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Blood red eyes

von

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Kapitel 2

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"Was soll der Quatsch mit diesem Adonis?"
 

Kim seufzte müde. Eine Sekunde lang hatte sie große Lust, den Hörer aufzuknallen. Schon an Jodys Tonfall konnte sie erkennen, dass es kein angenehmes Gespräch werden würde.
 

"He, hast du nicht gehört?" fragte er, als sie nicht sofort antwortete.
 

"Doch, doch."
 

Jody besaß eine Menge Fehler. Eine zu leise Stimme gehörte nicht dazu. Als Kapitän der Footballmannschaft war er es gewohnt, dass er brüllen musste, um während des Spiels verstanden zu werden. Manchmal vergaß er, dass er nicht auf dem Sportplatz war, wenn er sich mit Kim am Telefon unterhielt.
 

"Wie kommt es, dass du mir in der Schule nichts davon gesagt hast?" Jody war stinksauer.
 

"Wir haben uns eben über andere Dinge unterhalten", wich sie ihm aus.
 

" Du hast absichtlich vermieden, darüber zu sprechen", klagte er sie an.
 

"Jetzt reden wir ja drüber. Was willst du wissen?"
 

"Wer ist der Kerl?"
 

"Niemand. Nur ein Gesicht aus meiner Fantasie."
 

"Er hat überhaupt keine Ähnlichkeit mir mir", beschwerte er sich.
 

Jetzt ist er sauer, dachte sie traurig. Und alles nur wegen dieser blöden Zeichnung.
 

"Klar, er sieht nicht so gut aus wie du", schwindelte sie. In Wahrheit sah Adonis auf dunkle, geheimnisvolle Weise viel besser aus als Jody.
 

Jody war ein typischer Junge von nebenan. Ein Sportler. Sein dunkelblondes Haar war im Bürstenschnitt geschnitten, und seine Zähne waren alle ganz gerade. Adonis hatte pechschwarzes Haar und ganz bestimmt nie im Leben eine Zahnspange getragen.
 

Kim musste lächeln. Jetzt dachte sie schon an ihn wie an einen richtigen Menschen.
 

"Karrie hat aber was anderes gesagt."
 

"Jody, was willst du eigentlich von mir?" fragte Kim genervt. "Ich habe heute eine Zeichnung gemacht. Keine Ahnung, wer der Typ ist. Er ist ein Gesicht aus meiner Fantasie. Vielleicht habe ich ihn im Fernsehen gesehen oder in einer Illustrierten."
 

Sie überlegte kurz. "Er sieht sogar ein bisschen aus wie Antonio Banderas. Aber ich kann dir versichern, ich habe nie ein Wort mit ihm gewechselt, und ich bin auch nicht scharf auf ihn. Du bist mein Freund. Wir gehen fest miteinander, schon vergessen?" Langsam wurde sie wütend. "Alles andere ist völlig unwichtig."
 

Er schwieg einen Moment. Jetzt sammelt er sich für einen neuen Angriff, dachte sie und hatte Recht.
 

"Und warum hast du dann vorhin in der Schule nichts von ihm erzählt?"
 

"Weil es nicht wichtig war." Kim verlor langsam die Geduld. "Vielleicht hatte ich Angst, dass du ausflippst. Wie du es ja jetzt auch tust."
 

"Ich will nur wissen ob dich ein anderer mehr antörnt als ich." Jody klang beleidigt.
 

"Ach, Jody. Spinn doch nicht rum. Du bist der Einzige für mich."
 

"Bist du sicher?"
 

"Völlig sicher."
 

"Gut." Er hörte sich erleichtert an. "Denn ich mag dich echt."
 

"Das weiß ich." Kim wünschte sich, er würde endlich das Thema wechseln. "Und ich würde nichts tun, um unsere Freundschaft zu gefährden. Das müsste dir langsam klar sein."
 

"Ich glaube dir."
 

"Prima. Ich muss jetzt Schluss machen. Berge von Hausaufgaben warten. Ich weiß gar nicht, wie ich alles schaffen soll."
 

"Was musst du denn noch machen?"
 

