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Erwärme mein frierendes Herz

von

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Verwirrung der Gefühle

An diesem Morgen legte Kai nicht ein so rasches Tempo vor wie am Vortag, sondern mäßigte seine Schritte zu einem fast gemütlichen Wandern. Dies kam daher, daß auch er nach dem Studium ihrer Karte erkannt hatte, daß sie ihrem Zeitplan ziemlich weit voraus waren.
 

Daher erlaubte es der Teamchef der Bladebreakers, daß sein blauhaariger ,Wandergefährte' die wunderschöne Umgebung genoß, welche sie durchquerten. Je höher die beiden Jungen in das Gebirge aufstiegen, desto atemberaubender wurde der Ausblick, der sich ihnen von einigen Punkten des Weges aus bot.
 

Während Tyson diese Aussichtspunkte begeistert nutzte, um den Blick ins Tal und über die nächsten Gipfel schweifen zu lassen, hatte Kai sein Augenmerk auf etwas ganz Anderes gerichtet. Ihn interessierten die Tyson und ihn umgebenden Wunder der Bergwelt recht wenig - vielmehr konzentrierte er sich darauf, seinen Teamgefährten unauffällig zu beobachten.
 

Seit den letzten Tagen hatte der Junge mit dem blaugrauen Haar gravierende Veränderungen in Tysons Verhalten bemerkt und versuchte nun herauszufinden, ob diese Charakterzüge wirklich neu an dem Jüngeren waren - oder ob es nicht vielmehr an seinem bisherigen Desinteresse an Tyson sowie dem Rest ihres Teams gelegen hatte, daß er dessen verändertes Verhalten bis jetzt nicht mitbekommen hatte.
 

Es wunderte Kai, daß ihn alles, was mit Tyson zu tun hatte, auf einmal so stark bewegte - er sich Gedanken über den jüngeren Blader machte, obwohl sich dieser doch auf den ersten Blick nicht anders verhielt als sonst. Doch die Argumente, welche Tyson vorgebracht hatte, als Kai sich weigerte, mit ihm diese Survivaltour durch die Berge zu unternehmen, hatten - objektiv betrachtet - durchaus Hand und Fuß.
 

Kai mußte innerlich zugeben, daß er ziemlich stur sein konnte, was seine Privatsphäre betraf. Er mochte es ganz einfach nicht, wenn Andere ihm vorschrieben, was er tun und lassen sollte. Dies erinnerte den Jungen zu sehr an die Zeit in der Abtei in Rußland, wo er laufend von Boris Befehle erhalten hatte. Befehle, welche ihm oft zuwider gewesen waren und die er doch hatte befolgen müssen, um nicht erneut von Voltaires Gefolgsmann geschlagen oder beschimpft zu werden.
 

Seitdem er aus der Abtei geflohen war, folgte Kai nur seinem eigenen Willen und tat, was er für richtig hielt. Daher war es für ihn oft schwer, sich den Bedürfnissen der anderen Mitglieder seines Teams anzupassen, welche ganz andere Prioritäten zu setzen schienen - und denen ihre Privatsphäre lange nicht so heilig war wie Kai. Tyson, Ray, Max und Kenny schienen sich oft in der Gesellschaft ihrer Freunde erst richtig wohl zu fühlen und mieden es, lange Zeit ohne ihre Freunde zu verbringen.
 

,Wie mag es sein, so viel Zeit miteinander zu verbringen?', fuhr es Kai durch den Sinn, während er gemessenen Schrittes hinter Tyson herlief, welcher die Umgebung weiter mit wachen Augen betrachtete und seinen Teamchef in Ruhe ließ, da er diesen nicht unnötig verärgern wollte.

,Wie mag es sein, sich in der Gegenwart anderer Personen so wohl zu fühlen, daß man möglichst nicht ohne sie sein will? Ob es ihnen Sicherheit gibt? Finden sie in ihrer Gemeinschaft die Geborgenheit, nach der ich mich als kleiner Junge sehnte - bis ich herausfand, daß sich anderen Leuten anzuvertrauen bedeutet, verletzt zu werden?'
 

Ein scharfer Schmerz fuhr bei diesen Gedanken durch Kais Brust, als unwillkürlich Erinnerungen an Boris und die Grausamkeiten, welche dieser ihm angetan hatte, in dem Jungen hochwallten. Doch Kai unterdrückte diese Reaktion rasch und verbannte die Erinnerungen an die Abtei wieder in einen tiefen Winkel seines Verstandes. Er wollte jetzt nicht über seine Vergangenheit nachdenken.

