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Amazonen

von

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Verlassen

Im Hintergrund hörte er, wie irgendwer die Rede beendete und den Leuten noch einen friedlichen Tag wünschte, aber das war nicht mehr von Bedeutung.

"Was?" fragte er das Mädchen auf seinen Armen völlig verdutzt.

Hitomie schlang die Arme um seinen Nacken und schluchzte ihm hatlos ins Hemd. Verwirrt sah er zu Allen, dann zu Merle, doch von beiden war keine Hilfe zu erwarten: sie waren ebenso verwirrt.

Zwar kannten alle Hitomies Visionen und dass sie damit meist nichts anfangen konnten, aber es iritierte doch jedesmal wieder aufs neue.

"Was hat sie, euer Hoheit?" fragte Amazea sichtlich verwundert und angespannt.

"Eine Vision, Amazea, eine gewöhnliche Katastrophe im Hause de Fanel." antwortete Merle mit einer Spur Sarkasmus, was jedoch nicht ihre Besorgnis verbergen konnte.

Mittlerweile hatten sie den Flügel erreicht, in dem der König und seine persönlichen Gäste ungergebracht waren.

"Macht mir mal die Türe auf" forderte er seine Freunde auf und sie ließen ihn ein. "Ich brauche was zu trinken für sie und kühles Wasser" murmelte er, trug sie zu dem riesigen, peinlich zerwühlten Himmelbett, legte sie sanft ab.

Ihre Finger krallten sich noch immer in den Stoff seiner Kleidung und so setzte er sich neben sie, bettete ihren Kopf auf seinem Bauch.

Merle war sofort losgesprungen, um das Benötigte zu holen, während Allen die Beiden auf dem Bett aufmerksam und besorgt musterte.

Amazea postierte sich neben der Tür, eine Hand locker auf dem Griff ihres Schwertes, wachsam, bereit.

"Hitomie, was ist los?" flüsterte Van behutsam in ihr Ohr und streichelte ihre Wange. Langsam löste sich das Schluchzen auf, aber ihr Griff ließ nicht ein bisschen locker.

"Du.. du wirst.. uns verlassen!" brachte sie unter herzzerreissenden Schluchzern hervor.

"Aber... warum?"

"Ich weiß es nicht! Aber es tut.. es tut so weh... dir... oh Van!"

War das schon wieder eine Todesvision?

Oh ihr Götter, hörte das denn niemals auf?
 

Hitomie war endlich eingeschlafen, aber sie hatte Van erst fast eine Stunde später losgelassen.

Er trat zu Allen und Merle hinaus auf den Balkon und lehnte sich ans Geländer, sah seufzend hinab in das Tal Fanelias.

"Ich wünschte ich könnte ihr diese Visionen ersparen" murmelte er müde.

"Andererseits wärst du ohne längst nicht mehr am Leben." warf Allen ein. "Und das würde sie noch viel unglücklicher machen als diese Visionen."

Van seufzte und strich mit den Fingern über Hitomies Anhänger. Der immerkühle Stein fühlte sich vertraut an, glatt, eine tröstliche Präsenz.

"Wenn ich nur wüsste, was jetzt schon wieder ist. Wir haben doch keine Feinde im Augenblick, oder?"

Allen schüttelte nachdrücklich den Kopf. "Nein. Ganz erstaunlicherweise ist Fanelia völlig Kriegsfrei. Sogar weit im Süden, wo sie sich wirklich ständig bekriegt haben, hat es aufgehört."

"Im Ernst?"

Das waren wirklich sehr gute Neuigkeiten.

"Aber ja. König Aston hat vielleicht ein Gesicht gemacht.."

Merle kicherte verhalten. Sie hatte den alten Kerl nie gemocht, hauptsächlich, weil er einst Van einer Übermacht in einer Arena ausgeliefert hatte.

"Vielleicht haben sie es ja endlich begriffen.. nachdem diese Idioten diese ... wahnsinnige Waffe eingesetzt hatten. Wie hatten sie das nochmal genannt? 'Letzte Waffe'?"

Van nickte zu Allens Worten. Die Erinnerung an die gewaltige Zerstörung, die auf die Zündung dieses <Dings> gefolgt war, brannte ihm heute noch in den Augen.

"'Unfassbarer Wahnsinn' hätte besser gepasst." schloss Allen und lehnte sich mit dem Rücken ans Geländer, sah durch die deckenhohen Glasfenster ins Zimmer auf das Bett, in dem Hitomie nun still und fast wie eine Tote schlief.

