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Guilty

Schuldig - Kann ich es je wieder gut machen?
von

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Könntest du bleiben…

„Bist du dir sicher, dass du das kannst?“

Anna Ivanov und ihre beiden Enkel saßen im Wohnzimmer von Kais Elternhaus und diskutierten ihre zukünftigen Schritte. Vor ihnen standen drei dampfende Tassen mit Pfirsichtee und seit sehr langer Zeit kroch der Geruch von Frischgebackenem wieder durch das Haus.

„Dasselbe hat mich Ray auch gefragt.“

Kai seufzte. Lin war in der Schule, er hatte frei wegen einer Zeugniskonferenz. Darum hatten sie sich entschlossen, jetzt zu reden. Seit seinem sechsten Lebensjahr waren diese beiden Menschen hier neben ihm die einzigen Vertrauten. Vor ihnen konnte er seine Bedenken ohne weiteres darlegen. Doch Kai wollte nicht, dass sie sich Sorgen machten. Wenn er aber jetzt nicht mit ihnen sprach, machte ihn das nur verdächtig. Anna und Tala durchschauten ihn mit Leichtigkeit. Und nur Tala las zuweilen in ihm wie in einem offenen Buch.

„Ich will es zumindest versuchen. Lin ist doch auch schon sehr selbstständig. Und auch, wenn ich ihr ein Höchstmaß an Kindheit bieten möchte, wird sie die Anfänge ihrer Erziehung nicht vergessen können. Nicht so schnell jedenfalls.“

„Kai… Hast du daran gedacht, wie es ist, wenn sie mal älter wird? Noch ist sie ein Kind, ein kleines Mädchen. Aber was, wenn sie erst 12 oder 14 Jahre alt ist? Dann hat sie andere Bedürfnisse als jetzt.“

Talas Großmutter sah ihn eindringlich an. Der Graublauhaarige glaubte schon zu wissen, worauf sie hinaus wollte.

„Wer erklärt ihr gewisse Dinge? Sie wird in die Pubertät kommen, so wie ihr auch. Wer klärt sie dann auf? Sie ist ein Mädchen. Sie wird ihre Periode bekommen.“

Kai und Tala erröteten synchron und sahen peinlich berührt zu Boden. Natürlich wussten sie das und was es bedeutete. Aber auch die beiden Russen waren nur Teenager, die eigentlich noch mitten in der Pubertät steckten und denen dieses spezielle Thema leicht unangenehm war. Babuschka fuhr ungerührt fort:

„An wen soll sie sich dann wenden? Ihr seid ein reiner Männerhaushalt. Sie hat keine weibliche Bezugsperson, die sie aber mit Sicherheit bräuchte. Und wer weiß, ob ihr in sieben Jahren überhaupt noch als Team zusammenwohnt. Du bist dann auch schon 23.“

„Ich weiß ja noch nicht mal, ob ich so lange lebe…“, murmelte der Silberhaarige leise. Daraufhin kniff Tala ihm ins Bein.

„Sag so was nicht!“, schimpfte er, „Du hast jetzt eine große Verantwortung. Du hast dich ihrer angenommen – du kannst und darfst sie nicht hängen lassen. Schließlich war es doch das, was du wolltest, oder nicht? Du hast für sie zu sorgen, also hast du auch darauf zu achten, dass du am Leben bleibst.“

Kai nickte, wusste er doch die Fürsorge zu schätzen, die beide ihm entgegenbrachten. Ergeben seufzte er und nahm sich einen Keks, den er in den Tee vor sich tunkte.

„Ach, Jungs!“

Babuschka ließ sich zwischen ihre Enkel plumpsen und zog sie beide in ihre Arme.

„Was würde ich nur ohne euch zwei machen…“
 

„Hier, der Schlüssel.“

Tala legte Kais Hausschlüssel auf dem Wohnzimmertisch ab. Heute Abend schon würden er und seine Großmutter zurück nach Russland fahren. Sie besuchten Kai vor ihrer Abreise jedoch noch einmal in der WG seines Teams.

