Zum Inhalt der Seite

Guilty

Schuldig - Kann ich es je wieder gut machen?
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Nie mehr bladen? - Von wegen!

Nie mehr bladen? – Von wegen!
 

„Wir sprechen heute live mit dem Koordinator der BBA, Mr. Dickenson, der uns einige wichtige Mitteilungen bezüglich seiner persönlichen Schützlinge, der Bladebreakers, geben will. Mr. Dickenson, stimmt es, dass Kai Hiwatari das Bladen an den Nagel hängen will?“

„Nun, so will ich das nicht sagen, er hat sich aus gesundheitlichen Gründen erst mal eine Auszeit genommen.“

„Heißt das, er hat sich mit dem Team zu viel vorgenommen? War ihm der Druck zu groß? Wird Tyson Kinomiya seinen Part als Teamleader übernehmen? Schließlich hat Tyson sich bei den letzten Turnieren großartig geschlagen und es ist kein Geheimnis, dass die Rivalität der beiden untereinander zu einigen Spannungen im Team führte.“

Mr. Dickenson tupfte sich mit einem Taschentuch über die Stirn. Es war heiß im Studio. Verflixte Scheinwerfer!

„Zu diesem Zeitpunkt kann ich nur sagen, dass sich die Lage im Team entspannt hat und zwischen Tyson und Kai herrscht ein friedliches Verhältnis, das...“

„... nicht zuletzt daran liegt, dass Kai sich aus dem öffentlichen Leben mehr zurückgezogen hat und somit einer Konfrontation mit Tysons Bladerfähigkeiten aus dem Weg geht? Was sagen Sie zu dem Gerücht, dass Kai sich in psychiatrische Behandlung begeben habe und statt einer Auszeit nie mehr bladen will? Vor allem, da er weder ein Beyblade noch ein Bit Beast mehr besitzt?“

„Die Bladebreakers trainieren hart. Dass es dann und wann zu Verletzungen kommt, ist nicht weiter verwunderlich. Ich weiß nicht, woher Ihre Quellen stammen, aber falls...“
 

Ray schaltete den Fernseher aus. Die Übertragung der Konferenz brauchte er nicht mehr zu sehen. Alles drehte sich immer nur um Kai! Dabei versuchte dieser sich eigentlich immer aus dem Mediengetümmel herauszuhalten. Aber anscheinend machte gerade das ihn so interessant.

Der Chinese war nicht der Typ Mensch, der schnell neidisch wurde. Nein, eigentlich war er traurig darüber, dass sein Teamleader schon wieder unter enormen Pressedruck stand. Und ihn nervte Tysons gelegentliche Eifersucht, wann immer Kai statt seiner Mittelpunkt der Nachrichten war.

Morgen Abend würden sie an einer Wohltätigkeitsveranstaltung teilnehmen müssen. Mr. Dickenson hatte ihnen gesagt, dass auch ein Interview bezüglich der letzten Ereignisse stattfinden würde. Ray seufzte.

„Na dann werd ich mal was kochen. Wenn die anderen vom einkaufen zurück sind, haben sie sicher Hunger...“
 

Ein schweres Gewicht drückte auf seine Hüften und er spürte, dass jemand sprach. Mit ihm?

„Mann, Kai, wach jetzt endlich auf!“

Tala saß auf Kai und batschte ein paar Mal gegen dessen Wangen, damit dieser seine müden Lider öffnete.

Doch der Silberhaarige grummelte.

„Geh runter von mir... Wie spät ist es denn schon?“

„Acht Uhr abends. Du hast lang genug gepennt. Hoch mit dir!“

Nachdem sie das kleine Geschenk bei Lin durch das Fenster geworfen hatten, waren sie zu Kais Elternhaus gegangen und hatten sich schlafen gelegt.

Langsam dämmerte es Kai, weswegen er überhaupt hier war und warum Tala ihn aufweckte.

Sie hatten diesen Abend noch etwas vor.

„Ja, ich komm ja schon. Bist du denn schon wieder fit genug, Tala?“

Der Angesprochene war bereits im Bad verschwunden. Kai folgte ihm.

„Ich hab mir erlaubt, dir deine Sachen rauszusuchen. Liegen über dem Wannenrand.“

Tala überging Kais Frage und während er sprach, zog er sein Shirt aus, um die Wundheilung an seiner Hüfte zu begutachten. Die Ärzte hatten die Wunde gut vernäht, die Fäden waren gezogen, nur eine dunklere Hautstelle war zu sehen, die später aufhellen und eine Narbe werden würde.

Auch Kai hatte sich seines Hemdes entledigt und seufzte, als er das sah. Es tat ihm sehr leid, seinen besten Freund in die ganze Sache mit hineingezogen zu haben. Beide sahen in ihr Spiegelbild.

