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Je kälter der Winter,...

...desto näher der Frühling.
von

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Schlimmes Erwachen

10. Schlimmes Erwachen

Zusammengekauert saß Mokuba schon neben seinem Bruder auf der Rückbank und hatte sich an ihn gelehnt. Das allein schon hätte Kerry beinahe wieder einen passenden Kommentar entlockt, doch bei Kaibas eindeutigem Blick schluckte sie jegliche Ideen dazu herunter und setzte sich auf einen den beiden gegenüberliegenden Sitze. Es war wärmer als draußen, das musste die junge Frau zugeben, aber dennoch fror sie in ihrer halb zerrissenen und dreckigen Bluse, die schon zuvor nicht aus dem dicksten Stoff bestanden hatte und natürlich auch in den feuchten Jeans. Ihre Jeansjacke war anscheinend in der Lagerhalle zurückgeblieben, denn Mokuba hatte sie ebenfalls nicht mehr übergeworfen. Seto gab dem Fahrer ein Zeichen und die Fahrt ging auch schon los. Müde strich sich Kerry ihre feucht herabhängenden, mittlerweile strähnigen Haare aus dem Gesicht und schlang möglichst unauffällig ihre Arme um sich.

Schon bald machte sich eine unangenehme Stille in dem edlen Gefährt breit und während Mokuba die Augen geschlossen hatte, starrte Kaiba Löcher in die Wand und Kerry tat es ihm auf dieselbe ignorierende Weise nach. Schließlich räusperte sie sich und begann zögerlich: "Ähm, Kaiba?" Dieser drehte ihr seinen kalten Blick gar nicht erst zu, sondern murmelte abweisend: "Hm?" Schon etwas entmutigt sammelte sich Kerry schnell und machte sich selbst Mut. "Es tut mir leid, dass ich dich vorher so beschimpft habe, ich war einfach mit den Nerven am Ende.", gab sie schließlich aufrichtig, wenn auch nicht demütig zu und erhoffte sich eine halbwegs positive Reaktion. Er schaute sie jedoch noch immer nicht an, doch die Rothaarige glaubte einen überraschten Ausdruck in seinen Augen gesehen zu haben, bevor er sich wieder fasste und erneut diese bedrückende Stille eintrat.
 

"Wie habt ihr uns eigentlich gefunden?", fragte sie plötzlich in die wieder eingekehrte Stille hinein und obwohl sie ihre Stimme gedämpft hatte klang es doch im Gegensatz zu der vorigen Ruhe unangemessen laut. Kurz räusperte sie sich, wartete dennoch auf eine Antwort, denn so ganz konnte sie sich all das was heute Abend passiert war noch nicht erklären. Apropos ,heute Abend', sie wusste nicht einmal welcher Tag heute war und wie viel Uhr, denn das Zeitgefühl hatte sie in diesem dunklen Bunker völlig verloren. "Ich habe Herrn Torio einen unangekündigten Besuch abgestattet.", erwiderte Seto kurz angebunden und verfiel sofort wieder in eisiges Schweigen. Anscheinend glaubte er, dass dies alle ihre Fragen klären würde. Schon zum hundersten Mal in den letzten zehn Minuten fragte sie sich, ob der Eindruck von ihm vorhin doch nur eine Täuschung gewesen war und obwohl dies allem Anschein nach die Wahrheit war, weigerte sie sich das einfach so hinzunehmen.
 

