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Silberaugen

Wer kann nachts noch schlafen?
von

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Sie durften meine Augen nicht sehen entschied ich und fasste nach meiner Tasche.

Mit der Entschlossenheit eines Unwissenden suchte ich ein altes Hemd heraus und riss vom Saum einen breiten Streifen ab. Schon weniger entschlossen ließ ich den Rauen Stoff über meine Augen gleiten. Ich holte nochmals tief Luft und zog den Knoten fest an meinem Kopf, sodass das Tuch nicht verrutschen konnte.

Die Dunkelheit schnürte meine Kehle zu. Ich fühlte mich hilfloser denn je. Unbeholfen tappte ich einige Schritte vorwärts und trat auch sofort auf einen Ast. Ich strauchelt, versuchte mein Gleichgewicht wieder zufinden, schaffte es aber nicht. Ich stürzte auf die Knie, keuchte erschrocken und verweilte so einen Moment.

Es hört sich seltsam an, aber ich glaubte zu spüren wie sich die Erde langsam unter meinen Füßen drehte. Die Dunkelheit drohte nicht nur meine Sinne sondern auch meine Seele zu umfassen. Meine Arme wurden schlapp, sie konnten mein Gewicht nicht mehr tragen.

"Stimmt was mit dir nicht?", sagte eine tiefe Stimme und ich spürte wie sich eine Hand auf meine Schulter legte.

Mein Herz setzte aus. Meine Seele schrie vor Pein auf. 'Ein Mensch' durchzuckte es mich. Instinktiv schnellte ich von ihm weg. Stolperte rückwärts und fiel entgültig auf den Rücken.

Ich hörte mich angestrengt atmen, nahm überdeutlich alles um mich herum war. Der Geruch von frisch geschlagenem Holz, Menschen, Tiere.

"Hey! Ich tu dir nichts Kleiner.", sagte die Stimme wieder. Ein weiter Blitz durchfuhr mich. Kleiner.

Ich presste die Augen fest zu um die aufkommende Erinnerung von meinem Vater zu unterdrücken.

"Alles in Ordnung Kleiner? Kann ich dir helfen? Verstehst du mich?"

`Alles in Ordnung Kleiner?` hallte es durch meinen Kopf. Erinnerungen überschütteten meine Sinne. Vermischten sich mit der unmöglichen Tatsache, das mein Vater dies hätte zu mir sagen können. Das es er war der sich um mich sorgte. Ich brachte ein schwaches Nicken zustande. Überfordert nach so langer Zeit wieder einen Menschen vor mir zu haben, mich mit ihm zu unterhalten.

"Wer lässt denn einen jungen Burschen wie dich alleine?" Ich hörte deutlich wie er zögerte, "Sag... bist du blind Junge?"

Sag ja!, wisperte eine Stimme in meinem Kopf. Ich nickte zögernd, hob den Kopf, die Augen immer noch verbunden und schätze die Richtung aus der die Stimme kam.

"Bist du alleine? Was machst du hier? Ich hab dich noch niemals hier gesehen."

Ich räusperte mich und versuchte meine wenig benutze Stimme zu gebrauchen." Ich.." krächzte meine Stimme, ich räusperte mich noch einmal. "Ich bin allein. Ich... ich suche arbeit."

Ich fuhr wieder zusammen. Mich ärgerte meine eigene Schreckhaftigkeit. Mich ängstigte die Dunkelheit und machte mich unsicherer als ich es eh schon war. Der Mann lachte laut. Er legte seine Hand um meinen Arm und zog mich nach oben.

"Was kann ein Blinder schon machen? Was hast du gelernt?"

Die Zeit als ich blind im Dorf umhergeirrt war kam mir in die Gedanken. Damals hatte ich nicht dieses Gefühl der Angst gehabt, nicht solch eine Angst wie ich sie jetzt hatte. Aber ich hatte arbeiten können, zwar nicht viel, aber etwas. Und was ich damals konnte, konnte ich sicher auch wieder lernen.

"Ich hab bei... meinen Eltern immer mitgearbeitet. Ich kann alles mit den Händen machen.... Alles wofür man nicht zwangsläufig Augen braucht. Ich könnte Wäsche waschen, oder Körbe flechten oder..."

"Schon gut Junge! Komm erst mal mit, dann sehen wir weiter.", unterbrach der Mann meinen plötzlichen Redeschwall.

