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Silberaugen

Wer kann nachts noch schlafen?
von

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Wie es begann

Titel: Silberaugen
 

Autor: Morry
 

Teile: 1/...noch unklar
 

Disclaimer: also hier alles auf meinem eigenen ganz Persönlichen Mist gewachsen. Ergo gehört das alles mir, wer was verwenden will muss mich fragen!
 

WARNUNGEN: keine besonderen, bis jetzt noch nicht... vielleicht death, depri (?), und Tragödie (?)
 

Kommentar: Vielleicht erinnert sich jemand noch an den Vorgänger hierzu. Ich habe mich zu einer Kompletten Überarbeitung entschlossen, die Grundgeschichte bleibt, aber es wird jetzt mit Sicherheit um einiges länger und ich hoffe auch besser....

Zwar hat sich mein stil nicht weiter entwickelt (eher zurück -_-), dafür sind aber die Ideen gereift.
 


 

Silberaugen
 

Kapitel 1- Wie es begann
 

Ein Traum, was ist das eigentlich?

Der Wunsch etwas zu besitzen?

Der Wunsch etwas zu erreichen?

Oder ist es das was uns in der Nacht offenbart wird?

Das was uns am Tage versteckt quält und nur in der Nacht schmerzfrei ausgelebt werden kann?
 

Mir etwas zu wünschen, habe ich schon lange aufgegeben. Und was mich Quält, mich leiden lässt, zeigt sich sofort und mit voller härte in genau dem Augenblick, wo es geschieht.

Denn ich bin der, der niemals mehr Träumen wird.

°*~~~*°
 

"Hey! Hallo! Kleiner, ist alles in Ordnung?", fragte mich jemand und griff an meine Schulter.

Ich war damals noch sehr jung. Nicht älter als zwei oder drei Jahre, aber ich erinnere mich an alles, ab dem Tag, wo mein Pflegevater mich unter dem großen Baum fand.

Wie selbstverständlich nahm er mich mit in sein Haus, gab mir ein Bett und ein Dach über dem Kopf und liebte mich wie sein eigen Fleisch und Blut.

Die nächsten Jahre konnte ich glücklich und zufrieden mit ihnen in einem kleinen abgeschiedenen Dorf leben. Es konnte mir zwar niemand sagen, wo ich herkam, oder wer ich war, aber ich vermisste das Wissen um diese Dinge nicht. Es war mir nicht mehr wichtig, wer ich gewesen war, ich wusste genau wer ich jetzt war. Ich wurde von der Gemeinschaft vollkommen akzeptiert und willkommen geheißen. Ich hatte hart an mir gearbeitet und war geschickt und fleißig wie ein Erwachsener bevor ich das zehnte Lebensjahr vollendete.

Zwar verspotteten und mieden mich die anderen Kinder, aber ich wollte nichts weiter als meine Eltern meine Dankbarkeit und meine liebe zu zeigen. Es war ja schließlich nicht so das keine Belastung für sie war. Sie mussten sich das Geld für meine Kleider mühsam vom Mund absparen, bettelten um mir die Möglichkeit zu geben eine Schule zu besuchen und was konnte ich mehr tun als ihnen die Gelegenheit zu geben stolz auf mich zu sein?

Doch dann sollte sich alles ändern.

Es fing alles kurz nach meinem 17 Geburtstag an. Meine Sehkraft ließ plötzlich stark nach. Anfänglich machte ich mir nicht allzu viele Sorgen, es gab eben Mensche die nicht besonders gut sehen konnten. Zwar war ich nun nicht mehr bei allen arbeiten eine große Hilfe, aber ich arrangierte mich mit meiner schwäche und arbeitet nun wo es mir möglich war noch härter.
 

Als mich das Sehvermögen aber nach zwei Monaten vollends verließ, brach eine Welt für mich zusammen. Ich war nicht mehr in der Lage mein Zimmer zu verlassen. Obwohl ich sie nicht sah spürte ich die Mitleidsvollen Blicke der Dorfbewohner, als ich mich anfangs noch unbeholfen durch das Dorf tastete. Das Mitleid der Außenstehenden mischte sich mit meinem eigenen für mich und stellte sich wie ein riesiger Berg vor meine Zimmertüre, der jegliches durchkommen verhinderte. Ich versuchte zu beginn noch leichte Arbeit zuhause auszuüben, doch ich scheiterte stets egal wie ich mich bemühte.

Ich bin froh, dass ich meine Eltern nicht sehen musste, denn mir war vollkommen bewusst, dass ich sie mit meiner Selbstaufgabe mehr verletzte, als ich mich selbst. Aufopferungsvoll kümmerte meine Mutter sich um mich, zwang mich zum Essen und führte mich einmal am Tag nach draußen, damit ich frische Luft atmen konnte.

Und was tat ich? Ich dankte ihr diese Mühe mit schlechter Laune und wie ich leider zugeben muss, mit einigen Beschimpfungen, die mir jetzt das Herz zerreißen.

Ich glaube ich hätte auf diese weise nicht immer leben können. Die vollkommene Dunkelheit umschloss nicht nur meine Augen, sonder nebelte langsam auch mein Herz ein.

Jedoch sollte sich alles so schnell wie es anfing auch wieder ändern. Es machte erst den Anschein, dass ich nun wieder mein altes Leben führen konnte, doch ich wäre lieber Blind und hilflos, wenn ich damit das dann kommende hätte verhindern können.

Jedenfalls erwachte ich eines Morgens sehr früh. Meine Augen juckten grausam. Ich rieb sie mit den Händen, was alles nur verschlimmerte. Stöhnend blinzelte ich vorsichtig und merkte anfangs gar nicht was sich geändert hatte. Erst als mir klar wurde das ich just in dem Moment auf meine Hände "sah'', machte mein Herz einen Sprung. Zwar war mein Zimmer noch dunkel und ich sah verschwommen, doch ich sah. Ich schwang mich aus dem Bett und landete ungeschickt auf den Füßen. Ich konnte an nichts anderes mehr denken als dieses Glück mit meinen Eltern zu teilen. Taumelt ging ich auf die Zimmertür zu und riss sie auf. Das Licht blendete mich kurz, doch dies hielt mich nicht auf und ich stürmte in die Küchennische, wo meine Eltern schon zum Frühstücken saßen.

"Mutter, Vater! Ich kann wieder sehen!", rief ich und erwartete eine ebenso erstaunte aber erfreute Reaktion meiner Eltern, wie ich sie grade erlebte, doch ich wartete vergebens. Mein Vater starrte mich an und ließ das Brot in seiner Hand langsam sinken. Meine Mutter hatte den Mund entsetzt geöffnet und rührte sich gar nicht mehr. Mit solch einer Reaktion hatte ich nicht gerechnet. Freuten sie sich denn gar nicht für mich?

Ich weiß nicht mehr wie lange ich so dagestanden habe, unfähig wie meine Eltern mich zu Bewegen oder auch nur noch einen Satz zu sprechen. Meine Mutter brachte sich als erste wieder unter Kontrolle.

"Du kannst wieder sehen?", fragte sie mich mit schwacher Stimme und kam auf mich zu. Ich nickte und ließ sie mich in ihre Arme schließen.

"Mutter, was habt ihr?" flüsterte ich in ihr Ohr. Sie drückte mich von sich und mein Vater zog mich am Arm von ihr fort.

"Hast du heute schon mal in einen Spiegel gesehen?", fragte er und ich blickte ihn skeptisch an, ließ mich aber dennoch von ihm zu dem kleinen Spiegel ziehen.

Ich glaube so entsetzt war ich noch niemals, zwar war es mein Gesicht, welches mir aus dem Spiegel entgegen blickte, doch etwas hatte sich geändert. Meine Augen waren einstmals dunkelbraun gewesen, aber jetzt.

Ich konnte meinen Anblick selbst nicht ertragen. Ich starrte mein Spiegelbild mit Silbernen Augen an und drehte mich langsam um.

"Das ist ein schlechter Scherz! Ich weiß zwar nicht wie ihr das gemacht habt, aber ich finde das ganz und gar nicht komisch.", sagte ich verzerrt und grinste äußerst dümmlich in den Spiegel. Hinter mir sah ich wie mein Vater den Kopf senkte und etwas murmelte. Es wurde mir nur langsam bewusst das es kein Scherz war. Ich griff nach dem Spiegel und Sekunden später zerschellte er in Splittern am Boden. Ich sah mich um, sah in die erschrockenen Augen meiner Mutter, das entsetze Gesicht meine Vaters und konnte mich einen Bruchteil einer Sekunde nicht bewegen.

Dann stieß ich meinen Vater beiseite und rannte aus dem Haus.
 

Das Dorf lag nicht weit entfernt von meinem großen, alten Baum auf den ich immer kletterte, wenn ich meine Ruhe brauchte.

Der große Baum war etwas besonderes, einmal fand mich mein Vater unter ihm und zum anderen gab es in der nächsten Umgebung keinen anderen Baum. Alle Bestände waren abgeholzt worden und niemand hatte daran gedacht neue zu Pflanzen. Aus irgendeinem Grund wuchs aber dieser Baum, kurz nachdem der letzte gerodet worden war. Auch diesmal brachte mich mein Weg dorthin und ich stützte mich mit den Händen gegen den Baum ab. Ich wünschte seine geheimnisvolle Macht würde mich schützen können und von seinem Wissen und seiner Weisheit die er in den unzählbaren Jahren seines da seins auf der Erde erlangt hatte würde wenigstens Teils auf mich übergehen. Doch der Baum verweigerte mir seine Hilfe und ich spürte, wie alles in mir erzitterte.

"Wieso ist das nur mir passiert? Warum nur mir? Hast du mich nicht schon genug gestrafft? War es nicht schon schlimm genug von den leiblichen Eltern ausgesetzt worden zusein?", jammerte ich und war mir mehr als je zuvor im klarem ab jetzt ein Außenseiter sein zu müssen.

Die ganzen Heuchler die hinter meinen Rücken murmelten und flüsterten, dass meine leiblichen Eltern ja einen Grund gehabt haben mussten, mich los werden zu wollen, sollten letztendlich rechtbehalten.

Ich war etwas abartiges.

Das Kind eines Monstrums wahrscheinlich.

Ein Etwas, kein "normaler" Mensch.

Diese Erkenntnis zwang mich zu Boden. Mein Bild von mir selbst veränderte sich, ich sah mich als Monstrum, dass durch seine Abartigkeit die Kinder erschreckt und Frauen die Türen zuschließen ließ. Lange blieb ich am Baum gelehnt stehen und haderte mit der Welt. Für einen kurzen und vollkommend erschreckenden Moment, dachte ich sogar daran meinem Leben ein würdeloses Ende zu bereiten, doch die danach aufkommende Wut auf meine leiblichen Eltern hielt mich letztlich von dieser entgültigen Lösung ab. Mitten in der Nacht schlich ich nach Hause zurück, ich wäre nicht zurückgekehrt, wenn mich der Hunger und die Kälte nicht unsanft überredet hätten.
 

Meine Mutter erwartete mich am Küchentisch. Schweigend reichte sie mir eine warme Decke und setzte einen Teller mit Brot und eine kleine Holzschale mit Milch vor mir auf den Tisch. Liebevoll strich sie mir kurz durch das Haar und ging in ihr Bett, dass im Wohnraum stand und nur durch einen Vorhang von diesem getrennt wurde. Ich beeilte mich aufzuessen und löschte die Kerze vor mir.
 

