kako to genzai
Yatta~
Da bin ich wieder! ^______^ Kyodai II, Chapter 1 mit dabei *konfetti werf*
Nein, ernsthaft. Ich war wirklich froh über die positive Resonanz auf meine Ankündigung des 2. Teils - allerdings möchte ich einige Leute gleich vorwarnen.
Diese Geschichte ist nicht schön. Ihr Verlauf ist mies, teils grausam. Ich hatte nicht vor, die Situation zu verschönern - ich denke, es wird sehr, sehr schnell klar, wovon diese Fiction handelt, und da es nun mal kein sehr schönes Thema ist, wird auch die Geschichte selbst nicht schön werden. Die leicht melancholisch angehauchte Atmosphäre des 1. Teils ist leider flöten gegangen, was in dieser FF aber auch gänzlich fehl am Platze gewesen wäre... oO;
Nun ja, ich will nicht zu viel vorweg reden - nur so viel als Einleitung: 2 ½ Jahre sind vergangen, seit Kyo Mie verließ, damit sein Leben selbst in die Hand nahm. Was in dieser Zeit geschehen ist, wie es nun weitergeht... lest selbst. ^.~
Tissa
Chapter 1 - kako to genzai [<-- Vergangenheit und Gegenwart]
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Ein großer, rothaariger Mann Anfang Zwanzig verließ spät in der Nacht die Sushibar, in der er nebenbei arbeitete. Er schloss die Tür ab, war völlig in Gedanken versunken. Es war wieder spät geworden, bereits halb Eins. In Tokyo noch längst nicht Sperrstunde, doch er war müde.
Daisuke Andô war inzwischen einundzwanzig Jahre alt, studierte seit seinem Schulabschluss vor knapp zwei Jahren in Tokyo Musik. Nebenberuflich war er unter anderem in dieser Sushibar beschäftigt, um das Studium finanzieren zu können. Er wusste, seine Eltern wollten ihn unterstützen, doch Die bestand darauf, sein Leben selbst geregelt zu kriegen. Der Rotschopf hatte ein ungewöhnlich gutes Verhältnis zu seinen Eltern - dennoch gab es Brüche. Unausgesprochene Brüche, die es nicht zu kitten galt.
Er grinste ein wenig vor sich hin, erinnerte sich an einen Kunden zurück, den er allzu witzig gefunden hatte. Gott sei Dank war nicht täglich soviel zu tun, sonst ginge er längst auf dem Zahnfleisch.
Die gähnte und streckte sich ein wenig, während er ein paar Schritte rückwärts von der Ladentür weg auf den asphaltierten Bürgersteig machte.
Klirr.
Die zuckte zusammen. Klirr? Was hatte er denn nun schon wieder angestellt...? Ein leises Fluchen drang an seine Ohren; als der junge Mann sich umdrehte, saß dort bereits jemand auf dem Boden und sammelte ein paar Flaschenscherben zusammen. Eine zierliche Gestalt, die allerdings gar nicht zierliche Bemerkungen vor sich hinmurmelte.
"Das tut mir so l-", wollte Die beteuern. Doch kaum hatte er zwei Worte von sich gegeben, hob der andere den Blick an, starrte zu ihm hoch. Einige Sekunden schien die Zeit stillzustehen.
Braune Augen. Bekannte Augen - ein altbekanntes Gefühl, wie jener Zauber, der ihn Jahre zuvor gefangen genommen und in eine Katastrophe bugsiert hatte. Die musterte das Gesicht mit offenem Mund. Die gleichen schönen Lichter, die geschwungenen Lippen, lediglich die Haare schmiegten sich nun in tiefem Schwarz um die noch immer kindlich-runden Wangen. Er hatte sich wirklich nicht verändert.
"Kyo..." Seine Stimme war kaum mehr als ein Wispern. Der Angesprochene stand vom Boden auf, klopfte den Staub von seiner dunklen, viel zu groß geratenen Jeans. "Die.", erkannte er und vergrub die Hände in den Hosentaschen.
