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Ina

von

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1. Teil

"Komisch, obwohl es nicht so warm ist, riecht die Luft nach Sommerabend", dachte Ina während sie zu dem Schrank ging, in dem sie Zigaretten versteckte. Für Notfälle sollten sie sein. Und das waren sie auch: Sie hatte diese Schachtel schon seit fast 7 Monaten im Schrank und sie war noch nicht mal halb leer. Doch heute Abend würde vielleicht sogar mehr als eine Zigarette die Schachtel verlassen.

Ina öffnete den Schrank, kramte ein wenig darin herum, fand die Zigaretten schließlich und nahm gleich die ganze Schachtel heraus. Feuerzeuge hatte sie viele in ihrem Zimmer, sie zündete nämlich gerne mal Kerzen an. Ihre Eltern saßen im Wohnzimmer, welches sich am anderen Ende der Wohnung befand. Die Tür war abgeschlossen, wie sie es abends manchmal machten. Auch Inas Schwestern waren schon zu Bett gegangen, sie hatte also ihre Ruhe.

Und die brauchte sie zum Nachdenken, genau wie die Zigarette. Die fast 18jährige öffnete ihr Fenster ganz, setzte sich halb nach draußen auf die Fensterbank, lehnte sich an den Fensterrahmen und zündete die Zigarette an. Nachdenklich schaute sie vor sich her, beobachtete, wie sich der ausgestoßene Rauch langsam ausbreitete und sich somit auflöste.

"Genau so hat es vor einem Jahr gerochen, als ich Tanja kennenlernte", fing sie an zu sprechen. Wenn ihr viel im Kopf herumging half es, so zu tun, als würde sie jemandem alles erzählen. Sie ordnete dadurch ihre Gedanken und fühlte sich nachher oft freier. Vor allem wich dann dieser fast unerträgliche Druck von ihrem Herzen.

"Eigentlich war das ja schon eine ziemlich schöne Zeit", fuhr sie fort. "auch wenn es so viele Probleme gab. Naja, die Trennung war jetzt vor fast einem halben Jahr. Und jetzt... Bin ich mit Mark zusammen." Ina schüttelte lächelnd den Kopf. Erst wenn man ihre Augen dabei ansah, erkannte man in diesem Lächeln, welches Gefühl sie wirklich damit ausdrücken wollte: Verzweiflung. Und Ratlosigkeit.

"Ich fand es ja ganz süß, dass er sich in mich verliebte... und ich mag ihn ja auch. Nur nicht auf diese Art. Ich bin jetzt grade mal 3 Wochen mit ihm zusammen und kann absolut nicht mehr. Es ist schwer so etwas vorzuspielen, wenn das Herz für jemand anderes schlägt." Nachdenklich schaute sie die Straße herunter. "Ich glaube, ich gehe eine Runde spazieren." Sie nahm ihre Jacke, packte einige Teelichter, das Feuerzeug, die Zigaretten und ihre Schlüssel in die Taschen und schlich sich aus dem Zimmer. Das Fenster machte sie so zu, dass sie es auf dem Rückweg von außen öffnen konnte. Ihre Eltern dachten sowieso, dass sie schlief und würden 100%ig auch nicht in ihr Zimmer schauen und sich vergewissern, ob das auch stimmte. Sie ging aus ihrem Zimmer, verließ die Wohnung und schlug 3 Sekunden später die Haustür leise zu. Dann setzte sie sich in Bewegung, machte sich auf den Weg zu ihrem "Lieblingsplatz", dem Wartehäuschen an der Bahnstation.

Manchmal setzte sie sich einfach im Dunkeln da oben drauf, es war nicht schwer dort hinauf zu klettern. Auch diesmal klappte es wieder ohne Probleme: zuerst auf das Geländer, dann einfach hochstemmen. Es würden auch nicht viele Bahnen vorbeikommen, schließlich war es nach 22Uhr, also fuhren die S-Bahnen nur alle halbe Stunde. Außerdem war das eine recht kleine Station, da stiegen sowieso nur wenige Leute aus.

"So, mal wieder geschafft", sagte Ina, nachdem sie oben saß. Sie verteilte die Kerzen und zündete sie an. Hätte es geregnet, hätte sie diese ganze Aktion nicht unternehmen können. Doch es war trocken und es gab keine einzige Wolke am Himmel. Der Anblick der Sterne beruhigte sie.