„Hast du alles ausgemacht und so?“

Sie sprachen leise miteinander, denn Ray, Tyson und Babuschka hatten sich gerade in der Küche getroffen, von der aus man bequem ins Wohnzimmer blicken und auch lauschen konnte. Es trennte sie schließlich nur ein Fenster und eine Theke voneinander, Türen hatten sie nicht. Das mochte vielleicht modern aussehen, aber es hatte den Nachteil, dass das Wohnzimmer manchmal noch tagelang penetrant nach gewissen Gewürzen roch, wenn sie gekocht hatten.

„Natürlich. Hab auch alles dreimal kontrolliert, ob auch alles zu ist. Ich bin doch zuverlässig.“

Tala ließ sich neben seinem besten Freund nieder. Dieser steckte den Schlüssel ein. Er würde ihn sobald es ging zurück bringen. Plötzlich hörten sie, wie Tyson lautstark protestierte:

„Ich nehme keine Kohlenhydrate mehr zu mir! Nein, Ray, die machen fett!“

„Junge! Ach, komm, kein Problem, ich koch dir für heute Abend etwas extra. Ich mach dir einen Salat!“, erklärte Anna Ivanov hilfsbereit. Jetzt war es Ray, der deutlich zu hören war, denn er musste heftig lachen.

Tala schüttelte den Kopf und lehnte sich auf dem Sofa zurück. Kai zog die Beine an seinen Körper und machte es sich neben ihm gemütlich, indem er seinen Kopf auf Talas Schoß bettete. Nach einer Weile strich der Rothaarige ihm gedankenverloren durchs Haar. Mit geschlossenen Augen folgte Kai den Berührungen und genoss diese vertraute Geste. Sie hassten es beide, voneinander getrennt zu sein, besonders jetzt, nachdem sie so viel Zeit miteinander hatten verbringen können.

„Weißt du… Bei dir fühle ich mich einfach geborgen… Wenn du da bist, kann ich offen sein. Wenn ich alleine mit ihnen bin, dann… ist es so anstrengend. Dann bin ich angespannt.“

Tala fuhr mit den Streicheleinheiten fort. Er war ein guter Zuhörer.

„Ich habe immer das Gefühl, meine Maske aufrechterhalten zu müssen. Und ich habe mir doch geschworen, keine mehr zu tragen. Aber manchmal ist es so, als ob sie dahinter blicken können. Und das will ich nicht.“

„Es ist klar, dass deine Teamkollegen neugierig sind. Du bist anders als sie. Ich kann mir gut vorstellen – besonders bei Ray –, dass sie merken, dass du ihnen etwas verheimlichst.“

Es war ein Abschiedsgespräch. Tala konnte nicht mehr bleiben. Auch er hatte in Russland schulische Verpflichtungen. Auch er wollte seinen Abschluss machen. Als bester Freund verstand Kai das. Tala seufzte und richtete sich auf, weitete die sanften Berührungen auf Kais Rücken aus.

„Und weißt du auch, warum das so ist? Die Geschichten, die wir nie jemandem erzählen, sind die interessantesten.“

„So.. die Plätzchen kühlen gerade ab.“

Anna Ivanov kam aus der Küche und legte die Schürze beiseite.

„Möchte jemand probieren?“
 


 

Drei Wochen waren seit Talas Geburtstag schon wieder vergangen – drei Wochen, in denen sich die Bladebreakers in ihr neues Alltagsleben mehr oder weniger eingelebt hatten. Lin stellte ihr Leben weit weniger auf den Kopf als befürchtet. Was Kenny, Max, Ray und Tyson jedoch nicht wussten, sondern höchstens erahnen konnten, war, dass die meiste ‚Arbeit’ an Kai hängen blieb. So wie jetzt.

Lin hatte mit ihren sieben Jahren bereits in der zweiten Klasse anfangen dürfen. Und der erste Rutsch an Klassenarbeiten war nun durch. Das Mädchen stand jetzt mit ihren Heften und Notenscheinen vor Kais Zimmertür und überlegte, ob sie zu ihm gehen sollte oder nicht. Aber die Worte ihres Klassenlehrers ermahnten sie dazu, ihn doch aufzusuchen. Zaghaft klopfte sie an und trat sofort ein.