Es herrschte Schweigen. Die kratzte sich am Hinterkopf, meinte dann gespielt munter: "Mann, dass ich dich hier treffen würde... Was machst du in Tokyo?!" Kyo setzte ein kleines Grinsen auf. "Leben?" Auf Dies Augenrollen hin erklärte er: "Ich bin noch nicht lange hier, ein paar Wochen vielleicht. Hatte die Nase voll von Kyoto und bin auf gut Glück nach Tokyo abgehauen, um hier eine gute Band zu finden. Bisher allerdings ohne Erfolg und ein paar echt beschissenen Jobs zum Überleben."
Die konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Dieselbe sarkastische, trockene Art... "Hört sich viel versprechend an." "Und du?" "Ich lebe schon fast zwei Jahre hier.", entgegnete Die. "Musikstudium." "Hättest du das nicht auch in Mie haben können?" Die zuckte die Schultern.
"Ich wollte weg aus dem Kaff... Unabhängig sein, verstehst du? Ich verdiene mein eigenes Geld mit solch göttlichen Beschäftigungen wie dieser Sushibar hier..."
Kyo verzog das Gesicht. "Die lassen dich kochen? Sag an, wie viele Leute hast du schon ins Jenseits befördert?!" Die lachte lauthals los. "Glaubst du ernsthaft, dass ich fürs ESSEN zuständig bin? Ich? Unsinn, ich werde durch die Gegend gejagt, darf Kisten schleppen, Tische abwischen, Servieren, Putzen... all die Scheißaufgaben halt." Er schnitt eine Grimasse.
Kyo warf einen Blick auf seine Armbanduhr. "Ich...-" "Hast du ein wenig Zeit?", unterbrach Die ihn hastig. Er konnte ihn nicht gehen lassen. Nicht nach all den Wochen, Monaten, nein, Jahren ohne ein Wort.
Kyo zögerte. "Es ist ziemlich spät." "Wir könnten uns in den Coffee-Shop setzen und - weiß nicht, ein bisschen quatschen.", drängte Die weiter. "Komm schon, wir haben ewig nichts voneinander gehört..."
Er wollte nicht - und doch hörte der Jüngere sich zustimmen. "Na gut. Ne halbe Stunde wird wohl drin sein." Die lächelte triumphierend und ging neben dem Kleineren her durch die Straßen Tokyos. Neben dem Menschen, der ihn in das größte Gefühlschaos seines bisherigen Lebens gestürzt hatte.
Sein Halbruder Kyo. Der Junge, in den er sich verliebt hatte, nachdem Kyos Mutter bei einem Unfall verstorben und jener zu seinem Vater gezogen war. Sie hatten einander nie gesehen, wussten nichts voneinander. Doch dann, bevor sie sich als Brüder kennen lernen konnten, waren sie aufeinander getroffen. Ein verregneter Nachmittag, an dem sie beide die Liebe auf den ersten Blick gespürt hatten. Nichts war in der Lage gewesen, sie von dieser Sache abzubringen, nicht die Warnungen der Freunde, nicht das eigene Gewissen - erst, als ihre heimliche Liebe aufflog, hatte Kyo die Notbremse gezogen und war gegangen. Gegen den Willen seiner damals ,neuen' Familie - und doch war allen eingeleuchtet, dass Kyos Entscheidung, die letzten Wochen bis zu seiner Volljährigkeit in einem Heim zu verbringen, die einzig richtige Entscheidung gewesen war. Ihre Eltern hatten es akzeptiert; gelegentlich Kontakt zu Kyo gehalten, das wusste Die. Er selbst aber war nur schwerlich damit zurecht gekommen. Dass Kyo, der Mensch, den er weiterhin stur als seine große Liebe bezeichnete, von heute auf morgen aus seinem Leben verschwunden war, hatte den sonst so heiteren Jungen für lange Zeit gequält. Er ging davon aus, dass auch Kyo gelitten hatte, zu sensibel und emotional war der Jüngere, um dies nicht zu wissen.
