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Kelch und Schwert: Das Leben von Dain Lavrans

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Aus dem Tagebuch von Dain Lavrans. Gebürtiger Däne, Kreuzritter und Magier aus Wydehaw Castle
 

Dain Lavrans' Lebenslauf:

Im Jahre 1190 brach Richard Löwenherz von Europa aus zu einer göttlichen Mission auf, um das Heilige Land von den Ungläubigen zu säubern. Eine riesige Heerschar christlicher Soldaten nahm das Kreuz und folgte ihm. Und scheiterte. Einige überlebten, viele starben, und ein paar verschwanden- entweder aus eigenem Antrieb oder von anderen dazu gezwungen- in den Wüsten Palästinas, zur damaligen Zeit Herrschaftsgebiet des großen Saladin.
 

Von jenen, die vermisst wurden, fanden drei ihren Weg aus der Einöde heraus und wieder zurück in ihr Heimatland. Der eine, bei dem die Erlebnisse in der Wüste derart tiefe seelische Wunden hinterlassen hatten, dass er nicht mehr zu retten war, wanderte nach Norden in die Festung seines Vaters, um an Starken und Schwachen gleichermaßen Rache zu üben. Der zweite verpflichtete sich Gott, Familie und Vaterland und fand so Linderung für die Wunden seines Körpers und seiner Seele.

Der letzte nutzte alles, was er über Schmerz, Geheimnisse und Glück gelernt hatte, über Magie und Medizin, über Begierde, Unterwerfung und Macht, und ließ sich als Hexenmeister nieder- man nannte ihn Das Schwert.
 

1209, im Sklavenlager von Jalal al-Kaman und Kalut ad-Din
 

Lavrans, Morgan und Caradoc saßen am Feuer, welches Schutz vor der beißenden Kälte der Nacht bieten sollte. Morgan biss in ein kleines Stück Fladenbrot und grinste sarkastisch. "Tagsüber schwitzen wir wie die Schweine, und nachts friert man sich hier den Arsch ab. Irgendwie seltsam, nicht?" Caradoc lächelte spöttisch. "Du schwitzt tagsüber wie ein Schwein, Morgan ab Kynan? warum? ausser Jalal die Schuhe zu putzen und gewisse Dinge zu säubern, hast du doch nicht viel zu tun." Morgan starrte ihn an. "Ich bin nicht Jalals Hure!" antwortete er heftig. Caradoc zog die Brauen hoch und schwieg. "Ich kann nichts dafür, dass Kalut dir das Leben zur Hölle macht, Keiler!" fuhr Morgan fort. "Sei jetzt still. He, Lavrans,noch unter den Lebenden?" Dain schaute auf, seine Miene blieb unbewegt. "Wenn du das 'leben' nennst...ja." Caradoc lachte. "Und was hast du für Beschwerden, Schwan?" Dain lächelte. "Zur Zeit habe ich keine, aber wieso nennst du mich Schwan?" "Hm Jalal tut das oft. Warum, weiß er wohl selber nicht. Gott, wie lange will uns dieser Dreckskerl noch hier festhalten?" Morgan schluckte den Rest seines Brotes herunter. "So lange, bis wir sterben, Caradoc, wir sind seine Sklaven. Und das hier ist ein Sklavenlager. Kannst du mir folgen?" fragte er ruhig. Caradoc zuckte mit den Achseln. "Ich werde nicht hier bleiben." Dain verzog das Gesicht, Morgan lachte schrill. "Was bist du lustig! ach Caradoc, was bist du doch verdammt lustig! es sind jetzt fast sechzehn Jahre!" seine Stimme schwankte. Dain schwieg, und Morgan fuhr heftig fort: "Jalal und Kalut lassen uns hier eher verrotten, bevor sie uns freigeben. Und wenn du weitere sechzehn Jahre auf Rettung warten willst, kann ich dich nur bewundern." Damit stand er auf und stapfte davon.
 

Wydehaw Castle, drei Jahre später:

Ragnor the Red hatte wieder zugeschlagen. Diesmal Anne, die Tochter der Köchin. Er hatte sie im Hof überfallen und entjungfert. Anne war gerade dreizehn, und sollte im Frühjahr verheiratet werden. Die Träume des Bräutigams, Träume von einer reinen, unschuldigen Jungfrau waren damit zunichte gemacht worden. Soren, Burgherr Wydehaws, tobte. Nun, Ragnor lachte.

