sträubte, ihm zu folgen. Er hasste Befehle und von Feinden nahm er schon gar keine entgegen.
 

Im Kopf überschlug er schnell die Möglichkeiten, die ihm in dieser Situation offen standen. Nagi stand noch immer bei Ken und dem Kind, Brad und Farf verminten das Gebäude, sein Arm hatte gerade wieder heftig zu bluten angefangen und der Schmerz schwoll nur langsam wieder zu einem dumpfen Pochen ab.

Seufzend resignierte er und ließ die Schultern etwas sinken. "Na schön, hol den Erste-Hilfe-Kasten...", gab er schließlich nach und ließ sich auf ein niedriges Mäuerchen sinken, presste die Hand wieder auf die Schusswunde, um den Blutfluss wenigstens einigermaßen zu stoppen.
 

Yohji wirkte im ersten Moment überrascht, hatte sich innerlich schon auf eine ausartende Diskussion eingestellt und war nun umso erstaunter, dass kein Widerstand kam. Er fing sich nach ein paar Sekunden wieder und nickte leicht. "Bin gleich wieder da..." Ein Notfallset hatten sie alle in ihren Autos. Er lief los und wenige Minuten später kehrte er mit einem kleinen, weißen Koffer mit dem roten Kreuz auf den Seiten, zurück.
 

Der Playboy ging in die Hocke und klappte den Kasten auf, wühlte ein wenig herum. "Ausziehen!", knurrte er etwas ungehalten. Es behagte ihm gar nicht, dem Anderen so nahe kommen zu müssen und noch viel weniger, dass er es freiwillig tat.

Immer wieder sagte er sich vor, dass er nur seine Schulden beglich, allein schon, um nicht sofort aufzustehen, und einfach wegzugehen. Das wäre unehrenhaft.
 

"Aber Kätzchen, hier in der Öffentlichkeit? Gestern Nacht warst du aber schüchterner!"
 

Der Blonde knurrte nur böse, erwiderte aber nichts auf den Kommentar, sondern beobachtete nur stirnrunzelnd, wie Schuldig ächzend versuchte, sich aus dem grünen Mantel zu schälen und damit ziemlich Probleme hatte. Yohji seufzte genervt, stand auf, trat hinter den Orangehaarigen und half ihm mehr oder weniger sanft aus dem Kleidungsstück. Eher weniger, was das schmerzverzerrte Gesicht des Deutschen bewies.
 

"Deswegen brauchst du aber nicht gleich grob zu werden...", tadelte Schuldig den Anderen etwas gepresst klingend, aber nichtsdestotrotz mit erstaunlich sanfter Stimme, was den Playboy überrascht die Stirn runzeln ließ.
 

"Ach, halt den Rand, Schwarz!", fauchte er zurück, nahm sich einfach die Schere aus dem Verbandskasten und schnitt den Ärmel des Anderen der Länge nach auf. Es tat dem Blonden zwar in der Seele weh, ein so schönes Kleidungsstück wie das Hemd seines Feindes - Gucci, das sah er auf den ersten Blick - ruinieren zu müssen, aber das Blut würde ohnehin nie wieder rausgehen, also war es wohl egal. Immerhin protestierte Schuldig auch nicht, sondern sah nur leidend auf die traurig herabhängenden Reste des Ärmels hinunter und betrachtete, was von dem edlen Designerstück noch übrig war. Nicht besonders viel.
 

Yohji ignorierte die Blick einfach, obwohl er nur zu gut nachvollziehen konnte, was wohl in diesem Moment in dem Anderen vor sich ging, immerhin WOLLTE er seinen Gegner nicht verstehen und nahm sich eine Wundkompresse, die er zunächst auf die Wunde drückte, um die Blutung ganz zu stillen, die bereits nachgelassen hatte. Es wunderte ihn schon, dass Mastermind nicht mal mit der Wimper zuckte, als er die sicher sehr schmerzhafte Verletzung so hart anfasste, aber der Groll auf das Verhalten des Orangehaarigen am gestrigen Abend saß noch zu tief, als dass er Bewunderung hätte empfinden können oder wollen.
 

"Das ist aber nicht besonders nett von dir... dabei hab ich mir doch gestern solche Mühe gegeben..." Schuldig grinste genauso breit wie falsch, um den Schmerz in seinen Augen zu überspielen. Wie immer funktionierte die Grimasse, die er meistens auf dem Gesicht trug, perfekt. Immer hatte sie funktioniert.

Yohji musste hart an sich halten, dass er nicht aus purem Zorn noch etwas fester zudrückte, doch das war dann doch unter seinem Niveau, auch wenn die Situation sehr dazu verführte.
 

Langsam nahm er die Kompresse runter und sah zufrieden, dass die Blutung fast komplett zum Stillstand gekommen war. Vorsichtig tastete er die Wunde ab, besah sich die Austrittsverletzung, die die Kugel hinterlassen hatte.

"Hast Glück gehabt, ist ein glatter Durchschuss und soweit ich das beurteilen kann ist der Knochen nicht verletzt..." Zumindest waren von seiner Sicht aus keine Knochensplitter oder ähnliches zu sehen, also wagte er es einfach mal zu behaupten.
 

"Tut mir leid, Kätzchen, wenn ich nicht vor Freude in die Luft springe, ich hol das nach, wenn's nicht mehr wehtut, ok?"

Yohji blickte hoch und bemerkte, dass Masterminds Gesicht eindeutig an Farbe verloren hatte und ihm auf dem schmalen Streifen seiner Stirn, der nicht vom Bandana bedeckt wurde, kalter Schweiß stand.
 

Der Weiß biss die Zähne zusammen, verkniff sich einen entsprechenden Kommentar und kramte das Desinfektionsmittel hervor. Ohne weitere Vorwarnung reinigte er die Wunde, was dem Deutschen ein schmerzerfülltes Zischen entlockte. Das Zeug brannte höllisch!
 

Doch der Orangehaarige sagte nichts weiter, biss nur die Zähne zusammen und fixierte einen imaginären Punkt im Nichts, während er die Prozedur über sich ergehen ließ und Yohji ihm schließlich noch einen festsitzenden Verband anlegte.
 

Der Blonde erhob sich mit einer fließenden Bewegung und wischte sich die blutigen Hände an einem Lappen ab, der ebenfalls Bestandteil des Koffers war. "Fertig... und übrigens, Schwarz, ich habe einen Namen, es wäre mir recht, wenn du ihn benutzen würdest!" Er hasste dieses ständige, samtweich ausgesprochene ,Kätzchen'. Wenn er nur daran dachte, wurde ihm schon schlecht.
 

Schuldig ballte kurz eine Faust, ließ es aber gleich wieder bleiben, als der Schmerz in den verletzten Muskeln wieder mit voller Macht aufflammte.
 

"Gleichfalls, KÄTZCHEN!", gab er nur grinsend zurück und stand ebenfalls auf, zog sich den Mantel mit etwas ungeschickten Bewegungen wieder über, wozu er eine ganze Weile brauchte, doch diesmal konnte er keine Hilfe erwarten, das sagten ihm die wütend blitzenden, grünen Augen.
 

"Wunderbar Schulderich! So, bitte und wehe, wenn du mich noch einmal mit diesem Wort anredest!", fauchte der Blonde, machte damit seinem Spitznamen eigentlich alle Ehre.

Schuldig schüttelte nur den Kopf und war kurz davor, laut loszulachen, woran ihn eigentlich nur der missmutige Gesichtsausdruck seines Gegenübers hinderte. Der kleine Playboy brachte es fertig und sprang ihm mit ausgefahrenen Krallen ins Gesicht, wenn er jetzt herausplatzte.
 

"Nein, KUDOU, nicht Schulderich, Schuldig!", verbesserte er deshalb nur geduldig. Er war es gewöhnt, dass Japaner seinen Namen nicht aussprechen konnten, sogar Brad hatte damit am Anfang Probleme gehabt und ihn deswegen nur ,German' genannt.
 

Yohji runzelte missmutig die Stirn. Was war denn bitte falsch daran, wie er es aussprach? "Sag ich doch, Schulderich!" Das war aber auch ein Unwort, wie konnte man auch nur so einen dämlichen Namen haben? War das etwa seine Schuld?
 

Wieder schüttelte der Orangehaarige den Kopf, so dass die langen Strähnen nur so flogen. "Schul-dig", machte er es noch einmal vor, hoffend, dass der Andere es jetzt verstehen würde.

"Schuldip?", gab Yohji fragend zurück. Das klang ja noch bescheuerter, als Schulderich!
 

Der Deutsche klatschte sich mit einer Hand vor die Stirn. "Nein, nicht Schuldip, Schul-... ach, weißt du was? Sag einfach Schu, ok? DAS wirst du doch wohl schaffen, oder?" Er klang mehr als nur leicht zweifelnd.
 

Yohji verzog beleidigt die Lippen und verengte die Augen zu schmalen Schlitzen. "Natürlich kann ich das!" Er schmollte nicht, kein bisschen, das sah nur so aus! Wütend packte er die Schere wieder in den Kasten, verschloss diesen und klemmte ihn sich unter den Arm, ließ den Deutschen wortlos stehen.
 

"Kudou?" Der Blonde blieb stehen, sah kurz über die Schulter, drehte sich aber nicht um.

"Danke."
 

Omi stand hilflos neben seinem besten Freund. Ken hielt immer noch die Kinderleiche im Arm, er hatte sich strikt geweigert, den kleinen Körper freizugeben und schließlich hatten sie ihn gelassen. Aya, Yohji und Mastermind hatten die restlichen nach oben getragen, er selbst war mit den lebenden fünf Kindern nach oben gegangen, Oracle und Berserker verminten das Gebäude und Nagi... ja, Nagi stand immer noch neben ihrem brünetten Fußballer, hatte sich gegen dessen Arm gelehnt und weinte noch immer stumm.
 

Am liebsten hätte Omi beide in den Arm genommen und getröstet, doch er spürte, dass er hier fehl am Platz war. Dies war ein Moment ihrer ganz privaten Trauer, in den niemand, nicht einmal er eindringen durfte. Später vielleicht. Also hielt er sich etwas im Hintergrund, sprach keinen der Beiden an, ließ sie in Ruhe.

Doch es hätte ihn wesentlich mehr beruhigt, wenn auch Ken weinen würde, so sehr ihn dieser Gedanke auch erschreckte. Doch sein Kollege schien in eine Art apathische Starre verfallen zu sein. Er reagiert auf nichts und niemanden, nicht einmal, wenn man ihn ansprach oder anfasste. Er hatte sich nur gewehrt, als man ihm den Jungen wegnehmen wollte.

Der Braunhaarige wirklich so gefährlich ruhig in diesem Moment, was so gar nicht zu seinem Naturell passte und gleichzeitig umgab ihn eine wahre Aura von Schmerz, die so offensichtlich war, dass man meinte, sie anfassen zu können.
 

Der blonde Junge seufzte leise in sich hinein. Er wusste ja, dass das nur der Schock war, aber es wäre ihm trotzdem lieber gewesen, wenn Ken irgendeine Reaktion gezeigt hätte, wenn er toben, schreien, fluchen oder weinen würde, irgendwas, nur nicht diese tödliche Stille.
 

Omi schloss seine Augen und verdrängte die Bilder des Massakers im Keller, die sofort in ihm aufsteigen wollten. Seine Knie zitterten und auf seiner Zunge machte sich ein Geschmack von bitterer Galle breit. Zu spät. Sie waren wieder zu spät gekommen.

Der Hacker schwankte leicht unter den Gefühlen, die in ihm hochkochten und die er nur mit viel Mühe niederkämpfen konnte. Er durfte jetzt nicht schwach werden, nicht er auch noch, er musste auf Ken aufpassen, Aya hatte ihn damit beauftragt. Nicht etwa, dass es nötig gewesen wäre, aber wenn er ganz ehrlich war, hätte er jetzt lieber etwas zu tun, irgendwas um seine Hände zu beschäftigen, bei dem er seinen Geist abschalten konnte, wenn auch nur für kurze Zeit.
 

Eine Hand legte sich auf seine Schulter und er schlug die Augen auf. Eigentlich hatte er erwartet, dass sein Leader oder der Playboy ihn holen kamen, weil sie fertig waren. Auch deshalb war er so überrascht, als er, anstatt in amethystfarbene oder grüne Augen, direkt in ein einzelnes, goldenes blickte. Erschrocken fuhr er zurück, eigentlich mehr eine automatisierte Reaktion, als wirklich willentlich ausgeführt.
 

Die Hand rutschte von seiner Schulter und der Weißhaarige sah ihn mit einem undeutbaren Blick an.

Omi trat unruhig von einem Fuß auf den Anderen. Das Starren des Irren, ja, seine bloße Anwesenheit und Nähe machte ihn mehr als nervös, auch wenn Berserker im Moment gar nicht gefährlich wirkte. Eigentlich mehr nachdenklich, so wie er den Jungen gerade musterte.
 

"Komm." Die ruhige, gelassene Stimme jagte dem Blonden einen Schauer über den Rücken. Ein wenig kratzig, leicht rau, tief, aber nicht unangenehm. Er hatte den Schwarz noch nie sprechen hören.
 

Verwirrt blinzelte er ein paar Mal, um das seltsame Gefühl abzuschütteln, das sich zu den durcheinanderlaufenden in seinem Kopf gesellte.

"Wohin?", fragte er dann sehr intelligent nach, was ihm einen Blick einbrachte, den man mit etwas Fantasie durchaus als amüsiert bezeichnen könnte. Berserker und Spaß?!
 

"Weg hier", lautete die lakonische Antwort, die Omi allerdings nicht sehr viel weiterbrachte. Warum sollte er denn hier weggehen? Er sah zu Ken und Nagi hinüber und bemerkte zu seiner grenzenlosen Überraschung, dass der Schwarzleader zu den beiden getreten war. Er hatte ihn nicht kommen hören, genauso wenig wie den Weißhaarigen. Entweder war er so tief in Gedanken gewesen, dass er gar nichts mehr wahrgenommen hatte oder die beiden bewegten sich wirklich so lautlos, wie er es eigentlich nur von Aya gewohnt war.
 

Ein leichtes Zupfen an seinem Ärmel lenkte seine Aufmerksamkeit wieder zu dem Einäugigen an seiner Seite zurück. Der sah ihn auffordernd an. Unsicher blickte Omi sich nach seinem Anführer um. Er konnte doch jetzt nicht so einfach mit dem da mitgehen, wer wusste, was der vor hatte, Abmachungen hin oder her, DER hielt sich an sowas wahrscheinlich eh nicht.

Aber andererseits wollte er den Irren auch nicht reizen oder irgendwie provozieren. Unschlüssig, was er tun sollte, trippelte er ein bisschen zur Seite, weg von Berserker, wurde aber durch eine Hand, die sich mit festem Griff um seinen Oberarm schloss, aufgehalten.
 

"Jetzt." Aus großen Augen sah der Junge den Weißhaarigen an. Das Wort war eindeutig gewesen und ließ keinerlei Widerspruch zu. Also wehrte er sich auch nicht, als er von den Anderen weggeführt wurde, auch wenn sich in ihm ein mulmiges Gefühl breitmachte. Keine richtige Angst, aber er spürte die Panik in sich aufsteigen und hatte Mühe, sie zurückzudrängen. Sollte er schreien? Nach seinem Team rufen? Noch hatte er Zeit, noch waren sie in Sicht- und Hörweite.
 

Als hätte der Irre seine Gedanken gelesen, festigte sich sein Griff fast unmerklich, doch Omi spürte es durch seine überreizten Nerven überdeutlich. Er schluckte hart und ging weiter, mechanisch einen Fuß vor den anderen setzend.
 

Weit musste er nicht laufen, bis sie die abgestellten Fahrzeuge erreichten. Ein feuerroter Sportwagen stand neben einem schwarzen Mercedes und er musste nicht fragen, wem die Autos gehörten. Sein Arm wurde losgelassen und Berserker setzte sich ohne zu zögern mit untergeschlagenen Beinen auf den Boden.
 

Verwirrt blickte Omi auf ihn hinunter. "Und jetzt?" Was sollte die ganze Aktion denn? Warum musste er mitkommen? Wollte Schwarz ihn als Geisel? Eigentlich konnte er sich das nicht vorstellen, aber bei denen wusste man ja nie. Sicher, Nagi war ihm sympathisch, sie waren in den letzten Tagen wirklich gut miteinander ausgekommen, hatten in der Schule erstaunlich friedlich zusammengearbeitet, aber das hieß ja noch lange nichts.
 

"Wir warten." Farfarello sah kurz auf, zog dann ein Messer aus seinem Stiefel und prüfte dessen Schärfe. Amüsiert beobachtete er aus dem Augenwinkel, wie das kleine, blonde Kätzchen zusammenzuckte, als es die blinkende Klinge sah. Niedlich, hatte es etwa Angst vor ihm?

Er leckte den roten Tropfen ab, der sich an seiner Fingerkuppe gebildet hatte, schmeckte die metallische Süße seines eigenen Blutes. Interessiert betrachtete er die kleine Wunde, die das Messer zurückgelassen hatte. Scharf wie immer.
 

Nachdenklich setzte er die Spitze der Klinge an seinem Unterarm an, ließ seine Gedanken in die Ferne gleiten, während er den Druck erhöhte und zusehen konnte, wie sich langsam eine rote Spur über seine weiße Haut zog. Es war immer wieder faszinierend für ihn, den Kontrast zu sehen, zu spüren, wie die warme Flüssigkeit aus der Wunde trat, ohne dass er das Geringste dabei fühlte, außer dem Druck seines Messers.
 

"Warum tust du das?", fragte eine leise Stimme links von ihm. Er hatte den Weißjungen beinahe vergessen und als er jetzt den Kopf hob, konnte er in das kleine, verstörte Gesicht blicken, das sich etwas näher zu ihm geneigt hatte.

Zuerst verstand er nicht, was der Kleine meinte, doch dann sah er, dass dessen Blick auf die schmale Wunde auf seinem Arm gerichtet war. Er entfernte das Messer und wischte mit einer nachlässigen Geste das Blut weg.
 

"Es zeigt." Er erwartete nicht, dass Bombay verstand. Niemand tat das, nicht einmal Schuldig. Oder vielleicht gerade nicht Schuldig. Jemand, der das Leben so sehr liebte, den Schmerz genauso genoß wie Freude, wenn er ihn zufügte, so jemand konnte nicht verstehen, was der Tod bedeutete. Brad verstand vielleicht.
 

Mit einer ruhigen Bewegung ließ er das Messer wieder zurück an seinen Platz gleiten. Er wusste, dass der Blick des Weiß immer noch auf ihm ruhte, konnte ihn praktisch fühlen, wie er ihn durchbohrte. Er konnte die Angst des Jungen förmlich riechen, die beinahe den süßen Geruch überlagerte, den Duft nach Blumen und Sonne, nach Lachen und Freude. Eigentlich schade.
 

"Was zeigt es?" So ein neugieriges Kätzchen, aber es schien Mut zu haben, genug jedenfalls, dass die Neugierde die Angst überwand. Farf wandte dem Stehenden wieder seine volle Aufmerksamkeit zu, was den Jungen automatisch einen Schritt unter dem Blick des goldenen Auges zurückweichen ließ.
 

"Leben." Das eine Wort schien den Blonden nachdenklich zu machen. Der Ire legte den Kopf leicht schief. Dass es hinter der schmalen Stirn arbeitete, konnte man sehen, aber zu welchem Ergebnis würde Bombay kommen? Dass er einfach nur ein Irrer war, den man nicht verstehen konnte? Wie recht der Kleine doch damit hätte und zugleich irrte er sich, wie es der beschränkte, menschliche Verstand nur konnte.
 

Sein Auge folgte aufmerksam jeder Bewegung, die der Andere machte, wohl wissend, wie nervös dieser unter seinem anhaltenden Starren wurde, aber das war Absicht. Es war doch immer wieder erstaunlich, zu welchen Dummheiten Menschen fähig waren, wenn sie Angst hatten... und zu welch großen Taten... und zu welch Grausamkeiten....

Warum waren die Kinder jetzt tot? Diese kleinen, lebendigen, lachenden Wesen.... nur weil ihre Wächter Angst vor Entdeckung gehabt hatten. Keine Zeugen, keine Verurteilung, nicht wahr? Es war wirklich zu schade, dass das rote Kätzchen schneller gewesen war als er, er hätte sich zu gerne ausgiebig mit den Männern beschäftigt, aber das war ihm ja leider nicht vergönnt gewesen.

Und dort unten in der bluttriefenden Lagerhalle war ihm der Tod wieder bewusst geworden. Kleine, tote Körper, die in ihrem eigenen Blut lagen, wie Schlachtvieh... wie vergänglich und zerbrechlich das Leben doch war, wie rasch und gnadenlos der Tod kommen konnte... wie leicht, wenn man keinen Schmerz spürte. Ob es den Kleinen wehgetan hatte? Sicher, er hatte es in ihren Augen lesen können, er hatte das Entsetzen gespürt, in dem Moment, als der Schacht ihn in den Raum entlassen hatte, zusammen mit dem süßen Geruch des Blutes, mit den wimmernden, hohen Schreien. Kein Schlachtvieh, mit dem war man barmherziger, das wusste nicht, was auf sie zukam. Die Kinder hatten es gesehen, sie hatten es GEWUSST.

Sinnlos, es war so sinnlos gewesen. Gott hatte wieder einmal versagt und es bestätigte Farfarello nur in seiner Annahme, dass dem da oben die Welt und seine ach so geliebten Kinder einfach völlig egal waren.
 

Der Ire wusste genau, dass er anders dachte als die meisten Menschen, doch damit hatte er sich schon vor langer Zeit abgefunden. Er passte sich die meiste Zeit an seine Kollegen an, hatte sich bei ihnen abgeschaut, wie man den Alltag meisterte, hatte sich weiterentwickelt, auf seine eigene, ganz spezielle Weise. Seine Art des Denkens war etwas Besonderes, das hatte Brad ihm damals gesagt, als er zu Schwarz gebracht worden war, vollgepumpt mit Beruhigungsmitteln, damit er nicht sich selbst und andere gefährdete.

Der Amerikaner hatte sich als erster die Mühe gemacht, mit ihm zu reden, hatte wenigstens versucht, ihm begreiflich zu machen, was die Menschen um ihn herum eigentlich von ihm wollten. Er hatte dem Schwarzhaarigen geglaubt. Er glaubte ihm heute noch.

Seit diesem Abend hatte er nicht wieder versucht, sich umzubringen, es schien ihm lohnender, das Leben zu erforschen und Schwarz hatte ihm dazu alle Möglichkeiten geboten, nicht umsonst natürlich, aber was kümmerte ihn das?
 

Und dann war Nagi aufgetaucht, eines Tages war er einfach da, ein zierlicher, verschreckter Elfjähriger mit riesengroßen, ängstlichen, mitternachtsblauen Augen, in denen das Misstrauen einer ganzen Welt zu schlummern schien. Und die Angst. Und der Hilfeschrei.

Er wusste nicht, warum Brad den Jungen aufgesammelt und behalten hatte. Wäre es seinem Anführer nur um die telekinetischen Fähigkeiten des Japaners gegangen, hätte er ihn auch genauso gut bei Sz abliefern und ihn ein paar Jahre später als perfekt ausgebildeten Killer wiederhaben können. Doch das war es nicht gewesen, sicher nicht.
 

Schuldig hatte es auch gemerkt. Er konnte sich noch genau an den kleinen, hitzköpfigen, mehr als unbeherrschten Deutschen erinnern, der er einmal gewesen war, voller Hass auf alles und jeden, rebellisch, laut, unhöflich. Manche Menschen änderten sich. Andere nicht. Nagi hatte den Hass besänftigt, die sadistische Ader auf ein erträgliches Maß geregelt durch seine bloße Anwesenheit, durch die Macht seiner Gedanken, buchstäblich. Er hatte Schuldig Beherrschung gelehrt, Disziplin, die er brauchte um die Angst des Kleinen von sich fernzuhalten.

Der Telepath hatte wahrscheinlich zum ersten Mal wirklich erlebt, welche Wirkung er auf andere haben konnte, ungefiltert, ungeschützt. Verstärkt durch die außergewöhnlich starke Gabe ihres Jüngsten waren die Gedanken einfach so durch den Schild des Deutschen gebrochen. Auch er hatte Mitleid gelernt. Schwer, es trat selten hervor, aber er kannte es. Auch er liebte Nagi. Irgendwie.
 

Farf konnte den Mann verstehen, Nagi hatte etwas fast Unnatürliches an sich gehabt, fremd und doch so vertraut. Er war wie sie. Er war allein. Er war verlassen. Und er hatte etwas in ihnen angerührt, was eigentlich schon lange tot sein sollte, etwas, das der Weißhaarige bis dahin nicht gekannt hatte: Mitleid. Er hatte nicht gewusst, was das war, er hatte nie verstanden, warum Leute außergewöhnliche Dinge taten, warum sie sich um andere kümmerten. Aber an diesem Abend, als Brad mit diesem kleinen Wesen an der Hand in dem Keller war, um sie bekannt zu machen, da hatte er es verstanden. Da hatte er gewusst warum, einfach so.

Er hatte natürlich schon vorher gewusst, dass er nicht allein in dem Haus war, aber seine Tür war immer verschlossen gewesen und Brad war derjenige, der ihm das Essen brachte. Er hatte auch zunächst keinerlei Interesse gehabt, seine Umwelt zu erkunden, er ließ alles auf sich zukommen, wie es eben geschah.
 

Und wenn er bedachte, was Nagi umgab, als er ihn getroffen hatte, dann konnte er sich nur schwer ausmalen, wie es gewesen sein mochte, als Brad ihn gefunden hatte. Immerhin hatte der Junge damals ja schon fast vier Jahre unter der Obhut des Amerikaners gelebt und es war trotzdem noch spürbar gewesen. Selbst heute noch von Zeit zu Zeit. So wie vorhin.

Die Männer waren böse gewesen, sie hatten Nagi wehgetan. Sie hatten den Kindern wehgetan. Sie hatten kein Recht mehr zu leben. Gutes Kätzchen.
 

"Aber tut es nicht weh? Ist für dich Leben und Schmerz das Selbe?" Aha, der kleine Weiß war also aus seiner Starre erwacht. Entweder war es wirklich Neugierde oder die Faszination des Fremden, die ihn fragen ließ.
 

"Ich weiß nicht", antwortete der Ire wahrheitsgemäß. Er wusste nicht, wie sich Schmerz anfühlte. Wenn er es je gewusst hatte, hatte er es vor langer Zeit vergessen. Es war nicht mehr da.

"Wieso nicht?" Farfarellos Mundwinkel zuckten leicht. Bombay war wie ein Kind. Wie Nagi. Und doch so völlig anders. Genauso unschuldig und voller Leben. Aber anders. Ohne den dunklen Schimmer von Schuld. Es verwirrte den Iren, dass der kleine Killer nicht das kleinste bisschen Schwärze zu besitzen schien. Ein Takatorisprössling mit einem guten Herzen? Außergewöhnlich.
 

"Ich empfinde keinen Schmerz." Warum sollte Bombay das auch nicht wissen? Es war irrelevant, für ihn spielte es keine Rolle und jede. Er wüsste zu gerne wie es sich anfühlte. Schmerz. Egal, wieviel er davon zufügte, er konnte es nicht nachvollziehen, was es bewirkte. Die Schreie. Die Angst. Das Grauen.
 

Er sah, wie sich die hellblauen Augen erstaunt weiteten. Ja, das hatte der Junge nicht erwartet, das erwartete niemand. Alle dachten, er hätte Spaß am Schmerz. Also bis jetzt hatte er noch niemandem getroffen, der sich darüber freute, wenn man ihm etwas abschnitt. Aber er suchte weiter, vielleicht hatte er ja irgendwann Erfolg.
 

"Was meinst du damit, du empfindest keinen Schmerz? Meinst du das ernst?" Verblüffung, Unglaube gepaart mit Misstrauen. Bombay dachte, er log. Sollte er.

Farf hob eine Schulter. "Ich empfinde keinen Schmerz", wiederholte er geduldig, als würde er einem Kleinkind erklären, warum es schon ins Bett musste.
 

Er sah, wie der Blonde schluckte, sich dann einen Ruck gab und ihm gegenüber auf den Boden setzte. Seine Wissbegier schien jetzt erst recht geweckt zu sein.

"Warum nicht?"
 

Der Ire blinzelte leicht. Er persönlich hielt diese Frage ja für ziemlich dumm, aber das ging ihm bei den meisten Verhaltensweisen anderer Menschen so. Viele verstand er, andere nicht, aber es war amüsant, sie zu studieren.

Aber er hielt es nicht für nötig, explizit zu antworten, also zuckte er nur leicht de Schultern, gespannt, was der Jüngere jetzt machen würde.
 

Doch soweit kam es gar nicht erst. Eine dunkle Gestalt wuchs hinter dem Blonden aus dem Boden, trat aus dem Schatten ins Mondlicht, gefolgt von einer wesentlich kleineren und vier weiteren, von denen allerdings drei nicht in die fahle Helligkeit kamen, sondern als Schatten dort blieben, wo sie waren.

Flammendes Orange war das erste, was Omi ins Auge fiel, als er herumfuhr. Direkt hinter ihm stand Oracle, hatte eine Hand auf Nagis Schulter gelegt. Der Junge wirkte trotz seiner deutlich verweinten Augen sehr gefasst und so distanziert wie immer. Der Moment der Schwäche war vorbei.
 

"Geh jetzt." Die tiefe Stimme des Amerikaners ließ ihn frösteln und obwohl der Andere sehr leise gesprochen hatte, wusste er instinktiv, dass es keine weitere, verbale Aufforderung geben würde. Aber hier hielt ihn nichts mehr, er war nur froh, aus der Nähe des Iren zu kommen. War er doch, nicht wahr? Natürlich!

Schnell kam er auf die Füße, streifte Nagi mit einem kurzen Blick, wagte aber nicht, irgendwas zu sagen, wandte noch einmal den Kopf und sah zu Farfarello zurück, dessen Blick er wie Nadelstiche in seinem Nacken fühlen konnte, bohrend und brennend.
 

"Ab Kätzchen, husch husch ins Körbchen!", drängelte ihn da plötzlich die Stimme des nervigen Psychopathen. Wie er den Kerl hasste!

Kopfschüttelnd ging er an Schwarz vorbei zu seiner eigenen Gruppe, stellte sich an Kens Seite, strich seinem Freund sanft über den Arm, mehr Gesten durfte er sich im Moment nicht erlauben. Aber er wurde durch einen dankbaren, unsagbar traurigen Blick belohnt. Wenigstens reagierte der Fußballer wieder auf seine Umwelt. Omi wusste zwar nicht warum, aber, was immer es auch gewesen war, er war dankbar dafür.
 

Aya machte eine Geste und geschlossen verschwanden sie in der Dunkelheit in Richtung ihrer Fahrzeuge. Ihm fiel auf, dass er nicht der Einzige war, der mehr als einen Blick über die Schulter zu ihren Feinden zurückwarf. Eigentlich sah nur ihr Leader starr geradeaus, als würde Schwarz in ihrem Rücken nicht existieren.

Er vermisste irgendetwas, ihm war, als wäre ihm ein wichtiges Detail entgangen, etwas, von dem er eigentlich wusste, dass es da war, das er aber nicht greifen konnte. Sobald der Gedanke sich zu etwas Festem formte, entglitt er ihm auch schon wieder.
 

Noch einmal sah er sich um, sah in einiger Entfernung etwas Weißes aufblitzen.

Und plötzlich wusste er es. Er wusste es einfach wieder, einfach so. Das, was ihm während des Gesprächs mit Berserker entfallen war, was er einfach vergessen hatte, einfach so.

Er hatte Ouka erschossen.

Der zerbrochene Spiegel

Autor: CatherineMiller

Titel: Bittersweet Feelings

Fandom: Weiß Kreuz

Kapitel: Der zerbrochene Spiegel

Teil: 17/?

Pairings: RanxNagi; BradxKen; SchuldigxYohjixSchuldig; FarfxOmi

Warnungen: keine

Danksagung: Vielen Dank an mein Betas emilyheart (kei83), Corrychan, Cap und Kariri, die

sichfleißig durch meine tausend Tippfehler mühen!

Disclaimer: Alles nix meins und ich mach auch kein Geld damit, auch wenn ichs gebrauchen könnte XD
 

Vorankündigung: Da ich demnächst (hoffentlich erfolgreich) mein Abitur hinter mich bringen werde, gibt's in nächster Zeit keine Kapitel, weder hier noch bei meinen anderen Stories, es sei denn, die Muse packkt mich und tritt mich in den Hintern ^^ Ansonsten werde ich mich in nächster Zeit leider eher mit Bakterienklonierung und Sequenzanalysen beschäftigen müssen. Aber keine Sorge, es WIRD weitergehen! *versprech* Wer benachrichtigt werden will, wenn das neue Kapitel on ist: einfach beischeid sagen (am besten in einem Kommi XD), der/die/dasjenige bekommt dann eine ENS/Email geschickt, je nach Wunsch ^^" Bis dahin wpünsch ich euch was und hoffe, dass ihr mir trotz allem treu bleibt! *knuddeldrück*
 

ANGEBOT: Bei mindestens zehn Kommentaren gibt's bim nächsten Upload zwei Kapitel auf einmal!
 

Es wurden wider zehn Kommentarte erreicht, dh diesmal zwei neue Kapitel ^^ viel Spaß damit!
 