„Hm, du könntest auch mal wieder mehr für deine Bauchmuskeln tun...“

Tala grinste frech und piekte Kai in den Bauch. „Ist zwar flach, aber lasch und nicht mehr ganz fest, hm?!“

„Ey! Lass das!!”, grummelte der Silberhaarige. „Kann halt nicht jeder Zeit für täglich 50 Situps aufbringen wie du...“

Der Rothaarige fuhr dem Jüngeren durch die Haare, woraufhin er einen grimmigen Blick erntete.

„War doch nur Spaß, Kleiner...“

Kai zog eine Grimasse. „Und außerdem: Ich will auch nicht so durch die Gegend rennen, dass es so aussieht als könne ich vor Kraft nicht mehr laufen!“ Er musste aber auch immer das letzte Wort haben! Der Ältere schnaubte belustigt.

Sie standen nebeneinander, Tala links, Kai rechts. Synchron fassten sie an ihre Schultern, Tala an seine rechte, Kai an seine linke. Und wie eine schauerliche Beschwörungsformel murmelten sie:

„Krowij dja wela tetzöt w maich venach. Dies ist sein Zeichen. Ich höre seinen Ruf. Ihm werde ich folgen. Bis ans Ende unserer Reise will ich ihm dienen so wie er mir.“

Es schien, dass die beiden Drachen, die jeder von ihnen spiegelverkehrt auf der jeweiligen Schulter trug, die sie eben berührt hatten, sich anlachten.

Die beiden Jungen lächelten.

Sie zogen sich um und stiegen nacheinander die Treppe hinab. Kai hatte sich einen neuen, diesmal grauen Mantel zugelegt und schlüpfte gerade in selbigen, während Tala einen schwarzen vom Garderobenhaken nahm. Dann griff er zu seinem Handy. Das Wochenende war vorbei, aber ein dringender Auftrag hatte sich dazwischen gedrängt.

„Hi, hier ist Tala. Entschuldigt bitte die späte Störung, aber ich muss euch etwas ausrichten. Ja, genau, es geht um Kai. Ich denke nicht, dass er heute Abend zurück zur WG kommt.“

Tala zwinkerte Kai zu, der ihn verdutzt anstarrte.

„Nein, es ist nur... Ihm geht es nicht so gut... Anscheinend hat er was Falsches gegessen oder so... Er übergibt sich ständig und er hat Fieber gekriegt... Deswegen wird er wohl morgen auch nicht in der Schule erscheinen. Wenn ihr das euren Lehrern ausrichten könntet? Das wäre nett. Ja, ich kümmere mich um ihn, das ist kein Problem. Am besten warten wir morgen ab und dann sehen wir weiter. Okay. Ciao!“

Er legte auf.

„So, dann wäre das auch geklärt und du musst dir keine Ausrede überlegen. Und sie wissen Bescheid und machen sich keine Sorgen, wo du wieder bleibst, du treulose Tomate!“

Grinsend schob der Rothaarige den anderen aus dem Haus und schloss die Tür ab.

„Wir werden uns jetzt also ungestört um unseren Job kümmern können?“

Sie zogen sich gleichzeitig die Kapuzen ihrer leichten Mäntel tief ins Gesicht. Es war noch hell und es ging langsam auf den Sommer zu, darum mussten sie ihre Gesichter schützen, damit sie nicht erkannt wurden. Denn viele Menschen begegneten ihnen zu dieser Uhrzeit noch auf den Straßen.

„Ja. Und wir werden wie immer perfekt sein.“
 

Ein paar Wolken hatten sich zusammengezogen und frischer Wind kam auf. Am Himmel stoben Krähen auseinander, krächzten laut, formierten sich und flogen ihre Kreise weit über den Köpfen der beiden Jugendlichen. Einer von ihnen blies bläulichen Dunst über seine Lippen und tippte Asche von seiner Zigarette.

„Siehst du die Vögel?“

„Ja“, sagte Kai. „Vielleicht zieht bald ein Sturm auf.“

„Vielleicht ist es auch ein Omen.“

„Glaubst du an so einen Scheiß?“

Tala schwieg.

„Na also“, kommentierte sein Freund das und hockte sich hin. Er drückte seine Zigarette am Boden aus und schnippte sie dann in einen Müllkorb.

„Gehen wir.“
 

Diesmal klang der Auftrag einfach. Der Plan war, sich mit einem Mann in einem irischen Pub zu treffen, mit ihm mitzugehen, ihm dann Geld zu geben, das vorher vom Auftragsgeber auf ihr Konto geflossen war und das daraufhin erhaltene Tauschobjekt in einem Bahnhofsschließfach zu verstauen.

Wie gesagt, der Auftrag klang einfach.

