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Wish - A Strange Country

von

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Die Party - Neue Bekanntschaften

Kleiner Hinweis: Koryu, der schnucklige Dämon aus Wish gehört nicht mir, sondern Clamp... naja nicht ganz. In meinen Träumen gehört er mir - und zwar nur mir XDDDDD

So und jetzt gehts los!
 

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"So, jetzt ist die Wohnung fast komplett eingerichtet!" Chiyo stand mitten im Wohnzimmer und wischte sich den Schweiß von der Stirn. "Sieht doch gut aus, oder?" fragte sie ihre Mitbewohnerin Misaschi, die neben ihr stand. "Ja, auf jeden Fall. Wenn ich jetzt nur noch wüsste, wo ich den letzten DBZ-Band hinpacken soll.... Jetzt hab ich endlich die ganze Reihe komplett, aber mein Regal platzt jetzt schon aus allen Nähten. So ein Mist!" fluchte sie und starrte auf das mit Manga voll gestellte Regal. Resignierend legte sie den Band ganz oben auf die lange DBZ-Reihe, während sich Chiyo ein Grinsen kaum verkneifen konnte.

Chiyo hatte nicht annähernd so viele Manga wie Misaschi, aber ihre übrigen Bücher füllten auch schon fast die komplette Fensterbank aus.

"Aber ich denke, jetzt können wir uns ein Eis gönnen", sagte Chiyo, und verzog sich in die Küche. "Oh ja, gute Idee", freute sich Misaschi und folgte Chiyo in die Küche.

Erst vor kurzem hatten sich die beiden Mädchen kennen gelernt, und waren gleich zusammengezogen. Sie verstanden sich einfach blendend.

Jetzt standen sie kichernd in der Küche. Misaschi hatte gerade einen Witz über Chiyos Lieblingschara aus Yu-Gi-Oh! gemacht und Chiyo bemühte sich redlich, unter Lachanfällen das Eis auf dem Teller zu portionieren. Doch sie traf mit dem Löffel immer nur den Tellerrand, bis Misaschi ihr den Löffel aus der Hand nahm und sich selbst darum kümmerte. Und Chiyo flüchtete ins Wohnzimmer, wo sie sich lachend auf die Couch fallen ließ.
 

Am Abend sollte ihre Einweihungsparty steigen, und viele Gäste würden die 2-Zimmerwohnung füllen. Und da die Party unter dem Thema Visual-Kei laufen sollte, hieß es nun richtig stylen. Voller Vorfreude schlüpfte Chiyo in ihr langes, schwarzes Kleid und kämmte ihre langen, ebenfalls schwarzen Haare.

"Ach, Chiyo, hast du schon gehört, dass unser Nachbar, der ja auch heute Abend da ist, noch jemanden mitbringt?" rief Misaschi aus dem Badezimmer. "Oh, cool" freute sich Chiyo. "Wenn sein Kumpel auch nur halb so gut aussieht wie er, werde ich heute wohl aus dem Flirten nicht mehr herauskommen", sagte sie grinsend. "Aber vergiss nicht, der Nachbar ist meiner!" Misaschi stand jetzt in Chiyos Schlafzimmer und sah sie mit einem Blick an, der Chiyo wahrscheinlich höllische Qualen versprechen sollte, sollte sie es auch nur wagen, den Nachbar auch nur länger als zwei Minuten anzusehen. "Schon gut, schon gut, das werden ja auch nicht die einzigen männlichen Wesen heute Abend sein", lenkte Chiyo ein. "Aber dafür darfst du mich jetzt schminken, Misaschi!" Mit diesen Worten schob sie Misaschi ins Bad und sah sie erwartungsvoll an.
 

"Das Büffet ist jetzt auch fertig!" Chiyo rückte noch eine Schüssel Chips in die richtige Position und begutachtete den schwarzen runden Tisch, den sie von ihrer Mutter bekommen hatte. Dann naschte sie ein wenig von den Chips. "Mmmh, es geht doch nichts über die wahren Chio-Chips", meinte sie anerkennend. Misaschi stürmte ins Wohnzimmer. "Hey, futter nicht die ganzen Chips, die sollen doch noch reichen", rief sie vorwurfsvoll. "Tja, ich hab mich halt zum Fressen gern", grinste Chiyo. " Außerdem ist noch eine ganze Chio-Chips-Trommel in der Küche, falls du die übersehen hast." "Du konntest es wohl wieder nicht lassen", sagte Misaschi und verdrehte die Augen. Aber sie schmunzelte. Jahr und Tag aß Chiyo keine Chips, aber wenn es um Chio-Chips ging, konnte sie gut und gerne einen Fress-Wettbewerb gewinnen.
 

Es klingelte. Misaschi und Chiyo sahen sich an. "Die ersten Gäste!" freuten sich beide und stürmten zur Tür. Was sich in dem engen Gang als etwas schwierig erwies. Aber Chiyo ließ Misaschi gerne den Vortritt. Misaschi öffnete die Tür, und die ersten beiden Mädchen traten ein, ließen freudig die Begrüßungsknuddeleien über sich ergehen und gingen dann schnurstracks ins Wohnzimmer, wo sie die Einrichtung, die Deko und vor allem Misaschis Manga bewunderten.

Schon kurze Zeit später klingelte es wieder, und da Misaschi in eine heftige Diskussion über "Kizuna" verwickelt war, öffnete Chiyo. Und ihr verschlug es den Atem. Ihr netter, gut aussehender Nachbar Seto stand da und lächelte sie an. Aber hinter ihm.... Chiyo brachte kein Wort hervor angesichts dieses wirklich unwirklich schönen jungen Mannes, der hinter Seto stand. Er sah aus, als wäre er direkt aus einem Bishonen-Manga entsprungen. Zarte Statur, schwarze Haare, die ihm ein wenig ins Gesicht fielen, violette (!) Augen und ein Lächeln, das einen geradezu umhauen konnte.