Kommentare:
 

@Kayla (Kap15): XD Tja Schuldig und sein Hirn... ist fast so anstrengend zu schreiben wie Farfie *zugeb* Ich muss jedes Mal aufpassen, dass er in die gleiche Richtung verdreht denkt und nicht auf einmal genau andersrum... obwohl, würde das auffallen? XDD Aber der Kuss war wirklich nicht schlecht, dafür, dass ich sowas zum ertsen Mal geschrieben hab, oder? *lach*

@Kayla (Kap16): Ich gestehe, ich hab beim schreiben geheult *schäm* Aber irgendwie hat so eine Szene ganz gut reingepasst... ein ,kleiner' Kontrast zu denm üblichen Albernheiten... Der Schwank auf Ken war schon eingeplant und du hast recht: es kommt noch, was mit ihm passiert ist, ich muss meinem Liebling doch seine Rolle geben ^^ Farf fand ich sehr schwer, weil ich ihm eine ganz eigene Art zu Denken kreieren musste *seufz* und das anders als Schuldig, bei dem ich einfach nur irgendwelchen Unsinn zusammenschustern muss, der noch halbwegs logisch klingt... Farf is schon schwer XD Aber freut mich, dass ichs wohl doch so gut hinbekommen hab ^^

@Drakea(Kap15): Naja unser lieber Schuschu spielt eben doch gerne... das wäre zu einfach gewesen, wenn er sich Yohji jetzt schon geschnappt hätte... *smile* Aber kommt noch, versprochen! Oh ja Mariko is schon eine kline Pestbeule... hat so den gleichen Status wie Relena (Gundam Wing) oder Sakura >__>

@Drakea (Kap16): Ach echt? O.o Das wusste ich nicht, ich hab nur den Film einmal gesehn und mal bei ner Freundin den deutschen Soundtrack gehört (Uwe Kröger *___*). Hab nicht gewusst, dass es ein Stück gebt, dass so heißt *dröppel* Also Nagi hat meiner Meinung nach die Anderen auch nicht bewusst erzogen... er hat nur in Farf einen sehr starken Beschützerinstinkt geweckt und Schu gezwungen, seine Fähigkeiten zu disziplinieren, vor allem seine Schilde ^^ Aber aktiv hat er nix gemacht... naja ich mag den Kleinen einfach ^^" Bei Farf hab ich eben versucht eine ganz eigene Art zu denken zu kreieren... ich mein, dass er durchgeknallt is, kann ja keiner bestreiten xD Aber ich mag das nicht, wenn ich ihn mit Omi pairen soll >_> Wird shcon so schwer genug... *seufz*

@Locke: Hat mich auch viel Mühe gekostet, ihn so sehr zu verdrehen, dass es schon wieder logisch wirkt XD Ich hoffe dein Monitor hat die Saft-Attacke überlebt? Ansonsten könntest du jetzt ja gar nicht weiterlesen xD Und Schu wird's noch etwas bunter treiben *räusper* ( wörtlich zu nehmen XD)

@erdschlange (Kap15): Kein Problem, bitte schön, ich helf gerne mit Infos aus, wenn ich kann ^^ Freut mich, dass dir das Kapitel zugesagt hat, ich hoffe, die nächsten tuns auch *smile*

@erdschlange (Kap16): Nope,. Yohji weiß das (noch) nicht XD Und ich hab mich bei der Verschandelung original an die Fehler im Untertitel des Anime gehalten... das steht WIRKLICH Schulderich bzw. auf einer Page im Net steh wirklich SchuldiP... ich hab das also nicht erfunden XD

@Shinn: Naja ich fand es einfach unrealistisch, dass sie sich in der Disco begegnen und WUMM: Liebe *Augen verdreh* Das hätten sie dann ja wohl auch schon früher merken können ^^ Mit Ken hab ich mir auch echt Mühe gegeben und das Stückchen, dass ihm praktisch ,fehlt' wird ja noch behandelt ^^ Es war mir wichtig, dass er trotz Killerdasein immer noch viel Herz besitzt, weil ihn das einfach ausmacht, meiner Meinung nach. Sympathielenkung *meine Leser manipulier* (XDD)

@kalenowo: Jap, Kenshi hat Nagi mit aufs Fussballfeld gezogen... darum hat er sich angeboten um zu sterben *furchtbar bin* Hat ja leider etwas länger gedauert mit dem Upload, aber ich hoffe, ich konnte meinen Standard halten ^^
 


 

Stumm saßen sie sich gegenüber, taxierten einander mit Blicken, versuchten die Reaktion des Anderen abzuschätzen. Gelegentlich ein Schluck aus der Tasse in ihren Händen nehmend, doch niemals den Gegner aus den Augen lassend.

Gut, das war maßlos übertrieben, denn vielmehr versuchte Ken seit mehreren Minuten erfolglos herauszufinden, was in Crawfords Kopf vor sich ging. Frustrierend, denn der Mann schien fast keine Mimik zu besitzen. Eigentlich war er wie Aya, wenn man es genau betrachtete, zumindest ein bisschen, aber Ken kannte sein derzeitiges Gegenüber bei weitem nicht lang genug, um die kleinsten Zeichen in dessen Gesicht zu deuten, wie er es oftmals bei dem Rotschopf konnte. So etwas fiel einem eben erst nach einiger Zeit des Beobachtens auf.
 

Eine andere Möglichkeit wäre natürlich...

"Nun frag schon." Die kühle, distanzierte Stimme holte Ken aus seinen Überlegungen in die Wirklichkeit zurück.

"Hä?" Nicht besonders intelligent, aber durchaus zweckmäßig. Innerlich schlug sich der Braunhaarige ob der Eloquenz, die er heute mal wieder an den Tag legte, vor die Stirn. Dummheit!
 

Crawfords schwarze Augenbrauen hoben sich ein wenig. "Du starrst mich an, seit wir uns vor zwei Stunden getroffen haben und seit Tagen liegt dir eine Frage auf der Zunge, also stell sie endlich."

Ken ballte die Fäuste unter der Tischplatte, konnte aber nicht verhindern, dass ihm die Hitze in die Wangen stieg. War klar, war ja so klar, dass es dem Anderen hatte auffallen müssen, ging ja nicht anders!

Oh, wie er es hasste! Wie er diesen herablassenden, zynischen Tonfall verabscheute, den Crawford immer in der Stimme hatte, wenn er mit einem von ihnen redete. Ob er mit seinem eigenen Team auch so umsprang? Vermutlich. Der Drecksack von einem Ami wusste doch gar nicht, wie man nett war. Oder doch?
 

Die braunen Augen des Jungen verdunkelten sich etwas und für einen Moment zog er in Erwägung, die Behauptung des Leaders abzustreiten, doch da hob sich auch schon die Augenbraue noch ein Stückchen weiter, als wüsste dieser genau, was Ken vorhatte. Dummer Gedanke, schalt er sich selbst, natürlich wusste Crawford Bescheid, wozu war der Herr denn ein Orakel?
 

Natürlich hatte der Schwarz vollkommen recht, wenn er behauptete, dass er ihn die ganze Zeit beobachtet hatte, den ganzen verdammten Einkauf lang, aber musste er das so drastisch formulieren? Keine Spur von Diplomatie! Aber wozu brauchte der die schon, er war ja schließlich das Orakel, vor dem alle zitterten, wenn er den Raum betrat.
 

Ken verzog den Mund etwas, seufzte dann aber und nahm noch einen Schluck aus seiner Tasse. Leugnen war zwecklos, warum dann also noch länger um den heißen Brei herum reden? Eigentlich hatte er ja die ganze Zeit nur nach einer passenden Gelegenheit gesucht, um das Thema auf den Tisch zu bringen. Obwohl es ihm unangenehm war, so durchschaubar zu sein, gab er schließlich nach.
 

"Warum hast du das gemacht...am Abend der Mission...", setzte er nach einigem Zögern noch nach. Crawford hatte ihm geholfen, nicht angenehm, aber er hatte es. Vorsichtig trank er einen Schluck und ließ die Nacht der Mission noch einmal Revue passieren, obwohl allein schon beim Gedanken an die Geschehnisse wieder dieser taube, allumfassende Schmerz der Trauer in ihm hoch kroch, den er aber schnell wieder verdrängte. Nur nicht darüber nachdenken.
 

++++++++FLASHBACK+++++++++
 

Ihm war kalt, so furchtbar kalt, doch es war eine Kälte, die unmöglich von außen kommen konnte. Sie erfüllte ihn, ließ ihn zu Eis erstarren. Und auf irgendeine Art begrüßte er die Leere, die Kälte, das Nichts. Er zitterte, ohne etwas dagegen tun zu können. Warum? Er wusste es nicht mehr, aber es tat weh.

Sein Geist wehrte sich gegen die Erinnerung, gegen das Auftauchen in eine Wirklichkeit, in die er nicht zurück wollte, nicht zurück konnte.
 

Er spürte etwas, das sich gegen seine Schulter drückte, leicht, warm, angenehm. Er wusste nicht, was es war, aber er war dankbar dafür. Es minderte die Kälte, gab ihm Halt. Vielleicht sollte er herausfinden, was es war, um mehr davon zu bekommen? Aber er konnte sich nicht bewegen, die Kälte... die Kälte...
 

Ein dumpfes Rauschen drang an seine Ohren, an- und abschwellend in unregelmäßigem Rhythmus, dann wieder gleichmäßig. Es beruhigte ihn auf eine Art, die er noch nie gefühlt hatte, es vermittelte ihm Sicherheit, bewirkte, dass er sich nicht einfach völlig in die Taubheit zurückzog, in die er sich so gerne fallen gelassen hätte. Warum durfte er nicht? Es hielt ihn, es ließ ihn nicht gehen, es....
 

Seine Lider hoben sich, langsam, flatternd, als müsste er sich erinnern, wie diese winzig kleine Muskelbewegung funktionierte. Um ihn herum waren Farben, Umrisse, nichts Wichtiges. ,Keine Gefahr', signalisierte ein kleiner Teil seines Gehirns, der immer noch zu arbeiten schien, nicht erfroren war. Zugleich hatte er das dringende Gefühl, sofort auf und davon zu müssen. Paradox.
 

"Siberian!" Was war das? Sein Körper reagierte sofort, ohne erst das Zutun seines Kopfes zu brauchen. Er setzte sich gerade und seine Muskeln spannten sich, wie die einer Katze vor dem Absprung.
 

"Hidaka!" Das war etwas anderes. Meinte es ihn? Schien wohl so, denn das Geräusch wiederholte sich einige Male. Und plötzlich war das bisschen Wärme von seinem Arm verschwunden, weg, einfach so. Seine Augen weiteten sich verwirrt und er versuchte, dem Etwas nachzukommen, konnte sich aber nicht vernünftig bewegen. Ein Gewicht ruhte in seinen Armen und sein Körper schien sich nicht entscheiden zu können, was er nun tun sollte: loslassen und nach der Wärmequelle suchen, oder das Etwas weiter festhalten. Irgendwie schien es wichtig zu sein, was ihn da behinderte, also klammerte er sich lieber weiter daran.
 

Das Geräusch war wieder verstummt und er war gerade bereit, sich wieder in die kühle Taubheit zurückfallen zu lassen, als ein scharfer Schmerz in seiner linken Gesichtshälfte explodierte. Der Grauschleier, der um ihn herum geherrscht hatte, hob sich und auf einmal sah er wieder klar. Seine Gedanken arbeiteten wieder, langsam zwar, aber sie arbeiteten.
 

Verständnislos blickte er in die dunkelgrauen Augen hinter spiegelnden Brillengläsern, in denen sich das Mondlicht brach. Crawford. Warum war der Kerl hier? Nein, besser, warum war er in seiner Nähe und noch viel wichtiger, warum hatte er ihn ganz offensichtlich geohrfeigt, wenn er das Pochen in seiner Wange richtig deutete, wovon er gerne ausging.

Was war hier eigentlich los? Und warum zum Henker stand Aya im Hintergrund und rührte keinen Finger, um ihm zu helfen, sondern sah nur zu? Neue Masche?
 

Sein Mund klappte auf, um etwas zu sagen, doch heraus kam nur ein heiseres Krächzen. Also schloss er ihn wieder und runzelte missmutig die Stirn. Na schön, dann eben von vorne. Sie hatten diesen Auftrag gehabt, waren ohne größere Schwierigkeiten in das Gebäude eingedrungen, hatten das Ziel aber aus irgendwelchen Gründen nicht gefunden, bis Aya auf diese Geheimtür gestoßen war und dann dieser Gang, die Holztür und dann....
 

Er keuchte leise, als die Erinnerung mit einem Mal wieder über ihn hereinbrach.

Kenshi. Er hatte Kenshi unter den Kinder gefunden, er hatte gesehen, wie eines ihrer Ziele auf ihn anlegte, er hatte gewusst, dass er sterben würde und dann war da plötzlich Crawford gewesen.... das war doch Crawford, oder?

Er ging jetzt einfach mal davon aus, auch wenn er sich beim besten Willen nicht erklären konnte, warum Schwarz auf einmal aufgetaucht war und warum sie ihnen geholfen hatten, es war... egal.
 

Er wandte sich von dem durchdringenden Blick des Amerikaners ab und sah nach unten, auf den kleinen, ausgekühlten Körper, den er noch immer in den Armen hielt, der langsam immer kälter wurde.

Tränen schossen ihm in die Augen. Tränen, die er die ganze Zeit nicht hatte weinen können, weil der Schock zu tief saß und schon spürte er, wie ihm das warme Nass über die Wangen lief. So lebendig... Er sah stumm zu, wie die Tränen das Kindergesicht, dessen Augen inzwischen geschlossen waren, benetzten, wie sich der kalte Schein des Mondes silbrig in ihnen widerspiegelte, den toten Zügen etwas Entrücktes verlieh.
 

"Du hättest es nicht verhindern können, auch nicht, wenn du früher gekommen wärst..." Seine Augen lösten sich von dem faszinierenden Schauspiel von Licht und Schatten auf der weißen Haut, blickten wieder in die des Schwarzhaarigen.

"Warum hast du es nicht verhindert?" Er erschrak beinahe über den Klang seiner eigenen Stimme. Kratzig, hohl, leer, kein Leben in ihr, als wäre er selbst tot.
 

"Weil ich es nicht konnte." Die Worte des Schwarz prallten an ihm ab, wie an einer unsichtbaren Mauer. Scheinbar. Äußerlich hielt seine Fassade noch, aber innerlich krümmte sich gerade etwas zusammen, wie ein getretener Wurm. Er wollte solche Worte nicht hören, doch er konnte nichts dagegen tun.

Also saß er nur da wie eine Puppe, spürte das kalte, schwere Gewicht des toten Körpers wie tausend Nadelstiche in seinem ganzen Körper und blickte mit stoischer Ruhe vor sich hin. So wie man ihn nicht kannte, nie kennengelernt hatte.
 

Sollte er dieser lächerlichen Phrase etwa glauben? Das Orakel hatte nichts dagegen tun können?

Er lachte bitter auf. Der große, mächtige, allwissende, überlegene Crawford sollte nicht den Tod eines einzelnen Kindes verhindert haben können?

Sein ganzer Körper schüttelte sich in kaltem Lachen, das unversehens in leises Schluchzen überging. Mehr Tränen rannen über seine Wangen, als er begann, sich und Kenshi vor und zurück zu wiegen.
 

"Was bist du für in Orakel? Gar keins! Du kannst noch nicht mal ein Kind beschützen! Weißt du, was du bist? GAR NICHTS!", brach es aus ihm heraus. All der angestaute Schmerz, der Hass, die Wut, die Trauer suchten sich ein Ventil und trafen auf die erst beste Zielscheibe.

Etwas in ihm schrie im gleichen Moment auf, dass er im Unrecht war, dass auch Crawford nur ein Mensch war, wenn auch ein außerordentlich begabter, aber dennoch nicht Gott. Nur ein Mensch, nur... wie er...
 

Die grauen Augen wurden noch dunkler. Hatte er einen Nerv getroffen? Gut so! Er setzte dazu an, dem Schwarz noch mehr entgegen zu schleudern, als sich plötzlich ein roter Haarschopf in sein Gesichtsfeld schob.
 

"Es ist gut, Ken, es reicht..." Eine schmale Hand legte sich auf seine Schulter und die erstaunlich weiche Berührung, die er von der Seite seines Anführers niemals erwartet hätte, brachte ihn erstaunlicherweise wieder zur Besinnung.

Noch immer liefen die Tränen und seine Lippen pressten sich hart aufeinander, damit ihm kein weiteres Schluchzen entkam, aber die Luft war vorerst raus. In ihm war nur noch Trauer und Schmerz, aber der unsägliche Hass auf Schwarz, auf alles und jeden in seiner Umgebung war verpufft.
 

Er fühlte sich schuldig, sein schlechtes Gewissen nagte an ihm ob der Worte, die er Crawford wohl ungerechtfertigt ins Gesicht geschleudert hatte. Übelkeit kroch wieder in ihm hoch, doch auch diesmal war er entschlossen, dem Gefühl nicht nachzugeben, sondern konzentrierte sich ganz auf den Moment.
 

"Ich... ich wollte nicht... ich...", stotterte er etwas verlegen und sichtlich verwirrt. Sicher, sein Hitzkopf brach öfter durch, als es gut für ihn war, aber das war es nicht wirklich, was ihn störte. Es war die Tatsache, dass es ihn berührte, einen Schwarz verletzt zu haben, die ihn dermaßen aus der Bahn warf.
 

Weiß war gut, Schwarz war böse, so war es immer gewesen und im Moment wurde sein ganzes Weltbild noch mehr gekippt als in den letzten Tagen ohnehin schon. Wenn er ehrlich war, er wusste im Augenblick einfach nicht mehr weiter, auch wenn die Wut vorerst durch den tiefen Schmerz und den Verlust seines Schützlings überlagert wurde, durch das Gefühl absoluter Hilflosigkeit, das ihm in alle Glieder schlich und ihn zu lähmen schien, es unmöglich machte, wie ein Killer, wie ein Profi zu denken, der er doch eigentlich war.
 

"Doch, du wolltest. Lass stecken, Weiß", unterbrach ihn Crawfords tiefe, eisige Stimme. Gab es überhaupt etwas, dass diesen Mann aus der Bahn warf? Irgendetwas, das ihn dazu brachte, die Beherrschung zu verlieren, diese Arroganz und unsägliche Überheblichkeit abzulegen, sei es nun aus Wut oder Betroffenheit?
 

Doch seltsamerweise gaben ihm die kalten Worte genau das, was Mitleid nie erreicht hätte: die Kraft, die Kontrolle und die Beherrschung, die er jetzt dringend benötigte. Sein Stolz rebellierte heftig dagegen, sich vor diesem Arschloch eine Blöße zu geben, schon gar nicht, nachdem Weiß bei den Gegnern so tief in der Schuld stand. Er hatte ja versucht, sich für seinen Ausbruch zu entschuldigen, aber bitte, wenn der Herr es nicht wünschte, dann sollte es eben so sein.
 

Mühsam kam er wieder auf die Beine, er würde vor keinem Schwarz im Staub sitzen und winseln, niemals! Den Schmerz, der immer noch in seinem Innern wütete, drängte er mit eiserner Macht zurück. Nicht jetzt, flüsterte eine leise Stimme, nachher... nachher...

Es war ein harter Kampf mit sich selbst, den er aber schließlich gewann und darüber entging ihm ganz der zufriedene Funke, der in Brads Augen aufglomm.
 

Nur ein weiteres, aufmerksames Augenpaar nahm Kenntnis davon, auch wenn der Kopf dahinter den neuen Eindruck noch nicht so recht einzuordnen wusste. Doch er stellte keine Fragen.
 

Aya zog sich wieder zurück, nachdem er sicher war, dass es zu keinem weiteren Ausbruch kommen würde. Erst jetzt bemerkte der Fußballer den dunklen Schopf, der an der Seite des Amerikaners vergraben war und unter dem ihn große, mitternachtsblaue Augen verwirrt und erschrocken ansahen.
 

Der jüngste Schwarz schluckte deutlich, löste sich dann ein wenig von seinem Anführer, der beinahe... beschützend seinen Arm um die schmale Gestalt gelegt hatte, trat zögerlich auf ihn zu.

"Ken.... Crawford hat es wirklich nicht verhindern können..." Nagi schluckte wieder. Er war sich dessen zwar ganz und gar nicht sicher, aber er vertraute seinem Anführer absolut und es tat ihm weh, dass Ken solche Sachen zu seinem Ziehvater sagte.
 

Der dunkelhaarige Junge rang sichtbar um Fassung, um sein übliches, gleichgültiges Selbst und die warme, schwere Hand, die ihm kurz über den Schopf fuhr, bestätigte ihm seine momentane Sicherheit, gab ihm die nötige Kraft, um wenigstens etwas Beherrschung zu wahren und nicht wieder in Tränen auszubrechen, obwohl er beim Anblick von Kens Gesicht wirklich alle Lust dazu gehabt hätte. Nicht jetzt, jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, später... später wenn er allein in seinem Zimmer war, oder heute Nacht, wenn er zu Brad unter die Decke kriechen konnte, dann, nicht jetzt.
 

Ken versuchte krampfhaft, sich ein Lächeln abzuringen, doch es misslang und wurde zu einem mehr oder weniger verunglückten Grinsen, das eher einer Grimasse als einer wohlgemeinten Geste gleichkam.
 

"Es ist schon gut und selbst wenn... ich könnte ja doch nichts dran ändern..." Ken wusste, wie hart seine Worte klingen mussten und er versuchte sie, mit einem weiteren, diesmal etwas besseren Lächeln abzumildern, aber er sah die Verletztheit in Nagis Augen und bereute sogleich, was er eben von sich gegeben hatte.
 

Schweigen breitete sich aus. Der kleine Hacker hatte sich wieder zu seinem Leader geflüchtet, stand aber jetzt nur an seiner Seite, als wolle er sich vor Ken und Abyssinian ebenfalls keine Schwäche mehr erlauben. Die Maske des Jungen saß wieder fast perfekt, nur in seinen dunklen Augen hatte die Gleichgültigkeit und Distanz noch keinen Einzug gehalten.
 

Der Fußballer biss sich auf die Unterlippe und wollte gerade noch etwas hinzufügen, als Abyssinian sich wieder einschaltete und er vorsichtshalber den Mund hielt, bevor noch mehr dummes Zeug über seine Lippen kam, das die Sache nur noch schlimmer machte. Talent für so etwas hatte er ja ganz eindeutig.
 

"Gehen wir." Der Rothaarige klang wie immer. Kühl und distanziert. Als hätte es das Szenario in dem Kellergewölbe niemals gegeben, als hätte er nicht noch bis vor zehn Minuten Kinderleichen an die Oberfläche befördert. Ken bewunderte ihn manchmal dafür.
 

Schweren Herzens und mit einem letzten, wehmütigen Blick auf das zarte Gesichtchen gab er Kenshi endlich frei, legte ihn vorsichtig auf den kalten Boden neben die anderen, sauber aufgereihten Körper. Tapfer drängte er die Tränen zurück, die ihm erneut den Hals zuschnürten. Nicht der richtige Ort. Nicht die richtige Zeit.
 

Langsam schloss er sich seinem Anführer und den beiden Schatten von Schwarz an, bemerkte am Rande, wie Yohji und Mastermind zu ihnen stießen. Sie holten Omi ab, wobei er sich im Stillen darüber wunderte, dass der blonde Junge nicht von dem Schwarz-Irren bedrängt oder auch nur belästigt wurde.

Heute schien mehr als die Mission nicht zu laufen, wie sie eigentlich sollte. Warum fiel ihm das eigentlich erst jetzt auf? Sein bester Freund war die ganze Zeit nicht da gewesen und er hatte es noch nicht mal gemerkt! Weil du nur mit dir selbst beschäftigt warst, flüsterte die böse Stimme wieder. Für einen Moment dachte er, es wäre Mastermind, doch der klang anders, ganz anders, irgendwie... anders eben.

Wenn das weißhaarige Monster Omi nun was angetan hätte? Schuldgefühl nagte in ihm, schleichend, beißend, ständig präsent.
 

Sie zogen sich zurück, ohne Schwarz diesmal, verschmolzen mit den Bäumen und Ken warf keinen Blick zurück. Es hätte nichts gebracht. Und selbst wenn, ihm wäre nicht aufgefallen, dass ihnen mehr als nur ein Augenpaar folgte.

Nur einer bemerkte es.
 

Sie erreichten ihre Fahrzeuge wenige Minuten später und eine dumpfe Explosion hallte bis zu ihnen wieder. Die Druckwelle war selbst hier noch spürbar und ein plötzlich aufkommender Wind bauschte ihre Kleidung.
 

Es war alles gesagt, die Fronten waren geklärt. Die Mission war erfüllt, aber es war nicht ihr Verdienst.

Sie machten sich schweigend auf den Heimweg.
 

++++++++++FLASHBACK ENDE++++++
 

"Weil es notwendig war."

Na toll, konnte sich der Amerikaner nicht wenigstens ein Mal, nur ein einziges, winziges Mal NICHT kryptisch ausdrücken.
 

Ken schnaubte leise, ohne es wirklich zu bemerken, was für einen Augenblick ein belustigtes Funkeln in Brads Augen erscheinen ließ, bevor sich der Schwarzhaarige wieder in der Gewalt hatte. Er sah nicht ein, warum er dem hitzköpfigen Jungen mehr Auskunft geben sollte, er gab präzise Antworten auf präzise Fragen, obwohl er die nächste schon voraussehen konnte und das OHNE seine Gabe zu benutzen.
 

"Und WARUM war es notwendig?" Oh, da war aber jemand etwas frustriert, wie es schien. Diesmal musste der Schwarz doch wirklich ein kleines Grinsen unterdrücken. Die Reaktionen seines persönlichen Einkaufstrainers amüsierten ihn von Mal zu mal mehr, jetzt, wo er deutlich mehr darauf achtete.

Für einen Moment überlegte er, die Antwort einfach zu verweigern, doch der Junge brachte es fertig und ging entweder lautstark an die Decke oder, was wesentlich schlimmer gewesen wäre, weigerte sich, ihn nächste Woche wieder zu treffen. So sehr fühlte er sich dem Phänomen Supermarkt dann doch noch nicht gewachsen, dass er dieses Risiko einging.
 

"Du bist wichtig für die Zukunft beider Teams, warum, weiß ich nicht, aber wenn du dich an diesem Abend nicht zusammengerissen hättest, wärst du so schnell nicht mehr auf die Beine gekommen..." So, das musste nun aber wirklich reichen. Brad hasste es, so viele Informationen an Leute herausgeben zu müssen, denen er nicht das Kleinste bisschen vertraute, denn er hatte keine Zweifel, dass Ken alles, was hier besprochen wurde, brühwarm an sein Team weitergab.

Nicht etwa, dass er ähnlich gehandelt hätte, seine Leute bekamen die Informationen, die sie benötigten und Punkt, aber er machte sich keinerlei Illusionen, dass das in der gegnerischen Gruppe ähnlich gehandhabt wurde.

Andererseits würde er von seinen Untergebenen auch erwarten, dass sie ihm aufschlussreiche Details aus Feindesbegegnungen lieferten, das konnte er nicht leugnen.
 

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Nachdenklich lieferte Ken die Einkäufe bei Aya ab, verschwand dann im Wohnzimmer, wo Omi auf der Couch hockte, die Beine eng an den Körper gezogen. Der Blick des Jüngeren war auf die flimmernde Mattscheibe gerichtet, doch er schien die Quizshow, die dort lief, nicht wirklich wahrzunehmen.
 

Der Fußballer ließ sich neben seinen besten Freund sinken, seufzte leise und legte den Kopf zurück auf die Lehne des Sofas, während er die Augen einen Moment schloss. Fast sofort fühlte er den Blick des Blonden auf sich.
 

"Alles in Ordnung, Ken-kun?", fragte die angenehm sanfte Stimme neben ihm, warm, weich, ohne den unterkühlten Ton, der dem schwarzhaarigen Amerikaner so eigen war.

Ken schüttelte leicht den Kopf.

"Ist schon gut, Omi, es war nur... anstrengend...", murmelte er leise und etwas resigniert. Anstrengend war vielleicht nicht das richtige Wort, aber er fand einfach kein Passenderes für die vielen Widersprüche, die in seinem Inneren tobten.
 

Auf der einen Seite war da Oracle, der keinerlei Gewissen kannte, dem Gefühle völlig fremd waren, immer arrogant, immer überheblich, dem Mitleid ein Fremdwort war und der sich gnadenlos gegenüber seinen Feinden verhielt. Auf der anderen Seite gab es da allerdings auch Crawford, der Nagi im Arm hielt und ihn tröstete, der sogar einen Pakt mit dem Feind einging, um den kleinen Hacker zu schützen, den Crawford, der sich im Supermarkt verlief, der nicht wusste, wie man Einkäufe heil nach Hause brachte und der noch nicht einmal merkte, dass die Kellnerin ihm schöne Augen machte. Wie konnten sich nur so viele Gegensätze in einer einzigen Person vereinen? Und noch wichtiger: wie sollte er um Himmels willen damit umgehen?

Er war verwirrt, zutiefst verwirrt, denn das Bild, das er immer von Schwarz, von DEM Feind schlechthin gehabt hatte, war in der letzten Woche gründlich aus seinem Rahmen gerissen worden und er wusste beim besten Willen nicht, wo er es nun wieder einsetzen sollte.
 

Ken spürte eine kleine Hand, die sich warm auf seinen Unterarm legte und öffnete die Augen wieder. Sein Blick kreuzte sich mit Omis, der mehr als besorgt wirkte.

"Ist alles klar mit... na ja, Oracle und so?" Man hörte dem Kleinen an, wie dumm er eigentlich seine eigene Frage fand, so dass Ken trotz allem lächeln musste.
 

"Ja sicher, es ist nicht leicht... und mir hängt die Mission noch wirklich nach, aber das wird schon wieder... ich bin im Moment einfach... verwirrt..." Er seufzte wieder und vergrub das Gesicht kurz in den Händen, rieb sich über die müden Augen. Er genoß das sanfte Streicheln seines Teamkollegen, der ihm mit einer freundschaftlichen Geste über die Haare und den Rücken fuhr.
 

Omi biss sich leicht auf die Unterlippe. Der Andere tat ihm wirklich leid und er hätte ihm zu gerne geholfen, aber er wusste nicht wie. Nachdenklich zog er seine Hand weg, lehnte sich ein wenig an die kräftige Schulter des Brünetten und ließ die Wärme, die von dem Größeren ausging ein paar Augenblicke zu. Er fühlte, wie sich ein muskulöser Arm um seine Schultern legte und kuschelte sich noch etwas näher.

Seit dieser verdammten Mission verbrachte er jede Nacht in Kens Bett, doch der äußerte sich nie dazu, ließ ihn nur jedes Mal wieder hinein. Der Junge merkte, dass der Ältere nicht besonders viel schlief, ihm selbst ging es ja nicht anders. Immer wieder und wieder hatte er dasselbe Bild vor Augen, die kleinen Körper, das viele Blut... Hastig kniff er die Lider zusammen, als könne er so die Szenen verbannen, die sich ihm ins Hirn gebrannt hatten.
 

Wenn das ja wenigstens alles gewesen wäre, aber wenn er mal schlief, dann tauchte in seinen Träumen immer wieder ein weißer Haarschopf auf, gepaart mit einem goldenen Auge und einem irren Lachen. Der blonde Junge wusste ganz genau, wen er da immer wieder sah, nicht zuletzt, weil sich immer wieder das Szenario von Oukas Tod bot, jede Nacht, immer und immer wieder, seit diesem verfluchten Gespräch nach dieser verfluchten Mission. Als wolle sich sein Gewissen dafür rächen, dass er für ein paar Minuten vergessen hatte, mit wem er redete, dass es ihn interessiert hatte, wie Berserker dachte, dass er es hinterfragt hatte, warum sich der Weißhaarige selbst verletzte.

Sicher, es hatte ihm auch die wichtige Information gebracht, dass der Irre keinen Schmerz empfand, was natürlich viel von seinem Verhalten erklärte und das hatte Omi auch gleich an sein Team weitergegeben, aber es erklärte keineswegs die innere Unruhe, die ihn immer befiel, wenn er an das goldene Auge dachte.

Es änderte nichts an der Tatsache, dass sein Standpunkt, der in Bezug auf Schwarz, insbesondere den Mörder seiner Schwester, bis jetzt unverrückbar festgestanden hatte und der hübsche Spiegel dieser Vorstellung jetzt einen gewaltigen Sprung besaßen.
 

Omi vergrub seinen Kopf ein wenig an Kens Brust und ließ sich umarmen, hieß die warme Nähe seines besten Freundes willkommen, das Gefühl, nicht allein zu sein.
 

Eine ganze Weile saßen sie so eng aneinander gekuschelt auf dem Sofa, während im Fernsehen der Quizmaster immer neue Fragen an die Teilnehmer stellte, eine dümmer als die andere, ohne dass die beiden Killer wirklich etwas davon mitbekamen. Der Schlafmangel und die Angespanntheit der letzten Tage machten sich bemerkbar, zusammen mit der ständigen Verwirrung und den Schuldgefühlen, die beide mit sich herumtrugen. Das Gefühl, etwas Falsches getan zu haben, auf die ein oder andere Weise, lastete schwer auf ihnen.
 

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Yohji fegte den Laden fertig aus und schloss die Tür ab, nachdem er die Blumenkübel von draußen reingeholt hatte. Seufzend lehnte er sich einen Augenblick gegen das harte Holz des Türrahmens, ließ zu, dass seine Lider nach unten klappten und sein Körper sich für einen Moment entspannte.

Was hatte er sich nur dabei gedacht? Was hatte er sich dabei gedacht, sich von dem Feind küssen zu lassen und ihn am nächsten Abend dafür nicht einfach aufzuhängen, sondern ihn auch noch zu versorgen? Sicher, Schwarz hatte ihnen das Leben gerettet, aber versorgen hätte sich der dumme, orangehaarige Deutsche ja wohl auch selber! Oder einen von seinen Kollegen fragen....

Nein, er hatte sich ja wieder einmischen müssen, war ja so klar gewesen! Kudou konnte mal wieder die Füße nicht stillhalten.
 

Nun gut, eigentlich lag es ihm weniger auf der Seele, dass er den Anderen verbunden hatte, sondern vielmehr das überdeutliche Kribbeln in seinen Fingerspitzen, als er dessen weiche Haut berührt hatte, das Flattern in seinem Magen, wenn er an die festen Muskeln darunter dachte, an.... stopp!

