Addicted

AIDS

Takuya keuchte auf. Sho zog entsetzt die Augenbrauen kraus, riss die Augen auf und Akito blieb sprachlos der Mund offen stehen. Denn das sah nicht so aus, als wäre das unabsichtlich gewesen, insbesondere da Kouji das zugeschminkt hatte. Doch Sho's Aufmerksamkeit fing für einen Moment sein braunhaariger Freund wieder ein, als er aufschluchzte und eine weitere Träne sein Auge verließ. Er starrte nur ins Leere, ins Verschwommene vor seinen Augen und nuschelte irgendwas von:

"Er hat nicht gelogen... wieso hat er nicht gelogen... er hätte lügen sollen...das... verdammt..." vor sich hin, verstummte dann wieder augenblicklich. Eins war zumindest mal klar. Takuyas Psyche war allerspätestens jetzt total am Arsch.

"Natürlich hat er nicht gelogen!" Kouji seufzte auf: "Tut mir Leid!" Es war ehrlich gemeint, auch wenn es nicht so klang. Takuya sah zu Boden, und Akito nur mehr als verwirrt von einem zum anderen. Sho hingegen hatte seine Entschuldigung scheinbar nicht gehört, oder verstanden, oder geglaubt, oder sonst was, jedenfalls riss er den Schwarzhaarigen an der - ohnehin verletzten - Schulter hoch und schlug ihm mit einer Faust in den Bauch. Kouji keuchte entsetzt auf, und sein Magen rebellierte. Was wollte denn da hoch? Er hatte heute doch noch gar nichts gegessen...

Takuya beobachtete das Szenario weiter mit Tränen überfluteten Augen. Er nahm nicht wirklich war was sich davor abspielte. Er sah seinen besten, liebsten Freund Sho, der auf seinen wichtigsten Menschen einschlug, aber er verstand nichts, kapierte nichts. Er war vollkommen weg. Sein Kopf schwankte leicht herum... Kouji hatte sich entschuldigt... aber er sah nicht so aus, als würde es ihm Leid tun. Er sah eigentlich zufrieden aus in letzter Zeit, nicht glücklich, aber zufrieden. Nein, es tat ihm nicht Leid. Takuya holte lautlos Luft... er sah aus wie ein total bekiffter, heulender Junkie.

Kouji seufzte. Genug gelitten für heute. Er fasste hart nach Shos Hand und donnerte ihm ein Knie zwischen die Beine. "Auch nur n Mann!" knurrte er und drehte sich um. Und man ließ ihn gehen. Sho sank mit schmerzverzerrtem Gesicht auf den Boden und Akito stützte ihn ein wenig ab, mit leicht besorgtem Blick. Doch für Sorge um sich selbst hatte Sho keine Zeit. Er sah verängstigt zu Takuya, um den er sich mehr als nur sorgte, denn dieser regte sich kaum noch.

"Ich komm... nicht mit... geht." nuschelte der Braunhaarige ohne Aufzusehen. Eigentlich wollte Sho bleiben, aber Akito erkannte das es keinen Sinn machte. Er half Sho hoch und zerrte ihn mehr oder weniger aus dem Klo hinaus. Takuya ließen sie erstmal zurück.

Als Kouji einige Stunden später zuhause an die Uhr sah, seufzte er leise auf. Normalerweise wäre er jetzt schon lange in der Blue Zone, und würde... Er schüttelte den Kopf, nahm Roswitha auf den Arm und öffnete die Balkontür. "Aber nicht wegflattern...." warnte er sie leise. Zu ihr war er noch zärtlicher geworden, als je zuvor, nachdem er sie in der Zeit, in der er mit Takuya zusammen gewesen war, eher vernachlässigt hatte. An irgendwem musste man eben jede Seite auslassen... Sein Blick fiel auf den benachbarten Balkon, und er erkannte seufzend Rauchschwaden, die aufstiegen. "Du solltest das lassen. Das ist ungesund!" Zum Glück war es dunkel, so erkannte man weder, dass er kein Make-Up drauf hatte, noch, wie er wirklich aussah...

Takuya regte sich eine Minute lang nicht. Schließlich schweifte sein Blick langsam in Richtung Kouji und schaute diesen in der Dunkelheit an. Seine Augen waren wie am Nachmittag glasig, außerdem rot unterlaufen und ... tot. Er nahm einen tiefen Zug an der Zigarette und wünschte sich zu ersticken.

"Du hast in meinem Leben nichts verloren, also geht's dich auch nichts an..."

"Ist nicht dein Ernst..." murmelte Kouji leise und kraulte Roswitha im Nacken. "Hast du mich nicht verstanden?" "Doch, aber das hier ist immer noch mein Balkon." der Schwarzhaarige hatte keine Kraft mehr, um zu streiten. Schon gar nicht mit Takuya. Ihm war schlecht, er hatte Kopfschmerzen, ihm war schwindelig. Und außerdem hatte er Schuldgefühle, wenn er seinen Märchenprinzen so sah. Das hatte der Braunhaarige wirklich nicht verdient...