"Französisch", sagte sie zögernd.
 

"Ich hab dir doch gesagt, du sollst Spanisch nehmen!" beschwerte er sich.
 

"Ja, ja, Jody."
 

Tatsächlich hatte er ihr das bereits mehrmals vorgeschlagen, da er selber bereits im zweiten Jahr Spanisch lernte. Aber sie hatte sich dagegen gesträubt und sich mehr aus Trotz für Französisch entschieden. Jetzt bereute sie es bitter. Die Lektionen wurden mit jedem Tag schwieriger und ihre Noten immer schlechter.
 

"Wenn du Spanisch genommen hättest, könnte ich rüberkommen und dir helfen."
 

"Jody, es ist zu spät, sich noch darüber Gedanken zu machen. Ich muss jetzt wirklich Schluss machen. Wir sehen uns dann morgen in der Schule."
 

Kim kämpfte eine Stunde mit ihren französischen Hausaufgaben, bevor sie um zehn Uhr endlich aufhörte. Kurz überlegte sie, ob sie Karrie anrufen sollte. Sie wollte ihr gründlich die Meinung sagen, weil sie bei Jody über Adonis getratscht hatte.
 

Aber am Ende putzte sie sich nur die Zähne, wusch sich das Gesicht, zog ein Nachthemd an und kletterte ins Bett. Die Standpauke für Karrie konnte bis morgen warten.
 

Dabei war ihr klar, dass bis morgen ihre Wut schon ziemlich verraucht sein würde. Schließlich hatte sie gewusst, dass Karrie Jody alles brandheiß erzählen würde. Wie immer.
 

Dagegen muss ich unbedingt etwas unternehmen, dachte Kim schläfrig. So geht das nicht weiter.
 

Kim hatte noch nie Mühe mit dem Einschlafen. Kaum hatte ihr Kopf das Kissen berührt, war sie schon weg.
 

Aber heute begann sie sofort zu träumen - von Adonis. Der Traum war so realistisch, dass sie glaubte, alles wirklich zu erleben.
 

In ihrem Traum war Adonis noch größer als Jody, und seine Zähne standen ein wenig schief. Adonis hatte nicht in diesem Jahrhundert gelebt. er kam aus einer anderen Zeit.
 

Kim konnte im Traum nicht erkennen, aus welcher Epoche er stammte. Die Kleidung, die er trug, war ihr fremd. Dieser hohe Kragen seines weißen Hemdes, das graue Tuch mit den Tupfen... Seltsam.
 

Wer ist dieser Typ? fragte sie sich, während der Traum weiterging.
 

Er sprach sie direkt an. Sie kam sich vor wie in einem Theaterstück, in dem sich der Schauspieler direkt ans Publikum wendet.
 

"Ich wusste, du kannst mich nicht vergessen", sagte er und lächelte zärtlich. Sein Haar war dunkel und glänzte. Wilde Lust packte sie, mit den Fingern hindurchzufahren.
 

"Ich wusste, wenn ich warte, würdest du dich an mich erinnern und mich zurück ins Leben holen", fuhr er fort. "Unsere Aufgabe ist noch nicht erfüllt. Jetzt werden wir sie beenden."
 

Erst als er innehielt, fiel Kim auf, dass er französisch gesprochen hatte - und sie hatte jedes Wort verstanden.
 

Das ist unmöglich! dachte sie. Französisch bringt mich noch um. Ich kann ihn nicht verstanden haben.

Und doch war es so.
 

"Ich möchte, dass du mein Bild schnell malst", fügte er hinzu. "Ich bin es Leid, immer nur in deinem Herzen zu existieren. Gib mir mein Leben zurück, und ich werde dir großes Glück schenken." Seine sanfte Stimme klang so klar, als würde er direkt neben ihr stehen.
 

Erschüttert öffnete Kim die Augen und erwartete fast, dass Adonis in ihrem Zimmer sitzen würde.
 

Aber er war nicht da. Ihr Zimmer war dunkel und leer...
 

