Zum Inhalt der Seite

Strings of Fire

Ein Band des Schicksals kann nicht zerstört werden...
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Crucial Test

Chapter VIII: Crucial Test
 

Atemu lächelte mich zufrieden von der Seite her an, als er erfuhr, dass Ryou zu diesem Zeitpunkt noch immer in meinem Bett lag und dort den Schlaf der Gerechten schlief. Er verlieh seinem Lachen zudem noch lautstark Ausdruck, als ich ihm plötzlich nicht mehr ins Gesicht sehen konnte. „Das muss man sich erst einmal auf der Zunge zergehen lassen. Du und er, in einem Bett – die ganze Nacht? Wie waren deine Worte damals? Ich bin nicht wie du, Atemu. Hat er dich am Ende etwa doch noch bekehren können?“ Sichtlich erfreut über diese anscheinende Wendung der Ereignisse strich er Hiruseki zufrieden über den Kopf und gab diesem einen sanften Klaps auf den Rücken, woraufhin der auf den Platz rannte, um wieder einmal den kleinen hässlichen Hund dieser Anzu zu jagen. Schon jetzt konnte ich in meinem Kopf hören, wie sie mich gleich wieder ankeifen würde und hielt mir genervt die Hand an die rechte Schläfe. Dabei war mir gerade jetzt ganz und gar nicht nach einem solchen Gespräch zumute.
 

„Halt die Klappe, Ati. Ich bin auch nicht so wie du, Gott sei Dank. Du weißt ganz genau, dass das niemals meine Absicht bei Ryou war.“ Atemu schüttelte nur grinsend den Kopf, aber in seinen Augen lag der Ausdruck Du kannst dich eh nicht dagegen wehren und der traf mich weit tiefer als eine richtige Beleidigung. Am liebsten hätte ich ihm dafür den Kopf von seinem halbtätowierten Hals gerissen und einem gefräßigen Raubtier zum Frühstück vorgeworfen, aber dann wäre ja niemand mehr da, den ich ungestraft ärgern konnte. Trotzdem passte es mir überhaupt nicht, dass er irgendwo mit dem, was er sagte, auch noch Recht hatte. Ryou war mir mittlerweile nicht mehr ganz so egal, wie er eigentlich sein sollte. Irgendwie hatte ich es leider verpasst ihm nur meinen Hass entgegenzubringen – unter dieses Gefühl hatten sich noch andere gemischt. Tja und das war nun das Ergebnis: Atemu lachte mich aus, weil ich unerwartet richtige Gefühle zeigte und Ryou dachte wahrscheinlich auch noch, dass ich ihn wirklich von ganzem Herzen mochte. Aber schlimmer ging es ja bekanntlich immer.
 

„Sag mal, hast du Blödheit gefrühstückt?“, kreischte eine ekelhaft hohe Stimme über den Hundeplatz hinweg und die dazugehörige Besitzerin kam auch schon schnellen Schrittes auf uns zu. Immerhin hörte mein Freund endlich damit auf mich auszulachen und starrte Anzu mit großen unschuldigen Augen an. In solchen Momenten ähnelte er seinem kleinen Bruder beinahe ein wenig zu sehr. Aber schon kurze Zeit später sah er wieder aus wie der Atemu, der sich von niemandem etwas sagen ließ und alle überschwänglichen Emotionen waren wie verschwunden. Anzu stand nun in voller Größe vor mir und versuchte mich mit ihrem Blick irgendwie in die Knie zu zwingen. Immernoch die Hand an der Schläfe schnaufte ich genervt auf und winkte ihr zu. „Ja, und es war unwahrscheinlich lecker. Aber ich denke, dass mein Hund momentan ein noch besseres Frühstück hat, wenn er sich an deiner Töle keine Vergiftung holt.“ Lächelnd deutete ich mit meinem Zeigefinger hinter sie und Anzu drehte sich gerade noch rechtzeitig um, um zu sehen, wie Hiruseki ihrem Köter ins Bein biss. Wütend trat sie näher an mich heran und kümmerte sich dieses Mal wohl nicht um ihren Hund. Warum mussten mir die Leute immer schon am frühen Morgen dermaßen auf die Nerven gehen? Ich fuhr mir durch meine langen Haare und zog meinen Lederhandschuh zurecht. Doch bevor ich auch nur einen Ton von mir geben konnte sprach plötzlich jemand hinter uns mit Anzu.
 