Dieser stand auf. Verwundert schaute Kouji ihn an, da er doch eben noch so wirkte, als würde er in sich zusammenfallen und langsam verschimmeln. Takuya schwankte an den Balkonrand und schaute Kouji aus flackernden Augen an.

"Komm her..." murmelte er. Verwundert kam der Schwarzhaarige dieser Bitte nach und stellte sich vor Takuya, was ihm einen ziemlichen Schrecken einjagte, da er wirklich übel aussah. Doch Takuya sah nur noch Kouji und ihm fahlen Mondlicht und ein bißchen Zimmerlicht noch, Koujis Gesicht und streichelte sanft darüber, sah die Wunden.

"Was machst du nur für ne Scheiße...?" fragte Takuya seufzend und suchte sich einen unverletzten Fleck, um die Stirn dagegen zu lehnen. "Ist alles deine Schuld..." murmelte der Schwarzhaarige leise und schloss die Augen.

"Scheiße." nuschelte Takuya und kniff die Augen zusammen um die Tränen zu unterdrücken. "Es tut mir so Leid..." Auch die Lippen wurden zusammen gekniffen.

"Ich weiß..."

Schweigend standen sie eine Weile so da, beide die Augen zu und leise und gleichmäßig atmend. Irgendwann bewegten sich Takuyas zitternde Arme und legten sich erst zögerlich, dann klammernd um Koujis Hüfte und drückte sich an ihn.

Kouji genoss die Umarmung. Endlich mal wieder etwas Sanftes... In diesem Moment klingelte sein Handy auf seinem Schreibtisch. Der Schwarzhaarige seufzte leise, wand sich aus Takuyas Umklammerung und drehte sich mit einem entschuldigenden Lächeln um.

"Ja?"

"Kouji?"

"Kiyo? Warum rufst du mich an? Und woher hast du überhaupt meine Nummer?"

Kiyo war der Barkeeper aus der Blue Zone, und er klang nicht besonders glücklich, im Moment...

"Kouji... komm in die Blue Zone, bitte... Hikaru, er hat's wohl etwas.... ach komm einfach her! Und versuch, vor den Bullen da zu sein, sonst kommst du nicht mehr rein...."

Damit legte er auf.

"Was ist?" fragte Takuya verwirrt. Kouji biss sich auf die Lippe. Irgendwie wollte er seinen Märchenprinzen ja dann doch nicht hier lassen, aber mitnehmen... ?

"Taku... ich muss ins Blue Zone... da is was passiert und ich soll mich beeilen!" meinte Kouji.

"Ich komm mit!" entschied der Braunhaarige sofort.

"Nein!"

"Doch und wie ich mitkomme!" Kouji seufzte.

"Ok... aber du wartest draußen!"

Kouji rannte durch die Wohnung, streifte sich Jacke und Schuhe über, steckte einen Spiegel und einen Abdeckstift ein, um auf dem Weg noch das schlimmste zu verdecken, und hüpfte dann vor Takuyas Haustür von einem Bein auf das andere. Als dieser schließlich öffnete, wurde er schlagartig wieder ruhiger. Worüber hatte er sich nochmal so aufgeregt...? Er winkte dem Braunhaarigen, ihm zu folgen, und zehn Minuten später saßen sie in der U-Bahn. Kouji zog den Abdeckstift aus der Tasche und machte sich an die Arbeit.

Takuya sah ihm dabei aus den Augenwinkeln zu, sagte aber nichts. Insbesondere war er viel zu geschockt, wie Koujis Gesicht überhaupt aussah. Jetzt im U-Bahn Licht konnte man ja alles viel besser erkennen. Als sie endlich da waren, stiegen sie hastig aus bzw. Kouji tat dies und zog Takuya mit sich. Die beiden Jungen gingen ein Stück und standen schließlich vor dem Blue Zone.

Der Schwarzhaarige holte tief Luft und als aus der Ferne Polizeisirenen aufheulten hauchte er Takuya einen kleinen Kuss auf die Wange, drängte sich am Türsteher vorbei in den Club, und wurde auch schon von Kiyo empfangen, der ihn wortlos in eines der Hinterzimmer winkte. Kouji keuchte auf und unterdrückte mit Mühe einen Brechreiz. Auf dem Bett lag Hikaru. Seine Hose war geöffnet, und er trug eine Jeansweste mit Kunstpelzkragen. Um seine Handgelenke waren Handschellen geschlossen. Seine Augen waren leicht geöffnet, sein Gesicht schmerzverzerrt, und trotzdem irgendwie ausdruckslos. Was aber eher Koujis Aufmerksamkeit erregte, war die Tatsache, dass jemand den Namen 'Gabriel' auf seinen Oberkörper geritzt hatte, den ersten Buchstaben auf den Hals, den letzten oberhalb des Bauchnabels. Und natürlich, dass er recht brutal kastriert worden war. Und natürlich tot.