"Wie viel Uhr haben wir eigentlich und was ist heute für ein Tag?", kam es nach ein paar Minuten des Schweigens erneut von ihrer Seite. Endlich drehte Seto ihr seinen Blick zu, als er ihr antwortete: "Wir haben Donnerstag und es ist 21:53 Uhr und 27 Sekunden." Kerry ließ ein müdes Lächeln sehen und schüttelte leicht ihren Kopf, obwohl dieser ihr plötzlich furchtbar schwer erschien. Sein Hang für Genauigkeit war wohl ein bisschen übertrieben. Aber seiner Aussage nach waren sie also fast einen ganzen Tag dort eingesperrt gewesen, mit nur einer Mahlzeit, fiel Kerry erst jetzt auf. Bisher hatte wohl die Erschöpfung und der gesamte psychische und physische Stress kein Hunger- oder Durstgefühl zugelassen. Einen letzten Versuch startend noch etwas über die Geschehnisse herauszufinden fragte sie noch einmal: "Hast du eine Ahnung, wer diese Kerle waren?" Den Blick auf die getönte Fensterscheibe gerichtet kam nach einer halben Ewigkeit die monoton klingende Antwort: "Die üblichen Spinner, die glauben, sie könnte mich erpressen." Kerry verdrehte die Augen und überlegte kurz, ob sie ein "Sehr aufschlussreich.", hinzufügen sollte, ließ es dann aber doch bleiben. Schließlich hatte die Rothaarige keine Kraftreserven mehr um sich noch mehr Gedanken zu machen und stützte ihren Ellbogen auf den Absatz des auf ihrer Seite liegenden Fensters und lehnte ihren Kopf gegen ihre Hand um die dunkle Nacht zu beobachten, die draußen leer und einsam an ihnen vorüberzog.
 

Nur ein leichter, kaum wahrnehmbarer Ruck ging durch den Innenraum der Limousine, als der Wagen zum Stehen kam, doch es reichte um Kerrys Ellbogen wegrutschen zu lassen. Verwundert schreckte sie hoch und stellte fest, dass sie wohl eingenickt war. Müde blinzelnd sah sie sich um und bemerkte, dass Kaiba schon die Tür geöffnet hatte und ausgestiegen war, um jetzt seinen Bruder von dem Sitz zu heben und ihn auf den Arm zu nehmen. Noch immer nicht ganz wach rutschte Kerry zur Tür hinüber, stolperte halb beim Aussteigen und stand schließlich auf wackeligen Beinen vor dem Auto, direkt vor der Treppe zur Haustür der Kaiba Villa. Ihr Motorrad parkte ganz in der Nähe, doch das interessierte die Rothaarige momentan wenig, sie wollte sich nur noch ausruhen. Seto trug Mokuba nun auf dem Arm und stieg ohne einen Blick zurück oder ein Wort die Steintreppe hinauf um dann unsanft gegen die Tür zu hämmern, wobei es ihm überraschend leicht fiel seinen Bruder auf einem Arm zu halten. Als der schon bekannte Mann die Tür öffnete und zur Seite ging um den Hausherren einzulassen, beeilte sich Kerry die Treppe hinaufzusteigen um nicht vergessen zu werden. Drinnen blieb sie erst einmal unentschlossen und etwas hilflos stehen. Wohin nun? Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte sie sofort auf dem Teppichboden zusammengerollt geschlafen, aber Mr. Seto Kaiba hatte wohl anderes im Sinn und ging mit festen Schritten, die durch die dicken Teppiche gedämpft wurden, schon die geschwungene Treppe hinauf. Er ließ sich sogar dazu herunter einen Blick zurück zu werfen und mit einer Kopfbewegung dem ihm aufgezwungenen Gast zu deuten, sie solle ihm folgen. Dies tat Kerry dann auch artig, doch am Treppenabsatz blieb sie kurz stehen und seufzte deutlich. "So reich und leistet sich nicht einmal einen Aufzug.", spöttelte sie kurz und machte sich dann daran die Stufen emporzusteigen. Dabei musste sie sich am Treppengeländer abstützen und kam nur schleppend langsam voran. Als endlich die obersten Stufen in Sicht waren, war Kerry schon beinahe außer Atem und ihr ging es nicht besser, als sie bemerkte, dass Kaiba am oberen Treppenabsatz stand und sie mit kaltem Blick beobachtete. "Frechheit!", dachte sie sich, "dabeizustehen und zuzuschauen wie ich mich hier abmühe."
 