Stöhnend schlug er seinen Hinterkopf an das Holz, nur um feststellen zu müssen, dass der Türrahmen wesentlich härter war als sein Schädel. Für einen Moment tanzten bunte Punkte vor seinen Augen, die er nur mit einiger Mühe wieder wegblinzeln konnte. Das durfte doch nicht wahr sein! Da versuchte er schon, sich jeden Abend das Gehirn wegzusaufen und was machten die verbliebenen Zellen? Beschrieben ihm noch mal in allen Einzelheiten das Bild von Schu, als er in der Disco...
 

Noch einmal hämmerte er seinen Kopf gegen den Türrahmen, fester diesmal, doch das anziehende Bild des Deutschen in den engen Hosen wollte und wollte einfach nicht weichen. Er war verdammt nochmal NICHT SCHWUL! Er war hetero, kein warmer Bruder, vom anderen Ufer oder sonstwie geartet. Sicher, er hatte nichts dagegen, wenn jemand auf das eigene Geschlecht stand, aber das machte ihn doch selbst nicht zu einem Homo, oder? ODER? Nein, sicher nicht.

Und besser, er dachte irgendwann anders darüber nach, warum er deutsche, MÄNNLICHE Landplagen auf einmal attraktiv fand, denn sonst würde es mindestens eine davon mitbekommen, weil die nämlich gerade auf der anderen Seite der Glasscheibe stand und Yohji durchs Schaufenster hindurch anstarrte.
 

Mit einem erschrockenen Schrei taumelte der Blonde einen Schritt rückwärts. Hatte er inzwischen so viele Gehirnzellen weggesoffen, dass er schon derart halluzinierte? Ok, er hatte den Alkoholkonsum in den letzten Tagen deutlich übertrieben, aber SO sehr? Das konnte doch nicht sein!
 

//Ich glaube, ich sollte jetzt beleidigt sein, oder? Es sei denn, du hältst mich für eine Wunschvorstellung, dann könnten wir nochmal drüber reden...//, tönte auch schon die arrogante Stimme in seinem Kopf. Nein, keine Wahnvorstellung konnte derart real sein, nie im Leben.

Aber das würde bedeuten, dass der Schwarz da wirklich stand und ihn ganz dreist angrinste. Und das wäre noch viel schlimmer, weil... weil... weil eben!
 

Yohji fing sich wieder und knurrte wütend, denn er war sich sicher, dass der Andere es trotz geschlossener Tür verstehen würde und außerdem tat es gut, obwohl er genau wusste, wie lächerlich er vermutlich gerade wirkte. Außerdem hatte er immer noch die blöde Schürze um und einen Besen in der Hand, verdammt aber auch, er sollte...
 

//Aber, aber, für mich brauchst du dich nicht hübsch zu machen, ich nehm' dich auch mit der niedlichen Schürze, keine Sorge! Wenn du allerdings darauf bestehst, dich auszuziehn ist das auch kein Problem!// Da schon wieder! Konnte der nicht in seinem eigenen Schädel bleiben?
 

//Raus aus meinem Kopf, du Arsch!//, schnarrte ein überaus wütender Yohji zurück. Soweit kam's ja noch, dass er seine Gedanken teilte. War ja so klar, dass der Schwarz sich ausgerechnet jetzt, wo er eh so durch den Wind war, einmischen musste. Hatte er eigentlich irgendwann mal Ruhe?!
 

//Wenn du Ruhe hast, säufst du nur wieder...// Yohji hatte sich schon abgewandt und wollte einfach in den Wohnbereich verschwinden, allein schon, um Schuldig zu entkommen, als ihn die auf einmal sehr ernste Stimme zurückhielt.

//Was geht's dich an, Schwarz? Kümmer dich um deinen Kram und verpiss dich!// Der hatte nicht Recht, nein, hatte er ganz bestimmt nicht! Er trank nicht immer, wenn er Ruhe hatte, nur manchmal... ok, die letzten Abende immer, aber er hatte einfach nur ein bisschen schlafen wollen. Auf Ausgehen hatte er keine Lust, da kamen nur wieder die Bilder aus der Disco hoch und Frauen wollte er im Moment auch keine um sich haben. Er wollte einfach nur schlafen und vergessen... er wollte sich nicht erinnern, nicht an die Mission, nicht an seine Pflichten und schon gar nicht an den verdammten Abend in der Disco.

Ihm war schon klar, dass er sich wie ein kleines Kind benahm, das einfach die Augen vor allem verschloss, aber das nützte ihm in dieser Situation auch reichlich wenig bis gar nichts.
 

//Würd ich ja gerne, aber ich soll dem Oberkätzchen eine Nachricht vom Boss bringen...// Aha, von wegen ernst, jetzt klang die mentale Stimme wie immer: spöttisch, herablassend, gemein. Also hatte er sich das eben wirklich nur eingebildet. Er sollte nicht mehr so viel trinken!
 

//Und warum sagst du ihm das dann nicht einfach so?// Warum stand der blöde Telepath dann bitte vor ihrer Tür und wollte rein? Kaffeekränzchen? Der konnte froh sein, wenn Aya ihn nicht gleich mit seinem riesigen Küchenmesser zu Mittagessen verarbeitete. Oh, welch herrliche Vorstellung, ein verhackstückter Mastermind... aber einer musste dann auch wieder putzen und wie er sein Glück kannte, blieb der Scheiß dann wieder an ihm hängen. Dann lieber doch nicht.
 

Eine ganze Weile herrschte Schweigen, während sich Schuldig und Yohji nur mit Blicken maßen. Dem Deutschen ging es gewaltig gegen den Strich, vor dem widerborstigen, unfreundlichen Kätzchen sein kleines Geheimnis lüften zu müssen. Es blieb ihm aber wohl nichts anderes übrig, wenn er rein wollte, ohne das Schloss zu knacken, wofür die da drin ihn garantiert umbringen würden. Verdammt er hatte Hunger und wollte nach Hause, Farf hatte sein Lieblingsessen gekocht und das wollte er nicht verpassen!
 

Innerlich fluchend biss er die Zähne zusammen und antwortete schließlich deutlich widerstrebend. //Ich kann Abyssinian nicht lesen oder mit ihm reden... er kann mich komplett blocken, wenn er will und im Moment will er...//, gestand er ruhig ein, ohne den gewöhnlichen, überheblichen Tonfall, den konnte er sich in seiner Position wohl sowieso weniger leisten.
 

Verblüffung schlug ihm aus dem Geist des Playboys entgegen, so stark, dass er hastig seine Schilde hochfahren musste, um nicht überrannt zu werden. Du liebe Güte, der war aber schnell aus der Fassung zu bringen! Hatte der etwa gedacht, er, Schuldig, wäre so was wie allmächtig? Anscheinend wusste der nicht, dass es auch für starke Telepathen so was wie Grenzen gab. Schade eigentlich, er hätte ihn gerne in dem Glauben gelassen.
 

"Er kann was?" In der mentalen Art der Kommunikation ungeübt griff Yohji lieber auf die übliche Methode zurück, das erschien ihm im Moment sicherer. So etwas hätte er wirklich nie erwartet. Aber Moment mal, wenn Aya Schuldig blocken konnte, warum hatte er ihnen dann nicht was davon erzählt? Warum hatte er mit dieser wichtigen Information immer hinterm Berg gehalten und seine drei Kollegen so den mentalen Attacken des Telepathen ausgesetzt? Fragen, auf die er schnellstmöglich eine Antwort haben wollte, aber zuerst musste er mal das vordergründige Problem lösen, das, das gerade vor ihrer Ladentür stand und beleidigt das Gesicht verzog.
 

//Na danke, ich bin also ein Problem?//, meldete sich die Stimme wieder im Kopf des Blonden. Dass der Kerl auch wirklich nichts unkommentiert lassen konnte. Wie hielt es dessen Leader nur auf Dauer mit ihm aus? Der drehte doch bestimmt regelmäßig ab! Aber auf der einen Seite war es das Orakel, über den er hier gerade nachdachte und das drehte garantiert nie ab und auf der anderen Seite geschah es dem Eisblock doch gerade recht, wenn der nervige Deutsche ihn in den Wahnsinn trieb.

Zufrieden mit dem Ergebnis seiner Überlegungen zog er schließlich den Schlüsselbund hervor und schloss die Ladentür wieder auf um den Schwarz hineinzulassen. Aya würde ihn köpfen.

Ohne auf das Gemoser und Gemeckere seines Feindes zu achten, stellte er den Besen an seinen Platz, hängte seine Schürze auf und ging wortlos zur Tür, die in den Wohnbereich führte. Mastermind würde ihm schon folgen, immerhin wollte er ja eine Nachricht überbringen.

Er prallte zurück, als sich die hochgewachsene Gestalt des Deutschen urplötzlich vor ihm materialisierte. Mit einem erschrockenen Schrei taumelte er zurück, sein Herz raste wie verrückt.

"Willst du mich umbringen, du Freak! Was soll der Scheiß! Wie hast du das gemacht?!" Sicher, er wusste wie schnell der Orangehaarige war, schließlich hatten sie schon oft genug gegeneinander gekämpft, aber kein Mensch konnte sich so einfach aus dem Nichts entstehen lassen!
 

Schuldig betrachtete gleichgültig seine Fingernägel. "Ach das... Hatte ich vergessen zu erwähnen, dass ich ein Teleporter bin? Ich hab dich doch nicht etwa erschreckt, oder?" Das dämliche Grinsen wurde, wenn es denn ging, noch breiter.

Yohji knurrte wütend. "Du Arsch, warum musste ich dann eigentlich erst aufschließen? Du hättest dich doch auch gleich in die Küche... teledingsen können!" Er hatte keinen Plan, was denn ein... Teleporter genau war, aber bei dem Freak wunderte ihn eigentlich gar nichts mehr. Wer sich ungefragt und ungewollt in anderen Köpfen rum treiben konnte, beherrschte sicher auch solche Tricks ohne Probleme.
 

Der Deutsche enthielt sich jeden Kommentars, obwohl er die Gedanken des Blonden genau verfolgt hatte. Freak... na ja, wenn er meinte...

Er zuckte die Schultern und war froh, dass sein Grinsen wie immer hielt. "So war es lustiger..."
 

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Aya schnitt mit ruhigen, bedächtigen Bewegungen das Gemüse klein, verteilte es in die entsprechenden Schalen, schön fein säuberlich nach Sorte und Zeitpunkt der Verwendung sortiert. Er war ganz in sein Tun vertieft, hing dabei seinen Gedanken nach, während seine Hände automatisch jeden Griff präzise und zielgerichtet ausführten.

Wie leicht hätte er sich mit dem überaus scharfen Messer schneiden können, wie leicht... aber er passte auf, schnitt nur das Essen, nicht seine Haut. Das würde ihm jetzt gerade noch fehlen, so unkonzentriert wie er den ganzen Tag schon war. Nach außen hin sah man es ihm nicht an, aber innerlich war er mehr als aufgewühlt. Er fühlte sich unruhig, beinahe rastlos, ohne dass er einen triftigen Grund dafür fand und das machte ihn nervös.
 

Sein Team war auf seine Ruhe und Führung angewiesen, er konnte es sich nicht leisten Fehler zu machen, aber wenn er sich nicht bald zusammenriss, würden die Anderen etwas merken und dann war ihre Stabilität gefährdet. Sie verließen sich alle auf ihn, er war ihr Halt.

Mit einem kaum hörbaren Seufzen legte er das Messer einen Moment weg und stützte sich auf der Arbeitsplatte auf, rieb ich über die müden Augen. Er hatte nicht viel geschlafen in den letzten Tagen, genauso wie seine Kollegen, war viel bei seiner Schwester gewesen, hatte stumm an ihrem Bett gesessen und auf das totenbleiche Gesicht hinab gesehen. Der Anblick hatte ihm die Kraft gegeben, weiterzumachen, seine Prinzipien und nicht zuletzt seinen Schwur, diejenigen zu beseitigen, die für Aya-chans Zustand verantwortlich waren, zu brechen.
 

Er sah, wie sehr die Situation an den drei anderen Killern zerrte, wie Yohji seine Ängste und Zweifel immer mehr im Alkohol ertränkte, wie sich Ken und Omi immer enger zusammenschlossen, Trost beieinander suchten, ihn aber nur bedingt fanden. Sie alle hatten Bedenken, doch die hatten sie, beinahe ohne zu zögern, für ihn, ihren Anführer über Bord geworfen, als er sie darum gebeten hatte. Ihr Zustand ging also auf sein Konto. Eine Sünde mehr.
 

Da half es auch nicht, sich immer wieder vorzusagen, dass es auch für sie Vorteile hatte, dass Schwarz nun keine Gefahr mehr für sie war, dass sie Nutzen daraus zogen, unter dem ,Schutz' der anderen Killertruppe zu stehen. Aber was zum Teufel nützte das, wenn sie nach und nach daran zerbrachen?! So konnte das nicht weitergehen, aber egal, wie lange er darüber nachdachte, egal, wie viele Nächte er sich in dem sinnlosen Versuch, eine Lösung für das Dilemma zu finden, um die Ohren schlug, es brachte rein gar nichts, er kam zu keinem brauchbaren Ergebnis. Sein sonst so scharfer Verstand ließ ihn diesmal im Stich, nichts, was er konzipierte war irgendwie umsetzbar.

Sein Team kam mit der Zusammenarbeit mit Schwarz nicht klar, so einfach war das und es gab absolut nichts, was er, Aya, dagegen tun könnte.
 

Auf der anderen Seite war da noch das Problem, das er selbst mit Crawford und Co. hatte. Er konnte sich nicht damit abfinden, mit den Leuten zusammenarbeiten zu müssen, die seine Schwester praktisch ins Koma geschickt hatten, da konnte er sich noch so oft vorsagen, dass es nur ein Job für die Anderen gewesen war. Es brachte nichts, aber auch gar nichts, sein Verstand hatte die Tatsache schon längst akzeptiert, aber sein Herz rebellierte hasserfüllt immer wieder dagegen und beförderte ihn in eine Zerrissenheit, die er noch nie so stark erlebt hatte.

Wie konnte er sein Team durch diese Krise führen, wo er doch selbst so unsicher war, ob er das Richtige tat? Er setzte sie einem unglaublichen Risiko aus, denn wenn Kritiker davon Wind bekam, was sie hier taten, waren sie so gut wie tot und zudem kam der enorme psychische Stress. Vorhin hatte er Ken und Omi zusammengekuschelt auf der Couch gesehen und es hatte ihm die Kehle zusammengeschnürt, die beiden Jungen so hilflos und verwirrt zu sehen, aber er konnte ihnen keinen Trost geben, ihnen nicht gut zusprechen, dazu war er nicht mehr fähig. Er konnte nur versuchen, sie alle hier wieder heil rauszubringen.
 

So sehr er seine Kollegen auch mochte und so sehr er sich für sie verantwortlich fühlte, er hatte seiner Schwester gegenüber eine Verpflichtung zu erfüllen und dafür würde er alles tun, was nötig war. Er hätte es auch akzeptiert, wenn die Anderen ihm nicht in diesen Pakt gefolgt wären - er hatte es eigentlich auch gar nicht erwartet, wenn er ehrlich war. Er hatte nicht erwartet, dass sie so sehr zu ihm stehen würden. Aber er war froh darüber.
 

Umso schwerer lag die Verantwortung auf seinen Schultern, für ihr Wohlergehen zu sorgen und umso hilfloser fühlte er sich, da er mit ansehen musste, wie die dunklen Ringe unter ihren Augen von Tag zu Tag dunkler wurden, wie Yohji jeden Tag mehr nach Alkohol und Zigaretten stank, Omi Mitteilungen aus der Schule heimbrachte, dass er im Unterricht eingeschlafen war und Ken seit der Mission kein einziges Mal mehr das Haus zum Fußballspielen verlassen hatte. Seine Schuld.
 

Er nahm das Messer wieder auf. Das Mittagessen musste pünktlich fertig sein, sonst würden die drei sich wundern, weil er von seinen stoischen Gewohnheiten abwich. Die Welt konnte untergehen, aber Mittagessen gab es immer pünktlich.
 

Er war gerade dabei, das Gemüse im Wok zu garen, als er Schritte auf dem Gang hörte. Yohji... und Begleitung? Ken und Omi saßen noch immer im Wohnzimmer, das konnte er sehen, also wer war dann da? Manx oder Birman nicht, die kamen um diese Uhrzeit durch den Wohnungseingang oder machten sich wenigstens lautstark bemerkbar.
 

Er spitzte die Ohren, drehte sich aber nicht um, sondern tat, als wäre er ganz und gar in seine Arbeit vertieft. Noch konnte er den Inhaber des zweiten Paar Füße nicht ausmachen, aber es konnte sich nur noch um Sekunden handeln, bis...
 

"Aya, Besuch für dich..." Oh, Yohji klang ganz und gar nicht begeistert, dann war es was Unangenehmes und sicher keine Frau, dann hätte er nicht so patzig geklungen.

Betont langsam drehte sich der Rotschopf um, das große Küchenmesser in der einen, den Kochlöffel in der anderen Hand und erstarrte mitten in der Bewegung. Mastermind.
 

Was wollte der Kerl in seiner Küche, in seinen heiligen Hallen?! Was bildete sich dieser impertinente Arsch eigentlich ein, auch nur einen Fuß in seine Wohnung zu setzen, noch schlimmer, in seine KÜCHE!
 

Der Orangehaarige schien genauso überrascht zu sein, Aya am Herd vorzufinden. Er hatte ja nun wirklich alles erwartet, aber DAS nicht. Ein kochender Abyssinian? Das war ja fast so absurd wie ihr irrer Küchenchef. Ein Kichern bahnte sich den Weg in seiner Kehle nach oben, doch er unterdrückte es gewaltsam. Der Rothaarige sah ihn mit seinen violetten Augen so vernichtend an, dass er gewiss zu Asche verbrannt wäre, wenn Blicke töten könnten und würde wohl nicht zögern, mit dem gefährlich aussehenden Messer auf ihn loszugehen, sollte er ihn provozieren. Also doch der Versuchung widerstehen.
 

"Crawford schickt mich mit einer Nachricht...", meinte er deshalb ruhig und platzierte nur sein übliches Grinsen anstatt des erstaunten Ausdrucks auf seinem Gesicht. So war es doch gleich viel besser und er fühlte sich wieder sicherer. Der Schlagabtausch mit dem kleinen, hilflosen Playboy hatte ihm Spaß gemacht, aber der rothaarige Leader war ein ganz anderes Kaliber.

Diesen Mann wollte er nicht übermäßig reizen, zumal er hier allein gegen vier stand, wenn es hart auf hart kam und er würde nicht mal beschwören, dass er gegen den Katanaschwinger allein bestehen würde. Also lieber kein Risiko eingehen, Farfies Essen war etwas Beherrschung wert.
 

Aya zögerte kurz aber sichtbar, legte dann das Messer weg, rührte das Essen noch einmal um und zog den Wok dann von der Herdplatte, damit nichts anbrannte.

"Keller", gab er unwirsch Auskunft und Yohji einen Wink, den Weg freizumachen. Der Blonde schien überhaupt nicht davon erbaut, seinen Anführer mit dem Feind alleine zu lassen, protestierte aber nicht und gab den Weg zur Tür frei, den er automatisch verstellt hatte, um Schuldig im Notfall den Fluchtweg abschneiden zu können.
 

Inzwischen waren auch Ken und Omi auf den ungewöhnlichen Besuch aufmerksam geworden und betraten zögerlich die Küche. Sie wussten nicht, was sie von der Situation und dem ungebetenen Gast halten sollten, doch ein Blick in Ayas steinernes Gesicht genügte, um ihnen jede Frage im Hals stecken zu lassen.
 

Schuldig nickte nur und folgte dem Weiß eine Etage tiefer in den Missionsraum. Beinahe erwartete er, in einen Folterkeller gebracht zu werden, so richtig mit Ketten an der Wand und so, doch die ,Guten' schienen so etwas nicht zu besitzen. Gut für seine Person, denn obwohl er Aya nicht lesen konnte, ging von der Person des Rothaarigen so viel unterdrückter Hass aus, dass es selbst durch die festen Schilde drang.
 

Laut fiel die Tür hinter ihm ins Schloss und der Deutsche konnte nur mit etwas Mühe ein Zusammenzucken verhindern. Noch immer sprach der Japaner kein Wort, sah seinen Feind nur abwartend an und lehnte sich angespannt an seinen Stammplatz an der Wand.
 

Der Orangehaarige durchquerte den Raum, brachte etwas Abstand zwischen sie. Wer wusste schon, wie Abyssinian reagieren würde und da war es besser, er hatte für den Notfall ein wenig Spielraum und Zeit, seine Waffe zu ziehen. Auch wenn er das Katana nirgendwo sah, in dem dürren Körper des Rotschopfes steckte jede Menge Kraft und er war auch mit bloßen Händen ein ernstzunehmender Gegner.
 

"Rede." Schuldig sah ruhig auf, geradewegs in die umwölkten Amethyste seines Gegenübers. Er holte noch einmal tief Luft und begann.
 

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In der Küche hatten sich die Zurückgebliebenen an den Küchentisch gesetzt und sahen sich nun besorgt an.
 

"Glaubt ihr, die bringen sich um?", ergriff Omi schließlich als Erster das Wort und sprach somit aus, was wohl alle dachten. Von Ken erntete er allerdings nur einen sehnsüchtigen Blick auf das halbfertige Essen. Natürlich traute sich keiner von ihnen, einfach weiterzukochen, denn Aya würde sie mit Sicherheit teeren und federn, wenn er herausfand, dass sie seine Töpfe auch nur angefasst hatten. Verständlich nach dem Aussehen der Küche, als Yohji das letzte Mal zur Bratpfanne gegriffen hatte.
 

Der Blonde schüttelte leicht den Kopf und gab ihrem Fußballer einen Klaps hinter die Ohren, was der mit leisem Maulen und Gezeter quittierte.

"Ich glaub nicht, dann würde man Schu schreien hören..." Damit hatte der Playboy sofort die Aufmerksamkeit seiner Kollegen.
 

Omi runzelte nachdenklich die Stirn. "Du denkst wirklich, Aya wäre ihm überlegen?" So ganz schien der Junge nicht davon überzeugt zu sein, denn was sollte man schon gegen einen Telepathen ausrichten, der ohne Mühe die Kontrolle über die Körper seiner Opfer übernehmen, oder ganz einfach ihre Gehirne ausknipsen konnte?
 

Ken dagegen verfolgte ganz andere Gedankengänge. "Du nennst ihn SCHU?", fragte er mittelschwer entsetzt. Schu... das klang so.... komisch!
 

Yohji zuckte nur die Schultern und lehnte sich etwas zurück. "Er kann nicht in Ayas Geist eindringen und ja, ich nenne ihn Schu, weil ich seinen vollen Namen nicht aussprechen kann und er mich im Gegenzug nicht mehr mit diesem komischen, deutschen Wort ruft. Kettschn oder so..." Er wusste, was das Wort bedeutete, aber aussprechen konnte er es deswegen noch lange nicht. "Außerdem nennst du doch Oracle auch Cloffordo und den Kleinen Nagi, oder?", setzte er noch etwas trotzig dazu.
 

Der Brünette grummelte etwas Unverständliches vor sich hin. "Na und? Das sind ja auch normale Namen... aber Schu... Schu klingt wie ein Kosename!" Und das ging ihm ganz gewaltig gegen den Strich. Das war ja, als würde er Crawford auf einmal Cloffie oder so nennen. Grausam! Ihm entging darüber völlig der Rest von Yohjis Worten.
 

Omis Augen waren groß und rund geworden. "Was meinst du damit, er kann nicht in Ayas Geist eindringen? So gar nicht? Aber warum? Und wieso hat uns Aya nie was davon erzählt? Ich meine, wenn wir das auch könnten..." Seine Gedanken und Worte überschlugen sich gleichzeitig und er verhaspelte sich völlig.
 

Yohji hob beschwichtigend die Hände. "Ma, ma, Kleiner, ich hab keine Ahnung, warum und wieso und weshalb, das kann uns wohl nur Aya selber erklären, aber dazu müssen wir warten, bis der mit unserem Gast wieder aus dem Keller kommt, oder? Und deswegen bringt es auch gar nichts, jetzt Panik zu schieben, ok?" Er sah, dass er wohl einmal im Leben die richtigen Worte gefunden hatte, denn die Atmung des Jüngsten beruhigte sich wieder etwas und die Farbe kehrte in die blassen Wangen zurück.
 

Ken legte seinem besten Freund sanft eine Hand auf die Schulter. "Wir fragen ihn ja dann..." Aber er persönlich bezweifelte, dass sie eine Antwort von ihrem Leader bekommen würden.

Das Gesicht hinter der Maske

Autor: CatherineMiller

Titel: Bittersweet Feelings

Fandom: Weiß Kreuz

Kapitel: Das Gesicht hinter der Maske

Teil: 18/?

Pairings: RanxNagi; BradxKen; SchuldigxYohjixSchuldig; FarfxOmi

Warnungen: noch keine

Danksagung: Vielen Dank an mein Betas cap, Maria, Kariri und Corrychan, die sich fleißig

durch meine tausend Tippfehler mühen!

Sonstiges: Lange hat's gedauert, ich hoffe ihr habt mich nicht ganz vergessen ^^"
 

ANGEBOT: Bei mindestens zehn Kommentaren gibt's beim nächsten Upload zwei Kapitel auf einmal!
 

Kommentare: siehe Kapitel 17
 


 

Er zögerte kurz, gab sich dann aber einen kaum sichtbaren Ruck und begann.

"Crawford will, dass Nagi bei euch einzieht... nur für einige Zeit, bis Takatori aus dem Weg geräumt ist... es wird bei uns zu gefährlich für den Kleinen..." Jetzt war die Katze aus dem Sack und die Bombe damit geplatzt.

Schuldig spannte sich leicht an, sollte der Rotschopf auf die Idee kommen, ebenfalls zu explodieren und auf ihn loszugehen. Doch nichts passierte, gar nichts. Aya stand nur wie erstarrt da, kein Muskel rührte sich in dem puppenhaften, blassen Gesicht. Der Deutsche runzelte leicht die Stirn. Er hätte ja wirklich alles erwartet, aber diese Regungslosigkeit war so... untypisch für den Weiß. Dessen impulsives Temperament hätte eigentlich im gleichen Moment losbrechen müssen, so wie es bei den Kämpfen immer zu Tage trat, sobald Schwarz auftauchte oder der Name Takatori fiel oder sonst irgendwas passierte, was den Weiß emotional berührte.
 

Der Orangehaarige grinste wenn möglich noch etwas breiter. Die Kollegen des roten Kätzchens dachten, der Kerl hätte keine Gefühle, das konnte er in ihren Köpfen lesen. Wie dumm sie doch waren. Aya hatte Gefühle und wie viele! Aber er verschloss sie tief in sich, so tief, dass nicht einmal ein starker Telepath wie Schuldig in der Lage war, den Schutzwall um die Gedanken zu sprengen. Er konnte den Rotschopf nicht lesen, egal wie oft und wie sehr er es versuchte. Nur in den Momenten der höchsten Aufgewühltheit, wenn Aya die Beherrschung verlor, gelang es dem Deutschen, ein paar wenige Gedankenfetzen oder Gefühle aufzuschnappen, was mehr als unbefriedigend für seine unstillbare Neugierde war.

Crawford sagte immer, seine Wissbegier würde ihn eines Tages noch umbringen. Vielleicht hatte der blöde Amerikaner damit sogar Recht, aber was sollte es? Sterben mussten sie alle und eines Tages würde auch Schuldig seinen Meister finden. Er erwartete allerdings nicht, dass das in nächster Zukunft geschah.

Aufmerksam blickte er in die eisigen Amethyste, die keinen Rückschluss auf das zuließen, was hinter der Stirn ihres Besitzers vor sich ging. Wie gerne würde er jetzt in diesem Moment wissen, was der Andere dachte, was in ihm vorging und wie sehr frustrierte es ihn, dass er es nicht konnte. Für einen Moment erwog Schuldig die Möglichkeit, das stumme Kätzchen noch etwas zu provozieren und so vielleicht eine Reaktion zu erzwingen, aber der Weiß brachte es fertig und erwürgte ihn mit bloßen Händen, wenn er ihn zu sehr reizte, also ließ er es lieber sein und wartete ungeduldig.
 

Aya presste die Lippen zu einem schmalen, sehr unschönen Strich zusammen. Was sollte er darauf schon sagen? Sich weigern? Die Wut, die in ihm hochkochte, der Hass auf die elende Grinsekatze, der Drang, dem Deutschen die Grimasse aus dem Gesicht zu prügeln, wurden für einen Moment beinahe übermächtig. Nein, er würde sich nicht die Blöße geben! Er würde sich beherrschen.

Der Rothaarige biss die Zähne so heftig aufeinander, dass seine Kiefer einen heißen Schmerzimpuls durch seinen Kopf sandten und er glaubte, die Knochen knirschen zu hören. Er zwang sich tief durchzuatmen und Schuldig nicht sofort ins Gesicht zu springen. In diesem Moment war er dankbar wie nie, dass er in der Lage war, den Telepathen zu blocken. Warum er das konnte, wusste er nicht, er hatte irgendwann nach dem Tod seiner Eltern angefangen, eine Mauer zu bauen, die seine Gefühle tief in sich verschloss, vielleicht hielt diese auch den Orangehaarigen draußen.

Er musste mehrere Minuten warten, bis er sich so weit wieder gesammelt hatte, dass er seiner Stimme über den Weg traute. Er wollte nicht, dass irgendjemand etwas von seinem Schmerz und seiner Wut mitbekam, schon gar nicht der feindliche Killer.

"Warum?"
 

Schuldig hatte angefangen, gelangweilt seine Fingernägel zu betrachten, nachdem seine Augen alles Interessante im Raum abgeklappert hatten. Aya würde ihn nicht angreifen, so viel hatte er dann auch begriffen, aber ihm war langweilig! Hier gab es nichts zu spielen und so viel Ablenkung, dass er sich in einen der Köpfe eine Etage höher einklinkte, wollte er sich dann doch nicht gönnen. Wer wusste schon, auf was für Ideen der rothaarige Irre vor ihm noch kam, nicht, dass er ihm plötzlich doch noch unvermittelt und grundlos an die Kehle ging!

Jetzt aber sah er erstaunt auf. Er hatte sich schon beinahe damit abgefunden, hier unten verhungern zu müssen, weil der Weiß-Leader nicht in die Pötte kam und ihn weiter stumm wie ein Fisch anstarrte. Nicht, dass er es nicht gewöhnt war über einen längeren Zeitraum hinweg angesehen zu werden, aber in diesem Fall empfand er es als unangenehm. Rot war nicht seine Farbe, bordeauxrot schon gar nicht, das biss sich ganz furchtbar mit seinen Haaren. Er beeilte sich, zu antworten, umso schneller kam er hier wieder raus.

"Du weißt, dass Takatori ein... reges Interesse an dem Jungen hat..." Der Deutsche verzog das Gesicht angeekelt, damit auch ja deutlich wurde, welche Art von Interesse gemeint war. Allein der Gedanke an den alten, notgeilen Sack jagte ihm einen eisigen Schauer über den Rücken. Er lag Crawford ja schon länger in den Ohren, sich von dem widerlichen, machtgierigen Größenwahnsinnigen zu trennen, aber solange der Wichser genug zahlte, hatte sein großmächtiger Leader ja nichts davon wissen wollen. Erst jetzt, als es ihnen an die Substanz ging und das Team reell bedroht wurde, gingen dem Schwarzhaarigen wahre Kronleuchter auf. Arschloch! Konnte der denn nicht EINMAL auf ihn hören? Nein, er war ja nur der dumme Deutsche von nebenan. Dass er rein zufällig über die abartigen Gedanken ihres Geldgebers informiert war, interessierte hier wohl keinen. Also fuhr er etwas bissiger fort.

"Der Boden wird für den Kleinen zu heiß... das Orakel hat wohl gesehen, dass ihm was passieren wird, wenn er bei uns bleibt, genau kann ich dir das nicht sagen... er hat mich nur mit dieser Botschaft zu dir geschickt, mehr nicht... ah ja, und ich soll dir sagen, falls du dem Jungen auch nur ein einziges Haar krümmst, wandert dein geliebtes Schwesterlein endgültig ins Nirwana... auf nimmer Wiedersehn..." Ein gemeines Grinsen unterstrich die Worte. So hatte Crawford das zwar nicht formuliert, aber keiner hatte Schuldig verboten, die Botschaft etwas zu... modifizieren.

Befriedigt beobachtete er, wie sich die Hand des Rothaarigen zur Faust ballte. Na komm, komm, greif mich an... gib mir einen Grund, flüsterten seine Gedanken verführerisch, doch zu seiner Enttäuschung blieb Aya stehen, nickte ganz leicht. Nur in den ungewöhnlichen Augen leuchtete der blanke Hass.
 

"Verstanden... er kommt ins Gästezimmer und solange er sich an die Regeln des Hauses hält, wird ihm nichts geschehen. Sonst noch etwas?" Die Stimme des Weiß klang gepresst, er hatte jetzt wirklich Mühe, die Kontrolle über seinen Zorn nicht zu verlieren und sich einfach auf den Schwarz zu stürzen. Er hasste Schuldig, er hasste ihn genauso sehr wie das arrogante, amerikanische Arschloch und den sadistischen Irren. Ob er den Kleinen hasste, wusste er noch nicht so genau, immerhin war der noch fast ein Kind. Aber ein Kind von Schwarz.
 

Schuldig zuckte die Schulter. "Es wird wohl keine Probleme geben, sonst hätte Crawford es gesehen... sieh zu, dass er in die Schule geht und anständig seine Hausaufgaben macht... solltet ihr einen Hit haben, bleibt er selbstverständlich zu Hause und er wird auch von euch in keine Missionsvorbereitungen eingebunden... als Ausgleich garantieren wir, dass er hier nirgends rumschnüffelt, zumindest nicht auf unseren Wunsch hin..." Seiner Meinung nach war das ein mehr als faires Angebot. Sie hätten wesentlich mehr fordern können.