„Dein Hund hat es ja auch verdient gejagt zu werden, so verboten hässlich, wie der aussieht. Und jetzt zieh Leine, bevor ich den Köter heute unter das Abendessen mische.“ Anzu öffnete den Mund, um sich und ihr kläffendes Fellknäuel zu verteidigen, aber Marik sprach ungehindert weiter. „Wage es ja nicht jetzt zu sprechen oder ich vergesse mich und dann wird Bakura nicht mehr so nett dastehen und einfach nur nichts machen. Also, wenn dir dein Leben lieb ist, dann belästige uns nicht mehr oder stirb in einem verlassenen Graben, dann sind wir dich ganz los.“ Mit vor Zorn funkelnden Augen drehte sie sich auf ihrem Absatz um und verschwand mit ihrem Hund hinter den Bäumen, die zum Waisenhaus führten. „Du hast ihm seinen Auftritt vermasselt Marik, sowas macht man nicht“, tadelte Atemu ihn lächelnd und drehte eine seiner blonden Strähnen um seinen Zeigefinger. Marik zuckte mit den Schultern und atmete tief aus. „Ich bin schließlich dazu da Bakura Einhalt zu gebieten, also wurde ich nur meiner Aufgabe gerecht. Außerdem nervt die nicht nur euch.“ Atemu nickte und sah nun wieder auf Hiruseki, der freudig auf mich zugerannt kam. Ich schloss meine dunkelblaue Jacke, da plötzlich ein eiskalter Wind aufgekommen war, der uns alle die Haare zerzauste. Atemu trat einen Schritt näher zu mir und stellte sich direkt hinter mich, um nicht allzu viel Wind abzubekommen – er hatte keine Jacke angezogen, da er eigentlich auf dem Weg zu Yugi war, als ich ihn zusammen mit Hiruseki aufgehalten hatte, um ihn über die neusten Dinge zu informieren. Obwohl er wusste, dass das genau die Zone war, der sich lieber niemand nähern sollte, umarmte er mich plötzlich, als erneut der Wind zunahm.
 

„Atemu...“ Unwillkürlich festigte er seinen Griff und gegen meinen Willen ließ ich es zu, dass sein Kopf auf meinem Rücken ruhte. Er machte nicht den Eindruck, als würde er in der nächsten Zeit loslassen wollen, aber in dem Moment sah ich, warum er sich überhaupt erst hinter mir versteckt hatte. Nicht der Wind war Schuld – ein bisschen Wind war ja wohl das kleinste Problem – sondern Jonouchi, der gerade über den Platz lief, um ebenfalls in das Waisenhaus zu gehen. Lächelnd hob ich meine Hände, um sie schützend auf Atemus zu legen und überwand sogar ziemlich erfolgreich den Drang ihn einfach nur schreiend von mir zu stoßen. Marik betrachtete amüsiert die Szene und strich sich seine dunkelblonden Haare aus dem gebräunten Gesicht. „Was haltet ihr davon, wenn ihr heute alle zu mir kommt und wir gehen eine Runde schwimmen?“, fragte er und vergrub seine dunklen Hände in den Taschen seiner hellgrauen Jacke. Atemu hob langsam seinen Kopf, um über meine Schulter in Mariks Gesicht zu sehen. „Kann Yugi bitte mitkommen?“ Seine Stimme übertönte mit Mühe den starken Wind und sein Griff war immer noch ziemlich klammernd um meine Oberarme, obwohl Jonouchi schon längst verschwunden war.
 

Vermutlich genoss Atemu es mir einmal so nahe zu sein, denn trotz unserer engen Freundschaft hatte er mich noch nie auf diese Weise anfassen dürfen. Um ehrlich zu sein hatte mich noch nie jemand so lange und vor allem so klammernd berühren dürfen. Dass es gerade Atemu war verwunderte mich zwar, aber es machte eigentlich keinen großen Unterschied – schließlich kannten wir uns schon über zwei Jahre und hatten eine Art Beziehung zueinander aufgebaut, die durch solche Gesten nur noch vertieft wurde. Also ließ ich ihn gewähren – wer wusste schon, wann ihm wieder so eine Gelegenheit geboten wurde. Marik überlegte einen Moment lang mit geschlossenen Augen die Antwort auf Atemus Frage und willigte schließlich grinsend ein. „Euch beide gibt’s ja eh nur im Doppelpack.“ Mit diesen Worten verabschiedete er sich von uns und beeilte sich in das Waisenhaus zu kommen, da der Wind immer mehr zunahm. Atemu ließ mich trotzdem nicht los und meine Hände verweilten immer noch schützend auf seinen. „In Ryous Innerem muss momentan ein ziemliches Chaos herrschen, wenn auch der Wind so durcheinander ist“, ertönte Atemus leise Stimme in meinem rechten Ohr und ich nickte langsam. Jedoch kümmerte mich Ryou momentan nicht allzu sehr – er war auf dem besten Weg wieder mein Ryou zu werden und so lange konnte er verwirrt sein, wie er wollte.
 

