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STARRE

von

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Krampe

Mir wurde schnell klar, dass es in der Strafanstalt eine strenge Hierarchie unter den Insassen gab. Wenn man hier gut durchkommen will, muss man sich der richtigen Gruppierung anschließen. Und bei Mick und seiner Gang war ich ganz oben mit dabei. Doch mir sollte schon bald klar werden, dass an diesem Ort die Insassen nicht das größte Problem waren. Es gab viel schlimmer Dinge, vor denen man Angst haben musste...
 

Ich musste noch ein Jahr die Schule besuchen, um hier meinen Hauptschulabschluss zu machen. Somit war ich mit Mick in einer Klasse. Ich meldete mich aber schon für das zweite Jahr an, um dann weiter eine Ausbildung zum Metallbauer zu machen. Nach unserem unglücklichen Start hatten wir uns schnell angefreundet. Das Lernen machte mir viel Spaß und war eine gute Abwechslung zu dem eintönigen Alltag der Strafanstalt. Aber mein besonderer Höhepunkt waren die Telefonate mit Luca. Ich durfte jede Woche drei Stunden telefonieren und auch wenn ich gerne mit meinen Geschwistern redete, telefonierte ich die meiste Zeit mit ihm. Weil ich viel Zeit mit Mick verbrachte und er so immer mitbekam, wenn ich mich zum Telefonieren mit Luca zurückzog, machte er sich schon bald über die „Freundschaft“ von uns lustig. Er sagte immer sowas wie: „Ohh, gehst du wieder mit deinem Engelchen telefonieren“, und ich winkte das dann immer lachend ab. Die anderen sprangen direkt darauf an und nannten Luca nur noch „Engel“. Sie ahnten ja nicht, dass wir wirklich ein Paar waren. Doch ich fragte mich immer wieder, was aus meiner Gefängniszeit werden würde, wenn die Jungs wüssten, dass ich homosexuell bin. Also behielt ich das besser erstmal für mich. Ich stand zwar eigentlich offen zu meiner Sexualität, aber so Sachen, wie mit einem Homosexuellen zu duschen, fänden die anderen bestimmt unangenehm.
 

In meiner zweiten Woche wurde ich auf einmal zu einem Wärter ins Büro gerufen. Ich wusste nicht, was ich verbrochen haben sollte und ging nachdenklich zu seinem Büro. Als ich die Tür öffnete, saß der Wachmann hinter seinem Schreibtisch und befahl mir, die Tür zu schließen. Es war der Wärter von meinem ersten Aufeinandertreffen mit Mick, Krampe. Zu diesem Zeitpunkt war mir direkt klar, dass mit dem Kerl nicht gut Kirschen essen ist. Und als ich ein paar Tage später Mick nach ihm gefragt hatte, bestätigte er meine Vermutung. Seiner Meinung nach war Krampe ein machtgeiler Narzisst, der seine Wut an Jugendlichen ausließ, um sich für was Besseres zu halten. Also genau der Typ Mensch, mit dem ich nicht alleine in einem Raum sein wollte. Außerdem kam es mir so vor, als ob ein paar der Insassen auf den Boden schauten, wenn er sich näherte, oder schnellen Schrittes den Raum verließen, wenn er ihn betrat und heute sollte ich herausfinden wieso...
 

Dann stand er auf, ging an mir vorbei und schloss die Tür ab. Dann wandte er sich zu mir und sagte mit einer befehlenden Stimme: „Streck die Hände aus“. Ich war total perplex, weil ich keine Ahnung hatte was gerade passierte, doch er ließ mir keine Zeit zum Nachdenken und setzte nach: „Los, wird's bald, ich habe nicht den ganzen Tag Zeit, um mich um so einen Abschaum wie dich zu kümmern“. Dann tat ich, wie mir geheißen, immerhin wollte ich keinen Ärger mit einem Wärter haben. Und noch bevor ich wusste, wie mir geschah, hatte er mir Handschellen angelegt. Und sofort danach kam direkt wieder laut und befehlend: „Setz dich hin“. Das ging alles viel zu schnell, ich hatte einfach keine Zeit meine Gedanken zu sortieren. Doch da wollte ich nicht mitmachen, hier stimmte etwas ganz gewaltig nicht… Also blieb ich einfach stehen. Krampe bemerkte sofort, dass ich aufmüpfig war. Das muss wohl seine Erfahrung als Wärter gewesen sein. Denn er haute mir sofort mit dem Schlagstock in die rechte Kniekehle. Mein rechtes Bein beugte sich wie bei einem Reflex und ich fiel auf den Stuhl. Ich schaute voller Wut in sein Gesicht und erschrak, als ich seinen Blick sah. Er schaute mich lächelnd an und da wurde mir klar, mich so zu behandeln, gab ihm ein Gefühl der Genugtuung. Schlechter hätte meine Situation nicht sein können. Er leckte sich mit der Zunge über die Lippen und fragte dann gehässig: „War dein Engel heute schon zu Besuch?“. Natürlich kannte er die Antwort auf die Frage schon, aber ich schüttelte dennoch den Kopf. Ich entschied mich, besser zu machen, was der Irre sagt, nicht dass er noch völlig ausrasten würde. Nur um sicherzugehen, ihn auch ja nicht weiter zu provozieren, sagte ich sicherheitshalber noch: „Nein, heute war leider noch keine Besuchszeit“, auch wenn ich keine Ahnung hatte, worauf er hinaus wollte.
 

