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Bis dass der Tod uns scheidet

von

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Part 2

Bis, dass der Tod uns scheidet
 


 

von Chryssantes
 


 

Rating: R
 

Disclaimer: Die Serie *Saber Rider and the Star Sheriffs* gehört WEP.
 


 


 

PART 2
 


 

Sein Schädel brummte höllisch und ein Hauch von Übelkeit stieg in ihm hoch, als er auf einem kalten, metallischen Boden wieder zu sich kam. Das grelle Licht schmerzte seinen Augen, aber öffnete sie dennoch um sich umzusehen. Er war in einer Arrestzelle auf einem Outriderschiff, soviel konnte er bereits feststellen. Trista und der Junge waren nirgendwo in Sicht. Jesse hoffte, dass die beiden nicht den Wranglern zum Opfer gefallen waren. Ihr ungewisses Schicksal beunruhigte ihn, was er erstaunt zu Kenntnis nahm. Es war ihm tatsächlich nicht egal, was aus Trista und ihrem Kind wurde. Aber was konnte er jetzt dagegen tun? Nichts, absolut gar nichts! Die Outrider hatten ihn endlich nach so vielen Jahren geschnappt und Nemesis würde ihn mit Freude rösten, wie er es schon einmal versucht hatte, als Jesse damals nach der Macht griff. Du lieber Himmel, war das wirklich schon so lange her? Dem jungen Mann erschien sein früheres Leben beinahe unwirklich. Wie hatte er sich nur so sehr verändern können?
 


 

Die Zellentür ging plötzlich auf und zwei Wranglerwachen traten herein. Mit einem Wink ihrer Phasergewehre forderten sie ihn auf ihnen zu folgen. Jesse ließ sich das nicht zweimal sagen. Waren sie etwa schon in der Hauptbasis der Outrider angekommen? War Nemesis hier? Innerlich einen Anflug von Nervosität unterdrückend, ging Jesse mit erhobenem Haupt aus der Zelle. Wer auch immer über sein Schicksal letztendlich entschied, Jesse Blue würde keine Schwäche zeigen.
 

Die Wachen führten ihn durch unzählige Gänge der Einrichtung. Er bekam das Gefühl nicht los, dass er sich auf einem Schiff und nicht auf einer lokalen Planetenbasis befand. Das Schiff musste riesig sein. Vor einer hohen Tür, die den jungen Mann an die Tür des ehemaligen Audienzsaals auf dem zerstörten künstlichen Outriderplaneten erinnerte, blieben die Wrangler stehen. Die Tür öffnete sich automatisch und die Soldaten stießen Jesse hindurch, bevor sie hinter ihm wieder fauchend zuging. Der Gefangene fühlte sich plötzlich wie in einer Falle. Seine Selbstdisziplin verhinderte jedoch, dass er irgendeine Regung zeigte. Neugierig musterte er seine Umgebung. Der Raum war riesig, genauso wie sein damaliges Gegenstück auf dem Outriderplaneten.
 

Im Halbdunkel schimmerten die Wände in einem geheimnisvollen, grünlich luminiszierenden Licht. Nemesis wusste, wie man eine Show inszeniert. Innerlich grinsend sah Jesse zu dem großen Schatten am anderen Ende des Saales. Wenn sein Instinkt ihn nicht betrog, konnte dies nur Nemesis, der Cyborg und Herrscher über die Outrider sein.
 

Das Licht wurde plötzlich verstärkt, die Schatten verflossen und Jesse starrte mit einem nicht zu übersehenden entsetzten Gesichtsaudruck auf die hohe Gestalt des Cyborgs. Was er da zu sehen bekam, machte ihn für das erste sprachlos. Nemesis sah Furcht erregend aus. Anstelle der früheren Gesichtsmaske, die ebenfalls gewöhnungsbedürftig war, besaß Outrideroberbefehlshaber jetzt einen metallenen Totenkopf, dessen Zähne Jesse - bildlich gesehen - anfletschten. Die leeren Augenhöhlen schimmerten in einem unheilvollen roten Licht. Das Ganze war garniert mit dem Hörneraufsatz, den der Outridercyborg schon damals getragen hatte. Nemesis schwieg noch immer. Aber Jesse konnte förmlich spüren wie dessen Blick ihn durchbohrte, zerfetzte und verbrannte. Der glühende Hass des Cyborgs war wie tausende Nadelstiche auf seiner Haut. Das Gefühl der Bedrohung wuchs mit der Zeit, die der Cyborg verstreichen ließ ohne ein Wort zu sagen. Nicht nur Jesse war ein Meister der Manipulation. Nemesis hatte zweifellos dazugelernt. Jesse Blue starrte betont emotionslos den Cyborg an. Seine eigene Maske der kühlen Arroganz saß nach so vielen Jahren wieder perfekt. Dieses Zusammentreffen mit Nemesis würde sein letztes sein. Er würde seinem Feind keine Blöße zeigen. Plötzlich ließ Nemesis ein kleines Lachen los, was sich zu einem grollenden Donnerfall auswuchs. Jesses Nackenhaare sträubten sich. Das Lachen war eindeutig wahnsinnig und ein wahnsinniger Cyborg hatte etwas Beklemmendes an sich. Das Lachen stoppte so abrupt, wie es begonnen hatte. Die riesige Gestalt des Cyborgs erhob sich von seinem Thron und kam langsam auf Jesse zu. Der junge Mann musste sich arg zusammenreißen, um nicht instinktmäßig einen Schritt zurückzuweichen.
 

"Jesse!" grollte der Cyborg belustigt. "Hattest du geglaubt, mir davongekommen zu sein?" Jesse Blue schwieg und sah mit einem brennenden Blick vollen Hasses auf Nemesis. "Endlich habe ich dich in meiner Hand und ich werde dich verräterischen Fleischling zerquetschen wie eine Laus." Die Stimme des Cyborgs hatte einen vergnügten Klang angenommen. Jesse schüttelte es innerlich. Der letzte gewaltsame Dimensionssprung vor sieben Jahren schien den Gehirnzellen des Outriderbosses erheblich geschadet zu haben.
 

Jesse verschränke die Arme vor seiner Brust und sah mit einem abfälligen Blick zu dem Phantomboss. "Du kannst einem ja echt leid tun." spottete er ohne sich um die Konsequenzen zu scheren. "Ihr Phantombirnen seid einfach nicht in der Lage uns Menschen das Wasser zu reichen. Was für eine Glanzleistung, mich erst nach so langer Zeit gefangen zu nehmen! Es ist einfach traurig mit ansehen zu müssen, wie du deine eigenen Leute von einer Niederlage zu der nächsten führst. Unter meinem Kommando wäre das nicht passiert."
 