"....das ist Koryu. Ich hab ja gesagt, dass ich noch jemanden mitbringe. Ich hoffe doch, dass das wirklich in Ordnung geht?" Chiyo blinzelte. "Bitte was? Ach ja.... Klar natürlich. Warum nicht?" stammelte sie. Seto drehte sich zu seinem Begleiter um. "Du und deine Wirkung auf Frauen", raunte er Koryu zu. Der grinste kokett, was Chiyo noch mehr aus der Fassung brachte. Seto wandte sich wieder zu ihr. "Wollen wir hier draußen feiern?" fragte er. In diesem Moment tönte es aus dem Wohnzimmer: "Chiyo, wer ist da gekommen?" Chiyo wirbelte herum und gleich wieder zurück zur Wohnungstür. "Äh, ja klar, kommt rein... Draußen ist es ja doch ein wenig kühl, dank dem offenen Flur." Sie grinste verlegen und öffnete die Tür ganz, damit die beiden eintreten konnten. Dann versuchte sie ihre Stimme und vor allem ihre Sprache wieder zu finden, bevor sie Misaschi Antwort gab.

"Seto ist da... mit seinem Kumpel. Kommt einfach mit", sagte sie zu den beiden und ging ins Wohnzimmer.

Misaschi fiel Seto freudig um den Hals. "Schön, dass du da bist. Die anderen müssten auch bald kommen, dann können wir anfangen." Seto drückte ihr eine Flasche Sekt in die Hand. "Kleines Einweihungsgeschenk und Stoff zum Feiern", sagte er lächelnd. Misaschi nahm die Flasche freudig entgegen. "Domo arigato" bedankte sie sich und stellte die Flasche erstmal in den Kühlschrank. Chiyo war ihr gefolgt und sah ihre Mitbewohnerin an. "Nicht schon wieder Sekt, ich hab doch noch von der Silvesterparty Kopfschmerzen...", jammerte sie. Misaschi zuckte mit den Schultern. "Tja, wenn du wirklich einen Sekt von Seto verschmähen willst.... Dann bleibt mir mehr!" Sie grinste frech. Chiyo wedelte mit den Händen. "Nein, nein... so war das nicht gemeint. Ich will nur nicht wieder so viel erwischen wie an Silvester. Übrigens... hast du Setos Kumpel gesehen? Der sieht ja noch besser aus, als die Polizei erlaubt..." Chiyo quasselte vor sich hin und konnte es wirklich kaum fassen. Von so einem Typen hatte sie immer geträumt. Doch dann sank sie zusammen. "Aber der wird bestimmt nichts von mir wollen. So war's immer und so wird's immer sein..." Sie klang traurig. Misaschi sah sie an. "Komm mal kurz mit, Chiyo", sagte sie und schob die Freundin ins Schlafzimmer. "Jetzt hör mir mal zu. Du hast heute so groß getönt, dass du flirten willst. Das ist unsere Einweihungsparty und ich will dass du Spaß hast. Und wehe, du machst dich runter, nur weil du schlechte Erfahrungen gemacht hast. Das liegt hinter dir, du hast ein neues Leben angefangen, schon vergessen? Du hast mir selbst gesagt, dass du das Gefühl hast, dass hier alles klappen wird, was du dir vorgenommen hast, dass du alles bekommen wirst, was du wirklich willst. Ich finde, heute ist ein guter Zeitpunkt, richtig damit anzufangen!" Misaschi holte tief Luft. "Und jetzt geh da raus, amüsier dich und nimm dir das, was als Geschenk zu dir gekommen ist!" Ohne Chiyo auch nur ein Wort sagen zu lassen, schob Misaschi sie hinaus. Wieder mal hatte sie der älteren Freundin einen Tritt in den Hintern geben müssen, damit die endlich aus ihrem Loch herauskam.
 

Eine knappe halbe Stunde später waren alle Gäste da, und die Party war schon im vollen Gange. Aus dem CD-Player tönten Anime-Soundtracks, J-Music und angesagte Bands wie "The Rasmus" und "Evanescene". Die Gläser mit dem Sekt waren bereits fast geleert, die Stimmung steuerte dem ersten Höhepunkt entgegen. Noch wagte es Chiyo nicht, sich näher mit Koryu zu beschäftigen, aber ihr war nicht entgangen, dass er ein paar Mal zu ihr herüber geschaut hatte. Was sie davon halten sollte, wusste sie nicht. Sie saß auf der Couch und redete ein wenig mit einer Freundin, aber sie bekam kaum mit um was es ging. "Hey, Chiyo, du hörst mir ja gar nicht zu. Und dein Blick...auweia. Wer ist denn der Glückliche?" fragte sie. Sie schien genau gemerkt zu haben, was mit Chiyo los war. "Wie bitte? Ach.... Niemand... wichtiges. Entschuldige mich bitte. Ich muss kurz die Tortillas wieder auffüllen." Chiyo stand auf und ging in die Küche. Dort begann sie hektisch nach einer frischen Schüssel zu suchen. Sie wollte keinesfalls Tortillas auffüllen, sondern eine weitere Schüssel mit Chips bereitstellen. Eigentlich wollte sie nur etwas zu tun haben. Sie beugte sich zu der Chipstonne hinunter und hantierte an dem Verschluss herum.

