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Weg durch den Nebel

von

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Ich habe die Geschichte überarbeitet, die alter Version war ja unzumutbar…
 

Weg durch den Nebel
 


 

‚Wenn im Herbst die Nebelschwaden die Dörfer durchziehen, so heißt es, zieht der Tod mit ihnen. Man muss den Nebel deshalb nicht fürchten. Doch trotzdem ist Vorsicht geboten.

Denn wenn der Nebel die Straßen, Wälder, Berge und Täler verhüllt, kann man den blutroten Mond nicht sehen.

Und der Blutmond scheint nur dann, wenn der Tod seine Klauen ausstreckt, um die Lebenden mit sich mit zu nehmen auf seiner Reise.’

Fröstelnd schlug Delwyn den Kragen hoch. Die alten Volksmärchen konnten selbst einem erwachsenen Elf manchmal noch das Blut in den Adern gefrieren lassen. Insbesondere, wenn niemand in der Nähe war, mit dem man zusammen über die Geschichten lachen konnte, wie man es früher immer während nächtlicher Mutproben oder an Lagerfeuern beim Übernachten im Freien getan hatte.

Stirnrunzelnd sah er sich um. In seiner Heimat trat Nebel nicht besonders oft in Erscheinung, schon gar nicht in so derart dichten Schwaden, wie sie jetzt – einer weißen Wand gleich – um ihn herum waberten. Ein weiteres Mal wünschte er sich, zu Hause geblieben zu sein. Oder zumindest, nicht genau in diesem Moment an die alten Schauermärchen denken zu müssen. Er blieb für einen Augenblick stehen, um in seinem Rucksack nach der letzten Flasche mit dem süßen Honigwein- des einzig wirklich guten Erzeugnisses seines Dorfes- zu suchen. Bevor er sie jedoch unter den wenigen Kleidungsstücken und anderen Reiseutensilien fand, streifte seine Hand die versiegelte Papierrolle und er gab seine Suche auf. Erst wenn er diesen Brief überbracht hatte würde er sich reichlich für seine Mühen belohnen, außerdem würde er in angetrunkenem Zustand niemals sein Ziel erreichen. Er seufzte tief und dachte darüber nach, wie er noch einmal an diesen von den Göttern verlassenen Ort gekommen war.
 

Vor zwei Tagen hatte bei seinem Dorf im Westen des Landes in einer der Silberminen ein Gasgemisch in den unteren Stollen zu einer großen Explosion geführt und hatte einige Männer das Leben gekostet. Was aber von den Dorfältesten als beinahe ebenso schlimm eingestuft wurde war, dass ein Großteil der kostbaren Geräte tief im Inneren der Minen verschüttet worden war. Um die nötige finanzielle Unterstützung für die Neuanschaffung der Gerätschaften zu bitten sollte eine vertrauliche Nachricht an die Hauptstadt im Nordwesten des Landes gesandt werden, und da weder Brieftauben noch Postkutschen in die Nähe des Dorfes kamen und die älteren Männer bei der Bergung ihrer Kumpel und der vielleicht noch reparablen Geräte unabkömmlich waren, war Delwyn mit einem Brief losgeschickt worden.

Noch nie war Delwyn so weit von zu Hause fort gewesen, und obwohl er sich die erste Zeit mit der Karte und dem Kompass die er bei sich führte gut hatte zu Recht finden können, schien er sich jetzt verirrt zu haben. Er musste nachdem er das Dorf in dem er die Nacht verbracht hatte eine falsche Abzweigung genommen haben, und als er das endlich bemerkt hatte und umkehren wollte war der Nebel gekommen.

Inzwischen war zu allem Übel auch noch die Dämmerung hereingebrochen, und Delwyn bekam es allmählich mit der Angst zu tun. Jedes kleinste Geräusch ließ ihn aufschrecken, und er beeilte sich, seinen Weg in der Hoffnung irgendwann zu einem Dorf zu gelangen fortzusetzen.

In Gedanken verfluchte er die Dorfbewohner. Natürlich hatten sie ihn geschickt, den Außenseiter, dessen Vater bei einem Minenunglück gestorben war und dessen Mutter vor lauter Kummer dem Vater bald ins Grab nachgefolgt war. ‚Wenigsten ein Mal kannst du dich nützlich machen!’ hatten sie gesagt und ihn auf diesen Weg geschickt, der ihn allem Anschein nach überall hin führen würde, nur nicht dorthin, wo er sein sollte.

Am liebsten wäre er in diesem netten, kleinen Örtchen geblieben, in dem er auch ein Nachtquartier gefunden hatte. Dort hatten ihn die Elfen freundlich aufgenommen und bewirtet, obwohl er kaum Geld bei sich getragen hatte. Dort hatte es blühende Gärten gegeben, und eine Schule, zwei Dinge, auf die man in seinem Heimatdorf wohl noch bis in alle Ewigkeit warten musste.