„Kai?“

Dieser arbeitete gerade an einer Hausaufgabe über die Meiji-Zeit. Er hob kurz die Hand, damit Lin verstummte. Das Mädchen wusste, dass sein Zeichen nur bedeutete, dass er seinen Gedanken nur eben zu Ende führen wollte. Sein Füller kratzte leise mit einigen schnellen Strichen über das Papier, dann drehte Kai sich zu ihr um.

„Da, Angelotchok, sto ti hotschis?“

Er hatte die Angewohnheit begonnen, sie gelegentlich auf Russisch anzusprechen, denn er wusste, dass sie ihn verstand. Zwar hatte er sie gefragt, woher sie das konnte, aber sie hatte nur mit den Schultern gezuckt, hatte keine Antwort gewusst. Sie tat es ganz einfach. Und sie verstand auch nur wenige Sätze. Das aber wollte Kai noch ein wenig ausbauen.

„Mhm… Wir haben die Arbeiten wieder gekriegt… Und Noten dafür.“

„Prawda? Na, dann zeig mal her. Komm.“

Obwohl sie wusste, dass Kai nicht streng zu ihr war, schon gar nicht wegen Noten, fühlte sie dennoch eine gewisse Furcht in sich aufsteigen und deshalb übergab sie ihm ihre Hefte sehr angespannt und zögerlich. Kai öffnete ihre Hefte nacheinander. Dafür, dass sie später als die anderen eingeschult und sofort in die zweite Klasse gekommen war, sahen ihre Noten doch sehr annehmbar aus. Kai nickte anerkennend.

„In Mathe eine zwei, sehr schön Lin!“

Das Mädchen nestelte am Rock ihrer Schuluniform herum. Mathe war für sie leicht, schließlich hatte sie in dem Lokal auch richtig rechnen lernen müssen.

Kai sah sich auch ihre Notenscheine an. Dort hieß es weiter: Japanisch gut, Sport befriedigend, Kunst befriedigend, Musik ausreichend, Naturkunde mangelhaft, Gesellschaftskunde ungenügend. Die letzten beiden Fächer machten den Sechzehnjährigen stutzig. Das war nicht gut, nein. Lin krampfte ihre Hände in den Stoff ihres Rockes und wartete angespannt auf seine Reaktion.

„Lin…“

Beim Klang ihres Namens zuckte sie zusammen.

„Was ist denn da passiert?“

Seine enttäuschte Stimme war wie eine Ohrfeige für sie, schlimmer noch.

„Komm mal her, Kleine.“

Kai zog sie auf seinen Schoß.

„Haben wir nicht genug zusammen geübt?“

„Ich hab das gar nicht mit dir gelernt, weil du ja nicht so viel Zeit hast und du immer so müde bist und ich wollte dich nicht… stören.“

Das Problem, das hinzukam, war, dass ihr auch das Politikverständnis und der Stoff der ersten Klasse fehlten. Diese Dinge hatte sie während ihrer Zeit in der Kneipe weder lernen noch entwickeln können.

„Musst du die Arbeiten nachschreiben?“

„Nein, ich brauch nur deine Unterschrift.“

Kai tätschelte ihr den Unterarm.

„Die kriegst du natürlich. Aber Lin, ganz ehrlich: Du musst mit solchen Sachen zu mir kommen. Auch wenn du meinst, ich hab keine Zeit. Ich bin immer für dich da. Und sollte es mir mal wirklich grad so gar nicht passen, dann können wir auch mal Ray oder die anderen fragen. Was meinst du dazu? Dann muss so was nicht noch mal passieren.“

Das Mädchen lehnte ihren Kopf an seine Brust und seufzte erleichtert, dass sie nicht bestraft worden war. Ihre Erziehung in der Kneipe war noch immer tief in ihr verwurzelt. Kai spürte das – und er konnte sie verstehen. Seinen Abtei-Drill aus längst verdrängter Zeit ließen ihn auch heute noch reagieren und Dinge tun, die für andere unverständlich waren.

Aber im Moment tröstete Kai Lin, strich ihr sanft über den Rücken.

