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Luneana

von

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Ein Brief zu Anfang

Es ist Nacht. Schon seit 4 Jahren ist es ständig nur Nacht. Seit 4 Jahren habe ich keinen Sonnenstrahl mehr gesehen. Die Dunkelheit ist so grausam... Ich kann nichts unterscheiden, ob Freund oder Feind.

Wir sind alle blind. Aber wir sind selbst daran schuld. Nur wir. Nicht die Schattentänzer. Nicht der dunkle Mond. Nur wir. Wir mit unserem Irrglauben, nur wir wären die Auserwählten. Der Rassenhass hat uns immer tiefer in das Dilemma hineingezogen. Und wir waren auch noch so arrogant zu glauben, es wäre nicht unsere Schuld.

Warum ich das hier bei meiner letzten Kerze schreibe? Warum? Ohhhh, es ist ganz einfach: Niemand kennt die ganze Geschichte. Niemand, denn alle sind sie im Kampf gefallen. Siro und Tesalla, Arat, Oree, Ajlenna, Harusa, die großen Vier... Alle sind sie gefallen. Und niemand weiß davon... Keiner ist zurückgekehrt um zu berichten. Aber es hat auch niemand gefragt. Der Hass füllte unsere Köpfe aus, so das wir das wichtigste vergaßen: die Liebe. Mag es auch noch so klischeehaft klingen, so stimmt es doch. Wenn wir es nur rückgängig machen könnten... Aber man kann die Zeit nicht zurückdrehen. Was passiert ist, ist passiert. Das ist eine Erkenntnis, die man in 4 Jahren Dunkelheit gewinnt. Und sie ist genauso grausam. Wenn nicht sogar grausamer...
 

Ich erzähle hier soviel verworrenes Zeug... Dabei schreibe ich das hier nur, damit alle erfahren was passiert ist. Vielleicht hilft uns das weiter. Vielleicht wird dann der schwarze Schleier des Hasses ein wenig gelüftet, wer weiß... Dann würde sich vielleicht auch die Dunkelheit heben und uns den Blick auf die Sonne freigeben... Träume haben wir alle noch. Und Hoffnung. Einen letzten Funken Hoffnung gibt es wieder, seit Luneana, das ewige Schwert, angefangen hat zu leuchten... Hoffnung...
 

Die Kerze brennt stetig weiter nieder... Mit jeder Sekunde die sinnlos verstreicht wird sie kleiner. Und es sind viele. Denn ich weiß nicht weiter... Wie soll ich es anfangen? Wo soll ich beginnen? Es gibt so vieles zu berichten... So viel... und so wenig Zeit... Es gibt von allem so viel: vom Hass und der Liebe, vom Licht und von der Dunkelheit... Warum nicht auch von der Zeit? Warum? Dann wäre alles einfacher... viel einfacher... Aber es bringt nichts, darüber nachzudenken. Das ist nicht mein Auftrag. Nicht meine Mission. Sollen sich doch die Gelehrten mit ihren heiligen Schriften der Götter mit diesen Fragen beschäftigen. Ich muss mich beeilen. Ich muss schneller schreiben. Es gibt so viel zu erzählen... Und die Kerze brennt weiter...
 

Jetzt sitze ich hier schon so lange und weiß nicht weiter. Ich weiß nicht wie lange, aber es scheint mir unendlich... Habe ich mir nicht mehr Zeit gewünscht? Haben die Götter mich erhört? Wollen auch sie die Wahrheit von der Lüge zu unterscheiden lernen? Bekam ich deswegen dieses kostbare Geschenk?

Fragen, abertausende von Fragen schwirren mir im Kopf herum... Und keine davon weiß ich zu beantworten...