Das Grollen von Nemesis war ohrenbetäubend. Mit ein paar Schritten war er bei Jesse und versuchte ihn zu packen. Jesse hatte dies kommen sehen und wich dem Cyborg flink aus. In eine Angriffshaltung übergehend beobachtete der junge Mann jede Bewegung des riesigen Cyborgs mit Argusaugen. Nemesis betrachtete die Aktion des Gefangenen mit einer Art Belustigung. Langsam schritt er auf diesen zu und verharrte wenige Schritte vor ihm. "Eines muss ich dir lassen, Jesse. Du bist eindeutig nicht langweilig. Wie bedauerlich, dass du dich gegen mich gestellt hast. Aber so seid ihr Fleischlinge: Gierig und verräterisch! Eine zum Untergang verurteilte Rasse!"
 

Jesses Augenbrauen wuchsen für einen Moment in die Höhe. "Lass mich mal eines klarstellen, Nemesis. Sowie ich die Lage einschätze, seid ihr Blechheinis am Verlieren. Das Kavallerie Oberkommando und die Einheiten der Star Sheriffs reißen euch die Ärsche auf. Das wäre dann der dritte verlorene Krieg. Mich wundert's, dass es euch immer noch gibt. Mittlerweile müssen Wrangler ja Mangelware sein, so wie die von den Kavallerietruppen aufgerieben werden." Weiter kam Jesse nicht. "SCHWEIG!" donnerte Nemesis und streckte seine Hand aus und schoss daraus einen grellgelben Strahl auf Jesse ab. Der junge Mann wurde bis an die nächstliegende Saalwand geschleudert. Der Schmerz von der Wunde und der Aufprall nahmen ihm die Sinne.
 


 

***
 

Seine Nerven brannten und Jesse keuchte vor Schmerzen, als er wieder zu sich kam. Tränen füllte seine Augen und liefen über seine Wangen. Er war zwar schmerzerprobt, aber mit was auch immer der verdammte Cyborg ihn getroffen hatte, war einfach unerträglich.
 

"Gut, du bist wach!" begrüßte ihn plötzlich eine bekannte Stimme. Mühsam öffnete Jesse seine Augen und versuchte in die Richtung zu schauen, woher die Stimme gekommen war. Gattler saß an seinem Bett - Er lag in einem Bett? - und starrte ihn mit einem undefinierbaren Blick an.
 

"Was willst DU denn?!" quetschte Jesse zwischen seinen Zähnen hervor.
 

Gattlers dunkle Augen hatten einen ernsten Ausdruck als er ihm antwortete. "Der Schiffsarzt hat dich wiederbelebt. Du warst für einige Zeit klinisch tot. Nemesis wollte aber, dass du für deine Hinrichtung noch lebendig bist."
 

Jesse stieß ein halbes Lachen aus und murmelte "Toll." Sein Kommentar belustigte den Outriderkommandanten. Er verkniff sich jedoch eine Bemerkung, denn Nemesis Augen und Ohren waren überall. Schweigend erhob er sich und überließ den Gefangenen wieder sich selbst. Er musste wieder zu seinen Truppen zurück.
 

Jesses Gedanken kreisten in der nächsten Zeit um seine bevorstehende Hinrichtung. Das unerträgliche Gefühl der Hilflosigkeit setzte ihm ziemlich zu. In seinem ganzen bisherigen Leben hatte er es immer vermieden, sich in solch eine unausweichliche Lage zu manövrieren. Am Ende hatte er sich doch um Kopf und Kragen geredet. Aber was hätte er sonst anderes auch tun können? Sein Tod war schon seit Jahren für die Outrider eine beschlossene Sache. Verräter wurden mit dem Tode bestraft. Da waren sie nicht viel anders als die Menschen, auf deren Abschussliste er eh stand, falls er es wagen sollte dem Kavallerie Oberkommando lebendig unter die Augen zu treten.
 

Die Zeit in der abgesicherten Krankenstation zog sich hin und Jesse wusste nicht, ob es Stunden oder Tage waren, die bereits vergangen waren, seit seiner Wiederbelebung. Die Outriderärzte gaben schließlich ihr Okay zur Verlegung des Gefangenen. Wieder erschien eine Wranglergarde. Die Soldaten stießen Jesse schweigend durch die Gänge des Schiffes. Irgendwann standen sie wieder im Gefängnistrakt des Schiffes und öffneten eine Zelle. Jesse wurde durch einen unfreundlichen Gewehrkolbenstoß hineinbefördert. Zu seiner Überraschung befanden sich Trista und der Kleine in der Zelle. Beide sahen wesentlich sauberer und etwas erholter aus, als er sie das letzte Mal gesehen hatte. Was zum Teufel bezweckte Nemesis damit schon wieder?! Dachte er etwa, dass die beiden seine Familie waren? Das hatte Trista und ihrem Sohn wahrscheinlich bis jetzt das Leben gerettet. Aber sie war durch seine nahende Hinrichtung ebenfalls mit dem Tode bedroht. Daran hatte der junge Mann keinerlei Zweifel. Nemesis würde zuerst seine 'Familie' auslöschen, bevor er ihn selbst über den Jordan schickte. Der verdammte Bastard!
 

Trista sah ihm lange in die Augen bevor sie sich erhob und mit festem Schritt auf ihn zukam. Jesse stählte sich innerlich für die Ohrfeige, die sie ihm jeden Moment geben würde. Die junge Frau beobachtete seinen Gesichtsausdruck und ein irritierend spöttisches Lächeln umspielte ihre Mundwinkel. Sie hob eine Hand und Jesse versuchte nicht zusammenzuzucken. Das angenehme Gefühl einer streichelnden Hand ließ ihn überrascht seine Augen aufreißen.
 

"Hattest du wirklich geglaubt, dass ich dich schlagen würde?" Sogar aus ihrer Stimme war die Belustigung zu hören. Jesse verkniff sich, seine Augen auf diese Frage rollen zu lassen. Stattdessen schloss er sie und genoss das überraschend schöne Gefühl, welches Tristas Berührung in ihm auslöste. "Mich hat schon lange niemand mehr..." hier brach Jesse peinlich berührt ab. Sie musste nicht wissen, dass er seit Jahren keinerlei intensiven Körperkontakt mehr gehabt hatte. Die Verbrennungswunden hatten ihm viel mehr genommen, als nur einen großen Teil seiner körperlichen Kraft. Irritiert hielt Trista in ihrer Berührung inne. Hatte sie gerade richtig gehört? Jesse war früher nie ein Kostverächter gewesen. Wenn er schon seit langem niemand mehr an sich ranließ, konnte es sicher nur eins bedeuten... Nachdenklich musterte sie den vor ihr stehenden Mann.
 