Anscheinend hatte der junge Geschäftsmann in der Zwischenzeit schon seinen Bruder in dessen Zimmer gebracht und dennoch genug Zeit gehabt sich mit arrogant verschränkten Armen hier oben aufzubauen und sie ,gebührend' zu empfangen. Kerry ignorierte ihn und schaffte auch noch die letzte Stufe, so dass sie schließlich vor ihm stand, jedoch nicht gewillt war, die Anstrengung auf sich zu nehmen, den Kopf zu heben. So starrte sie geradeaus, als wäre er überhaupt nicht da und reagierte erst, als er meinte: "Komm mit." Irgendwie war sie beinahe enttäuscht nicht einen demütigenden Kommentar zu hören, andererseits war sie auch nicht mehr zum Reden aufgelegt. Sie folgte Kaiba ausnahmsweise brav den linken Flur entlang bis zu einer Tür auf der linken Seite. Ohne zu zögern stieß der junge Mann die Tür auf und ging hinein, offenbar nicht darauf achtend, ob seine Begleiterin ihm folgte. Natürlich tat sie es dennoch und fand sich in einem dunklen Raum wieder. Doch sogleich betätigte Seto den Lichtschalter und der Raum wurde von einer Reihe von kleinen Wandlämpchen erhellt. Nachdem Kerry leicht geblendet durch den Raum blickte und darauf wartete, dass ihre Augen sich an das Licht gewöhnen würden, bemerkte sie auf der rechen Seite des Zimmers einen großen Kleiderschrank mit verspiegelten Schiebetüren. Genauso modern im Stil war ein weiter hinten angebrachtes Bücherbord, dass aus Spiegelplatten bestand, die wellenartig geformt waren. Es standen nur ein paar Schriftstücke darauf, doch schräg daneben stand ein bequem aussehender Ledersessel in schwarz und Kerry konnte sich vorstellen, wie man darin versinken würde, wenn man sich hinein setze. In der Mitte der rechten Wand war eine weitere Tür, deren Funktion jedoch unbekannt war. Links befand sich ein großes Himmelbett, groß genug für zwei Personen, mit einem zarten Baldachin, der beinahe durchsichtig war und einen milchigen Farbton hatte, genau wie die helle Bettwäsche, die matt glänzend auf der Schlafgelegenheit platziert war. Auf jeder Seite des Bettes stand ein Nachttischchen, dass aus Glas bestand und ebenfalls verschlungen geformt war. Noch ein Stück weiter links stand ein kleiner Metallschrank, der teilweise ebenfalls mit Glasplatten bedeckt war und ein runder Glastisch, an dem zwei Stühle standen. Alles wirkte glänzend und hell, aber irgendwie machte das Glas, Metall und die Spiegel auch einen kalten Eindruck auf Kerry, so dass sie unmittelbar zu frieren begann und eine Gänsehaut bekam.
 

Zögerlich trat sie weiter in den Raum hinein und ging auf das Bett zu, bevor sie sich noch einmal zu Kaiba umdrehte, der aber anscheinend schon beim Gehen war. "Sag mal, du hast nicht zufällig irgendein altes T-Shirt oder so, dass du mir leihen könntest?", fragte sie dennoch, wobei sie wieder einmal seinen Rücken ansprach. Die junge Frau wollte noch mit einer Geste auf ihre Kleidung deutlich machen, wofür sie dies brauchte, doch das war wohl überflüssig, schließlich hatte auch Seto Kaiba keine Augen am Hinterkopf. "Wirf einen Blick in den Kleiderschrank.", gab dieser tonlos wie immer zurück, verließ dann den Raum und machte die Tür dann nicht allzu sanft hinter sich zu. Nur einen Moment warf Kerry der Tür verwirrte Blicke zu, bevor sie sich rückwärts einfach fallen ließ und mitten in die weichen Polster des Bettes fiel. Sie hätte auf der Stelle einschlafen können, wollte aber doch erst noch in den Schrank schauen und sich umziehen. Müde rappelte sie sich noch einmal auf und schlurfte zu dem verspiegelten Schrank hinüber um eine Tür beiseite zu schieben. Drinnen waren alle möglichen Kleidungsstücke enthalten. Jeans, Röcke, Kleider, Pullover, Blusen, Westen und anderes, in alle möglichen Größen und sowohl für Männer als auch Frauen. Fragend zog Kerry eine Augenbraue nach oben und hätte zu gerne gewusst, warum dieser Schrank mit so vielfältigen Klamotten vollgestopft war. Sie durchsuchte ein Regal und fand schließlich sogar zwei Nachthemden, die jedoch für ihren Geschmack eindeutig unpassend waren. Eins war so kurz wie es schwarz war und hatte auch noch kleine Rosen als Musterung. Angewidert verzog die Rothaarige die Miene und musterte das andere, dass ihr zwar immerhin bis zu den Knien fiel, jedoch war der helle Stoff hauchdünn und wohl beinahe durchsichtig. Grimmig blickte Kerry von einem Fetzen Stoff zum nächsten und entschied sich dann für das von ihr als kleineres Übel eingestufte helle Gewand. Sie schälte sich aus ihrer zerrissenen Bluse und zog die feuchten Jeans aus um sie über einen Stuhl zu hängen. Die Bluse konnte sie ohnehin vergessen. Schnell schlüpfte sie in das dünne Kleidchen und beäugte sich kritisch in einer der Spiegeltüren. "Na super, ich sehe aus wie ein billiges Flittchen.", kommentierte sie ihr Erscheinungsbild übertriebener Weise, denn obwohl man eine gewisse Körpersilhouette erkennen konnte, brauchte es wohl schon einiges an Fantasie um sich mehr dazuzudenken.
 