Und nun stand er vor ihm. Kyo.
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Ihr Gespräch war unerwartet heiter verlaufen, Witze, eine fröhliche Stimmung...
Doch nun regierte Stille ihre Sitzecke im Coffee-Shop. Die spielte mit seiner weißen Porzellantasse. Ihm lagen so viele Fragen auf der Zunge, unendlich viele. Allerdings keine, die er nun stellen sollte.
"Wie sieht's aus, hast du ne neue Beziehung gehabt?", schnitt Kyo seltsamerweise genau das Thema an, nachdem Die sich nicht zu fragen getraut hatte. Big Red überlegte. "Njo, schon... Ich habe momentan auch eine Freundin, Mai. Sie studiert auch Musik, ist zwei Semester unter
mir.", berichtete er zögerlich.
Kyo nickte langsam, nahm einen Schluck von seinem Espresso. "Wie steht's bei dir?" Kyo zuckte gleichgültig die Achseln. "Mal hier und da für ein paar Tage, du kennst mich doch. Ich bin nicht in der Lage, eine Beziehung zu führen, die nicht in einer Katastrophe endet..."
Die zog an seiner Salem Light und widersprach: "Red nicht immer so einen Unsinn. Du hast einmal eine sehr schöne Beziehung geführt." Kyo sah ihn wortlos an. "Ja. Aber in einer Katastrophe ist sie trotzdem geendet.", erwiderte er schließlich leise.
Der Ältere wusste, wie falsch es war, Kyo in diesem Augenblick zu fragen, und doch rutschte ihm das heraus, was ihn Ewigkeiten beschäftigt hatte:
"Warum hast du mir nie geantwortet? Ich hab dir wochenlang Briefe geschickt, SMS, andauernd versucht, dich anzurufen... Wieso habe ich nie ein Wort von dir gehört innerhalb dieser gottverdammten dreißig Monate?"
Kyo lächelte mit einer Spur von Bitterkeit, kramte nun ebenfalls nach einer Zigarette. "Glaubst du, das hätte es einem von uns beiden leichter gemacht? Wenn du ehrlich bist, weißt du, dass wir beide noch viel mehr gelitten hätten, wenn ich den Kontakt zu dir nicht abgebrochen hätte."
Die stöhnte unterdrückt. "Natürlich weiß ich das.", lenkte er ein. "Aber ich habe dich so verdammt vermisst." Kyo sog den bläulichen Zigarettenqualm ein, ließ den Rauch seine Kehle hinunterwandern, stieß ihn dann wieder aus. Eine Geste, die Die zu oft hatte beobachten dürfen. Auch nun war sein Blick wie aus Gewohnheit an den vollen Lippen hängen geblieben.
Kyo ignorierte Dies Blicke.
Glaubst du vielleicht, ich hätte dich nicht vermisst? Ich dachte, ich müsse sterben vor lauter Sehnsucht und Verzweiflung. Aber so ist das Leben halt. Und derartig schnell stirbt nun mal keiner...
"Das ist Vergangenheit, Die." Kyo sah ihn ernst an. "Ich habe das hinter mir gelassen. Es ist wirklich schön, dich wieder zu sehen - aber lass uns nicht in alten Wunden herumstochern und sie wieder zum Bluten bringen. Das haben sie so schon lange genug getan."
Wahrlich. Ich werde nicht zulassen, dass dieser ganze Horror von vorn losgeht... Was denke ich denn? Das ist ohnehin unmöglich. Wir sind beide nicht mehr die Menschen von damals. Wir haben uns verändert.
Die seufzte innerlich. Damit abgeschlossen. So. Ja, er hatte damit abgeschlossen - zumindest bis zu diesem Zeitpunkt war er sich dieser Tatsache sicher gewesen.