Die sichtbaren Reste von verblassten Verbrennungsnarben um Jesses Gesicht ließen auf weitere an seinem ganzen Körper vermuten. Jesse wich ihrem Blick aus und setzte sich auf eine der Pritschen. Es war ihm unerträglich, dass gerade Trista von seinem Zustand wusste. "Was ist passiert, Jesse?" Ihre Stimme klang sanft und verständnisvoll, so wie früher, als sie beide zusammen waren. Jesse sah ihr nicht in die Augen. Sein Blick war weiterhin abgewandt. Trista seufzte. Sie wusste wie stur der Mann sein konnte und beschloss nicht weiter in ihn zu dringen. Er würde es ihr sagen, wenn er dazu bereit war oder nie.
 

Die junge Frau setzte sich zu ihrem schlafenden Sohn und sah diesen zärtlich an. Liebevoll streichelte sie seinen dunklen Haarschopf.
 

Verstohlen musterte Jesse Blue das Mutter-Kind-Glück. Das der Junge seinen Namen trug amüsierte und berührte ihn gleichzeitig. Doch das Kind war zu jung, um sein eigen Fleisch und Blut zu sein. Wer war der Vater und wo war dieser abgeblieben? War der kleine Jesse das unglückliche Produkt einer Vergewaltigung? Eigentlich wusste er nichts über Tristas Leben nachdem sie sich gewaltsam auf New Wichita getrennt hatten. Wie hatte sie überlebt und was war während der letzten Jahre mit ihr passiert?
 

Er würde dies vielleicht nie erfahren, denn jede Frage in diese Richtung würde alte und neue Wunden in der Seele der Frau aufreißen. Ihm war noch relativ gut in der Erinnerung, wie sie ihn einer Wahnsinnigen gleich in der Hütte angegriffen hatte. Nein, er würde nicht in sie dringen, um ihre letzten Geheimnisse zu erfahren. Gleichzeitig würde er über die Art seiner Verletzungen keinen Ton verlieren. Das war für ihn immer noch ein heißes Eisen und er wollte hier, vor aller Augen und Ohren, nicht über sein Problem sprechen.
 


 

Trista Derringer ertappte ihren Mitgefangenen dabei, wie er mit einem fast sehnsüchtigen Ausdruck in seinen Augen ihrer streichelnden Hand folgte. Einen Hauch von Verwunderung stahl sich in ihr Herz. Jesse Blue sehnte sich nach so etwas wie Liebe und Geborgenheit? Der Mann musste sich in der Tat geändert haben. Der frühere Jesse hatte sich stets lustig über die so genannten 'Schwächen der Kleinen Leute' gemacht. Ihr war es damals nie in den Sinn gekommen, dass er sie ebenfalls zu diesen Leuten zählte und dass seine Gefühle zu ihr nur geheuchelt waren. Der ehrgeizige Outriderkommandant spielte mit den Emotionen und Hoffnungen der ihm Untergebenen und sie war voll auf ihn hereingefallen. Der alte Schmerz stieg wieder in ihr hoch und die junge Frau ballte für einen Moment die Fäuste.
 

KleinJesse bewegte sich unruhig im Schlaf, als wenn er den inneren Aufruhr seiner Mutter spüren konnte. Trista entspannte sich wieder. Was auch die Zukunft brachte, sie saß mit Jesse Blue in einem Boot; und ihrem Kind zu Liebe musste sie ihren Hass, die Verbitterung und die anderen Gefühle für diesen Mann irgendwie in Schach halten.
 


 

Die traute Dreisamkeit wurde wenige Stunden später durch das Eintreten von Wranglern unterbrochen. Tristas Sohn klammerte sich vor Schreck fest an seine Mutter. Jesse Blue verbreitete eine Aura der Überlegenheit, die die Wrangler nervös zu Kenntnis nahmen. Weggewischt war der noch vor Stunden verletzlich wirkende Mann. An seiner Stelle war der arrogante und gefährlich wirkende ehemalige Outridercommander getreten. In Trista krampfte sich alles zusammen, als sie diese Metamorphose mitbekam. Jesse war immer noch ein sehr gefährlicher Mann, was auch immer in der Vergangenheit ihm widerfahren war, hier war plötzlich nichts mehr davon zu spüren.
 

Trista nahm ihren Sohn an die Hand und beide schritten zusammen mit Jesse Blue und den Wachen durch die Gänge des Schiffes. Die junge Frau hatte bei ihrer Ankunft vor vielen Tagen mitbekommen, dass sie sich an Bord eines sehr großen Outriderschiffes befanden. Vor einer riesigen Tür blieben sie einen Moment stehen, denn ein gefährlich aussehender Outriderkommandant stoppte die Wrangler und sprach in einem leisen, aber herablassenden Tonfall mit Jesse Blue. Dieser sah den Outrider mit seiner typischen Arroganz an. Dann geschah etwas, was Tristas geschultem Sicherheitsagentenauge nicht entging und sie verblüffte. Aus ihren Augenwinkeln beobachtete sie die Wrangler. Doch die schenkten dem Geschehen lediglich ihre Gleichgültigkeit. Der Vorgang hatte nur den Bruchteil von Sekunden gedauert. Trista zwang sich zur Ruhe. Sie konnte und würde nichts tun. Vielleicht war der Outrider auf ihrer Seite? Sofort schüttelte Trista innerlich ihren Kopf. Outrider hatten nichts für 'Fleischlinge' übrig. Jesse Blue war wegen seinem Verrat der am meisten gehasste Fleischling. Warum sollte der Outriderkommandant ihm in irgendeiner Weise helfen? Und doch verbreitete sich eine gewisse Unruhe in Trista. Was auch immer der Outrider Jesse in die Hand gedrückte hatte, schien für diesen immens wichtig zu sein.
 


 

Jesse war mehr als genervt, als Gattler vor dem Audienzsaal grinsend auf ihn lauerte. Doch als der alte und gerissene Outrider ihm etwas in die Hand drückte und 'Das Schmuckstück ist für Nemesis bestimmt.' in sein Ohr zischte, war seine Niedergeschlagenheit, die er im Angesicht seiner bevorstehenden Hinrichtung verspürt hatte, wie weggeblasen. Die Waffe in seiner Hand war die Lösung seiner jetzigen Probleme. Kaum vorstellbar, dass Gattler sie ihm gegeben hatte und was politisch hinter den Kulissen ablief. Jesse Blue war wieder im Rennen! Sichtlich besser gelaunt betrat er hinter den Wranglern den Thronsaal.
 