"Wenn Hitomie nicht da gewesen wäre, hätten wir uns alle gegenseitig.."

"Hör auf. Wenn ich daran denke dass ich dich fast getötet hätte, wird mir heute noch schlecht."

"Aber auch nur weil Sirena mich abgelenkt hat." Allen klang als wolle er die tiefe Stimmung aufheitern, er zwinkerte zur Seite.

"Oh... was ist denn da passiert?" fragte Merle mit großen Augen. Niemand hatte bislang von dieser grässlichen Szenerie erzählt.

"Puh, jetzt haben wir angefangen, jetzt müssen wir auch fertig machen, meinst du nicht, Van?"

Van nickte nur und rieb sich mit beiden Händen durch das Gesicht. Vielleicht tat es gut, endlich einmal darüber zu reden.

"Kurz nachdem diese grüne Kuppel aufgetaucht war..."
 

Nachdenklich wanderte er um die in Reih und Glied aufgestellten Mädchen herum.

Sie waren alle zwischen 12 und 16. Ihre Gesichter zeigten alle Gefühlsregungen zwischen Aufregung, Hoffnung, Entschlossenheit, Furcht und Unsicherheit.

Alle trugen die gleiche Uniform: ein alles verbergender Kimono mit einem kurzen, steifen Kragen, bei dem man auf den Rockteil verzichtet hatte. Dafür steckten die Beine der Mädchen in weichen, eng anliegenden Hosen und die Füße in leichten Lederstiefeln.

Nichts an der Kleidung behinderte in der Bewegung, raschelte oder rieb.

Die Farben waren in denen Fanelias gehalten, blau, rot und golden.

Der sanfte Schimmer der untergehenden Sonne spielte mit Lichtreflexen in den Haaren der Mädchen. Die meisten hatten sich entschlossen, sie sich kürzen zu lassen, und die wenigen, die das nicht hatten aufgeben wollen, mussten sich die Haare für die Übungen flechten und hochstecken.

Keinesfalls würde Van akzeptieren, dass Eitelkeit eines Tages den Tod für die Mädchen bedeutete!

Amazea hatte bereits alle Mädchen aussortiert, die ihrer Meinung nach ungeeignet waren für eine Kampfausbildung. Diesen Mädchen stand nun frei, zu gehen oder zu bleiben und sich anderweitig nützlich zu machen. Anscheinend war sogar ein Mädchen dabei, dass außerordentlich klug war. Vielleicht..

Er seufzte. Schon wieder machte er sich zuviele Gedanken um die Zukunft.

Vor ihm standen nun also 20 Mädchen, von denen jede seit höchstens einer Woche eine Waffe besaß.

Die Klingen, die man den Mädchen gegeben hatte, waren zwar aus Metall, aber nicht geschliffen; sie konnten damit höchstens blaue Flecken erzeugen. Van hatte darauf bestanden, da er nur zu gut wusste, wie einen der Schmerz eines Treffers anspornen konnte, dem nächsten unbedingt auszuweichen. Außerdem lernten sie dann gleich mit dem richtigen Gewicht und der realen Balance einer echten Kendoklinge umzugehen.

Tatsächlich wirkte der Anblick dieser 20 Mädchen in den einheitlichen Kimonos und den Klingen an der Seite äußerst Beeindruckend.

Amazea kam von der anderen Seite auf ihn zu.

Auch sie trug diese Uniform, hatte aber einige Streifen an den Schultern, die aussagten, dass sie die Leitung für die Einheit hatte.

Amazonen hatte Van sie im Stillen genannt, als Ehrerbietung an Amazeas Kampfgeist und Mut.

"Ich denke wir können anfangen." erklärte sie Van leise und stellte sich auf sein Nicken hin vor die Mädchen.

"Ehre dem König!" rief sie dann laut und etwas zaghaft und in unterschiedlicher Lautstärke kam der Gruß zurück.

Van musste unwillkürlich grinsen. Noch hatte der Haufen keinerlei Disziplin, aber wenn er Amazea richtig einschätzte, würde sie aus ihren Amazonen die erschreckendste Kampfeinheit Fanelias machen.

Er konnte nur hoffen, dass er sie nie brauchen würde.

"Was war denn das!" blaffte sie und klang dabei ganz wie die Drillmeister, die noch nichtmal 2 Jahre zuvor hier auf diesen Plätzen die Soldaten Fanelias ausgebildet hatten.

