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Erwärme mein Herz

von

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Der Geruch von Regen

sodala. ich schreibe weiter fleissig. da in in 2 wochen nach berlin abhaue und schon so lange eine neue geschichte im kopf habe, möchte ich "Erwärme mein Herz" wirklich langsam zu ende bringen...
 

ich hoffe, meine schreiberische leistung geht dabei nicht drauf. ich gebe mein bestes! ^^
 

ähm, zum letzten kapitel: es gab da scheinbar nochmal eine kleine unklarheit, zwecks der letzten szene, ich glaube, das kam von viciousgirl:

Da ich selber Schwertkampf mache, weiss ich, wenn man wirklich etwas anrichten will, braucht man da ein bissl kraft und anlauf... In dem moment, als Baijne quasi sein Schwert zurückgezogen hat, über seine Schulter, hat Van seinen Dolch gezogen und halb aufgerichtet angegriffen. es tut mir leid, wenn das nicht so ganz deutlich war. ich werde das vielleicht nochmal überarbeiten...
 

jetzt erst mal: viel spass bei diesem kapitel!
 


 

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Kapitel 42: Der Geruch von Regen
 

Hitomi saß in der großen Eingangshalle von Dryden’s Hauptschiff und starrte auf die farbenfrohen Fische, die sich in dem riesigen Aquarium ihr gegenüber tummelten.

Das Becken war riesig, in die Wand eingelassen und grenzte auf der anderen Seite an Dryden’s und Millerna’s Schlafgemach, soweit sie wusste. In der Mitte aber waren verschnörkelte Steine aufgeschichtet, mit Gräsern und exotischen Korallen bewachsen, sodass man nichts von der anderen Seite sehen konnte.

Hitomi’s Augen folgten der eleganten Bewegung eines türkis-gelben Fisches, den fast unsichtbaren Schwingungen seiner hauchdünnen Flossen…

Er wirkte zufrieden, mit der Welt im Reinen…

Seine einzigen Sorgen waren es wohl, zu fressen und zu schwimmen.

Hitomi beneidete ihn darum…
 

Sie wusste, dass die intensive Betrachtung der Fische nur ein Fixpunkt für ihre Augen war. Ein Ausflucht, um nicht an Van denken zu müssen… Sie hatte Angst davor sich vorzustellen, wie es ihm gerade ging, was er gerade für Schmerzen durchlitt…

Und es war auch noch alles so schnell gegangen, dass sie sich kaum erinnern konnte… Die vergangene halbe Stunde kam ihr vor, wie ein verwackelter, rauschender Schwarz-Weiß-Film.
 

Erst der Kampf mit Baijne…

Hitomi hatte mit ansehen müssen, wie Van nieder ging, wie Baijne ihn angriff und dann war da diese riesige Welle, die über beide hinweg schwappte, sodass niemand mehr etwas erkennen konnte…

„VAAAN!“, hatte Hitomi erneut geschrieen, sich in Allen’s Armen gewunden, sich aber nicht befreien können.

Sie hatte mit ihrer ganzen Aufmerksamkeit auf den Punkt am Strand gestarrt, keine 10 Meter von ihr entfernt, wo sich jetzt der Ozean wieder zurückzog und einen durchnässten Haufen aus zwei Menschen zurück ließ.

Und beide hatten sich nicht mehr gerührt…

Van hatte reglos da gelegen, Baijne halb auf ihm. Erst dann hatte Hitomi das Blut wahrgenommen, das den Sand benetzt hatte und von den Wellen mitgerissen wurde.

Die Gischt hatte sich rot gefärbt, ein unheimlicher Anblick.
 

Ab da konnte sich Hitomi an nicht mehr viel erinnern.

In dem Moment schien sich ihr Blickfeld zu verdunkeln, grau und stumpf zu werden. Sie fühlte nichts mehr, nur ihr Herz, welches ganz langsam in hunderte von Teilen zerriss.

Allen hatte sie los gelassen, war zu Van hinüber gestürzt, irgendwer hatte auch sie gepackt, zurückgezogen und erst auf Dryden’s Schiff konnte sie sich wieder orientieren.

Plötzlich waren da überall Hände gewesen, sanfte, wohlwollende Hände, die sie vorwärts schoben, ihr die nassen Kleider auszogen, sie trocken rieben, ihre Wunden säuberten und sie schließlich in ein frische Gewänder steckten.

Jetzt saß sie da, in der Eingangshalle, die neben einigen anderen Zimmern zum Lazarett umfunktioniert worden war.

Überall saßen oder lagen verletzte und angeschlagene Soldaten herum, wurden umsorgt von freundlichen Mädchen in astorianischen Uniformen.

Hitomi hatte keine größeren Verletzungen, außer ein paar Schrammen und blaue Flecken.

Sie wollte sich dennoch noch mal untersuchen lassen, aber erst von Millerna persönlich. Diese aber war gerade in ihrem Operationszimmer, wo sie sich um Van kümmerte.
 

Deshalb kam sich Hitomi auch gerade so furchtbar nutzlos vor.

Sie saß da, kannte niemanden um sich herum und konnte nur auf die Fische im Aquarium starren um nicht vollkommen durchzudrehen.

Sie wollte bei Van sein! An seiner Seite! Seine Hand halten! Sie wollte ihn gesund wissen und ihr schmerzendes Herz wieder rehabilitieren.

Sie hatte es ja wirklich versucht!

War hinter Van hergestürzt, als sie seinen reglosen, aber noch lebendigen Körper auf das Schiff geschafft hatten, das mittlerweile oben auf den Klippen gelandet war…

Aber Millerna hatte sie nur streng angesehen und ihr verboten den Raum zu betreten, ehe sie sich Van angesehen hatte.

Jetzt war er schon eine halbe Stunde da drin und es gab immer noch keine Nachricht von ihm…
 

Der einzige Trost an dieser ganzen Sache war, dass Baijne tot war.

Mausetot.

Van hatte ihm seinen Dolch tief in den Bauch gerammt, ihn geschickt gedreht, sodass der Schwarze noch vor Ort verblutet war.

Hitomi spürte nicht mal den Ansatz von Trauer, als sie daran dachte. Es geschah ihm ganz recht! Für all das was er ihr und so vielen Anderen davor angetan hatte…

Sie wusste, dass diese Art zu denken nicht schön war.

Aber im Moment konnte sie nicht anders empfinden… Nicht, wo Van so verletzt war.
 

Unruhig strich sie immer wieder über den Stoff ihres einfachen, sandfarbenen Leinenkleides und zog das gestrickte Tuch um ihre Schultern noch enger um sich.

Obwohl sie wieder trocken war, konnte sie die Nässe, die sie den ganzen Tag über durchweicht hatte, noch spüren.