Erneut konzentrierte er sich auf Tyson, welcher ihm mittlerweile einige Meter voraus war und wieder so energiegeladen wie üblich wirkte. Während sie die letzte halbe Stunde über immer weiter hinauf in die Berge gestiegen waren und dabei der Gipfel langsam in Reichweite rückte, war der Blauhaarige lebhafter geworden. Es schien fast, als ströme ihm unsichtbar Kraft zu, je mehr sie sich dem Gipfel näherten.
 

Als Kai seine Überlegungen für den Moment beiseite schob und den jüngeren Blader wieder unauffällig genauer ins Auge faßte, fiel ihm auf, daß, obwohl Tyson wieder soviel unbändige Energie versprühte wie sonst, der blauhaarige Junge dennoch nicht so quirlig wirkte wie Kai es gewohnt war. Vielmehr verströmte er eine Aura aus Zufriedenheit, fast Glück. Tyson schien sich in den Bergen sehr wohl zu fühlen, was Kai zuerst etwas verwunderte, da er den Jüngeren nicht für den Typ Mensch gehalten hatte, der sich gerne in den Bergen herumtrieb und wanderte.

Doch es machte auf ihn nun ganz den Eindruck, als hätte er sich in diesem Punkt bezüglich Tysons Charakter getäuscht - und es warf für den Teamchef der Bladebreakers die unerwartete Frage auf, ob er wirklich wußte, welche Eigenschaften den Blauhaarigen formten.
 

Tyson hingegen genoß die wunderschöne Umgebung, die sich Kai und ihm darbot. So weit das Auge reichte, sah man schroffe Bergspitzen aufragen, deren steile Hänge manchmal sogar von Schnee bedeckt waren. Doch der Gipfel, den Kai und er auf ihrem Weg zum Treffpunkt mit dem Rest ihres Teams noch überwinden mußten, war nicht hoch genug, um ebenfalls von Schnee überzogen zu sein.

Dies erleichterte Tyson, denn obwohl er sich hier oben in den Bergen und der Freiheit, welche sie suggerierten, sehr wohl fühlte, war er doch mehr der Typ für warme Temperaturen. Ihm schauderte jetzt schon innerlich vor der Kälte, welche sie in Rußland erwartete.
 

Wiederum ließ der Blauhaarige seinen Blick schweifen und nahm die Wunder der Natur, welche sich ihm ringsum so verschwenderisch darboten, voll Freude in sich auf. Die Sonne stand mittlerweile hoch am Himmel und versandte freigiebig ihre warmen, kräftigenden Strahlen und brachte damit die Blumen, welche an den niedrigeren Hängen blühten, dazu, ihre Kelche emporzurecken und das Gras mit den verschiedensten leuchtenden Farben zu sprenkeln.
 

Es war ein so wunderschönes Bild, daß Tyson vergaß, daß er Kai, welcher wortlos hinter ihm herkam, hatte in Ruhe lassen wollen. Sein Enthusiasmus sprudelte empor und der jüngere Blader wandte sich zu seinem Teamchef herum und rief diesem zu: "Ist das nicht wirklich schön hier oben, Kai? Schau doch nur!"

Der Angesprochene antwortete nicht, sondern blickte Tyson nach dessen Worten nur schweigend an, als würde ihn die Umgebung nicht interessieren. Und dem war auch so, denn Kai konnte sich kaum von Tysons Anblick losreißen, dessen Begeisterung er fast mit Händen zu greifen können glaubte.
 

Kai fragte sich, wie der Blauhaarige sich über so etwas wie die Natur um sie herum so sehr freuen konnte - wo nahm er die pure Lebensfreude dafür her? Wie gelang es dem Jungen, auch diese kleinen Dinge so wertschätzen zu können?
 

Tief in seinen Gedanken versunken, schreckte Kai auf, als er plötzlich Tysons Hand auf seinem Arm spürte. Der Blauhaarige zog ihn nunmehr hinter sich her zu einem der Aussichtspunkte, von dem man einen ungehinderten Rundumblick hatte.

Tyson wollte, daß Kai auch etwas Freude an ihrer Tour hatte und wagte es daher, seinen Teamcaptain aus seiner nachdenklichen, schweigsamen Stimmung zu reißen, indem er ihn einfach hinter sich herzog. Halb erwartete er, daß der Ältere sich entnervt losreißen und ihn dann gereizt anfahren würde - doch andererseits hoffte er auch tief in seinem Inneren, daß Kai ihn gewähren lassen würde.
 