Ich bin müde. So müde. Jahrelang habe ich mir gewünscht, ruhig schlafen zu können, ohne Furcht vor den Träumen... Immer wurde mir dieser Wunsch verwehrt... Und jetzt, gerade jetzt... Ich darf nicht schlafen. Ich muss schreiben. Immer weiter schreiben, nicht aufhören. Alles, nur nicht aufhören. Denn höre ich einmal auf, so fange ich an zu vergessen... Und das Vergessen wäre der Tod, der endgültige Tod, für die, die gefallen sind. Denn dann wird nie jemand ihrer tapferen Taten gedenken, niemand von ihnen reden, und sie werden vergessen... Endgültig vergessen... Und das darf nie geschehen... Niemals, und dafür werde ich sorgen. Deswegen schreibe ich. Das ist mein einziger Grund, aber auch der Wichtigste, denn man sich nur vorstellen kann... Die Wahrheit zu verkünden... Damit sich der Schleier hebt... Das ist meine Mission. Das. Und nur das. Aber warum, warum fange ich nicht an? Warum schreibe ich nur meine Gedanken nieder, nicht die Wahrheit? Ich weiß es. Ich... Ich habe... Die Träume. Die Träume, die so real sind. In denen alles wieder passiert. Immer wieder. Wie sie reihenweise fallen. Niedergemetzelt... Brutal und rücksichtslos die Gegner, waren sie doch ohne Seele... Wie sie fallen, und wie sie sterben... Und ihre Schreie... Die Schreie sind das Schlimmste. Selbst die Tapfersten haben geschrieen, und geweint... Und ihre Tränen vermischten sich mit dem Blute der Gefallenen und durchtränkten den heiligen Boden, auf dem einst die Götter wandelten... Blutrot war er. Überall nur rot. Und ich konnte nichts tun, stand wie versteinert zwischen den Leichen und den Verwundeten... Ich kann nicht vergessen... Wie sie flehten, um Hilfe riefen... Wie sie dalagen und aus allen Wunden bluteten... Und ich, wie ein Mahnmal, starr dazwischen... Ich habe sie gehört, und ich kann sie nicht vergessen. In meinen Träumen kehren sie wieder... Immer und immer wieder... Und ich kann nicht erwachen... Muss sie immer bis zum bitteren Ende sehen... Bis zum Schluss... Bis zum Aufsteigen des Dunkelmondes... Dann werde ich erlöst. Ist es nicht seltsam, dass gerade mein größter Feind mich erlöst? Oder ist das nur wieder eins seiner hinterhältigen Spiele, um mich erneut bis an den Rande der Verzweiflung zu treiben? Auch hier gibt es wieder keine Antwort... Noch nicht.

Denn wenn erst die Wahrheit erkannt wird, dann werden sich die Schleier lüften, und der Dunkelmond wird wieder im Meer des Hasses versinken... Hoffentlich für immer... Hoffentlich... Hoffnung... Hoffnung gibt es noch...
 

Nun muss ich anfangen. Jetzt gibt es kein Zurück mehr, keine faulen Ausreden und Vorspielung falscher Tatsachen vor mir selber... Schluss. Aus. Die Tür hab ich, so gut es in der Dunkelheit halt geht, verriegelt. Die Kerze gerichtet. Die zerschlissenen Vorhänge so gut wie möglich verschlossen. Denn sollte jemand das Licht sehen... Licht ist kostbar... Und wenn ich erzähle, verrinnt die Zeit, und wieder verstreichen sinnlose Sekunden... Nein, ich bin fertig. Die Feder gespitzt, das Fässchen mit dem Beerensaft steht daneben. Tinte gibt es nicht mehr. Lange habe ich diese Beeren gesucht... Jede einzelne, mochte sie auch noch so verfault sein, habe ich gesammelt. Ich war überall. In den Bergen, den Tälern, auf den Weideländern und sogar in den verlassenen Städten. Die meisten Menschen sind weg. Gefallen. Oder sich verkrochen in die vier weißen Türme, um den Schutz Luneanas zu genießen. Die wenigen, die noch hier sind, leben vom Raub. Sie schleichen sich in die Tempel, wo die Priester über die Artefakte wachen und erschlagen sie... Aber wer kann es ihnen verdenken? Von Verzweiflung werden sie getrieben, von einer ausgehungerten Bestie, die in ihren Gedanken haust,

nicht von ihrem klaren Verstand. Nicht ihre Schuld. Nein. Unsere Schuld...
 