Gänsehaut lief über ihren Rücken, ließ sie schaudern und sie entschied sich, aufzustehen und ein wenig herum zu gehen.

Sie bahnte sich einen Weg durch die Soldaten hindurch, von denen einige von Schmerzen geplagt stöhnten, Andere aber schon wieder lachten, vielleicht, weil sie gesiegt hatten und alles vorbei war…

Im Moment war Hitomi weder nach dem Einen noch dem Anderen…

Sie ging ein wenig umher, versuchte sie wieder aufzuwärmen und fragte sich zum ersten Mal, wo eigentlich Allen, Seygon und der Rest ihrer Freunde waren.

Sie wusste, dass Allen in Van’s Rettungstruppe dabei gewesen war, aber kurz darauf war er wieder verschwunden…

Sie überlegte schon, wen sie fragen konnte, als die Antwort auch schon zur Tür herein gestolpert kam.

Allen, mit einer ungesunden Gesichtsfarbe, gefolgt von einem schwitzenden Kobe und Seygon, der niemand anderes als Brisaeye in den Armen trug.

„Was ist passiert?!“, fragte sie und starrte wie vom Donner gerührt auf das schwarze Mädchen in Seygon’s Armen.

„Sie lebt! Ich wollte sie wegtragen, zu den anderen Opfern, aber sie hat noch geatmet!“, erklärte ihr Seygon aufgeregt und hastete schnell an ihr vorbei.

Allen hielt ihm bereits die Tür zu Millerna’s Zimmer auf, ließ Seygon ein und zog dann die Tür auch hinter sich selbst zu.

Hitomi blieb zurück, wobei ihre Mine mehr als erschüttert wirken musste.

Brisaeye lebte!

Sie hatte an das Mädchen in all der Aufregung keinen Gedanken mehr verschwenden können und war nun umso erstaunter.

„Kobe! Sie lebt!“, sagte sie zu des Königs ersten Berater, der neben sie getreten war.

„So ist es…“, erwiderte er und man spürte deutlich die Erleichterung in seiner Haltung. Dennoch wirkten die Falten in seinem alten Gesicht tiefer als je zuvor.

„Ich muss zugeben, ich war mehr als erschüttert, als dieser Häuptling… Ich meine, sie ist seine eigene Schwester…“, redete Kobe weiter und schüttelte erschüttert den Kopf.

Hitomi schüttelte ihren ebenfalls.

„Das war sie nicht… Zumindest nicht ganz… Sie ist halb menschlich… Deshalb war Baijne’s Hass auf sie auch so groß…“

Kobe starrte sie erstaunt an.

„Halb menschlich?“

Hitomi nickte zustimmend.

„Hm…“, machte Kobe und schmunzelte fast ein wenig, „Vielleicht hat sie deswegen noch auf die richtige Seite dieses Krieges zurück gefunden…“
 

„Es ist vorbei, oder?“, fragte Hitomi ein wenig zaghaft, fürchtete fast die Antwort.

„Das ist es… Die Zaibacher sind besiegt, bis auf den letzten Mann… Keiner von ihnen hat sich ergeben, ein Umstand, der mich fast stutzig macht“, erklärte Kobe langsam. „Ich frage mich, ob ihnen überhaupt bewusst war, was sie da taten, für wen sie eigentlich kämpften…“

„Sicher nicht“, erwiderte Hitomi traurig.

Aber jetzt war es vorbei.

Das hoffte sie zumindest.

Für sie war es erst geschafft, wenn Van wieder auf dem Damm war.

„Wie geht es dem König?“, fragte Kobe dann. „Habt ihr ihn schon gesehen?“

Hitomi schüttelte heftig ihren Kopf und spürte zu ihrem Widerwillen, wie ihr Tränen in die Augen schossen.

Sie lies ihre Haare wie einen Vorhang ins Gesicht fallen, wandte sich von Kobe ab und ging langsam zu ihrem Platz zurück, eine lange Bank an der vorderen Fensterfront der Halle. Draußen regnete es zwar noch, aber der Wind war nicht mehr so stark wie zuvor. Man konnte sehen, wie der Sturm langsam weiter zog.

„Millerna lässt mich nicht zu ihm…“, sagte sie, als Kobe sich neben sie setzte.

„Hm… Lasst und beten, dass wir ihn heil zurückbekommen…“, sagte Kobe und legte ihr tröstend eine Hand auf den Arm.

„Wie geht es euch?“, wollte er dann wissen.

Hitomi lächelte matt.

„Den Umständen entsprechend… Ich bin nicht wirklich verletzt, wenn ihr das meint…“

Das hoffte sie zumindest… Der Gedanke, dass ihrem Kind etwas passiert war, lag immer noch schwer auf ihrer Seele.

Kobe nickte nur und tätschelte ihren Arm. Es war ihm offenbar unangenehm, sie weiter zu löchern, nachdem er durch Zufall von ihrer Schwangerschaft erfahren hatte.

„Geht es euch gut?“, fragte Hitomi wiederum und nahm den Mann ins Visier.

Auch Kobe lächelte matt, seine Augen wurden kurzzeitig zu den freundlichen Halbmonden, die sie so an ihm mochte.

„Ich glaube, ich habe eher einen seelischen Schock davon getragen, als Äußerlichen… Allerdings könnte ich auch neue Kleidung gebrachen…“

Das war wahr.

Zwar war er kaum so durchnässt worden wie Hitomi, doch war sein langer, blauer Umhang bis zu den Schultern mit Dreck bespritzt und ein breiter Streifen von Sand und Blut hatte sich an seinen Saum gehaftet, ein Anblick, von dem Hitomi übel wurde.

Sie wandte ihren Blick ab und deutete auf eines der herumlaufenden Mädchen.

„Geht zu ihnen, sie helfen euch…“

Kobe nickte, besah sie mit einem letzten, stärkenden Blick und erhob sich dann.
 

Hitomi sah ihm nach, wie er mit einem blonden Mädchen im Nebenzimmer verschwand, das direkt neben der Tür lag, hinter welcher Van operiert wurde.

Das Herz wurde ihr wieder schwer, die Tränen kamen ihr hoch, aber sie blinzelte sie energisch weg.

Es half nichts, wenn sie weinte… Im Gegenteil, sie musste beten, hoffen, Van all ihre positive Energie schicken.

Das hatte sie doch früher schon getan…

Sie lehnte sich zurück, schloss die Augen und konzentrierte sich auf Van. Sie spürte ihn, irgendwo in der Dunkelheit, spürte seine schwache, aber vorhandene Aura.

Sie konzentrierte sich auf diese Ahnung von ihm und sandte all ihre Kraft dort hin. Mit jeder Faser ihres Körpers dachte sie an sein Wohlergehen, an seine Genesung.

Du musst leben Van! Du darfst noch nicht gehen!