"Nette Aussichten", hörte sie plötzlich eine Stimme hinter sich, die einfach göttlich klang. Und sie wusste auch, von wem sie stammte. Sie wirbelte herum, und starrte genau in violette Augen, die plötzlich nahe vor ihr erschienen waren. Zu nahe, wie sie fand. Rasch wandte sie ihr Gesicht ab, weil sie sich sicher war, dass sie knallrot geworden war. Aber irgendetwas musste sie sagen. "Findest du? Dabei habe ich doch nur versucht, die Chipstonne aufzumachen." Das sollte unschuldig-schlagfertig klingen, aber es war einfach nur dämlich, fand Chiyo. "Ja, das hab ich gesehen", antwortete Koryu. "Und scheinbar hattest du Probleme damit. Da haben Chips schon fast den gleichen Namen wie du, und du mühst dich ab. Na ja, vielleicht kann ich dir ja helfen... Für eine angemessene Gegenleistung dürfte das wohl kein Problem sein, oder?" Er lächelte sie beinahe frech an. Chiyo brachte mal wieder kein Wort hervor. Sie wusste nicht, was sie davon halten sollte. War das nun einfach richtig dreist, oder sollte sie dieses Angebot als ihre Chance ansehen? Sie sah Koryu verständnislos an. "An... was hast du dabei gedacht?" fragte sie dümmlich. "Hmmm...." Koryu tat so, als würde er angestrengt nachdenken. "Weißt du was? Die Nacht ist noch jung, da wird mir sicher noch was einfallen. Nun, dann mach ich mich mal daran, dieses widerspenstige Ding aufzumachen. Ich kann nur hoffen, dass du diese Eigenschaft nicht auch noch besitzt." Er lachte leise, während Chiyo am liebsten im Erdboden versunken wäre.

Kurze Zeit später trug Chiyo die Schüssel ins Wohnzimmer, gefolgt von Koryu. Nachdem sie die Schüssel abgestellt hatte, drehte sie sich zu Koryu um. "Danke noch mal für deine Hilfe." Sie versuchte, es normal klingen zu lassen, und so zu tun, als wäre das vorhin nicht gewesen.

"Keine Ursache, hab ich gerne gemacht, vor allem in Vorfreude auf meine ,Entschädigung'", antwortete Koryu. Chiyo starrte zu Boden. "Hey, alles in Ordnung?" fragte er, ein wenig Besorgnis klang in seiner Stimme. Chiyo schwieg. Was sollte sie sagen? "Chiyo?" hakte Koryu nach. Er hob ihren Kopf hoch und sah ihr in die Augen. "Hey, das war ein Scherz. Ich hab nicht gewusst, dass du damit ein Problem hast. Ich dachte, du nimmst das nicht so ernst", sagte er leise. "Entschuldige...", flüsterte Chiyo. Stimme war ihr im Moment nicht möglich. "Ich war mir nicht sicher....ich wusste ja nicht wie du...so bist..." Das ging ja voll daneben, dachte sie verzweifelt.

Koryu lächelte. "Klar, wie denn auch. Wir haben uns heute zum ersten Mal gesehen, und kaum miteinander gesprochen. Vielleicht sollten wir das nachholen." Er sah sich kurz um. Mittlerweile war die Balkontür geöffnet. "Am besten du holst dir eine Jacke, dann gehen wir auf euren Balkon. Hier ist es ein wenig zu laut für ein Kennenlern-Gespräch, findest du nicht auch?" Chiyo sah ihn überrascht an. Jetzt war er auf einmal so, wie sie es sich gewünscht hatte. Das Geschenk, das zu ihr gekommen war, annehmen? Jetzt sei der richtige Zeitpunkt dafür? Sie nickte und ging in den Flur. "Danke Misaschi", flüsterte sie leise, als sie sich die Jacke anzog.
 

Koryu wartete bereits mit zwei Gläsern Sekt auf dem Balkon. Chiyo hob ein wenig überrascht eine Braue, denn irgendwie fühlte sie sich gerade an eine billige Seifenoper erinnert, was ein leichtes Grinsen auf ihr Gesicht zauberte.

"Siehst du, du kannst sogar lächeln", sagte Koryu erfreut, was Chiyo erröten ließ. "Ja, eigentlich kann ich sogar richtig lachen, so dass ich nicht mal mehr Luft bekomme. Lass dir das mal von Misaschi erzählen", erwiderte sie immer noch grinsend. Sie sah auf die beiden Stühle, die schon seit dem Nachmittag aufgeklappt dastanden. Als hätte Chiyo gewusst, was heute Abend geschehen würde, hatte sie darauf bestanden, die Stühle aufzubauen. Jetzt wusste sie, wieso. "Im Sitzen lässt es sich besser... plaudern", sagte sie zu Koryu, immer noch an die Seifenoper denkend. Das Leben ist lediglich ein Spiel, hat ein sehr guter Freund mal zu mir gesagt, dachte sie. Ich werde wohl versuchen, auch dieses Level durchzuspielen. Lächelnd setzte sich Koryu, aber erst als es sich Chiyo bequem gemacht hatte. Er war wohl auch ein echter Gentleman, wenn man von den derben Witzen absah.

Chiyo warf einen kurzen Blick durchs Fenster ins Wohnzimmer. Drinnen hatten sich auch bereits Pärchen gebildet, und Misaschi hatte Seto dazu verdonnert mit ihr zu tanzen. Oder war es vielleicht umgekehrt gewesen?

"Na, dann erzähl doch mal was aus deinem Leben", fing Koryu unbekümmert an, nicht ahnend, dass er mal wieder einen von Chiyos vielen wunden Punkten angerührt hatte.

Sie senkte den Blick. "Ich glaube, das willst du nicht wirklich wissen... Es war... nicht gerade schön, aber ich habe jetzt ganz neu angefangen, und das Vergangene soll mich nicht mehr behelligen!" Chiyo versuchte mit fester, entschlossener Stimme zu sprechen, aber das gelang ihr nicht. Noch immer quälte sie sich mit traurigen Erinnerungen, und den Schmerzen der Veränderung herum.