Der Deutsche wusste nur zu gut, dass sie jede Information einfacher haben konnten, da mussten sie nicht ihr Chibi bei den Kätzchen einschleusen. Aya wusste es auch. Und Aya wusste, dass Schuldig es wusste.
 

Der Rotschopf nickte wieder leicht, drehte sich um und verließ ohne ein weiteres Wort das Zimmer. Wie sollte er DAS seinem Team erklären? Sie hatten sich gerade erst damit abgefunden, mit Schwarz mehr oder weniger zusammenzuarbeiten, aber den Feind ins Haus zu lassen war doch noch etwas ganz anderes. Und wie um Himmels willen sollten sie den Kleinen vor Manx verstecken? Er hoffte einfach mal, dass Crawford sie rechtzeitig warnen würde, wenn Persias Sekretärin anrückte.

Hinter sich hörte er Schuldig die Treppe hinaufsteigen. Die Schritte des Telepathen waren ebenso lautlos wie seine eigenen, aber das Rascheln seiner Kleidung verriet ihn. Aya unterdrückte den unbändigen Drang, sich umzudrehen, damit er den Schwarz nicht mehr im Rücken hatte, doch er ignorierte das Gefühl und marschierte stoisch weiter in die Küche. Der Deutsche würde den Ausgang schon finden.
 

Schuldig dagegen sah sich jetzt neugierig um. Beim Hereinkommen hatte er dazu ja keine Gelegenheit gehabt. Viel gab es ja nicht zu sehen, einige Bilder an der Wand, die Weiß in privaten Situationen zeigten, Szenen aus dem Blumenladen, Aya beim Putzen (der Kerl trug doch da nicht wirklich eine Schürze, oder?) mit Staubwedel in der Hand, Ken mit dümmlichem Gesichtsausdruck in einem Haufen Blumenerde, Omi umringt von Mädchen, die scheinbar darauf aus waren, ihn zu zerquetschen, Yohji mit der obligatorischen Sonnenbrille auf der Nase in einem Liegestuhl auf der Terrasse und Ken im Hintergrund, wie er sich mit einem Eimer Wasser anschlich.

Der Deutsche grinste leicht. Dass das große, blonde Kätzchen auf dem Bild nur eine Badehose trug, tat dem Motiv wirklich keinen Abbruch, ganz im Gegenteil. Doch ehe er sich dazu hinreißen lassen konnte, das Foto noch ein bisschen ausführlicher zu betrachten, hörte er hinter sich ein leises Räuspern. Er drehte sich um und sah Omi vor sich. Fragend hob er eine Augenbraue.
 

Der Junge wirkte etwas nervös aber nicht unbedingt ängstlich. "Aya hat gesagt, ich soll dich rausbringen..."

Der Orangehaarige nickte nur stumm, auch wenn das Grinsen sich wieder verbreiterte. Wäre doch gelacht wenn... jetzt brauchte er ein bisschen Abwechslung. Er schlüpfte unbemerkt in die Gedanken des Kleineren und begann, sich umzusehen. Eijei, herrschte hier ein Chaos, das war ja kaum auszuhalten! Nicht etwa, dass Schuldig ein besonderer Ordnungsfanatiker gewesen wäre, aber durcheinandergeworfene Gedanken machten es unglaublich viel schwerer, die Person zu lesen. Ein wirrer Kopf war fast genauso wirkungsvoll wie Ayas harte Mauer. Stirnrunzelnd folgte er Omi und begann, etwas Licht ins Dunkel zu bringen, nicht so viel, dass es auffiel, aber genug, um ein bisschen was zu erfahren.

Seine Augenbrauen schossen steil nach oben, bevor er sich wieder in der Gewalt hatte. Er war nur froh, dass der Kleine ihm den Rücken zudrehte, sonst wäre der wahrscheinlich misstrauisch ob seiner Mimik geworden.

Das war ja hochinteressant, was er hier gefunden hatte. Klein-Omittchi machte sich also Gedanken um ihren Lieblingsirren? Hatte ein schlechtes Gewissen wegen seiner Schwester-Cousine, was auch immer. Das war das Problem an den ,Guten'! Sie gaben sich immer sofort für alles die Schuld. Scheiß Gewissen.
 

Die Frage war nur, was er jetzt mit dieser Information anfing. Sein Grinsen wurde deutlich gemeiner. Möglichkeiten hatte er genug und jetzt, wo er wusste, nach was er zu suchen hatte, viel es ihm leichter, auch die Träume aus Omis Unterbewusstsein herauszufiltern, die der Kleine versucht hatte, zu verdrängen. Mehr schlecht als recht, das musste man schon mal zu Protokoll geben... da war ja Ken mit seiner Schwäche für einen gewissen... naja wie auch immer, selbst der Fußballer war darin besser und bei dessen Intellekt wollte das ja was heißen. Vielleicht sollte Schuldig ja mal seinem Leader was stecken? Neiiin, das wäre zu einfach, lieber weiter beobachten, das war lustiger. Außerdem würde Braddy ihm den Kopf abhacken, weil er wohl davon ausging, dass Kens... Faible auf dem Mist des Deutschen gewachsen war. Als ob er sowas tun würde! Also bitte, er doch nicht. Aber amüsant war es schon, wie der Braunhaarige immer wieder versuchte, Crawfords Gestalt aus seinen Gedanken zu verbannen und dabei selbst nicht bemerkte, dass er sich dadurch nur noch mehr auf das Bild des Schwarz-Leaders konzentrierte. Sollte er es ihm sagen? Aber dann wäre Schuldig wohl nicht Schuldig. Also würde er den Sportler Sportler sein lassen und sich da mit Zuschauen begnügen.

Der kleine Bombay aber... Genüsslich wühlte der Orangehaarige noch ein wenig im Verstand des Jungen bis er alles zusammen hatte, was er brauchte. Mal sehen, wenn ihm heute Abend langweilig war...
 

Er blinzelte leicht, als er bemerkte, dass sie bereits vor der Ladentür standen und Omi ihn etwas ungeduldig und zugleich misstrauisch anblickte. Ups, da war er wohl etwas abwesend gewesen. So ein Pech aber auch, der Kleine würde doch nichts gemerkt haben? Aber selbst wenn... Schuldig zuckte die Achseln und verließ den Blumenladen mit einem letzten, spöttischen Nicken in Richtung des Blonden.

Brad hatte ihm verboten, die Kätzchen zu quälen, aber er hatte ihm nicht verboten, zu spielen.
 

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Innerlich seufzend sah er an der Glasfassade des protzigen Neubaus hoch. Für Takatori nur das Beste. Die neuesten Autos, die hübscheste Geliebte, die intelligentesten Kinder, die teuersten Anzüge, das modernste Gebäude und nicht zuletzt die effektivste Killertruppe Japans. Was nicht mehr auf dem neuesten Stand war, wurde weggeworfen oder abgestoßen.

Brad wechselte einen kurzen Blick mit Farfarello bevor dessen Blick apathisch wurde und sie aus dem schwarzen Mercedes stiegen.

Gehorsam trottete der Irre in seiner Zwangsjacke hinter dem großen Amerikaner her. Wie als Zeichen der Unterwerfung trug ein weißes Lederhalsband, das ein wenig zu eng auf seiner Haut saß und sich unangenehm anfühlte. Farf hasste dieses Ding, aber er hatte keine andere Wahl. Von der silbernen Schnalle des Halsbandes ging eine Kette zu den überkreuzten Riemen seiner Jacke, so dass er leicht gebeugt gehen musste. Sehr unbequem.

Er konnte nur hoffen, dass Crawford bald fertig war, damit er aus dem Ding wieder rauskam. Außerdem war das Mittagessen noch nicht fertig. Warum hatte sein Leader Schuldig ausgerechnet heute zu Weiß schicken müssen? Wäre der Deutsche da gewesen, hätte er jetzt mitgehen müssen. Nagi würde inzwischen auch schon wieder aus der Schule zurück sein und den Zettel auf dem Küchentisch finden.
 

Zielstrebig betrat der Amerikaner die riesige Lobby des Komplexes, steuerte sofort auf den Fahrstuhl zu, ohne sich um die Blicke des Rezeptionisten zu kümmern. Er kannte sich hier aus und wenn ihn sein Boss rief, hatte er alle Befugnisse. Der Schwarzhaarige knirschte übelgelaunt mit den Zähnen. Immer mehr kam er sich wie ein Laufbursche, nicht wie einer der bestbezahltesten Attentäter der Welt vor. Wer war er denn, dass er sprang, sobald der größenwahnsinnige Japaner pfiff? Das Dumme war nur, dass Eszett hinter Takatori stand und die Macht des Politikers inzwischen so groß war, dass er das Risiko, diesen zu verärgern im Moment einfach nicht eingehen konnte. Es war noch zu früh.

Eine gewisse Unruhe breitete sich in seiner Magengegend aus, wie jedes Mal, wenn er sich auf dem Weg zu seinem Auftraggeber befand, was nicht zuletzt daran lag, dass ihn seine Visionen immer öfter im Stich ließen. Seine Sorge war also begründet, denn seitdem er damit begonnen hatte, seine Gabe zu perfektionieren, so dass er sie nun größtenteils beherrschte, gab es nur eine einzige Unbekannte, die er nicht einkalkulieren konnte und mit der alles stieg und fiel: die Berechenbarkeit der beteiligten Personen. Und Irre waren nunmal nicht berechenbar. So wie er selten Visionen bekam, in denen Farfarello eine tragende Rolle spielte, so ließen auch die Voraussagen Takatori betreffend immer mehr nach und das lag ihm seit längerer Zeit wie ein Stein im Magen.

Der einzige Grund für die Zusammenarbeit mit Weiß war seine wohl begründete Sorge um die Sicherheit seines Teams. Er war sich im Grunde sicher, dass sie alle diese Krise überstehen würden, sie hatten schon ganz andere mitgemacht, aber eine gewisse Unsicherheit blieb dennoch, die ausreichte, um ihn ständig unter Spannung stehen zu lassen, ihn dazu brachte, Visionen zu erzwingen und ihn körperlich viel zu nah an seine Grenzen trieb.

Eines wusste er allerdings mit Sicherheit: Nagi war gefährdet. Er wusste um das perverse Interesse ihres Auftraggebers an seinem Ziehsohn, doch so weit würde er es nicht kommen lassen. Er hatte Aya nicht alles erzählt, es bei der offiziellen Variante belassen, die auch der Junge zu hören bekommen würde, dass Takatori irgendwelche Versuche mit Psi-Talenten anstellte und deswegen den Telekinten wollte. Die Wahrheit lag auf einer anderen Ebene. Schuldig wusste natürlich Bescheid, der trieb sich oft genug in fremden Köpfen herum und Crawford war sich sicher, dass auch Farfarello über die richtigen Gründe im Bilde war, obwohl er sich nie dazu äußern würde, wenn es nicht unbedingt notwendig war.

Deswegen hatte er gerade heute den Telepathen zu den Kätzchen geschickt. In der Nacht hatte er eine präzisere Vision bekommen und diesmal war er durchaus geneigt, ihr vollsten Glauben zu schenken.

Nagi wurde ausquartiert, das war sicherer für den Kleinen. Ob dieser es verstehen würde, stand noch in den Sternen, aber zumindest sah er keine riesengroßen Probleme auf sich zukommen, wie etwa ein in Schutt und Asche gelegtes Haus oder zertrümmerte Einrichtungsgegenstände. Wieder einmal war er froh, dass der Junge schon so erwachsen für sein Alter war, Nagi würde sicher einsichtig sein. Hoffte er.
 

Auch Brad war klar, dass dies eine entscheidende Phase im Leben des jungen Telekineten war. Seine Gabe nahm täglich an Macht zu, die es zu kontrollieren galt und auch wenn sich Nagi aufgrund seiner Vergangenheit sicher nicht wie alle anderen Teenager benahm, wesentlich nachgiebiger und gehorsamer war als seine Altersgenossen, so würde er trotzdem irgendwann anfangen, sich von Schwarz und von Crawford im Besonderem zu lösen.

Es passte dem Leader überhaupt nicht, auch wenn er das nie zugeben würde, aber sein Kleiner wurde langsam erwachsen. In nicht mehr ganz drei Jahren war er volljährig, würde Autofahren dürfen und vielleicht sogar ganz eigene Wege gehen.
 

Missmutig schüttelte der Schwarz-Leader den Kopf, was ihm einen kurzen, fast fragenden Seitenblick von Farfarello eintrug. Solche Gedanken gehörten ganz sicher nicht zu dieser Zeit an diesen Ort, schon gar nicht, wenn wohl ein neuer Auftrag anstand. Er sollte sich darauf konzentrieren, die Lage so gut wie möglich zu meistern, sonst würde er sich keine Sorgen mehr über einen autofahrenden Nagi machen müssen, denn sonst würde der Junge gar keine achtzehn werden.
 

Keine Emotion zeichnete sich in den gleichgültigen Zügen ab, die grauen Augen hinter der Brille blickten kalt in den Gang, der nun sichtbar wurde, als sich die Aufzugtüren mit einem leisen ,pling' öffneten. Hatte er instinktiv auf den richtigen Knopf gedrückt? Er konnte sich nicht erinnern, die Schalttafel bedient, ja nicht einmal, den Fahrstuhl betreten zu haben. War er so sehr in seinen Gedanken versunken? Das passierte ihm wirklich nicht oft und hier konnte es unter Umständen lebensgefährlich sein. Ein falsches Wort, ein Blick, ein Zeichen von Schwäche, nichts dergleichen konnte man sich in diesen Räumen leisten oder man fand sich schneller in ihren Kellern wieder, als einem lieb war.
 

Crawford schnaubte ganz leise und folgte dem kahlen Gang mit forschen Schritten bis zu seinem Ende. Welcher Architekt ließ sich nur so ein scheußliches Hellgelb für die Wände einfallen? Kein Wunder, dass Takatori verrückt wurde, wenn er hier jeden Morgen und Abend durch musste. Eine solche Farbe konnte nur krank machen.

Er vergewisserte sich mit einem letzten Blick, dass Farfarello auch wie ein braver Irrer aussah, man wollte den Boss ja nicht unnötig misstrauisch machen und klopfte an das dunkle Holz der Tür, die sie mittlerweile erreicht hatten. Die Sache schnell hinter sich bringen, Kontakt mit Schuldig aufnehmen, nach Hause fahren.
 

Sein Verstand arbeitete mit der gewohnten Schärfe, auch wenn er aufpassen musste, dass seine Augenlider nicht versehentlich nach unten sanken. Dank der Vision der letzten Nacht hatte er wieder so gut wie nicht geschlafen. Langsam wurde das schon zur Gewohnheit. Aber im Moment war es unmöglich, auf Schlaftabletten zurückzugreifen und so seine Gabe zumindest zum Teil zu unterdrücken, um seinen Körper die dringend benötigte Ruhe zu verschaffen. Es war zu wichtig, dass er über alle möglichen Veränderungen auf dem Laufenden gehalten wurde, vor allem, wenn es um Takatori ging.
 

Die gutgelaunte Stimme seines Auftraggebers forderte ihn auf, einzutreten. Er öffnete die Tür und gab Farfarello ein Zeichen. "Du wartest draußen." Ein scharfer, kalter Blick in das verschleierte Auge des Iren. Das alte Spiel. Ein feines, kaum sichtbares Lächeln auf den Mundwinkeln des Weißhaarigen.

Brad trat ein und schloss die Tür hinter sich, verneigte sich höflich. "Sie wollten mich sprechen, Mr. Takatori?" Er achtete darauf, dass seine Stimme jenen kleinen, kaum wahrnehmbaren amerikanischen Akzent bekam, der von ihm erwartet wurde, obwohl er das Japanische im Normalfall und Hausgebrauch beherrschte, als wäre es seine Muttersprache. Er war zu perfektionistisch veranlagt um etwas anderes zuzulassen. Aber hier wurde verlangt, dass man ihm sein Anders-Sein auch anhörte, nicht nur, dass er rein äußerlich niemals als Japaner gegolten hätte. Warum, wusste er nicht, aber das war das Erste, was Eszett ihm zum Umgang mit Takatori eingeschärft hatte. Der Mann war eben einfach nicht normal.
 

Umso mehr erstaunte es ihn, dass der Ältere nicht wie üblich an seinem Schreibtisch saß, ihm entgegenstierte und dabei versuchte, möglichst undurchschaubar auszusehen, sich damit aber einfach nur lächerlich machte. Lächerlich deshalb, weil es fast immer unmöglich war, einem Psi-Talent wirklich etwas vorzumachen, vor allem, wenn es sich um telepathische, empathische oder präkognitive Fähigkeiten handelte. Aber das würde der Spinner sowieso nie begreifen. Sollte er sich doch weiter zum Affen machen, Crawford störte das nicht weiter, solange es dabei blieb. Er ließ Takatori einfach in seinem Glauben und damit war der Fall erledigt.

Doch heute war es anders. Kein Versuch, die eingebildete Überlegenheit zu demonstrieren, keine billige Zurschaustellung der nicht vorhandenen Dominanz.

Takatori goß seine Blumen.
 

Der Amerikaner blinzelte leicht. Hatte er schon Halluzinationen vor Übermüdung? Das Bild blieb jedoch dasselbe. Sein Auftraggeber stand an einem der riesigen Panoramafenster, die einen Blick über weite Teile der Stadt erlaubten und wässerte das Grünzeug, das dort haufenweise zu finden war.

Crawford räusperte sich leicht, denn offensichtlich hatte der Japaner ihn trotz seiner Begrüßung noch nicht wahrgenommen. Aber er hatte ihn doch gerade eben hereingebeten, oder?
 

Reiji wandte sich um, schien überrascht, nicht mehr alleine zu sein, doch dann hellten sich seine Züge ein wenig auf, als er seinen Lieblingskiller erkannte.

"Ah, Crawford-san, wie schön, dass Sie den Weg zu mir gefunden haben... bitte, nehmen Sie doch Platz, ich bin sofort bei Ihnen... ich denke, Kito hier braucht noch einen Moment Zuspruch..." Er deutete auf etwas undefinierbares Grünes zu seiner Linken.
 

Der Schwarz-Leader war in diesem Moment mehr als dankbar für seine jahrelang antrainierte, eiserne Disziplin. Ohne eine Miene zu verziehen nickte er leicht und setzte sich dann gelassen auf einen der Stühle vor dem Schreibtisch. Niemand hätte ihm seine innere Anspannung angesehen, den Knoten, der sich in seinem Magen gebildet hatte oder die Gedanken, die sich in seinem Kopf überschlugen. Er zwang sich zur Ruhe und atmete lautlos einmal tief durch. Nichts, was er nicht in den Griff bekommen konnte.

War das der endgültige Beweis? Der letzte, der garantierte, dass Takatori wirklich verrückt wurde? Ok, viele Menschen redeten mit Dingen, die nicht antworten konnten, manche mit Blumen, manche mit ihren Haustieren, Schuldig redete ja sogar mit seinen Opfern, aber das hier war doch nicht mehr normal! Man sprach nicht mit Grünzeug, wenn sich einer der gefährlichsten Männer Japans im gleichen Zimmer aufhielt.

War sich der Ältere seiner Sache so sicher? Nie zuvor war Crawford so etwas passiert. Er war es gewöhnt, dass seine Gesprächspartner ihm vollste Aufmerksamkeit schenkten, das gehörte sich bei Dingen wie Mord und Attentaten einfach!

Was allerdings noch viel schwerer wog, war die Tatsache, dass er es nicht vorausgesehen hatte. Er hätte es im gleichen Moment, als er an die verfluchte Tür geklopft hatte, sehen müssen. Nichts war passiert. Gar nichts.
 

Hinter seiner Stirn begann es noch heftiger zu arbeiten. Er war dankbar für die kurze Pause, die ihm eingeräumt worden war, weil sich der Japaner immer noch im Gespräch mit dem Blättergewächs befand. So hatte er Zeit, zumindest das Gröbste zu ordnen und dafür zu sorgen, dass man ihm nichts von dem Tumult in seinem Inneren ansah.

Als sich Takatori wieder umwandte, deutete auf einmal nichts mehr darauf hin, dass etwas anders war als sonst. Der Japaner ließ sich in seinen hochlehnigen Bürostuhl hinter dem massiven Schreibtisch fallen, stützte die Ellenbogen auf der polierten Tischplatte auf und legte die Fingerspitzen zusammen. Eine Geste, die ebenso unnütz wie überflüssig und lächerlich wirkte. Doch sie beruhigte Crawford.

Auf einmal benahm sich der Mann wieder wie immer, versuchte, den Amerikaner dazu zu bringen, den Blick zu senken, indem er ihn mit gespielter Ruhe anstarrte. Brad entging jedoch das nervöse Flackern in den dunklen, mandelförmigen Augen nicht, das der andere kaum verbergen konnte.
 

Viel hätte nicht gefehlt und Crawford hätte gelächelt. Vielleicht war es nur ein kurzer Ausrutscher gewesen, vielleicht gönnte ihnen das Schicksal noch eine weitere Verschnaufpause, vielleicht hatte er ihm noch etwas Zeit abtrotzen können.

Brad machte sich selbst nichts vor. Er war kein Übermensch. Sicher, er konnte die Zukunft zu einem gewissen Teil voraussehen, wenn er es geschickt anstellte unter Umständen sogar manipulieren, was ihm natürlich einen entscheidenden Vorteil gegenüber den meisten Menschen einbrachte. Aber er war nicht allmächtig. Es gab Dinge, die unausweichlich waren und dass sie sich in absehbarer Zeit auf die eine oder andere Weise von Takatori trennen würden, war eines davon. Die Frage war nur, wann.
 

Der Killer schwieg höflich, wartete, dass der Politiker sein Anliegen vortrug. Das alte Spiel.

Irgendwann gab Takatori es auf, Crawford mit Blick niederringen zu wollen und raschelte geschäftig mit irgendwelchen nichtssagenden Papieren herum, etwas, was nur zu deutlich seine Unterlegenheit bewies. Allein der Umstand, dass er sein Wegsehen rechtfertigen zu müssen schien, machte ihn schwach.
 

Brad versagte sich eine spöttische Grimasse, das wäre im Moment ein großer Fehler und rückte sich etwas zurecht. Kam der heute nochmal zum Thema? Takatori hatte ihn ja schließlich herbestellt, was einen Grund haben MUSSTE.
 

Der ältere Mann schien nun ernsthaft etwas zu suchen, wühlte in einer unaufgeräumten Schreibtischschublade und zog schließlich eine Akte hervor.

"Meinen Informationen zufolge befindet sich in Ihrem Team ein Mann namens Farfarello, ist das korrekt?"

Crawford nickte etwas abgehackt. Was sollte denn diese dumme Frage? Takatori hatte doch alle nötigen Informationen über seine Killertruppe, mal ganz abgesehen davon, dass der Ire seine TOCHTER erschossen hatte. Das war doch wohl keine ernstgemeinte Frage?! Aber er wartete geduldig ab, was noch kam. Schon der Anfang ihres Gesprächs gefiel ihm ganz und gar nicht.
 

"Sehr schön... nun dieser Mann ist... geistig gestört, nicht wahr? Schwer zu kontrollieren, sagte man mir... äußerst blutrünstig und sadistisch veranlagt...", fuhr Takatori fort. Seine Stimme hatte nun den fröhlichen Klang von vorhin komplett verloren, sie war ruhig, professionell und gelassen. Das war wieder der Mann, den der Schwarz-Leader kennengelernt hatte. Berechnend, kalkulierend und skrupellos. Er sprach über Dinge wie Mord oder Verrat, als würde er über das Wetter diskutieren. Das war, bevor er begonnen hatte, seinen Verstand im Größenwahn einzubüßen. Er hatte den Älteren damals sehr geschätzt.
 

Wieder nickte Crawford. Wenn er nur wüsste, worauf dieses Gespräch hinauslief... er zog einen Teil seiner Konzentration ab und versuchte, eine Vision zu empfangen und wäre sie auch noch so schwach, irgendwas, das ihm wenigstens eine Richtung... ein heißer Blitz durchzuckte seine Gedanken. Er konnte nicht verhindern, dass seine Hände sich kurz zu Fäusten ballten, bevor er in der Lage war, sie wieder zu entspannen. Zum Glück konnte sein Gegenüber das von seinem Standpunkt aus nicht sehen.

Er hatte es gewusst. Er hatte gewusst, dass es passieren würde, schon länger. Aber warum ausgerechnet JETZT?! Zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt!

Himmel, wenn der Kerl DAS wirklich vorhatte... war ihm denn nicht klar, dass er damit sein Todesurteil unterzeichnete? Selbst wenn es ihm um Rache ging... Und was war mit Eszett? Brad konnte nicht glauben, dass diese einfach so einen ihrer besten Männer... aber langsam, eines nach dem anderen. Erst das hier erledigen, dann weiterdenken.

Es gab wohl letztendlich nur eine Antwort auf alle Fragen: Reiji Takatori war nun vollends übergeschnappt.
 

Es reizte Brad, den Japaner einfach zu unterbrechen und das Gespräch somit entscheidend abzukürzen, aber er unterließ es. Er demonstrierte niemals seine Überlegenheit gegenüber seinem Auftraggeber, indem er diesem seine Fähigkeiten auf die Nase band. Es genügte ihm, dass der andere über sein Wissen im Bilde war und ihm trotzdem nichts weiter übrig blieb, als die Befehle auszusprechen, da der Leader sich nicht äußerte.
 

"Sehr schön... nun, Sie wissen sicher, dass meine... Institutionen auch einen Forschungsteil beinhalten, nicht wahr? Wir sind gerade dabei, eine neue Methode zu testen, die Gefahr, die Irre nun einmal durch ihre Unkontrollierbarkeit darstellen... abzuschwächen. Irre wie ihr Farfarello. Ihre Organisation hat mir zugetragen, dass es zunehmend schwerer wird, ihn zu kontrollieren... mir kam zu Ohren, dass es da einen Vorfall gegeben hat, der..."

Crawford ließ ihn weiterreden. Irgendwann würde er dem Mann mal sagen, wie bescheiden seine Eloquenz war. Diese dauernden Wiederholungen zerrten an seinen Nerven. Früher wäre das dem Politiker niemals passiert. Immer hatte dieser darauf geachtet, was er wie sagte, niemals war ein Wort falsch gewählt gewesen, die Betonung immer auf die Situation und den Gesprächspartner abgestimmt. Ein höhnisches Grinsen machte sich in Brad breit, ohne dass es an die Oberfläche gedrungen wäre. Was war nur aus dem Genie Takatori geworden, aus dem kalten, intriganten, hochintelligenten Mann? Ein armer, größenwahnsinniger Irrer, mit dem man vielleicht Mitleid haben könnte, wäre er nicht so gefährlich.

Ein Gedanke durchzuckte Brads Kopf. Wann hatte die Veränderung eingesetzt? Wann hatte Takatori begonnen, nicht mehr rational zu denken und zu handeln. Eine Erinnerung stieg in ihm auf, Bombay, wie er ein blutendes Mädchen in den Armen hielt, Schuldig, der mehr über die Türschwelle der Villa gekrochen war, als wirklich zu laufen. Der Deutsche hatte ihm damals das Bild übermittelt, bevor er bewusstlos geworden war. Der Leader hatte nicht gefragt. Er hatte einen Blick mit Farfarello gewechselt, der nicht viel besser aussah als der Orangehaarige, aber mit dem entscheidenden Unterschied, dass es ihm nichts ausmachte. Ein paar Narben mehr oder weniger, was machte das schon?

Ein dummer Zufall, dass es gerade die Tochter ihres Auftraggebers gewesen war? Nein, Crawford hatte gelernt, nicht mehr an Zufälle zu glauben und da war etwas im Blick des Iren, das ihn schaudern ließ, etwas wie ein verborgenes, unheimliches Wissen, das nur Farfarello selbst besaß. Es war dem Amerikaner damals noch nicht klar gewesen, aber ebensowenig wie der Vorfall mit Takatoris Tochter ein Zufall sein konnte, war es auch der jetzige Zustand des Politikers und dieser irrwitzige Befehl.
 

Schnell rief er sich zur Ordnung und lauschte weiter dem sinnlosen Geplapper des Japaners. Warum musste der jetzt ausführlich die Situation beschreiben, über die Brad viel besser Bescheid wusste? Immerhin war er dabei gewesen!

Dass das ganze Spielchen mit dem Blut und den Leichenteilen eigentlich nur als Alibi für Farfarello gedient hatte, musste ja keiner wissen. Eszett hatte vor einiger Zeit geplant, den Irren einem anderen Team zuzuordnen, weil dieser scheinbar ruhiger geworden war. Also hatte Schwarz bei einem Auftrag ein kleines Blutbad inszeniert und behauptet, dass nur Schuldig in der Lage gewesen wäre, Farf wieder unter Kontrolle zu bringen. Einfach, aber wirkungsvoll und die Opfer waren eh schon tot gewesen, die hatte das auch nicht mehr interessiert, ob sie nun am Stück blieben, oder nicht. Dass der Irre sich dabei noch etwas hatte austoben können und zugegebenermaßen auch vorher noch etwas spielen durfte, war eigentlich eher nebensächlich. Nun schien es aber, dass der Schuss ein wenig nach hinten losgegangen war. Ein wenig zu viel.
 

"... ein Risiko, dem Ihre Organisation und ich Sie nicht länger aussetzen wollen", schloss Takatori seinen Monolog und sah den Amerikaner erwartungsvoll an, als würde er Dank oder dergleichen erwarten.

Der Schwarz-Leader richtete sich ein wenig auf. "Seien Sie versichert, Mr. Takatori, dass Mastermind durchaus in der Lage ist Berserker zu kontrollieren, wenn es notwendig ist... er ist mit dem Geist des Irren vertraut und bestens für so etwas ausgebildet..." Auch dass Schuldig sich niemals in Farfarellos Geist begab, musste hier keiner wissen. Details am Rande, die keinen etwas angingen. Und Crawford log Takatori und jedem anderen eiskalt ins Gesicht, wenn es notwendig war.
 

"Ich bitte Sie, Crawford-san, was soll denn werden, wenn Mastermind einmal ausfällt? Sie haben einen gefährlichen Job, da kann es immer zu Verletzungen kommen und was soll dann werden? Es wird mir eine Freude sein, sie von diesem Problem zu befreien, ich greife meinen Mitarbeitern doch immer gerne unter die Arme." Seine Worte täuschten aufgrund des Tonfalls, in dem sie gesprochen wurden nicht über ihre eigentliche Bedeutung hinweg. Es war nichts anderes als ein klarer Befehl, der keinen Widerspruch duldete.
 

Der Amerikaner neigte leicht den Kopf. "Dafür sind wir Ihnen natürlich sehr dankbar, Mr. Takatori", antwortete er schlicht. Seine Gabe hatte ihm gezeigt, was bei einer Weigerung geschehen würde und so hatten sie zumindest noch etwas Zeit. Hätte er jetzt abgelehnt, würde der Japaner Farfarello sofort hier behalten, wenn nötig mit der Waffengewalt seiner rund hundert Sicherheitsleute, die überall im Haus postiert waren. Eine Übermacht, der sich Brad unter keinen Umständen alleine stellen konnte, nicht einmal, wenn Farfarello ihm half.
 

Takatori lächelte seinen Bodyguard fröhlich an. "Nun, dann wäre ja alles geklärt, heute in einer Woche benötige ich meinen Irren... bitte sorgen Sie dafür, dass er transportfähig ist, ja?"

Das war's dann wohl, sowas wie ein mehr oder weniger höflicher Rausschmiss. Und auch dieses widerliche, entrückte Lächeln war wieder auf den Zügen des Japaners, der ihm durch seine Brille fröhlich zuzwinkerte. Ekelhaft.
 

Äußerlich unbewegt stand Crawford auf und wandte sich zum Gehen. Er hatte noch eine Woche Zeit. Sieben Tage. 168 Stunden. 10080 Minuten. Vielleicht fiel ihm ja noch etwas ein, wie er sie aus diesem Schlamassel wieder herausbefördern konnte, es MUSSTE ihm einfach etwas einfallen. Was auch immer es war, es musste verflucht schnell gehen. "Soll ich ihn wieder herbringen?"
 

Sein Boss hatte sich inzwischen ebenfalls erhoben und war wieder zu seinen Blumen geschlendert. Betrachtete man sein Profil, bemerkte man, dass der Mann deutlich zugenommen hatte, etwas, was einem durch den raffinierten Schnitt des Anzugs vorher nie aufgefallen wäre. Auch das war früher nicht der Fall gewesen.

Brad runzelte leicht die Stirn. Wie viel war ihm in letzter Zeit entgangen? War er etwa unaufmerksam geworden? Unverantwortlich in ihrem Job und er musste zudem noch für seine drei Kollegen sorgen.
 

"Ach, machen Sie sich keine Umstände, Crawford-san, ich lasse einen meiner Männer kommen, der holt es dann bei Ihnen ab..."

Schon alleine, dass der Kerl die Frechheit besaß, Farfarello als 'es' zu bezeichnen, brachte Brads Wut fast zum Überkochen. Doch eines wusste er genau: wenn er Takatori jetzt angriff, würde niemand von ihnen das Gebäude lebendig verlassen. Er musste sich gedulden, so schwer es auch fiel.
 

Wieder nickte er nur höflich, dachte aber gar nicht daran, sich zu verabschieden, genausowenig, wie er eine Begrüßung beim Eintreten von sich gab. Er ging einfach, öffnete die Tür und warf noch einmal einen Blick über die Schulter. Takatori hatte wieder die Gießkanne zur Hand genommen und wässerte das Grünzeug. Arglos hatte er dem Schwarz den Rücken zugedreht, etwas, das man besser nicht tat. Es wäre so einfach.
 

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Brads Gesicht war unbewegt wie immer und Nagi zog es vor, es ihm gleichzutun. Bei Farfarello wusste man ohnehin selten, was gerade in seinem wirren Kopf vorging, nur Schuldig rutschte unruhig auf der Couch herum. Obwohl er Brad nicht lesen konnte, spürte er dessen Unruhe, ein deutliches Zeichen, wie ernst die Lage war, denn wenn er mal von seinem Leader IRGENDETWAS empfing, was nicht von ihm gewollt war, dann war das schon ein besonderes Ereignis. Und bei diesem Gefühl war er sich zu hundert Prozent sicher, dass der andere es nach außen hin unterdrückt hätte, wenn es ihm denn möglich gewesen wäre.
 