Dain Lavrans bekam davon kaum etwas mit. Nachdem sich sein destillierter Wein mit Quicken-Tree Ölen als beinahe lebensgefährlich giftig herausgestellt hatte, war er in eine große Lustlosigkeit verfallen. Sicher, als Magier war er ständig tätig. Doch was nützte ihm sein guter Ruf, wenn seine Experimente ständig misslangen und sich in Rauch, Asche, Dämpfe oder Lichtblitze verwandelten?! Und nun hatte er etwas gefunden, was seine Aufmerksamkeit weit aus mehr erregte als irgend eine Mixtur aus Eidechsenschwänzen und Alkohol: sein altes Tagebuch, geschrieben in den sechzehn Jahren seiner Gefangenschaft. Der Gefangenschaft im Lager Jalal al-Kamans. Sollte er dieses Buch verbrennen? oder die Seiten mit Jalals Namen herausreissen und einen Vodoo-Zauber versuchen? "Unter meinem Niveau," flüsterte er. Warum nicht, was nützte es, wenn er die Vergangenheit vergaß...
 

Sieben Jahre vor Richard Löwenherz' Kreuzzug wareb Englands Schlachten in größerer Nähe zur Heimat ausgetragen worden, auf saftigen grünen Wiesen und in flachen Mooren, inmitten der dichten Wälder des Königs und tief in den Bergen von Wales. Die Waliser- Cymry in ihrer eigenen Sprache und >>Krieger<< in jeder anderen- gingen zum Angriff über und kämpften sowohl gegen die englischen Invasoren als auch gegen ihre eigenen Leute mit gleicher Heftigkeit. Palisaden wurden niedergebrannt, Dörfer geplündert und neue Lehnsmänner eingesetzt, wo zuvor andere geherrscht hatten.
 

Nur drei Menschen, eine junge Frau und zwei Kinder, überlebten die Schlacht um Carn Merioneth, eine prachtvolle Festung an der Küste der Irischen See. Die Frau, ungewöhnlich weise für ihr Alter und in den uralten Bräuchen bewandert- ein hellseherisches Wesen-, schlug sich nach Süden durch und versteckte die Kinder vor der zerstörerischen Macht, die in ihrem einstigen Zuhause entfesselt worden war. Für das erste Kind fand sie Zuflucht in einem Kloster, und im Laufe der Jahre ging der Junge ganz in einem ruhigen, kontemplativen Leben auf. Für das zweite Kind, ein Mädchen, wählte die Frau jene Abtei, in der sie ihre eigene Jugend verbracht hatte, denn sie wusste um die dort gehüteten Geheimnisse und vertraute darauf, dass das Kind sie entdecken würde. Das Mädchen enttäuschte ihre Hoffnungen nicht, und mit der Zeit wurde sie der Katalysator ihrer eigenen Zerstörung und zugleich der Schlüssel zu ihrer eigenen Rettung- sie war Der Kelch.
 

Dain Lavrans beschloss, das Buch nicht zu lesen. Es war besser so, denn jetzt hatte er keine Lust auf Schmerzen der Vergangenheit. Ich sollte vielleicht einmal an die frische Luft, dachte er. Seit Tagen hockte er in Schwefeldunst und Weingeruch vor seinen ständig scheiternden Versuchen, ein wirksames und zugleich gesundes Schlafmittel zu zaubern. Ich bin als Magier noch so unttauglich wie Ragnor als Poet, dachte er ironisch, verließ seinen Turm und schloss die magische Druidentür vierfach ab. Numa und Elixir, seine beiden Jagdhunde, nahm er mit.
 

In der Empfangshalle hörte er die helle Stimme eines Mädchens. Ein Schrei der Verzweiflung. Ohne Zweifel ging Ragnor gerade seiner Lieblingsbeschäftigung nach. Dain verzog verächtlich das Gesicht. Der Mann hatte ausser Stroh nur Sex im Kopf, und nicht mal den beherrschte er besonders gut. Kein Wunder, dass Soren ihm die Verbannung angedroht hatte. Lady Vivienne, seine untreue Ehefrau, war Ragnor da gar nicht so unähnlich. Allerdings ging sie nicht so viehisch und brutal vor, sondern brach den Männern systematisch und voller Lüsternheit die Herzen. Nur Dain wiederstand ihr. Zu Viviennes großem Verdruss: denn eigentlich war es nur der Hexenmeister, den sie begehrte. Und Soren begehrte ihn ebenso. Die meisten Bewohner von Wydehaw hatten kein Problem damit, dass sich ihr Herr für jüngere Männer interessierte.

Dain verscheuchte all die Gedanken aus seinem Kopf, und machte Numa und Eliyir ein Zeichen, ihm zu folgen. Das Beste würde sein, Wydehaw mit hoch erhobenem Mittelfinger zu verlassen, um im Wald von Wroneu Ruhe zu finden, und vielleicht Madron noch einen Besuch abzustatten. Erhobener Mittelfinger? Lieber nicht, dachte Dain spöttisch, nachher fassten Vivienne oder Soren es noch als Aufforderung auf! grinsend verließ er Wydehaw Castle, ohne sich um das schreiende Mädchen zu kümmern.
 