Es war Atemu, um den ich mir ernsthaft Sorgen machte. Das Verhalten, das er in letzter Zeit an den Tag legte, war mehr als nur seltsam und vor allem ziemlich emotional. So kannte ich ihn eigentlich nur, wenn es um seinen Bruder ging... „Sag mal Bakura“, ergriff Atemu wieder das Wort, nachdem wir lange schweigend im starken Wind gestanden hatten und Hiruseki schon seit einiger Zeit neben mir lag. „Was gibt’s?“ Er veränderte merklich sein Gewicht hinter mir, ließ aber trotz allem nicht los. Ich kam mir vor wie ein Fels in der Brandung, den ein Ertrinkender unter größter Mühe erreicht hatte und nun laut keuchend darauf lag, obwohl ihm der harte Stein schmerzhaft in den Rücken schnitt. Zu meinem Entsetzen war es aber kein schlechtes Gefühl so sehr für Atemu da zu sein, wenn er mich brauchte. Ich war in letzter Zeit einfach viel zu weich geworden. „Stört es dich, wenn ich noch eine Weile so verharre?“ Für einen Moment lang trat eine angespannte Stille zwischen uns ein, die ich aber schnellstmöglich wieder brach. „Mach, was du nicht lassen kannst, du Spinner.“ Atemu lachte erleichtert und drückte seinen Kopf vorsichtig wieder auf meine Schulter.
 

„Häh? Ich dachte, dass du nicht schwimmen gehst“, war Ryous geistreicher Kommentar und er drehte sich erstaunt zu mir um, während er herzhaft gähnte. Ich hatte ihm gerade von Mariks Einladung erzählt und war dabei mich dementsprechend umzuziehen. „Habe ich etwa behauptet in Badehose dort herum zu laufen und mit den Kindern fröhlich Wasserball zu spielen?“ Ryou lachte und krabbelte aus meinem Bett. „Ich hol schnell meine Sachen, wir treffen uns in der Halle“, verabschiedete er sich und schloss leise die Tür, als er ging. Mit einer Zeitschrift bepackt machte ich mich auf den Weg zu den anderen, nachdem ich mich umgezogen hatte. Ich öffnete die Hallentür – über der die Aufschrift Aquae multitudine flammae vis apprimitur eingraviert war – und hörte sofort, dass wohl schon alle da waren. Zögernd ging ich tiefer in die Halle, um zu dem großen Schwimmbecken im Herz der Halle zu gelangen. Ryou saß auf einem Liegestuhl am Beckenrand und wartete wohl auf mich. Atemu saß etwas abseits in einer Ecke und beobachtete Yugi, der zusammen mit Marik im Wasser war und sich köstlich amüsierte. Rein aus Gewohnheit wäre ich jetzt zu Atemu gegangen, aber Ryou winkte mich zu sich, als er mich entdeckte. Seufzend setzte ich mich neben ihn auf einen der weißen Stühle und ignorierte seinen musternden Blick. „Warum ist es dir eigentlich so wichtig sie zu verstecken? Weiß nicht jeder hier, dass du Narben hast?“, fragte Ryou mich so leise, dass es niemand sonst hören konnte und sah mir dabei tief in die Augen.
 

Was sollte das denn jetzt? Glaubte er etwa, nur weil er sie schon sehen und sogar unfreiwillig anfassen durfte, dass ich meinen Narben gegenüber eine ganz andere Einstellung bekommen hatte? Das mit meinen Narben konnte er nicht verstehen – wie auch? Er kannte ja ihre Geschichte nicht, doch das gab ihm noch lange nicht das Recht mir Ratschläge zu geben, was ich mit ihnen machen sollte. Meine Narben waren ein entscheidender Teil meiner Vergangenheit und wenn ich könnte würde ich sie, sowie auch die Erinnerungen an damals einfach von mir reißen, aber das ging nicht. Sie waren ein Teil von mir und würden es auch immer sein. Aber deswegen musste ich nicht nachgeben und aller Welt zeigen, wie schlecht es mir einmal ergangen war. „Was ich wie verstecke ist immer noch meine Sache und jetzt sieh bloß zu, dass du aus meinem Blickfeld verschwindest. Eines rate ich dir noch: Wage es ja nie wieder mich auf meinen Rücken anzusprechen – es gibt Dinge, die dich einfach nichts angehen, merk dir das lieber, wenn du hier überleben willst.“ Ihm war keineswegs der drohende Unterton in meiner Stimme entgangen, denn er wandte sich mit verletztem Gesichtsausdruck von mir ab und ging zu Marik ins Wasser, der sich sofort um ihn kümmerte. Yugi war inzwischen bei Atemu und redete wie wild auf ihn ein. Atemu jedoch schloss nur die Augen und schüttelte immer wieder den Kopf. Er hatte seine Beine angezogen und die Arme um sie geschlungen. Seine ganze Körperhaltung war defensiv eingestellt, aber Yugi schien das wohl kaum zu kümmern. Wieso verstanden Brüder nie, wann es zu viel und wo schlussendlich die Grenze war? Ich beschloss mich nicht weiter in diese Sache einzumischen und vertiefte mich in meine Sportzeitschrift.
 