„So, jetzt helfe ich dir bei der Berichtigung. Die schreibst du bitte ordentlich in dein Heft. Und dann unterschreib ich das. In Ordnung, Solnyschka?“

Sie nickte, sprang von seinem Schoß, stob mit kindlichem Eifer davon in ihr Zimmer und machte sich dann sofort ans Werk. Kai schmunzelte einen Moment und wartete kurz. Dann stand er auf, schloss die von ihr offen gelassene Tür wieder und seufzte schwer. Es war nicht so leicht, wie er allen Glauben machen wollte. Er war allein. Tala hatte zusammen mit Anna Japan verlassen und war wieder zurück in ihre russische Heimat gefahren. Er hatte Kai noch gewarnt und ihm geraten, es langsam anzugehen. Außerdem hatte er angeboten – da er das ohnehin regelte – fürs Erste keine Aufträge mehr anzunehmen, zumindest so lange, bis sich Kais neues Leben wieder in für seine Verhältnisse geordneten Bahnen eingependelt hatte. Denn er und Kai lebten von der Routine, ohne sie wäre es kaum möglich, ihr Doppelleben aufrecht zu erhalten. Wenn im Alltag alles nach Plan lief, konnten sie prima im Geheimen agieren. Das klappte aber nicht, solange sich die ‚ganze Lin-Geschichte’, wie Tala es betitelt hatte, noch nicht eingespielt hatte. Und sie durften auch nicht unvorsichtig werden. Das wäre in ihrem Metier fatal.

Kai sah auf sein Heft: Die Abschaffung des Ständesystems fand in der Meiji-Zeit unter dem großen Kaiser Mutsuhito statt. Er ließ nun Geldsteuern einführen, die die mehrheitlichen Steuerabgaben in Naturalien ablösten. Obwohl von Rechtswegen die oberste politische Gewalt wieder dem Tenno zugesprochen worden war, wurde in der Realität Japan oligarchisch von wenigen ehemaligen Samurai regiert.

„Wen interessiert dieser Scheiß?“

Blöde Lernerei. Aber wie gut, dass es Wikipedia gab. Ja, ja, die Artikel darin waren fein!

Der Junge rieb sich über das Gesicht. Sein Blick fiel auf die Wand. Neben seinem eigenen Stundenplan hingen da noch der von Lin und ein WG-Aufgabenplan. So hatte er immer im Blick, wer was noch zu tun hatte. Und mit Ärger stellte er fest, dass er heute für die Einkäufe zuständig war. Mit einem Blick auf den Bücherstapel über leistungsförderndes Konditionstraining und Hilfestellungen zu trickreichen Partnerangriffen erfasste ihn ein erschlagendes Gefühl von Erschöpfung. Seufzend raffte er sich auf. Es half ja alles nichts, die Einkäufe mussten erledigt werden. Bevor er ging, sagte er seiner Schwester kurz Bescheid.

„Oh, kann ich mit?“

„Nein, Liebes. Das muss heute schnell gehen und du musst noch deine Hausaufgaben machen. Streng dich bei den Haikus ordentlich an.“

Sie zog zwar einen Schmollmund, widmete sich dann aber wieder ihrem Schreibtisch und ihrem Heft.

Kai schnappte sich im Vorbeigehen den Einkaufszettel vom Kühlschrank und zog dann los. Er musste sich beeilen, wenn er heute mit seinen Jungs noch eine neue Aufwärmübung ausprobieren und das Training anlaufen lassen wollte.

Auf dem Weg in die Stadt machte er noch einen kurzen Umweg zu seinem Elternhaus, um den Schlüssel wieder in der Kommode seiner Eltern zu verstauen. Eigentlich hatte er keine Lust dazu. Denn es erinnerte ihn nur wieder an einen weiteren Abschied. Dieses lästige Gefühl des Alleinseins verstärkte sich, als er dann ins Haus eintrat. Immer noch hing der Geruch der Plätzchen in der Luft. Kai beeilte sich. Er wollte nicht länger als nötig hier verweilen, auch wenn er nun wieder, dank Tala, erfreuliche Erinnerungen mit diesem Ort verband.
 

„Leute, kommt her. Ich habe eine neue Aufwärmübung für euch, sie heißt ‚Henne und Habicht’. Hört zu.“

Während Kai erklärte, saß Lin auf dem Stapel an Holzscheiten, den die Bladebreakers im Garten lagerten und lauschte. Sie würde gerne mitmachen, wollte das Training aber auch nicht stören.