"Nun lauft schon, ich weiß doch, wie sehr ihr die Sonne vermisst habt!" sagte Dain, kniete nieder und streichelte Numa. Die weiße Hündin jaulte leise, und jagte davon, als hätte sie verstanden. Ihr schwarzer Bruder Elixir ließ sich selbst von seinem Herrn nur widerwillig anfassen, und auch Dain vermied Berührungen mit diesem launischen Mistvieh. Erlend, Dains Diener, hatte Elixirs Zähne schon mehrfach zu spüren bekommen.
 

Stolz und hochmütig machte sich auch Elixir davon, und Dain blieb allein im Wald zurück. Leise seufzend streifte er seinen Mantel ab und legte sich ins fast kniehohe Gras. Es wurde bald Herbst, die Blätter verfärbten sich bereits rotgolden, und es wurde nicht mehr ganz so warm wie noch vor drei Wochen. Egal, seit seiner Wüstenzeit legte Dain kaum noch Wert auf Hitze. Doch heute war es beinahe heiß, und so löste er den Gürtel, mit dem seine mehr als schlichte Tunika zusammengehalten wurde, und lag halb entblößt in der warmen Sonne. Nachdenklich kaute er auf einem Grashalm. Seltsam, warum war er seit einigen Nächten nur so unruhig? vielleicht ein Omen? "Hoffentlich eines, welches mir endlich Erfolg mit meiner Arbeit phrophezeit," murrte er. Ohne es zu merken, strichen seine Finger über seine vollen, gebräunten Hüften. Die Sklaven hatten stets knappe Lendenschurze getragen, und von sechzehn Jahren Wüstensonne hatte sich seine einst blasse Haut in dunkle Bronze verwandelt. Sein langes, braunes Haar breitete sich wie ein Fächer im Gras aus. Die dunklen Augen hielt er halb geschlossen. Ehe seine Finger tiefer wandern konnten, riss ihn ein leises Lachen aus seiner Träumerei.

Erschrocken richtete sich Dain auf. Doch er sah niemanden. "Hui, Lavrans, was bist du doch hübsch! ich muss mich wiklich zügeln..." das Kichern wurde lauter, und mit einem geschmeidigen Satz sprang ein Mädchen aus der Baumkrone über ihm. Sie war sehr klein, vielleicht einen Meter vierzig, und in ihr langes, dunkles Haar waren dutzende von Zweige geflochten. "Llynya, du verdammter Kobold, du sollst mir nicht ständig hinterherschleichen, sonst..." "Sonst was?" fuhr ihm Llynya spöttisch ins Wort. "Hab ich dich wieder bei deinen perversen Spielchen gestört, Dain?" Lavrans starrte sie halb wütend, halb belustigt an. "Perverse Spielchen? soll ich dir mal ein paar wirklich....perverse Spielchen zeigen?" der Kobold winkte ab. "Nein danke, ich verzichte. Du bist mir zu gierig und denkst beim Geschlechtsverkehr immer nur an dich." Dain machte ein empörtes Gesicht. "Woher willst du das wissen?! ich hab dich noch nie angefasst..!" Llynya kicherte. "Och, von Moira. Und mit ihr hast du ganz oft ge...." "Was ist der Grund deines Besuches?" fiel ihr Dain eifrig ins Wort. Llynya grinste und lehnte sich zurück. "Rhuddlan schickt mich. Es geht um das diesjährige Beltaine. Und um etwas, was ich nicht wissen darf," fügte sie leicht beleidigt hinzu. Lavrans lächelte. "Kinder müssen ja nicht alles wissen, oder?" Llynya stürzte sich auf ihn und versuchte, ihm in die Hand zu beißen. Lavrans wehrte sie lässig mit einem Arm ab. "Hör auf. Geh jetzt, Shay wartet bestimmt. Er

sieht doch fast noch hübscher aus als ich, oder?" der Kobold wurde puterrot im Gesicht, nickte dann aber und verschwand ohne ein weiteres Wort mit drei Riesensprüngen im Wald.
 

"Numa, Elixir...kom!" rief er auf dänisch. Wie ein zweifarbiger Blitz kamen die Jagdhunde angelaufen, und Dain nickte zufrieden. "Wir gehen jetzt zu den Quicken-Tree. Das müsste euch doch gefallen, also macht mir keine Scherereien!" mahnte er. Die Hunde bellten, als hätten sie verstanden. Numa links, Elixir rechts, drang er tiefer in den Wald ein, und schnürte im Laufen seine Tunika wieder zu.
 