Es geschah keines von Beiden. Kai war für einen Augenblick total verwirrt gewesen, auf einmal Tysons Hand zu spüren, so daß er zuerst überhaupt nicht reagierte. Er ließ sich einige Schritte von dem blauhaarigen Jungen in Richtung des Aussichtspunktes ziehen, bevor er seine Handlungen wieder unter Kontrolle hatte. Dann entzog er Tyson seinen Arm wieder und brachte diesen damit zum Stehen.
 

Doch anstatt der erwarteten harten Worte sah Tyson nur, wie Kai scheinbar resigniert den Kopf schüttelte und dann mit einem kaum hörbaren ,Kindskopf' seine Schritte selbständig dem Aussichtspunkt entgegenlenkte. Dort angekommen, verschränkte der ältere Blader die Arme vor der Brust und blickte in die Ferne.

Tyson war für einen Moment überrascht gewesen, daß Kai ihn nicht anfuhr, sondern vielmehr seinen Arm auch recht sanft aus seinem Griff befreit hatte. Dann huschte ein erfreutes Lächeln über die Züge des Blauhaarigen und ein Blick voller Zuneigung folgte dem Davonschreitenden. Dieser Blick wurde eindeutig liebevoll, als Tyson das wunderschöne Bild in sich aufnahm, welches Kai bot, wie er auf dem Hang ,ihres' Berges mit vor der Brust verschränkten Armen dastand.
 

Vor dem Hintergrund der Berge wirkte Kai so stolz und frei, als könne ihm niemand sagen, was er zu tun und zu lassen habe. Als wäre der Blader mit dem blaugrauen Haar unberührt von all den Kümmernissen der Welt. Frei wie ein Vogel. Aber auch so unerreichbar.
 

Tysons Lächeln verlor etwas von seinem Strahlen, als er sich wünschte, es wäre ihm ebenso erlaubt, mit Kais wunderschönen, seidig schimmernden Haaren zu spielen wie der leichten Brise, welche das Blaugrau zerzauste.

Doch eine derartige Situation, wenn er seine Hände in der weichen Masse vergraben könnte, um sanft damit zu spielen - eine solche Situation war etwa so wahrscheinlich wie ein Sechser im Lotto. Tyson glaubte zwar an Chancen und daß man sein Glück in die eigenen Hände nehmen sollte - doch in Bezug auf Kai und seine Liebe für diesen verlor er langsam die Hoffnung auf Erfolg.
 

Was der Blauhaarige nicht wußte, war der innere Aufruhr, welcher gerade in seinem Teamchef tobte. Die Stelle, an der Tysons warme Hand Kai festgehalten hatte, kribbelte und sandte noch immer kleine elektrische Impulse an den Nervenbahnen des älteren Bladers entlang, obwohl sein Teamgefährte ihn doch schon längst nicht mehr berührte. Kais Herz pochte etwas schneller und ein für ihn ungewohntes und fremdes Gefühl durchfloß ihn. Es hatte Ähnlichkeit mit der Spannung und kontrollierten Aufregung vor einem Beyblade-Match, wenn das Adrenalin durch seine Adern schoß - und doch wußte Kai instinktiv, daß diese Emotion einen völlig anderen Hintergrund hatte.
 

Da er Tyson nicht darauf aufmerksam machen wollte, wie sehr der Blauhaarige ihn auf einmal verwirrte, hatte er sich an diesem vorbeigeschoben und war auf den Aussichtspunkt zugetreten, um sich den Anschein zu geben, der von dem Jüngeren so bewunderten Aussicht endlich die berechtigte Aufmerksamkeit zu schenken.

Während er nun scheinbar in die Ferne blickte, überlegte Kai, was mit ihm geschah. Unwillkürlich strichen seine Finger über die Stelle, an der ihn Minuten zuvor sekundenlang Tysons Finger festgehalten hatte. Die Reaktion, welche ihm dadurch entlockt wurde - die starke Sehnsucht, die plötzlich in ihm aufstieg - überraschte Kai zutiefst. Sehnsucht nach weiteren dieser sanften Berührungen, nach Nähe und Geborgenheit.
 

Emotionen von solcher Stärke - ausgelöst durch eine simple Berührung! Irgendetwas geschah mit ihm und Kai hatte keine Ahnung, was er tun sollte. Doch auf einmal verspürte er nicht mehr den Drang, Tysons Gesellschaft zu entfliehen, wie es ihm die Wochen und Monate zuvor stets gegangen war.