„Irgendwie hab ich das noch nicht so ganz verstanden“, meinte Ray und blinzelte verwirrt.

Kai rollte mit den Augen. Er winkte Lin heran.

„Also noch mal, pass auf: Ihr stellt euch hintereinander auf. Der, der am Anfang der Schlange steht, ist die Henne. In diesem Falle Lin. Sie beschützt ihre Küken – das seid ihr – vor dem bösen, listigen Habicht – mich – der die Küken auffressen will. Der Habicht versucht, das letzte Glied der Kette zu fassen, die Henne muss ihn davon abhalten. Schafft der Habicht es dennoch, sich ein Küken zu packen, stellt er sich ans Ende der Reihe und die Henne ist dann der nächste Habicht.“
 

Sehr spät am Abend schleppte Kai sich hundemüde von der Dusche ins Bett. Direkt nach dem Training war er nach oben verschwunden. Er hatte nicht einmal mehr Hunger und erschien auch nicht zum Abendbrot. Das war nicht in Ordnung und das wusste er selbst, aber er konnte einfach nicht mehr. Und drei Tage Pause wie beim letzten Burnout konnte er sich diesmal nicht leisten. Doch nachdem er sich auf sein Bett hatte fallen lassen, fand er zu seiner Erleichterung sehr rasch in den Schlaf.
 

„Nur der Sieg ist unser Leben. Vernichte unseren Feind! Nur der Sieg ist unser Leben. Vernichte unseren Feind! Nur der Sieg…“

Der schreckliche, monotone Singsang in Militärmanier hallte von den hohen Massivsteinwänden der Abtei wider. Boris lief im Stechschritt durch die Reihen der jungen Blader, die ihre Effizienz beim Starten steigern sollten. Während sie also die Reißleine zogen, mussten sie immer und immer wieder dieselben Worte rufen. So wurden sie auf ihr Ziel gedrillt.

Abseits der Menge saß ein rothaariger Junge im Schnee, vor ihm mehrere zerbrochene Bladeteile. Ein weiterer Junge hockte sich neben ihn.

„Komm, lass uns das schnell richten, bevor Boris was merkt!“

„Wenn Wolborg kaputt ist, werde ich den Kampf heute Nachmittag verlieren. Du weißt, was das heißt.“

Ein kurzer Blickwechsel unter den beiden verriet dem jeweils anderen mehr als jedes Wort. Angst. Doch gerade das war hier draußen gefährlich. Zu Freunden wurden sie hier nicht erzogen.

„Du wirst gegen mich antreten. Ich war im Büro von Deduschka. Ich habe es gehört.“

Plötzlich hörten sie schwere Schritte in ihrem Rücken herannahen. Hastig packte der Rothaarige die Überreste seines Blades zusammen.

„Ihr zwei schon wieder! Für meinen Geschmack steckt ihr zu oft die Köpfe zusammen. Überrascht, Kai?! Die Abtei hat 1000 Augen!“

Boris trat nah an sie heran und zog sie harsch auf die Beine.

„Habt ihr nichts zu tun? Ivanov, verschwinde zum Training! … Du nicht, Kai!“

Verwundert blieb der Silberhaarige stehen und sah seinen Ausbilder an. Dieser holte einen schwarzen Blade aus seiner Manteltasche.

„Ich weiß dass du immer nach Perfektion strebst.“

Kai schnaubte: „Welcher ernsthafte Beyblader tut das nicht?!“

Boris ballte die Hand zur Faust. Aber er hatte Anweisung, den Enkel seines Chefs heute nicht zu züchtigen. Er sollte im Vollbesitz seiner Kräfte sein. So musste der Oberaufseher der Abtei in den sauren Apfel beißen und über Kais freches Mundwerk hinwegsehen.

„Mit diesem Blade wirst du heute Nachmittag bei deinem Match siegen. Es ist perfekt. Black Dranzer ist perfekt! Du kennst ihn, nicht wahr? Dein Großvater hat ihn dir schon öfter gegeben. Mit ihm wirst du die höchste Stufe von Perfektion erlangen!“

„Vielleicht verbringe ich aber lieber mit der Suche nach der besten Balance zwischen Blade und Technik mehr Zeit als mit ihm?! Ich bin kein dummer Anfänger, der auf falsche Versprechungen reinfällt! Ich nehme den Stinkeblade nicht!“

Das war nun doch zuviel. Alles durfte sich selbst der Enkel des Abteileiters nicht erlauben. Boris schlug zu, mit geballter Faust in Kais Gesicht.