"Wie geht es den anderen?", fragte Kyo nach einer nachdenklichen Stille. Die grinste ein wenig. "Ich denke mal, ganz gut. Mit Kaoru habe ich kürzlich erst telefoniert, er hat wohl ne neue Flamme... Shinya ist laut Kao übrigens endlich dazu in der Lage, die Zähne auseinander zu bekommen. Und Toto-" "Wie es Toshiya geht, weiß ich.", unterbrach Kyo ihn lächelnd.
Die hob die Augenbrauen an. "Ach?" "Und ob. Er ruft mich nahezu jede Woche an. Keine Chance, dem zu entkommen. Die ersten Wochen, nachdem ich weg war, hat er mich kontinuierlich zugeheult, du kannst dir nicht vorstellen, wie der am Telefon flennen kann..."
Die Züge des Rothaarigen waren ungläubig. "Du hattest die ganze Zeit Kontakt zu einem meiner Freunde?" Kyo sah ihn sanft an und gab ihm einen leichten Stoß. "Nimm es Toshiya nicht übel. Ich habe ihm gesagt, dass er es nicht erwähnen soll. Du kennst ihn, wenn er wirklich will, kann er sein Plappermaul halten."
Die verspürte einen Stich. Monatelang immer wieder der Gedanke an seinen Halbbruder, die Sehnsucht, die Sorge um ihn. Und Toshiya hatte ihm nicht ein Wort gesagt, nicht einmal Entwarnung gegeben, dass es dem damals blonden Jungen gut ginge... Und dann war dort noch so etwas wie verspätete Eifersucht in seinem Herzen. Mit Toshiya hatte Kyo Kontakt gehalten.
Hör auf, dich wie ein Kind zu benehmen. Du weißt, wieso er mit allen außer dir in Kontakt geblieben ist...
Kyos Augen erfassten die Uhr über dem Verkaufstresen. Fast halb zwei. Er richtete sich auf und griff nach seiner Tasche. "Ich muss langsam echt los, sonst bin ich morgen früh tot, wenn ich zur Arbeit muss..." Er schnitt eine ungnädige Grimasse.
Die nickte und sprang ebenfalls auf. "Ja ne..." Für kurze Zeit standen sie einander unsicher gegenüber. Der Redhead zögerte - sollte er Kyo nun umarmen oder durfte er dies nicht? Er hob langsam einen Arm an, als Kyo ihm plötzlich hastig seine Hand entgegenstreckte. Die gab dem Jüngeren ein wenig unzufrieden die seine, sah dann dabei zu, wie Kyo zur Tür ging.
"Kyo?" der Dunkelhaarige hielt inne und wandte sich mit einem erwartungsvollen Blick um. "Sehen wir uns?" Ein Lächeln. "Natürlich."
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Die gähnte herzhaft, als er seine Haustür aufschloss. Gott sei Dank: sein warmes, weiches Bett wartete auf ihn, Ruhe, Dunkelheit und -
"Wo. Warst. Du?!?" Der Rotschopf zuckte zusammen. Mit einem Mal stand er einer jungen, schlanken Frau gegenüber, die ihn halb ärgerlich, halb besorgt ansah. Die starrte sie überrascht an. "Was machst du denn hier?", nuschelte er müde und hängte seine Jacke am Garderobehaken auf.
"Ich wollte dich überraschen. Du hattest vor Ewigkeiten Feierabend, warum kommst du so spät? Du hast an der Uni noch gesagt-" "He", unterbrach Die den Redefluss und lächelte seine Gesprächspartnerin an. "Mai. Ich habe jemanden getroffen, den ich schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen habe. Da sind wir noch kurz auf einen Kaffee zusammen weggegangen. Tut mir leid, hätte ich gewusst, dass du auf mich wartest..."
Er verließ den kleinen Flur und betrat das Wohnzimmer. Mai sah misstrauisch hinterher, bevor sie folgte. "War dieser Jemand weiblich?" Die grinste sie nachsichtig an. "Nein. Das war mein Halbbruder Kyo." Mais Gesichtszüge entspannten sich augenblicklich. "Ach so.", machte sie. "Ich dachte immer, du bist Einzelkind?"