Nun, da sie vor der Spiegeltür stand, fiel ihr die Seitentür des Zimmers erst ins Auge und ein angedeutetes Lächeln huschte über ihre Lippen. Die Neugier hatte sie sogleich gepackt und langsam nahm sie den Türknauf in die Hand um leicht daran zu drehen und die Tür aufzuziehen. Natürlich war es auch hier zunächst düster, doch schon nach kurzem hatte Kerry den Lichtschalter ertastet und fand sich in einem kleinen, aber überaus komfortablen Badezimmer wieder. Die luxuriöse Badewanne, die passend zu den kühlen, weißen Bodenfließen gefärbt war, lud geradezu zum Entspannen ein. Aber die junge Frau hatte die Befürchtung darin einschlafen zu können und bei ihrem Glück würde man sie dann am nächsten Tag ertrunken vorfinden. Nicht gerade der angenehmste Gedanke. Also beschloss sie mit der Dusche vorlieb zu nehmen und schlüpfte noch einmal aus dem Nachtgewand heraus um sich nach Shampoo und Handtüchern umzuschauen. In kürzester Zeit hatte sie sämtliche Schränke durchsucht und war auch fündig geworden, so dass sie in der Duschkabine verschwinden konnte um einige Zeit darauf mit nach Pfirsich duftendem Haar wieder herauszukommen. Nach dieser warmen Dusche fühlte sie sich gleich etwas besser, aber die Müdigkeit, die vorher hauptsächlich auf Erschöpfung beruht hatte, war jetzt bleiern und schwer, so dass Kerry schlurfend das Bad verließ und die Tür hinter sich zumachte.

Mit kleinen Schritten trottete sie zu dem komfortablen Bett hinüber und krabbelte unter die dicke Bettdecke, die sich unglaublich weich und zart anfühlte. Vielleicht lag es aber auch nur daran, dass sie den letzten Tag ständig auf dem Boden herumrutschend verbracht hatte. Nach einem letzten Blick durch das Zimmer schloss sie erschöpft die Augen und war innerhalb weniger Momente in einen tiefen Schlaf gefallen.
 