Ich dachte, dass es nichts schlimmeres geben konnte, als all das was ich bisher erleben musste, doch wieder einmal musste ich lerne, wie schnell ich mich doch irren konnte.

Die nächsten Wochen waren die bis dahin schlimmsten in meinem Leben, jeder versuchte mit gezwungner Miene mich nicht anzustarren, oder irgendetwas über meine Veränderung zu sagen.

Und mir war das alles zu wieder. Ich wurde immer gereizter, selbst meine Freunde waren für mich furchtbare Heuchler. Ich wünschte mir, das mich jemand ansprach, mich fragte wie es mir geht oder mir auch nur sagten das sie etwas Angst vor mir hatten. Ich war mir sicher jedes anderes Verhalten, nur nicht diese Ignoranz würde mir helfen können mit meiner Veränderung besser zurecht zu kommen.

Im nachhinein wird mir Bewusst, egal wie sie sich verhalten hätten, es mir recht zu machen war eine vollkommene Unmöglichkeit. Heute wünschte ich, ich hätte diese kurze Zeit noch genossen.
 

Mir war kaum aufgefallen wie meine Eltern sich veränderten, wie andere im Dorf lang gehegte Gewohnheiten aufgaben und wie geprügelte Hunde, fast unsichtbar durch die Straßen huschten, um sich das Nötigste zu besorgen. Ich musste wirklich blind gewesen sein, wenn ich all die ersten Anzeichnen so einfach übersehen konnte. Immer mehr Menschen machten einen übermüdeten und abgemagerten Eindruck, normalerweise sahen sie nur so aus, wenn das Essen im Winter knapp wurde oder eine Grippe im Umlauf war. Anfangs glaubte ich auch noch eine Grippe wäre die Ursache für ihr Verhalten, doch als noch nicht mal mehr die Ernte eingeholt wurde, oder die Tiere gefüttert wurden erkannte ich, das eine Grippe nicht der Auslöser sein konnte. Selbst wenn es diesen Menschen aus dem Dorf noch so schlecht ging, die Tiere bekamen immer ihren Anteil und ging es dem Nachbarn zu schlecht kümmerte man sich mit um das Feld des Nachbarn. Jedoch hatte ich es noch nie erlebt, durch eine Strasse zugehen und alle Fensterläden geschlossen zu sehen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte ich erkennen müssen, das weder eine Grippe noch irgendetwas anderes "normales" sie dazu bringen könnte nicht das Licht in Haus zu lassen, welches, ihrer Meinung nach, alle Schatten und mit ihnen das Böse vertrieb.

Die Erkenntnis das scheinbar ich für all das verantwortlich war, traf mich tief. Eigentlich hätte ich darauf vorbereitet sein müssen, aber auf das, was folgte, konnte ich mich nicht vorbereiten. Ich kam an einem Freitag früh nach Hause zurück, die Arbeit auf dem Feld hatte mich hungrig gemacht, sodass ich hoffte zuhause ein gutes Essen serviert zu bekommen. Schon von weiten konnte ich sehen, das die Läden geschlossen waren, als ich die Tür öffnen wollte merkte ich das jemand den Riegel davor geschoben hatte. Ich klopfte an und rief nach meinen Eltern, das sie mir die Tür doch öffnen sollten. Doch niemand kam und öffnete die Tür. Verwundert ging ich zu einem Fenster und versuchte die Lade zu öffnen, doch auch diese war verriegelt. Als ich daran rüttelte hörte ich einen verängstigten Schrei.
 

Die Stimme war vor Angst verzerrt, doch ich erkannt deutlich das es die meiner Mutter war. Ich spürte wie langsam ein gefährliches Gemisch aus Panik, Angst und Heldenhaften Tatendrang in mir hoch stieg, dessen widersprüchliche Ausprägungen mich fast um den Verstand brachten. So oder so, es war meine Mutter die dort drinnen geschrieen hatte, wer weiß was dort vorging, ich musste hinein und ihr helfen. Ich stürmte zurück zur Tür und riss am Türknauf. Ein knirschen und ächzen der Angeln machte deutlich, das meine Bemühungen erfolgreich sein könnten, also riss ich noch einmal mit aller Kraft an der Tür. Die Tür öffnete sich in meine Arme und ich hörte Metall klirren, als der Türriegel zu Boden viel. Mein Blick richtete sich in das dunkle Zimmer.

Langsam nur gewöhnten sich meine Augen an das schwache Licht. Ein unangenehmer Geruch aus Angst, Hass und Verzweiflung schlug mir entgegen und raubte mir den Atmen.

Vorsichtig betrat ich das Zimmer. Ich merkte das ich noch nicht mal eine Waffe hatte mit der ich mich oder meine Mutter hätte verteidigen konnte. Ich starrte in das dunkle Zimmer und versuchte einen Menschlichen umriss zu entdecken.

Ich hörte ein leises wimmern aus der Ecke des Zimmers. Ein paar Augen blickte mir irr von dort entgegen.

Erst dachte ich es wäre ein Tier, welches sich herein geschlichen hatte, doch dann hörte ich die Stimme meines Vaters.

Er brüllte mir verzweifelt wie ein verwundetes Tier im Todeskampf entgegen: "Verschwinde! Verschwinde du Monster! Hör doch auf damit, was haben wir dir denn getan?"

Ich stand regungslos im Raum und starrte auf die Silhouette in der Ecke. Schemenhaft konnte ich erkennen das meine Mutter ihr Gesicht an die Schulter meines Vaters presste. Mein Vater hatte die Arme wie ein Schild um sie geschlungen und seine Augen bannten meinen Blick. Als ich langsam auf sie zuging, war ich nicht mehr in der Lage auch nur das geringste zu fühlen. Ich hörte nur unbewusst wie meine Mutter aufkreischte und sich noch näher an meinen Vater drängte. Und mein Vater, mein Vater machte ein Zeichen, welches das Böse fernhalten sollte, dennoch ging ich weiter auf sie zu. Beruhigend wollte ich sie umarmen, wollte ihnen sagen, das es doch ich, ihr Sohn war. Erst jetzt erreichten die Worte meines Vaters mein Ohr. Wie ein Echo hallte die Stimme in meinem Kopf nach und mischten sich mit dem entsetzten Schrei meiner Mutter.

Ich blieb jäh stehen. Ich wusste nicht wovon er sprach. Ich wusste nicht was ich getan haben sollte, nur einem war ich mir sicher, er meinte mich, nicht irgendjemand anderen. Er verwechselte mich nicht, ich hatte ihnen solche Angst gemacht.

Und die Erkenntnis ihnen Angst gemacht zu haben, drohte mich nun doch vollends zu zerstören. Der Gedanke wie oder wann ich ihnen Angst gemacht haben könnte, war vollkommen gleichgültig, alleine das ich ihnen Angst gemacht hatte zählte.
 

Heute wünsche ich mir ich hätte danach gefragt, es hätte mir und vielen anderen so viel erspart.
 

Jedoch lief ich damals einfach davon. Es war nicht gerade ein besonders männliches Verhalten, aber ich vergötterte meine Eltern und ich hatte sie zu dem gemacht was sie jetzt waren. Ich hatte meine Eltern immer als Übermenschen gesehen. Ich kann mich nicht daran erinnern, sie jemals krank oder mutlos gesehen zu haben. Aber dort im Haus waren sie etwas anderes gewesen, etwas was ich mir nie hatte vorstellen können. Sie waren zerstört, vollkommen verängstigt und mehr als menschlich. Ich war der Grund für ihr Unglück, etwas was ich mir niemals im Leben verzeihen werde.

Andere würden sich heute vielleicht mit Unwissenheit schützten, aber ich kann es nicht. Ich war mir durch aus im klaren, das etwas an mir nicht normal war, das etwas an mir gefährlich war und das hätte mich schon dazu bewegen müssen sofort aus meinem Dorf zu gehen.
 

Viele Tage kam ich nicht einmal mehr in die Nähe meines Elternhauses. Wenn ich ins Dorf ging, um mir das Wichtigste zu kaufen oder zu erbetteln, geschah es immer häufiger, dass Bewohner, die um eine Ecke geschlichen kamen, einfach in Panik gerieten und vor mir weg liefen. Die Dorfbewohner verhielten sich bald alle mehr als merkwürdig und bei einigen zeigten sich die gleichen Verhaltensmuster wie meine Eltern. All das machte mich sehr nachdenklich und bewegten mich schließlich, nach zahllosen Nächten ohne schlaf und mit furchtbaren Gewissensbissen, noch einmal zum Haus meiner Eltern zurück zukehren.

Ich beeilte mich nicht besonders nach Hause zu kommen als ich dann doch den mut gefunden hatte in die Richtung aufzubrechen.

Unser Haus lag etwas abseits, der Vater meines Vaters hatte es gebaut.

Das Dorf war erst später dort unten gebaut worden. Erst in den letzten fünfzig Jahren hatte man sich bei uns auf den Fischfang spezialisiert. Alle Menschen die vorher hier oben auf dem Hügel gewohnt hatten, zogen so später nach unten an den Fluss.

Wir aber wohnten weiterhin abgelegen oben auf den Hügeln und meine Eltern genossen die Ruhe dort . Sie sagten immer, wenn ich sie fragte warum wir nicht bei allen anderen wohnen würden, das ihnen dort unten zu viele Menschen aufeinander wohnten, früher oder später wäre Streit unumgänglich. Das stimmt zwar meiner Meinung nicht ganz, aber ich wiedersprach ihnen nie. Ich mochte es ebenso wie sie dort oben zu wohnen, an Festtagen nach unten ins Dorf blicken zukönnen und dem geschäftigen treiben aus sicherem Abstand zu folgen bis die Vorbereitungen abgeschlossen waren, gehörte zu meinen Lieblingsbeschäftigungen. Ich drehte mich kurz um.

Das Dorf lag scheinbar friedlich und ruhig am Fluss, der sich an die Häuser anzuschmiegen schien, um dann hinter der Mühle in den Wald zu verschwinden. Allerdings wusste ich aus mir unerklärlichen gründen schon zu dem Zeitpunkt, das man dort unten nicht mehr so schnell ein Fest feiern würde und noch sichere war ich mir, das ich an diesem Fest nicht teilnehmen würde, noch nicht einmal würde ich es beobachten können. Schwerfällig drehte ich mich um und setzte den Weg fort. Schneller als mir lieb war kam das alte Haus näher. Ich blieb vor der Eingangstür stehen. Langsam hob ich die Hand und klopfe an. Ich erhielt keine Antwort und legte zaghaft die Hand auf den Türknauf und zog daran.

Die Tür war wieder verriegelt worden, genauso wie die Fensterläden immer noch geschlossen waren. Unschlüssig stand ich einige Zeit vor der Tür.

"M... Mutter? Vater?" rief ich bang mit brüchiger Stimme. Meine Hände hatte ich zu Fäusten geballt und starrte auf den Boden. Vergeblich wartete ich auf eine Reaktion.

Ich weiß nicht wie lange ich dort stand, die Sonne ging langsam unter, als ich mich dazu durchrang die Türe wieder gewaltsam zu öffnen. Entschlossen legte ich meine Hand wieder um den Knauf.

Jedoch stand ich dann vor der Tür und hatte die Hand ruhig am Türknauf liegen.

Ich konnte sie nicht öffnen, immer wieder musste ich an sie denken. Immer wieder erschien mir das gleiche Bild vor Augen.

Wie meine Mutter sich an meinen Vater drängte, die Augen die mich anstarrten und so voller blinden Hass waren.

Meine Hand sank langsam wieder vom Türknauf.