"Bin ich theoretisch auch. Mein Vater hatte in einer anderen Stadt wohl mal eine andere Frau kennen gelernt, ist mindestens zwanzig Jahre her... Dabei entstand Kyo. Er hat nur für kurze Zeit mal bei uns gelebt, aber es war schön, ihn wieder zu sehen."
Mai nickte verständnisvoll. Sie umarmte den größeren Mann und lächelte. "Trotzdem schön, dass du endlich da bist.", sagte sie liebevoll und küsste ihn auf die Lippen. Die lachte unterdrückt. "Wir haben uns doch nachmittags noch gesehen.", merkte er an und wanderte weiter in sein Schlafzimmer, um sich umzuziehen.
"Na und? Zu lange.", protestierte Mai und lehnte sich gegen den Türrahmen. Nach einer Weile fragte sie: "Hast du Bilder?" Die sah vom Schrank aus zu ihr hinüber. "Wie?" "Bilder. Von deinem Bruder.", wiederholte seine Freundin interessiert.
"Ehrm, ja. Muss ich erst suchen...", murmelte Die. Dass er genau wusste, wo er alles aufbewahrte, was ihn nur irgendwie an den Jüngeren erinnerte, wollte er vor Mai nicht sagen. Es hätte seltsam gewirkt.
Auch kurz darauf, als der Einundzwanzigjährige neben der jungen Frau in seinem Futonbett lag und ihren Worten lauschte, konnte er sich nicht wirklich auf das konzentrieren, was sie von sich gab. Seine Gedanken schweiften immer wieder ab, er konnte es nicht kontrollieren.
Mai hingegen wollte genau jene Aufmerksamkeit gewinnen. Sie rückte näher an ihren Freund heran und wollte ihm einen Kuss geben, doch Die strich ihr lediglich durchs Haar und flüsterte: "Ich bin tooodmüde. Und morgen müssen wir beide für raus."
Auf seine Aussage hin stimmte Mai lächelnd zu und schmiegte sich an ihn. "Ich liebe dich, Die." Die legte einen Arm um die zierlichen Schultern und nickte langsam. "Hmm...", machte er - keine Sekunde später fielen ihm die Augen zu...
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Die stand hinter der Theke, wischte mit einem feuchten Lappen darüber. Sein Chef bestand auf perfekte Reinheit, in einem Restaurant nur verständlich, schließlich wollte er seinen Laden wohl kaum schließen.
Es war noch verhältnismäßig früh, Dies Feierabend zumindest ließ noch auf sich warten. Doch wenigstens die Gesellschaft war angenehm, Mai saß am Tresen und lernte für eine Klausur, unterhielt sich nebenbei mit ihm, wenn er Zeit dafür fand.
Die Türglocke ging, ein weiterer Kunde betrat den recht kleinen Raum. Die sah auf - und ein erfreutes Lächeln stahl sich auf seine Züge.
Die Gestalt steuerte auf ihn zu und verkündete gewohnt sarkastisch: "Ich frag mich, wie wir Kontakt halten wollen, wenn wir zu blöd sind, wenigstens die Handynummern auszutauschen."
Kyo setzte sich auf einen Hocker und grinste leicht. "Hey." Die rollte mit den Augäpfeln. "Okay. Das ist wirklich dämlich. Wie kommt's, dass du so schnell hier auftauchst, Sehnsucht gehabt?"
"Ich schmelze, ich brenne. Sicher doch." Kyos Augen blitzten belustigt. "Bedien mich lieber, Die-kun. Ich verdurste." Die deutete auf die Getränkekarte. "Dann bestell dir was.", riet er fachmännisch und verließ den Platz hinter der Theke, um einen Tisch abzuräumen.
Kyo steckte sich eine Philip Morris an und sah Die nach. Erst jetzt wurde er sich dem neugierig musternden Blick bewusst, der an ihm klebte. Aus den Augenwinkeln bemerkte er eine junge Frau, ungefähr sein Alter, die ihn unverwandt ansah.