Plötzlich entdeckte er Dinge an dem Blauhaarigen, die ihn faszinierten - und den Wunsch in ihm weckten, den Jüngeren näher kennenzulernen. Das wahre Ich von Tyson, welches ihm bis jetzt scheinbar völlig entgangen war, für sich zu erforschen.
 

Erschrocken über seine eigenen Gedanken und seine unerwarteten Gefühle schloß Kai für einen Moment die Augen, um wieder zu seinem normalen, gelassenen Selbst zu finden. Es brauchte länger, als er angenommen hatte, doch nach einer Weile war er sich sicher, daß Tyson ihm nichts von seinen Gedanken ansehen würde. Denn Kai hatte nicht vor, Tyson in sich hineinsehen zu lassen.
 

Auch wenn der Blauhaarige in letzter Zeit interessante Charakterzüge offenbarte, so waren die Gefühle, die Kai auf einmal in seiner Gegenwart empfand, zu neu und ungewohnt, um sie ungeprüft an die Oberfläche zu lassen. Kai wollte nicht erneut verletzt werden, bevor er die Möglichkeit hatte, sich über die Wendungen in seiner Beziehung zu Tyson selbst klar zu werden.

Daher holte er noch ein paar Mal unmerklich tief Luft, gab seinem Gesicht den üblichen gelassenen Ausdruck und wandte sich dann an Tyson, welcher ihm mittlerweile gefolgt war und nun, in seine eigenen Gedanken versunken, neben dem Teamchef der Bladebreakers stand.
 

"Gehen wir weiter, sonst schaffen wir die heutige Strecke nicht", meinte Kai in seinem Captain-Tonfall. Doch die Worte klangen nicht streng und kompromißlos wie sonst, sondern ein wenig wärmer und freundlicher.
 

Tyson schreckte bei Kais Worten aus seinen Träumereien über diesen auf, wandte sich dem Älteren zu und nickte dann schweigend. Auch wenn er gern noch ein Weilchen in Kais Gegenwart einfach nur dagestanden hätte, so hatte sein Teamchef doch Recht.
 

Sie waren ihrem Zeitplan am Morgen durch ihren gestrigen Gewaltmarsch zwar voraus gewesen, doch wenn sie weiter trödelten, würde bald das Gegenteil der Fall sein. Und Tyson hatte nicht vor, sich eine Predigt darüber anhören zu müssen, warum Kai und er zu spät an ihrem Treffpunkt mit den anderen Bladebreakers ankamen. Außerdem würde Kai sich ebenfalls darüber aufregen - der Ältere haßte Unpünktlichkeit, das wußte Tyson sehr genau. Daher zog er die Riemen seines Rucksacks wieder ein wenig fester und schritt dann hinter Kai weiter den nunmehr steiler ansteigenden Pfad Richtung Gipfel hinauf, wobei er sich nun darauf konzentrieren mußte, seine Füße richtig zu setzen, um nicht zu stolpern.
 

Etwas über eine Stunde später kamen die beiden Jugendlichen auf ihrem Weg bergan an einer tiefen Schlucht vorbei. Tyson stoppte kurz und warf einen Blick in die Tiefe, schauderte dann jedoch bei dem Gedanken, was ein eventueller Sturz anrichten würde. Schnell eilte er Kai hinterher, welcher sich scheinbar überhaupt nicht um die Gefahr der Schlucht kümmerte.
 

Es wurde mit der Zeit recht spät, auch wenn die beiden Bladebreakers die Stunden ausnutzten, in denen sie noch genug Licht hatten. Doch die Wegstrecke war gefährlicher geworden, so daß sie begannen, sich nach einem Übernachtungsplatz umzuschauen.

Eine Viertelstunde später kamen sie dann einem Plateau vorbei, welches sich als Zeltplatz eignen würde, woraufhin Kai wortlos darauf zusteuerte. Tyson rollte die Augen angesichts von Kais Verhalten, welches auf nonverbalem Wege glasklar verdeutlichte, daß sein Teamchef beschlossen hatte, das Plateau zum Übernachten zu nutzen. Selbst, wenn Tyson etwas dagegen einzuwenden gehabt hätte - was er nicht hatte - wäre also die Chance, einen anderen Platz zu suchen, minimal gewesen. Kai hatte sich entschieden und daher würden sie also an dieser Stelle die Nacht über campieren.
 