Der Anblick, der ihn empfing war recht ungewöhnlich für Outriderverhältnisse. Eine Spalier von Outridercommander und anderen Mitglieder dieser Rasse stand an den Wänden entlang. An ihrer Spitze stand der erhöhte Thron von Nemesis. Die Wrangler stießen Jesse einmal kräftig in den Rücken. Er ging weiter, ohne sich zu wehren, bis ihn nur noch wenige Schritte von dem Thron trennten. Als die Soldaten ihm befahlen sich niederzuknien, verweigerte sich der junge Mann einen Moment lang, bis er bemerkte dass die Wachen auf einen Wink von Nemesis hin ihre Waffen an die Köpfe von Trista und dem Jungen hielten. Innerlich fluchend kniete sich Jesse widerwillig hin, einen äußerst hasserfüllten Blick auf Nemesis abschießend.
 

Leises Gemurmel stieg im Hintergrund auf bis der Phantomboss mit einem gedonnerten "RUHE!" Ordnung schaffte.
 

Schlagartig kehrte Stille in den Thronsaal ein. Es schien, als ob die anwesenden Outrider nicht wagten laut zu atmen. Jesse ließ für einen kurzen Augenblick ein leicht verächtliches Lächeln seine Mundwinkel umspielen. Die Phantombirnen waren wahrlich pathetische Kreaturen. Hatten einen Cyborg als Anführer und waren außerdem noch von diesem total abhängig. Schließlich kontrollierte er über die Tritonmaterie ihr gesamtes Leben. Wie tief konnte man als Rasse eigentlich sinken? Die bevorstehende totale Niederlage gegen die vereinten Streitkräfte der Menschheit war mehr als nur verdient.
 

"JESSE!" Ein Donnergrollen aus Nemesis Richtung lenkte den jungen Mann von seinen abschweifenden Gedankengängen erfolgreich ab. Wenn der Phantomboss diese Stimmlage benutzte war er echt mies drauf. Mies war schon kein richtiger Ausdruck mehr. Der Alte war in einer mörderischen Stimmung und Jesse war unglücklicherweise das Ziel seines Hasses.
 

"Du hattest geglaubt, du könntest mich ungestraft betrügen und meinen Platz einnehmen, nicht wahr Jesse Blue?" Im Augenblick war Nemesis Stimme seidenglatt und in einem normalen Tonfall. Jesse musste es dem Phantomboss lassen. Der Alte hatte Klasse!
 

Mit einem fast unschuldigem Gesichtsausdruck erwiderte Jesse: "Nun, einer musste es ja tun und frischen Wind in die Sache reinbringen!"
 

Geflüster breitete sich aus. Jesse verkniff sich ein Grinsen. Er wusste, dass ihn viele hassten, aber es gab auch eine Menge Outrider, die es begrüßt hätten, wenn er tatsächlich die Zügel aus Nemesis' in seine Hand übernommen hätte. Das musste den Phantomboss ziemlich wurmen, wenn seine eigenen Leute sich insgeheim gegen ihn und lieber für einen Fleischling entscheiden würden. Wieder erklang ein Grollen vom Thron und das Flüstern erstarb so schnell wie es aufgeflammt war. Die Furcht vor Nemesis erschien fast greifbar. Er hatte seine Untertanen in der Tat gut im Griff. Sie fürchteten ihn mehr denn je. Irgendwie taten sie Jesse plötzlich leid. Sich von einem Cyborg herumkommandieren lassen...Nein, er hätte das nicht lange ausgehalten, obwohl es ihn nicht gestört hatte solange der Alte seinen eigenen Plänen dienlich war.
 

"Dein Plan schlug fehl und heute bist du ein Nichts. Sag Jesse, hat sich der Verrat gelohnt?" Die Stimme von Nemesis hatte einen amüsierten Klang. So klang jemand, der seinen langjährigen Feind endlich gefasst und kurz vor dessen endgültigen Vernichtung stand. Jesse mochte diesen Ton überhaupt nicht, aber Nemesis Worte hatten einen wahren Klang. Er hatte in der Tat alles verloren und beinahe sein Leben. Aber er beugte sich vor nichts und niemanden! Er wäre nicht Jesse Blue, wenn er es nicht mit allen und jedem aufnehmen würde!
 

"Ich folge nur meinen eigenen Zielen. Bis in alle Ewigkeiten ein treudoofer Untertan von dir zu sein, war keines davon." schoss Jesse in einem eisigen Tonfall zurück. Wie konnte dieser elende Blecheimer es wagen, ihm Versagen vorzuwerfen? Woher - zum Teufel - sollte er wissen, dass Nemesis und die Tritonmaterie eine Einheit bildeten? Bereits der Gedanke, dass die Seele eines Wesens mit einer K.I. Einheit verschmolzen war, grenzte für das menschliche Verständnis an Utopie. Er war sich sicher, dass zur damaligen Zeit von den Outridern fast niemand etwas über Nemesis wahre Natur wusste. Ein Schleier des Schweigens und der Ignoranz hatte über dessen ungewöhnlichen Aussehen gelegen. So war die Natur der Outrider und Jesse hatte - das war sein größter Fehler gewesen - nicht nachgeforscht und das war letztendlich sein Verhängnis gewesen. Aber nun war nicht die Zeit, sich deswegen mit Vorwürfen zu quälen, was sowieso nicht in Jesses Natur lag. In dem jetzigen Spiel ging es nicht mehr um Macht, nur noch um sein Leben und das von Trista und dem Jungen. Schon seltsam, dass er in sich das Bedürfnis verspürte, beide sicher und gesund zu wissen. Dabei waren sie nicht mal verwandt oder in einer Familie zusammen vereint. Schon verrückt, irgendwie.
 


 

"Leider müssen wir uns hier und jetzt voneinander trennen, Jesse. Du warst mir eine Zeit lang nützlich, aber ich dulde keinen Verrat. Weder von meinen eigenen Leuten noch von dir, einem Fleischling!" Nemesis klang ernst und hoheitsvoll. Auf seinem Wink hin schritten zwei Wachen zu Trista und dem Jungen und legten ihr Waffen an. Noch schossen sie nicht. Jesse merkte, wie er den Atem anhielt. Der Cyborgherrscher lachte, als er die Reaktion seines Feindes sah. "Ja, deine eigene kleine Familie wird zuerst für deinen Verrat an mir büßen." Nemesis hob die Hand und die Wrangler schossen auf diesen Befehl hin auf die Gefangenen. Trista kippte mit einem schmerzvollen Stöhnen zu Boden, wo sich bereits ihr Sohn befand. Beide lagen still auf dem kalten Fußboden des Thronsaales. Jesse starrte benommen auf die beiden stillen Gestalten. Nein, das durfte und konnte nicht wahr sein!!! Mit einem halben Ohr hörte er, was Nemesis nach der Hinrichtung seiner Familie von sich gab. "Es kann nur einen Phantomboss geben, Jesse. Und der bin ICH!"
 


