Unsichtbare Narbe 2
Das Leben ist das schönste Geschenk, was ein Mensch jemals bekommen kann. Das Leben verleiht dir schöne Träume und gibt dir kostbare Erinnerungen .... das Leben ist voller Überraschung ... das Leben ist voller Glück.
All das habe ich gehört ... all das sagten die anderen .... all das waren für sie richtig ... und ich? Ich hasste das Leben trotzdem ...
***
Das Licht fiel vom Gang ins Innere des Raumes und beschien Emyko, die zusammengekauert auf dem Boden in einer Ecke saß. Ihre Haare waren zersaust und die Kleidungsstücken schmutzig und zerrissen. Die Knie hatte sie zu sich gezogen, ihre Arme um diese geschlungen und ihren Kopf hinter diesen versteckt.
In Raum befand sich nicht viel, eigentlich gar nichts. Bis auf den kalten Boden und die kalten Wände befanden sich nichts mehr im Raum. Nicht einmal ein Fenster war irgendwo zu sehen. Er war finster und kühl, nichts war mit Leben erfüllt.
In so einem Raum wurde Emyko fast eine Woche lang eingesperrt. Ohne Essen, ohne Trinken ... ohne gar nichts.
Langsame Schritte konnte Emyko hören, doch sie hatte keine Kraft mehr ihren Kopf zu heben um zu sehen wer auf sie zukam. Nur in der selben Haltung saß sie da und konnte sich nicht rühren.
Emyko hatte schon lange aufgehört zu weinen, denn die Tränen waren praktisch ausgetrocknet. Die anfangs noch vor Wut übergriffene Emyko verlor aber ihre ganze Kraft, die Kraft, die sie brauchte um wütend zu sein. Keine Gedanke eines Widerstands war noch in ihrem Kopf vorzufinden.
"Na? Genug nachgedacht?" erklang plötzlich eine Stimme. Emyko konnte nicht definieren zu wem diese Stimme gehörte, denn sie hörte fast gar nichts.
Sie spürte wie jemand sie an ihr Haar packte und ihren Kopf hob. Doch Emyko konnte immer noch nichts sehen, denn sie konnte ihre Augen nicht öffnen.
"Hm, du hast dich ganz schön zugerichtet." erklang wieder diese Stimme und sie hörte wie jemand kalt lachte. "Sieh mich an." befahl die Stimme schließlich.
Emyko wollte nicht auf sie hören, wollte ihre Lider gar nicht heben, doch sie wusste, wenn sie diese nicht tat, sie noch wirklich sterben würde. Mit sehr viel Mühe schaffte sie es ihre Augen einen kleinen Spalt zu öffnen. Sie gehorchte.
Ihre leblosen Augen nahm das Gesicht Cans zur Kenntnis. Er grinste schadenfroh. "Sehr brav. So gefällst du mir doch gleich viel besser." Kommentierte er.
Emyko wollte sich wehren ... irgendetwas sagen, doch sie schaffte es nicht mehr. Sie konnte ihn nicht mehr mal hasserfüllt ansehen.
Cans Grinsen wurde plötzlich teuflisch, seine Augen mörderisch. "Wenn du von Anfang an so brav gewesen wärst, hätte ich dir das nicht angetan .... schließlich tut es mir doch auch nicht gerade gut, dich leiden zu lassen." sagte er wie der Teufel, bevor dieser eine Seele bekommen konnte wobei eine seiner Hände ihre Wange berührte.
Emyko hätte ihm am liebsten eins verpasst, doch auch dazu fehlte ihr die Kraft. Er sollte seine Finger von ihr lassen. Ihre Augen schafften es doch tatsächlich eine Spur von Hass zu widerspiegeln. Daraufhin lachte Can nur wieder kalt.
"Was ist? Immer noch nicht genug?" fragte er und zog Emyko fester an die Haare, sein Griff ließ auch nicht locker als Emyko ungewollt aufkeuchte. Er liebte es sie so zu sehen.