"Das üben wir nochmal! EHRE DEM KÖNIG!" brüllte sie ziemlich eindrucksvoll.

Einige Bedienstete aussenherum blieben stehen und guckten verdutzt.

Die Mädchen wirkten eingeschüchtert, äugten zu Van, zueinander und einige kicherten sogar.

"Na das kann ja heiter werden" murmelte Van und fragte sich einen Augenblick, ob er wirklich die richtige Entscheidung getroffen hatte.

"Amazonen Fanelias." rief er dann und augenblicklich verstummten alle Anzeichen von Undisziplin.

"Ja, das ist euer Name, Mädchen, junge Frauen."

Amazea neben ihm war rot angelaufen. Sie hatte den Wink mit dem Zaunpfahl wohl begriffen.

"Ihr seid die ersten Soldatinnen Gaias. Euer Erfolg oder auch euer Versagen werden die Zukunft Gaias beeinflussen. Ihr habt die einmalige Chance, aus euren Zwängen auszubrechen, aber dafür müsst ihr Opfer bringen."

Er legte die Hände auf den Rücken und richtete sich zu seiner vollen Größe auf. Gut, die paar Fingerbreit, die er mittlerweile gewachsen war seit er Hitomie kennen gelernt hatte, fielen da leider nicht mehr großartig ins Gewicht.

"Disziplin ist das Rückrad einer jeden kriegerischen Einheit. Mut ist ihr Herz. Einheit ist ihre Stärke. Ich bin sicher, dass ihr Mutig seid. Dass ihr stark seid. Enttäuscht mich nicht."

Verdutzt sahen die Mädchen ihn an und er sah ein wenig ihre Furcht weichen.

"Ehre dem König!" piepste es im Hintergrund, dann fielen weitere Stimmen ein und während Van rot anlief und verzweifelt versuchte es sich nicht anmerken zu lassen, hallte der Platz von stärker werdenden Rufen wider, die ihm das Herz anschwellen ließen. Ja, er war sich auch verdammt sicher, dass die Mädchen ihn stolz machen würden.

Gleichsam seines Stolzes schwoll auch sein zufriedenes Lächeln an.
 

Ein Haufen Lärm riss ihn aus seinen Träumen. Was war denn jetzt schon wieder?

Einen Augenblick lag er noch da und starrte an die nur von Mondschein beschienene Decke des Himmelbetts, hörte nur schwach Hitomies Atemzüge. Sie hatte sich an ihn geschmiegt und ihr Schlaf war immer noch recht unruhig.

Aber draussen schrien Leute, knallte es, krachte es!

Behutsam löste er sich aus ihrer Umarmung, sprang auf und schlüpfte in seine achtlos beiseite geworfene Hose.

"Was ist denn?" murmelte Hitomie verschlafen.

"Ich weiß es nicht, bleib hier."

Drei schnelle Handgriffe, und der Schwertgurt mit seiner Klinge lagen um seine Hüfte, dann war er an der Tür und hatte das massive Holz einen Spaltbreit aufgezogen.

Sofort nahm der Lärmpegel zu und er hörte zusätzlich den Klang von Schwertern die aufeinander prallten.

Warum wurde denn mitten auf dem Gang gekämpft?

"Bleib hier und versteck dich!" rief er nervös Hitomie zu, huschte heraus und zog die Türe hinter sich zu.

Ihr verschrecktes "Geh nicht, Van! Um Himmels willen, geh nicht!" hörte er nicht mehr.
 

Barfuß rannte er durch die Gänge und sehr rasch entdeckte er einen seiner Soldaten, der sich verzweifelt gegen zwei schwarzgekleidete und maskierte Männer zu wehren suchte. Gerade, als der junge König um die Ecke kam, überwältigten die Fremden ihn und zwei lange Schwerter bohrten sich in den Soldaten.

Die Fremden rissen die Klingen in entgegen gesetzte Richtungen und mit einem Gurgeln und einem Schwall Blut ging der Soldat zu Boden.

Rasch erreichte das Blut Vans nackte Füße und er starrte einen Augenblick völlig geschockt von dieser Brutalität auf den toten Mann.

Sorian hatte er geheissen, oder?

Nun hatten die Gestalten ihn entdeckt und traten mit blutigen Klingen auf ihn zu. Wie eine Einheit bewegten sie sich, griffen ihn ohne einen Laut an.

Van zog sein Schwert, parierte die ersten Angriffe ein wenig lahm und riss sich dann zusammen.