Während Kai mit sicheren Griffen das Zelt aufbaute, welches er getragen hatte, machte Tyson ein Feuer. Der Blauhaarige stellte die Kanne, welche er mit Wasser gefüllt hatte, über die Flammen, um Teewasser aufzubrühen. Er wollte Kai noch eine Tasse von Rays Kräutertee geben, damit der Ältere die letzten eventuellen Reste Fieber, die noch in ihm glimmten, endgültig überwand.
 

Kai hatte zwar den ganzen Tag über nicht den Anschein gemacht, als wäre er übermäßig müde oder erschöpft, dennoch wollte Tyson kein Risiko eingehen. Er wußte, Kai würde es ihm nicht eingestehen, wenn er sich noch nicht hundertprozentig wohl fühlte - daher mußte er also zu solchen Mitteln greifen, um für die Gesundheit seines Teamchefs zu sorgen.
 

Und Tyson tat es gern, denn Kais Wohl lag ihm am Herzen, auch wenn er dies gern auf eine auffälligere Weise kundgetan hätte. Doch er beschied sich damit, vorerst im Stillen für den älteren Blader zu sorgen. Vielleicht - nur vielleicht - würde eines Tages die Gelegenheit dafür kommen, daß er Kai sagen konnte, wieviel dieser ihm bedeutete. Wie sehr er von Tyson geliebt wurde.
 

Doch nicht jetzt.
 

In diesem Moment pfiff der Teekessel und wenig später gesellte sich auch Kai, der das Zelt inzwischen vollständig aufgebaut hatte, zu Tyson und gemeinsam machten sich die zwei Jungen daran, ihr Abendbrot einzunehmen. Dies geschah in ruhiger Schweigsamkeit, denn Tyson spürte, daß Kai nicht in der Stimmung war, mit ihm zu reden. Und weil er den Älteren nach dem unerwartet angenehmen Tag nicht gegen sich aufbringen wollte, ließ er Kai seinen Willen, obwohl er sich gern ein wenig mit diesem unterhalten hätte.
 

Nachdem sie aufgegessen und Kai auch ohne Widerspruch eine Tasse des starken Kräutertees zu sich genommen hatte, streckte sich Tyson geschmeidig und fühlte, wie ihn die Müdigkeit einholte, welche die vorherige durchgewachte Nacht mit sich gebracht hatte. Ein Gähnen unterdrückend, schenkte er Kai ein müdes Lächeln und sagte: "Ich bin sicher, du hast nichts dagegen, wenn ich jetzt schon schlafen gehe, Kai. Ich bin nach so viel frischer Luft hundemüde. Gute Nacht."
 

Die kastanienbraunen Augen des älteren Jungen musterten Tyson nach seinen Worten mit einem undeutbaren Ausdruck in ihren Tiefen, bevor Kai nickte und knapp erwiderte: "Gute Nacht."
 

Tyson erhob sich daraufhin und wandte sich dem Zelt zu, in welchem er wenig später verschwunden war. Stille, welche nur von dem leisen Knacken der Äste des Lagerfeuers unterbrochen wurde, umgab Kai und machte es ihm noch leichter als während des Wanderns, in tiefe Nachdenklichkeit zu verfallen.
 

Er war so versunken in seine widerstreitenden Gedanken und Gefühle über die Ereignisse der letzten paar Tage, daß er nicht bemerkte, daß es, als der Abend voranschritt, empfindlich kühl wurde. Der Junge mit dem blaugrauen Haar war weit härtere Temperaturen aus Rußland gewohnt, so daß er nicht aufmerksam wurde, als die Gradzahl schließlich dem Nullpunkt entgegenfiel, als die Nacht hereinbrach. Vielmehr stand er neben dem niederbrennenden Feuer und sah mit nachdenklichem Blick vor sich hin.
 

So hörte er auch nicht, wie sich der Eingang des Zeltes leise raschelnd öffnete und Tyson heraustrat. Der Blauhaarige trug einen dicken Pullover gegen die frostigen Temperaturen der Nacht und blickte besorgt auf Kai, welcher ihm vollkommen abwesend erschien.
 

Als der jüngere Blader vor zehn Minuten aufgewacht war, da ihn unterbewußt irgendetwas störte, hatte er sofort gespürt, daß Kai nicht bei ihm im Zelt war. Tyson wußte nicht, wie ihm das möglich war, doch instinktiv wußte er, daß er Kais Präsenz jederzeit in seiner Nähe würde ausmachen können, selbst mit geschlossenen Augen oder in tiefster Dunkelheit.
 