Ihr Auftragsgeber hatte nichts von einer Rivalität zwischen ihm und dem Kontaktmann erwähnt. Fehde – das war wohl der passendere Ausdruck und auch der Grund, weshalb die beiden und nicht seine eigenen Leute dafür ausgewählt worden waren.

Ihr Ruf eilte ihnen voraus – ob das nun positiv oder negativ zu bewerten war, unterschied sich von Fall zu Fall.

Als sie das Lokal betraten, spürten die Freunde gleich die angespannte und aggressive Atmosphäre im Pub. Sie entschieden, zur Bar zu gehen. Unter den anderen Gästen fielen sie mit den tief ins Gesicht gezogenen Kapuzen auf, also würde sich der Kontaktmann wahrscheinlich nach ihnen umsehen und auf sie zukommen, nicht umgekehrt.

„Zwei Bloody Marys, gerührt, aber einen bitte ohne Kirsche“, bestellte Tala, dann raunte er Kai zu: „Nicht gerade einladend... Du spürst es auch, nehme ich an?“

„Du hast hoffentlich außer deiner heißgeliebten P38 noch mehr eingepackt? Ich finde es nicht gerade beruhigend, dass uns fast die Hälfte des Pubs anstarrt und ein viertel davon unverhohlen an Stellen fasst, wo man gut und gerne Waffen verstecken kann“, meinte der Blaugrauhaarige, nachdem er unauffällig seine Blicke durch die Wirtschaft hatte gleiten lassen.

Ihre Bestellung kam, und der Barkeeper erklärte: „Na Jungs… Der, den ihr sucht, sitzt am Fenster. Bringt ihm ein kühles Bier mit, hier, hab gleich mal eins mitgemacht. Das bringt ihn in empfängliche Stimmung.“

Skeptisch sahen sich die jungen Russen an und hoben je eine Augenbraue. Dann seufzten sie resigniert, zahlten und gingen auf eben beschriebenen Mann zu.

„Krowawaia Boinia, wenn ich richtig liege?“ Ein süffisantes Lächeln umspielte die Lippen des Mannes, der sich als Ifraim vorstellte. Die beiden Jungen achteten sorgfältig auf seine Hände und auf die Umgebung. Sie waren schließlich in der Unterzahl.

„Was finden Sie daran so amüsant?“, fragte Kai, und während sich seine Pupillen gefährlich verengten, stellte er ihm sein Bier hin. Machte Ifraim sich lustig über sie?

„Ach… Ich hatte mir imposantere Figuren unter einem Blutbad vorgestellt. Richtige Männer… Stattdessen sehe ich zwei halbwüchsige, pubertierende Jugendliche. Mein lieber Cousin hat euch geschickt, nicht wahr? Sicher kannte er euch auch nicht. Was ist das eigentlich, ein Ferienjob?“

Ifraim schüttelte den Kopf.

„Ich weiß, dass er Angst hat. Schickt andere vor, ja ja, so ist er... Denkt wohl, wenn er Kinder schickt, nehme ich Rücksicht und halte mit meiner Wut hinterm Berg…“

„Oh, auf uns brauchen Sie keine Rücksicht zu nehmen. Wir kennen uns aus und auch wenn wir nicht so aussehen, wissen wir, was wir tun, Sir.“

Ifraim sprang auf, packte nach Talas Kragen, zog ihn zu sich heran und fauchte: „Ich warne dich, Jungchen, liefer mir nur einen Grund und ich schrecke nicht davor zurück, dir eine Kugel in den Arsch zu jagen!“

Stühle knarzten, viele Augenpaare richteten sich auf sie. Eine Clan-Fehde, wie überaus erfrischend!

„Na na, wer wird denn gleich so überreagieren? Wir möchten doch nur eine friedliche Zusammenarbeit...“ Kai tätschelte Ifraims Arm, der Tala noch immer fest im Griff hielt. „Keinesfalls möchten wir uns in Ihre Angelegenheiten einmischen, deswegen achten wir auch sehr darauf, Ihnen so wenig wie möglich auf die Nerven zu gehen, okay?“ Sein darauffolgendes Lächeln war gezwungen, doch die Schmeichelei musste sein. Und sie zeigte Wirkung, denn Ifraim ließ nun von Tala ab.

Der Rothaarige ordnete seine Kleidung wieder und blitzte Kai an: „Lizanie-zadnic nizhe nashevo dostoinstva!“

„Da, ja snaju.“

Natürlich wusste er, dass es beschämend war, doch er wollte kein größeres Aufsehen erregen.

„Hey, ich hasse es, wenn man in meiner Gegenwart eine Sprache spricht, die ich nicht verstehe! Was habt ihr beiden ausgeheckt, eh?!“, blaffte Ifraim sie an.