Es gibt doch noch so vieles, was wir beide tun müssen… Wir haben uns endlich gefunden, wir haben eine Zukunft, ein Leben!

All dies flehte sie in die Dunkelheit.

Sie hätte vermutlich auch noch die nächsten Stunden damit zugebracht, wenn sie nicht jemand aus ihren Gedanken geholt hätte.

Erschrocken schlug sie die Augen auf, als sie eine große Hand auf ihrer Schulter spürte.

Es war Saygon, der sich zu ihr hinunter beugte und sie sorgenvoll musterte.

„Ihr solltet etwas essen, wirklich…“, sagte er bestimmend und bekam einen zustimmenden Laut von Kobe, der mittlerweile wieder da war, mit frischer Kleidung.

Hitomi staunte nicht schlecht. Kobe war nicht wie üblich in sein blaues, farnelsches Gewand gekleidet, sondern in Hose und Hemd, ein Anblick, der mehr als ungewohnt war.

Sie hatte immer gedacht, dass der alte Herr ein wenig rundlicher war, doch in der Hose sah man seine dünnen, sehnigen Beine, erst am Bund spannte sie ein wenig straffer um den Bauch.

„Kobe! Ihr seht gut aus!“, sagte sie ihm auch sogleich.

„Ach was…“, winkte dieser ab und setzte sich mit einem Anflug von roten Wangen wieder neben sie.

„Da hat sie recht….“, stimmte Seygon zu und nahm zu Hitomi’s anderer Seite platz. „Das ändert aber nichts daran, dass wir lieber den Speisesaal aufsuchen sollten…“

„Eben. Ihr hattet doch schon vor einer Stunde Hunger, Mädchen!“, meinte Kobe tadelnd.

Bei dem Wort „Mädchen“ wurde ihr ganz anders. Bilder von Baijne und Dornfels zuckten für einen Moment durch ihre Gedanken, ließen sie schaudern und die Übelkeit erneut in ihr aufsteigen.

Sie hatte Hunger, das war keine Frage…

Sie spürte das tiefe Loch in ihrem Magen und unterdrückte ein Grummeln.

Dennoch konnte sie jetzt nicht einfach essen gehen…
 

„Wenn ihr mir sagt, dass es Van gut geht, überlege ich es mir vielleicht…“, meinte sie an Seygon gewandt.

Sie fixierte ihn neugierig, hing schon an seinen Lippen und wartete gespannt auf eine Antwort.

„Ich muss euch leider enttäuschen… Ich habe den König nicht gesehen… Er lag hinter einer Trennwand. Ich habe nur Brisaeye hingelegt und Kommandant Allen gezwungen, sich ebenfalls wieder zusammenflicken zu lassen…“, erwiderte er bedauernd.

Die Enttäuschung, die Hitomi verspürte, war unsinnig, aber dennoch groß.

Wieso bekam sie keinen Zwischenbericht von Millerna? Die Ärztin musste doch wissen, wie es ihr im Moment ging…

„Tut mir leid…“, fügte er noch hinzu und ließ sich langsam gegen die Wand sinken.

„Ist schon gut…“, presste Hitomi hervor, obwohl das mehr als gelogen war. Gar nichts war gut. Und wenn sie sich Seygon so ansah, empfand er das genau so.

Eine tiefe Sorgenfalte hatte sich auf seiner Stirn eingefurcht, seine sonst so gesunde, braune Haut wirkte fahl und fleckig und sein dunkelblondes, von der Sonne gegerbtes Haar lag ihm klatschnass am Schädel.

„Sie wird es schaffen…“, sagte sie mit größter Zuversicht zu ihm und winkte dann eines der Mädchen heran, um sich auch den tapferen Offizier einmal anzusehen.
 

Seygon’s Kratzer und Schnitte an Armen und im Gesicht wurden gleich behandelt und sein schmutziges, mit Brisaeye’s Blut getränktes Hemd wurde ihm gegen ein Neues ausgetauscht.

Hitomi musste sich beim Anblick des Blutes wiederum abwenden, da eine Welle von Übelkeit sie erneut zu überrollen drohte…

Sie stand auf, ging ein paar Schritte, blieb dann vor der Aquariumsscheibe stehen und spähte abwechselnd auf Fische und Tür, wo in unregelmäßigen Abständen immer mal wieder ein verletzter Soldat herein stolperte oder gar getragen wurde.

Jedoch wurden es immer weniger.

Hitomi kam es vor, als wären schon wieder 3 Stunden vergangen, seitdem Seygon Brisaeye an Bord gebracht hatte, aber in Wahrheit waren es erst ein paar Minuten.

Sie starrte gerade Gedankenverloren auf einen länglichen, schwarzen Fisch der sie ein bisschen von dem unangenehmen, schmerzlichen Ziehen in ihrer Brust ablenkte, als hinter ihr ein lautes „Kanzaki-san!“, erklang.

Hitomi wandte sich erstaunt um und sah Tomu auf sie zu laufen, gefolgt von Kagami mit dem Baby Alana auf dem Arm, sowie Miguel, Cheat und dessen Frau Alanis.

„Tomu!“

Sie hatte ganz vergessen, wie schön es war, den kleinen, japanischen Junge zu sehen. Er lief auf sie zu und blieb stolpernd vor ihr stehen. Seine dunklen Augen waren auf sie gerichtet, wanderten im nächsten Moment aber beschämt zu Boden.

Er hatte es also immer noch nicht ganz gelernt, dass sie nicht mehr seine Lehrerin war.

„Du sollst mich doch bei meinem Vornamen nennen…“, tadelte sie ihn und drückte ihn dann erleichtert und glücklich an ihn.

Erst schien der Junge ein wenig überrumpelt, schmiegte sich aber dann an sie und konnte nicht mehr an sich halten.

„Ich hatte solche Angst!“, murmelte er in den Stoff an ihrer Schulter.

„Wieso bist du denn hier? Du hast doch nicht etwa den Kampf gesehen?“, fragte Hitomi fast ein wenig entsetzt.

„Sie ließen sich nicht abhalten…“, antwortete Kagami stattdessen und kam ein Stück näher.

Sie wirkte zerbrechlich wie eh und je, strahlte die altbekannte Ruhe aus, wie schon früher in ihrer Sekretärinnen-Zeit, dennoch lag ein Schatten auf ihrem Gesicht der nicht schwer zu deuten war: Sorge.

„Ja…“, schaltete Tomu sich nun wieder ein. „Allen hat Herrn Dryden eigentlich angeordnet, mich und Miguel in Astoria zu lassen – “

„Aber wir haben meine Mutter einfach so lange genervt, bis sie uns mitgenommen haben…“, unterbrach Miguel ihn und grinste schelmisch.