Daher war er aufgestanden, da er sich fragte, was sein Teamchef mitten in der Nacht draußen in der Kälte trieb. Vor allem ohne ausreichend warme Kleidung, wie der Blader mit einem Blick auf die dicke Jacke bemerkte, welche Kai nach dem Aufbau des Zeltes auf seinem Rucksack abgelegt hatte.

Nach der Jacke greifend, verließ Tyson also das Zelt und schaute sich nach dem älteren Blader um. Er brauchte jedoch nicht lange zu suchen, denn Kai befand sich noch an fast genau derselben Stelle, an der er gesessen hatte, als Tyson vor einigen Stunden schlafen ging.
 

Verwundert hob der Blauhaarige wegen dieses Verhaltens seines Teamchefs eine Augenbraue, konnte jedoch ein beunruhigtes Gefühl nicht unterdrücken. Irgendetwas beschäftigte Kai, und zwar so sehr, daß er nicht einmal ins Zelt gekommen war, um ein wenig zu schlafen.
 

,Was ist nur mit dir los, Kai?, fragte Tyson den Älteren im Stillen, während er auf diesen zutrat. ,Was beschäftigt dich mitten in der Nacht, so daß du keinen Schlaf findest? Ich würde dir so gern helfen, wenn du Probleme hast - doch mittlerweile kenne ich dich gut genug, um nicht nach Dingen zu fragen, die du nicht offenbaren willst. Obwohl es dir sicher guttun würde, zu spüren, daß du nicht allein bist - und daher eventuelle Sorgen und Probleme nicht allein bewältigen mußt.'
 

"Wenn du schon mitten in der Nacht draußen in der Kälte rumstehen mußt, dann zieh wenigsten deine warme Jacke an, Kai", murmelte Tyson dann besorgt, während er näher an Kai herantrat und die Daunenjacke des Älteren um dessen Schultern legte. Dabei kam es, daß sich seine Arme wie von selbst in einer Art Umarmung um den Älteren schlossen, was Tyson erst einige Augenblicke später bemerkte und hastig einen Schritt zurückwich.
 

Es hatte ihn überwältigt, Kai durch seine sorgende Geste auf einmal so unglaublich nah zu sein, so daß er einfach seinem inneren Bedürfnis folgte und ohne nachzudenken begann, den älteren Jungen zu umarmen. Doch gerade noch, bevor er Kai instinktiv fest in die Arme genommen hätte, wachte er aus seiner Trance auf und löste sich von diesem.
 

Kai indessen war völlig verblüfft davon gewesen, als er auf einmal Tyson hinter sich stehen spürte und dessen besorgte Worte hörte. Dann legte der Blauhaarige Kais Jacke über dessen breite Schultern und der ältere Blader spürte, wie sich Wärme in ihm auszubreiten begann. Eine Wärme, welche schlagartig noch zunahm, als sich starke Arme wie in einer Umarmung um ihn zu schließen begannen.
 

Kais Herz geriet aus dem Takt angesichts dieser unerwarteten Handlung Tysons und begann Sekunden darauf heftig zu pochen. Er erstarrte förmlich auf der Stelle und ein Teil von ihm genoß die Wärme sehr, welche Tysons Nähe mit sich brachte. Die Präsenz des Blauhaarigen war wie ein sanftes Feuer - wärmend, jedoch nicht heiß oder gefährlich. Vielmehr freundlich, sorgend und...liebevoll.

Bei diesem Gedanken angelangt, war es Kai, als wäre etwas, nachdem er die ganze Zeit über gesucht hatte, auf einmal in greifbare Nähe gerückt. Doch bevor er erkennen konnte, was es genau war, lösten sich Tyson Arme auf einmal fast ruckartig von ihm und der Blauhaarige trat zurück.
 

Es war ein fast körperlicher Verlust, die Wärme, welche Tysons Gestalt an der seinen ausgestrahlt hatte, so abrupt nicht mehr fühlen zu können. Doch noch mehr vermißte Kai die emotionale Wärme, welche ihm die Umarmung, hätte Tyson sie zuende geführt, geschenkt hätte. So durchfuhr ihn ein stechender Schmerz des Verlustes und brachte ihn damit abrupt aus der Trance, in welche Tysons Handlungen ihn versetzt hatten. Kai hatte das Gefühl, als wäre ihm etwas Wundervolles vorenthalten worden - und das ließ ihn unwillkürlich alle Schutzwälle um sein Herz erneut hochfahren. Obwohl tief in seinem Inneren ein Stimmchen flüsterte, daß es dafür längst zu spät war.
 