Das Erwachen am nächsten Morgen war nicht unangenehm, aber überraschend schnell. Plötzlich öffnete Kerry die Augen und spürte überraschenderweise nicht mehr das weiche Bett unter sich. Auch lag sie nicht mehr, sondern stand kerzengerade, barfuss und nur mit ein paar grau-schwarzen Tüchern bedeckt, die vom Wind gegen ihre weiche Haut gedrückt wurden und um ihren Körper flatterten. Ihre blanken Füße standen unangenehm hart auf blankem Fels und als sich die Rothaarige genauer auf ihre Umgebung konzentrierte, bemerkte sie, dass sie auf einem hohen Plateau stand und um sie herum erstreckte sich nichts als endlos weite und zerklüftete Felsen. Direkt vor ihr ging es steil bergab und ein Sturz wäre sicher das letzte gewesen, was man riskieren wollte. Ohne es zu bemerken hatte die junge Frau ihre schlanken Arme ausgestreckt um die ebenfalls diese schleierhaften Bänder gewickelt waren und einen Schritt nach vorne getan. Sie wollte nicht springen, sie wollte nur die grenzenlose Freiheit dieser Sphären spüren. Ihr langes rotes Haar wehte mit den grauen Tüchern um die Wette und glich einem feuerroten Banner, dass sie hinter sich herzog. Lange Haare? Kerry riss die Augen auf. Wie konnte das sein, sie trug die Haare schon seit ihrem 16ten Lebensjahr nicht mehr so lang. Bevor sie sich über diese Tatsache Gedanken machen konnte, wurden ihr plötzlich zwei kräftige Hände auf die Hüfte gelegt und ein warmer Körper schmiegte sich von hinten an ihren. Kerrys Herz begann schneller zu schlagen und mit einem wissenden Lächeln schloss sie langsam die Augen und legte ihren Kopf zaghaft zurück, um ihn an die Brust des schlanken jungen Mannes zu legen, der hinter sie getreten war. Der linke Arm des Mannes schlang sich nun komplett um ihre Taille und mit der rechten Hand strich er sanft über die etwas blasse Wange der Rothaarigen. Kerrys Puls beschleunigte sich noch mehr, bis sie es nicht mehr ertragen konnte und die Augen einen Spalt öffnete. Mit einem kurzen Blinzeln erkannte sie die Gestalt hinter ihr und ihr Herz schien einen Schlag auszusetzen, bevor es ruhig und gleichmäßig seinen Dienst weitertat. Die saphirblauen Augen waren nur einem Menschen zuzuordnen, obgleich in ihren eine nie geahnte Wärme lag, die so untypisch sie war, aufrichtig erschien. Kerry ließ sich fallen, zum ersten Mal seit langem fühlte sie sich sicher und geborgen. Sie musste keine Vorsicht walten lassen, nicht misstrauisch sein und ständig auf der Hut, bereit sich selbst zu verteidigen. Sie war geborgen.

Ein plötzlicher Ruck unterbrach die Ruhe ihres Herzens, das plötzlich in Zeitlupe zu schlagen schien. Die zuvor sanfte Hand stieß sie nun mit brutaler Wucht nach vorne. Die schwarzen Tücher um sie herum rissen plötzlich an ihrer Haut und um sie herum erschallte ein lauter Schrei. Ihr rotes Haar wehte ihr ins Gesicht und plötzlich spürte sie keinen Boden mehr unter den Füßen. Sie stürzte nach vorn und drehte sich im Fall, nur um Seto Kaibas kalten Blick zu erfassen, der zusammen mit einem triumphierenden Grinsen sein Gesicht zu einer Maske verzerrte. Erst jetzt bemerkte Kerry, dass sie es war, die schrie und sie schrie noch immer. Ein erstickter Schrei voller Verzweiflung. Und dann fiel sie ins Leere.
 

Kerzengerade saß Kerry im Bett und kalter Schweiß klebte unangenehm auf ihrer Haut. Mit geweiteten Augen blickte sie sich in dem unbekannten Raum um. Ihre Brust hob und senkte sich bei jedem Atemzug deutlich sichtbar und ihr Herz raste mit einer enormen Geschwindigkeit. Es war alles ein Traum gewesen, redete sie sich selbst ein und blickte erst zum Fenster. Die Sonne schien freundlich und warm durch die zarten Vorhänge herein und sie lag noch immer wie auf Daunen gebettet in dem Himmelbett. Die junge Frau sank erleichtert in ihre Kissen zurück und zog sich die Decke über den Kopf. Dieser Traum war eindeutig gewesen. Ihr Unterbewusstsein hatte sich eingeschaltet und hatte ihr eine unmissverständliche Botschaft geschickt. Der Schreck saß der Rothaarigen noch in allen Knochen und so blieb sie erst einmal bewegungslos liegen, während sie darauf wartete, dass sich ihr Herzschlag beruhigen würde.