Ich wusste nicht so genau was ich nun machen sollte. Ich blickte mich um und versuchte jemanden zu sehen. Versuchte irgendetwas zu sehen. Doch alles lag ruhig und still vor mir. Wie an jedem anderen Tag auch.

Mit einemmal umklammerte etwas mein Herz und meine Seele.

Meine Beine bewegten sich automatisch auf eins der Fenster zu.

Meine Finger schoben sich durch den schmalen Spalt zwischen den beiden Läden aus Holz. Ich ließ meine linke Hand nach oben gleiten, bis ich mit den Fingern gegen den Riegel stieß. Ich versuchte ihn nach oben zuschieben, aber es gelang mir nicht. Unbehaglich schluckte ich. Normalerweise ließ sich der Riegel einfach nach oben schieben, oft war ich nachts von heimlichen Ausflügen schon auf diese Weise nach Hause zurück gekommen.

Ich setzte meinen rechten Fuß an die Hauswand und lehnte mich leicht zurück, dann zog ich mit aller Kraft an den Läden, bis sie letztlich ächzend nachgaben.

Ich hatte Spliter in den Fingern und ich merkte wie langsam Blut an ihnen herunter lief.
 

Eines der Fensterläden hing nur noch an einem Scharnier fest, der andere lehnte an der Wand und der Riegel baumelte lose daran. Durch das Fensterglas viel Licht in eins der Zimmer und ich presste meine Hände und das Gesicht an das kühle Glas. Ich späte in das Zimmer und konnte niemanden darin sehen. Langsam stieß ich das Fenster auf und lehnte mich hinein, auch jetzt konnte ich niemanden sehen.

Ich erschrak als ich spürte wie mir etwas auf die Hand tropfte. Mein Blick richtete sich automatisch auf den Tropfen und dieser bannte meinen Blick. Von meinem Handrücken ran langsam ein kleiner roter Tropfen und mischte sich mit meinem Blut, das an meinen Finger langsam trocknete. Langsam, unsicher ob ich es wirklich wagen sollte, hob ich den Kopf und sah an die Decke. Ein unglaublicher Gestank erreichte mich von dort oben, doch seine Quelle konnte ich erst erkennen, als ich mich noch ein Stück weiter in das Zimmer hinein lehnte. Meine Finger bohrten sich in das Holz des Fensterrahmens und ich spürte wie mir Tränen über das Gesicht liefen. Unkontrolliert begann ich am ganzen Körper zu zittern und konnte den Blick nicht mehr von meinem Vater richten, der dort oben aus der Luke des Dachbodens baumelte. Nach einiger Zeit senkte ich den Blick wieder, zog meinen Oberkörper aus dem Fenster zurück und stieg mit einem Bein über die schmale Fensterbank. Meine Füße berührten den Boden, nachdem ich einen Schritt gemacht hatte verursachten meine Sohlen ein widerwärtiges Geräusch, als sie sich schmatzend von dem schon zäh werdenden Blut meines Vaters lösten. Angeekelt zwang ich mich weiter zugehen, während ich versuchte nicht auf die Geräusche zuachten. Ich öffnete noch ein paar Fensterläden um besser sehen zu können, und den widerlichen Gestank zu mindern.

Mein Vater hatte sich über meinem Zimmer erhängt.

Das rechte Hosebein war Blut durchtränkt.

Ich stellte vollkommen nüchtern fest, das mein Bett und all meine andern Besitztümer zertrümmert im Zimmer verteilt waren. Die Leiter, die zum Dachboden führte, lag umgestoßen auf dem Boden. Ich stellte sie wieder auf und kletterte daran, vorbei an meinem Vater, nach oben auf den Dachboden.

Dort sah alles wie immer aus, nur das ein Seil durch den halben Raum gespannt worden war. Meine Hände griffen nach dem Seil an dem mein Vater hing. Ein Schmerz zuckte durch meine geschundenen Hände, die Arme hinauf bis in meinen Nacken. Ich sah wie mein Blut am Seil herunter lief, zog aber dennoch weiter, bis ich mit einer Hand den Hemdkragen meines Vaters packen konnte und hievte ihn nach oben.

Mit meinem Messer schnitt ich das Seil durch und schloss seine Augen, die trübe ins Nichts starrten. Als ich die Schlinge über seinen Kopf zog viel mein blick auf sein Bein. Unsinnigerweise verspürte ich das Bedürfnis ihm die Wunde zu versorgen. Mit der Zunge versuchte ich meine spröden Lippen zu befeuchten, aber mein Mund war wie ausgetrocknet. Vorsichtig bette ich seinen Kopf auf meinem Schoss und strich durch sein Haar. Sein Gesicht war abgemagert und er hatte viel mehr Falten bekommen. Um seine Lippen spielte ein erleichtertes Lächeln.

Unweigerlich erinnerte ich mich daran, wie ich ihn zum ersten mal gesehen hatte.

Seine braunen Haare klebten an seinem Gesicht, weil der Regen ihn vollkommen durchnässt hatte. Seine grünen Augen leuchteten mir besorgt und liebevoll entgegen und seinen Mund prägte ein harter, aber leibesvoller Ausdruck. Ich spürte wieder seine Hand, die sich auf meine Stirn legte, um zu prüfen ob ich Fieber hatte. Ich spürte wie er mich in den Arm nahm, spürte seinen warmen, lebendigen Atem auf meiner kalten Haut. Hörte seine Stimme, die mir beruhigend zuredete, während er mich nach Hause trug.

Die Haut die ich jetzt streichelte war kalt. Kein Atem entwich mehr seinem Körper. Sein Blick war trübe und ohne jegliches Anzeichen auf Leben. Die Hände ruhten an seiner Seite und die Haare umgaben wirr und ungekämmt sein Gesicht. Seine Stimme brannte sich nicht liebevoll und freundlich, sonder verängstigt und Hass erfüllt in mein Gedächtnis ein. Die letzten Worte waren nur noch da, nichts anderes mehr, kein leibvolles Wort.

Nur unwillig legte ich seinen Kopf auf den Holzboden. Ich stand auf, holte etwas Stroh und schob es unter seinen Kopf. Ich knöpfte meine Jacke auf und legte sie über sein Gesicht.
 

Wiederwillig ließ ich ihn alleine auf dem Dachboden zurück. Ich musste meine Mutter finden. Als ich meine Zimmertür öffnete starb auch die letzte kleine Hoffnung in mir, meine Mutter lebend finden zu können.
 

Die Küche war verwahrlost.

Es standen all unsere Teller benutzt auf dem Tisch oder Boden. Die Reste des Essens schimmelten schon langsam und unnatürlich viele Fliegen zogen ihre Bahnen in der abgestanden Luft des Zimmers.

Die Abtrennung, welche das Bett meiner Eltern zur Küche abgrenzte, war zerrissen. Ich konnte auf das Bett meiner Eltern sehen. Mir kam nicht der leiseste Zweifel, das die leblose Gestallt auf dem Bett meine Mutter war. Ich ging näher an das Bett und zerbrach einen Teller, als ich auf ihn trat.

Ihre Hände lagen gefaltet auf ihrem Bauch und der Rosenkranz lag in ihren steifen Fingern. Sie trug ihr bestes Kleid.

Noch ein paar Schritte näher und ich konnte in ihr Gesicht sehen.

Jemand hatte ihr die Augen geschlossen. Ihr langes blondes Haar umrahmte schimmernd ihr sanftes Gesicht. Die Silberohringe die sie zu ihrer Hochzeit getragen hatte lagen auf ihrem Haar auf und funkelten und blitzten so schön wie eh und je. Ihr Mund war entspannt und blutleer. Alle Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen. Das sonst leicht rundliche Gesicht mit rosigen Wangen war eingefallen und ebenso abgemagert wie das meines Vaters.

Mein Auge suchte nach der Ursache ihres Todes. Ich entdeckte über ihrem Herzen einen einzigen kleinen Einstich. Es war nicht viel Blut geflossen, als mein Vater ihr das Messer zu einem kurzen schmerzlosen Tot ins Herz gestoßen hatte.

Nur mein Vater konnte so Präzise jemanden umbringen. Ich hatte ihn oft beim Schlachten beobachtet. Er hatte die Tiere immer erst durch einen Stich in das Herz getötet, bevor er ihnen die Kehle durchschnitt und zum ausbluten aufhängte.

Ich küsste meine Mutter noch einmal auf die Stirn, dann öffnete ich alle Fenster.

Die Tür war mit Brettern zugenagelt worden, das machte es für mich unmöglich sie schnell zu öffnen.

Selbst zum öffnen der Fenster hatte ich schon viel Zeit geraucht, weil mein Vater über die Metallstange, nach dem er sie in der Öse eingehakt hatte, einen Nagel geschlagen hatte.

Also räumte ich erst einmal die Teller beiseite und wusch sie ab. Ich ging in mein Zimmer und beseitigte das Chaos dort so gut ich konnte. Ich zog mir frische Kleidung an, nachdem ich mir das Gesicht gewaschen hatte. Vorher hatte ich einige Zeit nach meinen Trauerkleidern gesucht, aber leider passten sie mir nicht mehr. Das letzt mal hatte ich sie mit 13 auf der Beerdigung meines Großvaters getragen. So trug ich nun die dunkelsten Kleider die ich besaß und setzte mich an den Tisch. Mein Kopf ruhte auf meinen Armen, aus meinen Augen flossen ununterbrochen tränen, die meinen Ärmel durch nässten. Den Blick konnte ich nicht von meiner Mutter nehmen.
 

Wenn ich heute daran zurückdenke spüre ich immer noch die Kälte in meinem Herzen. Viele Dinge erscheinen mir jetzt so irreal. Wie hatte ich einfach aufräumen können? Wie hatte ich mich einfach umziehen können? Alles im Haus wo meine Eltern lagen.

Ich denke, man macht viel wenn man unter schock steht.
 

Unendlich viele Stunden später beruhigte ich mich wieder etwas. Mein Herz war schwer und ich hatte keine Tränen mehr, die ich hätte weinen können, wenn ich nicht schon viel zu müde dafür gewesen wäre. Trotzdem stand ich langsam auf, kletterte aus dem Fenster und holte die Axt hinter dem Haus hervor. Ich ging den Weg zurück durch mein Zimmer, bis ich in der Küche vor der Haustür stand. Die Axt lag schwer in meiner Hand, mein Arm hob sich nur langsam an. Als das erste Brett unter der Wucht des Schlages brach, überkam mich Verzweiflung. Unkontrolliert schlug ich immer wieder auf die Bretter ein. Nachdem der Weg eigentlich frei war und ich die Tür hätte öffnen können, sah ich wie die Axt die Tür durchdrang. Mechanisch schlug ich immer weiter auf sie ein, bis nichts mehr den Weg nach außen versperrte. Die Axt viel aus meinen Händen und blieb mit der Schneide im Fußboden stecken.
 

Ich drehte mich auf dem Absatz um und ging zu dem Bett, auf dem meine Mutter lag. Ich schob meine Hand unter ihren Nacken und die andere unter ihre Knie. Langsam hob ich sie hoch. Ihre Arme vielen an ihrer Seite herab und der Rosenkranz baumelte an den verkrampften Fingern, ihr Nacken war weit überstreckt, sodass ein Teil ihre Haare bis an meine Knie reichte. Vorsichtig ging ich mit ihr durch die Türe und legte sie im warmen Licht der aufgehenden Morgensonne auf das weiche, feuchte Gras.