"Wer seid ihr!" rief er und setzte zum Gegenangriff an. Er bekam keine Antwort, nur perfekt aufeinander abgestimmte Angriffe.

Auch konnte er keinerlei Abzeichen an der schwarzen Kleidung sehen.

"Na gut, dann eben nicht."

Rasch änderte er seine Angriffsfolge und ließ sich auf den blutbedeckten Boden fallen, rollte sich zur Seite und durchtrennte mit einem sauberen Schlag das linke Knie des ersten Angreifers. Schreiend brach dieser zusammen, wälzte sich auf dem Boden.

Als Van wieder aufstehen wollte, glitt sein Fuß in einer Lache Blut aus, und während er noch fluchend zur seite rutschte, stellte er fest, dass ihm dieses vermeintliche Unglück das Leben gerettet hatte:

gerade da wo er mit dem Kopf hochgekommen wäre, steckte nun die Klinge des zweiten Angreifers im Mauergestein. Der Mann rüttelte ächzend an seiner Waffe, bekam sie aber nur langsam wieder frei.

Grinsend trümmerte Van den Griff seiner Klinge in die Maske hinein und hörte es ekelerregend brechen.

Sein Gegner stoppte mitten in der Bewegung, dann kippte er haltlos hintenüber.

Van stupste ihn mit dem Fuß an. Keine Reaktion.

Achselzuckend trat er hinüber zu jenem, der sich das Bein umklammerte und riss ihm die Maske vom Gesicht. Ein rasiertes Männergesicht mit dem Ausdruck übler Schmerzen war unter der Kapuze nun zu erkennen.

"Wer bist du und was wollt ihr hier!"

Er erhielt nur ein wütendes zischen als Antwort; dann biss der Mann ein paarmal die Zähne aufeinander.

Van sah stirnrunzelnd zu, dann hörte er ein leises Knacken.

Ein merkwürdiger Geruch stieg aus dem Mund des Mannes, dann kippte er, die Augen widerlich verdrehend, hintenüber und regte sich nicht mehr.

"Gift?" stellte Van verblüfft und gleichzeitig entsetzt fest.

<Was geht hier vor?>

Kopfschüttelnd machte er sich auf die Suche nach der nächsten Lärmquelle.
 

Ausser Atem schlidderte der blutverschmierte König in den nächsten Gang. Dort hatte er endlich Stimmen gehört, die nicht nur Todesschreie formulierten.

Nein, da sprach jemand!

Hastig tappte er näher. Hoffentlich verriet er sich nicht mit seinem atemlosen Gekeuche.

Das viele Sesselhocken und die vielen Schreibtischkriege hatten ihn ganz schön träge gemacht.

Van blutete aus ein paar kleinen Schnittwunden an Armen und Beinen und war einmal gestürzt, so dass sein linker Ellbogen, auf dem er gelandet war, schmerzhaft pochte.

Aber das war nichts gegen die Maskierten, die er erledigt hatte. Praktisch jeder hatte, bevor er ihn befragen konnte, die Giftkapsel zerbissen und war somit effektiv geflüchtet.

"Wo ist er!" fauchte eine helle Männerstimme.

"Wir wissen es noch nicht, Sir. Aber sie haben Gegenwehr organisiert. Mindestens 25 unserer Leute sind tot."

"Dann schaltet die Gegenwehr aus! Und sorgt endlich dafür, dass wir sie finden, bevor Verstärkung von aussen eintrifft!"

"In Arbeit, Sir!"

Schnelle Schritte entfernten sich, dann klatschte es und eine Frau schrie auf.

"Und du Weib verrätst mir jetzt wo die Gemächer.."

Das war zuviel. Van stürmte um die Ecke und erschlug den ersten wachestehenden Maskierten ohne Umstände, stürmte zum nächsten und schlug ihm die Klinge samt Hand vom Arm.

"Was.." knurrte eine weitere Gestalt, die sich hauptsächlich vom Rest durch einen Umhang unterschied sowie eine Reihe Dolche an so ziemlich jeder praktikablen Stelle seines Körpers.

<Na also, der Herr Obereindringling.>

Ein Mädchen, wohl eine Dienstmagd, hing an der Wand, die Hände jeweils mit Dolchen durchbohrt, so dass sie wie gekreuzigt wirkte. Ihr Gesicht war vor Furcht und Schmerz zu einer grässlichen Maske entstellt.