„Du wirst diesen Blade nehmen!“

Kai sah dem aufgebrachten Boris nach. Er hielt sich die blutende Nase.

„Verflucht seist du, Black Dranzer!“

Wütend kickte er den Blade weit von sich und ließ ihn achtlos im Schnee liegen.
 

„Du sollst mit Black Dranzer gegen mich antreten.“

Der trockene Tonfall Talas ließ Kai sich von seinem Bett erheben, auf dem er bis eben gelegen und sich geistig auf das kommende Match vorbereitet hatte. Er sah, dass Tala den schwarzen Blade auf seinen Tisch ablegte.

„Warum hast du ihn mitgebracht? Ich hab ihn extra verloren.“

„Tritt mit ihm gegen mich an.“

„Nein.“

„Du sollst es. Also mach es auch.“

„Nein! Bist du verrückt?!“

„Bist du es?!“

Eine Durchsage unterbrach ihren Streit. Gleichzeitig kündigte sie ihr Match an.

„Nimm ihn. Dein Ungehorsam wird Boris auf den Plan rufen.“

„Ich nehme Dranzer.“

Tala stampfte wild mit dem Fuß auf und fauchte: „Verdammt, Kai! Hast du so wenig Vertrauen in mein Können?!“

„Du unterschätzt die Macht von Black Dranzer! Ich kann nicht mehr klar denken, wenn ich ihn benutze! Ich würde auf dich keine Rücksicht nehmen!“

„Ich will auch gar nicht, dass du das tust!!“

Kai stapfte an Tala vorbei, zu dessen Bett, auf dem Wolborg lag und nahm diesen an sich. Dann schmetterte er ihn auf den Boden. Wolborg zersprang an den Bruchstellen, die Tala sorgsam zusammengeklebt hatte.

„Spinnst du?!“

Sofort kniete Tala am Boden, sammelte die Einzelteile auf und drückte Wolborgs Reste an sich.

„DAMIT wolltest du gegen mich antreten? Wenn er schon von so einem Schubs zerbricht? Vergiss es!“, schrie Kai ihn an. Er setzte zu einer weiteren Schimpftirade an, verstummte aber, als er Talas verletzten Ausdruck sah. So ungeschützt seine Gefühle darbieten konnte er sich nur leisten, wenn sie unter sich waren. Schweigend starrten sie einander an. Bis Kai schließlich seufzte.

„Pass auf, wir machen es so: Ich nehme den schwarzen Blade, du kannst dafür meinen haben“, schlug er vor.

„Wie? Ich soll mit Dranzer gegen Black Dranzer kämpfen? Bist du bescheuert? Wenn ich gerade noch nicht an deinem Verstand gezweifelt habe, dann tue ich es jetzt!“

Doch Kai hielt seinem Freund die Hand hin und half ihm, aufzustehen.

„Quatsch doch nicht. Du steckst Wolborgs Bitchip in meinen Blade und ich mache es so mit Dranzer.“

Und um seinen Plan zu unterstreichen, trennte Kai den Bitchip des schwarzen Phönix’ von dem gleichfarbigen Kreisel.

„Das wird rauskommen. Das fällt doch auf. Es wird rauskommen – und wir werden bestraft.“

„Wir werden doch sowieso bestraft. Entweder der Verlierer oder wenn wir ein Unentschieden schaffen, wir beide, weil sich keiner von uns durchsetzen konnte. So werden wir wenigstens… na ja…“

„Zur Recht bestraft?“, half Tala nach und tat es dem Graublauhaarigen nun mit Wolborg gleich.

Schließlich betrachteten sie die Früchte ihrer Arbeit.