Takuya stand währenddessen draußen und in seinem Magen machten sich merkwürdige Ahnungen bemerkbar. Die Polizeisirene kam immer näher, steuerte direkt auf ihn zu. Verdammt, was war hier passiert? Und wieso wurde Kou damit hineingezogen? Leicht fröstelnd rieb er sich die Hände und wartete ungeduldig.

Das war sogar für den Laden hier etwas pervers... Kouji taumelte zurück und ließ sich gegen die Wand fallen. Kiyo bot ihm mitleidig etwas zu trinken an, doch der Schwarzhaarige lehnte dankend ab. Von draußen kamen einige Polizisten, Notärzte und andere Uniformierte hereingestürmt. Es gab erstmal ein Riesenchaos. Alle Leute im Gebäude wurden zusammengepfercht und untersucht, bei vielen Drogen oder Messer gefunden, Kouji hatte zum Glück nichts dabei und wurde somit mehr oder weniger entlastet. Er stand einige Minuten herum, rausgelassen wurde er nicht... bis - Es hatten sich irgendwelche Beamten oder Ärzte, irgendsowas in der Art um die Leiche versammelt. Sie hatten Hikaru Blut abgenommen und irgendwie wurde das Ganze auch sofort diagnostiziert. Verwundert ging eine junge Frau auf einen Mann zu und sprach ihn leise an, aber so, das Kouji es verstand, während ein Polizist neben ihm jemanden durchsuchte.

"Der Mann ist HIV Positiv. Und das ist mit Sicherheit länger als ein halbes Jahr her, das er sich angesteckt hat..."

Koujis Gesichtszüge - und die einiger anderer im Raum, die mitgehört hatten - entgleisten. 'HIV-Positiv' hallte es in seinem Kopf wieder. 'AIDS' Aber... sie... hatten doch nie ein Kondom verwendet.... Kouji hielt sich am Tresen fest. 'HIV-Positiv'

Takuya draußen hüpfte von einem aufs andere Bein. Er war wirklich kurz davor reinzugehen, als zwei Männer mittleren Alters das Blue Zone verließen. Er hörte sie reden...

"Scheiße. Gott, bin ich froh, das ich nie was mit dem hatte.", sagte der eine und zündete sich eine Zigarette an. Der Andere nickte schwach.

"Ja, aber der eine Typ da tut mir leid... der wird jetzt auch Aids haben."

"Wer?"

"Na, der Schwarzhaarige."

Takuya stockte der Atem und er spitzte erschrocken die Ohren genauer.

"Achso. Das ist Kouji Minamoto. Ja, der is übel dran. So oft wie der mit Hikaru rumgevögelt hat und alles, wird er sich 100%ig angesteckt haben."

"Ja... Schon Scheiße."

Den Rest bekam Takuya nicht mehr mit. Er stand nur da, die Augen aufgerissen, welche sich langsam mit Tränen füllten und vergaß zu atmen. Kouji... hatte ... so oft mit ihm rumgevögelt? Viel schlimmer noch... er hatte jetzt AIDS?

Der Braunhaarige wankte langsam in Richtung Eingang. Kouji hatte zwar gesagt, er solle draußen bleiben, aber im Moment war ihm das eigentlich scheißegal. Kouji hatte AIDS. Sein Kouji, seine kleine Prinzessin. Er öffnete die Tür, ging an aufgeregt quatschenden Kerlen, und nervösen Polizisten vorbei, und hielt Ausschau nach seinem Kouji. Da drüben war er. Er saß auf dem Boden, an das Tresen gelehnt, die Beine angewinkelt und die Stirn in die linke Hand gestützt. Um ihn herum standen andere junge Männer, entweder waren sie selbst total am Ende, trösteten sich gegenseitig, oder sie sahen den ein oder anderen neugierig und mitleidig an. Takuya hatte jedoch nur Augen für Kouji.

Ohne auf Irgendjemanden zu achten, drängte er sich zu ihm durch und fiel neben ihm auf die Knie. Der Schwarzhaarige bemerkte ihn erst gar nicht, da er wie in Trance war. Erst als Takuya flüsterte.

"Kou..."

"Du solltest doch draußen bleiben, Taku..." sagte Kouji tonlos und starrte vor sich hin, während Tränen rannen ihm die Wangen hinunter.