Das Quicken-Tree Lager lag ruhig im Schatten des Waldes da. Diesmal hatte sich Rhuddlan für seine Sippe einen besonders schönen Platz ausgesucht. Der Südteil des Lagers war durch meterhohe Dornen geschützt, am östlichen Ende bildete ein reißender Fluss eine natürliche Grenze. Ausser Nia und Trig, dem Hauptmann der Liosalfar, der Quicken-Tree-Bogenschützen, erblickte Dain kein vetrautes Gesicht. So wandte er sich an Trig, der gerade Wein aus einem kleinen Trinkhorn in sich hineinschüttete. Er schien nicht einmal zu schlucken, und Lavrans musste den Mann bewundern. Jeder wusste, dass Quicken-Tree Wein selbst Hartgesottene aus den Stiefeln kippen ließ. "Hm...Trig? weißt du, wo Rhuddlan ist?" fragte Dain. Trig reichte den leeren Becher Nia, die ihn stumm davontrug. "Er ist hinter den drei Zelten da vorn. Ich glaube, sie suchen schon einen Platz für den Beltaine-Thron!" "Danke." Trig lächelte ihn an. "Aber er hat heute ungewöhnlich schlechte Laune, mach dir nichts draus! die Kinder wagen sich schon nicht mehr in seine Nähe." Lavrans grinste und ging.
 

Rhuddlan stand tatsächlich hinter den Zelten. Er hielt eine riesige Karte in den Händen, auf welcher eine Skizze eines hölzernen Thrones abgebildet war. Dain räusperte sich, und Rhuddlan schaute auf. Seine leuchtend grünen Augen weiteten sich ungläubig. "Dain Lavrans? mit dir hatte ich frühestens im März gerechnet!" lachend drückte er einem seiner verdutzten Kameraden den Plan in die Hand, und umarmte Dain. Dieser grinste. "Hm, aber Llynya meinte, du hättest sie losgeschickt- du wollest mich sprechen. Hier bin ich!" Rhuddlan lächelte. "Hab ich das? hmmmm ich werde wohl wirklich alt...nun aber Recht hat sie. Ich muss mit dir über etwas wichtiges reden. Über drei Dinge, um genau zu sein." "Ich höre." Rhuddlan seufzte, und strich sich sein langes, blondes Haar aus der Stirn. Hier und da waren schon einige graue Haare zu sehen, doch Rhuddlans Gesicht wirkte jünger und erfahrener denn je. "Erstens: Caradoc wird demnächst heiraten. Und seine Braut heißt Ceridwen ab Arawn." Dain legte den Kopf schräg. "Ich kenne keine Ceridwen." Rhuddlan starrte ihn verblüfft an. "Nicht? aber sie ist die Nachfahrin Rhiannons. Die Erbin der Drachenpriesterinnen..! ich kann kaum glauben, dass du noch nicht von ihr gehört hast. Dabei war es Carn Merioneth, das abgebrannt ist...aber ich schweife ab. Also jedenfalls will Caradoc sie heiraten. Das muss ich mit allen Mitteln verhindern." "Warum?" fragte Dain verwirrt. "Ich finde, Caradoc hätte sich eine Ehefrau verdient. Vielleicht wird er dann vernünftig." "Aber nicht Ceridwen!" rief Rhuddlan zornig. "Sie ist die Erbin...verzeih, ich wollte nicht laut werden. Punkt zwei: ich brauche dich wieder für Beltaine." Dain grinste. "Natürlich, das mache ich jetzt seit fast vier Jahren. Du kannst auf mich zählen." Rhuddlan druckste herum. "Nun ja...diesmal brauche ich....einen Dämon. Lässt sich da was machen?" Dain legte den Kopf schräg. "Du? einen Dämon? wozu denn?" "Das brauchst du jetzt noch nicht wissen. Tu mir einfach den Gefallen. Wir wählen dieses Jahr wieder eine Göttin. Und du weißt, was du zu tun hast!"
 

Ende des ersten Teils.
 

In Teil zwei: Über Ceridwen ab Arawn



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2002-05-07T12:24:35+00:00 07.05.2002 14:24
Ja?^^ ich mag es auch voll gern und dachte, ich erlaub mir das jetzt einfach mal.

Ps. danke für dein Kommentar =)
Von: abgemeldet
2002-05-07T11:26:39+00:00 07.05.2002 13:26
ui, ich liebe das Buch "Kelch und Schwert". schön das es
eine fanfic jetzt darüber gibt :)


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