Jedoch schon nach wenigen Minuten war es vollkommen unmöglich in Ruhe zu lesen, da Yugis Stimme immer lauter und drängender geworden war. Auch Ryou und Marik hatten ihre Unterhaltung gestoppt und sahen gespannt zwischen den beiden Brüdern hin und her. Sie hatten ihre Arme auf den Beckenrand gelegt, während das Wasser sanft über ihre Schultern schwappte. Ryous Blick glitt zu mir und augenblicklich wurde er rot. Teilweise kam dieses Rot wohl von seiner Wut, aber in seinem Blick lag auch Scham. Ich formte mit den Lippen die Worte Es tut mir Leid und lächelte entschuldigend dazu. Ryou gab zu meinem Glück nach und nickte grinsend. Dann jedoch widmete er sich wieder Atemu und Yugi und ich tat es ihm gleich. Yugi hatte sich mittlerweile auf das Ende von Atemus Liegestuhl gesetzt und bedrängte seinen Bruder immer mehr. „Jonouchi hat erzählt, dass der Unfall unseres Großvaters keiner war und dass du mehr darüber weißt. Bitte Atemu, wenn das stimmt, dann sag es mir.“ Oh oh... Da hatte wohl jemand seinen dämlichen Mund nicht halten können. Ich würde ihn eines Tages umbringen, wenn er nicht aufhörte Atemu systematisch von Innen heraus zu zerstören. Es reichte doch schon, dass dieser sich tagtäglich mit Schuldgefühlen quälte und sein Leben nicht einmal mehr richtig genießen konnte. Musste dieser Idiot es so weit treiben, bis Atemu keinen anderen Ausweg mehr sah, als selbst sein Leben zu lassen, um all dem endlich ein Ende zu bereiten? Vielleicht war es langsam doch an der Zeit etwas zu tun... Ich konnte Atemu einfach nicht alleine lassen – nicht, wenn er so offensichtlich litt.
 

„Red keinen Unsinn, Yugi. Woher soll Jonouchi denn davon wissen? Es war ein Unfall, weiter nichts. Und jetzt hör auf in der Vergangenheit zu bohren – ändern lässt sich nun eh nichts mehr.“ Atemus Stimme schwankte hörbar – er gab sich die größte Mühe sich selbst zu beherrschen, aber mir konnte er nichts vormachen. Ich kannte ihn in- und auswendig. Jede einzelne seiner Bewegungen zeigte mir, wie er sich fühlte und seine Augen waren für mich wie ein offenes Buch. Leider war bisher nur ich in der Lage die Sprache zu entziffern, in der es geschrieben war. Atemu hob nun endlich den Kopf, um seinem Bruder in die Augen zu sehen und sein Blick war seltsam starr, beinahe hart, aber Yugi gab so schnell nicht auf. Offenbar hatte Jonouchi ihn heftig gegen Atemu aufgehetzt. „Jonouchi weiß verdammt viel – mehr sogar als ich und er sagte mir, dass es kein Unfall war.“ Atemu fuhr sich mit zitternden Fingern durch seine Haare und legte seine Hände dann auf seine Oberarme. „Und du glaubst ihm mehr als deinem eigenen Bruder?“ Yugi stockte einen Augenblick und verfiel in eine Art Trance. Offenbar wägte er ernsthaft ab, wem er momentan mehr Glauben schenkte. Auch Atemu fiel das auf und er schloss mit traurigem Blick die Augen wieder. „Wenn das so ist, dann bleibt mir keine andere Wahl, als“, flüsterte Atemu leise, aber für jeden von uns hörbar und stand auf. Erleichtert atmete ich auf – ich hatte schon befürchtet, dass er irgendeine Dummheit begehen wollte.
 