Meinen Vater vom Dachboden zu holen war weitaus schwieriger. Aus einem unnatürlichen Grund hatte ich Angst ihm schmerzen zu bereiten. Nach dem ich mehrmals vergeblich versucht hatte ihn auf den Schultern oder dem Rücken herunter zu tragen, nahm ich das Seil und zog es unter seinen Achseln hindurch.

Meine Jacke sollte das einschneiden des Seils in das Fleisch verhindern, während ich ihn langsam aus der Luke nach unten gleiten ließ.

Mein Herz blieb stehen als ich unversehens kein Gewicht mehr am Seil spürte und eine Sekunde später einen dumpfen Aufprall vernahm. Ich wurde bleich und mein Magen krampfte sich zusammen. Ich hätte mich beinahe übergeben müssen, nur schwer konnte ich dem drang wieder stehen meinen geringen Mageninhalt in einer der Ecken zu entleeren. Ohne nach unten zu sehen kletterte ich die alte Leiter hinab. Auf der vorletzten Stufe drehte ich mich vorsichtig um und sprang über die seltsam verschlungen, daliegende Leiche meines Vaters. Ich blickte auf ihn hinab und mir wurde erneut schlecht. Vorsichtig drehte ich ihn auf den Rücken und zog einen Arm unter seinem Rücken hervor. Seine Beine legte ich ebenso wieder gerade hin.

Seine Kleider waren voller Blut und klebten an seiner Haut. Bevor ich ihn nach draußen bringen konnte, musste ich ihn noch waschen und neue Kleider anziehen.

So holte ich Wasser, einen Leinenlappen und seine Sonntagskleider. Ich nahm mir viel Zeit um ihn zu waschen, die Haare zu kämmen und neu einzukleiden. Nachdem ich ihn fertig hergerichtet hatte, versuchte ihn ebenfalls auf die selbe art wie meine Mutter hinaus zutragen, doch ich war nicht mehr stark genug. So musste ich seine Arme um meinen Hals legen und ihn auf den Rücken nach draußen schleppen. Ich legte ihn neben meine Mutter, danach betrachtete ich die beiden lange.

Sie sahen friedlich aus.

Wären ihre Gesichter nicht maskenhaft und leer, hätte man annehmen können sie schliefen. Ich setzte mich neben sie und hielt Totenwache.

Der Tag ging schnell vorüber, ich merkte in einem Moment noch wie die Sonne auf mein Haar viel und im nächsten erleuchtete nur noch das Licht des Mondes schwach die Nacht. Früh am nächsten morgen richtete ich mich auf, streckte meine steifen und schmerzenden Beine, bevor ich in das Haus ging und den Spaten heraus holte.

Bis ich einen geeigneten Platz gefunden hatte dauerte es eine gewisse Zeit, ich entschloss mich dann aber sie etwas entfernt auf dem höchsten Punkt des Hügels zu beerdigen. Ich hob innerhalb eines weiteren Tages zwei Gräber aus. Beide Gräber waren ungefähr zwei Meter tief, und ebenso lang. Ich legte Stroh auf den Boden und drüber noch einige Decken.

Dann holte ich die Grabbeigaben aus dem Haus.

Ich hatte mich für ein paar persönliche Gegenstände entschieden, die meinen Eltern sehr wichtig gewesen waren. Anfangs wollte ich jedem von ihnen noch etwas von mir mit geben, ließ es aber am Ende doch sein.

Ich war der Grund, warum sie jetzt hier so vor mir lagen, da hatte ich nicht das Recht ihnen etwas mit zugeben, was sie höchstwahrscheinlich im Himmel verärgert hätte.

Mir war sehr unwohl als ich die Erde auf ihre Körper fallen ließ. Ich hatte immer noch nicht begriffen, das sie wirklich tot waren. Ich konnte mich nicht daran gewöhnen, das sie nicht ersticken konnten, wenn ihnen die Erde wie jetzt auf das Gesicht viel. Ich konnte nicht glauben, dass ich nie mehr mit ihnen sprechen konnte, mich nie mehr bei ihnen entschuldigen konnte.
 

Sie sollten kein Namenloses Grab bekommen. Doch Geld um einen Grabstein zu kaufen hatte ich damals nicht. So nahm ich ein paar der Bretter, mit denen die Tür verriegelt gewesen war und zimmerte zwei schlichte kreuze. Mit meinem Messer schnitzte ich ihre Namen und ihren Todestag hinein. Ich stellte sie sicher auf, und legte nun meine Persönlichen Sachen, die ich ihnen eigentlich ins Grab hatte legen wollen, vor die beiden Kreuze. Meiner Mutter hatte ich mein erstes kleines geschnitztes Tier gegeben und mein Vater bekam den breiten Holzring.
 

Ich trauerte eine Woche um meine Eltern.

Trauern bedeutet für mich zu fasten und mich mit nichts anderen als den Toten zu beschäftigen. In einer Woche ließ ich mein ganzes leben Revue passieren, erinnerte mich an alle schönen und auch schlechten Zeiten.

Lachte einsam über vergangene Witze und erinnerte mich alleine an manchen sinnlosen Streit.

Das Gefühl des allein seins stellte sich ein. Ich fürchtete mich davor, die nächsten Jahre ohne meine Eltern verbringen zu müssen. Nicht nur meine Eltern hatte ich verloren, ich würde auch die Dorfbewohner und damit meine Freunde verlieren.
 

Der Entschluss das Dorf nun endgültig zu verlassen, war keiner der mir leicht viel. Es war jedoch der einzigste Ausweg die Bewohner vor mir zu schützen.

So packte ich ein Bündel mit den wichtigsten Kleidungstücken und Gebrauchsgegenständen, bevor ich das letzte mal das kleine Dorf betreten sollte. Ich brauchte Verpflegung und vielleicht noch ein paar Karten, bevor ich mich auf die Reise begab. Mir war es unmöglich zurück zu dem immer kleiner werdenden Haus zublicken. Hätte ich es getan, wäre ich sofort dorthin zurück gekehrt. Wenn man es genau nimmt war ich ein kleiner schwacher Junge, der nur glaubte zu wissen was er tat. Doch wirklich wollte ich jemanden haben, der mich an die Hand nahm, mich führte und jeden einzelnen Schritt, den ich zu gehen hatte, genau erklärte. Still hatte ich gehofft jemanden im Dorf zu finden, der sich erbarmte und für mich diese Rolle übernahm, allerdings sollte mich im Dorf etwas ganz anderes erwarten.

Ich betrat die Marktstrasse durch eines der kleinen Gässchen. Ich konnte niemanden entdecken, sogar die Läden hatten geschlossen. Ratlos stellte ich mein Bündel auf den Boden und fuhr mir mit der Hand über die Augen. Danach erinnere ich mich nur noch daran, wie mich ein dumpfer Schlag in eine rasche Bewusstlosigkeit fallen ließ.
 

Nachdem aufwachen wäre ich am liebsten wieder ohnmächtig geworden. Der Kopf dröhnte und etwas auf meinem Hinterkopf sendete zusätzlich Schmerzkaskaden aus. Ich konnte mich nicht richtig bewegen, meine Glieder gehorchten mir nur wiederwillig. Dennoch spürte ich sofort, das ich nicht gefesselt war. Meine Finger tasteten über den Hinterkopf und zuckten zurück, als sie schmerzen auslösten. Das Licht in diesem Raum war schlecht, welches ich aber nicht benötigte um zu wissen, dass die klebrige Flüssigkeit zwischen meinen Fingern Blut war. Vorsichtig versuchte ich mich aufzurichten, mir wurde jedoch sofort schwindelig, was mich dazu nötigte erst einmal mit einer sitzenden Haltung vorlieb zu nehmen. Ein leises knarren ließ mich aufhorchen, danach kamen schwere Schritte immer näher.

"Ist ER da drinnen?" hörte ich eine tiefe Stimme, die ich noch nicht eindeutig zuordnen konnte. Aber wie der Redner das Wort "Er" betonte, ließ mich sicher gehen das ich damit gemeint war.

"Ja, wir haben ihn auf dem Marktplatz gestellt. Was sollen wir mit ihm machen?" erklärte eine andere Person, deren Stimme sich weitaus weniger sicher und leicht verängstigt anhörte.

"Hat er noch nicht gestanden?" fragte die tiefe Stimme und ich hörte wie er näher auf die Türe zukam.

"Nein, er war noch nicht bei Bewusst sein. Aber was soll er denn noch gestehen? Jeder weiß das er es ist! Keiner will hier eine Verhandlung! Jeder weiß, das nur sein Tot uns erlösen kann!" der andere Mann hatte sich in rage geredet, und als er dann von meinem Tot sprach, sprang ich trotz meiner Übelkeit auf.

Draußen entstand eine heiße Diskussion.

Der Mann mit der tiefen Stimme, den ich in der Zwischenzeit als Exo den Müller erkannt hatte, verteidigte mich sozusagen indem er eine ordentliche Verhandlung für mich forderte. Der andere, meiner Meinung nach Bob, hielt aber daran fest mich ohne Verhandlung auf der Stelle zu töten.

Keiner von beiden merkte, dass ich bei Bewusstsein war und jedes einzelne Wort hörte.

Plötzlich brach der Streit ab und ich vernahm das angestrengte atmen zweier Männer, das scharren und schlürfen von Füssen. Hörte wie Kochen aufeinander prallten, und dann ein erschrockenes Keuchen.

Was dann folgte ließ mich am ganzen Körper zittern, ich hörte wie einer der beiden Männer zu Boden ging und kurz darauf ein röcheln, was sich mit dem irren, leisen Kichern einer anderen Person mischte.

Als ich erkannt was dort geschah sprang ich wieder auf, hämmerte mit den Fäusten gegen die Bretter und schrie mit voller Kraft.

Und so plötzlich wie es angefangen hatte hörte es auch wieder auf. Ich ließ meine Hände sinken und verstummte. Von draußen hörte man, wie sich ächzend jemand erhob und näher kam.

Je näher er kam, desto weiter wisch ich zurück.

Der Mörder steckte einen Schlüssel in das Schloss, während ich gebannt auf den die Klinke starrte. Langsam wurde sie nach unten gedrückt und die Türe geöffnet. Sofort erkannte ich den Ausdruck in den Augen wieder, mit denen mich Bob anstarrte.

Mein Vater hatte mich so angesehen.

Bob begann zu kichern.

"Weißt du, was meine Großmutter immer gesagt hat? Das Böse kann man nur mit Licht vertreiben. Liegt es da nicht nahe, dich mit unserer Lichtquelle zu töten?", fragte er leise und hielt eine Fackel in den kleinen Raum. Meine Augen weiteten sich entsetzt.

Er wollte mich verbrennen.

Panik stieg in mir auf, ich presste meinen Rücken an die hinterste Wand und schlang die Arme um mich.

"Oh, es scheint schon zu wirken. Wie ist das Gefühl der Angst? Wie meinst du, werden sich die Flammen auf deiner Haut anfühlen?" Bob kicherte wieder, ließ die freie Hand spielerisch die Hitze testen, und starrte mich an.

"Bevor wir weiter machen, oder besser, erst einmal richtig anfangen, möchtest du noch dein Gewissen erleichtern? Soll ich ihnen vielleicht ausrichten, warum du uns all die Jahre getäuscht hast? Warum du uns das jetzt antust, wo wir dich doch so offen aufgenommen haben?" wollte er von mir wissen, ich aber konnte ihn nicht einmal mehr ansehen. Ich war an der Wand herunter gerutscht und saß nun apathisch am Boden.