Big Red kehrte aus der Küche zurück und hängte sich wieder zu Kyo an die Theke. "Na, was darf's sein?!" "Eine Cola und die Erklärung, warum die Tussi da mich so unverschämt anglotzt." Kyo zeigte frech die Zähne.
Die folgte seinem Nicken nach links. "OH.", machte er und winkte der Frau zu. Dass Kyo seine Freundin als Tussi betitelt hatte, war ihm nicht einmal aufgefallen. "Mai, komm mal her." Die Aufgeforderte kam ein wenig schüchtern die paar Stühle weiter hinüber zu ihnen. "Mai, das ist Kyo. Kyo - Mai."
Mai lächelte Kyo strahlend an. "Freut mich so!", sprudelte sie los. "Du bist also Dies Bruder, ja?" Kyo nickte langsam. "Sou desu." Er musterte das Mädchen, das nun neben ihm saß, unauffällig. Sie hatte schulterlanges, bräunliches Haar, das stufig geschnitten war, dunkle Augen, war recht groß und schlank. In gewisser Weise erinnerte sie ihn rein aussehenstechnisch an Jang.
Die stellte ein Glas gefüllt mit Coca Cola vor Kyo hin. "Bitte sehr." Kyo hob die Augenbrauen. "Was hast du wieder genommen, hm?" Mit seinen Worten entlockte er Die ein Lachen. "Baka. Ich freu mich halt."
"Man könnte meinen, du hättest nichts besseres zu tun, als mich an den Hacken zu haben." "Hab ich das denn?", sniggerte Die, sich nicht darüber bewusst, mit was für einer Miene Mai ihre Späße verfolgte. Nicht nur, dass der junge Mann sie nicht sonderlich beachtete, er machte auch noch derlei Witze, fast so, als existierte sie nicht.
"Sehr gut kennst du dich in Tokyo noch nicht aus, oder?" Kyo schüttelte den Kopf. "Nee, nicht wirklich." "Also, wenn du noch-" Die warf einen Blick auf die Uhr, "anderthalb Stunden warten kannst, schlepp ich dich mit in einen guten Club."
Kyo bemerkte aus den Augenwinkeln, wie sich Mais Miene verfinsterte. Wie er Die kannte, war er bereits mit ihr verabredet gewesen. Er nickte zu ihr hinüber. "Hast du da nicht was vergessen?"
Dies Kinnlade rutschte leicht. Ach Mist, er hatte ja Mai versprochen, mit ihr ins Kino zu gehen... "Ehm, das heißt - ich... Mai und ich wollen nachher noch einen Film ansehen.", druckste der Älteste der Drei verlegen.
Mai sah bereits wieder zufriedener aus, daher traute Die sich, einen neuen Vorschlag zu machen. An seine Freundin gewandt fragte er: "Würde es dich stören, wenn wir Kyo mitnehmen...?"
Wirklich begeistert war Mai offensichtlich nicht, doch sie schüttelte den Kopf. "Natürlich hab ich nichts dagegen. Magst du Thriller denn überhaupt, Kyo?" Die lachte unterdrückt. "Nein.", entgegnete er ernsthaft. "Kyo hat Angst vor jeglicher Art von Nervenkitzel. Er sieht grundsätzlich nur Lovestories an."
Kyo zeigte ihm unbeeindruckt den Mittelfinger. "Danke für den Einwurf. So gut kennst du mich. Alles, was in meinem DVD-Regal steht, gehört in den Actionbereich. Was wollt ihr angucken?" "Beyond Redemption.", erklärte Mai und lächelte Kyo liebenswürdig an. Die Art des jungen Mannes war amüsant - sie sympathisierte mit seiner Art, gegen Dies dumme
Witze zu kontern. "Beyond Redemption? Steht ganz oben auf meiner MUSS-Liste. Bin dabei." Die gab ihm einen erfreuten Stoß. "Spitze. Aber glaub ja nicht, dass du eingeladen bist..."
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