~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~
 

Yugi stand ebenfalls auf und trat ein paar Schritte zurück, bis er vor dem Beckenrand stehen blieb. „Atemu?“, fragte er mit zittriger Stimme und hob abwehrend die Hände. Es war schon eigenartig, wie sich die beiden momentan verhielten. Und so langsam fragte ich mich, ob Atemu mir die Wahrheit über seine Vergangenheit erzählt hatte. Denn offenbar war sie doch nicht so harmlos verlaufen, wie er sie geschildert hatte. Mir kamen Bakuras Worte wieder in denn Sinn. Es gab Dinge, über die man besser nicht sprach und Atemus wirkliche Vergangenheit war wohl eines dieser Dinge. Mit einem Mal konnte ich verstehen, warum Bakura immer so schroff reagierte, wenn es um sein vorheriges Leben ging. Er wollte nicht, dass es jemand erfuhr, um dann ein Druckmittel gegen ihn zu haben. Offenbar gab er immer nur die Details preis, die ihm nichts ausmachten. Atemu schien es da nicht anders zu ergehen. Jedoch kam es mir so vor, als wäre in seiner Vergangenheit mehr schief gelaufen, als in Bakuras. Oder beide konnten es so gut vor anderen verstecken, dass niemandem von uns auffiel, wie sehr sie wirklich unter ihr litten.
 

Atemu stand nun direkt vor Yugi, der ein paar Schritte neben Marik und mir vor dem Beckenrand stand und seinen Bruder noch immer anstarrte. Bakuras Gesicht zierte ein seliges Lächeln, während er mit einem belustigten Funkeln in den dunklen Augen die Szenerie verfolgte. Während ich gespannt darauf wartete, was als nächstes passieren würde, spürte ich, wie das warme Wasser des Beckens über meine Schultern schwappte. Es war ein schönes Gefühl – irgendwie so, als würde mich das Wasser beschützen. Denn obwohl weder Marik noch ich uns bewegten, war das Wasser in ständiger Aufruhr und benetzte unsere Haut immer wieder in ein und demselben Rhythmus. Marik fuhr sich mit gespreizten Fingern durch seine nassen Haare, die nun schlaff an seinem Kopf herunter hingen und stützte danach sein Kinn auf dem rechten Handrücken ab. „Die beiden sind einfach so süß zusammen, findest du nicht?“, fragte er mich leise und deutete mit einem Nicken auf Atemu und Yugi. Ich bestätigte seine Frage mit einem stummen Lächeln, denn noch immer war es mir unmöglich außerhalb von Bakuras oder Atemus Gesellschaft zu sprechen. Und seltsamerweise verspürte ich auch kein Bedürfnis etwas an dieser Sache zu ändern. Das mit Noah war ein Ausrutscher gewesen, den ich nicht noch einmal wiederholen wollte.
 

„Was hast du jetzt vor, Atemu?“, keuchte Yugi plötzlich etwas atemlos und bevor einer von uns überhaupt reagieren konnte war Atemus Hand hervor geschnellt und hatte Yugi sanft nach hinten gedrückt, so dass dieser mit einem lauten Platsch ins Wasser neben mir fiel. Als er wieder auftauchte schnappte er panisch nach Luft und hustete erst einmal. Bakura war der Erste, der ausgelassen und lauthals lachte und keine Sekunde später stimmten auch Marik und Atemu darin ein. Selbst Yugi brachte ein Lächeln zustande, als er wieder normal atmen konnte. Sein großer Bruder kniete sich an den Beckenrand und fuhr ihm ein Mal mit der Hand über die nassen Haare, die Yugi nun sanft am Kopf herunter hingen. Das Lächeln verließ die Gesichter beider schlagartig und Atemu legte seine Hand nun auf die Wange Yugis. „Die Familie ist das, was am Ende bleibt. Merk dir das bitte, Yugi. Wenn du mir nicht vertraust, wie soll das dann mit uns weiter gehen?“ Yugis Wangen färbten sich leicht rötlich und Atemu ließ mit einem Zwinkern wieder von ihm ab und setzte sich dann zu Bakura, der nun wieder mit seiner Zeitschrift beschäftigt war. Marik nahm sich nun vor Yugi ein wenig zu ärgern und verabschiedete sich mit einem Winken von mir. Ich blieb am Beckenrand und beobachtete Bakura einmal genauer. Er war für mich ein wandelndes Mysterium – ich wollte unbedingt hinter all seine Geheimnisse kommen und jedes seiner Rätsel lösen, wenn er mir nur die Chance dazu gab.
 

