Er würde so tun, als ob nichts gewesen wäre.
Er würde sich nichts mehr anmerken lassen.
Es war alles vorbei.
So einfach war das.
Er hatte nie eine Chance bestanden.
Der winzigste Funken Hoffnung, den er vielleicht gehegt hatte, war erloschen.
Und diese Kühle..
Bei dem Gedanken daran begann er zu zittern. Das war mit das Schlimmste. Die Kälte, auf die seien Liebe geprallt war. Ablehnung hatte er erwartet, aber das...Unerwiderte Liebe. Wie lächerlich. Und doch fraß es ihn auf.
Es zerriß ihn, aber was sollte er tun, wenn nicht sich wie früher verhalten?
Micah konnte sich nicht auf ewig in seinen eigenen vier Wänden verkriechen, wie sehr er sich das auch wünschte.
Nach einer langen nacht mit wenig Schlaf, in den sich immer noch heftige erregende Träume schlichen, wusch er sich gründlich, zog sich an und verließ sein Haus.
Draußen war es noch dunkel, nur in wenigen Hütten brannte schon Licht.
Am Rande des Waldes wartete Cain auf ihn.
Keiner sagte ein Wort.
Sie begannen mit ihrem Wachrundgang.
Stumm, ohne einander anzusehen.
Unendlich langsam quälten sich die Stunden dahin, eine Ewigkeit nach der anderen.
Selbst der Gesang der Vögel und die anderen laute des Waldes wirkten gedämpfter als gewöhnlich, irgendwie befangen.
Nicht ein einziges Tier kreuzte ihren Weg, als würde ihnen jedes Lebewesen ausweichen.
Cain stapfte ein Stück vor Micah durch das Unterholz.
Micahs Blick bohrte sich zwischen die starken Schulterblätter des Hellhaarigen.
Er wollte nicht als erster sprechen.
Doch das stetige Schweigen ertrug er einfach nicht länger.
"Wie geht es dir heute?" Seine Stimme klang ein wenig gepreßt.
Cain zuckte bei seinen plötzlichen Worten sichtbar zusammen: "Es geht so."
Kurze Stille.
"Und dir?"
Vielleicht ging es ihm ähnlich und er wollte alles vergessen.
"Es ging mir schon besser.", erwiderte Micah, versuchte zu lächeln, obwohl Cain ihm immer noch den Rücken zukehrte und es nicht sehen konnte: "Und was gibt es sonst Neues?"
"Nicht viel. Aber da du dich die letzten Tage verkrochen hast...Wie auch immer, ich habe den anderen erzählt, du wärest krank und könntest deshalb nicht mit mir patrouillieren."
"Danke"
Cain ging daraufhin eine Spur langsam.
Zögernd schloß der Dunkelhaarige zu ihm auf: "Was haben sie denn dazu gesagt?" Er warf einen schnellen Seitenblick auf Cain fein geschnittenes Gesicht und konzentrierte sich sofort wieder auf dem Boden vor ihm.
Cain druckste ein wenig herum, dann begann er schleppend zu berichten, wie wütend oder auch besorgt die anderen Dorfbewohner gewesen waren und was sich in der Zwischenzeit noch ereignet hatte,
Micah bemühte sich, ihm zu zuhören, doch nur Bruchteile der Erzählung drangen wirklich zu ihm durch.
Wie mechanisch trugen ihn seine Beine weiter durch den Wald, seine Augen beobachteten die Umgebung, wie er es immer tat, wenn er auf Patrouille ging.
Alles erschien ihm so leer und trostlos.
Cain dagegen redete weiter und weiter,
was er wohl empfand?
Unbehagen wahrscheinlich.
Der Gedanke, die alte Freundschaft verloren zu haben, beschäftigte ihn sicherlich ebenfalls.
Aber nicht die Verlassenheit, Einsamkeit, die Zerstörung seine Traumes, die Vernichtung von allem, was er je gewollt hatte.
Bevor Micah wieder in Selbstmitleid und Trauer versinken konnte, gab er sich einen Ruck.
Aufmerksam sein, beobachten und lauschen!
Von seinen Gefühlen ablenken.
Cain ging nun wieder einige Schritte vor ihm, erzählte immer noch. Er schien sich voll und ganz auf seine Geschichte und den Weg zu konzentrieren, hatte noch nicht einmal bemerkt, dass Micah zurück gefallen war.