„Ich sagte, mein Kollege solle sich beruhigen, denn ihm gefiel nicht, wie Sie ihn anfassten. Wenn Sie das bitte für die Zukunft unterlassen könnten, wären wir beide Ihnen sehr verbunden.“

Kai senkte demütig den Kopf, ebenso Tala. Gott, wie war ihnen dieses Verhalten zuwider! Sie legten ein Verhalten an den Tag, das sie in der Abtei gelernt hatten: Gehorsam zeigen, Respekt zollen bzw. wenigstens vortäuschen, sich selbst verleugnen, gefügig sein… Jetzt konnten ihnen die Schikanen von damals aber nützen. „Nun, so sei es denn. Ich werde versuchen, mich zu zügeln.“

Die Versuche Kais, sich erwachsen zu verhalten und diplomatisch zu verhandeln, belustigten ihn. Er nahm einen großen Schluck von seinem Bier und wischte sich dann mit dem Handrücken über die Lippen.

„Und wie soll ich euch ansprechen, habt ihr auch irgendwelche Namen?“, grinste er selbstgefällig.

Tala stellte sich vor: „Ich bin das erste Mitglied von Krowawaia Boinia, und er hier ist das zweite Mitglied. Von mir aus können Sie uns auch eins und zwei nennen. Denn wie Sie vielleicht wissen, geben Profis wie wir niemals ihren wahren Namen preis. Und entschuldigen Sie bitte unsere Unart, unsere Mützen nicht abzunehmen, aber wir möchten lieber nicht erkannt werden.“

Ifraim stutzte, dann brach er in schallendes Gelächter aus.

„Nein, ihr seid so süß! Echt putzig, wie ihr euch bemüht zu den ganz Großen zu gehören!“ Er wischte sich Lachtränchen aus den Augenwinkeln.

„Nicht!“, flüsterte Kai.

Er legte eine Hand unauffällig auf Talas Knie, der gerade im Begriff war aufzuspringen, denn er merkte, wie sein Freund wütend wurde.

„Das ist doch…!!“, knurrte der Rotschopf, aber Kai bedeutete ihm mit einem Kopfschütteln, ruhig zu bleiben.

„Kommt mit mir, ich führe euch jetzt zum eigentlichen Verhandlungsort. Dort bewahre ich auch das Objekt auf, das ihr meinem Cousin bringen sollt.“

Ifraim erhob sich, und Krowawaia Boinia folgte ihm. Und mit ihnen noch mehrere Männer, die anscheinend zu Ifraims Schutz bestellt waren.
 

In einem Hinterhof an einer Autohalle anliegend warteten Tala und Kai nun. Ifraim war schon vor einer Weile in einem Nebenraum verschwunden und hatte sie, eingekreist von seinen Leuten, zurückgelassen. Vor lauter Langeweile hatten sie sich auf den Boden gesetzt und begonnen, Durak, zu spielen. Tala war noch immer sauer auf ‚diesen Knilch‘, wie er ihn nannte.

„Nikto ne moshet poranit nashu tschest'!! Auch er nicht!“

„Ja, ich weiß, ich weiß... Du und deine Ehre… Mich kotzt sein Gehabe auch an, aber lass ihn doch. Geh doch einfach nicht drauf ein. Es ist einfach nur ein Job, hier nach werden wir ihn nie wieder sehen, er ist es nicht wert, sich über ihn aufzuregen. Hey! Nu, eto tak ne idjot! Das ist Trumpf, die kannst du nicht abwehren! So, und ich gehe jetzt zu dir, und zack, ich hab gewonnen! Du bist der Durak!“

Kai grinste. „Ausgetrickst!“

In dem Moment kehrte Ifraim zurück.

„Na, amüsiert ihr euch gut? Ich hoffe, ihr habt das Geld dabei?“

„Natürlich“, meinte Tala und beide erhoben sich, klopften sich den Staub von ihren Sachen.

Jemand brachte einen Koffer, der aussah, als trüge ein Banker ihn ständig bei sich. Tala dagegen schlug seinen Mantel zurück und zum Vorschein kam eine praktische Umhängetasche, wie sie beispielsweise von Sportlern benutzt wurde.

„Ist es da drin?“

Tala nickte. Sie tauschten die Gegenstände aus und prüften gewissenhaft den Inhalt. Es schien alles in Ordnung zu sein. Die Gefolgsleute entfernten sich und verließen den Hinterhof letztlich. Ifraim begann ein abschließendes Gespräch mit Kai, als dessen Handy klingelte. Er gab es dem Rothaarigen, der damit schon voraus ging und den Anruf annahm. Es war Ray.

Gerade, als sich dieser nach Kais Befinden erkundigen wollte, war ein lautes Scheppern zu hören.