Bakura hatte die Augen noch immer in die Sportzeitschrift Power Wrestling gerichtet, aber er sprach in leise Ton mit Atemu. Ich verstand zwar nur Fetzen ihres Gesprächs, aber was ich hörte bestätigte meine Meinung über ihre Vergangenheiten nur noch mehr. Die Worte Du bist so ein schlechter Schauspieler, Atemu drangen einmal an mein Ohr und machten mich doch ein wenig stutzig. Warum spielte Atemu uns etwas vor und warum besaß anscheinend nur Bakura die Fähigkeit dieses Schauspiel zu erkennen? Welche Art von Freundschaft verband die beiden, dass sie einander lesen konnten, als wäre ihnen jedes Gefühl auf der Stirn geschrieben? Es machte mich ein wenig eifersüchtig, dass Atemu so viel mehr von Bakura wusste als ich, aber das war wohl etwas, was ich nie ändern konnte. Diese beiden Menschen teilten etwas, das ich nicht erfassen konnte und es schien so, als wären sie damit ganz zufrieden. Marik hatte mir vor einer Weile etwas gesagt, was mir beinahe jede Nacht im Kopf herum spukte. Als er mich einmal gemustert hatte, wie ich Atemu und Bakura hinterher gesehen hatte meinte er nur Jedes Feuer braucht ein Streichholz. Und so war es wohl auch. Der eine hing vom anderen in irgendeiner Weise ab und daran würde sich nichts verändern. Ich dagegen konnte mich eigentlich nur verdammt glücklich schätzen überhaupt eine Chance bekommen zu haben an dieser Freundschaft ebenfalls teilzunehmen. Und das wollte ich mir auf keinen Fall entgehen lassen. Die Nähe dieser beiden Personen war mittlerweile schon etwas Reales, etwas Festes geworden und ohne das fiel es mir viel schwerer zu atmen.
 

Atemu legte nun seinen Zeigefinger auf das obere Ende der Zeitschrift, um sie so weit herunter zu drücken, dass er lesen konnte, was Bakura eigentlich so interessiert mit verfolgte. Als er nun sprach war seine Stimme wieder fest und ich konnte jedes Wort verstehen. „Nun ist das Geheimnis gelöst, warum der Undertaker für einige Wochen pausierte. Es handelte sich dabei sogar um ein süßes Geheimnis, denn Mark Calloway und seine Frau Sara wurden das zweite Mal Eltern. Das Töchterchen bekam den Namen Gracia. Ach deswegen war er die ganze Zeit nicht mehr da und ich dachte schon, er wäre ganz weg vom Fenster.“ Bakura nickte langsam und deutete dann auf einen anderen Artikel, dessen Überschrift Atemu langsam laut vorlas. „Edge und Lita nun auch in WWE-Shows ein Paar. Tja, wo die Liebe eben hinfällt. Schade um ihren Ex Matt Hardy, den mochtest du doch so. Darf ich mal lesen?“ Bakura hielt ihm bereitwillig den Artikel hin und wartete, bis Atemu damit fertig war. „Willst du nicht mal ins Wasser zu deinem Bruder?“, wollte Bakura nun wissen und deutete damit an, dass er gerne wieder alleine sein würde. Atemu nickte und stand augenblicklich auf. Er drehte sich um und kam auf mich zu. „Darf ich mich zu dir gesellen?“ Ich rückte ein paar Zentimeter nach links und Atemu setzte sich auf den Beckenrand, um seine langen Beine neben mir ins Wasser zu lassen. Seine Hände hatte er ineinander verschränkt und sein Blick war auf das – in dem einfallenden Sonnenlicht glitzerndem – Wasser gerichtet.
 

„Hast du eigentlich die Gravur über Mariks Eingangstür gesehen?“ Ich versuchte mich an eine derartige Gravur zu erinnern, aber mir wollte nichts dergleichen aufgefallen. Atemu lächelte kurz und tauchte nun auch seine schlanken Finger in das Wasser. „Dort steht Aquae multitudine flammae vis apprimitur. Weißt du, was das heißt?“ Ich verneinte, da ich nie in meinem Leben Latein gelernt hatte. Atemu hingegen schien genau zu wissen, was es bedeutete und weihte mich ein paar Sekunden später auch ein. Sein Blick war immer noch auf das Wasser gerichtet, aber mittlerweile konnte ich von meiner Position aus erkennen, dass seine Augen einen traurigen Ausdruck hatten. Offenbar hatte er seine Maske gerade abgelegt und gewährte mir einen Blick in sein Inneres. Das also hatte Bakura gemeint. Es gab Momente, in denen Atemu mir offen zeigte, welche Emotionen ihn gerade beherrschten und dann gab es Zeiten, in denen er sich verstellte, um uns alles etwas vorzumachen und trotzdem konnte Bakura direkt in seine Seele sehen. „Grob übersetzt bedeutet es Durch die Menge des Wassers wird das Feuer erstickt. Bakura hat sich damals fürchterlich aufgeregt, als er sie zum ersten Mal gelesen hat, aber mittlerweile stört es ihn nicht mehr. Er hat sich damit abgefunden, dass Marik nun mal das Wasser hat.“
 