"An deiner Stelle würde ich jetzt nachgeben." fing er wieder an und seine rechte Hand spielte nun mit ihrem Haar, während seine linke Hand Emykos Kinn festhielt und dieses hob, zwang sie in seine pechschwarzen Augen zu sehen. Seine Augen .... sie widerspiegelten keinerlei Gefühle.
"Eins darfst du niemals vergessen." Wieder wurde seine Stimme mörderisch. "Ich kann machen mit dir was ich will. Dein Leben liegt in meiner Hand." er fing an zu flüstern. "Du gehörst mir ... ganz allein."
***
Es gibt zwei Entwicklungen für einen Menschen, dessen Herz so mit Hass erfüllt ist bis dieser ihn verschlingt. Er kann entweder unberührbar kalt und gefühllos werden oder er wird unbeschreiblich zerbrechlich und hilflos.
Doch etwas bleibt gleich ... sie würden niemals wieder jemanden an sich ranlassen können ... sie würden nie wieder vertrauen können ...
***
Es war ein stürmischer Tag. Der Himmel war totengrau und unzählige Wasserperlen trommelten auf den Boden ein. Niemand war auf der Straße zu sehen, nicht einmal Wagen konnte Emyko erblicken.
Sie selbst wurde gerade von der Schule abgeholt. Ja, man hatte sie weiterhin zur Schule gehen lassen, aber das war auch schon das Einzige was Can ihr ließ. Eigentlich sollte der Tag ein besonderer Tag sein, denn Emyko hatte endlich ihren perfekten Abschluss bekommen und sie brauchte auch nur noch 14 Stunden zu warten bis sie volljährig wurde.
Auf diesen Tag hatte sie ganze 10 Jahren lang gewartete, drei Jahre davon verbrachte sie wie in der Hölle, wenn es möglich war sogar noch schlimmer. Emyko würde gerne lächeln, doch sie konnte das nicht, nicht nur weil sie schon längst vergessen hatte wie das ging, sondern einfach nur, weil sie erst dann lächeln wollte, wenn sie ihr Ziel auch wirklich erreicht hatte.
Es war komisch, doch an diesem Tag brachte der Fahrer Emyko nicht nach Cans zu Hause, sondern zu ihrem Stiefvater. Emyko hatte nicht gefragt, denn sie wusste, dass sie auf ihre Frage sowieso keine Antwort kriegen würde.
Seitdem sie zu Can einziehen musste, hatte sie ihren Stiefvater nicht mehr wiedergesehen. Doch vielleicht war das auch besser so, denn sie hätte nicht gewusst, wie sie reagiert hätte. Emyko wurde zwar Canswegen noch schüchterner und zurückhaltender als früher, aber ihr Hass konnte Can nicht niederdrücken.
Die Räume im Stiefvaters Villa hatte sich nicht verändert. Sie waren immer noch finster und kühl. Eines der Dienstmädchen führte Emyko hinauf in seinem Büro. Das Dienstmädchen kannte Emyko, doch ihr schien es immer noch verboten zu sein mit ihr zu reden, denn sie lächelte nur.
Die Tür zum Büro öffnete sich und bereits in der nächsten Sekunde konnte Emyko ihren Stiefvater wieder erkennen. Nein, sie würde nicht auf ihn stürzen, sie wusste inzwischen sich zu beherrschen.
"Guten Tag." presste sie diese Worte aus ihrer Kehle heraus und verbeugte sich kurz.
Ihr Stiefvater saß gerade gelassen in seinem Lederstuhl und las eine Zeitung. Es schien, als wüsste er nichts von Alldem, als hätte er keine Ahnung, was er getan hatte und dass Emyko das alles schon wusste.
"Lange nicht mehr gesehen Emyko. Wie geht es dir?" fragte er schließlich endlich und lag die Zeitung zur Seite.
"Mir geht es gut." log Emyko nur. Sie würde gerne aufblicken und ihren Stiefvater ins Gesicht sehen, doch sie hatte sich verändert, sie schaffte das nicht mehr. Sie fragte auch nicht, wieso sie herkommen musste, was sie früher sicher getan hätte. Sie stand einfach nur still da und rührte sich nicht.