Also, ich fange an. Vieles davon wird seltsam klingen, und dort, wo ich nicht selbst dabei war, kann ich mich nur auf die Aussagen anderer stützen. Wesen, von denen noch nie jemand gehört hat, werden vorkommen, und Legenden und Mythen sich als wahr erweisen. Auch Korruption und Hinterlist werden zum Vorschein kommen, selbst bei Menschen, wo dies unmöglich scheinen mag. Jahrelang verdrängte Ereignisse werden in das Gedächtnis der Menschen zurückkehren. Aber nicht nur die Anderen müssen sich ihren Erinnerungen stellen. Nein, nicht nur sie. Auch ich. Ich muss mich gegen meine Träume behaupten, sonst ist bald für uns alle zu spät. Nicht nur zu spät um die Wahrheit zu erfahren, nein, auch zu spät um überhaupt etwas zu verändern. Denn nicht ewig werden die weißen Türme halten, nicht ewig werden sich die Übriggebliebenen gegen die Monstermassen behaupten können. Und was dann passiert, daran wage ich nicht zu denken..... Also gut. Jetzt, jetzt oder nie muss es geschehen, wenn etwas geschehen soll. Und es wird geschehen...
 

Auf der nächsten Seite werde ich anfangen. Warum ich nicht hier anfange? Ohhhhh, das ist einfach zu erklären: Ich habe drei Jahre gebraucht, um all dieses Pergament zusammenzusuchen. Drei Jahre. Eine lange Zeit. Zu lange, um es zu verschwenden. Mit jeder Sekunde wurde es wertvoller... Und es waren so viele Sekunden... So unendlich viele... Aber eins ist noch sehr wichtig: Man muss jedes einzelne Wort lesen. Jedes. Nichts überspringen, selbst wenn es noch so seltsam und verworren klingt... Sonst fügen sich die Teile nicht aneinander, und riesige Lücken entstehen... Und sind sie einmal vorhanden, so werden sie immer größer, und die Wahrheit immer verzerrter, bis sie schließlich eine Lüge ist... Eine Lüge... Und mit jeder Lüge wird er stärker... Der Dunkelmond... Bis er uns schließlich aus dieser Welt verbannt und uns in das... das... das Schattenreich schickt... Wo er herrscht... So grausam... Und fürchterlich... Die Träume... Sie kehren wieder... Helft mir... Erkennt die Wahrheit... Seht hinauf zum Licht... Ehe es zu spät ist... Ehe die Welt im Dunkel versinkt... Ehe es zu spät ist... Die Wahrheit.
 

Als das Dilemma begann, versank gerade die Sonne im Meer und der Mond stieg hinter den Bergen auf. Es schien, als würde das eine ganz normale Nacht werden. Doch niemand begrüßte die Dämmerung. Kein Vogel sang ein Willkommenslied, die Blätter der Bäume blieben still, und selbst der Wind vergaß eine kühle Brise über die erhitzten Gesichter der Arbeiter streichen zu lassen... Aber niemand beklagte sich. Niemand sprach auch nur ein Wort. Denn alle Gesichter blickten starr vor Schrecken zum Himmel hinauf. Dort, wo nichts war. Kein Stern. Keine Wolke. Noch nicht einmal eine Farbe. Gar nichts. Nur ein großer farbloser Fleck, der immer größer wurde... Immer größer... Und ER kam. Der Dunkelmond. Der Herrscher des Schattenreiches. Der Erschaffer aller Schrecken. Genährt vom Hass der Menschen stieg er auf aus dem Meer des Schattenreiches... Um eine weitere Welt zu verschlingen... Um noch mehr Schrecken zu erschaffen... Niemand sprach. Nur ein Kind wimmerte vor Angst. Kurz darauf hörte es auf. Denn nun war die Zeit der Düsternis gekommen, und alles wurde stumm. Die Stille lastete auf unseren Ohren wie eine unbeschreibliche Last. Und wir waren dazu verdammt, nichts tun zu können... Nichts... Aber die eigentliche Geschichte, meine Geschichte, beginnt noch früher... Vor genau sechs Jahren, da fing es an... Einfach so... Ohne Vorwarnung... Und es wurde das größte Drama, welches unsere Welt je gesehen hat...



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