Ähm... was? Ich verstand kein Wort von dem, was Atemu mir da erzählte, aber anstatt mich darüber zu ärgern legte ich es einfach in die Schublade ungelöste Rätsel über Bakura und nahm mir vor auch noch dieses Geheimnis zu knacken. „Ich geh eine Runde schwimmen – ein bisschen Bewegung würde mir jetzt gut tun.“ Und schon war er neben mir sanft in das warme Wasser geglitten und nach kurzer Zeit in der Mitte des großen Beckens. Ich wandte mich wieder Bakura zu, der nun vollkommen konzentriert in seiner Zeitschrift las und total unbeteiligt in voller Montur etwas entfernt auf seinem Stuhl saß. Seine schlanken, blassen Finger schmiegten sich um seine angewinkelten Knie, auf denen das Magazin lag und seine dunklen Augen huschten kaum sichtbar hin und her, um jedes Wort richtig zu erfassen. Es war ein komisches Gefühl ihn so zu beobachten. Er war direkt in meiner Nähe und doch schien er im Herzen so weit entfernt zu sein, dass ich ihn nicht einmal mehr wahrnehmen konnte. Er rückte mit jeder Sekunde mehr in eine Dunkelheit, die meine Unwissenheit mit sich brachte...
 

Erschrocken vergaß ich einen Moment lang mich am Beckenrand festzuhalten, rutschte deswegen ins Wasser ab und schluckte versehentlich ein wenig davon. Mir war just in diesem Moment etwas bewusst geworden. Es war ein Gedanke, der sich einfach plötzlich in mein Bewusstsein schlich und dort alles auf den Kopf stellte. Einfach so schien es nun tatsächlich einen Sinn zu machen, warum ich meinen Vater tief in mir doch hasste. In meinen Erinnerungen gab es eben genau diese Dunkelheit des Unwissens. Ich hatte einfach keine Erinnerungen von meiner frühsten Kindheit – sie war wie eliminiert, einfach aus meinem Gedächtnis gelöscht. Vielleicht lag der Grund für meinen Hass in eben genau diesen verloren gegangenen Jahren. Vermutlich war dort etwas geschehen, was sich zwar nicht in meinem Gedächtnis, aber zumindest in meinem Unterbewusstsein hatte verankern können und das hieß doch, dass ich wieder an diese Erinnerungen kommen konnte. Während ich zusah, wie Atemu mit nassen und herunter hängenden Haaren auf Bakura zuging, um sich wieder auf dessen Liegestuhl zu setzen, bekam ich plötzlich das Gefühl, dass Bakura genau derjenige war, der mir dabei bestimmt helfen konnte.
 

*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~
 

Atemu hatte sich – nass, wie er jetzt war – wieder auf meinen Liegestuhl gesetzt und hinterließ unter ihm eine Pfütze, die sich langsam auf dem Boden ausweitete. Seine feuchten Haare hingen ihm schwer auf die schmalen Schultern und von fast allen dickeren Strähnen fielen in gleichmäßigem Rhythmus Wassertropfen auf seinen Oberkörper. Die blonden Strähnchen schmiegten sich schlaff an sein Gesicht und verdeckten teilweise den Blick in seine strahlenden Augen. Er wischte sich mit einer geübten Handbewegung das Wasser aus den Augenbrauen und dem Gesicht und sah mich lächelnd an. „Was ist denn, keine Lust auf Schwimmen?“ Ich schenkte ihm keine Aufmerksamkeit und fing wieder an den Artikel über John Cena zu lesen. „Das Wasser ist herrlich“, frohlockte Atemu und rutschte näher zu mir. Ich zog augenblicklich meine Beine enger an mich und blätterte um. „Dann geh doch wieder zurück, wenn es dir so gut gefällt.“ Atemu schüttelte energisch den Kopf und spritzte so viel zu viel Wasser auf mich. „Pass doch auf du Trottel, die Zeitung muss ich wieder zurücklegen“, fuhr ich ihn an und versuchte vergeblich das Papier von dem Wasser zu befreien. „Komm schon, du kannst dich nicht ewig drücken.“ Konnte ich doch, wenn ich es nur lange genug wollte.
 

Weder Atemu noch ich sprachen in den darauffolgenden Minuten ein Wort miteinander, aber lesen war mir momentan auch nicht möglich. Atemu saß irgendwie geknickt vor mir, obwohl seine Augen eigenartig funkelten und ich war mich sicher, dass er über etwas reden wollte – nur traute er sich nicht damit anzufangen. „Es wird gefährlich, wenn Jonouchi weiterhin so viel singt. Yugi wird sich nicht immer so leicht abwimmeln lassen, das weißt du. Ich könnte dir helfen, wenn du mich nur darum bittest.“ Atemu sah mich einen Moment lang starr an, schüttelte dann aber entschieden den Kopf. „Nein, das ist allein meine Sache. Ich werde mich selbst darum kümmern.“ Wenn er keine Hilfe wollte konnte ich nichts für ihn machen. Dabei machte ich mir mittlerweile wirkliche Sorgen um Atemu. „Vielleicht ist die ganze Sache etwas zu groß für dich alleine“, flüsterte ich und war sogar selbst von dem sorgenvollen Unterton überrascht, der aus meinem Mund drang. „Ja, vielleicht. Jonouchi könnte mich ruinieren, aber ich darf doch nicht zulassen, dass er mir Yugi wegnimmt. Ich habe so lange für ihn kämpfen müssen – ich will ihn nicht wieder verlieren.“ In seinen Augen schimmerten Tränen, aber er erlaubte sich selbst nicht ihnen freien Lauf zu lassen und schluckte sie stattdessen einfach wieder herunter.
 