„~“Was war das?“~“

„Ich weiß nicht, ich seh mal nach. Vielleicht ist Kai ins Klo gefallen...“

Tala legte auf. Es könnte nur ein Zufall sein, aber er glaubte in solchen Situationen selten an Zufälle und außerdem hatte er ein seltsames Gefühl.
 

„Du und deine Art gehen mir schon die ganze Zeit auf den Sack, weißt du?! Möchtest erwachsen sein und tust so überaus männlich, aber jetzt – ja jetzt schlotterst du vor Angst, nicht wahr?“

Ifraim hielt Kai ein scharfes Messer an die Kehle und schnitt bereits massiv in die Haut, dort wo Hals und Schlüsselbein zusammenliefen.

„Sie nerven mich…“

Kurz nachdem der Junge das gesagt hatte, musste er ein schmerzvolles Aufstöhnen unterdrücken. Die Klinge glitt tiefer in sein Fleisch. Blut tropfte unablässig an der Hand seines Angreifers hinab.

„Ich hasse Jungs wie dich… Sie erinnern mich zu sehr an meinen Cousin…“

Kai verdrehte die Augen.

„Na super. Und jetzt wollen Sie ihre Wut an mir auslassen, weil Sie einen Komplex haben und Ihre Fehde nicht unter sich austragen können, da sonst eine Familientragödie entsteht, nicht wahr? Wie langweilig…“

Mit einer schnellen Bewegung befreite er sich aus dem Griff, der ihn gefangen hielt. Dabei streifte ihn jedoch die Klinge eines Butterfly-Messers, das ihn letztlich schmerzlich am Bauch traf.

„Duck dich!“

Kai schmiss sich blindlings auf den Boden. Mit einem Surren flog der runde Deckel einer Mülltonne über seinem Kopf hinweg und verpasste seinem Ziel einen gewaltigen Stoß, so dass Ifraim umfiel.

Tala kam auf Kai zugerannt und half ihm auf die Beine.

„Ging das nicht etwas schneller?“

„Ein ‚Danke, du hast mir gerade das Leben gerettet!‘ hätte es auch getan.“

„Hm, na gut. Danke.“

Der Rotschopf grinste: „Kein Thema.“

„Wer zum Teufel seid ihr?! Ihr seid doch keine normalen Boten!“ Ifraim raffte sich ächzend auf.

„Oh, Verzeihung, wir haben uns nicht vorgestellt. Das ist Chaos, ich bin Körperverletzung. Wir treten immer zusammen auf!“, grinste Tala. Dann ging er auf ihn zu, trat ihm das Messer aus der Hand und hob ihm den Griff seiner P38 gegen die Schläfe. Ifraim sackte sofort weg.

„Was für eine Erkenntnis… Und du, kannst dich wohl auch nicht von deinen Filmzitaten lösen! Woher war das wieder, Lethal Weapon?“

Grinsend nickte Tala und half Kai, von dort wegzukommen.
 

„Was war eigentlich in dem Koffer?“

„Hab ich vergessen!“

Keine Fragen, keine Antworten. Das war das Gesetz ihrer Branche. Und man akzeptierte es.

Tala hatte ihnen Kaffee besorgt, während Kai den Koffer im mit ihrem Auftragsgeber verabredeten Schließfach verschlossen hatte.

Er reichte Kai beide Becher und wickelte ihm vorsichtig den Schal enger um, damit seine Wunden verdeckt waren.

„Schaffst du es allein zu eurer WG? Oder soll ich mitkommen?“

Kai fand es zwar lieb von Tala, dass er sich um ihn sorgte, aber er wollte auch nicht von ihm bemuttert werden und ihn auch nicht zu sehr für sich beanspruchen. Darum antwortete er: „Ach, das sind doch nur Kratzer. Was soll das denn…“

Aufmunternd lächelt er dem Rothaarigen zu. Sie tranken ihren Kaffee und verabschiedeten sich dann.

War er wirklich so hilflos? Das fragte der Jüngere sich, als er den Heimweg antrat.
 

Sein Schal hatte sich langsam aber beständig mit dem Blut aus seiner Wunde vollgesogen. Als er die Tür aufschloss und eintrat, traf er auf seine gesamte Mannschaft.

Max sah verwundert auf, denn er trug den Schal auch anders als sonst.

„Sag mal Kai, ist irgendwas in der Wäsche falsch gelaufen? Seit wann ist dein Schal so rot-weiß gefleckt?“

„Der ist doch nicht gefleckt!“

„Doch, natürlich!“

Energisch wie er war, ging Max zu ihm hin und fasste den Schal an.

„Ihh, der ist ja ganz nass!“

Dann starrte Max wie hypnotisiert auf seine Hände. Nervös fing er an zu lachen:

„Hahaha... Sag mir bitte, dass das Farbe ist!“

Kai, dem Schweiß auf der Stirn stand, meinte: „Natürlich nicht! Der Schal ist weder rot, noch gefleckt, noch nass! Bist du doof?!“

Nun stand aber Ray vor ihm und berührte den Schal.