Aber Koryu schien diese Unsicherheit zu überhören. "Ich finde, das ist wirklich eine gute Einstellung. Doch Erinnerungen machen uns zu dem, was wir sind, und sie sind eine gute Geschichte. Wenn man sie mit dem nötigen Abstand betrachten kann und das dauert sehr lange." Er sah sie an. "An welchen Punkt du auch immer stehen magst, ich bin mir sicher dass du das schaffen wirst. Hab einfach Vertrauen in dich selbst, dann klappt das schon. Und jetzt erzähl mir mal was über dieses kleine Städtchen hier, denn es kann sein, dass ich noch eine Weile länger bleiben kann."

Chiyo blinzelte. Sie brauchte ein wenig Zeit, um seine Worte zu verdauen. Auch wenn sie, sie schon von jemand anderem gehört hatte, es war trotzdem etwas Besonderes, sie zu hören.

Dann wurde ihr klar, was Koryu sonst noch gesagt hatte. "Du... du bist hier nur zu Besuch?" fragte sie ungläubig. Viele kannte sie hier ja noch nicht, deswegen hätte sie sich über eine solche Bekanntschaft sehr gefreut.

"Ja, ich komme eigentlich von weit her. Aber das ist jetzt nicht so wichtig. Lass mal hören", meinte Koryu. Er sah nach Westen, wo viele Lichter leuchteten. "Was ist das da zum Beispiel?" fragte er neugierig.

Chiyo holte tief Luft. "Interessant, dass du danach als Erstes fragst. Das ist der Militärflughafen...."
 

Chiyo blinzelte. Ein wenig Licht drang vom Wohnzimmer in ihr Schlafzimmer. Aber wie es schien, hatte Misaschi die Rollos noch nicht hochgezogen. Also schlief sie noch. Chiyo drehte sich auf den Rücken und fasste sich an den Kopf. Nicht schon wieder, dachte sie entnervt. Wie viel Sekt hatte sie gestern Nacht schon wieder erwischt? Dabei wollte sie doch gar nicht so viel trinken, oder vertrug sie nichts mehr?

Langsam erinnerte sie sich an mehr vom gestrigen Abend. Und an Koryu. Wie sie auf dem Balkon gesessen hatten, und sie ihm mehr anvertraut hatte, als sie eigentlich wollte. Aber über was sie alles geredet hatten, das wusste Chiyo nicht mehr so genau, sie war zu sehr von seinem wunderbaren Aussehen gefesselt gewesen. Und sie war überrascht gewesen, dass er sich den ganzen Abend ausgerechnet mit ihr beschäftigt hatte. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, als sie sich an Misaschis Worte erinnerte. Und an andere Worte, die sie sich ebenso zu Herzen genommen hatte. Aber nun kamen die Zweifel. Wie lange würde es diesmal gut gehen, bis wieder die herbe Enttäuschung zuschlug? Wie lange war ihr Glück, wenn es denn so war, diesmal begrenzt? Mit einem Anflug von schwarzem Humor fragte sie sich, ob sie den Rekord von einer Woche schlagen könnte. Chiyo seufzte und verkroch sich unter der Decke. Sie liebte die leichte Dunkelheit darunter, sie gab ihr einen Hauch von Sicherheit, der eigentlich nur eine Illusion war.

Aber das Verkriechen hatte noch einen anderen Grund: Ihr war fürchterlich kalt, wie sie jetzt feststellte. Als sie sich noch einmal bewegte, um sich noch tiefer zu vergraben, bemerkte sie auch noch, wie ihr alles wehtat. Was zur Hölle hatte sie letzte Nacht getan?

Sie schlug die Decke zurück und stöhnte laut auf, was Misaschi, die gerade aufwachte, natürlich hörte. Sofort sprang sie auf und klopfte an Chiyos Tür.

"Chiyo, alles in Ordnung bei dir?" fragte sie besorgt und öffnete die Tür. Sie sah eine Chiyo mit schweißnassem und schmerzverzerrtem Gesicht im Bett liegen.

"Nö", jammerte Chiyo. "Mir tut alles weh!" Misaschi setzte sich an Chiyos Bett und befühlte die Stirn ihrer Mitbewohnerin. "Kein Wunder, so wie dein Kopf glüht, dürfte das ne' deftige Grippe sein", meinte sie. Chiyo stöhnte erneut auf, aber es schien ein wenig erleichtert zu klingen. Misaschi runzelte die Stirn. Erleichtert? Chiyo war erleichtert über eine Grippe? "Du packst dich jetzt erstmal in deine Decke und ich such mal das Fieberthermometer", ordnete Misaschi an. Chiyo nickte ergeben.

Sie mussten gestern noch lange auf dem Balkon gewesen sein, und im Winter waren die Nächte nun mal kühl. Auch wenn die Tage zur Zeit sehr milde waren.

Bevor Misaschi nach dem Thermometer suchte, setzte sie noch Wasser für Tee auf und legte die Beutel für Chiyos Kamillentee bereit. Das Mädel trinkt schon im gesunden Zustand literweise Kamillentee, da dürfte sie das jetzt auch nicht stören, dachte Misaschi und schüttelte dabei den Kopf. Wie konnte man nur Kamillentee mögen? Das war etwas, was sie an Chiyo überhaupt nicht verstand.

Währenddessen ärgerte sich Chiyo gewaltig. Wenn sie krank war, konnte sie sich ja gar nicht mit Koryu treffen. Vorausgesetzt natürlich, er hätte daran irgendwie Interesse. Aber vielleicht war das ja auch besser so. Sie seufzte und wartete auf das Unvermeidliche - das Fieberthermometer. Dabei musste sie unwillkürlich grinsen, weil sie sich an ein gewisses RPG mit Misaschi erinnerte. Der Versuch, ihres Charas, einem Bakura Fieber zu messen und dessen Versuche, diesem Vorhaben auszuweichen.