„Vielleicht werden wir für unsere erfinderische Leistung ja sogar belohnt?“

„Kai… glaubst du auch, dass Boris Ballett tanzt?“

Ein zweites Mal ertönte die Durchsage, dass sich alle Schüler für den Kampf zwischen Kai und Tala in der Trainingshalle einfinden sollten. Der Rothaarige umklammerte Kais blauen Blade fest. Tief atmete er durch. Sie nickten einander zu. Ihre Masken saßen wieder perfekt.

„Wir sehen uns in der Folterkammer!“
 


 

Nota:

Freie Bildung für euch ;)

Wen es interessiert, was Kinder so in Japan lernen und wie das Schulsystem aufgebaut ist, dem kann ich folgende Seite empfehlen: http://web-japan.org/kidsweb/explore/german/germany/de_schools.html

Nun, wahrscheinlich wird das System in Wirklichkeit wohl noch etwas komplexer sein, aber so kann man sich einen Überblick verschaffen. Fand ich ganz hilfreich. :)

Und für Oberschulen speziell: http://web.me.com/h_ishimura/Deutschlandseminar/Berichte_%C3%BCber_Japan_files/2-07a%20Japanische%20Oberschulen.pdf

Als ich das überflogen hatte, hab ich mir gedacht, dass ich das nicht so penibel in diese Geschichte einbaue. Zwar möchte ich es möglichst realitätsnah gestalten, aber ich hab schon in den ersten Kapiteln von Schule gesprochen und mir solche Informationen anzueignen versäumt, bitte seht mir das nach.

Und vllt interessiert ja jemanden das hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_Japans#Die_Meiji-Zeit

(entgegen Kais Meinung, dass das höchstens Wayne interessiert :D)
 

Einige werden sicher wieder wissen wollen, woher ich diese merkwürdige Übung habe, die Kai sich immer ausdenkt. Ich muss den Quatsch selber machen XD
 

Vokabeln:

„Da, Angelotchok, sto ti hotschis?“ – Ja, Engelchen, was willst du?

Prawda - Hier: So?, Ach wirklich?

Solnyschka – „Das Sonnchen“, entspricht in etwa unserem Kosenamen „Sonnenschein“



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Kommentare zu diesem Kapitel (8)

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Von:  vulkanier2
2010-04-04T23:17:00+00:00 05.04.2010 01:17
hi. so hab deine ff endlich durchgelesen. wann geht es denn weiter?? ich find die idee sehr gelungen. die dialoge zwischen kai und tala find ich einfach der knüller. schreibst du mir eine ENS wenn es weitergeht??
Von: abgemeldet
2010-03-08T20:44:21+00:00 08.03.2010 21:44
Ach das war mal wieder ein super Kapitel von dir!

Wirklich ich finde deinen FF wirklich genial! Besonders da ich sonst immer nur Slash-Fics les! *grins*

Ich find das du Oma Anna ganz toll dagestellt hast, hab sie mir auch als total resulute, starke Frau vorgestellt!

Ich hoffe nur das Kai nicht demnächst wieder zusammenbricht! Das wär aber nur zu wahrscheinlich! Der hat ja überhaupt keine Zeit mehr zum ausruhen! *Kai-knuddel*

Ich finde auch die Zärtlichkeiten die Tala Kai gibt und umgekehrt wirklch schon! Es zeugt von vertrauen und das kann man auch schön rauslesen!

Ich freu mich schon wahnsinnig auf das nächste Kapitel!