„Der ist warm! Und nass!“

Auch seine Hände waren rot.

„... Das ist ja Blut! Kai! Du blutest!!“

„Ich blute nicht, das bildet ihr euch ein!“

Kai tat seine Verletzung als irrelevant und als nicht vorhanden ab. Er konnte ihnen ja nicht erzählen, was wirklich los war.

„Dann mach deinen Schal ab und zeig uns deinen Hals!“, verlangte Ray.

„Vergiss es, ich werde mich sicherlich nicht vor euch ausziehen!!“

Aber Ray gab nicht auf. Er versuchte selbst, Kais Schal abzuwickeln. Doch Kai stieß ihn mit einer, man könnte fast sagen ängstlicher Brutalität von sich, so als wolle er sich schützen.

„Fass mich nicht an!!“, fauchte er.

Er sah seine Teamkollegen mit einem bitterbösen Blick an.

„Es ist nichts, ok?!“

Und damit rauschte er aus dem Raum hinaus, ins Badezimmer. Der Schwarzhaarige sah ihm nach.
 

Im Bad rief er nach seinem gefiederten Freund: „Dranzer, hilf mir bitte!“

Er brauchte Hilfe, allein kam er doch nicht mehr zurecht, so wie er Tala großspurig versichert hatte. Nicht nur sein Schal war vollgesogen, sondern auch sein Shirt und langsam auch seine Jacke, die er noch trug. Dranzer erschien sofort.

„Meine Güte Kai! Was hast du denn gemacht?!“

„Ich weiß es nicht, wie es dazu kam. Plötzlich hatte er mich im Schwitzkasten, so schnell konnte ich gar nicht gucken. Ich glaube, der Mistkerl hat gut getroffen! Schau mal bitte.“

Kai nahm keuchend seinen Schal ab. Unter Stöhnen entledigte er sich auch seiner Jacke und seines Shirts. Von seiner linken Schulter über das Schlüsselbein hinweg zog sich eine breiteSpur von Blut hinunter bis zu seiner Brust. Kurz oberhalb seines Bauchnabels klaffte rechts ein Riss. Ermüdet und lustlos ließ sich Kai auf einen Hocker sinken. Dabei verzog er vor Schmerzen sein Gesicht.

„Oh Kai... Ich kann nichts tun! Das weißt du! Entweder du lässt dir von Ray helfen oder du musst es selber machen. Du brauchst Tala!“

„Dem habe ich gerade gesagt, ich käme alleine schon klar.“

„Es wäre aber die beste…“

„Ich bin von euch abhängig, richtig? ... Ich bin so müde...“

„Kai?! KAI!!“ Kai wankte. Aber er fasste sich.

„Ich geh duschen...“

Nur sehr langsam kam er voran.

Plötzlich klopfte es an der Tür. Ray war gekommen.

„Kai? Bist du da drin?“

Die Antwort verzögerte sich kurz, kam aber dann nach einem gequälten Keuchen.

„... Ja!“

„Was machst du denn da drin?!“

„Ich dusche!“, gab Kai genervt zurück, während er sich vorsichtig aus seinen Klamotten schälte. Was sollte er sonst im Bad machen?!

„Dann beeil dich, wir müssen gleich auf eine Wohltätigkeitsveranstaltung!“

„Ja, ja! Lass mir Zeit, okay!?“

„Die haben wir nicht. Aber wir warten“, meinte Ray dann versöhnlich.
 

Unter der Dusche keuchte Kai vor Schmerzen auf.

Das Wasser, das in seine Wunde lief – es brannte höllisch auf seiner Haut. Er hätte schreien mögen, doch hätte er so die Aufmerksamkeit seiner Teamkollegen, besonders die von Ray, auf sich gezogen. Und das wollte er um jeden Preis vermeiden.

So unterdrückte er seine Schmerzen, biss sich auf die Zunge und beeilte sich, aus dieser selbstauferlegten Folter rauszukommen. Schließlich musste er ja das Blut von seinem Körper waschen.

Dranzer hatte gewartet. Als Kai aus der Dusche stieg und nach dem Handtuch griff, bedachte der Phönix ihn mit einem bedrückten Blick. Er liebte seinen Herrn und würde alles für ihn geben, doch außer jetzt für ihn da zu sein, konnte er nichts tun.

Nun klopfte er mit dem Schnabel gegen den kleinen Schrank, der die Hausapotheke darstellte. Jedes der Badezimmer im Haus der Bladebreakers besaß eine, denn schnell brauchte man Pflaster, Mullbinden, Tape oder Erkältungsmittel, manchmal auch Schmerzgel oder Pferdesalbe.