Zu allem Überfluss stellte Chiyo fest, dass sie jetzt auch noch Halsschmerzen hatte. Ja, klar, wenn ich schon mal Grippe krieg, dann aber schön die ganze Palette, dachte sie grimmig.

Dann kam Misaschi mit dem Thermometer zurück und hatte ein ziemlich fieses Grinsen im Gesicht. Zweifellos hatte sie sich auch an das RPG erinnert. Chiyo verdrehte die Augen. Misaschi lebte wohl nach dem Motto: Rache ist süß.

Misaschi drückte Chiyo das Thermometer in die Hand. "Messen darfst du selber", sagte sie, immer noch grinsend.
 

Am Nachmittag klingelte es an der Türe. Misaschi öffnete und war gehörig überrascht, als Setos Kumpel vor der Tür stand. "Was um alles in der Welt machst du hier?" fragte sie rundheraus. Koryu sah sie an. "Ich übernachte zur Zeit bei Seto und da dachte ich, ich könnte mal kurz vorbeischauen", sagte er unschuldig. "Ach so", erwiderte Misaschi gedehnt. Ihr war keinesfalls entgangen, dass sich Koryu die halbe Nacht mit Chiyo auf dem Balkon unterhalten hatte. Weswegen Chiyo jetzt krank im Bett lag. Doch was wollte Koryu heute hier? "Lass mich raten, du willst sicher zu Chiyo?" fragte sie. Koryu nickte. "Ich weiß nicht, ob das so gut ist, sie hat ne deftige Grippe", fuhr Misaschi fort. "Oh!" Koryu klang fast ein wenig betroffen. "Ich wollte ihr eigentlich nur was vorbeibringen, aber vielleicht kann ich ja einen Krankenbesuch draus machen", sagte er. Misaschi zuckte mit den Schultern. "Komm rein, ich werde mal sehen, ob sie wach ist."

Leise klopfte Misaschi an Chiyos Tür. "Chiyo, bist du wach?" Ein dünnes "Ja" klang von der anderen Seite der Tür. "Dann ist ja gut, denn du hast schon einen Krankenbesuch. Darf ich ihn reinlassen?"

Chiyo starrte zur Tür. Konnte es sein, dass er...? "Ja, mach die Tür auf", antwortete sie und zog die Decke ordentlich hoch.

Sie konnte es kaum fassen als Koryu hereinkam.

"Hi, Chiyo. Na, da hab ich aber was angerichtet", meinte er fröhlich. "Darf ich?" fragte er dann und deutete auf die Bettkante. Chiyo nickte, total perplex. "Ich wollte dir ja eigentlich nur wie versprochen den Rubin mitbringen." Koryu kramte in seiner Jackentasche. "Hier!" Er hielt ihr einen kleinen, aber wunderschön rotschimmernden Edelstein an einem Lederband hin. Chiyo befreite ihre Hand von der Decke und griff danach. Dabei rutschte jedoch die Decke weiter herunter als beabsichtigt und ihr leichtes Nachthemd kam zum Vorschein. Sie hatte sich strikt geweigert, sich etwas überzuziehen, weil ihr sonst zu warm geworden wäre. Hätte sie das doch nur gemacht. Dann hätte sie sich jetzt die passende Gesichtsfarbe zum Stein sparen können. Koryu lächelte nur, und sah diskret zu Boden. Rasch legte Chiyo sich den Stein um den Hals und deckte sich wieder zu. "Danke Koryu, er ist wirklich wunderschön!" Jetzt konnte sie sich auch wieder an einen Teil ihres Gesprächs erinnern. Es ging um Koryus Namen und seine Bedeutung.

"Dachte mir doch, dass er dir gefällt", antwortete er ihr lächelnd. "Und nun? Wie lange willst du denn krank bleiben?" fragte er frech. Chiyo grinste. "Eigentlich will ich ja.... gar nicht krank sein. Aber manchmal muss es eben sein." Sie sah zur Decke. Mit dem Stein schien ein Teil ihrer Sicherheit zurückgekehrt zu sein. "Eine Reinigung muss immer wieder mal sein. Nichts anderes ist eine Krankheit. Und wenn man bedenkt, wie viel ich in meinem Leben zu bereinigen habe..." Sie blickte verschwörerisch zu Koryu. Damit spielte sie auch auf ihr Gespräch von letzter Nacht an. Koryu nickte: "Ja, da könntest du recht haben. Und wieder muss ich deine Einstellung bewundern. Du bist etwas ganz Besonderes, weißt du das?" Chiyo senkte den Blick und ihr Herz setzte für einen Moment aus. "In dir ist eine enorm große Stärke, die dir nicht immer bewusst ist", fuhr Koryu fort. "Die habe ich sofort gesehen..." Er verstummte. Aber Chiyo war neugierig. "Wie hast du sie gesehen?" "Ist nicht wichtig", winkte Koryu ab. "Wichtig ist nur, dass du dich niemals unterkriegen lässt, egal was passiert. Und dass du weißt, dass du niemals alleine bist!" Er sah auf die Uhr. "Tut mir leid, aber ich muss schon wieder los. Seto will mit mir noch ein paar Freunde besuchen." Er stand auf. "Ich wünsch dir auf jeden Fall gute Besserung. Ich glaub, der Rubin wird dir dabei helfen." Chiyo nickte. "Ja, das wird er ganz sicher. Vielen Dank noch mal und viel Spaß!"