Der älteste Sohn Millernas wirkte gutgelaunt und spitzbübisch wie immer, aber auch ihm war die innere Unruhe deutlich anzumerken, so nervös wie er an seinem Hemdkragen herum spielte.

„Na, dann muss ich aber mal ein Wörtchen mit Dryden reden…“, scherzte Hitomi ein wenig und ließ Tomu wieder los.

„Es ist schön dich zu sehen Tomu…“

Sie versuchte ein Lächeln zustande zu bringen, aber ihre Gesichtszüge gehorchten ihr nur bedingt.

Es kam ihr vor, als hätte sie Tomu und die anderen schon seit einem Jahr nicht mehr gesehen, nicht erst seit einer Woche…

Die letzte Woche war aber auch so ereignisreich gewesen wie ein ganzes Jahr…
 

Cheat, der sich bis jetzt im Hintergrund gehalten hatte, trat jetzt näher heran und legte eine Hand beruhigend auf Kagami’s Schulter. Er war scheinbar unverletzt, dennoch hatte der Kampf Spuren auf seiner Gewand hinterlassen: Dreck und Nässe.

„Hitomi… Wie geht es Allen?“

Die Frage war wohl die, die Kagami schon die ganze Zeit auf der Zunge gelegen hatte, so wie sie schluckte.

„Wir haben gerade erst von einer Helferin Millerna’s erfahren was passiert ist… Wir sind sofort her gekommen! Wo ist er? Ist er verletzt?“, wollte Kagami wissen und zwang sich offenbar, die Verzweiflung nicht aus ihr hervor brechen zu lassen. Hitomi konnte ihre Gefühle fast körperlich spüren.

Sie waren kaum heftiger als ihre eigenen…

Deshalb antwortete sie mit besonderem Bedacht: „Als ich ihn zuletzt gesehen habe, sah er zwar nicht gut aus, aber er ist nicht so schlimm verletzt, dass Millerna ihn nicht wieder zusammenflicken könnte…“

„Da hat sie recht…“, erklang es jetzt von der anderen Seite des Raumes.

Just in dem Moment kam Allen aus der Tür geschritten und war mit schnellen Schritten bei ihnen.

Er ließ Kagami keine Zeit, aufzuschreien oder sonst irgendetwas zu tun, sondern schloss sie sofort in seinen gesunden Arm und küsste sie lange und hingebungsvoll.

Hitomi konnte nicht anders, als weg zu schauen.

Es versetzte ihr einen kleinen, aber dennoch scharfen Stich, dass Allen und Kagami schon wieder vereint waren, sie aber immer noch um ihren Geliebten bangen musste…

„Allen! Ich hatte solche Angst!“

Kagami fing nun doch noch an zu weinen, was die kleine Alana dazu brachte, erschrocken zu quengeln.

Hitomi wagte wieder einen Blick und stellte mit erstaunen fest, dass auch Cheat, dessen Frau Alanis ihm einen tröstenden Arm um seine Taille gelegt hatte, ein paar Tränen aus den Augen rollten.

Er starrte Allen mit glasigen Augen an, erleichtert und schmerzerfüllt zugleich.
 

Es war das erste Mal, seit Hitomi wieder auf diesem Planeten war, dass sie Cheat so offen und emotional sah.

Wenn man Augen im Kopf hatte, sah man auf den ersten Blick, dass er und Allen verwandt waren, dennoch sprach niemand offen darüber.

Aber, so wurde Hitomi in diesem Moment bewusst, wusste Cheat mittlerweile auch bescheid… Er wusste, dass Allen sein leiblicher Vater war! Aber weil er der Fürst von Fraid war, weil er eine Position zu bewahren hatte, musste er die Wahrheit verschleiern.

Und diese Wahrheit war, dass er fast ebenso viel gelitten hatte, wie Kagami…

„Schhhhttt, ist ja schon gut…“, murmelte Allen in Kagami’s Haar und küsste seine Tochter auf die Stirn.

Jetzt kamen auch Kobe und Seygon hinzu, wobei der erste Offizier ein leichtes Schmunzeln auf den Lippen hatte.

„Ihr seht wesentlich besser aus, Kommandant!“, meinte er.

Allen nickte: „Ich fühle mich auch wesentlich besser…“

Kagami fasste vorsichtig an seinen linken Arm, der in einer Bandage lag und begutachtete den Verband, der um seinen Kopf gewickelt war.

„Was ist passiert?“, wollte Cheat wissen, der sich wieder etwas gefasst hatte.

„Gymilef…“, sagte Allen nur und blickte finster drein.

„Und es geht dir wirklich gut?“, hackte Kagami noch einmal nach und lehnte sich sachte an seine gesunde Seite.

„Aber ja, Liebes… Meine Schulter war ausgekugelt… Millerna hat sie wieder eingerenkt… Die Platzwunde an meinem Kopf ist auch versorgt, von den vielen Kratzern und blauen Flecken muss ich gar nicht reden…“, erklärte er und lächelte zu seiner Kagami hinunter.

Dann deutete er mit einer schiefen Grimasse auf seine Füße hinunter, die barfuss waren.

„Irgendwie habe ich es auch geschafft, mir meinen rechten Knöchel zu verstauchen…“

Besagte Stelle war mehrfach angeschwollen und gerötet.

„Ich werde für eine Weile wohl ihn keinen Schuh mehr rein kommen…“, scherzte er.

„Allen…“, setzte Hitomi ab, zögerte, versuchte ihre Gedanken zu ordnen.

Sie wollte ihren Freund nicht so überfallen… Aber bei der Betrachtung seiner Verbände, kamen wieder ihre eigenen Sorgen an die Oberfläche.

„Hast du Van gesehen?“, platzte sie dann heraus und sah tief in Allen’s blaue Augen.

Sofort änderte sich sein Gesichtsausdruck: Die Erleichterung verschwand, wurde überboten von Missmut und Sorge.

Er presste seine Lippen leicht aufeinander und atmete tief durch.

„Er wird es schon schaffen…“, sagte er dann langsam.

Das war nicht was sie hören wollte.

Hitomi konnte nicht anders… Sie riss sich von Tomu’s Seite weg, drängte Kagami ungeduldig zur Seite und packte Allen am Kragen seines frischen, weißen Hemdes.

„Sag es mir! Sag mir was du weißt!“, forderte sie ihn ungehalten auf, nicht mehr Herrin ihres Verstandes. Da war nur noch die Sorge, die Verzweiflung…

Es ging um ihren Van, um ihren geliebten Van!

Allen erwiderte ihren Blick mit tiefer Intensität. Auch er machte sich Sorgen um Van…

„Er wird es schaffen… Da bin ich mir sicher… Millerna hat ihn betäubt, hat sein Bein geschient und die kleineren Verletzungen behandelt…“, sagte er.