"Was willst du, Tyson?", fragte Kai daher scheinbar gereizt darüber, von dem Blauhaarigen in seinen Überlegungen gestört zu werden und wandte sich zu diesem um. In Wahrheit jedoch kostete es ihn jedoch ziemlich viel innere Kraft, sich nicht in die Arme des jüngeren Bladers zu schmiegen und ihn zu bitten, die angefangene Umarmung diesmal zu beenden.
 

Es schockte Kai, diese Sehnsucht zu empfinden, was wiederum seine Stimmung ziemlich abkühlte. Er reagierte instinktiv abwehrend und kalt - so, wie er es die ganzen letzten Jahre über gewesen war, wenn ihn etwas innerlich berührte und niemand davon wissen sollte. Denn dieses Wissen hätte in den falschen Hände viel Schmerz für Kai bedeuten können. Diese Wahrheit hatte er in seiner Kindheit in der Abtei in Moskau lernen müssen - und so war seine Abwehrhaltung zu einem Schutzschild geworden, hinter dem Kai seine wahren Gefühle verbergen konnte, um nicht erneut von jemandem verletzt zu werden.
 

Tyson hingegen empfand Kais abrupte Rückkehr zu seinem abwehrenden Verhalten wie einen Schlag und glaubte, seine instinktive Annäherung an den heimlich geliebten Jungen hätte diese Reaktion hervorgerufen. Damit hatte er zwar Recht, doch er zog aus Kais Worten die falschen Schlüsse, was ihm aber nicht zu verdenken war. Immerhin waren auch Tysons Gefühle Kai betreffend in Aufruhr, auch wenn er im Gegensatz zu seinem Teamchef sehr genau wußte, was er für den Älteren empfand. Doch dies machte eine Konfrontation mit Kai nicht weniger schmerzhaft für Tyson, der sich anhand von Kais gereiztem Tonfall zurückgewiesen fühlte.
 

Monate in Kais Gesellschaft hatte den Blauhaarigen jedoch abgehärtet und ihm die Fähigkeit gegeben, ebenso wie sein Teamcaptain seine Gefühle nicht allzu deutlich zu zeigen wenn nötig. Und so huschte auch nur für Sekunden ein verletzter Ausdruck über seine Züge, bevor sich Tyson zusammennahm und ruhig antwortete: "Ich habe mir nur Sorgen darum gemacht, daß du vielleicht krank werden könntest, Kai, wenn du weiterhin ohne warme Jacke in der Kälte stehst. Entschuldige, wenn ich dich gestört haben sollte - es wird nicht wieder vorkommen. Ich gehe jetzt wieder schlafen, doch du solltest auch nicht mehr lange hier draußen bleiben."
 

Kai antwortete nicht, sondern musterte ihn nur aus Augen, in denen Tyson nicht lesen konnte, was in dem anderen Jungen vorging. Daher seufzte er innerlich tief auf, bevor er sich abwandte und erneut das Zelt betrat, um wieder schlafen zu gehen. Doch als er sich auf seinen Schlafsack legte, wußte Tyson, daß er so lange keinen Schlaf finden würde, bis Kai sich ebenfalls hinlegte.
 

Mit einer Hand zu Kais schon ausgerolltem Schlafsack reichend, strich Tyson vorsichtig über den Stoff, als hätte er Angst, etwas falsch zu machen. Dann seufzte er leise auf und flüsterte: "Ich wünschte, du würdest meine Sorge um dich akzeptieren, Kai. Wenn du mich schon nicht lieben kannst, dann laß mich doch wenigstens dein Freund sein." Mit diesen für den Blauhaarigen so ungewohnt hoffnungslosen Worten legte der Blader seinen Kopf zurück und rollte sich auf den Rücken. Die Decke des Zeltes über sich anstarrend, wartete er darauf, daß Kai das Zelt betreten würde.
 

Kai hingegen war von Tysons leisen, ruhigen Worten so getroffen gewesen, daß er keine Antwort darauf gefunden hatte und den Jüngeren nur anschauen konnte. Er bemerkte den Schatten, der kurz über Tysons Züge huschte und fühlte sich ein wenig schuldig. Er wußte jedoch nicht, wie er seinem Teamgefährten klarmachen sollte, daß er nicht so gereizt war, wie es den Anschein hatte. Daher blieb er stumm und blickte Tyson nur nach, als dieser schließlich in ihr Zelt zurückkehrte.
 