Einen unangenehmen Augenblick sah er wieder den gekreuzigten Händler aus der Hütte der Räuber vor sich, dann stürmten drei Maskierte auf ihn ein.

"Ist er das?" fragte derweil der Mann mit dem Umhang das Mädchen, dass zitternd ein "ja" hervorquiekte.

Daraufhin zog der Mann einen Dolch und schnitt ihr beiläufig die Kehle durch.

Entsetzt brüllte Van auf und zerschmetterte mit einem Rückhandschlag einem der Kerle das Genick, ließ die Klinge herumwirbeln und entwaffnete den Zweiten.

Schockiert wich der Dritte zurück.

"Wer seid ihr und was wollt ihr!" schrie Van und sah noch wie das Mädchen sich röchelnd wand, dann endlich war der Lebensgeist aus ihr gewichen und sie hing wie ein nasser Sack in ihren grausigen Fesseln.

"Ah, der König Fanelias." sagte der Anführer und zog sich die Maske vom Gesicht, verneigte sich höflich und respektvoll.

"Euer Hoheit, ich wollte euch schon immer mal meine Aufwartung machen."

<Was wird das?>

"Und wer seid ihr?" widerholte Van seine Frage, behielt wachsam die Umgebung im Auge.

"Mein Name tut nichts zur Sache, Hoheit. Ich bin nur gekommen, um euch und die Seherin vom Antliz' Gaias zu tilgen."

War das etwa der Inhalt von Hitomies Vision gewesen?

"...Und warum, wenn ich fragen darf?" murmelte er verwundert. Noch nie hatte er den bärtigen Mann gesehen, der ihm mit einem milden Lächeln entgegen sah. Der gerade eben einer Gefangenen ohne Skrupel die Kehle aufgeschlitzt hatte.

"Ihr stört die Ordnung. Wenn ihr jetzt so nett wärt und eure Waffe niederlegen würdet, dann könnten wir das ganze rasch und erfreulich schmerzlos für euch hinter uns bringen."

<Wie jetzt. Ich soll mich widerstandslos töten lassen?>

"Ich gebe euch genau 3 Sekunden, ehe ich euch töte. Befehlt euren Männern sich augenblicklich zurückzuziehen. Dann verschone ich euch vielleicht." knurrte er.

"Oh ich fürchte das lässt sich nicht machen."

<Überraschung! Wer hätte das gedacht.>

"Tja, damit hätten wir einen Gleichstand." murrte Van. Immerhin, er hatte es versucht.

In der Ferne nahm der Kampflärm langsam ab. Ob das gut oder schlecht war, konnte Van nicht erahnen, aber er würde jetzt sicher nicht nachsehen.

"Packt ihn." sagte sein Gegenüber beiläufig.

Verdutzt stellte Van fest, dass von den Erkern und hinter den Säulen herab eine für seinen Geschmack etwas zu große Anzahl Leute herabsprang und sich um ihn aufreite.

"Toll" murmelte er und stellte sich breitbeinig hin. Seine Arme taten ihm weh, aber wenigstens war er wieder bei Atem. Konnte ja nicht mehr als schiefgehen.
 

"Was soll denn das, das ist doch nur einer!" fauchte der Mann mit dem Umhang, mittlerweile scheinbar äußerst wütend.

Vielleicht 15 seiner Leute lagen tot oder sterbend auf dem Boden und nur noch eine Handvoll war übrig.

Dafür blutete Van aus einer vielzahl Wunden und er konnte das linke Bein kaum noch bewegen, hielt sich fast nur noch mit reiner Willenskraft aufrecht.

Sein Atem ging schwer und er ahnte jetzt schon, dass er nicht mehr lange weitermachen konnte. Allein schon dass sich seine Sicht mittlerweile ab und zu verengte zu einem dünnen schwarzen Tunnel konnte er kaum als gutes Zeichen ansehen.

"Das reicht jetzt. Sorgt dafür dass er nicht weglaufen kann, ich kümmere mich um ihn!"

Toll, noch ein ausgeruhter Gegner. Und der war sicher nicht nur wegen seiner hübschen Singstimme Anführer dieses Killerkommandos geworden.

Mit zitternden Fingern umfasste Van sein blutverschmiertes Schwert neu, suchte die innere Ruhe, um zu Atem zu kommen, als eine Anzahl Dolche wie aus dem Nichts auftauchten und auf ihn zuschossen.

Die ersten zwei parierte er reflexmässig, der dritte streifte ihn an der Schläfe und ließ sein Blickfeld wieder in sich zusammenfallen.