"Nein? Dann viel Spaß auf dem Weg zurück in die Hölle!" rief er während er die Fackel auf den Boden warf. Er lachte höhnisch, während er die Türe zuschloss. Ich hörte ihn auch noch lachen als er die Treppe nach unten ging.

Ich erwachte erst aus meiner Apathie, als die Hitze der Flammen an meinen Beinen leckte und der Rauch mir das Atmen erschwerte. In mir entbrannte die Flamme des Selbsterhaltungstriebes. Ich kämpfte mich zu der Türe durch und griff nach der Türklinke. Ich stieß einen Schmerzensschrei aus, als ich die Klinke berührte. Durch das Feuer, hatte die Klinke sich erhitz und ich war so dumm gewesen und hatte sie ungeschützt angefasst.

Meine Hand schmerzte und dieser Schmerz ließ mich nicht das Bewusstsein verlieren. Ich trat die Türe mit letzter Kraft ein und fiel in den Vorraum. Viel Zeit zum Luftschöpfen hatte ich nicht, denn ich spürte wie etwas mein Bein verbrannte. Erschrocken sah ich, wie meine Hose brannte und schlug verzweifelt das Feuer aus. Erst jetzt konnte ich mich wieder auf die Außenwelt konzentrieren und sah das auch der Vorraum samt Treppe brannte. Ein Blick nach draußen zeigte, das auch schon die benachbarten Häuser brannten. Der Rauch ließ meine Augen tränen, ich sah nur noch verschwommen meine Umgebung. Husten schüttelte meinen Körper und machte das voran kommen für mich so schwierig. Das Geländer brach unter meiner Hand zusammen und ich stürzte ein paar Stufen nach vorne, um mein Gleichgewicht wieder finden zu können.

Auf dem ersten Treppenabsatz hielt ich kurz an und sah nach unten. Das Feuer hatte die unterste Etage noch nicht erreicht, aber es würde nicht mehr lange dauern bis auch das Feuer die letzte Etage verschlang. Ich stolperte mit letzter Kraft die Stufen nach unten, meinen Arm fest auf Mund und Nase gepresst. Die Haustür öffnete sich quietschend und der Rauch drang auf die Straße.

In der Mitte der Straße viel ich auf den Rücken. Mein Kopf drohte zu zerspringen, meine Hand konnte ich nicht mehr bewegen, dafür schickte sie einen pochenden Schmerz durch meinen Arm, übermeinen Nacken, bis in den Rücken. Mein rechtes Bein spannte und schien immer noch heiß vom Feuer. Der Schmerz dieser Verbrennung war anders, er war anhaltend gleich stark und traf sich mit den Schmerzwellen der Hand in der Mitte meines Rückens.
 

Selbst wenn ich gewollt hätte, ich war nicht mehr in der Lage mich zu Bewegen. Der Husten ließ mich nicht wieder zu atmen kommen, meine Augen tränten immer noch ununterbrochen. Aus meinem Hals drangen ächzende Geräusche. Zum Schreien hatte ich nicht genug Atem.

Nach schier endlosen Minuten versuchte ich Hilfe herbei zurufen, doch auch jetzt brachte ich nicht mehr als ein gurgeln und grunzen zustande. Unter Tränenschleiern sah ich, wie das Feuer immer weiter um sich griff, doch niemand kam aus den Häusern. Die Menschen blieben in Ihnen und rührten sich nicht. Sie mussten aber doch gemerkt haben das es brannte. Die Flammen erhellten den späten Nachmittag und der stetig ausströmende Rauch erschwerte das Atmen. Als ich plötzlich ein Kind schreien hörte, schoss Adrenalin durch meinen geschundenen Körper, ich schaffte es mich auf meine Arme zu stützen und musste mit ansehen, wie eine menschliche Fackel aus dem Haus vor mir stürzte. Die Arme weit zum Himmel gereckt und albern jauchzend taumelte sie auf die Straße. Einige Meter neben mir viel sie auf den Boden und in meine Nase drang der Geruch verbrannten Fleisches.

Mir wurde schlecht.

Der Mann kniete auf der Straße, ich sah wie sein kahler Schädel von Flammen umhüllt war. Der weit aufgerissene Mund brachte unverständliche Laute hervor und die Augen waren leere Höhlen. Seine Haut war rissig und große Blasen bildeten sich über all. Die Laute verstummten und der Mann viel nach vorne, die Flammen verschlagen seinen Körper weiter und ich starrte ihn nur an. Geschockt versuchte ich auf ihn zu zukrischen. Doch ich konnte nicht. Dieser unglaubliche Gestank. Dieser vollkommen entstellte Körper.

Den Geruch von verbrannten menschlichen Fleisch, habe ich nie mehr vergessen. Heute noch rieche ich, wenn ich etwas brate, den Geruch aus dem Dorf.

Als ich mich aber damals endlich von dem Toten abwand, stand das ganze Dorf in Flammen.

Ich rappelte mich auf und humpelte in Richtung des Brunnens. Ich zog den Eimer mit Wasser aus ihm und schüttete in auf die Flammen.

Meine Versuche waren lächerlich. Ich kämpfte mit Daunen gegen eine bestens ausgerüstete Armee. Ich ließ den Eimer fallen, zog das verbrannte Bein hinter mir her, auf eins der weiter entfernten Häuser zu. Die Tür war nicht verschlossen. Ich öffnete sie und betrat schreiend den Raum. Niemand antwortete mir. Ich schleppte mich die Treppe nach oben und fand die Bewohner des Hauses in einem der Schlafzimmer.

Sie waren alle Tot.

Nicht das Feuer hatte sie getötet, oder der Rauch. Neben dem Tisch lagen vertrocknete rote Beeren von einer Eibe. Die Menschen waren schon länger Tot.

Ich drehte mich einfach um und verließ das Haus wieder. Ihnen konnte ich nicht mehr helfen. Die Flammen hatten die ersten Häuser einstürzen lassen. Ich merkte gar nicht wie viele Stunden schon vergangen waren. Für jeden Meter den ich zurücklegte brauchte ich unbeschreiblich Zeit. Alleine die Konzentration, die ich aufbringen musste um mich auf das gehen zukonzentrieren kostete mich viel Kraft.
 

Am Ende jedoch stand ich trotz aller Bemühungen verschmutz, verlassen und voller Entsetzten in den Trümmern dieses Dorfes.

Hier und da glommen noch ein paar Holzbalken, aber es hatte niemand überlebt. Ich war noch in einigen anderen Häusern gewesen, aber auch dort waren alle tot. Selbst die kleinen Kinder hatte man nicht zurückgelassen.

Aber ich wusste, das einige bei lebendigem Leibe verbrannt sein mussten. Ihre Schreie hatten mich vorangetrieben, hatten mich davon abgehalten mich einfach nur hinzusetzten und aufzugeben. Doch alles war umsonst.

Ich hatte meine Hand und das Bein notdürftig verbunden. Das Wasser im Brunnen war Eiskalt gewesen und hatte den Schmerz schnell betäubt, doch vor den kommenden Tagen hatte ich Angst. Die Schmerzen ließen sich nicht immer unterdrücken. Nicht ewig würde mein Köper taub vom Seelischenschmerz sein.

Als die Schmerzen langsam zurück kehrten, begrüßte ich sie doch.

Sie zeigten mir das ich noch am Leben war. Ich zwang mich, nicht mehr an all das zu denken was hier geschehen war. Ich durchstöberte die Trümmer und fand viele, bis zur Unkenntlichkeit verbrannte Körper, jedenfalls hielt ich die verkohlten brocken mit annähernd Menschlichehrgestallt für solche. Hier und da hatten einige Münzen das Feuer überstanden. Ich steckte sie in meine Taschen und suchte vergebens etwas anderes anderem zum Anziehen. Meine Kleidung war verrußt, an einigen Stellen angesenkt und mein Hosenbein war fast bis zum Knie angesenkt. So konnte ich auf keinen Fall ungesehen aus dem näheren Umkreis entfliehen. Bald würde Hilfe aus den Nachbardörfern eintreffen, welche das Schimmern des Feuers und den Qualm gesehen haben mussten. Sie würden alle im Dorf tot vorfinden.

Nur ich war nicht besonders schwer verletzt und hatte überlebt. Sie würden den Verdacht haben, der durch meine Augen untermauert wurde, das ich der Brandstifter gewesen sein musste. Was dann kommen würde war nicht schwer vorstellbar. Daher musste ich bevor jemand hier eintraf, verschwunden sein.

Auf der Bleiche fand ich einige Hemden, die schon länger dort liegen mussten, da sie erneut verschmutzt waren. Für meine Hose fand ich keinen Ersatz. Ich schnitt sie an jedem Bein Gleichlang ab und beschloss mir schnellst möglich eine neue Hose zu kaufen.

Die Entscheidung, in welche Richtung ich nun gehen wollte, ließ ich den Zufall übernehmen. Ich drehte mich kurz und ließ einen Stock, während ich mich drehte, fallen. In die Richtung in die er zeigte, ging ich schließlich. Ohne viel Gepäck machte ich mich auf den Weg in Richtung Westen. Und versuchte alles zurückzulassen.
 

Im laufe der Zeit heilten meine Verletzungen schnell. Ich blieb nie lange in einem Dorf, ich kaufte mir überall nur das Nötigste. Das Geld aus dem Dorf ging dennoch schnell zu ende. Arbeit fand ich keine, jeder hatte Angst vor mir. Ich hörte viele Gerüchte über das Dorf. Einige erzählten, die Dorfbewohner hätten eine Hexe erzürnt und sie hätte sich an ihnen mit einem verheerenden Feuer gerächt.

Andere waren der Meinung, es handele sich um einen Unfall. Jemand habe vergessen eine Kerze zu löschen und das Feuer hätte die Bewohner im Schlaf überrascht. Und dann gab es noch welche, die Nahe an die Wahrheit kamen.

In einem Bäckerladen kaufte ich gerade ein halbes Brot, als ich hinter mir jemand reden hörte.

"Hast du auch von der Cousine des Müllers gehört?", tratschte eine Frau hinter mir.

"Nein, ich wusste noch nicht mal das er eine Cousine hat." erwiderte die Jüngere interessiert.

"Stell dir vor, diese Cousine ist Tot!" sagte die Ältere begeistert und vollkommen entrüstet antwortete die andere: " Nein, sag bloß! Das hat man ihm aber nicht angemerkt!"

"Sie standen sich nicht besonders Nahe. Aber hör zu! Das besondere ist ja wie sie gestorben ist! Es war keine Krankheit, nein das ganzes Dorf in dem sie lebte wurde ausgelöscht!"

"Nein, wirklich?"

"Ja doch. Warte es wird noch besser. Man sagt ein geheimnisvoller Mann soll kurz vorher ins Dorf gekommen sein. Einer mit silbernen Augen. Die Dorfbewohner haben ihn vertrieben und Steine nach ihm geworfen. Und er soll sich dann bestialisch an ihnen gerecht haben!" erzählte die Frau.

Ich wurde blass. Automatisch zog meine Hand die Kapuze noch tiefer in mein Gesicht. Ich merkte nicht wie der Bäcker mir das Brot reichte, mir ging nur der Gedanke durch den Kopf woher sie das wissen konnten.

Wer hatte mich gesehen?

Wer war dem Feuer entkommen und hatte von mir berichten können?

Der Bäcker stieß mir das Brot an die Brust. Automatisch griff ich zu und streckte, das schon abgezählte, Geld ihm entgegen. Hinter mir schwätzten die Frauen ohne sich stören zu lassen weiter.

Bevor ich aus dem Laden ging konnte ich noch hören, wie sie von dieser blutdürstigen Tat berichtete.