Und er dachte schon seit er sein Dorf verlassen hatte ernsthaft darüber nach, ob er, nachdem er die Nachricht überbracht hatte ganz einfach nicht zurückkehren und sein Glück in der großen, weiten Welt versuchen sollte. Er hätte natürlich auch sofort einen anderen Weg einschlagen und die Nachricht nie überbringen können, doch dafür war sein Pflichtbewusstsein zu groß. Man sollte ihm nicht nachsagen können, dass er sein Dorf im Stich gelassen hatte. Zuerst musste er den Brief überbringen. Dann würde er weitersehen.

‚Aber erst einmal bis zur Stadt kommen!’, schoss es ihm durch den Kopf und er blieb stehen.

Der Nebel hatte sich, sofern das möglich war noch mehr verdichtet und er konnte, wenn er den Arm ausstreckte kaum noch seine Hand erkennen. Die Feuchtigkeit bildete kleine, schimmernde Perlen auf seinen Ärmeln, doch er hatte keine Muße, sie näher zu betrachten.

Frustriert drehte er sich einmal um die eigene Achse. Ein Fehler, wie er augenblicklich einsah, denn ob er wirklich eine volle Drehung gemacht hatte konnte er nicht genau sagen.

Wie sollte er so jemals den Weg finden? Er wusste noch nicht einmal mehr genau, aus welcher Richtung er gekommen war!

Langsam aber sicher kroch Panik in ihm hoch. Wenn dieses alte Volksmärchen nun doch einen wahren Kern hatte, wie es sich so oft mit derartigen Geschichten verhielt? Was, wenn hinter der nächsten Biegung schon der Todesbote lauerte, um ihn mit sich zu zerren?

Ein Rascheln zu seiner Rechten ließ ihn zusammenfahren. Er lauschte mit angehaltenem Atem. Kurze Zeit war es wieder so still wie zuvor, der Nebel dämpfte jedes Geräusch außer denen in unmittelbarer Nähe. Doch hörte er es erneut und dieses Mal blieb es nicht bei diesem einen Rascheln. Da bewegte sich etwas, ganz in seiner Nähe- und es schien auf ihn zuzukommen.

Nebel hin oder her, das was sich da bewegte konnte genauso gut ein Wolf oder etwas ähnlich Unerfreuliches sein, und Delwyn spürte nicht das Bedürfnis, als das Abendessen eines wilden Tieres zu enden.

Ohne wirklich darüber nachzudenken gab er seinem unguten Gefühl nach.

Er begann zu rennen.

Zwar schrie eine Stimme in seinem Kopf, dass es mindestens genauso gefährlich war, bei dichtestem Nebel einfach loszulaufen wie stehen zu bleiben, wenn man nicht wusste, was sich näherte, doch sein Instinkt sagte ihm ganz deutlich: ‚Lauf so schnell du kannst’

Sein Instinkt war schon immer stärker als seine Vernunft gewesen.

Er rannte, und auf einmal fühlte er, dass der Boden weicher geworden war. Ein kurzer Blick nach unten vergewisserte ihn: Er war vom Weg abgekommen und lief nun über die leicht abschüssige Wiese.

Er warf einen Blick über die Schulter um festzustellen, ob er verfolgt wurde, doch alles was er sah, war das dichte Grau des Nebels.

Er hätte sich nicht umdrehen sollen, das war das Erste, was ihm einfiel, als seine Füße an auf einmal an etwas Hartem hängen blieben.

Er stolperte, stürzte und überschlug sich ein paar Mal, bis er mit einem schmerzvollen Aufprall, der ihm die Luft aus den Lungen trieb, liegen blieb.

Nur kurz war er sich des stechenden Schmerzes in seinem Nacken bewusst, dann wurde es schwarz um ihn.
 

Als er wieder erwachte, schien es ihm, als sei kaum ein Moment vergangen- der Nebel hing noch immer um ihn wie ein bleierner Mantel.

Delwyn tastete den Boden ab- er lag auf einer Mischung aus Gras und Moos, eine weiche Lagerstätte über die allerdings allmählich kalte Feuchtigkeit seine Kleider durchdrang. Er setzte sich langsam und vorsichtig auf und schüttelte noch immer etwas benommen den Kopf. Auf einmal bemerkte er die Anwesenheit einer anderen Person neben ihm. Erschrocken blickte er sich um und entdeckte einen jungen Elf, ungefähr in seinem Alter, der neben ihm kniete. Besorgte, leuchtende Augen wandten sich ihm zu.