Verschlafen öffnete Kim eine Nachttischschublade und zog ihr Tagebuch hervor. Sie wollte den Traum aufschreiben, damit sie ihn nicht bis zum Morgen vergessen hatte.
 

>Ich hatte heute einen sehr ungewöhnlichen Traum. Er handelte von Adonis. Er sprach Französisch, und ich verstand jedes Wort. Irgendwie scheine ich ihn zu kennen. Er möchte, dass ich sein Bild schnell male. Ich habe den Eindruck, dass er große Pläne für uns hat. Und irgendwie geht es mir durch und durch, wenn er mich nur ansieht. Ich könnte mich glatt in ihn verlieben. Das ist das Verrückteste, was mir je passiert ist!<
 

Kim schlief felsenfest, als der Wecker um sieben Uhr am nächsten Morgen klingelte. Sie erinnerte sich nicht mehr an den Traum. Und das Tagebuch hatte sie gestern Nacht im Halbschlaf wieder in die Schublade gelegt.
 

Kim duschte und ging zum Frühstück in die Küche. Ihre Mutter war noch da, ihr Vater bereits zur Arbeit gegangen.
 

Während sie ihr Müsli aß, fiel ihr verschwommen ein, dass sie gestern Nacht Französisch gehört und verstanden hatte.
 

Ihr Lehrer, Mr. Mansfield, sprach fast die ganze Zeit französisch, und die meisten Schüler warteten wie Kim nur darauf, dass er endlich aufhörte, weil sie nicht mitkamen. Aber sie war sich sicher, dass sie letzte Nacht alles verstanden hatte.
 

Seltsam, dachte sie.
 

Um acht Uhr lief Kim nach draußen, um sich mit Karrie und Jamie zu treffen. Auch im Winter ging sie jeden Tag mit ihnen zur Schule. Wenn es schneite, fuhren die Eltern sie abwechselnd. Aber es geb selbst in kälteren Wintern wenig Schnee in Carson City.
 

"Vielen Dank, beste Freundin", begrüßte Kim Karrie voller Sarkasmus.
 

"Für was?" fragte diese unschuldig.
 

"Dafür, dass du Jody von Adonis erzählt hast."
 

"Ich wusste nicht, dass es ein großes Geheimnis ist", wehrte sich Karrie verlegen. "Ich hab nur gesagt, dass ich die Zeichnung für dein Meisterwerk halte. Und ich hab ihm geschildert, dass Adonis ihm nicht gleicht. Das war das einzige, was ihn gestört hat."
 

"Ich weiß. Jetzt ist er wahnsinnig eifersüchtig."
 

"Eifersüchtig auf ein Bild?" Janie verzog das Gesicht. Dann lachte sie. "Wie blöd kann einer sein?!"
 

Kim konnte über so viel Unschuld nur den Kopf schütteln. Janies Eltern hielten ihre Tochter noch zu jung und hatten ihr verboten, sich mit Jungs zu verabreden. Sie hatte also keine Erfahrung und war auf diesem Gebiet völlig naiv.
 

"Jungs sind eben manchmal ganz schön blöd, Janie", erklärte Karrie geduldig. "Stimmts, Kim?"
 

"Von mir hörst du kein Wort darüber. Du erzählst doch sowieso alles Jody, und der kann sich dann wieder eine Woche lang nicht beruhigen."
 

"Er ist immerhin auch mein Freund", verteidigte sich Karrie.
 

"Ja, aber du solltest zu mir halten", gab Kim zurück. "Mich kennst du schon viel länger als ihn."
 

"Ich hab keine Lust, mit dir zu streiten", wich Karrie aus. "Wenn du nicht willst, dass ich mit Jody über Adonis rede, sags einfach, und er erfährt kein Sterbenswörtchen mehr von mir."
 

Natürlich wollte Kim nicht, dass Karrie Jody noch mehr über Adonis erzählte. Aber sie wusste, was passieren würde, wenn sie die Freundin darum bat. Jody würde von dieser Bitte erfahren und hatte dann wieder einen neuen Grund auszuflippen.
 