"Mit einer Handbewegung hat dieser Teufel das ganze Dorf in brannte gesteckt. Er hat die Türen verschlossen und die Frauen und Kinder verbrennen lassen. Als sie anfingen zu schreien, soll er höhnisch gelacht haben. Seine Augen sollen kalt geglänzt haben und er soll in den Flammen gestanden haben ohne sich auch nur ein Haar zu versenken."

Ich war froh, als die Tür endlich hinter mir zu schlug.

So weit war also die Geschichte über das Dorf schon vorgedrungen. Ich musste mir schnell etwas einfallen lassen, wie ich die Zeit unentdeckt verbringen konnte, bis sich niemand mehr um die Geschehnisse kümmerte. Das einzige was mir einfiel und relativ sicher zu sein schien, war eine Zuflucht weit abgelegenen von den Menschen.

Damit beschloss ich weiter zu wandern.

Kapitel 2- Die Wanderung

So da mir jemand einen sehr netten kommi geschrieben hat hab ich mich daran erinnert das ich das ganze ja hier gar nicht mehr weiter gepostet habe ^^;;
 


 

Kapitel 2- Die Wanderung

Eine Wanderung kann vieles ans Licht bringen.

Sie öffnet einem die Augen.

Nicht nur die Augen, manchmal auch das Herz.

Und manchmal bringt sie Dinge an das Licht des Tages die man lieber nicht sehen will.

Meine Wanderung brachte mir einige Erkenntnisse, über mich, mein weiteres leben und über das was ich den Menschen antue.

Ich musste erkennen das meine Wanderung niemals enden würde, nicht solange ich noch jeden morgen aufwache und nicht solange ich diese Fehler nicht beheben kann.

*~~~*
 

Ich gewöhnte mir schnell an, nur noch nachts zu wandern, um den Menschen noch weiter aus dem Weg zu gehen. Es ist schier unvorstellbar mit was sich ein Mensch alles abfinden kann. Essen wurde unwichtig, trinken zweitranig, schlaf unbedeutend. Fanatisch beinahe setze ich des Nachts einen Fuß vor den anderen, tagsüber presste ich mich in kleine Mulden, kletterte auf Bäume und stahl mich in Höhlen. Ich aß alles was mir über den Weg lief, von Steinen leckte ich das Wasser oder trank aus Flüssen. Im nachhinein finde ich selbst es immer noch erstaunlich wie ich mich anfangs dazu zwingen konnte so etwas zu trinken, und wie leicht es mir nach den ersten Wochen viel all diese Dinge grundlegend zu ignorieren. Ich war nie ein Kind das sich in Fantasiespiele geflüchtet hatte, die Realität war mir immer lieb, und aus irgendeinem Grund hatte ich schon tief in meinem Herzen gewusst das ich nicht viel Zeit haben würde. Nicht viel Zeit bei den realen Menschen.

Dieser beginn meiner Reise war ebenso mein erster Kontakt mit einer Fantasiewelt. Es hilft wirklich, wenn man die Kraft hat aus einem Erdloch ein weiches Bett zu träumen. Ich streifte immer weiter, und mir begegneten immer weniger Menschen.

Zu einem vorläufigen Ende kam meine Reise erst vor einem Ungetüm von Berg. Vor mir erhob sich ein gewaltiges Massiv. Vorsichtig blicke ich mich um. Es war Tag und in der Nähe hatte ich Spuren von Menschen entdeckt. Als mir keine Gefahr zu drohen schien traute ich mich aus meinem Versteck hervor. Staunend starrte ich zu dem Berg hinauf. Und ein einziger Gedanke beherrschte meinen Verstand.

Dort hinauf kam kein Mensch freiwillig.

Der Perfekte Ort für mich. Mit meinen Händen strich ich langsam über den abgetragenen Mantel. Trotz meinem bisher entbehrungsreichen leben, konnte selbst ich mich nicht gegen die Witterungseinflüssen verwehren. Die Winter in der Höhe waren streng, die Nahrung gering. Besonders der erste Winter würde schwer werden. Ich beschloss mich um eine kleine Notreserve zu bemühen.

Ein neuer Mantel, wärmer Kleinder, ein oder zwei paar neue Schuhe, eine Axt, Brot und Trockenfleisch schienen für mich die lohnenswertesten Investitionen zu sein.

Doch womit sollte ich sie kaufen?

Ich erinnere mich an jeden Laden, an jedes Haus vordem ich stand, gut versteckt in der Dunkelheit und den Duft frischen Brotes und guter Suppe in der Nase gehabt habe, doch niemals habe ich etwas gestohlen. Den Gedanken daran hatte ich oft und manches offene Fenster war eine erhebliche Verführung für mich gewesen. Doch niemals habe ich meinen Köper die Kontrolle über den Verstand gewinnen lassen. Nie habe ich eins der offenen Fenster benutzt, und auch jetzt wollte ich dies nicht tun. Ich durchsuchte meine wenigen Habseligkeiten und fand sogar einige kleine Münzen. Sie würden aber nicht genügen. Höchstens für etwas Brot. Resigniert ließ ich mich im Schatten des Waldes nieder. Es war ein leichter Frühling und noch brauchte ich mir um die Kälte im Winter keine Sorgen machen, aber er würde kommen. Auf solch einen bilderbuchtaften Sommer folgt immer ein ebenso bilderbuchharter Winter mit Unmengen von Schnee und Eis. Es blieb mir nichts anderes übrig als unter Menschen zu gehen. Denn nur bei den Menschen fand ich arbeit die man auch bezahlte. Neben mir war eine kleine Pfütze und ich starrte in sie hinein. Silberne Funken blinzelten mir entgegen.

Sie würden mir keine Arbeit geben.

Keinem Monstrum wie mir.

Sie durften meine Augen nicht sehen entschied ich und fasste nach meiner Tasche.

2-a

Sie durften meine Augen nicht sehen entschied ich und fasste nach meiner Tasche.

Mit der Entschlossenheit eines Unwissenden suchte ich ein altes Hemd heraus und riss vom Saum einen breiten Streifen ab. Schon weniger entschlossen ließ ich den Rauen Stoff über meine Augen gleiten. Ich holte nochmals tief Luft und zog den Knoten fest an meinem Kopf, sodass das Tuch nicht verrutschen konnte.

Die Dunkelheit schnürte meine Kehle zu. Ich fühlte mich hilfloser denn je. Unbeholfen tappte ich einige Schritte vorwärts und trat auch sofort auf einen Ast. Ich strauchelt, versuchte mein Gleichgewicht wieder zufinden, schaffte es aber nicht. Ich stürzte auf die Knie, keuchte erschrocken und verweilte so einen Moment.

Es hört sich seltsam an, aber ich glaubte zu spüren wie sich die Erde langsam unter meinen Füßen drehte. Die Dunkelheit drohte nicht nur meine Sinne sondern auch meine Seele zu umfassen. Meine Arme wurden schlapp, sie konnten mein Gewicht nicht mehr tragen.

"Stimmt was mit dir nicht?", sagte eine tiefe Stimme und ich spürte wie sich eine Hand auf meine Schulter legte.

Mein Herz setzte aus. Meine Seele schrie vor Pein auf. 'Ein Mensch' durchzuckte es mich. Instinktiv schnellte ich von ihm weg. Stolperte rückwärts und fiel entgültig auf den Rücken.

Ich hörte mich angestrengt atmen, nahm überdeutlich alles um mich herum war. Der Geruch von frisch geschlagenem Holz, Menschen, Tiere.

"Hey! Ich tu dir nichts Kleiner.", sagte die Stimme wieder. Ein weiter Blitz durchfuhr mich. Kleiner.

Ich presste die Augen fest zu um die aufkommende Erinnerung von meinem Vater zu unterdrücken.

"Alles in Ordnung Kleiner? Kann ich dir helfen? Verstehst du mich?"

`Alles in Ordnung Kleiner?` hallte es durch meinen Kopf. Erinnerungen überschütteten meine Sinne. Vermischten sich mit der unmöglichen Tatsache, das mein Vater dies hätte zu mir sagen können. Das es er war der sich um mich sorgte. Ich brachte ein schwaches Nicken zustande. Überfordert nach so langer Zeit wieder einen Menschen vor mir zu haben, mich mit ihm zu unterhalten.

"Wer lässt denn einen jungen Burschen wie dich alleine?" Ich hörte deutlich wie er zögerte, "Sag... bist du blind Junge?"

Sag ja!, wisperte eine Stimme in meinem Kopf. Ich nickte zögernd, hob den Kopf, die Augen immer noch verbunden und schätze die Richtung aus der die Stimme kam.

"Bist du alleine? Was machst du hier? Ich hab dich noch niemals hier gesehen."

Ich räusperte mich und versuchte meine wenig benutze Stimme zu gebrauchen." Ich.." krächzte meine Stimme, ich räusperte mich noch einmal. "Ich bin allein. Ich... ich suche arbeit."

Ich fuhr wieder zusammen. Mich ärgerte meine eigene Schreckhaftigkeit. Mich ängstigte die Dunkelheit und machte mich unsicherer als ich es eh schon war. Der Mann lachte laut. Er legte seine Hand um meinen Arm und zog mich nach oben.

"Was kann ein Blinder schon machen? Was hast du gelernt?"

Die Zeit als ich blind im Dorf umhergeirrt war kam mir in die Gedanken. Damals hatte ich nicht dieses Gefühl der Angst gehabt, nicht solch eine Angst wie ich sie jetzt hatte. Aber ich hatte arbeiten können, zwar nicht viel, aber etwas. Und was ich damals konnte, konnte ich sicher auch wieder lernen.

"Ich hab bei... meinen Eltern immer mitgearbeitet. Ich kann alles mit den Händen machen.... Alles wofür man nicht zwangsläufig Augen braucht. Ich könnte Wäsche waschen, oder Körbe flechten oder..."

"Schon gut Junge! Komm erst mal mit, dann sehen wir weiter.", unterbrach der Mann meinen plötzlichen Redeschwall.

"Ich heiße Ägidius." Wieder kam sein leises melodisches lachen, " ein seltsamer Name nicht wahr? Meine Muter wollte ihn unbedingt haben. Aber niemand nennt mich so. Man nennt mich meistens Gidi." , stellte er sich vor. Einige Zeit blieb er stumm und ich setze eine fragende Miene auf. Dann nahm er meine Hand und drückte sie.

"Wo sind denn deine Sachen? Soll ich etwas tragen? Ich bin zu fuß hier, ich könnte dir etwas abnehmen."

Mein erster Gedanke war, eine ironische antwort zu geben, ich verbiss sie mir aber. Ich wusste selbst nicht wo mein Tasche war. Ich ahnte ja noch nicht mal wo ich selbst an diesem Wald stand. Stand ich überhaupt noch am Waldrand? Ich wusste es nicht.

"Ich hatte eine Tasche... irgendwo."

"Irgendwo? Das ist gut. Warte ich werde mich mal grade umsehen."

Ich stand still an meinem Platz. Hörte seine suchenden Schritte und dann ein erfreutes ausatmen, ein stöhnen und ein knacken der Gelenke als er sich beugte.

"Hier ich hab sie. Ist ja nicht gerade viel."

Ein ungutes Gefühl beschlich mich für einen Moment. Ich verscheuchte diesen Gedanken angestrengt, versuchte nur das gute in den Menschen zu sehen und alles schlechte zu unterdrücken. Er ist kein Dieb hämmerte ich mir in den Kopf.

Und er war auch keiner.