Am Rand von Micahs Gesichtsfeld bewegte sich etwas.
Er blinzelte irritiert, wandte den Kopf.
Rechts vor ihnen war doch eine Bewegung gewesen?
Micah blickte angestrengt auf das dichte dornige Brombeergestrüpp an dieser Stelle.
Alles blieb still.
Nicht war zu sehen.
Trotzdem verlangsamte er seine Schritte.
Er war sich sicher, etwas gesehen zu haben.
Nur für den Bruchteil eines Augenblicks, aber e war ad gewesen.
Etwas Großes.
Cain schien allerdings nichts bemerkt zu haben, marschierte ruhig weiter, näherte sich dem Gestrüpp.
Ein leises, kaum hörbares Rascheln im Gebüsch.
Micahs blaue Augen verengten sich.
Eine der Ranken schien sich zu bewegen und er glaubte kurz etwas großes Bräunlich-grünes zu erkennen. Zwei glänzende schwarze Augen starrten aus dem Brombeerdickicht.
Direkt in Cains Richtung.
"Cain!", brüllte Micah.
Er rannte los.
Nur wenige Meter trennten die beiden und doch hatte Micah panische Angst zu langsam zu sein und zu spät zu kommen.
Zeitgleich mit ihm war etwas Riesiges mit zottigem Fell und langen, gebogenen klauen an den vier kräftigen Gliedmaßen und starken, dolchartigen Reißzähnen aus dem Unterholz gebrochen.
Das gewaltige, muskulöse Wesen jagte auf allen Vieren mit langen Sätzen auf Cain zu. Die weißen Zähne blitzten im Sonnenlicht.
Ein Sotar-Löwe.
Micah rannte, so schnell wie noch nie in seinem Leben.
Er ließ seinen Freund nicht aus den Augen, sah nur aus den Augenwinkeln, wie der Löwe näher und näher kam.
Auch Cain hatte endlich die Gefahr bemerkt, wandte sich um.
Zu langsam!
Genau wie Micah.
Er hatte seinen Freund fast erreicht, aber...
Micah mußte mit ansehen, wie der Sotar-Löwe die Muskeln spannte, in die Knie ging und federnd absprang.
Micah keuchte verzweifelt, dann stieß er sich ebenfalls mit aller Kraft ab, machte einen Satz nach vorne.
Er dachte nicht, er handelte intuitiv und reflexartig.
Er warf sich zwischen Cain und den Löwen, zog im Flug den Dolch hinter seinem Gürtel hervor.
Das riesige Tier ragte vor ihm auf, füllt sein gesamtes Blickfeld und im selben Augenblick in dem Micah sein Messer heftig in den Körper des Löwen stieß, traf dessen mächtige Vorderpranke ihn.
Die langen Krallen zerfetzten seine Kleidung wie Papier, zerschnitten die haut und rissen das Fleisch auf.
Grausamer Schmerz durchzuckte ihn von der linken Schulter schräg hinunter bis zur linken Hüfte.
Micah schrie.
Neben dem durchdringenden Raubtiergestank nahm er den intensiven metallischen Geruch seines eigenen Blutes wahr.
Mit schwindender Kraft drehte Micah das Messer im Körper des Löwen, dann glitt seine Hand vom Griff ab. Während der Löwe vor Pein laut aufbrüllte und sich wild herum warf, fiel Micah wie ein Stein zu Boden
Endlose Ströme warmen, klebrigen Blutes rannen über seinen Leib, färbten den Boden unter und neben ihm rot.
Micah fühlte nur noch Schmerzen.
Die Welt war nur noch Qual.
Er konnte die Augen nicht mehr offen halten, die Lider klappten immer wieder zu.
Der Sator-Löwe war noch immer vor ihm, raste vor Wut und Schmerz und brüllte.
Ein Messer sauste pfeifend durch die Luft, bohrte sich in den Hals der Raubkatze.
Schlagartig brach das Tier zusammen.
Micahs Augen fielen zu.
Stille.
Dunkelheit.
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Zuerst einmal der Hinweis:
Ich hab beim letzten Kapitel am Ende noch etwas ergänzt!
Zweitens:
Danke an Coocoo!!
Durch eine ihrer Anregungen weiß ich nun sicher, wie es weiter geht!! ^.^
Ich hab schon wieder eine Kapitel auf Papier gebracht. ^^
Also bis bald!!! :o)
Pitri