„Bist du in Ordnung?“

Delwyn zog verwirrt die Augenbrauen zusammen. Seine Hand fuhr instinktiv an seinen Nacken, es schmerzte nur noch ein wenig und er nickte.

„Ja, mir geht es gut.“

Dann, als es ihm auffiel: „Wo kommst du auf einmal her?“

Der Andere sah ihn entschuldigend an.

„Tut mir leid, dass ich mich noch nicht vorgestellt habe. Du kannst mich Gethin nennen. Ich bin gerade auf dem Weg hier unterwegs gewesen als ich einen Aufprall hörte. Ich bin sofort hier her gekommen.“

Delwyn starrte ihn irritiert an.

„Was für ein Weg?“

„Der, der parallel zu dem Weg läuft, von dem du scheinbar kommst. Da drüben, es sind höchsten fünf Meter. Aber möchtest du mir nicht verraten, wie du heißt?“

Delwyn errötete, beschämt über seine Unhöflichkeit.

„Delwyn…“, murmelte er.

Gethin lächelte ihn strahlend an.

„Gut. Da wir jetzt beide wissen, wer der andere ist… erlaube mir, eine Frage zu stellen. Welcher Dämon hat dich geritten, einfach bei diesem Nebel den Weg zu verlassen?“

Um zu überdecken, wie peinlich ihm dies alles war, wandte Delwyn den Kopf ab.

„Ich dachte, mich verfolgt etwas…“

Mitfühlend legte sich eine Hand auf seine Schulter.

„Das verstehe ich. Dieser Nebel kann einem schon manchmal ziemliche Angst einjagen.“

Delwyn zwang sich zu einem nervösen Lächeln und Gethin fuhr fort.

„Du bist nicht von hier, oder? Sonst wüsstest du, das man nicht einfach bei Nebel in der Gegend herumspaziert.“

„Was tust du dann hier?“

Gethin lachte leise.

„Das ist etwas Anderes. Ich bin hier schon seit einer Ewigkeit. Ich kenne mich hier aus.“

Er stand auf und hielt Delwyn die Hand hin. Während Delwyn die dargebotene Hand ergriff um sich auf die Füße ziehen zu lassen stellte Gethin erneut einige Fragen.

„Möchtest du mich vielleicht begleiten? Du verirrst dich doch sonst nur wieder.“

Delwyn war sehr dankbar, jemanden gefunden zu haben, der ihm den Weg zeigen konnte und nahm das Angebot mit Freuden an. Während Gethin ihm seinen Rucksack in die Hand drückte, fuhr er fort, Delwyn ein wenig auszuhorchen.

„Wenn du mir sagst, wo du hin möchtest kann ich dich sicher an den gewünschten Ort führen. Wie hat es dich eigentlich hier her verschlagen?“

Delwyn lächelte. Er hatte diese Frage erwartet.

„Eigentlich bin ich nur auf der Durchreise. Ich habe kein bestimmtes Ziel.

„Das trifft sich sehr gut. Wenn wir uns beeilen kommen wir noch vor Torschluss in die nächste Stadt.“

Nachdem Delwyn notdürftig den Schmutz von seiner Kleidung geklopft hatte, machten sie sich auf den Weg. Einige Zeit gingen sie schweigend nebeneinander her und Delwyn betrachtete seinen neuen Begleiter nachdenklich. Er schien tatsächlich nicht viel älter als zu sein als er selbst, doch man sah ihm an, dass er aus einem ganz anderen Teil des Landes stammen musste als Delwyn, denn weder im Umkreis seines Dorfes noch in den Städten und Dörfern, die er auf seinem Weg passiert hatte, war Delwyn jemals ein Elf mit derart farbloser Haut und hellem Haar aufgefallen.

Ebenfalls sehr sonderbar waren die Augen seines Begleiters. Sie hatten sie Farbe von grünem Glas, das man gegen die Sonne hielt, leuchtend und klar. Ein wenig gruselig vielleicht, denn Delwyn konnte sich nicht erklären, wo bei hereinbrechender Nacht und dichtem Nebel das Licht, das sich in den Augen zu reflektieren schien herkam.

Aber die Hauptsache war, dass er nun einen Führer durch diesen furchtbaren Nebel hatte, da war es ihm gleich, wie dieser aussah. Zum Glück hatte ihn Gethin gefunden.

Er konnte ohnehin von Glück sprechen, wenn er überlegte, was ihm alles hätte passieren können.

Mit etwas Pech wäre sein Genick gebrochen gewesen, und dann hätte er seine Reise durch das Land nie fortsetzen können. Und das wäre doch zu schade gewesen, war er doch nur zu diesem Zweck aus seinem Dorf fort gegangen: Um Abenteuer in der großen, weiten Welt zu erleben!