Er stand wieder auf und sah zu mir herunter. „Ich gebe Yugi nie wieder in die Obhut von Menschen, die ihm doch nur wehtun. Nicht noch einmal.“ Er brauchte Hilfe, das war klar. Atemu ging viel zu emotional an die Sache heran und das würde ihn behindern. Aber solange er mich nicht ausdrücklich um Hilfe bat war ich machtlos. Ich wollte ihm meine Meinung auch nicht aufzwingen. Alles, was mir noch übrig blieb war, auf ihn aufzupassen. Darauf Acht geben, dass er sich dabei nicht selbst ruinierte. Atemu hatte endlich einmal etwas Glück verdient und Jonouchi stand dem entschieden im Weg. Ich konnte nur inständig darum hoffen, dass er im Grunde doch wusste, was er tat. „Wenn ich dich brauchen sollte“, flüsterte Atemu kaum hörbar in meine Richtung, während seine Augen Yugi im Visier hatten. „Werde ich für dich da sein, versprochen“, beendete ich seine Bitte und schloss die Zeitschrift, um auch aufzustehen. Mir war während unserem Gespräch das linke Bein eingeschlafen. Atemu lächelte dankbar und schnappte sich meine linke Hand. „Was hast du vor?“, wollte ich misstrauisch wissen und versuchte mich eher halbherzig seinem Griff zu entziehen. „Meinem Freund ein wenig Spaß näherbringen, weil der sonst in seinen Sorgenfalten ertrinkt“, lachte Atemu und rannte plötzlich los – mich noch immer an seiner Hand. Auch, wenn ich wusste, was er vorhatte, so wehrte ich mich nicht gegen seine Idee. Stattdessen erleichterte ich ihm die Arbeit und lief bereitwillig mit ihm mit. Zusammen sprangen wir in das warme Wasser und erzeugten so eine gigantische Welle, die sowohl Ryou, als auch Marik und Yugi unter sich begrub.
 

:::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::
 

Crucial Test = Feuerprobe

Song: Wolfgang Fuchs – November (war meine Inspiration hierfür)
 

Wow, das ließ ja ewig auf sich warten. Tut mir wirklich extreeeemst Leid, dass ich hier so gar nichts mehr hochgeladen habe, aber mein Fokus liegt mittlerweile auf RPS-FFs. Aber ich verspreche, dass ich SoF auf jeden Fall beenden werde. Auch, wenn sich nach dem 9. Kapitel meine Schreibweise wohl ändert (ich hab nämlich das 9. Kapitel schon vor Jahren geschrieben und es auf meinem PC vergammeln lassen...). Seid ab dem 10. Kapitel nachsichtig mit mir =}



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  dark-lucifer
2011-07-21T18:04:44+00:00 21.07.2011 20:04
hab grad deine ff entdeckt & in einem ruck durchgelesn (hat mich zwar fast nen ganzen tag gekostet, aber egal^^)
... ich muss ernsthaft sagen, dass ic erstens deine idee total toll finde und ich deinen schreibstil absolut nicht von der echter romane unterscheiden kann!!!
... nein ehrlich, da hab ic schon romane gelesn, die auf nem weithaus niedrigerem nivau warn
hoff deswegen, dass de bald kapi 9 rausrückst, damit ic dat au noch verschlingen kann XD

lg~♪
Von:  Umi
2010-12-21T05:02:38+00:00 21.12.2010 06:02
Ein neues Kapitel!!! Und das seit mehr als einem Jahr!!! ò___ó'''''' Und es hat immer noch keine Kommentare!! *schnaub* ... >_> ... <_< ... *FF mal auf die "to read" Liste setz - sie erst mal wieder im Ganzen lesen muss, bevor das neue Kapitel anschauen kann* Kriegst so bald wie möglich richtiges Feedback, versprochen! *irre neugierig ist, wie dein Schreibstil sich entwickelt hat* *sparkle*
(*dieses fett gedruckte "Bitte nur konstruktive Kritik!" über dem Kommi-Feld mal geflissentlich ignorier*)


Zurück