Als der Blauhaarige darin verschwunden war, fröstelte Kai auf einmal und zog die Daunenjacke über seinen Schultern enger zusammen. Als er das tat, kam die Erinnerung an das Gefühl von Tysons Armen um ihn herum zurück und Kais Herz tat erneut einen Satz. Die Arme um sich selbst schlingend in einem wenig hilfreichen Ersatz für das Gefühl von Geborgenheit, von dem er wenige Sekunden lang eine Ahnung bekommen hatte, blickte Kai auf den inzwischen wieder geschlossenen Eingang des Zeltes.
 

Er begann langsam zu begreifen, was seine verrückt spielenden Gefühle in Tysons Gegenwart ihm sagen wollten - was sein Herz ihm verständlich machen wollte und was sein Verstand sich bis jetzt beharrlich geweigert hatte, anzuerkennen. Doch der Prozeß des Begreifens brachte Kai nicht etwa Erleichterung, sondern vielmehr neue Fragen und verwirrte Gefühle.
 

Keine guten Voraussetzungen für einen erholsamen Schlaf - doch Kai war sich auch der Tatsache bewußt, daß es der Situation ebenfalls nicht zuträglich sein würde, wenn er am nächsten Morgen völlig übermüdet sein würde. Der nächste Tag würde Tyson und ihn zum Gipfel führen und dafür brauchten sie beide alle Konzentration und Aufmerksamkeit, die sie aufbringen konnten.
 

Daher verbannte Kai vorerst die Erkenntnisse, die langsam in ihm erwachten sowie das dadurch in ihm ausgelöste Chaos der Gefühle und betrat wenige Minuten später das Zelt, um vielleicht noch für ein paar Stunden Schlaf zu finden.
 

Das war das nächste Kapitel! Ein extrem beschämtes Sorry an alle, die so lange auf die Fortsetzung dieser Story warten mußten! Das nächste Chap wird nicht so ewig auf sich warten lassen, das verspreche ich hoch und heilig!

CU, Antalya



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Kommentare zu diesem Kapitel (8)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2005-04-23T14:07:25+00:00 23.04.2005 16:07
Bitte, bitte, schreib weiter, ich will wissen wie es weitergeht. Eigentlich gefällt mir Tyson viel besser, seit dem ich deine ff lese :)
Von: abgemeldet
2005-04-18T15:45:14+00:00 18.04.2005 17:45
du schreibts himmlisch. ich glaube mehr bracuht man nicht zu sagen. ausser: mach schnell weiter und schick mir dann bitte ne ens^^
Von: abgemeldet
2005-04-18T15:45:02+00:00 18.04.2005 17:45
du schreibts himmlisch. ich glaube mehr bracuht man nicht zu sagen. ausser: mach schnell weiter und schick mir dann bitte ne ens^^
Von:  smartynp
2005-04-11T16:38:59+00:00 11.04.2005 18:38
finde die ff bisher wirklcih super. bitte schribe schnell weiter. würde zu gerne wissen ob sie sihc finden.
Von: abgemeldet
2005-03-25T08:28:32+00:00 25.03.2005 09:28
ja ja gefühle sind manchmal wirklich zum verrückt werden XD
das kapitel ist dir wirklich gut gelungen und deswegen hat sich die lange wartezeit zu 100% gelohnt
aber ob kai wirklich ein paar stunden schlafen kann bezweifle ich sehr ^^'
auf jedenfall freue ich mich schon riesig auf das nächste kapitel, also bis denne
cu *knuff*
Von: abgemeldet
2005-03-24T16:35:55+00:00 24.03.2005 17:35
Ich würde sagen, die lange wartezeit hat sich gelohnt :-)
Mach weiter so!!!
Freu mich schon aufs nächste Kappi!
Deine Menteni
Von:  klen24
2005-03-24T16:22:59+00:00 24.03.2005 17:22
cool es geht weiter! Das war mal wieder super! schreib doch bitte schnell weiter!!!!!!!!
Von: abgemeldet
2005-03-24T16:16:56+00:00 24.03.2005 17:16
oh endlich ein neues 'kapi ^^
musste ja so alnge wartn -.-'!
naja hoffe du schreibst schnell weiterr!
freu mich schon ^^

mfg sarah


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