"Eigentlich will ich dir nur Glück wünschen." mit diesen Worten stand Takano auf und ging mit langsamen Schritten auf Emyko zu. Plötzlich wurde sie am Handgelenk gepackt und endlich sah die Schwarzhaarige hoch. Ihre Augen trafen die ihres Stiefvaters, ließ ihr Wut im Magen langsam kochen.
"Ich nehme an du hast deinen Abschluss bekommen." Bereits in der nächsten Sekunde wurde die Tasche von ihr weggerissen. Emykos Mund öffnete sich, sie wollte etwas sagen, etwas unternehmen, doch ihr Körper schien wie erstarrt. Nur fest biss sie sich auf ihre Unterlippe.
Takano hatte sich bereits von ihr abgewandt und ging wieder zurück zu seinem Schreibtisch. Nebenbei machte er die Tasche von Emyko auf und fischte sich ihr Abschluss heraus. Emykos Atem stockte.
Sie hatte keine Ahnung was ihr Stiefvater von ihr wollte, wieso sie heute plötzlich herkommen sollte. Wieso er sich für ihren Abschluss interessierte. Sie hatte keine Ahnung aber sie konnte auch nichts tun um all diese Fragen zu beantworten.
Nur zittrig sah sie zu wie Takano ihr Zeugnis zur Hand nahm und zufrieden lächelte. "Schöne Arbeit Emyko." sagte er nur, bevor er Emykos Zeugnis plötzlich und ohne Vorwarnung in zwei Teilen riss.
Emykos Augen erweiterten sich doch mehr brachte sie nicht zusammen. Sie sah zu, wie man ihr Zeunis noch mal zerriss, diesmal in vier Teilen, dann acht und immer weiter bis es schließlich im Mühleimer verschwand.
Emyko weinte nicht. Sie konnte seit langen nicht mehr weinen, sie hatte die Fähigkeit zum Weinen seit damals verloren. Denn ihr Herz war steinhart geworden mit einbezogen ihre Seele. Alles was Emyko noch wollte war einmal die Firma ihrer Mutter bekommen zu könne und sich rächen zu können. Mehr brauchte sie nicht ... mehr wollte sie auch nicht.
"Seit wann bist du denn so brav geworden Emyko?" erklang plötzlich seine Stimme und ließ sie zusammenzucken. "Eigentlich hätte ich erwartet, dass du mich aufhalten würdest." Emyko blieb still, nur unentwegst starrte sie auf den Boden und biss sich die Zähne zusammen.
"Du fragst dich wieso ich das tue richtig?" Emyko antwortete nicht, doch er hatte tatsächlich Recht. "Wir wollen doch nicht, dass du mit deinem Abschluss abhaust." Sein Blick richtete sich niedergelassen auf sie. "Wir wollen doch nicht, dass Herr Nakao sauer wird."
"Es wird euch nichts bringen ..." brachte sie endlich ruhig hervor und sorgte dafür, dass ihr Stiefvater sie erneut ansah. "Ich brauche meinen Abschluss gar nicht um mich von euch zu verabschieden." Ihre Stimme erfüllte sich endlich mit Hass. "Hast du etwa vergessen? Ich werde bald 18. Laut Gesetz bekomme ich die Firma."
Ja genau, darauf hatte sie gewartet. Eines Tages die Firma ihrer Mutter zurückzuerlangen. Dazu brauchte sie kein Zeugnis, das schaffte sie auch so.
Das Lachen ihres Stiefvaters erfüllte plötzlich den Raum und machte Emyko praktisch lächerlich. Nur unverständlich sah sie ihren Stiefvater an. "Du bist immer noch so naiv wie früher Emyko." Emyko verstand immer noch nichts. Er konnte gar nicht leugnen, Gesetz war Gesetz.
"Die Firma? Welche meinst du?" fragte er sie belustigend. Emyko konnte es nicht fassen. Er tat doch tatsächlich so, als habe er keine Ahnung, dabei brachte es ihm sowieso nichts mehr.