Als Koryu fort war, lag Chiyo noch lange bewegungslos im Bett und dachte nach. Das war ja alles höchst interessant, aber was sollte es bedeuten? Sollte Koryu "nur" ein einfach guter Freund werden oder doch mehr? Und warum in aller Götter Namen kam er erst jetzt zu ihr, und nicht, wo sie ihn vielleicht am meisten gebraucht hätte? Aber sie hatte schon sehr früh gemerkt, dass die Wege des Universums (oder der Großen Göttin, wie sie oft zu sagen pflegte) nicht immer die waren, die sie gerne beschritten hätte. Chiyo seufzte. Sie sollte erstmal wieder gesund werden, und dann konnte sie weitersehen.

Alpträume - Freundschaften sind alles

Die ersten zwei Tage der Grippe waren fürchterlich für Chiyo, und irgendwie war sie froh, dass Koryu sie nicht da nicht noch einmal besucht hatte. Aber dass sie ein Animetreffen nicht besuchen konnte, das war eigentlich undenkbar. Doch selbst Chiyo hatte eingesehen, dass sie in diesem Zustand nichts auf einem Animetreffen zu suchen hatte.

Den ganzen Tag lag sie wach und ärgerte sich darüber, weil sie sich vorstellte, wie sich Misaschi dort amüsierte und alle Freunde traf. Mehrmals hatte Chiyos Handy gepiepst, und sie hatte lächelnd die Gute-Besserungs-SMS von ihnen gelesen. Das hatte Chiyo sehr gefreut und war eine kleine Entschädigung dafür. Wieder gestattete sie sich einen Moment, in dem sie das Gefühl hundertprozentig zuließ, dass alles besser war, seit sie hier wohnte, dass sie endlich wahre Freunde gefunden hatte, die auch an sie dachten, wenn sie alleine zuhause war und krank war. Das tat gut, und ihre Stimmung hob sich. Und wenn man relativ gute Laune hatte und dementsprechend positiv dachte, konnte man schnell wieder gesund werden.

Als es klingelte, freute sich Chiyo noch mehr. Es konnte nur einer sein, wenn er nicht auf dem Animetreffen war. Rasch schälte sie sich aus den Decken, warf sich in den Morgenmantel und fetzte zur Tür. Was sie nicht hätte tun sollen. Chiyo wurde so schwindlig, dass sie sich erstmal an die Wohnungstür lehnen musste. Und das auch noch lautstark. "Mist!" fluchte sie leise. Dann öffnete sie vorsichtig.

"Hey, alles in Ordnung bei dir?" fragte Koryu und fing sie auf, weil ihre Knie nachgegeben hatten. "Ja... ich bin nur zu schnell aufgestanden", antwortete Chiyo. Ihr Herz flatterte, und das nicht nur, weil ihr Kreislauf streikte. Koryu schüttelte missbilligend den Kopf. "Das sollte man nicht, wenn man krank ist", meinte er lächelnd. Er begleitete Chiyo wieder ins Schlafzimmer. "Geht's dir heute etwas besser?" fragte er. Chiyo wühlte sich wieder in ihre Decke. "Na ja, abgesehen davon, dass ich nicht zum Animetreff kann... Die Kopf- und Gliederschmerzen scheinen vorbei zu sein, und der Hals macht auch kaum noch Probleme", erklärte sie und griff nach der Thermosflasche mit dem Kamillentee. Misaschi hatte ihn ihr noch bevor sie losgefahren war, aufgebrüht. Aber Koryu nahm ihr die Flasche aus der Hand. "Darf ich?" fragte er höflich, und nach Chiyos Nicken schenkte er ihr den Tee ein. "Bitte!" Er reichte ihr den Tee, den sie dankend annahm und mit geschlossenen Augen einen Schluck nahm. Dann lächelte sie. "Weißt du, ich liebe Kamillentee. Das kann aber irgendwie keiner verstehen. Doch für mich ist das das einzig Schöne am Kranksein", erklärte sie schmunzelnd. Koryu nickte, wenn er auch im Moment an Chiyos Geschmacksnerven zweifelte. "Und dass man richtig schön umsorgt wird, findest du nicht schön?" fragte er dann. Chiyo schüttelte den Kopf. "Hatte ich nie wirklich", sagte sie. "Meine Mutter war meistens arbeiten, wenn's mich mal erwischt hat", erzählte sie ihm. "Und ansonsten war sie leider in der Hinsicht auch etwas faul." Sie sah in Koryus betroffenes Gesicht. "Guck nicht so. Ich hab dir doch gesagt, dass mein Leben bisher nicht unbedingt ein Honiglecken war. Und falls du dich nach meinem Va-... Erzeuger fragst..." Chiyo schwieg einen Moment. "Selbst wenn er da gewesen wäre, er wäre doch wohl meistens zu besoffen gewesen, um sich um mich zu kümmern. Also, darauf hätte ich verzichten können." Obwohl Chiyo versuchte, neutral zu klingen, hatte ihre Stimme dennoch einen leicht bitteren Ton. Das veranlasste Koryu nicht weiterzufragen, sondern stattdessen vorsichtig einen Arm um Chiyo zu legen, um sie ein wenig zu trösten. Ihm entging jedoch keinesfalls, dass sie kurz zusammenzuckte und ihn leicht fragend ansah. "Ist das in Ordnung für dich?" fragte er sie daher. Chiyo nickte. "Ja, schon. Ich hab nur nicht damit gerechnet." Sie wurde rot und lächelte. "Na ja, wenn man dich bisher nicht umsorgt hat, wenn du krank warst, dann sollten wir das nachholen, findest du nicht?" Koryu sah sie aufmunternd an. Wieder nickte Chiyo, und sie kam sich vor, als würden alle ihre Träume auf einmal wahr werden und ein wunderschönes Feuerwerk an Gefühlen in ihr entfachen. Sie musste grinsen bei der Vorstellung. "Was ist?" fragte Koryu neugierig. Chiyo sagte es ihm zögernd, und dann lachten beide.