Doch auf einmal fiel ihm siedend heiß etwas ein. Aufgeregt blieb er stehen und wühlte in seinem Rucksack. Unter seiner Karte, dem Kompass und der Kleidung sowie einigen wenigen Reisutensilien wurde er schließlich fündig. Gethin war derweil geduldig stehen geblieben und sah ihm mit einem höflichen Lächeln zu.

„Was suchst du?“

Delwyn atmete erleichtert aus und zog eine braune Flasche hervor, die wie durch ein Wunder seinen Sturz überlebt hatte.

„Ich habe nicht geglaubt, dass sie noch heil ist. Wenn wir später in ein Dorf kommen musst du mir versprechen, die Flasche zum Dank mit mir zu leeren.“

Gethins Augen glitzerten schalkhaft.

„Es wäre mir eine Ehre.“

Delwyn wickelte die Flasche vorsichtig in ein altes Hemd und legte sie wieder zurück in den Rucksack. Sie setzten ihren Weg fort. Dann, nach einigen Schritten fragte Delwyn spontan: „Sag mal, hättest du Interesse daran, zusammen mit mir die Welt zu bereisen?“

Gethin grinste ihn an, als habe er diese Frage nur erwartet.

„Sicher. Ich bin schon weit herumgekommen, es gibt viele unglaubliche Orte, die ich dir gerne zeigen würde.“

Mit einem Lächeln ging der junge Mann neben seinem neuen Freund her.

Nach einer Weile hatte der Nebel sich gänzlich verschluckt.
 


 

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Am nächsten Tag fand man die Leiche eines jungen Mannes am Hang unter dem schmalen Feldweg. Er war an einem Genickbruch gestorben, den er sich höchstwahrscheinlich bei einem Sturz über die herausragenden Baumwurzeln zugezogen hatte. In seinem Gepäck fand man eine zerbrochene Flasche, deren klebriger Inhalt sich über einen versiegelten Brief ergossen hatte. Aus den Wörtern, deren Tinte nicht durch die Flüssigkeit verlaufen war konnte man rekonstruieren, dass es sich um den Hilferuf eines ärmlichen Bergarbeiterdorfes im Westen handelte. Man würde die Nachricht zur Hauptstadt weiterleiten und eine Antwort, zusammen mit der Todesnachricht des Kuriers zurücksenden.

Die Bauern, die ihn gefunden hatten schüttelten bedauernd die Köpfe.

Der Junge hätte niemals den Weg verlassen sollen.

Doch so geschah es häufig mit den Leuten, die unklug genug waren, bei Nebel ganz alleine herumzuirren.

Das alte Volksmärchen hatte wieder einmal Recht behalten:

‚Wenn der Nebel die Straßen, Wälder, Berge und Täler verhüllt, kann man den blutroten Mond nicht sehen.

Und der Blutmond scheint nur dann, wenn der Tod seine Klauen ausstreckt, um die Lebenden mit sich mit zu nehmen auf seiner Reise.’



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2004-12-05T11:44:44+00:00 05.12.2004 12:44
So. *gelesen hab*
Eigentlich wollte ich ja die Nacht in Tortuga lesen, aber ich bin anscheinend zu jung dafür x] Und da ich mich mit DNAngel und WK nicht sonderlich auskenne, eben diese Story.
Nun... was mir gefällt ist, dass Delwyn (war das der Name? *unsicher desu*) eine Vorgeschichte und ein Ziel hat, und dass es wirkliche Gründe dafür gibt, dass ausgerechnet er den Weg auf sich nehmen muss. Doch im Endeffekt ist das doch alles nicht mehr relevant, denn er stirbt - und es hätte genau so gut jeder sein können. Das ist es, was mich stört. Er wird bedeutungslos, seine Träume, alles versickert. Sicher, genau *das* ist ja der Tod, er verschwindet, er wird vergessen. Aber... ich finde, da fehlt noch eine Wendung, die sich vielleicht wieder auf den Ausgangspunkt bezieht, um ein Schaudern hervorzurufen.
Coole Idee, dass der Tod ungefähr die Gestalt des Sterbenden annimmt (naja, das Alter..), und nicht der übliche Sensemann. (Hat mich kurz an William Wilson erinnert, wobei das ja eher auf das personifizierte Gewissen bezogen ist.)
Ansonsten, schön geschrieben, auch die Wiederholung der EInleitung ist gut, doch für mich fehlt eine Art Epilog, der dem ganzen eine Bedeutung gibt.
*hofft dass dein Schnurren trotzdem nicht verstummt und ins Grummeln übergeht*


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