Im Stillen bewunderte er die perfekte Beherrschung, die sein Anführer an den Tag legte, denn sein Gesicht verriet nichts von seinen Gefühlen, nur seine Augen zuckten ein paar mal zu oft und unruhig über die Gesichter seiner Teamkollegen, was allerdings nur einem wirklich aufmerksamen Beobachter auffallen würde.
 

Er selbst wurde immer ungeduldiger und platzte fast schon, weil Brad immer noch nicht das Wort ergriff.

Wäre Schuldig etwas weniger eingenommen vom seltsamen Verhalten seines Leaders gewesen, so hätte er sicher bemerkt, dass Farfarello ebenfalls unruhig wurde, je länger ihr Leader schwieg. So aber beeilte er sich nur, dem Irren das alberne Halsband und die Zwangsjacke abzunehmen, die dieser immer noch trug, weil er mit Crawford unterwegs gewesen war, während Schuldig bei den Kätzchen weilte.

Im Prinzip wusste der Deutsche ja, worum es ging, aber das Verhalten seines Leaders war so seltsam, dass sich eine Anspannung in ihm ausbreitete, die er sich nur schwer erklären konnte. Eigentlich hatte er ja erwartet, nach Hause zu kommen, die Reste des Mittagessens zu vertilgen und sich dann etwas für das kleine Bombay-Kätzchen auszudenken. Stattdessen hatte Crawford eine Besprechung angekündigt. Es wunderte den Orangehaarigen doch sehr, dass der Amerikaner ihren Jüngsten nicht einfach beiseite genommen und ihm die Sache erklärt hatte. Nein, hier ging es um mehr, sehr viel mehr als er selbst vermutet hatte.
 

Brad trat zunächst mit auf dem Rücken verschränkten Händen an eines der Panoramafenster, die in der Südwand eingelassen waren. Er musste sich erst selbst etwas sammeln, bevor er seinem Team die Hiobsbotschaft überbringen konnte.
 

Noch einmal atmete er tief durch, schloss die Augen für einen Moment, was aber niemand sehen konnte, öffnete sie dann wieder und drehte sich um. "Er will Farfarello." Nur ein Satz, mehr nicht, aber er schlug ein wie eine Bombe.
 

Schuldig hatte gerade angesetzt, etwas zu sagen, ungeduldig zu drängeln, erstarrte jetzt aber mit aufgeklapptem Mund, brauchte eine ganze Weile, bis er das Gesagte verarbeitet hatte. "Der will was? Wieso denn?" Er konnte sich vorläufig noch nicht entscheiden, ob er lieber verwirrt oder entsetzt war. Vordergründig eher erstaunt, weil er sich beim besten Willen nicht vorstellen konnte, was Takatori mit dem Irren anfangen wollte, so pervers der auch war, er war sicher nicht lebensmüde und in seinem Verständnis war der Weißhaarige noch immer fast unkontrollierbar, dafür hatten sie ja gesorgt. Und was war mit Nagi? Wollte er jetzt beide oder wie?
 

Nagi saß stocksteif und kreidebleich auf dem Sofa. Sein Gehirn arbeitete schneller und er wusste aus seinen Recherchen, was ihr Auftraggeber in seinem Keller so trieb, dass er dort mehr als nur eine Leiche versteckt hatte. Viel mehr. Und er konnte sich an einer Hand abzählen, wie lange Farfarello dort unten überleben würde, wobei sicher mehr als ein Finger übrig bleiben würde. Trotz seiner Schmerzunempfindlichkeit war er nicht unsterblich, er konnte genauso verletzt werden, wie jeder andere Mensch, er war eben nur etwas zäher als die meisten.
 

"Er will an ihm eine neue Methode testen um... Irre ruhigzustellen... seine bisherigen Versuchsobjekte sind alle während des Eingriffs gestorben, weil sie die Schmerzen nicht ertrugen... die Operation muss bei vollem Bewusstsein durchgeführt werden, weil sonst lebensnotwendige Teile des Gehirns beschädigt werden können....", erklärte der Schwarz-Leader derweil.
 

Menschen, die ihn so gut kannten wie sein Team, bemerkten das Stocken in seiner Stimme, das Flackern des kühlen, sonst so ruhigen Blickes, die angespannten Muskeln seiner Oberarme unter dem teuren Stoff des Anzugs, das Zurechtrücken seiner Brille.
 

Für einen weiteren Moment herrschte Totenstille, als nun auch Schuldig begriff, was das hieß. Sie würden Farfarello verlieren, nur weil ein Irrer meinte, Irre ruhig stellen zu müssen. "DER will WAS?" Seine Stimme bebte vor Wut. Er hatte sich bei weitem nicht so gut unter Kontrolle wie Brad oder Nagi, wollte es auch gar nicht.
 

Nicht nur seine eigenen Gedanken und Emotionen kochten in diesem Moment über, von seinem jüngeren Kollegen schwappte eine Welle des Unverständnisses und der Verzweiflung herüber, die er erstmal blocken musste, so heftig war sie. Selbst in Farfarellos unerschütterlichem Geist, den er nie hatte lesen können, regte sich etwas, was am ehesten Erstaunen gleichkam, von seinem Anführer einmal ganz zu schweigen, der immer noch wesentlich aufgewühlter war, als er zugeben wollte.
 

Brad ignorierte Schuldig für den Moment und sah Farf ruhig an. "Du weißt, was das bedeutet?"

Der Ire nickte. "Ich werde sterben..." Denn nichts anderes war es im Prinzip, auch wenn sein Körper weiterhin existierte. Er konnte sich gut vorstellen, wie dieses ,Ruhigstellen' aussah. Sein Körper lebte, aber sein Geist war nicht mehr fähig, ihn zu kontrollieren. Lebendig begraben im eigenen Leib.

Angst hatte er eigentlich nicht wirklich, Schmerzen würde er dabei ja ohnehin nicht empfinden. Aber er wollte nicht weg von Schwarz. Wer würde denn kochen, wer auf Nagi aufpassen, wenn der Kleine aus der Schule kam? Wer würde das Frühstück machen, dafür sorgen, dass Brad regelmäßig aß und sich nicht nur von Kaffee ernährte oder dass Schuldig nicht völlig verlotterte, weil ihm niemand seine Sachen wusch oder ihn zum Aufräumen zwang?
 

Crawford ließ den Blick durch den Raum gleiten. Innerlich war er fast am Verzweifeln. Der Deutsche machte die Sache nicht gerade besser, indem er immer wieder vor dem Kamin auf und ab tigerte, sinnlose Wörter vor sich hinmurmelte, die keiner so genau verstehen wollte.
 

Nagi saß immer noch da und hatte sich seit seinem Hinsetzen keinen Zentimeter gerührt. Er stand wie unter Schock. Sie wollten ihm Farfarello wegnehmen! Das war der einzige Gedanke, der seinen Geist beherrschte, nachdem er die Nachricht richtig eingeordnet hatte. Sie wollten ihm Farfie wegnehmen und irgendwelche Experimente an ihm machen!
 

Die Luft um ihn herum fing an, zu vibrieren, die Fensterscheiben klirrten, seine Augen begannen zu leuchten. Brad brach den stummen Blickwechsel mit Farfarello, fuhr herum, alle Aufmerksamkeit der Anwesenden richtete sich alleine auf ihr jüngstes Teammitglied.
 

Ein leises, einzelnes Wort verließ seinen Mund, streifte seine Lippen kaum, war nur als Hauchen zu hören. "Nein!"
 

Brad sah es kommen, bevor Nagi sich darüber klar wurde, was er tun würde. "SCHULDIG!" Der Schwarzhaarige sprang vor, riss den Jungen von der Couch und drückte ihn zu Boden. Sofort war Schuldig heran, legte seine Hände an die Schläfen des Kleineren, der nun begann, sich wie wild zu wehren. Obwohl Brad wesentlich größer und kräftiger war, musste er alle Energie dafür aufwenden, seinen Ziehsohn am Boden zu halten, dessen telekinetischen Kräften war er nicht gewachsen.
 

Schuldig konzentrierte sich derweil fest auf Nagis Geist, tauchte vorsichtig hinein. Er stolperte mitten in ein heilloses Chaos von Bild- und Wortfetzen von Gedanken, Erinnerungen, Geräuschen, Gefühlen und solch tiefer Verzweiflung, dass er kämpfen musste, um sich nicht selbst darin zu verlieren.
 

Wie von weit her hörte er Brads Stimme, doch sie sprach nicht mit ihm, sie versuchte jemand anderen zu beruhigen, zu trösten... war das real? Waren es die Erinnerungen des Jungen? Er konnte es nicht sagen. Suchend sah er sich nach der Quelle von Nagis Bewusstsein um. Er musste schnell machen, lange würde sein Anführer den tobenden Telekineten nicht mehr in Schach halten können, dafür war der Junge zu stark.
 

Er stocherte weiter, bis er auf ein hell leuchtendes Zentrum stieß. Schnell griff er zu, nicht allzu fest, aber anscheinend fest genug. Das Leuchten wurde schwächer, zu einem milden Glimmen und das rauschende Toben um ihn herum verstummte fast vollständig.
 

Er beeilte sich, aus dem fremden Geist zurück in seinen eigenen Körper zu kommen, lehnte sich wenige Sekunden später schwer atmend und leichenblass gegen das Sofa, wischte sich den Schweiß von der Stirn und schloss erschöpft die Augen.
 

"Er wird stärker...", murmelte er leise nach ein paar Minuten und sah Brad schließlich an. Der sah nicht besser aus, als er selbst, der Anzug verrutscht und zerknittert, Schweiß auf der Stirn und zitterte ebenfalls leicht vor Anstrengung. Auf seinem rechten Jochbein begann sich eine Schwellung auszubreiten und blau zu färben. Offensichtlich hatte ihn Nagi in seinem Bestreben, loszukommen, getroffen.
 

Der Schwarzhaarige nickte und wandte den Blick zur Seite. Erst jetzt bemerkte auch der Deutsche, dass sie nicht mehr allein vor der Couch saßen. Wann war Farf zu ihnen gekommen? Er konnte es nicht sagen, sah nur, dass der Irre den kleinen Telekineten in den Armen hielt und ihm beruhigend über die Wangen und die Stirn streichelte.
 

Sein goldenes Augen ruhte mit eindeutig besorgtem Blick auf dem Gesicht des Kleinen, das weiß wie die Wand war. Dieser Anfall war heftiger gewesen als alle, die sie bisher erlebt hatten und sie konnten von Glück sagen, dass Brad es noch rechtzeitig bemerkt hatte.
 

"Ich weiß nicht, ob ich das nochmal schaffe..." Schuldig war kurz davor, einfach zusammenzuklappen, er fühlte sich ausgelaugt und sein Atem flog noch immer wie nach einem Marathonlauf. Er versuchte krampfhaft, weiterhin aufrecht zu sitzen, schaffte es aber nicht mehr und kippte schließlich nach vorne, direkt in die Arme seines Anführers, der ihn auffing und so davor bewahrte, mit dem Gesicht voran auf dem Teppich aufzuschlagen.
 

Der orangehaarige Telepath schlief bereits, merkte noch nicht einmal, wie er von zitternden Armen hochgehoben und auf das Sofa gelegt, anschließend zugedeckt wurde. Brad richtete sich auf. Gerne hätte er seinen Kollegen in dessen Zimmer gebracht, damit er sich richtig ausschlafen konnte, aber ihm fehlte einfach die Kraft. Er war schon froh, wenn er selbst die Treppe hochkam.
 

Er sah auf Farfarello hinunter, der noch immer Nagi in den Armen hielt, ihn an seine Brust drückte, sah die unausgesprochene Frage im goldenen Auge des Weißhaarigen. "Eine Woche...", meinte er leise und hockte sich noch einmal hin, um dem Irren eine Hand auf die Schulter zu legen.
 

"Wir werden einen Weg finden, ganz bestimmt... wir werden nicht zulassen, dass er dich holt..." Gleichzeitig fragte er sich, wen er wohl damit beruhigen wollte, den anderen oder sich selbst.
 

Der Irre nickte nur, man sah ihm nicht an, wie schwer es ihm fiel, an die schönen Worte zu glauben. Vielleicht bestand eine Chance, solange er noch hier zu Hause war, wenn ihn ihr Auftraggeber erst einmal in den Fängen hatte, war er verloren. Er wusste besser als jeder andere, dass man Takatoris Keller nur mit dessen Willen, oder als Leiche verließ.

Brad erwiderte den Blick aus dem goldenen Auge nun deutlich ruhiger. Die Stärke des Iren gab auch ihm die Kraft, die er jetzt gerade dringend benötigte. Er war völlig übermüdet, erschöpft von dem Kampf mit Nagi, wollte eigentlich nur schlafen, doch der intensive, ruhige Blick hielt ihn aufrecht. Er musste jetzt stark sein, er war der Anführer. Die anderen zählten auf ihn, ob ihm das jetzt gefiel oder nicht.

Erst heute war ihm wieder so richtig bewusst geworden, was der Kleine ihm eigentlich bedeutete, dass er mehr war, als eine bloße Schwäche, die er sich erlaubte, weil er es sich leisten konnte, sie zu besitzen. Er liebte den Jüngeren wirklich wie ein eigenes Kind, auch wenn er es niemals wirklich sein könnte. Und er wusste, dass es Nagi wohl ähnlich ging, alleine wie der Junge versuchte, sein Verhalten zu imitieren, ihm nachzueifern, es ihm recht zu machen.

Er würde das Vertrauen, das seine drei Teammitglieder in ihn setzten nicht enttäuschen. Und wenn er dafür den Pakt mit dem Teufel eingehen musste, dann war es eben so.

Schuld und Sühne

Autor: CatherineMiller

Titel: Bittersweet Feelings

Fandom: Weiß Kreuz

Kapitel: Schuld und Sühne

Teil: 19/?

Pairings: RanxNagi; BradxKen; SchuldigxYohjixSchuldig; FarfxOmi

Warnungen: noch keine

Danksagung: Vielen Dank an mein Betas cap, Maria, Kariri und Corrychan, die sich fleißig durch meine tausend Tippfehler mühen!
 

Sonstiges: Soooo erst mal ein dickes, fettes Sorry, weil ich drei Monate fürs neue Kapitel gebraucht hab, aber Abi und Cosplay nähen hat mich doch ein kleines bisschen eingespannt *drop* Aber nu isses vorbei, bzw die dummen Kostüme fast fertig und ihr bekommt wieder was zu lesen *smile* Und das auch noch, bevor ich nächste Woche auf die Animagic fahr *mich soooo drauf freu* Sollte noch jemand hinkommen und Lust auf ein Treffen haben, einfach Mail schreiben, bis Mittwoch bin ich auf jeden Fall da und kann sie lesen ^^
 

Kommentare werden das nächste Mal beantwortet weil ich diesmal keine Zeit hatte, entschuldigung dafür *verbeug*
 

ANGEBOT: Bei mindestens zehn Kommentaren gibt's beim nächsten Upload zwei Kapitel auf einmal! Kommentare: siehe Kapitel 17
 


 

Es war dunkel und still. Vor seinem Fenster hörte er das Zwitschern eines einzelnen Vogels, nicht zu laut, angenehm. Die Decke lag schwer auf seinem Körper und der Geruch sagte ihm, dass er nicht in seinem eigenen Bett lag.

Seine glatte Stirn legte sich in Falten, als er versuchte sich zu erinnern, wie er hierher gekommen war. Nach der Schule war er nach Hause gelaufen, hatte sich vorher von Omi verabschiedet und dann... ja was? Genau, das Haus war verlassen gewesen, Schuldig bei Weiß und Brad mit Farf bei Takatori... er hatte sich noch geärgert, weil er hungrig war und das Essen nicht fertig. Also war er ins Wohnzimmer gewandert, hatte sein hastig geschmiertes Brot gegessen und bemerkt, dass es nicht so gut schmeckte, wie wenn es der Ire machte und gewartet.

Brad war wiedergekommen und dann... dann... dann war da ein großes, dunkles Loch. Er konnte sich noch erinnern, dass sein Leader etwas zu ihm gesagt hatte, etwas, dass ihn erschreckte, ihm Angst gemacht hatte, aber WAS das gewesen war, wusste er nicht mehr. Es musste wichtig gewesen sein, sonst... ja sonst wäre er wohl nicht ausgerastet.

Er kannte das Gefühl der Schwäche, dass seinen Körper beherrschte, die verschwommene Sicht, die leichten Kopfschmerzen. Die Kontrolle über seine Kräfte war ihm ein weiteres Mal entglitten. Er konnte wirklich nur hoffen, dass diesmal nicht allzu viel dabei kaputt gegangen war, sonst würde er sich wieder eine waschechte Gardinenpredigt von seinem Vormund anhören dürfen und Schuldig würde ihn die nächste Zeit gnadenlos damit aufziehen. Auf beides verzichtete er dann doch lieber dankend.
 

Langsam und zögernd öffnete er seine Augen. Schummriges Dämmerlicht herrschte in Brads aufgeräumtem Zimmer, alles war da, wo Nagi es in Erinnerung hatte. Also waren die Schäden zumindest nicht stockwerkübergreifend. Erst jetzt spürte er eine fremde Präsenz neben sich, offensichtlich war diesmal auch seine Wahrnehmung deutlich gestört. Normalerweise war er sich der Anwesenheit anderer Menschen wesentlich früher bewusst.

Warum überraschte es ihn nicht, dass sein Leader wieder einmal schlafend neben ihm lag? Ein kleines Lächeln huschte über das ernste Gesicht des Jungen. Brad sah schon wieder so verletzlich aus, so anders. Er mochte es, wenn der Amerikaner schlief, auch wenn er das niemandem gegenüber zugegeben hätte.

Nagi musterte die blassen, entspannten Züge eingehend und blieb an dem dunkelblau-violetten Bluterguss auf dem rechten Jochbein hängen. Die dunkle Vorahnung, dass die Schwellung seine Schuld war, beschlich ihn. Von schlechtem Gewissen geplagt biss er sich auf die Unterlippe und presste die Lider fest zusammen, als würde die Verletzung davon verschwinden.
 

Der Körper neben ihm bewegte sich leicht. Rasch öffnete er die Augen und begegnete der Besorgnis aus dunkelgrauer Iris. Nagi versucht, seine Lippen zum Lächeln zu bringen, doch Brads Blick bewies, dass es eher eine Grimasse wurde. Zu seinem Entsetzen spürte der Junge, wie Tränen in seiner Kehle aufstiegen, dort beim Zurückdrängen einen dicken Klos bildeten. Er wollte jetzt nicht weinen, er würde auch nicht weinen. Er würde stark sein!

Zittrig zog er seine Linke unter der Bettdecke hervor und berührte hauchzart die Schwellung im Gesicht seines Leaders.

„Tut mir leid“, wisperte Nagi und war erschrocken, wie erstickt seine Stimme klang, wie sehr sie zitterte und wie viel sie über seinen Gefühlszustand preisgab. Am liebsten hätte er sich jetzt unter die weiche, warme Bettdecke gegraben und sein Gesicht an Brads Brust versteckt. Aber er war kein kleines Kind mehr. Er war Schwarz.

Schlimm genug, dass er nachts so oft nicht alleine schlafen konnte, aber jetzt war es Tag. Er konnte sich nicht immer hinter seinem Anführer verstecken.
 

Der Amerikaner maß seinen Schützling einen Moment mit einem undeutbaren Blick, bevor seine Züge wieder weicher wurden. Nagi erinnerte in diesem Moment so sehr an den kleinen Jungen, den er damals von der Straße aufgelesen hatte. Genau so hatte er ihn vor acht Jahren auch angesehen und der Blick, erfüllt von Furcht und Zweifel aus großen, dunkelblauen Augen ging Brad heute noch durch und durch.
 

„Es ist nicht schlimm... ich werde es schon überleben....“ Da versuchte er wirklich mal einen Scherz zu machen und was passierte? Überrascht blickte der Schwarz-Leader auf das weinende, zitternde Bündel hinunter, das sich unversehens an seine Brust geworfen hatte, sich jetzt in sein ohnehin schon völlig zerknittertes Hemd krallte und so noch weitere Falten produzierte. Er sollte das Scherzen sein lassen.

Ein wenig ungeschickt strich die große Hand des Schwarzhaarigen über den schmalen, zuckenden Rücken, die Schulter, den dunkelbraunen, verwuschelten Schopf. Er wusste nicht so recht, wie er mit der Situation umgehen sollte. Sicher, Nagi kam oft nachts zu ihm, aber er weinte nie. War er traurig, zog er sich in sein Zimmer zurück und ließ niemanden an sich heran. Die Augenblicke, in denen Brad in den letzten Jahren Tränen in den Augen des Jungen gesehen hatte, konnte man bequem an zwei Händen abzählen. Warum also gerade jetzt? Lag es nur an der Überbeanspruchung seiner Kräfte, dass der Kleine so emotional reagierte? Oder einfach nur daran, dass Nagi eigentlich noch ein halbes Kind war.
 

Schuldig hatte ihm mal erzählt, wie es für ein Psitalent war, wenn es seine Kräfte zu stark einsetzte und über das gesunde Normalmaß hinaus beanspruchte, wie zum Beispiel in Situationen großer Angst, Panik, Freude oder auch Erregung. Brad kannte so etwas nicht. Wenn er es mit seinen Visionen übertrieb, plagten ihn tagelang Kopfschmerzen, Übelkeit, Sehbeschwerden, manchmal so wie in jüngster Zeit auch Totalausfälle, je nach Intensität der heraufbeschworenen Bilder und der Verknüpfung seines Gehirns damit.

Als er noch jünger gewesen war, viel jünger, hatte er sich regelmäßig an seine Grenzen getrieben. Einerseits, um sich selbst besser einschätzen zu können, andererseits um sich die Überlegenheit über seinen Körper und Geist zu beweisen, indem er seine Visionen erzwang. Heute hatte er das nicht mehr nötig. Er tat so was nur noch, wenn es absolut notwendig war.

Brad wusste nicht, ob es an seinen präkognitiven Fähigkeiten lag oder an seiner persönlichen Selbstbeherrschung, aber er stürzte nicht in ein emotionales Tief, er hatte zumindest seinen Geist und seine Gefühle weiterhin unter Kontrolle, wenn auch oft seinen geschwächten Körper nicht. Das waren Umstände, mit denen er leben konnte. Aber er hatte Schuldig erlebt, wenn er seine Telepathie zu oft und zu viel benutzt hatte, er erlebte Nagi nach seinen Anfällen und immer wieder war er Rosenkreuz im Stillen für die harte Ausbildung dankbar, die er durchlaufen hatte. Niemals würde er zulassen, dass sie den kleinen Telekineten in die Finger bekamen, aber für ihn selbst war es gut so wie es war.

Sanft kraulte er durch Nagis Haare, wartete einfach still ab, bis der Junge sich wieder etwas beruhigt hatte. Dann hob er das schmale Kinn an und strich ungelenk die Tränenspuren von den blassen Wangen.

„Es ist gut.“
 

Nagi schniefte noch kurz, schluckte dann aber sichtbar und riss sich zusammen. Er war schon erstaunt, wie Brad auf ihn reagiert hatte, aber er musste die Geduld des großen Mannes auch nicht so sehr überstrapazieren.

„Was ist passiert? Was hast du zu mir gesagt?“, fragte er deshalb leise, die Stimme immer noch etwas schwankend, aber wieder beherrschter als zuvor. Stärke. Kälte. Lage sondieren.

Auch wenn Brad sich etwas dafür schämte, so war er doch froh, dass der Junge sich wieder einigermaßen im Griff hatte. Er war einfach nicht der Typ, der mit Emotionalität umgehen konnte, so war es schon wesentlich besser und er fühlte sich weniger überfordert, ein Zustand, der nur höchst selten vorkam, den er aber nichtsdestotrotz hasste, wann immer er auftrat.
 

„Wirst du deine Kräfte diesmal unter Kontrolle halten?“, fragte er ruhig nach. Er hing eigentlich schon an seiner Schlafzimmereinrichtung, so dumm das auch klingen mochte und hatte nicht vor, sich in nächster Zeit davon zu trennen, schon gar nicht durch einen kleinen, telekinetischen Hausunfall. Holzsplitter bekam man so schlecht aus den Wänden und der Haut wieder heraus.
 

Nagi nickte leicht. „Ich glaube, du hast mich einfach nur mit dem, was du gesagt hast, überrascht...“, versuchte er sich etwas stockend zu entschuldigen. Er konnte sich ja selbst nicht so richtig erklären, was den Schock ausgelöst hatte. Vielleicht würde Brads Aussage helfen.
 

Der Amerikaner überlegte einen Moment, wartete, ob ihn eine Vision warnen würde, doch die Bilder, die sich in seinem Kopf formten, zeigten nur das blasse, erschrockene Gesicht seines Schützlings, dass sich zusehends verschloss, den kindlichen, verletzlichen Ausdruck verlor, jedoch keine demolierten Schränke oder Fensterscheiben. Damit konnte er leben.

„Ich habe euch gesagt, dass Takatori Farfarello für irgendwelche Experimente haben will“, wiederholte er also seine Worte aus dem Wohnzimmer in einer kürzeren Ausführung. Mehr brauchte Nagi nicht zu wissen. Er würde den Kleinen immer noch zu Weiß schicken, jetzt vielleicht sogar erst recht, aber der Junge braucht nicht zu wissen warum. Brad hatte mehr als genug Übung im Lügen und Nagi war im Moment schon belastet genug, da musste er sich nicht auch noch mit den schmutzigen Plänen eines alten Lüstlings herumschlagen.
 

Nagi erbleichte sichtlich und kurz wackelte das Gestell des Bettes, doch wie er versprochen hatte, hielt er sich diesmal zurück. Nichts ging zu Bruch, die dunklen Augen leuchteten nur schwach auf, bevor sich die üblich, kühle Maske über die schmalen Züge schob.

„Wirst du zustimmen?“, fragte er reserviert, auch wenn er das eigentlich nicht glaubte. Man konnte seinem Leader wirklich viel ankreiden, er mochte oft genug ein arroganter, eiskalten Bastard sein, vor allem, wenn es um den Job ging, aber er hatte noch nie ein Teammitglied im Stich gelassen.
 

Brad schüttelte leicht den Kopf. „Nein, wir werden uns von Takatori lösen.“ So viel konnte und sollte Nagi ja durchaus wissen, immerhin war er ja ein Teammitglied und sie würden ihn sicher nicht nur als Hacker brauchen, sondern auch seine Kräfte als wirkungsvolle Waffe, sollte es hart auf hart kommen. Dem Schwarzhaarigen war bei diesem Gedanken gar nicht wohl. Er schickte seinen Ziehsohn nicht gerne auf Mission, hatte es bis jetzt nur dann getan, wenn es wirklich unbedingt notwendig gewesen war, wenn sonst einem von ihnen etwas Gravierendes passiert wäre, wie etwa der Verlust eines lebensnotwendigen Körperteils. Ohne Kopf existierte es sich leider nur schlecht, genauso wenn etwas an einer entscheidenden Stelle darinsteckte.

Er hatte sogar mal eine Schussverletzung in Kauf akzeptiert, weil er auch gesehen hatte, dass er sie überleben würde. Er würde noch viel mehr in Kauf nehmen, damit Nagi nicht so wurde wie sie.
 

Sofort saß der dunkelhaarige Junge kerzengerade im Bett, die Augen schreckgeweitet. „WAS?! Bist du denn wahnsinnig? Und was ist mit Sz?“
 

Eine schwarze Augenbraue des Amerikaners hob sich leicht. Er verstand ja, dass Nagi aufgebracht war, aber das rechtfertigte noch lange keine solche Respektlosigkeit. Der weiche Ausdruck schwand von seinem Gesicht und machte der gewöhnlichen, professionell unterkühlten Miene Platz.

„Nicht das ich wüsste, aber danke der Nachfrage.“ Sein Ton war sarkastisch und durchzogen von leichtem Spott. Er wusste genau, dass er Nagi damit sehr traf, aber sonst würde er das Kommende wohl kaum durchstehen. Sicher, der Kleine würde wütend auf ihn sein, aber ein wütender, lebendiger, unversehrter Nagi war immer noch besser als ein toter, vergewa... nun ja auf jeden Fall besser als die mögliche Alternative.

„Du hast mich schon richtig verstanden.“ Auch Brad setzte sich nun auf und schwang die langen Beine über die Bettkante, erhob sich und drehte dem Jungen den Rücken zu. Er wanderte zum Fenster und zog die Jalousien nach oben.

Er konnte seinem Ziehsohn jetzt nicht ins Gesicht blicken, sonst würde sein Entschluss womöglich noch ins Wanken geraten. Das durfte er nicht, wenn er nicht die Sicherheit seines ganzen Teams gefährden wollte. Es MUSSTE alles nach Plan laufen, eine andere Möglichkeit gab es nicht.

„Und deshalb wirst du uns für eine Weile verlassen. Ich will, dass du alles Nötige bis heute Abend gepackt hast.“ Sein Ton wurde noch eine Spur kälter und es lag ein harter, befehlender Ton darin, der keinen Widerspruch duldete. Er wusste, was jetzt kam. Und er hasste es.
 

Wie angestochen sprang Nagi auf die Füße, strauchelte fast, weil seine schwachen Beine ihn kaum tragen wollten. „WAS??!! Ich soll weggehen? Du willst mich WEGSCHICKEN?!“ Seine Stimme hallte schrill durch den Raum, überschlug sich beinahe. Er konnte nicht glauben, was er da zu hören bekam. Das konnte doch alles gar nicht wahr sein! Was war denn in den letzten Stunden nur passiert? Sein ganzes Leben so wie er es kannte, geriet plötzlich aus den Fugen, schon seit er in die neue Klasse gekommen war. Konnte es nicht einfach werden wie früher? Es war doch gerade so... geregelt gewesen. Nicht perfekt vielleicht aber wenigstens lebenswert.
 

Crawfords Schultern strafften sich und er drehte sich betont langsam zu seinem Mündel um. „Mäßige deinen Ton und erinnere dich, mit wem du redest. Ich bin immer noch dein Teamleader und du wirst tun, was ich dir sage. Du wirst zu Weiß gehen und du wirst ihnen keine Schwierigkeiten machen, hast du mich verstanden? Sollte mir auch nur eine Klage zu Ohren kommen, dass du deinem Team Schande bereitet hast, wirst du was erleben. Du bist Schwarz, also benimm dich gefälligst auch so.“ Seine Stimme war eisig und hart wie Granit. Keine Spur mehr von dem liebevollen, fürsorglichen Mann, der er noch vor wenigen Minuten gewesen war.
 

Nagi zuckte zusammen, als hätte der Größere ihn geschlagen. Auf einmal war ihm eiskalt und er fröstelte. „Z-zu Weiß.... Brad... was... das kannst du nicht tun! Ich werde nicht zu Weiß gehen! Ich...“ Er verstummte abrupt, als die Fläche der linken Hand seines Leader mit einem überlaut wirkenden Klatschen seine rechte Wange traf. Perplex hielt er sich die brennende Gesichtshälfte und starrte seinen Anführer aus riesengroßen Augen an. Nie, noch NIEMALS hatte Brad ihn geschlagen, nicht einmal wenn er etwas falsch gemacht hatte oder etwas durch seine Unbeherrschtheit zu Bruch gegangen war. Nie hatte sein Ziehvater Hand an ihn gelegt. Entsetzt blickte er in die dunkelgrauen Augen, in denen ein schwarzes Feuer flackerte.
 

„Wage es nicht, dich mir zu widersetzen. Widersprich mir nicht noch einmal, ich warne dich. Bisher habe ich dich immer bevorzugt, aber diesmal wirst du ohne Wenn und Aber gehorchen. Geh packen! Sofort! In drei Stunden will ich dich mit Koffer in der Eingangshalle sehen. Und jetzt raus hier!“ Trotz seiner harten Worte war seine Stimme immer noch ruhig. Gefährlich ruhig und sie jagte Nagi einen Schauer über den Rücken. Es war die Stimme, mit der Oracle seine Opfer ansprach, bevor er ihnen eine Kugel durch den Kopf jagte. Der Junge drehte sich um und rannte aus dem Zimmer.
 

Hätte Nagi nur etwas genauer hingesehen, hätte er wohl den wehmütigen Blick in Brads Augen wahrgenommen, der der kleinen Jungengestalt beim Verlassen des Raumes folgte. So aber floh er nur, geschockt, verwirrt, erschüttert bis ins tiefste Innere. Crawford hatte ihn geschlagen. Er hatte mit ihm geredet wie er sonst nur mit Schuldig sprach, wenn der etwas Unvertretbares angestellt hatte, wie zum Beispiel einen Gefangenen vor der Befragung zu töten. Er floh aus dem Schlafzimmer, in dem er sich immer so gerne aufgehalten hatte, das für ihn immer Geborgenheit und Sicherheit gewesen war. Er floh vor dem eisigen Blick und vor der harten Stimme. Blind rannte er durch den Gang in seine eigenen Räume und knallte die Tür hinter sich zu.

Das Holz vibrierte stark, als er sich von innen dagegen fallen ließ, doch er ließ seinen Kräften nicht noch einmal freien Lauf. Wie ein Mantra wiederholte er immer und immer wieder unsinnige Worte im Geist, konzentrierte sich voll und ganz darauf, bis er sich wieder einigermaßen beruhigt hatte. Er war immer noch aufgewühlt, wütend, traurig, entsetzt, geschockt, ihm war zum Heulen zumute, alles auf einmal, doch alles was er tat, war sich am Türstock nach unten rutschen zu lassen. Am Liebsten hätte er jetzt irgendwas mit Absicht kaputt gemacht, vorzugsweise etwas, das Crawford mochte.