knuddel
Sayu
Von:  Sofo
2010-02-25T20:53:52+00:00 25.02.2010 21:53
Macht ihr beim Volleyball sonen Scheiß mit der Henne und dem Habicht? xD Das ist echt DÄMLICH XD
Aber... hach, ich finds traurig, dass Babuschka und Tala weg sind ._. Man merkt irgendwie richtig, wie sehr Kai Tala braucht, um sich n bisschen entspannen zu können.
Das am Schluss war n Traum, oder? Die beiden sind ja wirklichmal zwei ganz kreative Burschen.
Hach, ich mags mal wieder =)
Von: abgemeldet
2010-02-25T09:45:46+00:00 25.02.2010 10:45
ich sage nur " tala muss wieder her!"
irgendwie ist es langweilig ohne ihn, also mach bitte bitte wieder ein kapitel wo er vorkommt *hundeaugenblich* , oder noch besser: ein kapitel aus seiner sicht wäre auch nicht schlecht X3
lg eisokami
Von:  Minerva_Noctua
2010-02-22T19:18:06+00:00 22.02.2010 20:18
Das sind Methoden. Folterkammer... uah*schüttel*
Das Kapitel war schön.
Die Szene mit Kai und Lin hat mir gut gefallen und überhaupt die Darstellung der Charaktere.
Dass Tala nach Russland zurück musste, war überraschend. Wirklich schade.
Dafür war das Abschiedsgespräch aber süß^^. Ich konnte mir allerdings irgendwie nicht bildlich vorstellen, wie Tala an Kais Rücken gekommen ist, wenn dieser mit dem Kopf auf dessen Schoß ruht und der Rücken auf der Couch. Außer natürlich er lag seitlich. Ja, so muss es gewesen sein!
Hmm, was gibt es noch?
Ah ja, Rays Lachen klingt mir buchstäblich in den Ohren und Anna Ivanov ist geil*lol*
Ich bin wirklich gespannt, wie es weitergehen wird und hoffe, dass die Bladebreaker mehr ins Spiel kommen. Die Art, wie du sie darstellst gefällt mir einfach.
Darüberhinaus finde ich es toll, dass du dich so genau über die Sachen informierst, die du schreibst^^.
Die Genauigkeit allein bei den Waffen hat mich sprachlos gemacht.
Okay, ich glaube, ich suche mir jetzt etwas zu Essen. Apropos, Abendessen*g*
Schönen Abend!

Bye

Minerva


Von:  Jeschi
2010-02-22T17:35:16+00:00 22.02.2010 18:35
Schade, dass Tala wieder in Russland ist. Ich fand es sehr schön, als die Zwei zusammen waren und hoffe, sie sehen sich bald wieder!

Was ich auch so toll finde ist, wie Kai sich um Lin kümmert. Total cue!!! Wobei es sicher viel Arbeit für ihn ist. wo auch noch ihre noten schlecht sind. Aber der kriegt das sicher i-wie hin! ^-^
Und ich kann mir auch gut Ray vorstellen, der ihm dabei hilft... Der ist für mich i-wie voll der typische Daddy! XDDD

Der Rückblick war auch klasse. Nur bin ich jetzt sehr neugierig, wie denn der Kampf wird.

Ich hoffe, es geht bald weiter!
glg
Von:  CrazyRose
2010-02-22T15:51:38+00:00 22.02.2010 16:51
HeyHo! :)

Ein sehr schönes Kapitel!!! ... Leider allerdings schon wieder viel zu schnell durchgelesen -.-°°° Ich hoffe, es kommt schon bald wieder Nachschub ;)

Ich persönlich finde es sehr schade, dass Tala wieder in Russland ist ... Menschmenschmensch ... Schule ist doch eh für'n ... äh ... Popo^^ Hoffentlich kommt er bald wieder, oder die Beiden treffen sich andernweitig wieder ^^

Kais Rückblick kommt mir auch irgendwie bekannt vor ... mit den 1000 Augen, die die Abtei hat etc. ^^ Ich finds gut, wenn man Zitate einbaut :)

Ich freu mich schon riesig auf das nächste Kapitel!!! Ich hoffe aber auch, dass die Beiden mal wieder so richtige Action erleben :P ... Auch wenn Kai es erst einmal ruhig angehen soll, bis die ganze "Lin-Sache" ;) sich eingelebt hat :P

Bis dann und fröhliches Schreiben wünsche ich ;)

LG CrazyRose
Von:  Minchi
2010-02-21T19:40:04+00:00 21.02.2010 20:40
Erster...
Schade das Tala und Babuschka jetzt wieder in Russland sind jetzt ist Kai
mit deinen Sorgen wieder ganz allein.
Aber die anderen werden ihm schon mit Lin helfen.
Aber Kai hat schon echt viel Arbeit, ich würde das nich alles schaffen. Armer Kai.
Hihi ja das Spiel is schon echt lustig...
Boris is ein Arsch, hast die Texte teilweise aus der Serie, oder?
Kam mir so bekannt vor.
Wann gibt es denn mal wieder ein bisschen Action. Ich mag die Kapitel zwar, aber is schon lange etwas ruhig.
lg Jasmina


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