"Scheiße... scheiße." murmelte Takuya nur so vor sich hin, auch ihm liefen langsam die Tränen herunter. "Scheiße Nein! Das ist unfair..." Mit diesem Worten zog er Kouji an sich und drückte den Schwarzhaarigen fest an sich und presste sein Gesicht in dessen Halsbeuge.

"Taku..." Kouji vergrub seine Finger in Takuyas Jacke und drängte sich noch näher an ihn: "Es tut mir Leid. Es tut mir alles so verdammt Leid..."

Ein dumpfes Schluchzen ließ der Braunhaarige verlauten und biss sich zitternd auf die Lippen. Er hatte wohl noch nie so fest jemanden umklammert, wie gerade Kouji. Doch er musste sich zusammen reißen... Immer noch still weinend, stand Takuya auf und zog seine Prinzessin mit hoch, versucht vernünftig zu gehen und zog ihn aus dem Blue Zone auf die Straße. Sie mussten nach Hause... irgendwie nach Hause kommen.
 

Wie sie das dann geschafft hatten, wusste Takuya nicht mehr, als er den Schwarzhaarigen in sein Bett legte, und ihm die Jacke und Schuhe auszog. An die restlichen Klamotten traute er sich nicht. Kouji wäre hätte sicher etwas dagegen gehabt, und außerdem hatte er etwas Angst vor dem Anblick, der sich ihm dann bieten würde... Stattdessen setzte er sich an die Bettkante, und streichelte sanft das zarte Gesicht vor sich. Mit Make-up sah er normaler aus, aber das war nicht sein Kouji... Takuya ging ins Bad, holte einen Waschlappen und etwas warmes Wasser, und begann, vorsichtig Koujis Gesicht zu reinigen.

Leicht verzog dieser das Gesicht schmerzverzerrt, wenn Takuya blaue Flecken und andere, nicht so harmlose, Wunden freilegte. Als der Braunhaarige fertig war saß er wie erstarrt da und schaute seine Prinzessin an. Das... das war ja grausam. Kouji sah einfach nur... scheiße aus. Narben, blaue Flecken, Prellungen, Schürfwunden... alles was man sich nur vorstellen konnte, gleichmäßig verteilt, relativ mild noch, auf seinem Gesicht. Takuya schluckte und spürte wieder die Tränen hochkommen. Was hatte Kou nur mit sich machen lassen? Was...?

Und warum? Traurig beugte sich der Braunhaarige nach unten, und küsste sanft eine kleine Narbe unterhalb von Koujis Auge. Dann eine Schürfwunde daneben, und noch vorsichtiger den blauen Fleck darunter. Kouji lächelte sanft unter dieser Behandlung und öffnete die Augen ein wenig. Sein Taku...

... der ihn so sehr liebte. Während der Braunhaarige das Gesicht seines liebsten Menschen unter sich mit sanften Küssen übersäte, tropften zeitlich ein paar Tränen aus seinen geschlossenen Augen und er zuckte kurz zusammen, wenn er einen Schluchzer unterdrückte.

Kouji nahm sein Gesicht vorsichtig in die Hände, sah ihn traurig an, und küsste ihn hauchzart. Es war fast nicht zu spüren, und doch hatte Kouji das Gefühl, nie etwas Schöneres erlebt zu haben...

Takuya wusste nicht, ob er weinen, lachen oder wegrennen sollte. Er entschied sich für gar nichts, er hatte Koujis Küsse einfach so sehr vermisst. Ob nun leidenschaftlich und so... hauchzart eben. Sanft erwiderte er den Kuss und legte seine Hände an Koujis Wangen, streichelte darüber.

Schließlich löste der Schwarzhaarige sich wieder von Takuya. Das hatte er vermisst... genau das. Einfach zärtlich sein. Sich küssen, ohne gleich durchgevögelt zu werden, überhaupt wieder richtig zu küssen. Und Takuya. Vor allem.

Und dieser lächelte ihn an. Es war ein simples einfaches Lächeln, mit einer Träne, die über diese Lippen perlte und auf Koujis Hemd tropfte.

"Ich liebe dich...." flüsterte Kouji leise: "Das wollte ich dir schon seit 'ner Ewigkeit sagen..."

"Ich dich auch..." wisperte Takuya kaum hörbar zurück, legte seinen Kopf neben Koujis Kopf auf das Kissen und flüsterte in dessen Ohr: "Ich dich auch, ich dich auch.... Gott, ich liebe dich so sehr."

Der Schwarzhaarige lächelte selig, und kuschelte sich an seinen Märchenprinzen. Das fühlte sich so gut an... unglaublich gut. Schnell war er eingeschlafen.
 

TBC
 

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WIR möchten noch einmal erwähnen, für die, die es immer noch nicht kapiert haben, das Felidaya nicht 'DU' ist, sondern 'IHR'. Wir bestehen aus Felidae313 und DarkAyaChan. ^^