 

Jesse zwang sich gewaltsam zur Ruhe. Der Mistkerl würde ihm dafür büßen und die verdammten Outrider gleich mit! Er verzog seine Katzenartigen Augen zu Schlitze und funkelte den Outriderboss mit purer Verachtung an. "DU bist nichts weiter als ein Haufen wertlosen Schrotts. Deine Unzulänglichkeiten versteckst du, indem du andere in den Tod schickst. Du bist voller Neid und Hass auf jeden, der noch einen biologischen Körper hat - den du ja nicht mehr besitzt - und sich ganz den natürlichen Bedürfnissen hingeben kann - die dir ja für immer verschlossen sind. DU, Nemesis bist die armseligste Kreatur, die mir jemals über den Weg gelaufen ist! Ich habe fast Mitleid mit dir, denn dir ist es ja nicht einmal mehr vergönnt ein Mann zu sein und seine Frau glücklich zu machen! Wie dich das doch innerlich wurmen muss! Habe ich nicht Recht, oh Großer Nemesis?!" spuckte Jesse höhnisch zwischen seinen Zähnen hervor.
 


 

Totenstille breitete sich im Thronsaal aus. Noch nie hatte jemand so mit dem Boss gesprochen. Jesse grinste bösartig. Die Feiglinge zeigten sich schockiert! Na, wenn das nichts war!
 


 

"DU KLEINE WIDERWÄRTIGE LAUS!" brüllte Nemesis nach einer Schocksekunde und erhob sich geschmeidig von seinem Thron. Einen Wimpernschlag später war er bei Jesse und griff nach ihm.
 

Jesse fühlte sich empor gerissen und einen Augenblick später schwebte er schon in Augenhöhe mit dem Phantomboss. Das war seine Chance! Noch einmal so nahe würde er dem Feind nicht kommen. Ohne zu zögern ließ Jesse Gattlers Waffe in seine Hand gleiten und stieß sie mit aller Kraft durch das linke Auge von Nemesis bevor er den Trigger auslöste. Die Waffe schockte und lähmte dadurch das künstliche Nervenzentrum des Cyborgs.
 

Jesse fiel zu Boden und rollte sich aus der gefährlichen Reichweite des Feindes. Zu seiner Verwunderung war ein wilder, chaotischer Kampf im Thronsaal zugange. Outrider, die auf Outrider schossen oder gegeneinander mit Fäusten und mit Messern kämpften. Jesse duckte sich, als ein Blasterstrahl beinahe seinen Kopf traf und robbte behände zu Trista und dem kleinen Jesse. Eine ganze Anzahl von toten Outridern, Commander oder andere Günstlinge von Nemesis, lagen in ihrem Blut am Boden des Thronsaales. Das konnte nur eins bedeuten: er befand sich zurzeit in der Phantomzone. Nur hier konnten die Outrider getötet werden.
 

Jesse war sich nun sicher, dass er inmitten eines internen Machtkampfes angelangt war. Man hatte ihn benutzt um Nemesis auszuschalten oder zumindest für eine Zeitlang zu beschäftigen. Die verdammten Bastarde hatten wirklich dazu gelernt! Der Kampflärm verebbte langsam. Wer auch immer gewonnen hatte, kein Outrider würde Jesse lebend davonkommen lassen. Innerlich sich auf die nächste und möglicherweise letzte Konfrontation vorbereitend sah Jesse auf. Gattler, ein Auge blutig und mit einem grimmigen Ausdruck auf seinem Gesicht kam mit gezogener Waffe auf Jesse zu. Als Jesse dem Outrider in die Augen blickte sah er in ihnen seinen Tod.
 

Gattlers Blick war voller Hass und dieser Ausdruck wurde noch von einem anderen verstärkt - Schmerz. "Du hast deine Rolle gut gespielt, Fleischling. Der Große Nemesis und seine Anhänger konnten eliminiert werden, hier und auf jeden uns noch verbliebenen Stützpunkt. Dafür gebührt dir mein ewiger Dank! Leb wohl, Jesse Blue!" Mit diesen Worten drückte der Outrider ab und Jesses Welt versank erneut in Dunkelheit.
 


 

***
 


 

Tausende Nadelstiche rissen seinen Körper in einer Woge des Schmerzens mit sich. Das Licht war viel zu grell, die Geräusche machten ihn fast taub und die Nässe auf seinem Gesicht schmeckte störend salzig. Nur langsam kam er wieder zu sich und es ging ihm beschissen. Was war passiert? Er konnte sich einfach nicht erinnern. Jemand war in seiner Nähe und berührte ihn am Arm. Sofort durchzuckte ihn höllischer Schmerz. Ein unartikuliertes Stöhnen entrang sich seiner Kehle, bevor er es stoppen konnte. Die Hand zuckte wieder zurück und verschwand aus seinem Gesichtsfeld. "Kannst du mich hören, Jesse?" fragte eine bekannte Frauenstimme. Jesse konnte sich nicht erinnern, dass er diesen Namen trug und wer diese Frau war, die ihn angesprochen hatte. Alles was er wusste, war die Existenz der Schmerzen, die alles andere auslöschten.
 


 

Trista war ratlos. Ihr und dem kleinen Jesse ging es nach den Betäubungsschüssen schon wieder ganz gut. Nur mit Jesse, dem Erwachsenen, stimmte irgendetwas nicht. Schwere Schritte von Kampfstiefel hinter ihr ließen sie sich nach dem eintretenden Mann umschauen. Der ältere Outrider mit dem finsteren Gesicht war Gattler, so viel hatte sie inzwischen herausgefunden. Er hatte die menschlichen Gefangenen hierher auf eine halbzerstörte ehemalige Outriderbasis gebracht. Sie verstand seine Gründe nicht. Warum ließ er sie alle drei am Leben? Alle Outrider hassten die Fleischlinge, was sollte sich an dieser Einstellung geändert haben? Oder hatte es wieder irgendetwas mit Jesse zu tun?
 