Wenn es doch nur nicht so unglaublich weh tun würde. Er hatte immer gedacht, dass ihn mit seinem Vormund mehr verband als die Beziehung von Anführer und Teammitglied, von Vorgesetztem und Mitarbeiter. Dass er für den Amerikaner mehr war als nur ein guter Hacker mit praktischen, telekinetischen Kräften. Er hatte sich offenbar getäuscht.

Doch sein Geist weigerte sich schlicht und ergreifend, dass all die Jahre eine Lüge gewesen waren, die unzähligen Nächte, in denen Brad ihn einfach nur festgehalten hatte, die vielen Male, die er ihn beschützt und ihm mit kleinen, fast unsichtbaren Gesten bewiesen hatte, dass er etwas Besonderes war. Das konnte doch nicht alles nur Show gewesen sein. Vor allem, was sollte es seinem Anführer nützen, so etwas vorzugaukeln? Das wäre doch nur Zeit- und Energieverschwendung.

Dagegen stand allerdings das seltsame Verhalten. Wollte Brad ihn wirklich nur zu Weiß schicken, um ihn aus der Schusslinie zu haben? Aber wer würde dann die Aufträge planen, die Informationen sammeln und zusammenstellen? Er war wichtig für Schwarz, das wusste er nur zu gut, vielleicht nicht unentbehrlich und unersetzlich, aber doch wichtig.

Das alles verwirrte ihn einfach nur, seine Gedanken liefen Amok hinter seiner Stirn, aber er wagte es nicht, sich Crawford erneut zu widersetzen und dessen Wut wieder auf sich zu ziehen. Ein gewalttätiger Ausbruch am Tag reichte ihm wahrhaftig und seine Wange pochte immer noch. Schnell erhob er sich und wischte sich über die brennenden Augen. Einmal Weinen am Tag war auch genug, befand er und schluckte ein paar Mal kräftig, um den schmerzenden Kloß in seinem Hals wegzubekommen. Nicht, dass es etwas genutzt hätte, aber einen Versuch war es wert gewesen.

Zu Weiß. In die Höhle des Löwen. Na schön. Die kleinen Hände ballten sich entschlossen zu Fäusten. Er war Schwarz. Er würde dem Team keine Schande machen. Und Brad auch nicht.
 

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Seufzend trat er wieder ans Fenster und starrte blicklos in den großen Garten hinaus. Wie lange würde er diesen Anblick noch genießen können? Die friedliche Ruhe, die Stille, die ihn dabei immer durchzog. Seine linke Hand ballte sich zur Faust. Es war die einzige Möglichkeit und doch...

Er spürte unvermittelt eine fremde Präsenz hinter sich. Umdrehen musste er sich nicht, er wusste auch so, wer da stand.

„Solltest du nicht im Bett liegen, Schuldig?“, fragte er ruhig und lehnte die Stirn gegen das kühle Glas. Eine Geste der Schwäche, die er sich nur selten gestattete. Aber er fühlte sich müde und erschöpft, seelisch wie körperlich. Nur einen Moment Ruhe, nur einen kleinen Augenblick, bevor er wieder seinen Pflichten nachkam.

Er protestierte nicht, als sich Arme von hinten um ihn schlossen, versteifte sich nur kurz, bevor er die körperliche Nähe für ein paar Augenblicke zuließ.
 

„Mach dir keine Vorwürfe, es war die einzige Möglichkeit...“, drang die vertraute Stimme des Deutschen leise an sein Ohr. Schuldig klang genauso müde, wie er sich fühlte, genauso ausgelaugt. Die Situation zehrte an ihnen allen, es wurde Zeit, das Ganze zu beenden, damit sie wieder ruhig schlafen konnten.
 

„Ich weiß“, erwiderte er ruhiger als er sich fühlte. Seine Lider schlossen sich kurz und er atmete tief durch.

„War es ein Fehler? Ihn wegzuschicken? Er war wütend...“ Es tat ihm so unendlich leid, Nagi geschlagen zu haben, aber seine Visionen hatten ihm gezeigt, dass es die einzige Möglichkeit gewesen war, den Protest des Jungen im Keim zu ersticken. Nie hatte der Kleine so offen gegen ihn rebelliert, auch wenn er es durchaus nachvollziehen konnte. Immerhin sollte Nagi ja ins Haus des Feindes überwechseln, wer würde sich da nicht wehren? Er war sich sicher, dass es das Beste war und doch blieben Zweifel. Und Schmerz.
 

Schuldig lachte leise und streichelt flüchtig über die breite Brust unter seinen Händen. „Sag du es mir, Bradley, du bist das Orakel...“ Der Orangehaarige löste sich wieder von seinem Leader, denn er spürte, dass der kurze Augenblick des Innehaltens vorüber war. Seine grünen Augen waren leicht glasig vor Müdigkeit und mentaler Schwäche und er machte den Eindruck, jeden Moment umzufallen.
 

Brad seufzte leise und drehte sich um. In seinen Augen war ein Funken Besorgnis zu erkennen, als er den Telepathen musterte. „Geh wieder ins Bett Schuldig... ich weck dich, bevor ich Nagi zu Weiß bringe, damit du dich verabschieden kannst...“ Kurz berührte er den Kleineren an der Schulter, als er an ihm vorbei zur Tür ging und den Raum in Richtung seines Büros verließ. Es war noch viel zu tun.
 

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Aya betrat die Küche wieder. Die emotionslose Maske seines Gesichts verbarg wirkungsvoll den Aufruhr hinter seiner Stirn. Am liebsten hätte er den Deutschen kalt gemacht. Mit dem vermaledeiten Kochlöffel, wenn es sein musste.

Innerlich kochend vor Wut nahm er seinen Platz am Herd wieder ein, als wäre nichts geschehen, als würde nicht immer noch ein feindlicher Killer in ihren Mauern weilen und widmete sich auch den äußerlich brodelnden Dingen, die bereits einen angenehmen Duft verbreiteten. Vielleicht würde die Anderen die Nachricht ja besser aufnehmen, wenn sie satt und rund waren. Vollgefressen flippte es sich bekanntlich schwerer aus.

Trotzdem spürte er die Blicke seiner Kollegen wie Nadelstiche im Nacken, auch wenn er sich entschloss, sie vorerst zu ignorieren.
 

„Äh... Aya... Mastermind... steht immer noch im Flur...“, meldete sich da zögernd die Stimme ihres Jüngsten.

Ein kühler Blick aus violetten Augen traf Omi und er fühlte sich irgendwie durchbohrt.
 

„Dann bring ihn raus.“ Weia, die Stimme des Leaders war noch unterkühlter als sonst, ok, auch kein Wunder, wenn man bedachte, wer da draußen rumschnüffelte und scheinbar gar nicht daran dachte, zu verschwinden.

Seufzend erhob sich der blonde Junge von seinem Platz am Tisch und schlich unter den mitleidigen Blicken seiner Kollegen nach draußen. Pah, die hätte ihm ruhig helfen können, aber nein... sicher beneideten sie ihn nicht um seine Aufgabe. Er tat es auch nicht.
 

Er ließ sich nichts anmerken, als er in den Flur kam und den Deutschen kurz dabei beobachtete, wie dieser die Fotos an ihrer Wand studierte. Das Bild, dass er dabei abgab, störte Omi gewaltig. Nicht nur, weil er den Telepathen nicht mochte, sondern auch, weil Mastermind gerade dabei war, einige ihrer liebsten und privatesten Erinnerungen anzusehen. Der junge Killer empfand das als mehr als unangebracht. Er wartete noch ein paar Sekunden, doch da der Orangehaarige keine Anstalten machte, von ihm Notiz zu nehmen, räusperte er sich leicht.
 

„Aya hat gesagt, ich soll dich rausbringen...“, fügte er auf einen fragenden Blick des Anderen hinzu. Warum sollte er wohl sonst hier sein, als dazu, den Feind wieder vor die Tür zu setzen? Meinte der etwa, er würde ihn zu Essen einladen? So weit kam‘s noch, ein Schwarz an ihrem Tisch! Aya würde sich wohl eher selbst aufschlitzen oder an Yohjis Drähten erhängen, je nach Stimmung, bevor er so etwas zuließ. Natürlich erst, nachdem er Mastermind gekillt hatte.
 

Was ihn allerdings eher verwunderte, war die Tatsache, dass er keine fremde Präsenz in seinen Gedanken spürte. Sollte sich der Kerl wirklich dran halten und seinem Kopf fernbleiben? Omi zweifelte doch sehr stark daran, auch wenn er dafür mehr als dankbar gewesen wäre. Er hatte im Moment Sorgen, die niemand sehen sollte, schon gar kein Schwarz. Vor allem kein Schwarz.

Dafür kreisten seine Gedanken viel zu oft um ein gewisses, weißhaariges Mitglied, des gegnerischen Teams. Ein Umstand, den er sich keineswegs erklären konnte oder wollte, aber die Tatsachen ließen sich nun mal weder leugnen noch schön reden. Er war zwar ein wahres As im Verdrängen seiner Probleme, aber manchem musste auch er sich stellen. Je schneller er diese Situation in den Griff bekam, desto schneller verschwand sie auch wieder, dessen war er sich sicher. Er musste den Dingen nur auf den Grund gehen und Berserker würde wieder aus seiner Gedankenwelt verschwinden, dorthin, woher er gekommen war.

Sicher, er fühlte sich schuldig wegen seiner Schwester und bestimmt war es der Hass auf den Schwarz, der dafür sorgte, dass er ständig das einzelne, goldene Auge, die Narben, die Messer, das irre Lächeln vor sich sah. Aber warum ging ihm dann auch das Gespräch nach der Mission nicht mehr aus dem Kopf? Warum spielte es sich immer und immer wieder vor seinem inneren Auge ab? Warum hatte er das Bedürfnis, dem Irren noch weitere Fragen zu stellen? War es einfach nur Neugierde oder Wissensdurst, jetzt, wo er wusste, worin das Geheimnis des Verrückten lag? Der Grund dafür, dass der junge Mann niemals Rücksicht auf sich selbst nahm, denn klar, wenn man keine Schmerzen spürte, musste man auch nicht vorsichtig sein. Sicher kannte der die Bedeutung des Wortes Angst überhaupt nicht. Andererseits hatte er sie sicher schon oft genug in den Augen seiner Opfer gesehen. Aber war das das Gleiche? Schließlich hatte er auch schon mehr als einmal Schmerz gesehen.

Omi war nahe daran, frustriert aufzustöhnen. Seine Gedanken drehten sich schon wieder wirr im Kreis und seine Schuldgefühle verstärkten sich im gleichen Maß. Er sollte Berserker einfach nur hassen, nicht am Ende noch nach seinen Beweggründen fragen. Der Mann war ein Monster, sonst nichts.

Der Fluss an Informationen in seinem Geist stoppte, als er die Ladentür erreichte. Eigentlich hatte er erwartet, dass Mastermind nun wirklich ging, doch der stand einfach nur da und schaute ihn mit einem so seltsamen Blick an, dass unwillkürlich Misstrauen in Omi aufstieg. Las der etwa doch seine Gedanken, ohne dass er selbst etwas davon bemerkte? Konnte er das denn? Hatte Oracle nicht gesagt, dass der Telepath sich aus ihren Köpfen raushalten würde? Aber was wollte man von so einem schon erwarten, der log doch wie gedruckt. Omis Misstrauen verstärkte sich noch.

Doch da schien sich der Orangehaarige wieder zu fangen. Er nickte dem Blonden noch einmal spöttisch zu und verließ den Blumenladen ohne dass Omi noch einmal etwas sagen musste. Kurz sah der Junge noch der hochgewachsenen, schlanken Gestalt in dem dunkelgrünen Gehrock nach, bevor er den Kopf schüttelte und die Ladentür wieder abschloss. Komischer Vogel, aber wenn er sich über DEN auch noch den Kopf zerbrach, dann wurde er wohl wirklich verrückt. Ein Schwarz am Tag der seine Gedanken einnahm, genügte völlig.
 

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In der Küche breitete sich eisiges Schweigen aus. Aya machte mit mühsam beherrschtem Zorn das Essen fertig, auch wenn der Umstand, dass sein Gemüt am Kochen war nur einem wirklich aufmerksamen Beobachter aufgefallen wäre. Es lag an der Art, wie er sich bewegte, etwas ruckartiger, abgehackter als sonst, jeder Handgriff verlief etwas zu akkurat, als müsse er sich zwingen, seine Finger präzise die Handgriffe ausführen zu lassen, die sie schon hundertmal und mehr gemacht hatten.
 

Ken und Yohji wechselten unsicher-fragende Blicke, doch keiner von beiden traute sich, den Rothaarigen anzusprechen, wenn dieser so kurz vor der Explosion stand. Und das er es tat, daran bestand kein Zweifel, so gut kannten sie ihn dann doch. Also senkten beide nach einer Weile betreten den Blick auf die Tischplatte, schämten sich ein bisschen für ihre Feigheit und warteten auf die Rückkehr ihres Jüngsten.

Erst als der kleine Blonde wieder den Raum betrat, wagten sie es, aufzuatmen und wieder aufzusehen.
 

Ken zwang sich zu einem wackeligen Lächeln und räusperte sich leicht. Das hartnäckige Schweigen zerrte an seinen Nerven. Er hasste die Stille, die sich zwischen ihnen ausbreitete und wieder einmal aufzeigte, wie tief der Graben zwischen ihnen und ihren Anführer war.

„Na, Omi, wie war die Schule?“, erkundigte sich der Fußballer etwas heiser, nur um die unerträgliche Stille zu brechen. Irgendwer musste ja mal was sagen.
 

Omi lächelte zurück. „War wie immer... wir haben mit einer Projektarbeit zum Thema Umweltschutz angefangen, die wir bis nächste Woche paarweise erledigen sollen...“ Der Junge bemühte sich um einen unbeschwerten Ton, doch so ganz wollte ihm das nicht gelingen. Sein Lächeln wurde etwas gequält, als er daran dachte, WER sein Partner war. Seine Augen weiteten sich etwas, denn er konnte Kens nächste Frage praktisch von dessen Gesicht ablesen. Nein, bitte nicht, bittebitte.... er schüttelte hastig den Kopf und versuchte, dem Brünetten ein Zeichen zu machen, möglichst so, dass es Aya nicht auffiel, doch seine Versuche, das Unausweichliche zu verhindern, scheiterten kläglich.
 

„Und wer ist dein Partner?“, fragte Ken neugierig nach. Vielleicht kannte er Omis Partner.... oh oh... Als er das deprimierte Gesicht des Jungen und den ängstlichen Blick, den er ihrem Leader zuwarf, sah, erkannte er, was er wieder angerichtete hatte. Fettnäpfchen, ganz böses Fettnäpfchen.

„Oh...“, machte er leise, als könnte er dadurch sein Ungeschick erklären.
 

Omi nickte leicht. „Ist schon gut, Ken-kun... spätestens übermorgen wäre es sowieso rausgekommen, weil wir nachmittags zusammenarbeiten müssen...“ Er atmete noch einmal tief durch und sah Aya verzeihungsheischend an. „Mein Partner ist Nagi...“, gab er dann leise zu und seine schmalen Schultern sanken etwas herab, als er sich auf ein Donnerwetter gefasst machte.
 

Der zu erwartende Blitzschlag, der ihn in Form eines death-glares hätte treffen sollen, blieb allerdings seltsamerweise aus. Ein Muskel zuckte in Ayas angespanntem Gesicht, seine amethystfarbenen Augen verengten sich etwas, bevor er den Kopf leicht senkte, so dass die roten Haarsträhnen seinen Blick verdeckten. Mehr nicht. Unheimlich. Beängstigend!
 

Vorsichtig wagte es Omi, sich wieder aus seiner zusammengesunkenen Haltung zu erheben. Der Rotschopf war manchmal unberechenbar, wer wusste, ob der nicht nur seine Kräfte für einen Wutausbruch sammelte.

Ratlos wechselte der blonde Junge einen Blick mit seinen Teammitgliedern. Keiner von ihnen wusste mit der Situation wirklich umzugehen. Alles hätten sie erwartet, von einem tobenden Aya, der Omi anschrie, bis hin zum Hausverbot für den kleinen Telekineten – was ihrer Meinung nach die logischste Konsequenz ihres Leaders wäre – aber dieses permanente Schweigen zusammen mit dem sturen Rühren in dem verdammten Kochtopf... das machte sie alle nervös.
 

„Aya-kun...“, murmelte Omi bittend, nur um irgendeine Reaktion zu erhalten. Er fühlte sich so schon schlecht genug, auch wenn er nichts dafür konnte, dass sie die Arbeit mit ihrem Banknachbarn zu erledigen hatten. Aber Ayas Schweigen machte alles nur noch schlimmer. Der Junge konnte nicht einschätzen, ob der Rotschopf einfach versuchte sich mit der Situation abzufinden oder ob es jetzt endgültig einen Riss in ihrer Gemeinschaft gab, den man nicht so einfach wieder kitten konnte.
 

Aya hob kurz den Kopf und atmete tief durch. „Na dann gibt es wenigstens mit der Schule keine Probleme...“, murmelte er eigentlich mehr zu sich selbst, aber laut genug, dass es die anderen noch mitbekamen. Dass die durch diese kryptische Aussage noch mehr verunsichert wurden, kümmerte ihn im Augenblick wenig. Er war immer noch mit dem Problem beschäftigt, wie er seinem Team beibringen sollte, dass sie ab heute abend einen Schwarz unter ihrem Dach beherbergen würden. Zumindest konnte er wohl davon ausgehen, dass Omi es akzeptierte, von Ken erwartete er ähnliches, ihr gutmütigen Fußballer war zu einigen Kompromissen bereit und sah in dem Telekineten wohl keine unmittelbare Bedrohung. Yohji dagegen machte ihm wirklich Sorgen, denn dessen Halsstarrigkeit war manchmal schon sprichwörtlich. Wenn der Playboy Prodigy ablehnte, war da so schnell kein Licht am Horizont zu sehen und Vernunft war nun auch nicht wirklich die Stärke des Blonden.

Vielleicht sollte er den Jungen ja in ein Kleid stecken? Trotz allem musste Aya bei dieser Vorstellung innerlich grinsen. Nein, lieber nicht, sonst klebte er schneller mit gebrochenem Genick an irgendeiner Wand, als er den Vorschlag wieder zurückziehen konnte. Er musste eben sehen, wie er klarkam.

Am meisten beunruhigte ihn allerdings der mangelhafte Zustand seiner eigenen Beherrschung. Noch hatte er sich unter Kontrolle, schaffte es, die Wut und den Hass tief in sich zu verschließen, aber wie lange noch? Aya war weder blind noch dumm und litt auch nicht unter Schizophrenie. Er wusste ganze genau um sein zeitweise sehr impulsives Temperament und wie wenig es manchmal brauchte, um ihn in Rage zu bringen. Geschah das, sah er einfach nur noch rot und egal, was sich ihm in den Weg stellte, wurde eliminiert. Er fürchtete nicht so sehr um seine eigene oder Prodigys Sicherheit, der Kleine konnte sich garantiert mit seinen Kräften besser verteidigen als er selbst mit seinem Katana.

Aber er fürchtete um die Sicherheit seines Teams, denn Crawford würde einen Angriff auf seinen kleinen Goldschatz sicher nicht ungerächt lassen. Und nicht zu vergessen, da war ja auch die Zukunft seiner Schwester, die fast ausschließlich von Ayas Kooperationsbereitschaft abhing. Konnte er es wagen, die Gesundheit und Genesung seiner geliebten Kleinen von ihm selbst abhängig zu machen? Alles stand und fiel mit ihm. Er hatte keine andere Wahl, Alternativen gab es nicht. Nur die eine, dass alles so blieb wie bisher.

Er könnte nicht mehr in den Spiegel schauen, wenn er zuließe, dass der Zustand seiner Schwester nur wegen seiner Abneigungen unverändert blieb, das konnte er ihr nicht antun. Sie hatte etwas besseres verdient, als in einem Krankenhausbett vor sich hin zu vegetieren!
 

Schnell füllte er das Essen in Schüsseln um und stellte alles auf den Tisch, setzte sich dann wortlos. Er ignorierte die fragenden, drängenden Blicke und war nicht das erste Mal froh, dass sein Team so viel Respekt vor ihm hatte. Es gestattete ihm, alles noch ein wenig aufzuschieben und dabei zu hoffen, dass sich die Gemüter wieder etwas beruhigten. Allen voran sein Eigenes. Elender Feigling!

Er musste jetzt die Nerven behalten, er war der Anführer, er trug die Verantwortung für die anderen.
 

Nach einigem Zögern nahmen auch die Anderen ihre Plätze ein und bedienten sich am lecker duftenden Essen. So richtig Appetit hatte ja niemand von ihnen, aber sie wollte Aya auch nicht vor den Kopf stoßen und womöglich noch mehr aufbringen. Der Rotschopf reagierte im Allgemeinen sehr gereizt, wenn man sein Essen verschmähte, ob nun aus Sorge um sie oder wegen der Beleidigung seiner Kochkünste hatte noch nie jemand zu fragen gewagt.
 

Ken versetzte Omi unter dem Tisch einen Schubs, von Yohji folgte ein auffordernder Blick. Der Junge verdrehte leicht die Augen und schüttelte vorsichtig den Kopf. Was dachten die beiden sich denn? Auffälliger ging es ja wohl kaum! Und er war nicht sonderlich Suizid gefährdet. Auch wenn das Katana sauber aufgeräumt im Zimmer des Rothaarigen stand so konnten auch Essstäbchen eine durchaus wirksame Waffe sein.

Das Drängen wurde deutlicher und man sah, dass vor allem Yohji vor Neugier fast platzte.
 

Irgendwann wurde es Aya einfach zu viel. Er hasste Unruhe und Gerangel am Esstisch. „Ihr werdet euch wohl gedulden können. Esst!“ Das war ein klarer Befehl und schon waren zwei blonde und ein dunkler Schopf über die Teller gebeugt und ausschließlich damit beschäftigt, das Essen in ihre Münder zu befördern, zu kauen und zu schlucken.
 

Zufrieden mit dem Ergebnis widmete sich auch der Rothaarige wieder seiner Mahlzeit, auch wenn es nicht gerade viel war, was sich da auf seinem Teller befand. Er aß nun mal nicht gerne, meistens nur das Nötigste. Seit er in Weiß eingegliedert worden war, hatte sich das auf das Drängen seines Teams hin gebessert, aber im Moment brachte er es kaum fertig, etwas hinunterzuwürgen. Sein Magen wollte allein schon bei dem Gedanken daran revoltieren.

Trotzdem zwang er sich, die Fleisch- und Gemüsestückchen nicht einfach nur hin und her zu schieben, sondern sie auch wirklich in seinen Magen zu befördern. Dafür brauchte er allerdings länger als die drei anderen, was bei dem Mengen, die vor allem Ken verdrückte, schon was heißen wollte.
 

Als die Schüsseln schließlich geleert waren, erhob sich Aya, um das Geschirr wegzuräumen, anstatt das, wie sonst, einen der Anderen machen zu lassen. Er brauchte einfach noch ein paar Minuten für sich.

„In zehn Minuten im Missionsraum“, lautete die klare Ansage, damit waren seine Kollegen entlassen und machten auch umgehend, dass sie aus der Küche verschwanden. Wer hielt sich schon gerne in der Nähe eines Vulkans auf?

Poison

Autor: CatherineMiller

Titel: Bittersweet Feelings

Fandom: Weiß Kreuz

Kapitel: Poison

Teil: 20/?

Pairings: RanxNagi; BradxKen; SchuldigxYohjixSchuldig; FarfxOmi

Warnungen: noch keine

Danksagung: Vielen Dank an mein Betas Maria und cap
 

Sooooo lange, lange ists her, aber ich hoffe, nicht alle haben mich vergessen (gelogen, eigentlich hoffe ich, dass mich KEINER vergessen hat xD). Viel Spaß beim Lesen des neuen Kapitels (und irgendwas sagt mir, dass mich nicht wenige am Ende hassen werden *hüstel* *mir schonmal ein sicheres Versteck suche*)

Über Kommentare (vor allem natürlich ausführliche XDDD) würde ich mich wie immer sehr freuen und weiterhin gilt das ANGEBOT: Bei zehn Kommentaren gibt es zwei Kapitel beim nächsten Upload ^^
 

Kommentare:
 

@Luii-Fau: Leider hats diesmal nicht geklappt, vielleicht beim nächsten Mal ^^

@Rowan: Jap das Abi hab ich und den Studienplatz auch *freu freu* Irgendwie tat mir Brad beim Schreiben genauso leid, wie Nagi... *hust* Vielleicht klappts ja beim nächsten Mal mit den zehn Kommentaren ^^

@erdschlange: Muss ich mich jetzt schämen? XDD Dabei hab ich doch noch nicht mal angefangen meine Charas zu quälen muahaha *Hände reib* XDD Nene, keine Sorge, ich mag meine Schätzchen ja auch, auch wenn ich sie manchmal ein bisschen strapaziere ^^ Auch wenn ich mir viel Zeit gelassen habe:viel Spaß beim Lesen ^^

@Kayla: Maahhh ein weichlicher Brad wäre mirauch selbst zu OOC, zumindest, wenn er sich nicht entwickelt, sondern gleich so matschig is xD Aber diese Beziehung zwischen den beiden is mir schon lange im Kopf rumgegangen und so hab ich die Gelegenheit genutzt und das ganze etwas ausgebaut ^^ Mal sehen, was dem Zwerg noch im Hause Weiß so blüht, ne? XD

@Karin21: Leider nicht, aber wer weiß, ich bemühe mich auf jeden Fall mit dem Geschreibsel, damit es etwas flotter geht ^^

@Angel24: Schnell gings nicht, aber ich hoffe es gefällt trotzdem ^^ Was ich mit Nagi und farf anstelle.... bleibt vorerst mein Geheimnis XD Viel Spaß beim Lesen!

@MissKai: Danke sehr für das Kompliment! Ich werde mich sehr bemühen, auch weiterhin so zu schreiben ^^ Was wäre denn das Lesen ohne Cliffhanger? Wohl etwas weniger nervenaufreibend... XD Nagi is erstmal weg... stimmt wohl, aber wer weiß schon, wie weit Takatoris Kompetenzen gehen... und Farf... hm... ob man den noch zwingend braucht... XD Keine Sorge, zumindest kann ich versprechen, dass es kein death geben wird, alles andere... steht in den Sternen ^^

@JakotsuChan: Leider blieb es auch bei den acht Kommentaren... aber vielleicht nächstes Mal ^^ Freut mich, dass es dir so sehr gefällt, nichts macht mich zufriedener als das! Mit den Pairings wollte ich einfach größtenteils was neues testen, weil man sie selten liest (Ok und weil BradxKen eins meiner persönlichen Lieblingspairings is und ich an AyaxNagi irgendwie einen Narren gefressen habe XD Aber das nur nebenbei). Unter uns: ich kann mich mit FarfxOmi immer noch nicht wirklich anfreunden, aber was tut man nicht alles für eine Freundin xDD Ich werde es schon hinbekommen... irgendwie.... hoffentlich gut! *hüstel*
 


 

„So und hier haben wir rechts Kens Zimmer, links ist meines, da Yohjis und gegenüber Ayas... geh da nie rein, solange du nicht ausdrücklich dazu aufgefordert wirst wenn dir dein Leben lieb ist...“ Omi deutete auf die entsprechenden Türen und versuchte ein aufmunterndes Lächeln, was aber mehr zu einem schiefen Grinsen wurde. Sicher, er hatte – so privat – nichts gegen den kleinen Schwarz, aber es war etwas anderes, ob man in der Schule nebeneinander saß oder ob man unter dem gleichen Dach lebte. Aber er würde sich damit arrangieren... irgendwie.
 

„Und da ist jetzt dein Zimmer...“ Er marschierte in den Raum hinein, der dank Aya immer zur Benutzung bereit stand. Sie hatten zwar nie Besuch aber nach Ansicht ihres Anführers musste immer ein Gästezimmer bereitstehen. Dass es aber mal SO genutzt werden würde, daran hätte der Rothaarige bestimmt niemals auch nur im Traum gedacht. Wer hätte das schon...
 

Omi seufzte leise in sich hinein und sah den schwebenden Koffern zu, die nach ihm die Tür passierten, bevor ihr Besitzer langsam und vorsichtig folgte, als würde er irgendeine tödliche Falle erwarten. Seit Nagi das Haus betreten hatte, war er einfach nur schweigsam seinem blonden Banknachbarn gefolgt, hatte sich alles zeigen lassen und immer brav genickt. Und am liebsten hätte er sofort wieder kehrt gemacht und wäre nach Hause gelaufen um sich in seinem Bett unter der Decke zu verstecken.
 

Omi ließ dem Jungen einen Moment Ruhe, bevor er sich umwandte und Anstalten machte das Zimmer zu verlassen.

„Abendessen gibt es um halb sieben, sei bitte pünktlich, okay?“ Diesmal gelang ihm das Lächeln schon besser, immer noch nicht perfekt, aber wenigstens halbwegs.
 

Wieder gab Nagi nur ein Nicken als Antwort. Er befürchtete, dass man seiner Stimme seine Gefühle nur allzu deutlich anhören würde, sollte er es wagen, eine Antwort zu formulieren. Er folgte Bombay mit den Augen, als dieser aus dem kleinen Raum ging und die Tür leise hinter sich schloss, ihn alleine ließ.

Sorgsam stellte der kleine Dunkelhaarige sein Gepäck vor dem Schrank ab, öffnete mittels Telekinese dessen Tür und die Reißverschlüsse seiner Koffer, bevor er seine Kleidungsstücke eines nach dem anderen heraus und in die dafür vorgesehenen Fächer schweben ließ. Nicht etwa, dass er großartige Lust zum Auspacken gehabt hätte – am Liebsten hätte er seine Sachen gar nicht überhaupt erst eingepackt – und er wäre auch sehr wohl in der Lage gewesen, das Ganze per guter, alter Handarbeit zu erledigen, aber so erforderte diese Tätigkeit viel mehr Konzentration und seine volle Aufmerksamkeit. Telekinese war kein Zuckerschlecken, sondern Arbeit.

Sicher, er beherrschte seine Fähigkeiten sehr gut, aber er musste trotzdem aufpassen, wenn er damit Handlungen vollzog die etwas mehr Feinfühligkeit erwarteten. Besonders wenn er emotional so angeschlagen und aufgewühlt war wie gerade eben, musste er viel Beherrschung darauf verwenden, nichts kaputt zu machen. Ideal also für Augenblicke wie diesen.

Er wollte nicht denken. Er wollte nicht grübeln. Er wollte... nach Hause. Ein Seufzen stieg in seiner zugeschnürten Kehle auf, kam aber nicht über seine fest zusammengepressten, blassen Lippen. Seine Zähne gruben sich leicht in die Innenseite seiner Wange, als seine Augen schon wieder anfingen zu kribbeln, sich neue Tränen darin sammeln wollten. Er würde nicht weinen.
 

Kurz atmete Nagi tief durch und rieb sich mit dem Handballen über die schmerzenden Schläfen. Er ließ sich auf das bequeme Bett fallen, seine Finger streichelten unbewusst über die Tagesdecke. Weich, warm, angenehm, analysierte ein Teil seiner Wahrnehmung. Beinahe hätte er über sich selbst gelacht. Er benahm sich, als wäre jemand gestorben oder die Welt untergegangen.

Auf der anderen Seite war sie das wohl auch ein bisschen. Er vermisste die Anderen schon jetzt, er vermisste Schuldigs störende Präsenz in seinen Gedanken, die bissigen, neckenden Kommentare zu allem, was hinter seiner Stirn vor sich ging. Er vermisste Farfies kleine Gesten, die ihm die Zuneigung des Iren zeigten, die Sicherheit, die der aufmerksame Blick aus dem goldenen Auge versprach. Und er vermisste Brads ruhige, gelassene Gegenwart, die Stütze, den Rückhalt, die Wärme, er vermisste seinen Va.... Seine Zähne gruben sich tiefer in sein eigenes Fleisch, bis er den süßlich-metallischen Geschmack seines Blutes auf der Zunge spürte. Diesen Gedanken würde er nicht zu Ende führen.
 

Nachdenklich strich sich der Junge über die immer noch etwas gerötete Wange. Inzwischen konnte er sich ausmalen, warum Brad ihn geschlagen hatte. Schuldig hatte ihm beim Abschied ein kleines Bild geschickt, mit dem Hinweis, dass der Deutsche so gut wie tot war, wenn Brad jemals davon erfuhr. Aber Nagi war trotzdem immer noch... verletzt. Obwohl er kein Recht hatte, es zu sein. Sein Anführer hatte nur das getan, was das Beste für sein Mündel war. Sollte er, Nagi, nicht lieber froh darüber sein, dass sich Brad so viel Gedanken um ihn machte, dass er so viel riskierte, um ihn aus der Schusslinie – aus wessen Schusslinie auch immer – zu bekommen? Und ihn dafür ins Nest des Feindes schickte...
 

Wütend über sich selbst schüttelte Nagi den Kopf, dass die dunkelbraunen Strähnen nur so flogen. Schluss, aus, Ende. Er würde jetzt fertig auspacken, seine Technik aufbauen und dann zum Abendessen gehen. Und wenn er das überlebt hatte und noch sprechen bzw. denken konnte, würde er versuchen Schu zu erreichen. Nein, nicht wenn. Falls!

Bei Omi war er sich ziemlich sicher, dass der ihm nicht hinterrücks ein Messer oder irgendeinen anderen unangenehmen, vorwiegend spitzen Gegenstand, in den Rücken jagen würde. Auch bei Ken hatte er wenig Bedenken. Die beiden hatten ihn außerhalb der Missionen getroffen, wären sie wirklich darauf aus gewesen, ihn zu töten, dann hätten sie es schon längst versucht. Auch wenn es wahrscheinlich beim Versuch geblieben wäre...