Er gab mir die Tasche und zog mich an meinem Ärmel hinter sich her. Ich folgte ihm, tappte durch verschiedenes Gelände, fiel mehr hinter ihm her als das ich lief und kam dann doch ohne einen Sturz in einem Dorf an.

"So, hier sind wir. Du schaust nicht so aus als ob du ein Unterkunft bezahlen könntest. Komm am besten erst mal mit zu mir. Meine Frau macht sicher noch etwas Wasser in die Suppe."

Ich nickte dankbar für das mehr als freundliche Angebot.

Es ist seltsam das man mit dem Augenlicht auch etwas von seinem Zeitgefühl verliert. Ich kann nicht mehr sagen wie lange ich hinter dem Mann her lief. Irgendwann blieb er stehen und ich hörte wie eine Tür knirschte. Wohlige Wärme schlug mir entgegen.

"Hallo Lieber!" Die hohe Stimme einer Frau erreichte mich unwillkürlich und die Fröhlichkeit in diesen wenigen Worten schnürte mir die Kehle zu. Fröhlich und Glücklich waren Wörter die ich aus meinem Wortschatz gestrichen hatte.

"Wen hast du denn da schon wieder mitgebracht?" Ich hörte wie der Mann vor mir lachte und mich in den Raum schob.

"Den jungen Mann hier hab ich am Waldrand aufgelesen. Er ist sah so hilflos aus, stolperte unbeholfen umher und als ich nach dem rechten sehen wollte, musste ich dieses magere Gesicht sehen. Magda du kennst mein weiches Herz. Hätte ich ihn je zurück lassen können?" Gidi überzog mächtig. Ich hatte ihn zwar nie gesehen, konnte mir aber genau vorstellen wie er seine Frau mit großen Augen anblickte und demonstrativ auf mich wies.

Ich hörte seine Frau seufzen. "Ja, wie hättest du?" Dann kamen Schritte auf mich zu und eine warme Hand legte sich an meine Wange. Ich zog scharf die Luft ein.

"Junge, komm nimm den Mantel ab und setzt dich zu uns an den Tisch. Wir haben zwar kein Festmahl aber du wirst etwas warmes in den Bauch bekommen."

Kein Wort über meine Augenbinde. Verwundert blinzelte ich, was natürlich keiner sehen konnte. Die Hand an meiner Wange verschwand und zog an meinem Umhang. Ich lies ihn mir von den Schultern fallen, um danach weiter unschlüssig im Zimmer zu stehen. Ich hörte die schweren Schritte von Magdas Mann.

"Geh langsam vorwärts, aber wirklich langsam! Du bist in zwei oder drei Schritten am Tisch. Du kannst dich auf die rechte Seite setzten."

Ich tastete mich mit ausgestreckten Armen zum Tisch vor. Fuhr mit der Hand an der Kante entlang bis ich mit meinem Bein gegen einen Stuhl stieß. Ich versuchte ein lächeln und setzte mich.

"So nun essen wir erst mal. Und dann reden wir Junge. Ich bin mir sicher du hast einiges zu berichten."

2b

Und ob ich das habe, dachte ich sarkastisch. Wenn ich ihnen alles erzählt hätte, wäre ich am nächsten morgen nicht mehr aufgewacht. Vielleicht hätte ich sogar die kommende nacht nicht überstanden. So nickte ich nur kurz und schwieg.

Wir mussten nicht lange auf das essen warten. Magda kam mit wiegenden Schritten zum Tisch. Ich hörte etwas klappern, etwas wurde dumpf auf den Tisch gesetzt und dann das abschließende Scharren eines Stuhles.

"Lasst uns dem Herrn danken für dieses Mahl.", erklärte Magda. Ich senkte den Kopf und faltete die Hände. Nach kurzem Schweigen in dem jeder still für sein essen dankte legte sich Gidis große Hand auf meine. Er öffnete meine Finger und legte einen Löffel in meine Handfläche. Unmittelbar vor mir wurde eine Flüssigkeit in eine Holzschale gelöffelt. Ich ertastete den Rand der Schale und wartete.

"Guten Appetit.", wünschten mir meine Gastgeber. Ich brachte das essen ohne größere Peinlichkeiten hinter mich. Einmal hätte ich beinahe meinen Becher umgestoßen, griff aber noch rechtzeitig und zufällig in die richtige Richtung und bekam ihn zu fassen.

"Danke, die Suppe war ausgezeichnet." Und ich hatte bei weitem nicht gelogen. Wie lange hatte ich nicht mehr so etwas gegessen? Eine starke Hühnersuppe. Mit dem letzen Gemüse des Herbstes, saftigem, zarten Hühnchenfleisch und ein paar Kartoffeln.

"Das freut mich Junge. Solche Komplimente höre ich sehr gerne.", damit stand sie auf, räumte den Tisch ab. Wenig später hörte ich eine Tür zuschlagen.

"Sie tut so als würde ich ihr essen nie loben! Du hättest den giftigen Blick sehen sollen den mir meine Frau zugeworfen hat!", Gidi bemühte sich verärgert zu klingen, schaffte es aber nicht und ich hörte das unterdrückte Lachen aus seiner Stimme heraus.

"So, nun erzähl mal Junge.", forderte er mich auf.

"Ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll.", erklärte ich ausweichend und überwarf in Gedanken sämtliche Geschichten die ich mir während des Essens überlegt hatte.

"Wie wäre es mit deinem Namen? Ich kann dich schließlich nicht immer Junge nennen."

Ich lächelte. Wie lange war mein Name unausgesprochen geblieben? Sollte er jemals wieder ausgesprochen werden? Er passte absolut nicht mehr zu mir. Wenn ich zurück denke ist er der reinste Witz gewesen. Tychon. Meine Mutter hatte mir immer gesagt: , als dein Vater mit dir vor der Tür gestanden hat, du warst so winzig und sahst so krank aus, habe ich nur gedacht dich hat das Schicksal zu uns gebracht, du sollst unser Glück sein. Was für einen anderen Namen sollte ich dir geben als Tychon?`

Nein, den Namen wollte ich nicht mehr. Er würde mich nur immer wieder an eine längst vergangene Zeit erinnern. Hastig überlegte ich, ich hatte eh schon zu lange gezögert.

"Rus. Rus ist mein Name.", erklärte ich vielleicht eine Spur zu hastig.

"Rus, ein seltsamer Name. Den habe ich ja noch nie gehört."

Wie den auch, dachte ich grimmig, den habe ich mir eben ausgedacht.

"So also Rus und wie weiter?"

"Rus sollte erst einmal genügen." Ich hörte wie mein gegenüber unwillig brummte, aber nicht weiter darauf einging.

"Was machst du hier in so einer Gegend? Ohne Eltern, ohne Freunde oder sonst einer Begleitung? Ich meine nur, wie kann man einen blinden.."

"Ich bin blind, aber nicht dumm oder hilflos.", fiel ich ihm ärgerlich ins Wort. Ich seufzte leise und lächelte. "Gut, etwas Hilfe könnte ich schon gebrauchen."

"Entschuldige, ich wollte dich nicht beleidigen, Rus. Nur musst du gestehen das du nicht grad in der besten Verfassung warst al ich dich gefunden habe. Nun aber raus mit der Sprache! Was machst du hier?"

"Ich suche Arbeit." Ich wartete einen Moment und als ich hörte wie Gidi ansetzte mich wieder etwas zu fragen fuhr ich fort "Aber der Grund warum ich alleine hier bin ist, dass meine Eltern vor kurzer Zeit verunglückt sind. Wir waren nicht reich und so haben sie mir nichts hinterlassen. In unserem Dorf hat man sich zwar sehr um mich bemüht, aber ohne sie war es einfach nicht mehr das selbe. Irgendwann musste ich dann gehen. Seid dem versuche ich etwas von der Welt zu erfahren. Das heißt ich schlage mich so durch."

Es blieb eine Weile still.

"Hmm, diese Jugend von heute. Könnt ihr nicht einfach da bleiben wo ihr hingehört? Was soll den so toll an der Welt sein? Sie ist voller Mörder, Verbrecher und zwielichtiger Gestallten. Nichts was einen anständigen Burschen reizen sollte."

"Habt... gibt es hier vielleicht Arbeit für mich? Nur etwas das genug einbringt, damit ich mir ein zwei Sachen kaufen kann, um den Winter besser zu überstehen.", erkundigte ich mich und ging nicht weiter auf seinen Vortrag ein.

"Bei uns gibt es keine Arbeit für dich. Aber morgen kann ich mich mal im Dorf umhören." Er musste meine enttäuschte Miene gesehen haben, denn aufmunternd fügte er bei "Mach dir keine Gedanken. Irgendwo wird immer eine helfende Hand benötigt."

Dann knirschte wieder die Tür.

"Ich habe dir eine Decke und ein Hemd von meinem Mann mitgebracht. Nur weiß ich nicht wo du schlafen könntest." Magda kam auf mich zu und legte das Hemd und die Decke auf meinen Arm.

"Er heißt Rus, Magda. Und er kann dein lächeln und nicken nicht sehen."

"Oh, entschuldige Rus. Es ist nur so ungewohnt..."

"Schon in Ordnung. Es macht mir nichts. Nehmen sie keine Rücksicht. Und ich kann gerne auf dem Boden schlafen. Das macht mir nichts aus."

"Nein! So was kommt nicht in frage! Ich lass keinen unserer Gäste auf dem Boden schlafen. Normalerweise übernachten alle immer auf dem Heuboden, da steht unser altes Bett. Aber die Leiter nach oben, sie ist sehr schmal und wackelig, ich denke nicht das du es ..."

"Magda, du hast doch gehört wir sollen keine Rücksicht nehmen. Rus sieht nicht so aus, als wenn er es gewohnt sei in Daunen gepackt zu werden. Hab ich recht Junge?"

Ich legte den Kopf schief und lächelte verunglückt. "Auf einen Versuch kann man es ja ankommen lassen.", erklärte ich und war mir gar nicht mehr so sicher das ich es die Leiter hoch schaffen würde. "Wenn mir nur vielleicht einer den Weg zur Leiter zeigen würde."

Und so wurde ich von Gidi durch das Haus geführt. Und es kam mir sehr groß vor. Auf jedenfall größer als das Haus meiner Eltern. Gidi und seine Frau waren keine armen Bauern oder Handwerker. Das hätte mir schon vorher auffallen können. Jetzt wo ich noch einmal über die Decke strich, spürte ich die feine Wolle.

"So hier sind wir.", sagte der Mann, nahm meine Hand und führte sie zu einer Sprosse der Leiter.

"Wie weit ist es ungefähr bis nach oben?"

"Ungefähr zwanzig enge sprossen. Wird das auch wirklich funktionieren?" Ich konnte deutliche Sorge aus seiner Stimme hören.

"Sicher, ich bin ja nicht erst heute plötzlich blind geworden." Wie leicht mir doch schon diese Lügen von den Lippen gingen. Ich legte mir die Decken über die Schulter und griff mit beiden Händen um das Holz. Unsicher stellte ich meinen Fuß auf den ersten Tritt. Ich schluckte und bemühte mich selbstsicher zu wirken. Ich gewann mit jedem schritt weiter nach oben mehr Selbstvertrauen. Die letzten stufen schaffte ich beinahe so sicher, als hätte ich sehen können.

"Und jetzt geh einfach nach rechts, nur pass auf es liegt auch Heu da oben!", rief mir Gidi zu.

"Ich wünsche dir noch eine ruhige Nacht, Rus!" Damit ging er und zog die Tür zum Schober zu.