 

Mit einem unzufriedenen Ausdruck in seinem Gesicht starrte Gattler den schlafenden Fleischling an. Sein Blaster hatte zwar auf Betäubung gestanden, aber auf einer sehr hohen Einheit. Kein Wunder, wenn Jesse Blue noch nicht ganz fit war. Er hatte aber keine Zeit mehr, um darauf zu warten bis der Mensch sich wieder soweit erholt hatte. Seine Truppen würden noch in dieser Stunde aufbrechen und die drei Fleischlinge hier in dieser aufgegeben Basis sich selbst überlassen. Energisch schritt er an die Liege heran und schüttelte den Schlafenden wach. Jesse schoss mit einem Schrei von seiner Schlafstatt hoch und hatte sich sofort aus purem Instinkt auf Gattler gestürzt und ihn umgerissen. Dieser setzte seine starke Rechte ein und schlug dem Angreifer voll in die Magengegend. Er schaffte es damit Jesse von sich abzuschütteln. Der blauhaarige junge Mann saß vor Schmerzen und Anstrengung keuchend auf dem kalten Zellenboden und starrte Gattler mit zusammengekniffenen Augen angriffslustig und wütend zugleich an. "Was zum Geier sollte das?" fauchte Jesse den Outriderkommandanten unwirsch an. Er war aus seinem Schlaf gerissen worden und der Schreck hatte einen Adrenalinschock ausgelöst. Das überschüssige Adrenalin kreiste immer noch in seinem Blut und machte ihn angriffslustig. Verdammte Phantombirne!
 

Gattler saß wenige Schritte von ihm entfernt auf dem Boden und verkniff sich ein Grinsen. Der großmäulige Fleischling war immer noch schnell wie eine gefährliche Wüstennatter. Mit einem eleganten Schwung stand der Outrider auf und sah mit einem undeutbaren Blick auf Jesse herunter. "Dich wird es sicherlich interessieren, dass eine Einheit der Star Sheriffs Kurs auf diese Basis genommen haben. Wie ich aus der Vergangenheit weiß, haben sie noch ein Hühnchen mit dir zu rupfen." Hier verdunkelte ein bösartiges Lächeln die Züge des Commanders. "Was für ein reizendes Wiedersehen das sein wird! Wir Outrider überlassen unseren Feinden - sozusagen als Abschiedsgeschenk - dich, Jesse Blue, den Verräter seiner eigenen Rasse. Ist das nicht eine nette Geste von uns? Wir verlassen diese Dimension, aber es ist nicht das letzte Mal, das wir uns gesehen haben!" Gattler ging lauthals lachend aus der Zelle und aus dem Schatten hinter ihm schritten zwei Wrangler heran und gesellten sich an seine Seite.
 


 

Jesse starrte dem älteren Mann stumm hinterher. Er sah, dass die Zelle nicht abgeschlossen war. Aber wohin sollte er in seinem Zustand fliehen?
 

Mühsam stand er auf und dreht sich zu dem seltsamen Geräusch hinter ihm um. Überrascht sah er Trista und den Kleinen auf der zweiten Pritsche sitzen. Die junge Frau sah ihm aufmerksam ins Gesicht. Keine der beiden sagte ein Ton, als sie sich in die Augen sahen. Dann tat Jesse etwas, was ihn selbst überraschte und Trista sprachlos werden ließ. Mit ein paar raschen Schritten war er an die Liege herangetreten und riss Trista in seine Arme und verbarg sein Gesicht in ihrem Nacken. Zögernd umarmte die Frau ihn zurück und vergrub ihre Hände in seinem Haar. Auf der einen Seite war dieser Gefühlsausbruch für Jesse ungewohnt und peinlich zugleich. Aber er hatte geglaubt, dass die junge Frau hingerichtet worden war und dass er sie nie wieder sehen würde. Diese Umarmung befreite ihn und machte ihn glücklich.
 


 

Ein energisches Zupfen an Tristas Kleid ließ sie aufschauen. Ihr kleiner Sohn sah sehnsüchtig und eifersüchtig zugleich zu ihr auf. Er wollte auch kuscheln und besonders mit seiner Mutter. Trista musste albern kichern und das alarmierte Jesse. Er löste sich behutsam von ihr und ließ den Jungen vor, der sich zwischen sie drängte. "Da ist wohl jemand eifersüchtig." bemerkte Jesse scherzhaft und sah in Tristas lachendes Gesicht. Ihr Anblick versetzte ihm einen Stich. Sie hatte früher, als er noch Commander der Outrider war, immer gelacht oder wenigstens gelächelt. Damals hatte er sich innerlich darüber amüsiert, wie plebejisch dieses Mädchen doch war. Aber jetzt...
 

Jesse merkte plötzlich, wie seine Kräfte nachließen und er musste sich hinsetzten. Tristas besorgter Blick folgte ihm. Das Nachlassen seiner Kräfte beunruhigte Jesse ein wenig. Wahrscheinlich war der Betäubungsstrahl zu stark dosiert gewesen und hatte seine Nervenbahnen empfindlich gestört. Hoffentlich gab es in dieser Hinsicht keine weiteren unangenehmen Überraschungen mehr. Wenn die verdammten Blechsterne hier eintrafen, musste er wieder einsatzfähig sein. Lebend bekamen sie ihn jedenfalls nicht! Dafür würde er schon Sorge tragen! Aber um Trista und den kleinen Jesse machte er sich Sorgen. Was würde aus ihnen werden? Hatte Trista noch Freunde und Familie, die sie bei sich aufnehmen und um sie kümmern würden? Sie war immer noch so schrecklich abgemagert. Ihr Trauma war noch lange nicht ausgeheilt.
 

"Leg dich noch mal für eine Weile hin, Jesse. Der Betäubungsschuss war anscheinend recht stark." sagte Trista nach einer Weile. Jesse wusste nicht recht, ob er diesem Vorschlag Folge leisten sollte. War es nicht besser irgendwo ein Versteck aufzusuchen und den Besuch der Star Sheriffs von einem sicheren Ort aus abzuwarten? Trista schien seine Gedankengänge zu ahnen, denn sie schüttelte bedauernd ihren Kopf. "Du wirst hier keinen Ort finden, an dem du dich verstecken kannst, Jesse." traurig sah ihn Trista an. "Wir sind auf Laramie." Der junge Mann weitete vor Überraschung seine Augen und nickte dann verstehend. Es gab in der Tat auf Laramie keinen einzigen Ort, wo er sich vor den Blechsternen verbergen konnte. Der gesamte Planet war von den Outridern komplett dem Erdboden gleichgemacht worden.
 

Es war ein scheinbar sinnloser Racheakt gewesen. Aber Jesse sah hinter diesen Akt der Zerstörung und erkannte, dass die Outrider die uralte 'Taktik der Verbrannten Erde' angewandt hatten, um den Truppen der Menschen eine wichtige Nachschubbasis in diesem Sektor zu nehmen. Verdammt noch mal! Ging seine Glückssträhne etwa ihrem baldigen Ende entgegen? War es sein schnödes Schicksal, von einem Kommando der Star Sheriffs offiziell als Verräter und Abtrünniger der Menschheit hingerichtet zu werden? Mit einem leisen Laut der Verzweiflung und der Resignation warf sich Jesse wieder auf seine Liege. Wenn er den Star Sheriffs schon entgegentreten musste um zu sterben, dann wenigstens erholt und in Hochform!
 