„Und weiter? Was ist mit seiner großen Verletzung? Die, die ihm dieser fürchterliche Baijne zugefügt hat?!“

Allen legte bedächtig seine gesunde Hand auf ihre.

„Millerna arbeitet daran… Sie ist die beste Ärztin auf diesem Planeten und sie hat die helfenden Hände von Heilern aus Fraid und den anderen Ländern. Van wird schon wieder… Um das Mädchen steht es wesentlich schlechter…“

Sofort war Seygon bei ihnen.

„WAS?!“, fragte er entsetzt.

„Sie hat viel Blut verloren…“, klärte Allen ihn auf. „Ihr Leben hängt an einem seidenen Faden. Aber Millerna tut was sie kann.“

Seygon nickte bedrückt. Er konnte nur warten und hoffen, genau wie Hitomi.

Allen sah jetzt wieder in Hitomi’s Augen.

„Millerna hat mir aufgetragen, euch alle in den Speisesaal zu bringen… Wir brauchen eine Stärkung…“

Hitomi war der Gedanken an Essen immer noch zuwider, kam ihr unsinnig und wertlos vor, aber wahrscheinlich hatte Allen recht.

Sie brauchte wieder Kraft, Kraft um den Tag zu überstehen…

Dennoch konnte sie nicht anders, als an Allen’s Schultern endlich in Tränen auszubrechen und bitterlich zu schluchzen…
 


 


 


 

Ein paar Minuten später nahm Tomu sie an der Hand und zog sie mit sich.

Gemeinsam gingen sie in den Speisesaal und Tomu erzählte Hitomi, was er alles erlebt hatte, seit sie ihn zum letzten Mal gesehen hatte…

Seine Abenteuer mit Miguel, seine Leben in Astoria’s Palast und seine Reise zu dieser Insel.

Er schien unbeschwerter als früher, so als hätte er endlich seinen Platz im Leben gefunden. Aber als er vom Kampf sprach, wirkte er um einiges reifer als noch vor einer Woche. Er hatte gesehen, wie sich Gymilefs bekämpfen, wie sich Menschen bekämpfen…

Eine Erfahrung, die ihn für immer prägen würde.

Hitomi war sich fast sicher, dass ihm diese ganze Sache näher ging, als er es zeigte, aber er riss sich für sie zusammen.

Er war für sie wieder der Schüler, den sie so gern hatte…
 

Als sie in den Speisesaal kamen, schlug Hitomi sofort ein Duft entgegen, der ihren Magen erwartungsvoll Knurren ließ.

„Er lässt sich eben nicht lumpen, unser Dryden…“, sagte Allen anerkennend.

Das stimmte: Die lange Tafel war überladen mit den herrlichsten Speisen, die man sich nur vorstellen konnte.

Wildschweinbraten, Gegrilltes Geflügel, dampfende Gemüsesuppe, überquellende Obstplatten und frisch gebackenes Brot waren nur ein paar Dinge davon.

Der Tisch war gut besetzt von ein paar Soldaten und zu Hitomi’s großer Freude waren auch Merle, Nora und Nouga anwesend.

„Hitomi! Geht es dir gut?!“, rief Merle ihr zu und winkte sie zu sich.

Hitomi ließ sich das nicht zweimal sagen…

Sie ging hinter Tomu her, nahm auf dem nächsten Stuhl zu Merle platz und griff nach dem erstbesten Stück Fleisch, das ihr in die Finger kam.

Erst nach einem ausgiebigen Bissen des köstlich-zarten Hühnchens beantwortete sie Merle’s Frage: „Jetzt wieder besser…“

Ihre Tränen waren wieder ein wenig getrocknet, nach dem Ausbruch an Allen’s Schulter, wofür sie sich fast ein wenig schämte. Sie wollte unbedingt noch das Gespräch mit Kagami und Cheat suchen, das würde sie wenigstens eine Weile von ihrer Sorge um Van und Brisaeye ablenken.

Sie hatte sich so gefreut, dass ihr ehemaliges Zimmermädchen überhaupt lebte, hatte aber gar nicht darüber nachgedacht, wie schlecht es wohl in Wahrheit um sie stehen musste.

Jetzt aber war sie erst einmal damit beschäftigt, zu essen.

Auch die Anderen langten kräftig zu. Allen verputzte in Rekordzeit ein halbes Hähnchen, obwohl er in seinen Bewegungen eingeschränkt war.

Hitomi erzählte Merle in groben Zügen, was in der Zwischenzeit geschehen war und griff immer wieder nach den Speisen, um ihren Heißhunger zu bezwingen. Merle war immerhin feinfühlig genug, nicht weiter nach Van oder Brisaeye zu bohren, wofür Hitomi sehr dankbar war.

„Wie geht es dir, Nora?“, fragte sie irgendwann an das kleine Mädchen gewandt.

Nora, die noch nie viel gesprochen hatte, sah sie mit ihren klaren, geheimnisvollen Augen an und lächelte.

„Gut.“

„Sie ist schüchtern…“, rettete Merle und lächelte ihre Tochter liebevoll an, wobei ihre spitzen Eckzähne aufblitzten.

„Das kann sie aber nicht von dir haben…“, erwiderte Hitomi und zwinkerte Merle zu.

Die Katzendame wirkte erleichtert, wie sie alle… Erleichtert, dass dieser Kampf ausgestanden war. Aber sie trug mittlerweile auch wieder dieses Strahlen in den Augen, dasselbe, mit dem sich Allen und Kagami auch gerade anschauten.

Es war alles gut, zumindest in ihren Familien.

Merle hatte Nora wieder und auch Nouga schien unbeschadet zu sein.

Der sonst so stille Katzenmann unterhielt sich angeregt mit Cheat über den Tisch hinweg.

Hitomi sprach dann ein Thema an, das ihr schon seit einer Weile auf der Seele lag.

„Merle…“, begann sie und pflückte ein paar Trauben vom Obstteller.

„Ich wollte dir danken… Dafür dass du deinen Groll gegen mich für eine Weile beiseite gelegt hast und mir zur Seite gestanden hast…“

Merle sah sie jetzt interessiert an, ihre Pupillenschlitze waren breiter als sonst.

„Ich würde es verstehen, wenn du wieder in deine alte Laune zurückfallen würdest… Schließlich war diese Sache mit Dornfels, dieser Kampf und unsere Gefangenschaft eine Ausnahmesituation.“

Die Katzenfrau hob skeptisch eine Augenbraue.

„Glaubst du das wirklich?“

Hitomi erwiderte ihren Blick.

„Was meinst du?“

„Dass ich dich wieder hassen könnte, womit ich so viele Jahre meine Zeit verschwendet habe? Eigentlich sollte ich mich bei DIR entschuldigen, dafür dass ich so ein Ekel war und vor allem dafür, dass ich ohne Vorwarnung meine Krallen an deine Kehle gehalten habe…“, sagte sie.

