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366 Tage - 366 Geschichten

366 Tage Challenge 2024
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08.06.2024 - ruhig

"Du bist so ruhig. Ist alles okay?” Als Akira die Stimme seines besten Freundes Kouyou hörte, zuckte er kaum merklich zusammen. Er wandte seinen Blick in die Richtung des Brünetten und sah ihn fragend an.

“Ich habe dich gefragt, ob alles okay ist. Du bist so ruhig”, wiederholte Kouyou seine Worte und musterte den Blonden etwas.

“Bin ich das nicht immer?”, gab der Angesprochene zurück, woraufhin Kouyou kurz den Schultern zuckte. “Schon, aber heute bist du noch ruhiger als eh schon. Seitdem wir hier sind, hast du kein einziges Wort gesprochen und starrst schon seit Stunden in dein Bierglas, dass du nicht einmal bis zur Hälfte geleert hast”, antwortete der Brünette und deutete auf das Glas, dass vor seinem besten Freund auf dem Tisch stand.

Durch den stressigen Arbeitsalltag, den sie beide zu bewältigen hatten, waren sie in letzter Zeit kaum dazu gekommen, einfach mal ein Bier trinken zu gehen, aber dass Akira ihn die meiste Zeit über anschwieg, hatte er auch nicht unbedingt erwartet.

“Ist im Laden alles okay?”, hakte er deshalb auch nach und bekam sofort ein Nicken zurück. Während er in einem kleinen Café in der Nähe kellnerte und ab und an auch in der Küche stand, arbeitete Akira in einem Laden für Musikequipment in der Innenstadt. Im Café hatten sie sich vor etlichen Jahren auch kennengelernt und hatten sofort auf einer Wellenlänge gelegen.

“Es ist nur ..”, begann der Blonde nach ein paar Sekunden und drehte das Glas in seinen Händen, bevor er seinen Blick zu Kouyou hob. “Seit ein paar Tagen kommt jeden Tag um die selbe Uhrzeit ein junger Mann in den Laden. Er nimmt sich immer dieselbe Gitarre aus der Halterung und klimpert auf dieser herum. Er hat schwarze, schulterlange Haare und ein Piercing in der Unterlippe. Er bringt mich vollkommen durcheinander und ich würde ihn so gerne näher kennenlernen. Allerdings ist er nie länger als eine halbe Stunde da und verschwindet genauso wortlos, wie er gekommen ist. Ich habe schon versucht, ihn anzusprechen, aber es scheint, als würde er mich vollkommen ignorieren”, sprudelte es aus ihm heraus, während Kouyou ihm geduldig zuhörte. Wenn Akira schon einmal von sich aus redete, würde er ihn nicht unterbrechen und erst danach mit Ratschlägen um sich werfen.

“Er spielt so unglaublich gut und ich bin mir sicher, dass er kein Anfänger ist, aber wie soll ich denn mehr darüber erfahren, wenn er mich ignoriert”, fuhr er sofort und leerte das Bierglas nun doch in einem Zug, was Kouyou mit hochgezogener Augenbraue beobachtete.

“Vielleicht hört er dich nicht”, erwiderte er anschließend mit einem Schulterzucken, woraufhin Akira ihn verwirrt ansah. “Was meinst du damit?”

“Vielleicht ist er taub und kann dich nicht hören?”, mutmaßte der Brünette und diesmal zog Akira beide Augenbrauen gleichzeitig nach oben und sah ihn skeptisch an.

“Warum spielt er dann Gitarre, wenn er sie nicht hören kann?”, wollte er fragend wissen, auch wenn ihn der Gedanke daran tatsächlich nicht losließ.

Auch dann nicht, als er am nächsten Tag wieder im Laden hinter dem Tresen stand und regelrecht darauf wartete, dass der Schwarzhaarige das Geschäft betrat. Nervös trommelte er mit den Finger auf der Theke, während sein Blick immer mal wieder zur Tür huschte. Als sich diese öffnete und er den Schwarzhaarigen tatsächlich erblicken konnte, geriet sein Herz direkt aus dem Takt. Er folgte dem Größeren mit seinem Blick, als er wie selbstverständlich auf die Gitarre an der Wand zulief und sie aus der Halterung nahm. Er ließ sich auf einem Hocker in der Nähe nieder und zupfte an den Seiten, während Akira ihn nachdenklich beobachtete. Als ihm eine Idee kam, wie er den Schwarzhaarigen auf sich aufmerksam machen konnte, trat er hinter dem Tresen hervor und nahm sich einen Bass, der in der Nähe des Schwarzhaarigen stand. Er spielte selbst auch schon länger und beherrschte das Instrument ziemlich gut, sodass er schließlich neben dem Größeren stehen blieb und auf die beiden Instrumente deutete. Der Kopf des Schwarzhaarigen hob sich und er legte ihn fragend etwas schief.