Als er die Augen schloss, war er schon in wenigen Minuten eingeschlafen. Doch eine Spur der inneren Unruhe vor der ungewissen Zukunft blieb. Sie verfolgte ihn bis in seine Träume. Immer wieder sah er einen Feuerball auf sich zurasen und verschlingen. Nemesis Lachen ertönte und die riesige metallene Hand eines grünen Renegade schloss sich um seinen Körper und begann ihn zu zerquetschen. Nach Luft schnappend fuhr Jesse aus seinem Schlaf und erkannte verwirrt, dass die quetschende Renegadehand aus seinem Traum in Wahrheit Tristas Gewicht war, welches auf seinen Brustkorb drückte. Amüsiert sah er auf das schlafende Gesicht seiner Leidensgefährtin herab. Langes braunes Haar umfloss in Locken ihr Gesicht und reichte weit bis auf den Rücken herab. Die Wangen waren noch etwas hohl, aber mit etwas mehr Nahrung würden sie wieder mehr an Fülle gewinnen. Trotz der Magerkeit war Trista noch immer das, was ihm damals spontan als kleine Schmeichelei in den Sinn gekommen war - ein süßer Käfer. Sein süßer Käfer. Jesse seufzte und davon wurde die junge Frau schließlich doch wach. "Was ist los?" murmelte sie schlaftrunken. Zärtlich strich Jesse ihr eine widerspenstige Haarsträhne aus dem Gesicht. "Nichts ist passiert. Schlaf weiter." Trista seufzte und schmiegte sich wieder in seine Arme, bevor sie weiterschlief.
 

'Wir beide sind schon ein Gespann!' dachte Jesse, bevor er sich bequem machte und wieder einnickte. Als er das nächste Mal aufwachte, war Trista aus seinen Armen verschwunden. Sie saß mit nachdenklichem Gesicht an seiner Liege und sah ihm ins Gesicht. Jesse blinzelte und sah sie fragend an. Behutsam zog Trista mit ihrem Zeigefinger seinen Mund und die Nase nach. Wie hypnotisiert starrte der junge Mann sie an. Damals war stets er derjenige gewesen, der im Liebesspiel aktiv geworden war. Er hatte sich genommen wozu er Lust hatte und wann er es gebraucht hatte. Trista hatte ihn nie abgewehrt. Sie war vollkommen in ihn vernarrt gewesen. Aber sie hatte nie die Initiative übernommen. Was sie jetzt tat, überraschte und freute ihn. Der erste Kuss war kurz und kaum spürbar. Jesse unterdrückte den brennenden Wunsch, sie an sich zu reißen und diesen Kuss zu wiederholen. Er würde nichts tun, was Trista verschrecken könnte. Wenn sie ihn doch bald nur wieder küssen würde! Sie schien sein innerliches Flehen gehört zu haben, denn mit einem leichten Lächeln beugte sie sich erneut vor und widmete sich seinen Lippen. Behutsam bat ihre Zunge Einlass in seinem Mund und zögernd öffnete sich Jesse Trista. Zärtlich vertiefte sie ihren glühenden Kuss und hörte erst mit ihrer erotischen Spielerei auf, als Jesse lustvoll aufstöhnte. Neugierig und triumphierend zugleich sah sie ihm in seine leuchtenden Augen. Als Jesse diesen Blick bemerkte musste er schmunzeln. Zärtlich fuhr er ihr durchs Haar. "Ich wünsche mir eine Wiederholung." flüsterte er ihr ins Ohr. Tristas Seele schimmerte in ihren Augen, als sie ihn ansah. Er hatte nie eine schönere Frau gesehen. Trista schenkte ihm ein zärtliches Lächeln und strich liebevoll mit einem Finger über seine Lippen. "Später." Hauchte sie in sein Ohr.
 

"Versprochen?" Jesse hing wie gebannt an ihren Lippen. Ein Lächeln antwortete ihm, bevor Trista sich aufrichtete und nach einem letzten zärtlichen Streicheln über seine Wange zu ihrem wach gewordenen Sohn hinüberging. Sehnsüchtig blickte ihr Jesse für einen Augenblick hinterher. Was sie mit ihm gemacht hatte, überraschte ihn. Aber was ihn total verblüffte, war seine Reaktion auf ihre Berührungen; diesen Hunger, den er plötzlich nach so langer Zeit wieder in sich spürte. Er war total und komplett verrückt nach dieser Frau!
 


 

Der Junge weinte leise vor sich hin, an seine Mutter geklammert. Er hatte fürchterlichen Hunger. Trista war völlig ratlos. Sie beide waren an Hunger gewöhnt, aber hin und wieder hatten sie dennoch was gefunden, was den ärgsten Hunger gestillt hatte. Die letzte Mahlzeit war nun schon länger als drei Tage her. Ihr Sohn war mitten im Wachstum und brauchte dringend Nahrung. Leider hatten die Outrider ihre drei Gefangenen ohne Verpflegung zurückgelassen. Jetzt hieß es abwarten. Würden die Star Sheriffs der Nachricht Glauben schenken und auf dem zerstörten Planten nach dem Verräter Jesse Blue suchen? Wenn ja, war dies eine kleine Chance auf Überleben. Wenn sie es aber als Falle ansehen würden, dann waren sie und ihr Sohn dem Tode geweiht. Trista wollte nicht aufgeben, weder sich noch ihren Sohn noch irgendeine Hoffnung auf ein besseres Leben! Die Zeit der Qualen musste einfach mal ein Ende haben! Ihr Sohn verdiente es nicht im Dreck zu leben und sie auch nicht. Was auch immer sie in der Vergangenheit getan hatte - ihre Strafe hatte sie abgesessen. Sie war bis zum Ausbruch des Krieges den schweren Weg der gesellschaftlichen Rehabilitation gegangen. Sie hatte ihren Verrat gesühnt und die Vergangenheit hinter sich gelassen. Aber es kam immer alles anders, als man es sich vorstellt. Mit Horror dachte Trista daran, wie sie auf einem Passagierschiff von Piraten überfallen und anschließend verschleppt worden war. Was danach kam, war schlimmer als die Hölle. Nie im Leben hätte sie geglaubt einmal als Prostituierte zu enden. Diesen Teil ihrer Vergangenheit war fest in ihren Erinnerungen verschlossen. Sie durfte sich nicht daran erinnern, sonst würde sie sich für immer verlieren! Was zählte, war ihr kleiner Sohn. Er brauchte sie und sie brauchte ihn.
 