Zusätzlich troff ihm nun Blut ins Auge.

Sofort war sein Gegner nah an ihm und schlug mit der bloßen Hand nach ihm.

Halt, so bloß war die Hand nicht, wie Van feststellen musste, als der Fremde seine Finte abbrach und die Klinge Fanelias mit einem metallischen Klingen von seinen Fingern umschlossen wurde.

Mit der zweiten Hand rammte ihm der Fremde einen weiteren Dolch in den Oberarm, zog ihn heraus und versetzte dem atemlosen König einen Tritt gegen die Knie.

<Verdammt ist der schnell!>

Van knickte ein und warf sich mit dem Schwung den er daraus erhielt zur Seite, rollte sich etwas zu schwerfällig ab durch eine große Blutlache, kam kaum richtig hoch und konnte sich nur mühsam mit der Linken abbremsen, ehe er gegen den Kopf einer Statue knallte, die seinen Bruder Folken mit weit ausgebreiteten Schwingen und Armen zeigte.

<Hilf mir!>

Keuchend lehnte er sich gegen die steinernen Beine der Figur, von der natürlich keine Antwort und schon gar keine Hilfe kam.

Sein Blick wurde immer trüber und er wusste, es war nur noch eine Frage der Zeit, bis Blutverlust und Atemlosigkeit ihn überwältigten. Zusätzlich verlor er langsam jedes Gefühl in der linken Schulter wegen des Dolchstoßes.

Warmes Blut rann ihm die nackte Brust hinab.

<Wenn ich wegfliege...>

Viel zu träge flossen seine Gedanken dahin.

Wo waren seine Gegner?

Mit schwindender Wachsamkeit sah er sich um. Hatten sie sich etwa zurückgezogen?

Das konnte er sich nicht vorstellen.

Gerade fasste er den Entschluss, doch davon zu fliegen, als direkt vor ihm eine Gestalt aus dem Boden zu wachsen schien.

Mit einem fürchterlich selbstzufriedenen Grinsen donnerte der Anführer der Fremden seine gepanzerte Faust mitten in Vans Magen, der keuchend nach vorne klappte. Dann zog der Mann die Hand hoch und schlug sie in Vans Gesicht.

Der König sah Sterne, keuchte und spührte wie er nach hinten gerissen wurde. Sein Schwert entglitt seinen langsam taub werdenden Fingern, dann trümmerte sein Kopf gegen irgendeinen Teil der Statue und ihm blieb vor Schmerz die Luft weg.

Ächzend griff er sich an den Kopf, während Blut sich einen Weg aus seiner Nase suchte. Nun konnte er es nicht mehr verhindern, in die Knie zu brechen und stützte sich gerade noch mit einer Hand ab, bevor er unelegant auf dem Boden aufgeschlagen wäre.

Keuchend kniete er da, blutüberströhmt, atemlos, völlig am Ende.

Ein Tritt seiner Gegner beförderte seine einzige Waffe davon; sie verschwand in der Dunkelheit der Gänge.

"Na also, geht doch." stellte sein Bezwinger fest und krallte die ungepanzerte Hand in Vans widerspenstigen Haarschopf, zwang ihm den Kopf in den Nacken.

"Selbst Drachen sind der Inquisition nicht gewachsen."
 

Van wurde auf die Beine gezerrt und gegen eine Wand geschleudert. Die Hilflosigkeit schnürte ihm schier den Atem ab, und der Schmerz ließ seinen Blick immer weiter verschwinden, aber er konnte kaum mehr tun als nach Atem zu ringen.

Jemand packte sein linkes Handgelenk und drückte es an die Wand, dann stach es grässlich in seiner Handfläche und er hörte Knochen knirschen, brechen. Ein heiserer Schrei erklang und er war sich nicht sicher, ob er ihn selbst ausgestoßen hatte.

Ein zweiter Griff, scharfer Stoß in die rechte Handfläche und er konnte sich nicht mehr rühren.

Was hatten sie getan?

Ein träger Blick nach rechts erklärte es: ein schlanker Dolch steckte in seiner Handfläche, fixierte ihn kaum zwei Schritte von dem toten Mädchen entfernt an die Wand.

Der Schmerz verklang in einer Schwere aus Erschöpfung und er ließ den Kopf hängen.

Das war es also, was Hitomie gesehen hatte. Sie würden ihn nun töten und er würde sie somit also tatsächlich verlassen.



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