Doch nach einigen Minuten hielt Kerry das Herumliegen nicht mehr aus, denn beim Nichts tun kamen ihr die Bilder und Gedanken von dem eben erlebten Traum wieder in den Sinn, den sie nur abschütteln wollte. Kurzerhand schob sie die Bettdecke also beiseite und ließ sich aus dem Bett gleiten und probierte zunächst aus, ob sie stehen konnte. Glücklicherweise hatte die erholsame Nacht ihr offensichtlich äußerst gut getan, denn die Belastung ihrer Beine war wieder komplett möglich, zumindest für den Moment. Mit dennoch vorsichtigen Schritten ging sie erst einmal in dem großen Zimmer auf und ab, während sie überlegte was sie nun tun konnte. Routinemäßig wollte sie schließlich ihr Handy auf SMS' und Anrufe checken, doch da fiel ihr ein, dass dies noch mit ihrer Handtasche in Mokubas Zimmer sein musste. Jason hatte sich sicher schon enorme Sorgen gemacht und sie mit Anrufen bombardiert. Lächelnd schüttelte die junge Frau den Kopf und ging zur Tür, um diese dann einen Spalt zu öffnen. Sie wollte gerade auf den Flur treten, als plötzlich am anderen Ende des Ganges eine Tür aufgemacht wurde. Albernerweise wollte sie nicht auf dem Flur gesehen werden und schloss die Tür wieder. Feste Schritte näherten sich ihrer Tür, gingen jedoch an dieser vorbei den Gang entlang, wie es klang. Kerry zog die Tür erneut ein Stück auf und spähte den Gang entlang. Kaiba ging gerade am Ende des Flures um die Ecke um dann dort zu verschwinden. Schulterzuckend und sich selbst als völlig idiotisch erklärend trat Kerry nun auf den Flur hinaus, schloss die Tür hinter sich und tapste dann barfuss zu Mokbuas Zimmertür hinüber. Sie konnte nur hoffen, dass es wirklich seine war, denn so sicher war sie sich bei ihrem hervorragend irreleitenden Orientierungssinn nicht. Leise zog sie die Tür auf und spähte in das noch abgedunkelte Zimmer hinein. Tatsächlich, es war Mokubas Zimmer und am Boden hatte sie auch gleich darauf ihre Handtasche ausgemacht. Auf Zehenspitzen schlich sie in das Zimmer, hob die Tasche vom Boden auf und verließ den Raum wieder um die Tür möglichst geräuschlos hinter sich zuzumachen. Sie wollte sich gerade auf den Rückweg in ihr Zimmer machen, als sie ihre Tasche nach ihrem Handy durchsuchte und dabei feststellte, dass etwas fehlte. Das mobile Telefon und ihr Geldbeutel sowie andere unwichtigere Gegenstände waren noch vorhanden, doch ihre Monsterkarte "Tyrant Dragon" fehlte. Völlig perplex blieb sie erst einmal stehen und wühlte weiter in der kleinen Tasche, wurde jedoch nicht fündig. Es dauerte nur einen Moment, bis sie zum Schluss kam, dass das niemand anderes außer Seto Kaiba gewesen sein konnte. Ärgerlich warf sie einen Blick auf seine Zimmertür, hängte sich dann ihre Tasche über die Schulter und ging dann entschlossen auf Kaibas Zimmertür zu. Ohne zu zögern öffnete sie seine Zimmertür und betrat das durch Sonnenlicht erhellte Zimmer. Ohne auch nur kurz inne zu halten betrat sie auch schon den Raum und blickte sich einen Moment um. Doch in diesem Moment des Zögerns kehrte ihr gesunder Menschenverstand wieder zurück und sie zögerte. Was tat sie hier eigentlich? Sie stand im Schlafzimmer Seto Kaibas und suchte nach ihrer Duel Monsters Karte, dabei hatte sie überhaupt keine Ahnung, ob er sie wirklich genommen hatte. Selbst wenn das der Fall gewesen wäre, so war ihre Reaktion doch mehr als lächerlich. Wo sollte sie hier anfangen zu suchen, überhaupt der Gedanke daran sein Zimmer zu durchsuchen war absurd, obwohl er doch etwas Reizbares hatte. Kerry kam zu dem Schluss, dass sie Kaiba zur Rede stellen sollte und drehte sich wieder zur Tür um zu gehen. Noch halb in der Drehung erstarrte die Rothaarige urplötzlich und blieb wie angewurzelt stehen. Der Schreck saß ihr in den Knochen, denn wer stand dort im Türrahmen und blickte sie eiskalt an? Die Antwort ist wohl überflüssig. Perplex und völlig unfähig etwas halbwegs Sinnvolles von sich zu geben polterte Kerry: "Kaiba, was machst du denn hier?" Dieser zog ob ihrer wirklich dümmlichen, wenn nicht sogar äußerst dreisten Frage nur kurz eine Augenbraue empor und machte dann zwei Schritte nach vorne, die Tür hinter sich zuschlagend. Als sie ins Schloss fiel zuckte Kerry unweigerlich kurz zusammen und machte einen unsicheren Schritt nach hinten. Blut schoss ihr in den Kopf und ihre Wangen färbten sich tiefrot, während ihre Gedanken rasten. "Die Frage stünde wohl eher mir zu.", gab der junge Geschäftsmann schließlich mit messerscharfer Stimme zurück, mit der man sicherlich sogar Metall hätte zerschneiden können. Zwei weitere Schritte nach vorne und Seto blieb mit forderndem Blick stehen. Sie würde also auf keinen Fall um eine Entschuldigung herumkommen, geschweige denn heil an ihm vorbei. Mit großer Überwindung fasste sich die junge Frau ihm gegenüber schließlich wieder und machte ein paar leicht tänzelnde Schritte auf ihn zu, wobei sie ihre Hüfte mehr als gewöhnlich bei jedem Schritt mitschwingen ließ. So trat sie mit uneindeutigem Blick auf den schlanken Seto zu und blieb nur eine handbreit vor ihm stehen. Sanft legte sie ihm plötzlich die Hände auf die Brust und strich ihm über seinen Oberkörper, nur um dann mit einer eleganten Bewegung zwischen seinen in die Hüften gestemmten Armen hindurchzugreifen und seinen Rücken zu umschlingen. Kaibas Blick milderte sich kein Stück, es war als würde man einen Laternenpfahl umarmen. Mit einem kurzen Ruck zog sie sich nun ganz nah an ihn heran, so dass ihre Körper dicht aneinandergeschmiegt waren. Ihre Augen waren noch immer auf die ihres Gegenübers fixiert, der sie unerbittlich anblickte, aber die Rothaarige glaubte auch etwas Verwirrung darin sehen zu können. Langsam wanderten ihre Hände an seinem Rücken weiter nach unten.