"Ich heiße Ägidius." Wieder kam sein leises melodisches lachen, " ein seltsamer Name nicht wahr? Meine Muter wollte ihn unbedingt haben. Aber niemand nennt mich so. Man nennt mich meistens Gidi." , stellte er sich vor. Einige Zeit blieb er stumm und ich setze eine fragende Miene auf. Dann nahm er meine Hand und drückte sie.

"Wo sind denn deine Sachen? Soll ich etwas tragen? Ich bin zu fuß hier, ich könnte dir etwas abnehmen."

Mein erster Gedanke war, eine ironische antwort zu geben, ich verbiss sie mir aber. Ich wusste selbst nicht wo mein Tasche war. Ich ahnte ja noch nicht mal wo ich selbst an diesem Wald stand. Stand ich überhaupt noch am Waldrand? Ich wusste es nicht.

"Ich hatte eine Tasche... irgendwo."

"Irgendwo? Das ist gut. Warte ich werde mich mal grade umsehen."

Ich stand still an meinem Platz. Hörte seine suchenden Schritte und dann ein erfreutes ausatmen, ein stöhnen und ein knacken der Gelenke als er sich beugte.

"Hier ich hab sie. Ist ja nicht gerade viel."

Ein ungutes Gefühl beschlich mich für einen Moment. Ich verscheuchte diesen Gedanken angestrengt, versuchte nur das gute in den Menschen zu sehen und alles schlechte zu unterdrücken. Er ist kein Dieb hämmerte ich mir in den Kopf.

Und er war auch keiner.

Er gab mir die Tasche und zog mich an meinem Ärmel hinter sich her. Ich folgte ihm, tappte durch verschiedenes Gelände, fiel mehr hinter ihm her als das ich lief und kam dann doch ohne einen Sturz in einem Dorf an.

"So, hier sind wir. Du schaust nicht so aus als ob du ein Unterkunft bezahlen könntest. Komm am besten erst mal mit zu mir. Meine Frau macht sicher noch etwas Wasser in die Suppe."

Ich nickte dankbar für das mehr als freundliche Angebot.

Es ist seltsam das man mit dem Augenlicht auch etwas von seinem Zeitgefühl verliert. Ich kann nicht mehr sagen wie lange ich hinter dem Mann her lief. Irgendwann blieb er stehen und ich hörte wie eine Tür knirschte. Wohlige Wärme schlug mir entgegen.

"Hallo Lieber!" Die hohe Stimme einer Frau erreichte mich unwillkürlich und die Fröhlichkeit in diesen wenigen Worten schnürte mir die Kehle zu. Fröhlich und Glücklich waren Wörter die ich aus meinem Wortschatz gestrichen hatte.

"Wen hast du denn da schon wieder mitgebracht?" Ich hörte wie der Mann vor mir lachte und mich in den Raum schob.

"Den jungen Mann hier hab ich am Waldrand aufgelesen. Er ist sah so hilflos aus, stolperte unbeholfen umher und als ich nach dem rechten sehen wollte, musste ich dieses magere Gesicht sehen. Magda du kennst mein weiches Herz. Hätte ich ihn je zurück lassen können?" Gidi überzog mächtig. Ich hatte ihn zwar nie gesehen, konnte mir aber genau vorstellen wie er seine Frau mit großen Augen anblickte und demonstrativ auf mich wies.

Ich hörte seine Frau seufzen. "Ja, wie hättest du?" Dann kamen Schritte auf mich zu und eine warme Hand legte sich an meine Wange. Ich zog scharf die Luft ein.

"Junge, komm nimm den Mantel ab und setzt dich zu uns an den Tisch. Wir haben zwar kein Festmahl aber du wirst etwas warmes in den Bauch bekommen."

Kein Wort über meine Augenbinde. Verwundert blinzelte ich, was natürlich keiner sehen konnte. Die Hand an meiner Wange verschwand und zog an meinem Umhang. Ich lies ihn mir von den Schultern fallen, um danach weiter unschlüssig im Zimmer zu stehen. Ich hörte die schweren Schritte von Magdas Mann.

"Geh langsam vorwärts, aber wirklich langsam! Du bist in zwei oder drei Schritten am Tisch. Du kannst dich auf die rechte Seite setzten."

Ich tastete mich mit ausgestreckten Armen zum Tisch vor. Fuhr mit der Hand an der Kante entlang bis ich mit meinem Bein gegen einen Stuhl stieß. Ich versuchte ein lächeln und setzte mich.

"So nun essen wir erst mal. Und dann reden wir Junge. Ich bin mir sicher du hast einiges zu berichten."



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