So verbrachten beide einen vergnüglichen Nachmittag, und Koryu hielt sein Versprechen. Er kochte neuen Tee für Chiyo, machte ihr etwas zu essen, und erhörte ihre Musikwünsche. Und Chiyo kam nicht umhin, das Kranksein mal so richtig zu genießen.
 

Am frühen Abend verließ Koryu sie wieder, nachdem sie ihm versprechen musste, sich jetzt schlafen zu legen, denn Schlafen macht gesund. Das versprach sie ihm gerne, denn müde war Chiyo allemal geworden. Außerdem würde Misaschi bald nachhause kommen, und irgendwie wollte Chiyo nicht, dass ihre Mitbewohnerin sie beide sah. Zumindest jetzt noch nicht.
 

Ein leises, rhythmisches Geräusch ertönte. Es hallte von den Wänden des großen Raumes wider, und sie sah sich vorsichtig um. Flüchtig dachte Chiyo, sie spiele ein "Zelda"- Spiel, aber sie sah keine grüngekleidete Gestalt, die sie steuern konnte. Langsam ging sie ein paar Schritte vorwärts, und beobachtete das Schattenspiel der Fackeln an der Wand. Wo bin ich hier? fragte sie sich, aber sie akzeptierte die mysteriöse Situation mit der Gleichmut eines Träumers. Dann wurde ihr Blick von einer Bewegung auf dem Boden angezogen. Ein Schatten erschien über ihr - mit breiten Schwingen, wie es schien. Sie sah nach oben, doch da war nichts zu sehen. Dann blickte sie wieder nach vorne - und dann sah sie es. Eine Gestalt stand vor einer Art Altar. Und zwei Schwingen mit Rabenfedern gingen von dem Körper der Gestalt aus. Sie waren weit ausgebreitet, und das Licht der Flammen schimmerte darauf. Chiyo hörte ein leises Singen, dass zu einem Chor anschwoll und von den grünlich schimmernden Wänden widerhallte. Dann drehte sich die Gestalt um, und es war Chiyo, als sähe sie tief in violette Augen.

Mittlerweile war sie nahe an den Altar herangekommen, und überlegte, woher ihr diese Gestalt so bekannt vorkam. Die Gestalt streckte eine Hand nach Chiyo aus, berührte sie aber nicht. Es war, als würde sie Chiyo... ausmessen? Nein, eher als würde Chiyos Aura ertastet werden.

In diesem Moment flogen viele Schatten durch die Halle. Die Gestalt blickte hektisch nach allen Seiten und an Chiyo vorbei. Hinter ihr, am Eingang drangen plötzlich Gestalten in Kapuzenroben ein. Sie verteilten sich im ganzen Raum und bezogen Stellung. Die Gestalt mit den Rabenschwingen beobachtete das Treiben mit finsterem Blick. Dann begann sie Worte in einer für Chiyo fremden Sprache zu murmeln, und augenblicklich fielen die Roben in sich zusammen, als wären keine Körper in ihnen. Aber sie zuckten immer noch wild umher.

Die Gestalt wandte sich wieder Chiyo zu. Chiyo fühlte sich von den Blicken regelrecht durchbohrt. "Du gehörst nicht hierher!" sagte die Gestalt mit leiser, aber bestimmter Stimme zur Chiyo. Dann machte die Gestalt eine komplizierte Geste mit beiden Händen, und augenblicklich wurde alles um Chiyo dunkel. [\i]
 

Chiyo schlug die Augen auf. Aber es dauerte eine Weile, bis sie die Zimmerdecke auch als Zimmerdecke erkannte. Zu sehr war sie damit beschäftigt, die Traumbilder festzuhalten. Doch sie verflüchtigten sich bereits, wie Morgennebel, der beim Aufgehen der Sonne immer durchlässiger wurde, bis er völlig verschwunden war. Sie schloss die Augen wieder und seufzte. Was mach ich mir für einen Kopf, es war nur ein Traum, dachte sie. Solange es nur so was halbwegs Harmloses ist, und nicht die Leichenalpträume der ersten Nächte hier... Chiyo schüttelte den Kopf, doch dann bemerkte sie etwas weitaus dringenderes, nämlich eine ziemlich volle Blase. Dank dem Kamillentee von gestern. Sie stürzte aus dem Bett und zur Tür, wo sie ruckartig stoppte. Misaschi dürfte ja nebenan im Wohnzimmer noch schlafen, und Chiyo wollte die Mitbewohnerin nicht unbedingt wecken. Zumal Chiyo eine Standpauke befürchtete, weil sie es wagte aufzustehen. Also öffnete sie leise die Tür und schlich sich aufs Klo.