Hitomi schüttelte den Kopf.

„Wenn du das nicht getan hättest, hätte ich euren Plan vielleicht unbewusst verraten…“

Sie lächelte, bei der Erinnerung an den Schrecken, den sie in der Kathedrale bekommen hatte.

„Wer ist eigentlich auf diese Idee gekommen?“

„Brisaeye…“, erwiderte Merle ohne zu zögern. „Sie hatte sich schon für uns entschieden, als wir durch das Licht geschritten sind…“

Hitomi spürte den Respekt, der in Merle’s Stimme mitschwang.

Brisaeye hatte sie alle überrascht. Sie selbst inbegriffen…

„Sind wir damit quitt?“, fragte Hitomi dann kleinlaut.

„Sind wir.“

Merle nickte bestätigend und lächelte ihr zu.

Dann griff sie nach zwei Gläsern und schenkte in eines tiefroten Wein, in das andere klares Wasser ein.

Sie reichte Hitomi das Wasserglas und betrachtete sie mit viel sagendem Blick.

„Auf eine neue Ära…“, sagte sie und ließ ihr Glas gegen Hitomi’s klirren.
 


 


 

Immer wieder kamen versorgte Soldaten zur Tür herein, setzten sich an den Tisch, aßen, gingen wieder. Manche blieben auch sitzen, unterhielten sich leise mit ihrem Nachbarn.

Keiner wagte, die Stimmung allzu ausgelassen werde zu lassen. Dazu gab es auf diesem Schiff noch keinen Anlass.

Tomu und Miguel hatten sich Nora geschnappt, um sie ein wenig aufzuheitern und spielten mit ihr ein kleines Rollenspiel.

Nouga hatte seine Merle in den Arm genommen und sprach leise mit ihr.

Cheat unterhielt sich mit seiner Frau und Kobe. Seygon, der neben Hitomi am unruhigsten wirkte, war mit Allen im Gespräch.

Und Hitomi hatte sich zu Kagami gesetzt, die ihre kleine Tochter in den Schlaf zu wiegen versuchte.

„Sie will nicht schlafen, hm?“, fragte Hitomi und blickte auf den kleinen schwarzen Haarschopf hinab. Alana’s Augen blickten ihr neugierig entgegen, ansonsten war sie ganz still.

„Nein… Sie lässt sich lieber von Allen ins Bett bringen...“, erwiderte Kagami und strich ihren langen, schwarzen Zopf wieder über ihre Schultern, als er nach vorne zu fallen drohte.

Aus einem Impuls heraus fragte Hitomi dann: „Darf ich sie mal halten?“

Kagami lächelte warm.

„Natürlich…“

Sie reichte ihr das kleine Bündel und Hitomi nahm sie zaghaft entgegen.

Es fühlte sich ungewohnt an, so ein kleines Wesen zu halten, obwohl sie von einem tiefen, warmen Gefühl der Zuneigung ergriffen war.

„Sie ist wunderschön…“, sagte sie und strich Alana über die weiche, weiße Wange.

„Das ist sie…“

Kagami lehnte sich etwas hinüber und berührte dabei Hitomi’s Schulter. Sofort zuckte sie wieder zurück, wandte sich beschämt ab.

„Ich glaube, mit mir stimmt irgendetwas nicht…“, sagte Hitomi dann ein wenig ärgerlich.

„Was?“

Kagami musterte sie sorgenvoll, aber Hitomi spielte nur weiter mit Alana’s winziger Hand.

„Ich bin auch Japanerin, aber ich habe keine Berührungsängste, so wie du oder Tomu…“

Damit hatte Kagami wohl nicht gerechnet, ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen.

„Ich… - “, setzte sie an, aber Hitomi unterbrach sie sogleich.

„Ich bin nicht mehr deine Chefin Kagami, bitte mach’ dir das klar… Ich bin hier eine ganz normale Frau, ich stehe nicht höher als du… Du bist die Mutter von Allens Tochter, und da er einer meiner ältesten Freunde ist, will ich mich gerne mit dir arrangieren, ohne dass es zu solchen Missverständnissen kommt.“

Ihre Stimme klang härter als geplant, war aber vielleicht eine Notwendigkeit.

„Es tut mir leid…“, sagte Kagami kleinlaut.

„Ich weiß das alles und trotzdem fällt es mir so schwer…“

Sie suchte Hitomi’s Blick mit ihren dunklen Augen, die sie in diesem Moment an Van’s erinnerten.

Hitomi schüttelte besänftigend den Kopf: „Entschuldige dich nicht… Aber denk’ in Zukunft einfach nicht mehr so viel darüber nach, in Ordnung?“

Kagami nickte und lehnte sich jetzt wie zur Bestätigung wieder an ihre Schulter, um einen besseren Blick auf Alana zu haben.

„Sie wird bestimmt mal eine Herzensbrecherin, genau wie ihr Vater…“, sagte Hitomi und lächelte.

„Hey, das hab ich gehört!“

Allen lehnte sich zu ihnen herüber und blickte finster drein.

„Hör nicht auf Tante Hitomi, Alana… Sie weiß nicht was sie sagt…“

Alana gab als Antwort nur einen gurgelnden Laut von sich.

Kagami lachte leise und Cheat grinste zu ihnen herüber.
 

„Sagt mal, wo ist eigentlich Dryden?“, wollte Allen dann wissen und blickte fragend in die Runde.

Cheat nickte mit dem Kinn in Richtung Ausgang. „Er kümmert sich um die Aufräumarbeiten…“

„Und er ist im Anmarsch…“

Es war Merle die sprach. Sie lehnte immer noch entspannt an Nouga, aber ihre Katzenohren lugten spitz und aufmerksam aus ihrem roten Haarschopf hervor.

Tatsächlich, wie sie es sagte, hörte man auch die raschen und lauten Schritte, die Dryden’s Ankunft ankündigten.

Ein paar Momente später kam der Flotteninhaber durch die offene Tür spaziert, gefolgt von zwei Hitomi unbekannten Begleitern.

Er kam von draußen, das sah man sofort: Seine Haare waren feucht, auch waren die Spuren von Regentropfen auf seinem graublauen Mantel zu sehen. Der Sturm schien tatsächlich nachgelassen zu haben… Andernfalls wäre er selbst nach nur einer Minute im Regen komplett nass gewesen…
 

„Es ist unglaublich!“, verkündete Dryden, ein begeistertes Glänzen in den Augen.

„Ein Wunder!“, jauchzte er.

„Wer hätte gedacht, dass so viel vom alten Atlantis erhalten ist! Und dann auch noch in diesem Zustand! Ich sage euch, wer das nicht mit eigenen Augen gesehen hat…“

Er gestikulierte wild herum, aufgeregt wie ein kleines Kind.