Bei Balinese lag die Sache allerdings anders. Nagi vermutete, dass unter dessen locker-flockigen Haltung etwas schlummerte, das er lieber nicht allzu genau kennenlernen wollte. Er hatte den Blonden vorhin nur flüchtig im Laden gesehen, umringt von einem ganzen Schwadron von Frauen fast jeder Altersklasse. Der Andere hatte dem Neuankömmling nur einen kurzen Blick zugeworfen, aber die Warnung, die aus den grünen Augen gesprochen hatte, war unübersehbar gewesen. Die Katze würde Nagi im Auge behalten, soviel war sicher. Wahrscheinlich konnte der Junge froh sein, dass sein Hiersein überhaupt toleriert wurde. Mehr wollte er auch gar nicht. Mehr brauchte er nicht. Und es war immerhin wesentlich mehr, als die meisten Menschen ihm zugestanden, die von seiner Gabe wussten.

An den rothaarigen Anführer der gegnerischen Gruppe wollte er gar nicht erst denken. Der junge Mann jagte ihm einen eisigen Schauer über den Rücken. Er verspürte... Furcht in seiner Gegenwart, in solch starkem Ausmaß, wie er es seit seiner Kindheit nicht mehr kennengelernt hatte. Nicht, seit er bei Schwarz war.

Abyssinian war... ein Killer. Anders konnte man es nicht ausdrücken. Der perfekte Attentäter. Nagi würde nicht so weit gehen, dass er ihn als gewissenlos bezeichnen würde, dafür tat der Ältere viel zu viel für seine komatöse Schwester, aber er war kalt. Gefühllos. Er tötete mit einer kühlen Präzision, die Nagi an Brad erinnerte. Aya spielte nicht mit seinen Opfern wie Schuldig, er tötete nicht, weil er einen Gott verletzen wollte - den es ohnehin nicht gab und wenn doch, dann scherte er sich einen Dreck darum, was sie hier unten taten. Er tötete nicht aus purer Berechnung, für Macht und Einfluss, und er spielte sich auch nicht als edler Rächer auf, wie der Rest von Weiß.

Etwas an dem Weiß-Leader war anders. Anders als bei allen Menschen, die Nagi jemals getroffen hatte. Das puppenhafte, blasse Gesicht, das man durchaus als schön bezeichnen konnte, die Augen, die wie die harten, blanken Edelsteine, deren Farbe sie trugen, daraus hervorblitzten. Die katzenhafte Eleganz mit der die Muskeln jeden Befehl ausführten. Ein Richter. Ein Henker. Ein Vollstrecker.

Nur einmal hatte er das Temperament hervorbrechen sehen, dass die Haarfarbe Abyssinians ja angeblich mit sich bringen sollte. Kein schöner Anblick und nicht angenehm, vor allem für seine Opfer. Ein Schlächter.

Unwillkürlich zuckten Nagis Mundwinkel abfällig. Er schien gedanklich ein kleinwenig abzuschweifen. Seine Nase kräuselte sich etwas. Er sollte dringend aufhören, sich zu viel um seine Feinde zu scheren und anfangen, seine Zeit hier einfach nur als Job zu sehen, den er zu machen hatte. Ganz einfach, er würde sich von Weiß fernhalten, zumindest von der Hälfte, bzw. dem Viertel, das ihm akut gefährlich werden könnte, wenn er nicht auf jeden seiner Schritte genau achtete und gut war. Kein Grübeln und keine gedanklichen Spaziergänge.
 

Ein abfälliges Schnauben entfloh ihm, doch seine Gesichtszüge blieben weiter zu dem stillen, desinteressierten Ausdruck erstarrt, der sie in der Öffentlichkeit meistens zierte. Nicht einmal jetzt ließ er seine Maske fallen, obwohl er allein war. Wer wusste, ob Weiß nicht irgendwelche Kameras installiert hatte, um ihn rund um die Uhr zu überwachen. Eigentlich ein perverser Gedanke, aber er hätte es ganz sicher getan, wäre eine der Katzen bei ihnen im Haus zu Gange. Nein, verbesserte sich Nagi in Gedanken. Erstens hätte er zusätzlich alle Räume verwanzt und zweitens den Weiß erst gar nicht über die Schwelle ihrer Villa gelassen. Aber er wurde ja nicht gefragt...
 

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Mit einem grimmigen Lächeln auf den Lippen ließ er sein silbernes Feuerzeug aufschnippen und hielt die helle Flamme an das Ende seiner Zigarette, die er sich in den Mundwinkel gesteckt hatte. Doch bevor die Hitze das Papier und die Tabakstückchen erreichen konnte, wurde sie von einem Windstoß weggefegt. Schicksal.

Schnaubend legte er eine Hand als Schutz um den Zünder und versuchte es erneut. Diesmal waren seine Bemühungen von Erfolg gekrönt. Vorsichtig inhalierte er den blauen Dunst, sehr vorsichtig um nicht zu husten. Er hasste es, den Geschmack des Nikotins auf der Zunge zu spüren, die Melange aus Rauch und Teer gemischt mit dem Aroma von leichter Vanille. Nicht primitiv wie billige Zigaretten, sondern erlesen und teuer, genau wie ihr Preis. Nicht, dass er es sich nicht leisten konnte... Geld hatte er.
 

Bitterkeit stieg in ihm auf, überlagerte für einen Moment die wohltuend beruhigende Wirkung des Zellgiftes, das ihm über seine Schleimhäute in jede Pore dringen musste. Bitterkeit ob seines Handelns, seiner Entscheidungen, seines Hasses und seines Haderns.

Flüchtig krampften sich seine langen, schlanken Finger um den Filter, drückten ihn etwas ein, bevor er sie mit einem wahren Kraftakt wieder entspannte, die teure Ware vor der akuten, mutwilligen Zerstörung bewahrten. Hass... Wut... Zorn... so lange unterdrückt, so gut und doch mühsam beherrscht, so bitter ihr Geschmack, so süß seine Rache....

Erschöpft ließ er seinen Kopf gegen die Wand sinken. Er war müde... es war spät, er musste rein... sich kümmern... sich der Wirklichkeit stellen... neue Entscheidungen... noch mehr Kalkül, noch mehr Beherrschung... er hatte ein Ziel! Ein Ziel, für dass er alles andere opfern würde. Und jeden anderen. Beinahe. Fast. Bald.

Der Wind trug grauen Rauch davon, bewegte die weichen Haare, die ihm ins Gesicht hingen.

Blut. Schmerz. Angst.

Fahles Licht brach sich in Gold, brachte es zum Leuchten. Schmerz.
 

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Yohji war wütend. Nicht die-Mädchen-im-Laden-haben-mich-genervt-wütend, nicht ich-konnte-mich-heute-abend-nicht-austoben-wütend. Er war stinksauer. So mein-Leader-macht-was-er-will-sauer. Gewissermaßen angepisst, innerlich am Kochen. Kurz vor der Explosion.

Und das Ziel seiner Wut war seit zwei Stunden spurlos verschwunden. Seinem Zorn entzogen. Elender.... Mistkerl! Ihm fehlten selbst in Gedanken die passenden Schimpfworte. Dafür GAB es überhaupt keine Bezeichnung!

Das war abartig! Kollaboration mit dem Feind! Vielleicht... nein verraten würde Aya sie niemals, aber für einen Außenstehenden mochte es leicht so aussehen. Wenn Kritiker davon erfuhr... nein, das wollte er sich lieber nicht vorstellen. Ihre Auftraggeber würden sie einfach ausschalten lassen, wenn sie dahinter kamen, dass ihr Anführer mit Schwarz paktierte... und dass sie auch noch mitmachten...
 

Heftig zog er an seiner Zigarette. Seine Gedanken rannten noch mehr im Kreis als sonst. Wie denn auch nicht? Hey, bitte, ihr Anführer hatte ihnen eröffnet, dass sie einen Spion in ihren Reihen haben würden! Was anderes war die kleine Kröte doch nicht!

Ihm lief ein eiskalter Schauer über dem Rücken und er konnte das Gefühl eines sprichwörtlichen Messers an der Kehle einfach nicht abschütteln. Der Junge mochte noch ein Kind sein – objektiv betrachtet noch jünger als ihr Chibi – aber er war auch eine Waffe. Gefährlich und tödlich und unkontrollierbar. Nervös kaute der Blonde auf dem Filter zwischen seinen Lippen herum, nahm noch einen tiefen, beinahe hastigen Zug, fühlte wie der kratzige Rauch seine Lungen füllte. Vielleicht sollte er sich was Stärkeres besorgen. Das Nikotin beruhigte seine Nerven kein bisschen.
 

Mit einem leisen Grollen rollte er sich von der Matratze, auf die er sich geworfen hatte und stapfte, die Kippe im Mundwinkel, zu seinem Schrank. Ruckartig öffnete er die Tür und begann, darin herumzuwühlen.

Er musste hier raus, ganz dringend und sofort. Die Wände seines Zimmers erdrückten ihn, gaben ihm das Gefühl eines eingesperrten Tieres im Käfig. Fehlten nur noch die Gaffer... oh nein, das hätte er jetzt nicht denken sollen...
 

//Das ist aber nicht nett, Kätzchen, dass du dich so über unseren niedlichen, kleinen Chibi aufregst! Der kann ja mal gar nichts dafür, dass die Bosse so entschieden ha...//
 

„HALT’S MAUL, SCHWARZ! HALT EINFACH NUR DIE KLAPPE UND VERSCHWINDE VERDAMMT NOCH MAL AUS MEINEN GEDANKEN, DRECKSTELEPATH!“ Es sah Yohji zwar wenig ähnlich, seinem Feind gegenüber eine derartige Schwäche zu zeigen, aber seine Nerven lagen einfach nur blank.

Hass stieg in ihm auf, Hass auf den Mistkerl in seinem Kopf auf diesen dreimal verfluchten Scheiß-Psychopathen, auf das Balg, dass sich gerade in ihrem Gästezimmer einnistete und vermutlich schon plante, wie es sie am besten der Reihe nach umbrachte und vor allem Hass auf den rothaarigen Bastard, der sich sein Leader schimpfte! Tat ein guter Anführer sowas? Brachte der seine eigenen Teammitglieder dermaßen in Gefahr?! Nein, also!
 

Stöhnend ließ sich Yohji an der Schranktür nach unten sinken und vergrub sein Gesicht in den Händen. Und trotzdem folgte er dem Eisblock weiterhin. Er überließ Aya sein Leben, obwohl der es offensichtlich so leichtfertig riskierte, nur um seine eigenen Ziele zu erreichen? Warum machte er das? Warum nahm er nicht einfach das Telefon in die Hand, wählt Manx‘ Nummer und beichtete ihr alles, inklusive dem Telekineten unter ihrem Dach? Warum.... Und warum war es eigentlich in seinen Gedanken so verdammt still? Er konnte Schuldig immer noch mehr als deutlich fühlen, die fremde Präsenz in seinem Kopf praktisch greifen. Warum kam also kein blöder Spruch oder eine gewaltige Portion Kopfweh, weil er mit Beleidigungen und Morddrohungen nur so um sich schmiss?
 

Yohji wartete noch einen Moment, zuckte dann aber die Schultern. Er wusste ja eigentlich, warum er seinem Leader noch immer die Treue hielt... Weil er den Mann verstand, weil er nachvollziehen konnte, was er tat. Hatte es nicht auch bei ihm eine Zeit gegeben, in der er für einen geliebten Menschen absolut alles getan hätte? In der er ohne Rücksicht auf Verluste alles ertragen hätte, wenn er Asuka dafür hätte retten können?

Schnell zündete er sich eine neue Zigarette an, nachdem er die aufgerauchte im Aschenbecher ausgedrückt hatte. Er vertraute Aya immer noch und er konnte ihn verstehen, das war nun mal der springende Punkt. Nicht ganz unerheblich war auch, dass ihr Team ohne den kühlen Kopf und die sichere Gegenwart des Rotschopfes wesentlich ineffektiver arbeitete, das war nun einmal eine Tatsache.
 

Seufzend schlug er seinen Kopf gegen die Schrankwand, in der Hoffnung, seine karussellfahrenden Gedanken irgendwie zur Ruhe zu bringen. Seine primäre Wut war zum Glück so gut wie verraucht, zumindest lief er jetzt nicht mehr unbedingt Gefahr etwas sehr, sehr dummes zu tun, das seiner Gesundheit bestimmt nicht sehr zugetan war.

Mit einem frustrierten Grollen kam der Blonde wieder auf die Beine und verschwand halb im Schrank, die Zigarette in einer Hand draußen haltend. Er mochte ja schlampig sein, aber seine Klamotten waren ihm heilig, da durfte sich niemand dran vergreifen, schon gar keine poplige glühende Asche.

Mit zusammengebissenen Zähnen rupfte er sich eine schwarze Hose heraus und wand sich mühsam hinein. Das Leder saß perfekt an seinem Körper, brachte jeden einzelnen Muskel wirkungsvoll zur Geltung, aber das Anziehen war beinahe eine Qual. Zum Glück hatte er nicht vor, heute Abend irgendeine Eroberung zu machen, das Ausziehen wäre womöglich ein Problem geworden.
 

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Müde wanderte sein Blick aus dem Fenster. Stumm und leer. Sein Kopf schmerzte leicht, er hatte es wohl übertrieben. Langsam spürte er die Wut abflachen, die ihn eben noch eingehüllt hatte. Wie ein Flächenbrand war sie über ihn hinweggefegt, hatte Asche zurückgelassen und den schalen Geschmack der Erkenntnis, dass er es übertrieben hatte. Wieder mal. Seine Neugierde würde ihn noch mal ins Grab bringen.

Und doch blieb er. Es wäre so einfach, zu gehen.

Er konnte nicht leugnen, dass es ihn faszinierte. Die Ähnlichkeit, der Schmerz, die Verwirrung. Die Übereinstimmung mit so unzählig vielen, namenlosen Gesichtern. Ein buntes Durcheinander, dass sich Alltag nannte.
 

Flüchtig schlich sich ein Lächeln auf seine Lippen und seine Hand berührte sacht die eigene Schläfe, hinter der es dumpf pochte. Verblüffend, wie unterschiedlich und doch gleich sie waren. Erstaunlich, wie sie sich ergänzten. Hell und Dunkel. Gut und Böse. Schwarz und.... zwei Seiten ein und derselben Medaille, derselben Todesanzeige. Getrennt und doch vereint, eins konnte nicht ohne das andere leben... überall wo Licht war, gab es auch Schatten, keine Reinheit ohne Schmutz... und er würde vermutlich doch irgendwann unter die Philosophen gehen!
 

Mit einem abfälligen Schnauben ob seinem eigenen mentalen Gewäsch schloss er zwei Knöpfe seines Hemdes. Als wenn die gedankliche Schwindsucht um ihn herum Tag für Tag nicht genügen würde. Vermutlich hatte er sich angesteckt!

Er kam allerdings nicht umhin, einen gewissen Sinn dahinter zu entdecken. Orakel müsste man sein, dann wäre es jetzt wohl einfacher... oder auch nicht und er sollte vielleicht in nächster Zeit besser die Finger vom Gras lassen. Wer wollte schon bitte so sein wie Brad Crawford?

Er schüttelte sich. Okay, der Amerikaner war sexy, auf seine etwas seltsame Art und Weise und wenn man auf brillentragende, arrogante Arschlöcher stand, aber mehr auch nicht. Hinter der kalten Fassade wartete ein ebenso eisiges Inneres. Er würde einen Besen fressen, sollte es jemals einem Menschen gelingen, in dieser Eiswüste zu überleben, ohne dabei den Verstand zu verlieren.

Da lohnten doch andere Ziele weit mehr. Blonde Ziele zum Beispiel, die sich gerade ein Bild davon machten, wo sie heute Abend hingehen wollten. Passend, sehr passend.

Schuldig grinste.
 

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Yohji gab es ja nicht gerne zu, aber er langweilte sich. Er war hierher gekommen mit dem festen Vorsatz, sich zu amüsieren, ganz gleich welcher Stellungskrieg zu Hause unterschwellig tobte. Die gedrückte Stimmung trieb den Playboy aus dem Haus, er hasste nichts mehr als diese Aggressionen, die stumpfe, aufgestaute Wut, die sich irgendwann in einem riesigen Donnerwetter entladen würde.

Beim Hinausgehen war ihm Aya über den Weg gelaufen. Der junge Mann hatte noch etwas blasser gewirkt als sonst, seine Augen schienen irgendwie tiefer zu liegen, als hätte er schon länger nicht mehr vernünftig geschlafen. Doch der Rotschopf hatte keinen Ton gesagt, hatte nur genickt und ihn kommentarlos vorbeigelassen. Kein Wort darüber, dass er gefälligst mitessen oder seiner Frühschicht morgen nicht vergessen sollte. Stummes Akzeptieren. Und irgendwie... hatte er anders gerochen. Yohji konnte noch nicht einmal sagen, nach was oder warum er das überhaupt wahrgenommen hatte. Wahrscheinlich die Killersinne oder so... jedenfalls hatte seinen Anführer nicht das gewöhnliche, leichte Aroma von Rosen und Leder umgeben, sondern etwas Unbekanntes. Er kannte den Geruch, kam aber partout nicht darauf, was es gewesen sein konnte.
 

Der Blonde schoss einen abweisenden, giftigen Blick gen Decke, die er allerdings aufgrund der Lichtverhältnisse nicht erkennen konnte. Warum immer er? Jetzt hatte er auch noch beinahe ein schlechtes Gewissen. Okay, er hatte eins, dabei hatte sein Leader nicht mal was gesagt. Trotzdem hatte er gerade das Gefühl, seine Freunde im Stich zu lassen, auf eine geradezu lächerliche Art und Weise. Er ließ niemanden im Stich, nur weil er ausging! Er ging oft aus. Sehr oft. Nur hätte er vielleicht heute Abend nicht... Schluss!

Es wurde höchste Zeit, dass er etwas gegen den Unsinn in seinem Kopf tat. Vielleicht kam das ja doch von dem Schwarz-Psychopathen, immerhin war der in letzter Zeit öfter in seinem Oberstübchen gewesen. Konnte ja gut sein, dass dabei was Wichtiges kaputt gegangen war. Allerdings... was konnte da denn noch mehr kaputt gehen? Die wenigen Gehirnzellen, die er sich noch nicht wegesoffen oder rausgevögelt hatte, die tötete er systematisch mit Nikotin oder anderem Dreck ab und die restlichen... sollte sich der Arsch eben einen Spaß mit seinem kaputten Denken machen. Wenn’s gefiel...
 

Kopfschüttelnd orderte der große Mann beim Barkeeper einen weiteren Wodka. Nicht, dass er das Zeug besonders gerne trank, aber es betäubte seine Sinne schnell und wirkungsvoll. Er wollte heute nicht mehr denken, er wollte einfach vergessen. Alles und jeden. Sein Gewissen, seine Schuld, seine Zweifel und seinen Zorn.

Fahrig strich Yohji sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht, die seine Sicht behinderte. Er wickelte sie um seinen Finger, betrachtete sie kurz, ließ sie dann wieder los. Seufzend musste er sich eingestehen, dass das mit dem Amüsieren leichter gesagt als getan war. So richtig wollte sich die Feierstimmung bei ihm nicht einstellen. Er hatte keine Lust, irgendeine Frau anzubaggern. Nicht etwa, dass es ihm hier an Gelegenheit gefehlt hätte. Der Club war für seine exquisite Auswahl an Besuchern bekannt und berühmt. Hier kamen nur die wenigsten durch die Gesichtskontrolle der Türsteher. Dafür war der Preis entsprechend hoch, das Ambiente allerdings auch hochwertig.
 

Gelangweilt betrachtete er die Tänzer auf der Tanzfläche, die Animateure beider Geschlechter, die sich knapp bekleidet um silberne Stangen wickelten oder sich in schier unmöglich erscheinenden Bewegungen in von der Decke hängenden Käfigen räkelten. Hochwertig, wie gesagt.
 

Der Playboy stürzte den Inhalt seines Glases hinunter und schüttelte sich. Hochwertiger Wodka schmeckte trotzdem scheiße, daran ließ sich absolut nichts ändern. Widerlich.

Vielleicht sollte er sich auf die Tanzfläche begeben, normalerweise half ihm das immer beim Abschalten. Das tiefe, dumpfe Hämmern des Basses, das jede Nervenzelle in seinem Körper erreichte, seine Haut zum Prickeln brachte, wollte ihn heute nicht recht reizen. Noch nicht.

Stirnrunzelnd schätzte er ab, wie viele Gläser er noch brauchte, bis ihm seine Grundstimmung egal war.
 

Doch noch ehe er seine Rechnung zu ende führen konnte, erregte etwas ganz anderes seine Aufmerksamkeit. Also entweder er war in den letzten Minuten farbenblind geworden oder er litt unter Verfolgungswahn – wobei er beim Besten Willen nicht sagen konnte, welche Variante ihm nun mehr zusagte.

Dann erstarrte er. Grün bohrte sich in grün. Smaragd mischte sich mit Jade.

Yohjis Finger krampften sich um das Glas, hielten sich daran fest wie ein Ertrinkender auf hoher See an seinem einzigen Rettungsanker... er ihn geradewegs in die Tiefe zog.
 

Der Blick des Telepathen wandte sich nach einem Herzschlag ab, desinteressiert, gleichgültig, nichtssagend, ganz so, als hätte er den Gegner gar nicht wahrgenommen. Was sollte Yohji davon halten? Ein neues Spiel, auf das er sich sicher nicht einlassen wollte, eine neue List? Wahrscheinlich.

Trotzdem konnte er den Blick nicht von der schlanken, hochgewachsenen Person abwenden, die sich langsam ihren Weg durch die Menschen bahnte, ohne einen von ihnen zu berühren. Nur wenn man wirklich hinsah, fiel einem auf, dass die Leute tatsächlich vor Schuldig zurückwichen, ihm Platz machten und sei es nur geringfügig.

//Wie ein Gott, der das Wasser teilt...//, schoss es Yohji durch den Kopf. Nicht etwa, dass er religiös war, sowas brachte der Job einfach nicht mit sich, aber das Bild schien ihm gerade passend.
 

Der Deutsche blieb einen Moment stehen, schien sich zu konzentrieren, setzte seinen Weg dann in Richtung Tanzfläche fort. Von irgendwoher aus der Masse wurde ihm ein Glas gereicht. Hellbraune Flüssigkeit und farblose Eiswürfel schwappten darin.

Mastermind hielt wieder inne, nahm einen Schluck, schloss genießend die Augen, ließ den Geschmack nachwirken und gab das Glas wieder weg. Wie selbstverständlich und natürlich er das tat! So als... Yohji schalt sich einen Narren. Natürlich machte der Telepath das jedes Mal so, immerhin... würde er selbst das nicht auch, wenn er solche Macht besitzen würde? Und doch wollte er sie nicht haben, zu groß die Versuchung, die Verführung.

Zielstrebig hielt der Schwarz auf eines der Podeste zu, auf dem sich momentan noch eine Gogo-Tänzerin räkelte. Sie machte ihm automatisch Platz und er schwang sich auf den Absatz hinauf, alles im Einklang mit dem dominanten Rhythmus der Musik, im Takt der hämmernden Bässe.
 

Yohji fixierte den Mann gebannt. Er konnte den arroganten Deutschen zwar nicht ausstehen, aber eines musste man ihm lassen, tanzen konnte er. Der harte Techno schien dem Mann allerdings nicht unbedingt zuzusagen, er passte sich zwar problemlos an, doch seine Bewegungen waren noch verhalten, kontrolliert.

Man spürte deutlich, dass er sich aufwärmte, seine Energie noch nicht verschwenden wollte, auf etwas wartete.
 

Der Blonde nahm noch einen Schluck aus seinem Glas, schaffte es aber nicht, den Blick von seinem Feind abzuwenden. Das Lied verklang und der DJ machte eine sinnlose Ansage, die sowieso keiner verstand, weil er das Mikro zu nahe am Mund hatte und außerdem noch englische Wortfetzen dazubrüllte. Wen interessierte es auch, die Leute waren zum tanzen, trinken und abschleppen hier, nicht, um geistlose Kommentare zu Liedern oder der Stimmung auf der Tanzfläche zu hören.

Interessant wurde es erst, als der junge Mann einen Musikwunsch ankündigte. Das Lied kannte er, sehr gut sogar, es war eins seiner Lieblingslieder. Unbewusst musste er schlucken. Normalerweise hätte er sich spätestens jetzt erhoben und wäre zur Tanzfläche gewandert, doch er blieb wie angewachsen auf seinem Barhocker sitzen, den Blick immer noch auf die hochgewachsene Gestalt auf dem Podest gerichtet.

Die ersten Töne der Hintergrundmelodie erklangen, ein paar Sekunden später setzte die angenehme Stimme einer Frau ein.

Schuldig fuhr zu ihm herum, ihre Blicke kreuzten sich erneut und Yohji erkannte, dass der Deutsche die ganze Zeit gewusst hatte, dass der Weiß ihn beobachtete. Er konnte es selbst auf die Entfernung im Gesicht des anderen sehen. Töricht genug von ihm, etwas anderes anzunehmen. Wie ferngesteuert erhob er sich und ging langsam näher auf das Podest zu.
 

~Your cruel device

Your blood, like ice

One look could kill...

My pain, your thrill~
 

Schuldig schloss die Augen halb und konzentrierte sich ganz auf den dominanten Rhythmus des Liedes. Nichts war mehr wichtig außer der Melodie und dem blonden Kätzchen, das ganz ohne sein Zutun auf ihn zuhielt. Die Menschen um ihn herum waren ausgeblendet, nebensächlich. Er fühlte das Vibrieren des Basses in seinem ganzen Körper, sein Herzschlag beschleunigte sich, während er sich dem langsamen Tempo mit geschmeidigen, fließenden Bewegungen anpasste, das Lied in sich aufnahm und fühlte, wie es ihn durchdrang. Kurz bog er das Kreuz durch, ließ den Kopf leicht in den Nacken sinken, leckte sich über die Lippen, während seine Hüfte sich einem imaginären Partner entgegendrängte. Seine Fingerspitzen strichen hauchzart über seine entblößte Kehle, die nackte Haut seiner Brust hinunter, fuhren kurz unter den Saum des schwarzen Stoffes, stoppten dann aber , bevor sie sich weiter auf seinen Bauch vortasten konnten.
 

Die grünen Augen blitzten ihn unter feuerfarbenen Strähnen herausfordernd an und Yohji wurde bewusst, wie gut dieses Lied auf den Mann vor ihm passte. Mastermind konnte mit einem Blick töten, die brutale Kälte die er seinen Opfern gegenüber zeigte, dass Vergnügen, dass er aus ihrem Leiden zog... und doch konnte er sich nicht abwenden. Und doch setzte er weiter einen Fuß vor den anderen, während das Tempo des Liedes sich mit einem Mal erhöhte. Und doch zog ihn etwas an Schuldig an wie es vorher noch nie bei einem Menschen der Fall gewesen war, etwas dass er sich nicht erklären konnte. Keine einfache Begierde, damit hätte er umgehen können, obwohl ihn Männer sonst kein bisschen interessierten. Sex war etwas, mit dem er sich auskannte, dass für ihn alltäglich war. Das hier war nicht alltäglich. Nicht nur weil Mastermind sein Feind war.
 

~I wanna love you but I better not touch

I wanna hold you but my senses tell me to stop

I wanna kiss you but I want it to much

I wanna taste you but your lips are venomous poison

You’re poison running through my veins

You’re poison

I don’t wanna break this chance~
 

Hitze bahnte sich ihren Weg in Yohjis Körper, Schauer rannen ihm das Rückgrat hinunter. Je näher er kam, desto mehr schien er die Aura von Gefahr zu spüren, die diesen Mann umgab. Und zugleich stieg auch die Faszination. Der schlanke, biegsame Körper, die festen Muskeln unter ebenmäßiger Haut, das intensive Grün der Augen und die orangefarbenen Haare.... Schuldig verkörperte in diesem Augenblick Dominanz und Männlichkeit in ihrer Reinform und sein Gift fraß sich in Yohji hinein. Er sollte sich umdrehen verschwinden, schleunigst! Doch er ging einfach weiter. Seine Fingerspitzen begannen zu kribbeln als er sich unwillkürlich fragte, wie sich diese glatte, straffe Oberfläche wohl unter seinen Händen anfühlen würde.
 

Schuldig sah nicht aus wie eine Frau. Diesem Körper fehlte alles, was eine Frau ausmachte, die runden, weiblichen Formen, die Weichheit. Der Telepath war ein attraktiver Mann, zwar nicht übermäßig groß aber sehr schlank, durchtrainiert, die Eleganz eines Raubtieres gepaart mit der exotischen Ausstrahlung der ausländischen Gesichtszüge. Aber er war definitiv keine Frau, nicht einmal im Entferntesten. Und trotzdem spürte Yohji, wie seine Hose leicht um seinen Unterleib spannten als er die Muskeln unter der Haut spielen sehen konnte.

Schuldig tanzte nicht wie eine Frau. Ihm fehlte das betont Aufreizende, die Zurschaustellung der Vorzüge und Attribute. Dieser Mann wusste, wie attraktiv und gefährlich er war, er musste es niemandem beweisen. Er genoß die Blicke, die auf ihm lagen, er badete geradezu in der Aufmerksamkeit seines Publikums, er legte es darauf an, aufzufallen, aber auf eine Art, die zugleich merkwürdig unaufdringlich wirkte, die sich nicht unangenehm anfühlte.
 

Your mouth, so hot

Your web, I’m caught

Your skin, so wet

Black lace on sweat
 

Der Blick des Weiß huschte über Schuldigs Gestalt, sog den Anblick des hauchdünnen, schwarzen Stoffes auf dem muskulösen Oberkörper praktisch in sich auf, imitierte die Bewegungen des Anderen ganz automatisch. Er hatte die Tanzfläche erreicht und bemerkte gar nicht, dass ihm die Menschen wie selbstverständlich Platz machten, er ungehindert die Masse passieren konnte. Seine Augen blieben an den fein geschwungenen Lippen des Schwarz hängen.

Schuldig hatten ihn schon einmal geküsst, eigentlich gegen seinen Willen, aber er konnte nicht leugnen, dass es ihm gefallen hatte, dass es ihn....
 

Er zappelte im Netz der Spinne, ob er es nun wahrhaben wollte oder nicht. Schuldig grinste leicht und streckte dem Blonden eine Hand hin. Mal sehn, ob der kleine Playboy auf ihn einging. Er spürte das Verlangen, dass der Weiß immer noch in sich verschloss, spürte die unterdrückte Erregung und die Hitze, die ihm aus dem fremden Geist entgegenschlug und er würde lügen, wenn er behauptete, dass ihn das nicht anmachte.
 

Yohjis Blick glitt wieder tiefer, blieb an der feucht schimmernden Haut hängen, die durch das halb offene Hemd entblößt wurde. Ein feiner Schweißfilm bedeckte die glatte Oberfläche, betonte die festen Brustmuskeln. Der schwarze Stoff klebte leicht an Schuldigs Körper, löste sich, blieb wieder hängen.

Für eine Sekunde zögerte er, doch dann nahm er die angebotene Hand, spürte ihren festen, sicheren Griff und ließ sich hochziehen. Schuldig würde ihn nicht fallen lassen. Instinktiv schlang er einen Arm um den Nacken des Deutschen, schmiegte sich eng an den fremden Körper um nicht von dem schmalen Podest zu fallen. Die ermunternden Zurufe und Pfiffe aus dem zahlreichen Publikums nahm er gar nicht wahr.
 

I hear you calling and it’s needles and pins

I wanna hurt you just to hear you screaming my name

Don’t wanna touch you but you’re under my skin

I wanna taste you but your lips are venomous poison

You’re poison running through my veins

You’re poison

I don’t wanna break this chance
 

Yohji meinte spüren zu können, wie ihm Schuldigs Gift unter die Haut kroch, wie er sich einnistete, wie er ihn einnahm. Es war ihm egal. Alles außer dem Augenblick war bedeutungslos geworden. Er sollte weglaufen, er sollte Schuldig nicht berühren, sich nicht berühren lassen.

Etwas in seinem Inneren schrie auf, als er die Hitze der fremden Haut an seiner spürte. Er ignorierte es.

Etwas wollte ihn zwingen, von dem Podest zu steigen und so schnell so weit zu laufen wie er nur konnte. Er maß ihm keinerlei Bedeutung zu.

Er passte sich seinem Tanzpartner an, ließ es zu, dass der Deutsche einen Arm um seine Taille schlang, ihn noch näher an sich drückte. Er ließ sich widerstandslos dominieren, genoß dass Gefühl, dass ihn dabei durchströmte. Seine Augen schlossen sich, sein Kopf sank zurück, legte Schuldig seine Kehle frei während ihre Körpermitten sich provozierend aneinander rieben. Er vergrub seine Hände tief in der feuerfarbenen Fülle, fand darin Halt, spürte die heißen Lippen auf seinem Hals, seinem Kehlkopf, der Kuhle seines Schlüsselbeins. Ein heißes Prickeln durchströmte ihn bis in die Zehenspitzen und seine Bewegungen wurden fordernder. Seine Finger krallten sich in die Haare des Anderen, zwangen ihn zu verweilen, verweigerten den Rückzug.
 

I wanna love you but I better not touch

I wanna hold you but my senses tell me to stop

I wanna kiss you but I want it to much

I wanna taste you but your lips are venomous poison

You’re poison running through my veins

You’re poison

I don’t wanna break this chance
 

Schuldig lächelte gegen die erhitzte, schweißfeuchte Haut. Sein Kätzchen war heute wirklich in sanfter Stimmung und wer war er, dass er das nicht ausnutzte? Er genoss die Nachgiebigkeit, die nur mühsam kontrollierte Kraft des fügsamen Körpers die Balinese ausstrahlte. Seine Aura, sein Geist, seine Hitze umfingen den Telepathen, hielten ihn fest, weigerten sich, ihn gehen zu lassen, wie es auch die Hand in seinen Haaren tat, doch wehrte sich nicht dagegen. Er wollte die Situation genießen, so lange er konnte. Brach der Zauber, kam Yohji wieder zu sich und würde ebenso schnell verschwinden wie er bereitwillig zu ihm gekommen war. Diese Chance ließ er sich nicht entgehen, wer wusste wann die nächste kam.