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von: abgemeldet
2004-08-19T18:43:07+00:00 19.08.2004 20:43
Hey!
Ein echt gutes Kapitel! Aber was genau will sie da eigentlich anstellen? ^-^ Nein warte sag es mir nicht. Dann steigt die Spannung...

mehr hab ich net zu sagen bis denne Jenny -<-@
Von: abgemeldet
2004-08-18T20:08:08+00:00 18.08.2004 22:08
heeeeeeeeeey, fiiiiiiiies, an so ner Stelle aufzuhören;.;
das Kap war supi, hat mir echt gut gefallen, großes Lob^^
ich hoffe, du schreibst schnell weiter^^
deine Mija
Von: abgemeldet
2004-08-12T11:21:27+00:00 12.08.2004 13:21
Hi!!!
Das Kapitel ist echt gut geworden. Besonders der Traum und der Schluß mwaren cool. Irgendwie kam es mir so vor als würde der Traum in Irland spielen auf irgendeiner Klippe. Und der Schluß jetzt lässt ne Menge Platz für Spekulationen. Wie geht es weiter?? Was wird Kerry machen und wie reagiert Seto darauf??
Bye Cat
Von:  Wingsy
2004-08-11T21:34:17+00:00 11.08.2004 23:34
hi^^
das war super, aber wie kannst du dort einfach aufhören T.T *sniff* *weiterlesenwill*
schreib ganz schnell weiter
bin gespannt was sie vor hat^^
bye

An-san
Von:  DarkEye
2004-08-11T18:47:15+00:00 11.08.2004 20:47
echt super genial! ich weiß nicht was ich sagen soll ausser+
mach ganz schnell weiter und schrieb mir ne ENS wenns weitergeht!°!!

mfg dark


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