Sie zuckte mit den Schultern. "Mach, was du willst. Aber denke an die Folgen für andere, wenn du immer alles weitertratscht." Hoffentlich kapiert sie den Wink mit dem Zaunpfahl, dachte Kim.
 

Kim hätte nie im Leben zugegeben, dass sie an diesem Mittwochmorgen darauf brannte, endlich in den Kunstunterricht zu kommen. Seit gestern war so viel über Adonis geredet worden, dass sie es kaum erwarten konnte, ihn sich wieder anzuschauen.
 

War er wirklich so attraktiv wie in ihrer Erinnerung?
 

Während Miss Killen die Anwesenheitsliste überprüfte, rutschte Kim unruhig hin und her. Heute schien es endlos zu dauern.
 

"So, wollen wir uns wieder den Kunstprojekten zuwenden, die ihr angefangen habt?" fragte die Lehrerin endlich. "Ich brauche ein klares Ja oder Nein."
 

"Warum fragt sie uns das überhaupt?" flüsterte Karrie so laut, dass es alle hörten. Einige Schüler lachten.
 

"Ich habe einen Spielfilm über das Leben van Goghs mitgebracht", erklärte Miss Killen ungerührt. "Der wird viele von euch sicher mehr interessieren."
 

Kim hätte vor Frust am liebsten laut geschrien. Der Film war ihr völlig egal, obwohl sie van Goghs Kunst liebte. Sie wollte an ihre Staffelei und zu Adonis. Ihre Wangen brannten vor Zorn, aber sie schwieg. Karrie würde Jody jedes Wort weitererzählen, und die Folgen davon kannte sie nur zu gut.
 

Wer ist dieser Typ? fragte sie sich, während sie an Adonis dachte.
 

Warum fasziniert er mich so?
 

"Nun, niemand scheint todtraurig zu sein, dass heute nicht an den Projekten gearbeitet wird", sagte Miss Killen. "Dann gehen wir hinunter in den Vorführsaal und lernen ein bisschen mehr über van Gogh. Nehmt eure Sachen mit. Der Film wird fast bis zur Pause dauern. Wir haben dann nur noch ein paar Minuten, um zu diskutieren, was wir gesehen haben."
 

Kim war nahe daran, sich zu beschweren. Sie hatte sich fest vorgenommen, heute mit Farben auf der Leinwand zu beginnen. Sie verstand natürlich, dass Miss Killen den Film nicht vorgeschlagen hatte, um sie zu ärgern. Trotzdem war sie aufgewühlt und wütend.
 

"Geht schon vor. Wir treffen uns im Vorführsaal."
 

Während die Schüler langsam hinausgingen, hielt Miss Killen Kim zurück. "Warte mal einen Moment."
 

"Ja", antwortete Kim düster. Wahrscheinlich brauchte die Lehrerin jemanden, der ihr half, Material nach unten zu tragen.
 

Sie wurde total überrascht, als Miss Killen fragte: "Warum bleibst du nicht hier und arbeitest an deinem Bild, Kim? Du bist die einzige talentierte Schülerin in der Klasse. Und ich merke doch, dass du kein Interesse an dem Film hast."
 

Kim war vor Freude außer sich, versuchte aber, es nicht zu deutlich zu zeigen.
 

"Du möchtest doch bleiben, oder?" fragte Miss Killen lächelnd.
 

Kim beschloss, ehrlich zu sein. "Oh ja. Furchtbar gern!"
 

"Gut. Räume bitte alles auf, wenn du fertig bist. Wir sehen uns morgen früh."
 

Kaum war Kim allein, lief sie zu der verdeckten Leinwand. Sie konnte es selber nicht fassen, aber ihr Herz klopfte wie wild, während sie das Tuch abnahm. Ihr Herzschlag setzte fast aus, als sie sein Gesicht endlich wiedersah. Er war so unglaublich attraktiv!
 

Habe ich dich wirklich gezeichnet?
 

Adonis Lippen verzogen sich zu einem zärtlichen Lächeln.
 

Was geht hier vor? fragte Kim sich mit klopfendem Herzen. Wer bist du, Adonis?
 

Aber er schien nicht bereit zu sprechen.
 

Noch nicht.



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