Gedanken eines depressiven Kindes
Kapitel 21
Ich bin wieder bei meinem Großvater. An einen Ort wo ich nicht mehr sein wollte. Wo ich nicht mehr
sein sollte. Das Zimmer ist mir egal. Ich habe es mir angesehen. Es ist typisch eingerichtet. Jetzt
wandere ich wieder herum. Ich kann nicht schlafen. Draußen ist schon längst wieder die Nacht
angebrochen. Tausende von Sternen erleuchtenden den Himmel, aber sie können mir keinen Trost
spenden. Sie haben mich immer im Stich gelassen. Ich gehe zu meinem Schreibtisch. Er gehört nicht
mir. Nichts in diesem Zimmer gehört mir. Die meisten Sachen sind in meiner Wohnung oder bei meinen
Eltern. Ich muss bei den Gedanken lächeln. Es muss sehr bitter aussehen. Aber etwas anders bekomme
ich nicht zustande. Sie haben mich vielleicht auf die Welt gesetzt aber sie hätten es nicht tun sollen. Sie
hätten sich mir und ihnen viel Leid und kummer erspart. Meine Mutter die nicht der Ansicht ist das ich
mein Glück in Klavierspiel finde, und mein Vater der mich hasst und verachtet. Ich weiß nicht warum er
mich hasst. Was habe ich ihm getan? Vielleicht liegt meine Schuld darin das ich geboren worden bin.
Ich verlasse mein Zimmer und gehe in die Bibliothek. Dort stehen nicht nur viele Bücher sonder auch
ein Klavier. Ich weiß noch als Kind habe ich es abwechselnd gehasst und geliebt. Ich habe es geliebt,
wenn mich meine Mutter dafür geliebt hat, und ich habe es gehasst, wenn mein Großvater mich dafür
gehasst hat. Ich lasse mich auf den Hocker vor dem Instrument sinken und hebe den Deckel. Ich weiß
nicht wann ich zum Letzten Mal hier gespielt habe, aber es ist schon sehr lange her. Aber ich weiß das
dass Instrument gut gestimmt ist. Voltair ist nicht von meinem Spiel begeistert, aber er ist auch ein
Perfektionist. Solche Nachlässigkeit, würde er in seinem Haus niemals dulden. Ich lege meine Finger auf
die Tasten. Die Verbände die ich immer noch an meinen Armen tragen muss stören mich nicht. Ich
benötige keine Noten. Ich beginne langsam zögerlich, aber schließlich spiele ich doch ein ganze Stück.
Ich mache keine Fehler. Ich mache schon lange keine Fehler mehr, jedenfalls nicht bei solchen Dingen.
Ich schließe den Deckel wieder. Mein Gesicht spiegelt sich in dem glänzenden Holz. Ich bin immer noch
sehr blass. Aber es ist mir egal. Ich lege schon lange kein Wert mehr auf mein Äußres. Warum auch?! Ich
steh auf und verlasse das Zimmer.
Ich gehe wieder in mein Zimmer zurück. Das Fenster ist immer noch offen. Die Gitterstäbe sind feucht
vom Regen. Ich habe nicht mitbekommen das es Angefangen hat. Wieder strecke ich meine Hand aus.
Das Wasser fühlt sich kalt auf meiner Haut an. Ich bekomme eine Gänsehaut. Ich ziehe meine Hand
wieder zurück. Ich weiß das ich auf normalem Weg dieses Haus nicht verlassen kann. Aber ich muss
hier raus. Ich muss mir etwas einfallen lassen. Ich lege mich auf das Bett. Irgendwann bin ich denn auch
eingeschlafen.
Als ich am nächste Morgen aufgewacht bin, habe ich mich zum Fenster gedreht. Ich erinnere mich nicht
mehr an das was ich geträumt habe. Aber das ist egal. Träume sind es nicht wert das man über sie
nachdenkt. Man hat mir mein Frühstück auf mein Zimmer gebracht aber ich habe es nicht angefasst. Ich
möchte nicht essen. Ich möchte sterben. Aber sie können es nicht verstehen. Ich denke nicht das mich
irgendwer verstehen kann. Als ich bei meinen Eltern weggefahren bin, habe ich Ray gesehen. Ich habe
mich kurz gefragt, warum er gekommen ist. Wegen mir? Ich schüttele den Kopf. Es hat sich noch nie
jemand sorgen um mich gemacht. Warum auch. Und wenn schon, ich brauche ihre Fürsorge nicht! Ich
brauche einen Plan. Und ich weiß auch schon was ich tun werde. Morgen ist mein Großvater nicht im
Haus. Das heißt das Personal wird nicht so vorsichtig sein, wie sonst. Das wird mein Chance. Und
niemand wird mich aufhalten.
Der restlich Tag verlief ruhig. Man hat mir etwas zu lesen gebracht, aber ich habe es nicht einmal
angesehen. Die meiste Zeit bin ich auf dem Bett gelegen und habe Nachgedacht. Schließlich ist wieder
die Dunkelheit hereingebrochen. Ich hätte mir ein paar Kerzen gewünscht, aber ich hätte sie nicht
bekommen. Mein großvater hätte sich sorgen gemacht, das ich irgendetwas anzünde. Ansicht wäre das
gar keine schlechte Idee. Schade nur das er darauf gekommen ist. In der Villa ist es wieder ruhig
geworden. Nur ich konnte nicht schlafen. Gefangen in der Dunkelheit, sehne ich mich nach einem Licht.
Aber ich weiß das es in meinem Leben nie ein Licht geben wird. Ich weiß das es in meinem Leben nie
Liebe geben wird. Früher war ich darüber verzweifelt, ich wollte geliebt werden, koste es was es wolle.
Ich habe alles getan, aber sie haben mich trotzdem nie geliebt. Inzwischen macht es mir nichts mehr
aus. Denn ich weiß das es bald ein Ende haben wird.