Noch während ich darüber nachdachte, legte er seine Hand auf mein Bein und kam mir so nah, dass ich riechen konnte, was er zu Mittag gegessen hatte. Dann flüsterte er in mein Ohr: „Wie willst du es haben, mein kleiner Vatermörder? Es gibt zwei Arten, wie das hier laufen kann. Entweder du verhältst dich weiter wie ein bockiges kleines Mädchen, was nur dazu führt, dass du uns noch für eine sehr, sehr lange Zeit erhalten bleiben wirst, oder du tust, was ich dir sage und dann könnte ich mich vielleicht sogar dazu herablassen, dafür zu Sorgen, dass du die Luft der Freiheit vielleicht schon ein wenig früher riechen kannst“, und dabei streichelte er mir langsam über den Oberschenkel. Ich musste schwer schlucken und wusste nicht, was ich darauf antworten sollte. Ich war wie paralysiert, völlig unfähig mich zu bewegen und kaum hatte ich kurz gezwinkert, küsste er mich gewaltsam. Ich weiß nicht, wie lange der Kuss andauerte, aber es kam mir wie eine Ewigkeit vor. Als es endlich vorbei war, holte er zwei Schachteln Zigaretten aus seiner Hosentasche und warf sie mit den Worten auf seinen Schreibtisch: „Hier mein kleiner Puppy, eine kleine Belohnung für dich und wo das herkommt, gibt es noch viel mehr“. Dann nahm er mir die Handschellen ab und schloss die Tür auf. Ich ließ die Zigaretten liegen und humpelte so schnell ich konnte zur Tür. Ich wollte jetzt nur weg von hier. Doch er hielt die Hand vor den Türrahmen, so das ich die Tür nicht öffnen konnte und sagte dann nachdrücklich: „Denk in Ruhe über meine Worte nach, bist du schlau, oder dumm?”. Anschließend öffnete er die Tür und ich rannte, so schnell es mit dem Bein eben ging, aus dem Büro und machte erst Halt, als ich in meiner Zelle angekommen war. Ich beugte mich keuchend über die Toilette und war kurz davor, mich zu übergeben, schaffte es dann aber doch noch, mich zu beruhigen.
 

Ich legte mich in mein Bett und atmete ein paar Mal tief durch. Als ich mich endlich ein wenig beruhigt hatte, dachte ich über das Geschehene nach und mir wurde eines klar: Mick hatte vollkommen recht, der Typ war nicht nur irre, sondern auch extrem machtgeil. Warum hatte er sonst erwähnt, dass ich ein Vatermörder sei, nur um Klarzustellen, dass er auch über mir, einem Mörder steht. Auch seine Bezeichnung als Hündchen passt da ganz gut ins Bild. Aber es ist noch viel mehr als das, es war das ganze verdammte Gespräch. So als wollte er mir sagen: „Du bist für mich nur ein kleiner Käfer und ich kann dich jederzeit zertreten!“. In diesem Moment lief mir ein Schauer über den Nacken und mir wurde eines klar, nämlich dass ich gar keine andere Wahl hatte, als sein Angebot vorerst anzunehmen. Denn es ist wie es ist, er ist ein Wärter und ich ein Insasse. Erst dachte ich, ich wäre durch die Sache mit Mick zu seinem neuen Ziel geworden, aber so langsam glaube ich, es liegt an meinem Verbrechen. So wie es den Typen anturnt, über anderen zu stehen, muss es ihn erst richtig geil machen, über mir, einem Mörder zu stehen. Aber was auch immer der Grund dafür war, eines stand fest, der Albtraum hatte gerade erst begonnen...



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