Das große, blonde Kätzchen würde früher oder später ihm gehören und er war gerade auf dem besten Weg dahin.

Schuldig hatte Yohjis Interesse geweckt und er würde den Teufel tun und es wieder versiegen lassen. Dieser Abend würde dem Weiß noch lange zu denken geben, dafür sorgte er schon!
 

Die Zähne des Deutschen gruben sich harsch in die weiche Haut von Yohjis Halsbeuge, verweilten dort einen Moment, bevor er mit der Zungenspitze besänftigend über die gereizte Stelle strich. Er spürte dem leicht salzigen Geschmack nach, bevor er eine Hand in den Nacken des Anderen legte und dessen Gesicht zu sich heranzog.

Für einen Augenblick schwebten ihre Lippen wenige Millimeter voneinander entfernt, erwartungsvoll, begierig. Sie konnten den Atem ihres Gegenübers fühlen, heiß, schnell.

Yohji öffnete die Augen und begegnete Schuldigs flammendem Blick, der ihn zu verbrennen drohte. Sein rationales Denken setzte endgültig aus, die flehende Stimme, die ihn zu warnen versuchte, verstummte endgültig. Er überwand den kleinen Abstand, der noch zwischen ihnen lag und eroberte Schuldigs Mund.

Er fühlte die Weichheit der Lippen. Er schmeckte das Aroma von Tabak und Alkohol. Er roch einen Hauch von Seife und Rasierwasser. Er spürte die Erregung die an die Oberfläche drängte. Er zitterte unter der prickelnden Mischung aus Verlangen und Gefahr. Er schloss die Augen und sperrte die Welt aus.

Der Morgen danach

Autor: CatherineMiller

Titel: Bittersweet Feelings

Fandom: Weiß Kreuz

Kapitel: Der Morgen danach

Teil: 21/?

Pairings: RanxNagi; BradxKen; SchuldigxYohjixSchuldig; FarfxOmi

Warnungen: noch keine
 

So meine Lieben... nach (fast auf den Tag genau) zwei Jahren der Abstinenz melde ich mich hiermit jetzt endgültig zurück an der Schreibfront. Es geht also weiter, langsam vielleicht aber es wird auch hier mit meinem Baby wieder vorwärts gehen. Ich mache jetzt mal keine Versprechungen, wann es das nächste Kapitel gibt, aber momentan bin ich relativ schreibwütig, von daher gibt es Anlass zur Hoffnung, dass es diesmal deutlich schneller gehen wird XD
 

Eine kleine Sache am Rande: Ich habe leider (aus privaten Gründen) keine Betaleser für diese Story mehr, weswegen sich die Tippfehler wahrscheinlich häufen werden >:< Wenn jemand Interesse an dem Job hat, einfach melden, ich beiße nicht und bin auch sonst ziemlich harmlos.
 

In jedem Fall würde es mich freuen, wenn es noch ein paar Treue gibt, die BF noch nicht vergessen haben und wie immer würde ich mich über Kommis jeder Art sehr freuen ^^
 

Auch wenn das Kapitel diesmal recht kurz ausgefallen ist, wünsche ich euch viel Spaß beim Lesen und Rätseln xD
 


 


 

Angenehme Wärme hüllte ihn ein wie ein schützendes Mantel. Zufrieden brummend mummelte sich Yohji tiefer in die Decke ein und krauste die Nase ein wenig. Er wollte noch nicht aufstehen, auch wenn ihm sein Gefühl sagte, dass es sicher schon kurz vor Mittag war. Doch er wollte die Ruhe, die ihn umgab nicht zerstören. Und eigentlich wollte er auch gar nicht wissen, wer sich da von hinten an ihn schmiegte und einen Arm um seine Hüfte gelegt hatte.
 

Es würde ohnehin nur wieder eine seiner üblichen Bettbekanntschaften sein, die ihn nach dem Aufwachen höflich aber bestimmt zum Gehen aufforderte. Yohji runzelte die Stirn. Warum war er eigentlich noch hier? Normalerweise verschwand er doch sofort wieder, sobald er bekommen hatte, was er wollte – entweder auf zu neuen Jagdgründen oder nach Hause in sein eigenes Bett, um seinen Rausch auszuschlafen und sich am nächsten Tag von seinem Anführer aus dem Bett werfen zu lassen. Zumindest konnte er sich daran erinnern, dass er heute frei hatte, also würde er seinen Kopf wohl behalten dürfen, obwohl es schon so spät war.
 

Immerhin spürte Yohji, dass es sich bei der anderen Person um einen Mann handeln musste, der Körper war einfach zu kräftig, zu muskulös und zu groß für eine Frau. Außerdem hatte er bei Frauen noch nie so ein sicheres Gefü... Seine Augen öffneten sich ruckartig und er konnte sich nur mit Mühe davon abhalten, senkrecht im Bett zu sitzen.
 

Ein Kerl. In seinem Bett. Oder umgekehrt. Yohji unterdrückte ein hysterisches Lachen und einen akuten Anfall von Panik. Wie viel hatte er gestern um Himmels willen gesoffen?! Nicht, dass er es nicht schonmal mit einem Kerl ausprobiert hätte, aber das war ihm auch der eindeutige Beweis gewesen, dass er absolut stockhetero war. Straight. Nur auf Frauen fixiert.
 

Und ganz offensichtlich noch immer unter Drogen, denn die Hysterie, die seine Gedanken für ein paar Herzschläge durcheinandergewirbelt hatte und dafür sorgte, dass er steif wie ein Brett in dem erstaunlich bequemen Bett lag, flaute langsam wieder ab. Er zwang sich, tief durchzuatmen und die Lage zu sondieren.
 

Erst mal rausfinden wo er hier war und vor allem, mit wem er hier gelandet war. Wenn er Glück hatte, war das wenigstens nicht Frankensteins Essenträger und er, Yohji, konnte weiterhin in den Spiegel schauen, ohne sofort das große Würgen zu bekommen.
 

Vorsichtig, um seinen Bettnachbarn nicht zu wecken, tastete der Blonde unter der Decke nach hinten, traf auf die warme Haut eines flachen Bauches, der sich eng an seinen Rücken drückte. Der Blonde forschte weiter und fand ein ziemlich ansprechendes, nacktes Hinterteil.
 

Nicht, schlecht, was er sich da an Land gezogen hatte. Wenn er sich nun auch noch an das dazu gehörige Gesicht erinnern könnte, wäre er ja fast wunschlos glücklich. Und natürlich, wenn das hinter ihm kein Kerl wäre sondern eine Frau. Immerhin war er ja immer noch hetero, das bestätigte ihm seine kurz aufflackernde Panik erneut, als er intensiv in sich hineinlauschte. Allein der Gedanke, irgendwas mit einem... Mann zu tun verursachte ihm schon leichte Übelkeit und ein unangenehmes Kribbeln entlang der Wirbelsäule. Jep, definitiv hetero, das beruhigte ihn wieder ein wenig.
 

Yohji konzentrierte sich und langsam kamen die Bilder wieder, nach denen er gesucht hatte, wenn auch noch verschwommen. Er musste eine ganz Menge getrunken haben, wenn er sich bei DIESEM Hintern – und dem wohl zugehörigen MANN - nicht an mehr erinnerte als die Cocktails, die er sich hinter die Binde gekippt hatte, bevor Schuldig ihn zum Tanzen gebracht hatte und...
 

Mit einem Mal war er hellwach und saß diesmal wirklich senkrecht im Bett. Der fremde Arm glitt von seinem Körper und der zugehörige Körper drehte sich grummelnd auf die andere Seite, schien von der Aktion seines Bettnachbarn allerdings nicht wach zu werden.
 

Yohji wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte oder am Besten einfach nur auf der Stelle sterben. Er traute nicht, sich umzudrehen. Aber immerhin bestand noch die klitzekleine, winzige, verschwindend geringe Chance, dass er sich nach seinem... ähem... Tanz mit dem Orangehaarigen einfach jemanden gesucht hatte – jemanden mit einem überaus attraktiven Hinterteil und unzweifelhaft männlich - den er dann begleitet hatte. Denn soviel sagte ihm ein vorsichtiger Rundumblick: das hier war kein Hotelzimmer, das war ein geschmackvoll eingerichtetes Schlafzimmer, allerdings nicht sein eigenes.
 

Aber das hatte er auch schon vorher gewusst. Denn erstens fühlte sich sein Bett anders an, zweitens roch es bei ihm nicht so wie hier und drittens nahm er nie jemanden mit ins Koneko. Nicht unbedingt aus Rücksicht auf seine Kollegen, sondern vielmehr um sich gewaltigen Ärger mit seinem Anführer zu ersparen, der noch unleidlicher war, wenn er in seinem Nachtschlaf gestört wurde.
 

Von seinen wirren Gedanken kurzzeitig abgelenkt schüttelte Yohji den Kopf und wandte sich wieder dem aktuellen Problem zu. Er schalt sich selbst einen Feigling, schließlich konnte er ja nicht ewig hier sitzen bleiben. Spätestens wenn sein Bettpartner erwachte und es derjenige war, den er befürchtete, brannte das Eis. Er musste hier weg, so schnell wie möglich. Aber vielleicht irrte er sich ja auch...
 

Der Blonde atmete noch einmal tief durch und drehte sich dann wie in Zeitlupe um. Zunächst sah er nur einen Wust von langen, orangefarbenen Haaren, der halb unter einer dunkelblauen Decke begraben lag, aber allein das ließ seinen Adrenalinspiegel fast überkochen. Nicht einfach nur ein Kerl – damit hätte er ja noch vielleicht irgendwann normal weiterleben können! – nein, es musste ja ausgerechnet DER sein!
 

Er musste sich wirklich beherrschen um nicht augenblicklich seiner momentanen Stimmung nachzugeben und postwendend aus dem Fenster zu springen. Er hatte keine Ahnung, in welchem Stockwerk er sich befand, aber es würde schon reichen. Ganz ruhig. Alles fein, alles gut... nur nicht aufregen! Einatmen. Ausatmen. Nicht hysterisch werden. Er war ein Profi, ein Ladykiller... und anscheinend auch noch ein Gentlemankiller. Besser nicht zu viel darüber nachdenken.
 

Yohji riss sich zusammen, schloss gepeinigt die Augen und versuchte, seinen rasenden Herzschlag wieder unter Kontrolle zu bringen. Ok, dann hatte er eben eine Nacht mit Schuldig – mit Mastermind! – verbracht... na und? Sowas passierte eben, wenn man zu viel getrunken hatte, das war doch nichts Weltbewegendes.
 

Wäre da nicht diese nervige Stimme in Yohjis Innerem gewesen, die ihn irre kichernd ankreischte und giggelte, ob er denn noch bei Trost wäre, hätte er sich das auch sicher einreden können... irgendwann. Aber so tauchte er langsam wieder aus dem Schutzmechanismus auf, der ihn gerade davon abgehalten hatte aus dem Fenster zu springen und orientierte sich erst einmal.
 

Seine antrainierten Instinkte sprangen an – nachdem sie von ihrem Wochenendtrip zurückgekehrt waren – und er sucht als erstes den Ausgang, dann seine Kleidung, die er auf einem Stuhl entdeckte. Soweit so gut.
 

Millimeter für Millimeter schob er sich aus dem Bett, immer darauf bedacht, Schuldig nicht zu wecken. Was passierte, wenn der jetzt wach wurde, das wollte er sich lieber nicht ausmalen, nicht einmal in Gedanken. Er schlüpfte lautlos unter der Decke heraus, darin hatte er wenigstens Übung.
 

Schnell schlich er durch das Zimmer und schnappte sich seine Hose. Unterwäsche hatte er sowieso keine getragen und selbst wenn, wäre es ihm wohl gerade egal gewesen. Er wollte sich nur so schnell wie möglich bedenken und dann nichts wie weg hier, solange er noch lebte.
 

Es raschelte hinter Yohji und der Killer zuckte herum, alle Muskeln gespannt in Erwartung eines Angriffes von Seiten des Telepathen. Doch nichts geschah. Der Orangehaarige hatte sich lediglich auf die andere Seite gedreht, doch die Lider über den grünen Augen blieben weiterhin fest geschlossen. Die langen Strähnen hingen ihm wirr und zerzaust in die Stirn, ließen ihn jünger aussehen, wohl auch dadurch bedingt, dass nicht das übliche, sadistische Grinsen auf den Lippen lag.
 

Und Yohji hatte gestern EINDEUTIG zu viel getrunken! Er hatte ja immer noch soviel Restalkohol im Blut um absolut kranke Gedanken zu hegen. Was zum Henker war in diesen Drinks gewesen? Drogen? Halluzinogene? Tranquillizer? Jetzt fing er schon an, seinen Feind zu betrachten, anstatt zu flüchten. Ok, nach dem Pakt von Oracle und Abyssinian war der Kerl vielleicht kein richtiger Feind mehr, aber trotzdem! Keine Ahnung was der nun genau war, aber allein die Tatsache, dass der nicht WEIBLICH war... wie auch immer!
 

Der Blonde war nahe dran, seinen Kopf gegen die nächste Wand zu hämmern in der Hoffnung, dass er dadurch wieder klarer wurde. Aber das hätte den Besitzer des Zimmers eventuell geweckt, also lieber kein Risiko eingehen.
 

Kaum dass er sich sein Shirt über den Kopf gestülpt hatte, schnappte er sich seine Uhr und die Schuhe. Seine Socken vergaß er in der Eile, aber das war ihm dann auch egal. Auf Zehenspitzen schlich er aus dem Zimmer, durch den halbdunklen Flur zur Eingangstür. Die fand er zum Glück auf Anhieb und sie war auch noch unverschlossen. Das Glück war mit den Dummen.
 

Lautlos verließ Yohji die Wohnung, lehnte sich von außen erstmal gegen die Tür. Großer Gott, was hatte ihn nur geritten, dass es zu solch einer Situation gekommen war? Das hieß, IHN hatte die letzte Nacht offensichtlich gar nichts geritten, nachdem sein Hinterteil keinerlei Proteste anmeldete. Wenigstens etwas. Ansonsten hätte er wirklich gar nicht mehr in den Spiegel schauen können.
 

Warum konnte er sich bitte an nichts mehr erinnern? Er kam noch ziemlich genau bis zu der Stelle, an der ihr Tanz durch den Kuss unterbrochen worden war. Und wow! DAS war ein Kuss gewesen, das musste selbst er zugeben. Kein kleines Geknutsche oder sowas. Der hatte ihn glatt alles um sich herum vergessen lassen. Das hatte seit Jahren niemand mehr geschafft!
 

Yohji schloss gequält die Augen. Trotzdem war das keine Entschuldigung dafür, dass er mit Schuldig die Nacht verbracht hatte. Zum ersten Mal in seinem Leben verfluchte er seine Neigung, nur sehr selten ein sexuelles Abenteuer abzulehnen, auch wenn ihm das mit einem Mann erst ein einziges Mal passiert war. Und das auch nur aus Neugierde.
 

Wenn das mit Mastermind rauskam, wäre die Hölle ein geschmeichelter Begriff für das, was ihm bevorstand. Von seinem eigenen Anführer mal ganz abgesehen, würde Oracle ganz sicher auch nicht gerade begeistert sein. Und wenn er aus diesem Grund ihr Abkommen kündigte, dann...
 

Yohji wurde schlecht. Besser, er dachte gar nicht erst weiter, sonst würde er noch verrückt werden. Er atmete tief durch und zwang seine Nerven dazu, sich einigermaßen zu beruhigen. Immerhin hatte er es schonmal geschafft, die Wohnung lebend zu verlassen. Jetzt musste er herausfinden, wo er sich befand und wie er am Besten wieder nach Hause kam.
 

Er schlüpfte in seine Schuhe, die er immer noch in der Hand trug und stieß sich von der Tür ab. Als erstes weg hier. Vergeblich suchte er seine Zigaretten. Scheiße.

Aya würde ihn umbringen.
 

+++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++
 

Er hörte das leise Klicken seiner Eingangstür und hob langsam die Lider. Ein träges, zufriedenes Lächeln machte sich auf seinem Gesicht breit und die grünen Augen funkelten leicht, als er sich etwas aufrichtete, zum Nachttisch rüberbeugte und nach den Zigretten angelte, die dort deponiert waren.

Das Kätzchen war verwirrt. Gut so.
 

Schuldig streckte sich leicht und zündete sich eine der Zigaretten an, inhalierte genüsslich den Rauch und schloss die Augen wieder. Yohjis Geruch hing noch in seinem Bett, ein Umstand, den er nicht einmal als unangenehm empfand. Im Gegenteil. Da konnte er auch getrost das nervige Pochen in seinem Oberarm ignorieren, dass Schuldig sagte, dass der gestrige Abend keine wirklich grandiose Idee gewesen war. Die Schusswunde machte sich bemerkbar und das nicht zu knapp. Die Schmerzmittel, die er vor seinem Discobesuch eingeworfen hatte, hatten ihre Wirkung verloren. Wie lästig.
 

Zumal er schon seit fast einer Stunde wachlag und versuchte, das Ziehen und Stechen zu ignorieren, dass unter dem Verband wühlte. Nur hatte er sich irgendwie nicht recht aufraffen können, das Bett zu verlassen. Die Nähe des Kätzchens war irgendwie... angenehm gewesen.
 

Ungewohnt, aber nicht lästig wie bei den meisten, die schon in diesem Bett gelandet und auch genauso schnell wieder daraus verschwunden waren. Und der angenehme, dezente Duft, der noch immer in seinem Kissen haftete, veranlasste ihn dazu, nur an seiner Zigarette zu ziehen und den Schmerz weiterhin zu ignorieren, so gut es eben ging.
 

Allerdings wurde seine nachdenkliche Stimmung wenig später jäh unterbrochen. Mürrisch runzelte sich Schuldigs Stirn, als das Telefon auf dem Nachtkasten neben seinem Kopf klingelt. Er warf einen Blick auf die Nummer, die ihm auf dem Display angezeigt wurde und verdrehte die Augen. Na ganz klasse. Seufzend steckte er sich die Zigarette in den Mundwinkel und hob ab, um seine Standpauke entgegenzunehmen.

„Guten Morgen, liebster Brad. Was kann ich für dich tun?“, fragte er gelangweilt.
 

»Du spielst ein gefährliches Spiel«, tönte ihm die ruhige, kühle Stimme seines Anführers aus dem Hörer entgegen. Täuschte er sich oder schwang da wirklich ein Hauch von Besorgnis mit?
 

Schuldig setzte sich anständig hin, nahm sogar die Zigarette aus dem Mund, nachdem er noch einmal daran gezogen hatte. Er blies den blauen Dunst aus.
 

„Was hast du gesehen?“, fragte er ernst, aber nicht übermäßig verunsichert. Wäre es etwas Gravierendes, hätte Brad den vorigen Abend verhindert, da war er sich sicher.
 

»Nichts. Noch nicht. Es war nur...« Ein kurzes Zögern, das Schuldig erst recht aufhorchen ließ. »... ein Gefühl.« Eine kurze Pause. »Komm her, es gibt Arbeit.«
 

Der plötzliche Themenwechsel verwirrte Schuldig ebenso wie die vorangegangene Aussage. Brad und Gefühl? Moment, entweder der Mann war krank – was in dieser Art noch nicht vorgekommen war, seit sie sich kannten – oder er wusste, dass etwas passieren würde und seine Visionen ließen ihn im Stich. Wieder mal.
 

Schuldig wusste nicht, welche der beiden Varianten er nun bevorzugen sollte.

„Ok.“ Damit legte er auf und schwang die Beine aus dem Bett. Vielleicht hatte Brads Ahnung ja gar nichts mit ihm zu tun. Der Telepath fing an zu grübeln, während er ins Bad wanderte und dort die Dusche aufdrehte, nachdem er sich aus dem Spiegelschrank neben der Tür ein paar kleine, rosafarbene Tabletten gefischt hatte. Die Zigarette landete unbeachtet im Waschbecken und wurde gewässert, damit sie keinen Schaden auf dem Porzellan anrichtete.

Arbeit, das bedeutete einen Besuch bei Takatori oder etwas ähnlich Widerliches.

Wundervoller Start in den Tag. Aber wenigstens hatte er dank Yohji seine täglichen Streicheleinheiten schon bekommen.
 

Allerdings hatte er intelligenter Weise übersehen, dass sein Verband vielleicht nicht nass werden sollte. Naja, jetzt wars sowieso zu spät, da machte es auch nichts mehr, wenn er noch ein wenig seinen Gedanken nachhing, das Pochen würde sowieso früher oder später gegen den Schmerzkiller verlieren.
 

Grinsend stellte er sich ganz unter den warmen Wasserstrahl und malte sich genüsslich aus, was er mit dem Wissen, über das der Playboy offensichtlich nicht verfügte, alles anfangen konnte. Und er nutzte seine lebhafte Fantasie sehr ausgiebig.
 

+++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++
 

Seufzend stützte sich Brad auf dem Fensterbrett auf und betrachtete stirnrunzelnd sein übernächtigt wirkendes Gesicht, dass sich in der Glasscheibe widerspiegelte. Unter seinen Augen zeichneten sich leichte Ringe ab und der abgespannte, müde Ausdruck seiner Züge ließen ihn mindestens zehn Jahre älter wirken als er eigentlich war.
 

Er hatte nicht gut geschlafen, eigentlich gar nicht. Nur ab und an war er in einen unruhigen Dämmerzustand gefallen, der seinem Körper mehr Energie abverlangte, als dass er ihm die dringend benötigte Ruhe schenkte.
 

Brad machte sich Sorgen, das konnte er nicht leugnen. Und er fragte sich, ob er das Richtige getan hatte. Ein Zustand, den er hasste und nur schwer ertrug. Er war niemals unsicher, nie zögerlich und schon gar nicht unentschlossen. Er tat, was er tun musste, weil er die Gewissheit hatte, dass es das Richtige war. Das Richtige für sein Team, dessen einzelne Mitglieder und nicht zuletzt auch meistens für sich selbst.
 

Doch dieses Mal war es anders. Brad hatte mehrere Optionen zur Verfügung gehabt und er hatte sich für eine entschieden, dazu musste er jetzt stehen. Ob sie zum gewünschten Erfolg führen würde, wusste er noch nicht, so weit hatten ihn seine undeutlichen Visionen nicht sehen lassen.
 

Nicht zum ersten Mal in seinem Leben verfluchte der Amerikaner seine unbeständige Gabe. Sie war zu abhängig von zu vielen Faktoren, nicht zuletzt von der Berechenbarkeit seiner Umwelt. Und wie um Himmels willen sollte man etwas berechnen, das nicht berechenbar war? Takatori, Farfarello... Schuldig. Es wurden immer mehr Unbekannte in der Gleichung die sich wieder und wieder in seinem Kopf abspielte.
 

Sein Gefühl schrie ihm zu, dass er den gestrigen Abend hätte verhindern müssen, dass Schuldig sich nicht zu intensiv mit dem gegnerischen Team beschäftigen durfte, dass.... Aber sein Verstand und sein Kalkül sagten ihm, dass das genau das Richtige war.
 

Indem er Schuldigs Spieltrieb auf andere Opfer umlenkte, sorgte Brad dafür, dass der Feuerkopf Abyssinian in Ruhe ließ. Im Normalfall wäre es ihm mehr als egal gewesen, ob Schuldig den gegnerischen Leader nun in den Wahnsinn trieb oder nicht, aber diesmal stand zu viel auf dem Spiel. Nicht zuletzt Nagis Sicherheit und ihrer aller Zukunft.
 

Zum Teufel, das klang eindeutig zu pathetisch, auch wenn Brad nicht umhin kam, ein Fünkchen Wahrheit darin zu finden, wie er mit einem bitteren, zynischen Lächeln feststellen musste.
 

Das Konstrukt aus Verbindungen, Visionen und Plänen, dass er in den letzten Jahren sorgfältig aufgebaut und geschmiedet hatte, war mit dem steigenden Maß an Verrücktheit seitens Takatori gefährlich ins Wanken geraten. Nun drohte alles zu zerbrechen, worauf er hingearbeitet hatte. Und wieso? Weil er als Leader nicht die Fähigkeit einer absolut zuverlässigen Gabe besaß. Da half auch kein Schönreden etwas. Brad war in diesem Fall der Dreh- und Angelpunkt. Sein Team verließ sich auf ihn, jeder Einzelne ging davon aus, dass er wusste, was er tat. Weil es immer so gewesen war. Und weil es immer so bleiben würde.
 

Entschlossen straffte der Dunkelhaarige die breiten Schultern und der bittere Ausdruck machte seinem üblichen, überlegenen Platz. Er würde nicht versagen, niemals. Dieser Tag würde nicht kommen, weder heute, noch irgendwann. Dafür war das Risiko zu groß.
 

Brad spielte ein gefährliches Spiel und das komplizierte Gebilde, die Mischung aus berechnender Loyalität zu Takatori und gleichzeitig der Verrat an demselben würde dem Druck nicht mehr lange standhalten. Nur noch ein bisschen mehr Zeit, ein kleinwenig.

Wenigstens war Nagi vorerst in Sicherheit. Bei ihnen galt er offiziell als vermisst gemeldet, war von einem Botengang nicht mehr zurückgekehrt. Verbleib unbekannt. Und bis man ihnen einen neuen Hacker zuteilte, konnte er auch leider nicht effektiv auf die Suche nach dem verschwundenen Jungen gehen, wie schade aber auch, immerhin war der Kleine ein fähiger Mitarbeiter.
 

Brads Mundwinkel zuckten leicht, während er den Platz am Fenster verließ und sich wieder an seinen Schreibtisch setzte. Der Moment der Melancholie war verstrichen, seine Selbstsicherheit hielt wieder in ihm Einzug. In jedem Spiel musste es einen Verlierer geben und der würde ganz sicher nicht er sein.



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Von:  Mia
2009-06-27T23:30:26+00:00 28.06.2009 01:30
Was ein Zufall
Nach ganzen Zwei Jahren habe ich beschlossen eine meiner liebsten Fanfics aus meiner absouluten Weiß-Kreuz Hype Zeit nochmal zu lesen (einfach weil es mir bei Brad und Ken im Supermarkt allein bei der Erinnerung die Lachtränen in die Augen getrieben hat) und was sehe ich, nach zwei Jahren geht die FF ja dann sogar weiter *_*

Trifft sich gut, ich verspreche, ich werde am Ball bleiben ^^
Ich hoffe du auch und ein weiteres Upload folgt.

Gruß
Hayner

PS: Ich mag deinen Schreibstil sehr gerne ^^ Damals wie heute
Von:  Drakea
2009-02-20T20:20:07+00:00 20.02.2009 21:20
Welch ein Zufall.
Da kommt man einmal in zwei Wochen auf Animexx vorbei und stolpert über eine Geschichte, die man schon lange abgeschrieben hat.
Schön das du weiterschreibst :)

Nach dieser Zeit komme ich leicht wieder in die Fanfic und das geschehen hin. Wobei ich mich nicht daran erinnern konnte, dass Schuldig angeschossen wurde. Aber ich will jetzt auch nicht die anderen Kapitel nachlesen. *Schusswunde hinnehm*

Tja, lieber Yohji. Da sieht man mal wieder - Alkohol ist nicht dein Freund. Er Dinge nur schlimmer.
Aber was mich verwirrt ist, dass du schreibst, nachdem Yohji Schuldig erkannt hat, sich immer noch bei ihm bedanken wollte. Kommt mir unsinnig vor. Einerseits hat Yohji Angst vor Schuldig und das er aufwacht und auf der anderen Seite will er Danke sagen, wo Schuldig wach sein sollte.
Das Yohji ohne ein Ton abhaut passt da besser ins Bild. Wobei ich nicht gleich vor der Wohnungstür stehen geblieben wäre.

Die anderen zwei Teile des Kapitels passen auch. Und bringen auch ihre eigene Stimmung rüber.
Der unbekümmerte Schuldig, der in seinem Bett lümmelt und genießt (und auch leidet)
und der nervlich belastete Brad, der sich "für den Nabel seiner kleinen Welt hält". Was er eigentlich auch ist.

Soweit so gut.
Hoffentlich geht es weiter. Irgendwann. Und es spielt wieder ein Zufall mit.
Von:  yinni
2009-02-19T16:53:04+00:00 19.02.2009 17:53
Yay, es geht weeeeiter!!! *freu*
Ein wunderschönes Kapitel, leider wusste ich net mehr ganz worum es in deiner FF geht... wäre ein Grund deine FF nochmal komplett durchzulesen *überleg*
Die Sicht aus Yohji hast du echt genial beschrieben. An einigen Stellen musste ich sogar schmunzeln und ich habe mich auch ein bissel wie Yohji gefühlt. Wie gesagt, ich weiß net mehr worum es geht... *schäm*
Schade, dass Schuldig net gezeigt, das er wach ist. Ich hätte gern gesehen, wie Yohji reagiert hätte x3

Mach weiter so! ^^

P.S. Ich hoffe, das nächste Kapitel braucht keine zwei Jahre xD
P.P.S. Falls du noch nen Betaleser sucht, ich würde mich anbieten ^^
Von: abgemeldet
2007-11-27T20:05:09+00:00 27.11.2007 21:05
Ah,
endlich habe ich diese FF gefunden!
*freu*
Das erste mal hab ich sie vor ner halben Ewigkeit bei ner Freundin gesehen und seit ich meine Mutter davon überzeugt hat das ich I-net bekomme gesucht weil iwi wusste keiner mehr den Titel oder kannte sie garnicht...
Egal, jetzt weiss ich ja wie sie heisst!
Ich hab ein paar Textpassagen meiner Schwester vorgelesen, und die fand sie auch noch geil (Sie mag die FFs die ich lese nicht, Shonen ai noch weniger und am allerwenigsten Weiss Kreuz, wiel ich ihrer meinung nach Farfi zu ähnlich bin)
warum kannst du nur so geil schreiben?
Ich will auch!
*heul*
Iwi kann man sich immer sau gut in die Gedankengänge der einzelnen Charactere hineinversetze.
Würd mich freunen wenns bald ein neues Kappi gibt,
MfG,
Lacu
Von:  Azazel_Il_Teatrino
2007-05-30T10:24:17+00:00 30.05.2007 12:24
jaaaa... ich muss sagen, das kapi hat es doch eindeutig in sich...*grins*
bin ja mal echt gespannt, wie das jetzt weiter geht... und nicht nur mit yohji und schu...*lach*
freu mich wenns weiter geht...^^
liebe greets
meiyû
Von:  Azazel_Il_Teatrino
2007-05-30T10:04:24+00:00 30.05.2007 12:04
uiuiui... jetzt werden sies gleich wissen...^^
ich bin ja mal gespannt... bin mir nicht mehr so sicher ob ich die beiden letzten kapis schon mal gelesen hab, aber da hier kein kommi von mir steht, kriegst du noch mal eins...^^
greets
meiyû
Von:  Silverdarshan
2007-02-25T16:39:02+00:00 25.02.2007 17:39
So.
ich denke dein wunsch von 10 kommis ist hiermit erfüllt ^_____~
ich bin schon öfter über deine fanfic gestolpert, aber nie zum lesen gekommen *seufz*
wirklich ein jammer, wenn ich bedenke, was ich bis jetzt verpasst habe! u.ú
nun denn, deine fanfic gefällt mir wirklich sehr gut!
die charaktere kommen glaubwürdig rüber und die gefühle der einzelnen personen reißen einen regelrecht mit.
dein stil gefällt mir wirklich sehr, ich hoffe du machst bald weiter?!
ich bin schon sehr gespannt, wie du Nagi mit Aya verkuppeln wirst!
das du nur so wenige kommis erhälst liegt leider an der schrumpfenden fangemeinde.
ich finde es wirklich schade, daher freue ich mich jedesmal, wenn mir eine gelungene ff über den weg läuft ^^

also dann!
ich hoffe das nächste kapitel ist bereits im anmarsch (lang genug zeit hattest du ja ^__~)!
ich würde mich auch sehr über eine ENS freuen, ich schussel vergesse sowas sonst sehr schnell ^^;;

grüßelchen
Hieads_Angel
Von:  Drakea
2007-02-16T20:41:11+00:00 16.02.2007 21:41
Oh Gott. Das war wirklich Nervengift.
Der letzte Teil des Kapitels (Stangen-Tanz-Szene) ist unglaublich aufregend und fesselnd zu lesen und man kann sich schon fast denken das es sehr sehr bald heiß und zitronensauer wird. Aber irgendwie fehlt da noch was. Ich bin mir nur nicht sicher was es ist.
Was auch süß ist, ist Nagi. Wie er da so allein auf dem Bett sitzt und an den Rest von Schwarz denkt und versucht den Starken zu spielen.
Interessant waren auch seine Gedanken zu Aya. Wie viele es waren, wie genau er in betrachtet hatte und was er sich alles eingeprägt hatte. Muskelspiel, das Funkeln der Augen, Auftreten. Es wird schon richtig deutlich wer zu wem gehört. He, he.
Von: abgemeldet
2007-01-29T15:18:17+00:00 29.01.2007 16:18
Oh mein Gott!!!
Wenn das nicht mal ne absolut heiße Szene is, verdammt Schu und Yohji einfach nur grrrrrr^^

ich bin ja schon sehr gespannt wie das mit Nagi und Aya noch was werden soll, find ich im allgemeinen ein sehr interessantes pairing..............was natürlich nicht heißen soll das mich die anderen Pairings nicht interessieren um Gotte willen, man freut sich bei jedem neien Kapitel darüber etwas mehr zu erfahren wie die sich alle näher kommen^^

bye
Asagao
Von: abgemeldet
2006-12-20T01:07:18+00:00 20.12.2006 02:07
7 von 10...;-)
Das Warten hat ein Ende. An diesem Teil fand ich neben der Disco-Szene ^__^ auch die Beschreibung von Nagis Gefühlswelt sehr gut, seine Gefühle ggü. Schwarz aber auch Aya sind sehr gut getroffen. Seine Charakterbeschreibung von Aya ist interessant, z.B. dass Nagi ihn als "perfekten Killer" bezeichnet.

Bitte schreib schnell weiter. Frohes Fest!
VG, lillibeth


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