Kai nickte, öffnete den Schrank und holte zwei Kompressen heraus, die er auf seine Wunden drückte. Er war geübt darin, hatte damals oft Tala oder einem anderen Mitglied seines früheren Teams der Demolitionboys geholfen oder sich selbst, damit nicht aufgefallen war, dass er sich verletzt hatte. Ja, damals – es war eine verhasste Zeit, und doch, wenn er darüber nachdachte, hatte sie ihn auf das Leben sehr gut vorbereitet. Ein ständiger Kampf ums nackte Überleben hatte an der Tagesordnung gestanden und aus der Erziehung konnte er nun seine Vorteile ziehen.

Mit einem Stück Hansaplast fixierte Kai das Ende des Verbandes und zog sich an.

„Dranzer, mein Freund, du hast es nicht leicht mit mir, nicht wahr?“

Er lächelte, als sich der Phönix daraufhin vertrauensvoll an ihn schmiegte und leise gurrte.

„Was hältst du davon, wenn wir heute wieder als Team auftreten? Ich habe einen neuen Bitchip erstanden und Kenny sagte mir neulich, dass er wohl einen neuen Blade für mich hat, ich hab aber abgelehnt. Was meinst du, sollen wir es wagen, wieder zu trainieren?“

„Das fragst du noch? Natürlich!!!“

Und als wäre das noch nicht Antwort genug, busselte Dranzer ihn überschwänglich und zerzauste ihm mit seinen vor Glück schlagenden Flügeln die Haare.

„Habt ihr – du und Tala – eigentlich Spaß daran, mir die Frisur zu ruinieren??!“, brummte Kai, dem jetzt ein Kampf mit der Bürste drohte.
 

„Ihr seid spät dran!“, stellte Mr. Dickenson fest.

„Tut uns leid.“

Ray hatte den Anstand, nicht zu erwähnen, dass es Kais Schuld gewesen war. Das Team setzte sich neben ihren Sponsor. Auch Kai, der es mit zusammengebissenen Zähnen versuchte und dabei aussah wie ein alter Mann mit Rheuma.

Die Veranstaltung bestand aus einer Versteigerung. Fans konnten persönliche Gegenstände der Bladebreakers ersteigern, der Erlös kam einer Stiftung für Waisenhäuser zugute. Gleichzeitig wimmelte der Ort nur so von Reportern, die eine Stellungnahme der Beyblader erhaschen wollten.

Tyson stellte für die Versteigerung seine Mütze und den Starter, den er bei der ersten WM benutzt hatte, zur Verfügung. Max trennte sich von seinem T-Shirt, das er während des Kampfes in der dritten WM getragen hatte, zusammen mit einem handgeschriebenen Nudelrezept mit Senf. Ray hatte eine Auswahl an Stirnbändern zurecht gelegt, sowie ein Paar rote Handschuhe mit Yin Yang – Zeichen darauf. Und Kai hatte den verkohlten Blade seines letzten Trainingsmatches gegen Ray mitgebracht, den Kenny zur Analyse vor dem Müllkorb hatte bewahren können.

„Meinst du, du kriegst dafür was?“, fragte Tyson verächtlich, als er sah, was Kai darbot.

„Hauptsache es kommt überhaupt was zusammen. Ich hatte keine Zeit, um meine Sachen zu durchsuchen. Aber sollte es nicht ausreichen, tanz ich zur Not auf dem Tisch!“, erwiderte Kai bissig.

„Sag das nicht zu laut, sonst schnappen die da noch was auf!“, meinte Ray mit Blick auf ein paar Journalisten. Kai schloss die Augen. „Ich sag euch was, ich will nur schnellstmöglich wieder zurück zur WG.“

Das wurde von einem nahe stehenden Reporter gehört und sogleich in einen Startschuss für eine Befragung umgewandelt.

„Also stimmt es, dass du dir zuviel zugemutet hast und dich nun zurückziehen willst? Man sagt, du würdest nicht mehr zum Starter greifen wollen!“

Das Mikro wurde dem Blaugrauhaarigen fast an die Nase gehalten, so dicht waren die Korrespondenten herangerückt. Kai lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und schob selbigen sogar noch ein Stück weiter.

Ray war aufgesprungen und wies mit dem Finger auf den, der die Frage gestellt hatte.

„Sie sollten Ihre Quellen besser auswerten und nicht aus jedem Fieps, den einer von uns kundtut, gleich ein Riesentamtam machen!“

Max stellte sich auf die Seite des Schwarzhaarigen. „Was Ray mit viel Vokabular aus der Volksmusik erklären will, ist, dass Sie einfach zuviel in unsere Sätze hineininterpretieren.“

„Sind das Anzeichen von Neid? Höre ich Eifersucht auf das Interesse, dass Kai entgegengebracht wird, heraus?“, fragte darauf ein anderer Reporter.