"Die Computerfirma meiner Mutter." Emyko musste nicht antworten, aber sie tat es trotzdem ruhig. Sie konnte gar nicht anders. Sie musst immer auf eine Frage eine Antwort geben. Inzwischen war das zu einer Gewohnheit geworden.
"Deine Mutter also ..." Takanos Stimme wurde gefährlich leise. "und wo steht das? Dass 'meine' ehemalige Frau deine Mutter ist?"
Emykos Augen erweiterten sich. Was sollte diese Frage? Wollte er etwa damit sagen, dass sie nicht ihre Mutter war? Wie konnte er nur? Emyko war sauer, nicht weil sie bereits über alles Bescheid wusste, sondern einfach nur, weil er so eine Frage stellte. Er hatte nicht das Recht dazu.
"Du weißt genau so gut wie ich, dass ich ihre Tochter bin." mehr brachte Emyko nicht zusammen. Sie wollte sich am liebsten umdrehen und einfach nur verschwinden. Nur noch 14 Stunden ...
"Natürlich weiß ich das." Mit diesen Worten ging Takano auf seinem Stuhl zu und saß nieder. "Aber woher sollen das denn die anderen wissen?" Emyko verstand die Bedeutung dieser Frage nicht. Wieder mal ... Was sollte das alles? Worauf wollte er hinaus?
"Natürlich wissen das auch die anderen ..." Emykos Stimme wurde laut, aber sie verstummte plötzlich. Die anderen? Wer? Die anderen. Sie hatte doch niemanden. Niemand kannte sie. Niemand würde wissen wer sie war ... man verbat ihr jegliche Außenkontakte ....
Takano lachte wieder, machte Emyko mehr als unsicher. "Hast du es endlich verstanden Emyko?" fragte er schadenfroh. "Niemand kennt dich, und deine Daten, sie existieren längst nicht mehr."
Nun endlich wusste Emyko was hier gespielt wurde. Man hatte also vor sie völlig aus der Gesellschaft auszuschließen. Man hatte vor ihren Namen als Shizuno zu verbannen. Das konnten sie nicht tun .... das durften sie nicht ...
"Wenn du es mir nicht glaubst ...." fing ihr Stiefvater an und drehte ihr ein Computerbildschirm zu. "Schau selbst ..."
Emyko wollte nicht nachschauen, wieso sollte sie? Es war doch alles wieder eine Lüge. Natürlich würde ihr Name dort stehen. Mann konnte sie doch nicht einfach so ... doch ihre Beine gehorchten ihr nicht. Sie gingen zittrig auf den Bildschirm zu. Die rechte Hand zittrig auf die Tastatur, die Augen zittrig die Namen folgend ...
Ai Shizuno, Askuka Shizuno, Chidorie Shizuno, Cureo Shizuno, Daisuke Shizuno, Emilie Shizuno .... Fukano Shizuno .... !
Zittrig fing Emykos Kopf an zu schütteln, nein, das ging doch gar nicht. Wieso stand da nichts von Emyko Shizuno? Wieso hat man sie ausgelassen? Sie las sich die Namen noch mal durch ... keine Änderung ...
"Siehst du?" hörte sie nur wieder die Stimme ihres Stiefvaters. "Emyko Shizuno ... für die Gesellschaft existiert dieser Name nicht, genau so wenig wie diese Person."
Emyko konnte es nicht fassen. Das würde dann ja heißen, dass sie die Firma ihrer Mutter gar nicht entgegennehmen durfte, weil sie gar nicht existierte. Das war der Grund wieso man ihr alles weggenommen hatte, wieso man ihr die Halskette wegnahm, ihre Pässe und Ausweise .... alles wurde ihr weggenommen. Nur damit sie nicht beweisen konnte, dass sie die Tochter von Frau Shizuno war.
Ihre zittrigen Händen ballten sich zur Fäusten und sie sank ihren Kopf. Etwas schien in ihrem Innersten zu dringen und etwas in ihrem Innersten wachzurufen. Etwas schien zu wachsen ...