Ich atmete auf als ich alleine war. Das Bett hatte ich schon erreicht und setzte mich schnell. Ich wollte nichts anderes mehr als diese verfluchte Binde entfernen. Mein Puls ging schneller als ich den Knoten löste, zu langsam ging er auf. Endlich hatten meine nervösen Finger das Tuch entwirrt und die Dunkelheit schwand etwas. Ich blinzelte und erschrak tödlich. Es war immer noch dunkel. Angst umklammerte mein Herz und machte das nachdenken beinahe unmöglich. Erst als ich schemenhafte umrisse erkennen konnte beruhigte ich mich wieder. Ich schallt mich einen Narren, meine Augen mussten sich nach der langen Dunkelheit erst wieder an das Sehen gewöhnen.

Ich seufzte tief und betrachtete ruhig einige zeit meine Hände. Erst dann sah ich mich vorsichtig etwas um. Alleine das was ich nun von dem Dachboden sah war beeindruckend. Nur dieser war schon zweimal so groß wie die gesamte Wohnfläche meines Elternhauses.

Wo war ich nur gelandet? Und noch viel deutlicher bohrte sich ein Gedanke in mein Herz. Was zur Hölle machte ich überhaupt hier?

So hatte ich das aber alles nicht geplant gehabt.

Mein Herz schmerzte.

So hatte ich dies wirklich nicht geplant, aber jetzt wo ich auf dem alten Bett saß, mit vollem Magen, noch die wärme von Magdas Hand spürte, noch ihre Stimmen im Ohr hatte, wusste ich warum ich nicht den kleinsten Moment auch nur darüber nachgedacht hatte warum ich so bereitwillig mit gegangen war.

Es war nicht die suche nach Arbeit, es war nicht meine Unsicherheit.

Ich hatte es vermisst.

Hatte vermisst mich zu unterhalten, hatte vermisst mich respektiert zu fühlen.

Doch wie hatte ich nur die Gefahr vergessen können?

Das Letzte was ich wollte war diese Menschen unglücklich zu machen.

Ich hatte schon zu viele unglücklich gemacht.

Ich hatte wirklich aufstehen wollen.

Ich hatte wirklich beschlossen sofort aufzustehen, meine Sachen zu nehmen und schnellst möglich dieses Haus zu verlassen.

Nur hatte ich diesen Entschluss gefasst, meine Beine jedoch nicht.

Ich blieb sitzen, krallte die Hände ich die Decken und kniff die Augen fest zusammen.

Resigniert rollte ich mich auf dem Bett zusammen zog die Decke eng um mich und schlief augenblicklich ein.
 

Doch noch vor Sonnenaufgang wachte ich schweiß gebadet auf. Mein Mund war trocken meine Hände zitterten. Ich versuchte mich zu beruhigen und mich an meinen Traum zu erinnern.

Ich habe immer viel vom deuten eines Traumes gehalten. Meine Mutter hatte eine besondere Begabung dafür gehabt und ihre Deutungen haben mir immer geholfen. Doch nun war sie nicht da.

Auch wenn sie da gewesen wäre ich konnte mich nicht an meinen Traum erinnern.

So stieg ich in meine Stiefel und sah mich genauer auf dem Dachboden um.

Er war ungeheuer groß. Ich schätzte das alleine in diesem teil des Hauses unseres zweimal hineingepasst hätte.

Ich eindeckte ein kleines Fenster und stellte mich auf einen kleinen Hocker um nach draußen sehen zu können.

Ich blickte in einen großen Innenhof um dem sich Häuser mit hohen Fenstern schlossen.

Durch das offene Tor sah ich einen Mann auf einem Pferd kommen, schnell zog ich den Kopf ein damit man mich nicht entdeckte.

Ich wartete einige Sekunden und späte dann wieder hinaus.

Der Reiter hatte sein Pferd einem jungen Burschen übergeben der es nun wieder aus dem Innenhof führte.

Ich beobachtete den Mann der im Innenhof stehen geblieben war und sich die Handschuhe auszog.

Er war ein großer Mann, das konnte ich sogar aus der Ferne sehen. Seine Kleider waren ordentlich und zeigten deutlich seinen hohen Stand wieder. Die Haare trug er kurz geschoren und sein Gesicht war braun gebrannt.

Der Blick, den er über den Hof schweifen ließ, war streng und unzufrieden.

Ich zog mich ein Stück vom Fenster zurück, als ich merkte das er mit seiner Musterung in Richtung meines Fensters gelangte.

Trotzdem späte ich weiter am Rahmen vorbei in den Hof.

Ich sah einen Mann in mein Blickfeld hasten und sich eilig vor den Reiter verbeugen.

Ohne das ich ihn vorher gesehen hatte, wusste ich das der eifrig um Huldigung bemühte Mann Gidi sein musste.

Und die Frau, die nun ebenfalls auf den Hof kam und einen Becher in der Hand hielt, musste Magda sein.

Sie waren anders, als ich sie mir vorgestellt hatte.

Beide ausgesprochen schlank, beinahe schon hager.

Magda hatte ihre braunen Haare zu einem Zopf geflochten und aufgesteckt und Gidi neben ihr trug sein Haar lang und offen.

Ich hatte sie mir auch älter vorgestellt, tatsächlich waren sie sicher nicht älter als 30 Jahre.

Ich konnte nicht verstehen worum es bei dem kurzen Gespräch ging, welches dort unten auf dem Hof geführt wurde, bevor Gidi in eine Richtung deutete und die kleine Gruppe aus meinem Sichtfeld und im Haus verschwand.

Die Sonne war ein ganzes Stück über die Häuser gekrochen und ich beschloss mir die Augenbinde wieder anzulegen, bevor noch jemand plötzlich hereinkommen konnte und durch Zufall doch mein Geheimnis entdeckte.

Ich nahm mir Gidis Hemd und hielt es mir zur Probe an.

Es war ein älteres Hemd und für mich wahrscheinlich etwas zu kurz, aber sauber.

Ich streifte mein altes Hemd über den Kopf, um es dann in meiner Tasche zu verstauen.

Gidis Hemd fühlte sich seltsam rau ,im Gegensatz zu meinem langgetragenem Hemd, auf der Haut an.

Beim schließen der Knöpfe merkte ich, dass der Letzte fehlte und überlegte kurz ob ich einen von meinen annähen sollte, ließ es aber bleiben und steckte den Saum stattdessen in die Hose.

Ich setzte mich auf das Bett faltete meinen Umhang zusammen und band mir die Binde wieder um.

Danach wartete ich.

Erst hatte ich noch überlegt selbst hinunter zu steigen und mich irgendwie durch das Haus zu kämpfen und bemerkbar zu machen, war aber dann doch auf dem Heuboden geblieben, weil mir eingefallen war, das meine beiden Gastgeber Hohen besuch hatten.

Wenn meine Vermutung stimmte war es sogar der Hausherr selbst der heute morgen in den Hof geritten war.

Die Kleidung die er getragen hatte, waren die eines Landesherren oder die eines Großbauern.

Magda und Gidi dagegen waren zwar auch gut gekleidet doch unter dem stand des Reiters.

Ich vermutete das sie die Hausverwalter waren.

Ich wusste nicht mehr wie viel Zeit vergangen war seid dem ich mich auf das Bett gesetzt hatte. Jedenfalls hatte ich zeit gefunden mein Messer aus der Tasche zu nehmen, um mir meine Haare zu schneiden.

Ich erfühlte die Länge meiner Haare und nahm schultern und Gesicht zur Hilfe und schnitt dann lange Strähnen ab.

Später hatte ich gesehen das meine bemühen eigentlich nur noch alles verschlimmert hatten, aber ich sagte mir das ich so wenigstens meinen guten Willen gezeigt hatte mich menschlich wieder herzurichten.



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Kommentare zu dieser Fanfic (4)

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Von:  Alma
2008-08-15T19:07:15+00:00 15.08.2008 21:07
So, da wären wir (viel zu spät ;P)

Also, ich mag diese Geschichte. Man merkt dass du mit Leib und Seele dabei bist und es versucht authentisch sein zu lassen. Es hat mir Spaß gemacht zu lesen :) Du hast einen schönen Schreibstil, man kann sich sehr gut heineinversetzen und wird neugierig was sonst noch so passiert. Es war alles so schön detailliert – ich liebe das (z.B. die Einzelheiten des Fensters als er es aufbricht oder dass seine Beine schmerzen nachdem er seine Totenwache gehalten hat.) Allerdings hat es mich gewundert warum sie Angst vor ihm hatten – silberne Augen find ich jetzt nicht sooo schlimm. Aber vllt. Steckt ja noch mehr dahinter ;P Also, es war keine wirkliche Darkfic, es war eher Fantasy und Drama. Hätte es gepasst, hättest du allerdings zu meinen Favoriten gehört. Mach weiter so! :)
Von: abgemeldet
2005-11-19T16:06:11+00:00 19.11.2005 17:06
Hallöle^^
Nicht wundern ich bin´s Bara-chan^^ Ich bin nur zwei mal bei Animexx^^
Das ist ja echt super>_<
Da gehts echt weiter*juhuuuuu* *grübel* was will eigendlich ein Blinder arbeiten????? Und die noch viel wichtigere Frage: Was ist er jetzt eigendlich?????*wissen will* Das es noch so nette leute giebt freut mich^^
Doch sind die echt so nett wie sie tun???*misstrauisch ist* Ich freu misch schon wenns weitergeht und hoffe das das nicht all zu lange dauert^^
Ich werde mal meine Freunde anschreiben und sie bitten deine FF zu lesen und mit etwas glück und zeit bin ich nicht mehr die einzige die dir Komis schreibst^^
Baba
deine Bara-chan^^
Von: abgemeldet
2005-08-30T12:06:50+00:00 30.08.2005 14:06
Hallöchen^^
Und wie versprochen kommt hier mein Komi an dich:
Es war zwar etwas kurz doch immerhin geht es jetzt weiter^^
Du hast eine gute Hand zum schreiben...das finde ich beneidenswert. Doch mich würde interessieren was er jetzt vor hat>_< Er will sich doch nicht etwa was antun*an den haaren rauf* wie geht es weiter*wissen will* Und vor allem würde mich interessieren was jetzt eigendlich seine unnatürliche Augenfarbe hervorgebracht hat....*sefz* ich weiß...viele Fragen........
Doch ich hoffe das du mir die Antworten geben kannst in dem du schnell weiterschreibst^^
freu mich schon auf die Fortsetztung
deine Bara-chan
Von: abgemeldet
2005-08-23T12:11:15+00:00 23.08.2005 14:11
Kreisch Ausrast
Endlich habe ich deine FF wiedergefunden*alles kurz und klein schlag*
ich schwör dir ich hab nicht mehr gewust wie deine super geile FF geheissen hat*weiter wüt* EndlichT-T
*mam rein kom, mir über die Rübe schlag* aua >.<
*wart bis mam wieder weg ist*
weiterwüt* Schreib SOFORT WEITER *droh*
ich warte schon viel zu lange >_<
Und ich möchte endlich wissen wies weitergeht *dich am kragen pack und schütel
schreib mich SOFORT an wenns weitergeht>_< *nicht mehr aushalt*
Ich freu mich echt riesig das ich deine *piep* geile FF endlich wiederefunden habe....aber kann es sein das die verschwunden war??????
*bessessen ist*
wenn du mich nich anschreibst wenns weitergeht wirst du´s bereun *-*
*chibilächel*
freu mich schon auf deine ENS
deine *gaaaanz lieb kuckende*
Bara-chan^^


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