„Können wir solche Fragen nicht vertagen? Es ist nicht Zeit und Ort, um das zu diskutieren. Fakt ist, dass das Wohl der Kinder heute Thema ist und darum sind wir hier!“

Tysons Worte drangen auf die Umstehenden ein. Sie machten Sinn, denn schließlich war der Zweck der Veranstaltung, Spenden für Waisenkinder zu sammeln. Selbst Kai war über soviel Weitsicht bei Tyson erstaunt. ~Auch er entwickelt sich weiter... Zu seinem Vorteil.~, dachte er.

„Aber eine Frage noch, eine die uns jetzt wirklich alle beschäftigt: Wirst du aufhören und deinen Titel des Teamleaders an Tyson abgeben?“

Das war nach seinem letzten Gespräche mit Dranzer nicht schwer zu beantworten. Dennoch wog er die Worte gut ab, bevor er antwortete.

„Dazu... kann ich nur sagen, dass Kenny für mich einen neuen Blade entworfen hat, und mir juckt es in den Fingern, ihn auszuprobieren. Und zu dem Gerücht, ich hätte kein Bit Beast mehr... Nun, Dranzer hat mich nie verlassen, wenn ich präsentieren darf: Dranzers neuer Bit Chip! Und damit werde ich mein Team schon bald wieder anführen und mit Ray, Tyson, Max und Kenny trainieren. Das ist alles.“

Ray fiel die so genannte Kinnlade herunter. Woher konnte Dranzer...? Schwindelte Kai?

„Ein Phönix ist unsterblich, wisst ihr...“, flüsterte Kai, als er vergnügt feststellte, wie überrascht sein Team war.

Man musste nicht erwähnen, dass Kais zerstörter Blade nach dieser Ansage mehr als das Doppelte seines Wertes einbrachte.
 

~*~++~*~

Vokabeln:
 

Lizanie-zadnic nizhe nashevo dostoinstva - Arschkriecherei ist unter unserem Niveau

Da, ja snaju – Ja, ich weiß

Krowawaia Boinia – Blutbad

Krowij dja wela tetzöt w maich venach – Das Blut des Teufels fließt durch meine Adern

Durak – Dummkopf (hier Name eines Kartenspiels, macht unglaublich viel Spaß^^)

Nikto ne moshet poranit nashu tschest' - Niemand kann unsere Ehre verletzen

Nu, eto tak ne idjot! – Also, das geht aber nicht!



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (6)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Phoenix-of-Darkness
2008-04-13T15:06:09+00:00 13.04.2008 17:06
Yeah Kai, denen hast du es aber gezeigt!
*grins*
Diese dämlichen Journalisten!
Und Tysons Aussage war echt super.
Ich fand es gut, dass mal sowas aus seinem Mund kam.

Kai
Von:  LindenRathan
2007-11-08T18:04:10+00:00 08.11.2007 19:04
Ein klasse Kapitel.
Von:  Minchi
2007-10-14T15:52:32+00:00 14.10.2007 17:52
hab mich ur gefreut das es endlich weiter geht und das Kapitel ist wieder echt supi so wie alle zuvor du kannst echt toll schreiben
bin mal gespannt was noch so alles kommt
liebe grüße
Minchi
Von: abgemeldet
2007-10-07T14:31:49+00:00 07.10.2007 16:31
Kein schlechtes Kapitel, aber du hast einen kleinen Logikfehler drin, glaub' ich. Erst sagt Tala am Anfang, Kai könnte wegen seiner Übelkeit nicht zu der Feier kommen, dann geht er doch hin und keiner fragt nach, ob es ihm wieder besser geht oder so...
Vielleicht solltest du das noch einmal überarbeiten.

Aber die Reporter sind zum Kotzen XD
Von:  Zompie
2007-10-06T12:22:09+00:00 06.10.2007 14:22
endlich wieder ein kap *freu*
das kap war wieder absolut gelungen, Tala und Kai müssen echt ziemlich viel durchmachen...und dann noch sone nervenden Reporter...

bin wirklich gespannt, wie es weiter geht


lg

amylee
Von:  kuro_Yuri
2007-10-06T11:28:56+00:00 06.10.2007 13:28
erste^^
wie schön endlich geht es weiter *megafreu*
das kapi ist ist dir wieder voll super gelungen*g*es ist immer wieder spannend.
diesmal ist es kai der mal was ab bekommt,obwohl ich es mehr mag wenn tala der verlöetzt ist,weil es einfach voll süß ist wie kai immer seine hilfe anbietet und ihn immer bemuttern möchte^^
auf jeden fall schreib schnell weiter
liebe grüße chhaya


Zurück