Ihr Ziel, die so nahe zu sein schien, entfernte sich plötzlich meilenweit von ihr weg. Ihr Traum, verwandelte sich in Nichts und ihre Hoffnung, entgültig zerstört. Das einzige, wofür sie arbeitete, wofür sie lebte, wofür sie strebte ... auch das wurde ihr genommen. Ihre Zukunft, es gab für sie keine Zukunft mehr.
Ohne noch länger zu überlegen drehte sich Emyko um und rannte aus dem Büro ihres Stiefvaters. Die Limousine, die draußen auf sie wartete hatte sie völlig ignoriert. Sie hatte jetzt keine Lust zu sitzen. Sie musste nur so schnell wie möglich etwas unternehmen. Sie musste Can zur Rede stellen.
Es war Cans Versprechen. Er musste sein Versprechen halten ... wer sonst würde sich die Mühe machen und so was tun? Wer sonst konnte das zusammenbringen? Wer sonst hatte einen Grund ihr Leben zu zerstören?
Die Schritten wollten nicht aufhören zu rennen. Sie wollten einfach nicht aufhören zu rennen. Sie hasste ihn. Sie hasste ihn ... Sie hasste Can Nakao!!!
Die Tür zu Can Büro öffnete sich schlagartig und eine völlig außer Atem gekommene Emyko kam zum Vorschein. Überrascht sah dieser hoch. "So früh schon zurück?" fragte er nur gelassen, obwohl er genau wusste was geschehen war.
Nur mit langsamen und steifen Schritten ging Emyko auf Cans Schreibtisch zu.
"Wieso tust du das? ..." Sie schrie nicht. Sie konnte nicht schreien, sie traute sich nicht. "Wieso tust du das?" fragte sie erneut und Tränen standen nach Jahren wieder in ihren Augen. Nun endlich sah sie auf und starrte ihn an. In ihre Augen konnte man nur Verzweiflung wahrnehmen.
Can sah sie eine weile lang gleichgültig an doch dann grinste er .... wieder. Dieses Grinsen machte Emyko schon immer unsicher.
"Ich hatte gehofft dass du klug genug bist um nicht zu fragen." sagte er endlich und stand auf. "Dir ist es also endlich völlig klar geworden, dass du mir nicht entkommen kannst."
Emyko schwieg, sie konnte nicht anders als zu schweigen, denn sie wusste, dass Can recht hatte. Völlig unerwartet spürte sie, wie jemand sie an ihre Oberarme packte und sie grob gegen die Wand stieß. "Glaubst du etwa ich hätte all die Jahre lang nicht gemerkt, was du vor hast?"
Es war so weit. Selbst die letzt Hoffnung, die Emyko noch übrig geblieben war, die Emyko noch am Leben hielt, selbst diese Hoffnung zerbrach.
"Du wirst die Firma deiner Mutter niemals kriegen." Seine Stimme wurde gefährlich.
Plötzlich spürte sie wie man ihr Kinn umfasste und ihr Gesicht hob. Nur fest biss sich Emyko auf ihre Unterlippe aber Can ins Gesicht sehen, das musste sie wohl. Sie bemerkte gar nicht, wie Tränen ihre Wangen wieder hinabliefen.
Ja, ihre Tränen, sie liefen wieder, denn ihr zu Stein gewordenes Herz hatte sich in Nichts aufgelöst. Ihr Herz wurde jetzt wieder zerbrechlich und wieder schwach, unglaublich schwach ....
Can grinste kalt. "Es ist lange her, seit dem letzten Mal als ich dich weinen sah ... " Emykos Atem hielt an als sein Gesicht dem ihren näher kam. "Ich habe deine Tränen vermisst" Flüsterte er und breitete eine Gänsehaut über Emykos Rücken aus.
"Wieso ich?" kam nur die zittrige Frage nach einer ruhigen Weile aus Emykos Mund während Cans Blick sie immer noch festhielt.
Can, vorerst etwas überrauscht über diese Frage grinste schließlich wieder. Er schien ihr eine Antworten geben zu wollen.