Kurze Zeit später war Chiyo fertig und wollte sich rasch wieder ins Schlafzimmer verdrücken, als ihr etwas auffiel. Misaschi wälzte sich unruhig im Bett herum, und das war sonst nicht ihre Art. Was hat Misaschi denn? Sieht nicht unbedingt nach einem angenehmen Traum aus. Chiyo ging auf Zehenspitzen zu Misaschis Bett. Nach kurzem Zögern beugte sie sich vorsichtig über ihre Mitbewohnerin. Plötzlich riss Misaschi die Augen auf. "NEIN!" rief Misaschi so laut, dass Chiyo einen gehörigen Schreck bekam und regelrecht nach hinten kippte. Was ihrem Hinterteil nicht gerade gut tat. "Meine Fresse, hast du mich erschreckt!" stieß Chiyo keuchend hervor. "Musste das sein?" Sie fasste sich an ihr heftig schlagendes Herz und sah besorgt auf ihre schweißgebadete Freundin. "Oh, entschuldige, das war keine Absicht", meinte Misaschi, ohne Chiyo anzusehen. Chiyos Mitbewohnerin wirkte irgendwie abwesend, als sei sie noch immer halbwegs im Schlaf oder im Traum. Chiyo rappelte sich wieder auf. "Du sag mal Misa, geht's dir nicht gut? Sag bloß du hast dich bei mir angesteckt?" fragte sie betroffen und gehörig besorgt. Misaschi winkte ab. "Nein, nein, ist schon gut. Ich hab nur schlecht geträumt. Mach dir keine Sorgen." Sie zog die Decke wieder hoch, die sie bei ihrer Wälzerei beinahe vom Bett geworfen hatte und die von Chiyo noch ein gutes Stück mitgezogen worden war. "Dass du schlecht geträumt hast, das habe ich gesehen", sagte Chiyo. "Willst du mir davon erzählen? Ich höre gerne zu wenn du willst", bot sie ihrer Freundin an. "Ich bitte dich, mach dir keine Gedanken. Es geht mir gut. Wirklich!" Misaschi versuchte Chiyo zu beruhigen. "Aber...", wendete Chiyo ein. "Ich möchte nicht darüber sprechen!" unterbrach Misaschi sie. "Trotzdem... danke vielmals." Misaschi schien irgendetwas verbergen zu wollen. Oder sie versuchte zu verhindern, dass sie sich verplapperte und etwas erzählte, was sie lieber für sich behalten wollte? Chiyo runzelte die Stirn. Irgendwie wirkte Misaschi noch immer abwesend, und Chiyo wurde einfach das Gefühl nicht los, das etwas ihre Freundin sehr beschäftigte. Was war nur gestern beim Animetreffen vorgefallen? Oder etwa danach.... ? Entsetzt schloss Chiyo die Augen. DARAN wollte sie gar nicht denken! Misaschi stand entschlossen auf. "Ich bin dann im Bad!" verkündete sie. "Und du geh gefälligst wieder ins Bett!" ordnete sie auf dem Weg ins Badezimmer an. "Du hast bestimmt noch Fieber." Chiyo verdrehte leicht die Augen. "Ja, ja" murmelte sie. "Das hab ich gehört!" Misaschis Kopf erschien in der noch offenen Zimmertür, und ihr Blick war ziemlich finster. "Wenn ich fertig bin, und du bist nicht im Bett, mach ich dir die Hölle heiß", versprach sie Chiyo. "Wakarimashita?" "Hai!" antwortete Chiyo zackig. Ich hab's ja geahnt, dachte sie. Ich hätte im Bett bleiben sollen. Aber mit der vollen Blase? (Wie stellen sich die Autorinnen DAS bitte vor?!?!?! ^^°°°°)
 

Chiyo kuschelte sich wieder in die Decke, doch schlafen konnte sie nicht mehr. Also begann sie sich mit einem Problem zu beschäftigen, was ihr vor zwei Tagen schon einmal in den Kopf geschossen war. Ihre Mutter. Eigentlich war es ja nicht wirklich ein Problem, aber Chiyo hatte sich komischerweise wieder an die Zeit erinnert, als sich ihre Mutter noch schön hergerichtet hatte, sich geschminkt hatte und sich einfach mal ein wenig verschönert hatte. Wie gerne würde Chiyo das mal wieder sehen! Aber wie sie darauf gekommen war, blieb ihr ein Rätsel. Chiyo drehte sich herum und starrte die Wand an. Es musste doch eine Möglichkeit geben, wie sie ihre Mutter dazu bringen könnte, sich mal wieder so richtig in Schale zu werfen. Und sei es nur für ein einziges Mal. Chiyo schloss die Augen und dachte an die Talkshows im Fernsehen, in denen die Leute manchmal zum Umstylen gebracht wurden. Aber eine Talkshow kam für Chiyo nicht in Frage. Oder besser gesagt, nicht mehr. Und da wäre ihre Mutter mit ihr einer Meinung. Grinsend dachte Chiyo an ihren Auftritt bei Klatschtante Arabella Kiesbauer, den sie mit ihrer Mutter absolviert hatte, und der alles in allem ziemlich peinlich gewesen war. Trotzdem hatte dieser Auftritt seinen Sinn und Berechtigung, auch wenn Okah-san (Mutter oder Mami) das nicht wirklich so sieht, dachte Chiyo fest. Aber das war ein anderes Thema. Sie konzentrierte sich wieder auf ihr eigentliches Problem und hakte die Option Talkshow ab. Zumal die Themen in den aktuellen Talkshows zurzeit sowieso immer die gleichen waren, und sich definitiv nicht mit Styling beschäftigten.

Plötzlich riss Chiyo die Augen auf. Das war die Idee! Sie musste ihre Mutter einfach überraschen und ein wenig hinters Licht führen. Chiyo machte sich einen Plan: Als erstes musste sie einen Termin mit ihrer Mutter festlegen, an dem sie Chiyo besuchte. Anschließend würden sie zusammen mit Misaschi in ein Café gehen. Danach mussten sie ihre Mutter unter einem Vorwand in einen Friseursalon lotsen, in dem Chiyo ein paar Tage vorher einen Termin vereinbart hatte. Und der Rest lag in der Überzeugungsarbeit und in den Fähigkeiten der Friseure. Der gelungene Abschluss würde ein Abendessen in einem Restaurant sein.

Aber Chiyo hatte etwas Wichtiges vergessen: Erst mal musste sie wieder gesund werden! Also verkroch sie sich in der Decke und ruhte noch ein wenig. Sie wartete, bis Misaschi im Bad fertig war, und dann einen neuen Kamillentee aufbrühte. Vor lauter Vorfreude leckte sich Chiyo die Lippen.



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Kommentare zu dieser Fanfic (1)

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Von:  RayDark
2005-07-24T21:41:46+00:00 24.07.2005 23:41
Klasse!
*will wissen, wies weitergeht!*
Dein Schreibstil gefällt mir sehr gut!


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