“Du und ich? Gemeinsam?” Fragend, langsam und vor allem auch ruhig glitten die Worte des Blonden über seine Lippen und als er bemerkte, dass sein Gegenüber regelrecht an seinen Lippen hing, bestätigte sich Kouyous Vermutung fast wie von selbst. Der Schwarzhaarige konnte ihn tatsächlich nicht hören. Das knappe Nicken blieb Akira nicht verborgen und als erneut die ersten Töne erlangen, stimmte der Blonde in das Spiel mit ein.
 

Minutenlang gab er sich dem Spiel hin, passte sich dem Schwarzhaarigen an und war tatsächlich überrascht, wie gut sie miteinander harmonierten. Erst als der Größere seine Hände wieder von den Seiten zurückzog, hörte auch er auf zu spielen. Auf den Lippen seines Gegenübers lag ein Lächeln, bevor sich der Schwarzhaarige erhob und die Gitarre wieder in die Haltung an der Wand hängte. Er drehte sich zu dem Blonden um und Reita konnte sehen, dass er sich auf die Lippen biss. Die Geste hatte etwas Unschuldiges an sich und doch brachte sie Akira direkt wieder ein wenig aus dem Konzept. Er räusperte sich kurz und stellte den Bass ebenso an die Seite. Noch bevor er sich wieder umgedreht hatte, vernahm er aus den Augenwinkeln heraus eine Bewegung und zu seiner eigenen Enttäuschung bemerkte er, dass der Schwarzhaarige bereits wieder auf die Tür zulief.

“Warte!”, versuchte er ihn aufzuhalten und trat auf ihn zu, um dessen Hand zu ergreifen. Mit weit aufgerissenen Augen wirbelte der Größere zu ihm herum, starrte ihn regelrecht an. “Entschuldige”, glitt es sofort über Akiras Lippen, während er sein Gegenüber wieder losließ. Er wollte ihn nicht überfordern und hatte ihn schon lange nicht erschrecken wollen, aber er wollte ihn unbedingt näher kennenlernen.

Kurz überlegte er, bevor er sein Handy aus der Tasche zog und schnell ein paar Worte eintippte, bevor er es dem Größeren entgegen hielt. Dieser zögerte, griff aber dennoch nach dem Telefon und las, was der Blonde ihm geschrieben hatte.

//Du kannst mich nicht hören, oder?//, konnte der Schwarzhaarige lesen und im ersten Moment schüttelte er den Kopf.

//Ich bin taubstumm. Ich kann dich nicht hören, sondern nur von deinen Lippen ablesen. Ich kann vereinzelte Worte sprechen, aber in der Gegenwart von Fremden fällt es mir schwer.// schrieb der Schwarzhaarige zurück, wobei seine Finger förmlich über das Display des Telefons huschten. Mit einem verlegenen Lächeln hielt er es dem Blonden entgegen und konnte sehen, wie diesem regelrecht die Gesichtszüge entgleisten.

//Wieso spielst du dann Gitarre, wenn du sie nicht hören kannst? Und dann auch noch so gut?//, hakte er nach und reichte dem Schwarzhaarigen das Handy zurück. Das Lächeln, dass sich auf den Lippen seines Gegenübers bildete, sorgte direkt dafür, dass Akiras Herz ein weiteres Mal aus dem Takt geriet. Etwas durcheinander ließ er es zu, dass der Größere ihm das Handy wieder abnahm und erneut ein paar Worte tippte.

“Ich kann sie fühlen. Hier drin//, las Akira und als er seinen Blick wieder vom Handy hob, konnte er sehen, dass sich der Andere gegen die Brust tippte. Verstehend nickte der Blonde und ließ sich das Handy wieder aushändigen.

//Hast du Lust noch einmal gemeinsam mit mir zu spielen?//, schrieb er und konnte sehen, dass der Schwarzhaarige kurz zögerte, schließlich aber doch nickte und ihm das Handy wieder abnahm.

//Morgen, wieder hier?//, wollte er wissen und diesmal war es Reita, der nickte, nachdem er die einfachen drei Worte gelesen hatte. Sofort lächelte der Größere erneut und wandte sich anschließend zur Tür. Nach dem Öffnen der Tür hielt er inne und drehte sich zu dem Blonden um.

“Yuu, mein Name ist Yuu”, brachte er es mit etwas Anstrengung über die Lippen. Und auch, wenn er gar nicht danach gefragt hatte, war es für Akira das Schönste, was er heute bislang gehört hatte. Neben dem Gitarrenspiel, dass der Schwarzhaarige so verdammt gut beherrschte.

“Akira”, entgegnete er langsam und ruhig und konnte sehen, dass sich Yuus Lippen bewegten, um seinen Namen mitzusprechen.

“Bis .. morgen, Akira”, hörte er ihn anschließend erneut leise sagen, bevor der Schwarzhaarige verschwand und ihn alleine ließ. Mit dem Wissen, dass das vielleicht der Beginn einer wunderbaren Freundschaft sein könnte. Oder vielleicht eines Tages auch mehr. Wenn Yuu ihn denn ließ.



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