"Wo war ich stehengeblieben? Ahja, die andere Person. Sie heißt Sarah und ist einfach schrecklich süß. Irgendwie verkörpert sie die Erfüllung meiner Wünsche. Vor 4 Monaten habe ich sie das erste Mal gesehen, sie geht bei mir auf die Schule. Ich war direkt von ihr fasziniert und versuchte, ihr aufzufallen. Nach einiger Zeit grüßte sie mich dann. Und irgendwann konnte ich mich auch zwischendurch einmal mit ihr unterhalten. Und einen Abend habe ich auch schon mit ihr verbracht. Naja, es waren auch andere dabei. Aber sie hat mich mehrmals an ihren Zigaretten ziehen lassen." Lächelnd dachte die kleine blonde an diesen Abend zurück. Genau an dem Tag hatte sie erfahren, dass Sarah ihren Namen kannte. Und bereits vergeben war.

"Ich glaube ja immer noch, dass sie bi ist. Irgendwie habe ich das im Gefühl. Es kann natürlich auch sein, dass ich mir das alles nur einrede, dass das ganz einfach Wunschdenken ist. Obwohl, ich habe bei ihr sowieso keine Chance." Sie beobachtete die tanzenden Flammen der Kerzen. Ihre blauen Augen leuchteten in diesem Licht viel dunkler und hatten einen leichten Goldstich. Auch ihre langen blonden Haare schimmerten golden. "Deswegen habe ich es ja auch mit Mark versuchen wollen. Er ist in mich verliebt, würde fast alles für mich tun... aber ich kann's nicht. Ich liebe ihn nicht, fühle mich auch nicht anders zu ihm hingezogen. Als "normaler" Freund ist er ganz ok aber ich mag ihn einfach nicht öfter als 2mal pro Woche sehen, das geht wirklich nicht. Ich mag ihn auch nicht verarschen.

Trotzdem kann ich nicht einfach so mit ihm Schluss machen. Die anderen auf meiner Schule haben gerade aufgehört darüber zu reden, wie es denn nun mit meiner sexuellen Neigung aussieht und ob/wen ich als nächstes anmache. Oder versuche anzumachen." Seufzend schaut sie zu den Sternen hinauf. "Ich wusste, dass ich auch auf Frauen stehe. Ich wusste, dass ich mich bei Frauen sehr wohlfühle. Aber ich dachte, dass ich trotzdem eine Liebesbeziehung mit einem Mann haben kann. Ich hab mir selber eingeredet, dass ich nur "ausprobiere" wie es mit einer Frau ist. Wenn ich jetzt mit Mark Schluss mache, ist die Sache fast endgültig." Ihr Blick wanderte durch die Bäume hinter ihr zur Ampelkreuzung. Dort hatte gerade ein Auto eine Extremvollbremsung gemacht, war fast auf einen anderen Wagen aufgefahren. Hinter der Straße begann der Wald. Dort hatte sie auch einige schöne Stunden verbracht. Mit Tanja. "Ich trau mich einfach nicht mir einzugestehen, dass es wahrscheinlich wirklich so ist. Dass ich mich nur bei Frauen so wohl und angezogen fühle. Klar, es gibt mehr Toleranz als noch vor 10-20 Jahren...

Trotzdem ist es nicht einfach. Außerdem: wo soll ich eine Frau finden? Wo finde ich..." In diesem Moment fährt die Bahn ein. Gedankenverloren greift Ina wieder zu ihren Zigaretten. Sie wird die Leute da unten einfach ignorieren, die sollen ruhig schauen. Als alle wieder verschwunden sind, stellt sie sich hin und schaut sich wieder einmal genau um. Von hier oben sieht alles so anders, irgendwie unbedrohlich, fast friedlich aus. Danach bläst sie die Kerzen aus, wartet, bis das Wachs abgekühlt ist und packt sie wieder zurück in die Tasche. Dann klettert sie hinunter, lässt sich einen Moment an der Kante hin- und herschwingen, springt hinunter und geht wieder nach Hause. Auch zum Fenster kommt sie ganz einfach hinein.

Sie hatte ihren Freunden die Situation per SMS beschrieben. 4 mal dieselbe SMS. Als sie nun wieder zuhause war, hatte sie 4 fast identische SMS auf dem Handy, sie hatten alle geantwortet. Während sie sich fertigmachte, las sie eine nach der anderen. Eigentlich stand darin: "Hör auf dein Herz!"

Ina legte dich ins Bett, deckte sich zu, kuschelte sich ein, drehte sich auf die Seite. Ihr letzter Gedanke vor dem Einschlafen: "Und wenn mein Herz mir überhaupt nichts sagt?"



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