Alle Augen waren skeptisch oder verwundert auf ihn gerichtet, nur Hitomi schauderte.

Sie wusste, dass Dryden leicht für historische Geheimnisse zu begeistern war, aber sein Anblick war im Moment fast identisch mit dem von Dornfels…

So als wäre der Präsident niemals verschwunden, stand Dryden jetzt vor ihnen und schwärmte von den Gebäuden und dem farbigen Himmel in Atlantika.

Offenbar hatte er neben den Aufräumarbeiten auch noch eine kleine Exkursion durch das Licht gestartet…

Hitomi konnte nicht dabei zusehen.

Sie schob Alana vorsichtig wieder in die Arme ihrer Mutter und stand dann energisch auf.

Aber Merle war schneller gewesen.

„Dryden!“, fauchte sie ihn mit angelegten Ohren an.

„Sprich nicht von Dingen, von denen du keine Ahnung hast!“

Der Angesprochene war augenblicklich still und starrte fragend zu ihnen herüber.

„Merle hat recht… Du solltest dir erst einmal anhören, was auf dieser Insel passiert ist, bevor du weitere Pläne schmiedest…“, stimmte Hitomi ihr zu und begann dann, mit Merle’s und gelegentlich auch Allen’s Unterstützung von den letzten Tagen zu erzählen.

Angefangen mit ihrer Gefangenschaft in Dornfels’ unterirdischen Höhlen, die Reise in der schwarzen Perle, ihre Ankunft auf der Insel mit dem fürchterlichen Blutritual, über den Einzug in die vergessene Stadt bis hin zu den Ereignissen in der Kreuzkathedrale.

Auch schilderte Hitomi ihre Version des Kampfes, wie Nora ihnen geholfen hatte und wie sich Baijne fast an ihr vergangen hatte. Nur ihre Schwangerschaft erwähnte sie mit keinem Wort…

Das war ein Thema, das sie erst mit Millerna klären musste.
 

„25 Menschen mussten sterben um das Tor zur Stadt wieder zu öffnen. Allein deshalb sollten wir es wieder schließen. Aus Respekt gegenüber den Toten“, schloss Hitomi und ließ Dryden für keine Sekunde aus den Augen.

Dryden wusste offenbar nicht, was er sagen sollte.

Man konnte deutlichen den Kampf sehen, der sich in seinem Inneren abspielte: Auf der einen Seite die Neugierde… Er wollte Atlantika erforschen. Und dann der Skrupel, der ihn zurückschrecken ließ.

„Wenn du nicht genauso bist wie Dornfels, sorgst du dafür, dass dieses Tor nie wieder geöffnet wird…“

Hitomi wusste, dass diese Aussage riskant war, aber auch mindestens genauso wahr.

„Sie hat Recht, Dryden… Es lohnt sich nicht… Wir sollten diesen Ort versiegeln und dann verschwinden“, meinte auch Allen.

Dryden nickte verständnisvoll, schien aber auch ein wenig enttäuscht, so als hätte man ihm sein Spielzeug weggenommen…

Allen erhob sich langsam und machte Dryden dann einen Vorschlag: „Es ist so… Wir haben in der Kathedrale ein paar Opfer zurückgelassen… Wir sollten sie zu den anderen Toten schaffen. Außerdem liegt Van’s Schwert noch irgendwo dort herum…“

„Und das Siegel!“, warf Hitomi ein. „Das Siegel muss unbedingt zerstört werden!“

Allen nickte. „Wenn du dich mit ein paar Männern dorthin auf den Weg machst, siehst du sicherlich auch einiges von der Stadt… Bewahre dir die Eindrücke, schreibe sie meinetwegen auf, aber vergiss diesen Ort…“

„Aber…“, begann Dryden resigniert.

„Es gäbe so viel zu erforschen! So viel…“

„Dryden!“ Jetzt schlug auch Nouga energisch auf den Tisch.

„Lass dich nicht verleiten! Lass es gut sein!“, beschwor er ihn.

„Es sollte jemand mit dir kommen, als Zeuge…“, schlug Allen weiter vor.

„Das mache ich!“, meldete sich Cheat sofort und trat vor, mit einem flüchtigen Blick auf Allen.

„Und ich auch…“, sagte Hitomi und schob ihren Stuhl zurück.

„Ich glaube es erst, wenn ich es mit eigenen Augen sehe.“
 


 


 

Hitomi ließ sich von einem der Mädchen einen Mantel geben und folgte Dryden, Cheat und den Helfern nach draußen.

Der Geruch von Regen lag noch in der Luft, ein wunderbarer, frischer Duft… Aber der Sturm war weiter gezogen, ließ seine Opfer hinter sich.

Das Gras unter Hitomi’s Ledernen Schuhen war zwar klatschnass, aber ansonsten tat sich nichts mehr. Kein Regen mehr, kein wütender Wind, nur noch eine leichte Brise vom Meer her.

Es war fast nicht zu glauben, dass die Sonne noch existierte, aber sie lugte nun durch die übrig gebliebenen, verstreuten Wolkenfetzen und zauberte einen zarten Regenbogen von der schwarzen Perle zum einem Felsen im Ozean.

Hitomi trat an den Rand der Klippen und atmete den salzigen Geruch des Meeres in vollen Zügen ein.

Die Sonne wärmte ihr Gesicht, ein Gefühl, das sie sehr vermisst hatte.

Nicht einmal das atlantische Licht kam dem gleich…
 

Hitomi blickte auf die Szenerie die sich ihr bot hinab.

Sie sah viele Leute herumlaufen, sah Escaflowne, halb von der Flut ergriffen und die lange Linie der Opfer, die am oberen Strandbereich angelegt worden war.

„Bist du soweit?“, fragte Cheat dann hinter ihr.

Sie nickte und folgte dem blonden Fürsten in das kleine Beischiff, welches sie nach unten bringen sollte.

3 Minuten später landeten sie schon am äußeren Rand des Strandes und begannen damit, alles für die kurze Expedition fertig zu machen.

„Was meinst du, Hitomi, werden wir etwas Besonderes brauchen?“, fragte Dryden sie, rieb sich nachdenklich über seinen drei-Tage-Bart.

„Äxte“, antwortet Hitomi ohne zu zögern. „Ich wüsste nicht, wie man das Siegel sonst zerstören könnte…“

Dryden nickte kritisch, ordnete aber alles Weitere an.

Als die Truppe schließlich fertig war, betrachtete Hitomi Dryden noch einmal mit einem warnenden Blick.