"Anfangs nur aus Spaß ... etwas auszuprobieren, zu testen was so aus dir wird." brachte er nach Sekunden heraus und raubte Emyko jegliche Farben aus ihrem Gesicht. Nur aus Spaß. Nur aus Spaß verlor sie ihre Mutter und verschwendete ihr Leben, nur aus Spaß. Ihr Körper schien zu versteinern.
Etwas in ihr wuchs, wuchs immer weiter, schien explodieren zu wollen, hörte nicht auf zu wachsen.
"Doch aus dir schein wirklich etwas zu werden, du hast dich verändert Emyko, sowohl innerlich als auch äußerlich ..." plötzlich wurde seine Stimme rätselhaft. Vor Emykos Augen wurde es immer verschwommener, die Tränen verwischten das Gesicht Cans.
"Ein dummes Mädchen hat sich in den drei Jahren zu einer interlligenten Frau entwickelt." Cans Stimme wurde immer leiser bis er schließlich fast flüsterte. "Inzwischen bist du unersetzbar geworden. Und das Beste ist ja, du kannst nur für mich arbeiten und für niemand anderen ... du gehörst mir."
Endlich war es so weit. Das wachsende Etwas in Emykos Körper hatte die Grenze erreicht. Sie hatte immer geglaubt, dass sie Can eines Tages enfliehen konnte, sie hatte immer daran geglaubt eines Tages den Tod ihrer Mutter rächen zu können, sie hatte immer daran geglaubt, dass sie ihr Versprechen gegenüber ihrer Mutter halten würde, dass sie glücklich werden würde. Aber das alles. All diese Glauben, sie wurden verschlungen. Nichts war von alldem noch geblieben.
Ihr Körper schien plötzlich selbstständig zu werden, denn Emyko dachte gar nicht nach was sie tat. Eine ihre Hände griff zu einer Blumenvase, hob diese schlagartig hoch und schlug zu.
Diese Bewegung war plötzlich und unberechenbar gewesen, so dass Can nicht rechtzeitig ausweichen konnte. Die Vase traf Can auf den Kopf und gleichzeitig war der Geräusch der zerbrochenen Splittern zu hören.
Emyko wartete gar nicht bis Can zu Boden fiel. Nur von der einen Sekunde auf die andere rannte sie aus seinem Büro, aus seiner Villa. Sie wollte bloß weg, nur noch weg hier. Sie würde nie wieder hier her zurückkommen. Can würde sie niemals kriegen.
Es war ihr egal was aus ihr werden würde, was sie ohne ihre Pässe, Ausweise und ihr Zeugnis aus ihr werden würde, alles war ihr egal, nur eins nicht, nämlich bleiben.
Über all die Jahre zwang sie sich zu bleibe, damit ihr Wunsch in Erfüllung gehen konnte, nur deswegen, damit sie ihr Versprechen halten konnte, nur deswegen, weil sie an die Gerechtigkeit im Leben geglaubt hatte, weil sie an all das, was die anderen sagten geglaubt hatte, aber was machte sie denn noch bei Can, wenn sie all diese Glauben verloren hatte?
Wenn sie ihr Wunsch, ihr Versprechen und ihren Glaube an das Glück im Leben verloren hatte und stattdessen nur noch Hass empfand? ...
***
Ich gehörte zu den Menschen, die unbeschreiblich zerbrechlich und hoffnungslos wurde nachdem das Herz von Hass verschlungen wurde ...
Ich glaubte nicht mehr an das Schöne im Leben. Wollte auch nicht mehr daran glauben. Verlor meinen Willen und würde nie wieder vertrauen.
Alles was mir blieb war Hass und noch einmal Hass ... hasste mich .. hasste meine Vergangenheit ... hasste die Schuldigen .... und hasste das Leben.
Es entstand eine tiefe Narbe, eine Narbe, die furchtbar schmerzte und niemals aufhören würde zu schmerzen. Eine innere Narbe die versuchte mich aufzufressen, eine innere Narbe, die mich immer an alles erinnern ließ, eine Narbe, die mich nie vergessen ließ.
Eine unsichtbare Narbe ...