Jesse - er war wieder in ihr Leben zurückgekehrt. Unverhofft, aber er war wieder bei ihr. Brauchte sie ihn wirklich? War ihr Leben nicht einfacher ohne ihn? Sie hatte vor ihm nie einen Mann so sehr geliebt wie Jesse und nach ihm auch nicht. Seine damaligen herzlosen und gemeinen Worte waren nicht vergessen und schmerzten immer noch. Sie war so voller Hass auf diesen Mann gewesen. Die Verbitterung, nur dritte Wahl in seinen Augen gewesen zu sein; wie sollte sie es je vergessen können? Aber die Lust nach diesen Mann war noch da und die Faszination, die er ausstrahlte, ebenfalls. Sie konnte es sich vorstellen, mit ihm zu schlafen und von ihm sich alles zu holen was sie brauchte. Aber was war mit Liebe? Ihr Sohn brauchte einen liebevollen Vater und sie einen verständnisvollen Mann, auf den sie sich verlassen konnte. Sie hatte ihre Zweifel, ob Jesse ihr das je bieten könnte. Sie musste an die Zukunft ihres Sohnes denken. Für Experimente hatte sie keine Zeit. Wenn die Star Sheriffs hier eintrafen, hatte - hoffentlich - ihr Pech ein Ende und sie würde als freie Frau mit ihrem Sohn irgendwo auf einer noch nicht zerstörten Kolonie unterkommen und wieder von vorn anfangen können.
 


 

Das Wimmern des Kleinen setzte Jesse mehr zu, als er es je öffentlich zugeben würde. Er stahl sich praktisch aus der Zelle und ließ Trista und ihren Sohn für einige Zeit für sich allein. Ein leises Magenknurren ließ ihn verärgert innehalten. Auch er hatte schon längere Zeit keine anständige Mahlzeit mehr gehabt. Verdammte Outrider! Überließen ihre Gefangenen dem Hungertod auf einem praktisch unbewohnbaren Planeten.
 

Wie sollte es weitergehen? Er hatte die Blicke und das nachdenkliche Gehabe von Trista bemerkt, auch wenn diese versucht hatte es sich nicht so sehr anmerken zu lassen. Sie traute ihm nicht und er konnte es ihr nicht verdenken. Aber der Kuss hatte einiges in ihm aufgewühlt. Hatte er in der nächsten Zeit überhaupt eine Chance herauszufinden, ob eine Beziehung zu Trista möglich war?
 

Fast sein gesamtes Leben war er vor etwas auf der Flucht. Er stahl sich von zu Hause fort, um ein großer Star Sheriff zu werden. Nach Ruhm und Ehre hatte er gestrebt. Wahrlich, der Traum eines Kindes! Als der Star Sheriff April sich ihm verweigerte und die Akademie ihn suspendierte, da hatte er sich mit Verrat gerächt. Die Zeit als Outlaw war für ihn sehr hart und lehrreich zugleich gewesen. Sie bereitete ihn für den nächsten großen Coup vor. Das Angebot von Nemesis überschritt seine kühnsten Träume. Er war zum Befehlen geboren und wer sollte ihn, Jesse Blue daran hindern, nach den Sternen zu greifen? Sein genialer Plan schlug fehl. Nemesis vereitelte Jesses Bemühungen und die Star Sheriffs hatten dadurch ein leichtes Spiel. Noch immer durchzuckte ihn ohnmächtige Wut, wenn er an die verlorenen Chancen seines Lebens dachte. Die schmerzhaften Erfahrungen veränderten ihn mehr und mehr. Einst trieben sie ihn zu den Outlaws und machten ihn zum gesuchten und meistgehassten Verräter. Jetzt war er mit einer Frau aus seiner Vergangenheit hier auf diesen gottverlassenen Planeten gestrandet. Einer Frau, der er früher keinen zweiten Gedanken geschenkt hatte, nachdem sie ihren Nutzen erfüllt und er sie darauf hin fallen ließ. Jesse schloss für einen kurzen Moment die Augen. Seine Gefühle waren ziemlich konfus, soweit sie Trista und den Jungen betrafen. Er wollte sich ihnen nicht stellen, noch nicht. Wenn sie je von diesem Planeten lebend runterkamen und in Sicherheit waren, dann vielleicht...
 

Jesse schüttelte seinen Kopf. Tief in seinem Innersten wusste er, dass Gefühle dieser Art ihm unheimlich waren. Wenn er etwas liebte, dann mit totaler Hingabe. April hatte er mit dieser Obsession verprellt. Gefühle waren ein Zeichen von Schwäche!
 

Ein Bild schob sich vor die inneren Augen des jungen Mannes. Er sah wie Trista sich über ihren Sohn liebevoll beugte. In ihrem Fall waren Gefühle eine Stärke. Warum nur schwächten sie gerade ihn?
 

Unruhig durchstreifte der junge Mann weiter die Überreste der Basis. Sie waren in dem noch am besten erhaltenen Bereich untergebracht. Zerfetzte Wände und riesige Trümmerteile von vernichteten Renegades und Teilen der Siedlungshäuser gaben sich ein wirres Stelldichein vor den Toren der Basis. Die Sandwüste war mit aller Macht zurückgekehrt und bedeckte die vertrockneten Bäume und die Reste der menschlichen Siedlung auf Laramie. Jesse erinnerte sich, wie es vorher hier ausgesehen hatte und ein leises Bedauern schlich sich in sein Herz. Ein Geräusch zu seiner Linken ließ in herumfahren und mit zusammengekniffenen Augen nach der Ursache forschen. Es hatte wie ein losgetretener Stein geklungen. Waren die verdammten Star Sheriffs etwa schon hier? Oder nur ein Trittbrettfahrer, der Gattlers Nachricht abgefangen und sich nun Jesse Blues Kopf holen wollte?
 

Ein dunkler Schatten ragte hinter Jesse auf und eine schwere Hand fiel auf dessen Schulter. Der junge Mann erschrak und reagierte völlig instinktiv, als er sich ein wenig aus der gefährlichen Reichweite des Fremden entfernte und ohne zu zögern einen Judogriff einsetzte. Der andere Mann war groß und schwer, aber ebenso behände wie Jesse. So sehr sich Jesse auch wehrte, er hatte einen ebenbürtigen Gegner gefunden. Er sah nicht, wie weitere Schatten herantraten und wie einer von ihnen einen Betäubungsstrahl abfeuerte. Wieder versank Jesses Bewusstsein in Dunkelheit.



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