„Geh durch das Licht und dann immer den Hügel hinauf, sobald du auf der anderen Seite bist. Du kannst die Kathedrale gar nicht verfehlen… Wenn du nichts dagegen hast, werde ich hier draußen auf dich warten. Ich will diesen Ort nicht noch einmal betreten…“

Das war die Wahrheit. Sie hatte genug von diesem Ort.

Auf Lebenszeit.
 

„Gut, ich warte mit dir“, sagte Cheat sofort und trat an ihre Seite.

„Cheat… Das musst du nicht… Wenn du diesen Ort sehen willst – “, wehrte Hitomi sofort ab.

„Will ich nicht“, antwortete er. „Deine Erzählungen reichen mir völlig…“

Hitomi ahnte, dass dies nicht die ganze Wahrheit war. Sicherlich war Cheat auch ein wenig neugierig. Aber er wollte sie wohl nicht alleine lassen und das rührte sie.

„Gut“, sagte Dryden und straffte seine Schultern.

„Wir sehen uns später…“

Damit schritt er los, seinen Männern voran.

Hitomi aber wandte sich vorerst noch einmal dem Ozean zu.

„Danke, Cheat…“

„Keine Ursache… Ich finde, du hast von uns allen am meisten durchgemacht. Du solltest nicht alleine sein.“

Hitomi nickte.

„Du bist wirklich der Sohn von Allen Shezar.“

Cheat starrte sie an, die Augen geweitet, der Mund offen.

Damit hatte er nicht gerechnet…
 


 


 

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Nachwort:
 

immer noch kein van, ich weiss schon. aber er kommt schon wieder... ^^

jetzt war es erst mal wichtig, ein paar dinge abzuklären und... ja leider zu warten.
 

ich hoffe, es hat euch gefallen und ihr seid auch noch bei den letzten beiden kapitel dabei! ^^ jahhh, ihr lest richtig: es gibt noch genau zwei kapitel.

ach ja, ich wollte mich auch mal hier bedanken, für euer widerholtes lob über meinen schreibstil... das ehrt mich wirklich! Ich hoffe nur, ihr meint das auch ernst... ^^ ganz ehrlich, lasst ruhig eure kritik aus, wenns euch nicht taugt, ihr müsst mir nicht aus höflichkeit oder so komplimente machen... für mich ist das wichtig! Wenn ich mal meinen roman schreibe, muss ich ja wissen, was ich kann und was nicht... *gg*

Aber wenn eure lob von herzen kommt: vielen dank dafür. ich versuche die worte immer... fliessen zu lasse. deswegen dauert das auch manchmal so lange... wenn nichts fliesst, kriegt die geschichte irgendwie so nen hänger.
 

also. ich freue mich auf reaktionen, bis dahin,

danke und servus,
 

Chiyo



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Kommentare zu diesem Kapitel (7)

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Von:  night-blue-dragon
2008-10-05T16:57:58+00:00 05.10.2008 18:57

Es freut mich, das du die kleine Brisaeye (ist bestimmt falsch geschrieben) am Leben lässt, kann es sein das sie einen Verehrer hat?
finde ich ja vielleicht noch raus *grins*

Obwohl der Kampf zuende ist, hälst du die Spannung.

Ich hab zwar noch ein bisschen zu lesen, aber ich kann dir nur
schon sagen....schreiben....es war ein Genuss deine Fic zu lesen.*ehrlich*

glg
night-blue-dragon
Von: abgemeldet
2008-09-23T11:49:27+00:00 23.09.2008 13:49
Tja, was soll ich sagen.
Mal wieder ein super Kap.
Ich glaube die letzte Bemerkung wird noch für eine Menge Gesprächsstoff sorgen.
Freu mich schon riesig auf das nächste Kap.
Von: abgemeldet
2008-09-22T15:02:26+00:00 22.09.2008 17:02
super kappi
ich hoffe van wirds besser gehen..
ich finds toll, dass dryden seine neugierde hinten dran stellt, um das tor zu schließen.. für immer..
freu mich schon aufs nächste kap
lg, yesilli
Von:  AvalonsHexe
2008-09-22T14:40:08+00:00 22.09.2008 16:40
woaaah ... super geschrieben wie immer ... aber was ist mit van??? *schnief* ich will wissen wie es ihm geht ... *schneuz* schon auf ne fortsetzung wart ...

LG Witchi
Von:  Yuki_Salvatore
2008-09-21T22:06:17+00:00 22.09.2008 00:06
also zuerst muss ich mal sagen das es gut is wenn mich sich zeit mit seinen kapis lässt ^^ es soll ja gut werden und wenn man dafür eben ein wenig länger braucht dann macht das für mich garnichts.
ich freue mich wenn ein neues kapi kommt und wenn es dann auch noch so gut is wie dieses dann bin ich vollends zufrieden ^^

so nun zum kapi an sich...
hitomi tut mir echt leid...überall sieht sie nun die glücklichen pärchen und was mit van genau is weiß sie immer noch nich...das muss echt schrecklich sein mit dieser ungewissheit v.v
aba wenigstens hat sie jetzt mal was ordentliches gegessen. ich mein ihr kind hat ja schließlich auch hunger ^^
bin auch mal gespannt wann sie die bombe platzen lässt, aber ich denke das sollte sie mit van gemeinsam machen ^^ und er kommt bestimmt wieder auf die beine so leicht lässt sich der könig von farnelia nich unterkriegen ^^

also wieder ein sehr gelungenes kapi
freu mich wenns weiter geht

greetz BlackGaara

Von: abgemeldet
2008-09-21T21:15:48+00:00 21.09.2008 23:15
Also ich muss sagen das war ein sehr langes Kapitel und spannend bis zum Schluss!!

Echt super, kann man da nur sagen und du weißt, wie sehr wir mit Van und Hitomi mit fiebern!!! Ich hoffe es wird noch schöner wie das von Allen und Kagami!!! Bin echt gespannt und ich kann mir das kaum vorstellen das es nur noch zwei Kapitel geben soll!!

Echt super das du weiter geschrieben hast und ich freue mich schon auf den nächsten Part!

Lg RanMori
Von: abgemeldet
2008-09-21T18:15:54+00:00 21.09.2008 20:15
Hallo,

habe gerade dein Kapi gelesen - erst mal muss sagen :Super spannend hast du es wieder gemacht ;o)
Und das Wiedersehen von Kagami und Allen war auch total schön beschrieben, aber... wie du selbst schon geschrieben hast... wo ist Van??? Ich hoffe er wird wieder ganz der Alte.
Bin schon so gespannt wenn die Beiden sich wieder sehen. Und Hitomi endlich auch ihr Geheimnis enthüllen kann - ich hoffe doch das mit dem Baby alles in Ordnung ist??? Ja, ganz bestimmt, die armen haben so viel durchgestanden.
Ich freue mich schon wahnsinnig auf den nächsten Teil.


Liebe Grüße

Jenny


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