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Der Mistelzweig

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Vorwort zu diesem Kapitel:
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Twilight konnte sich gar nicht mehr daran erinnern, wann er zuletzt wirklich Weihnachten gefeiert hatte. Wahrscheinlich irgendwann in seiner Kindheit, vor dem Krieg. Seitdem war er nur im Zuge von Missionen damit in Berührung gekommen.

Auch dieses Jahr war der einzige Grund, warum er sich die Mühe machte, die Wohnung zu schmücken, Geschenke zu kaufen und einen weihnachtlichen Pullover (rot mit einem grünen Weihnachtsbaum darauf) zu tragen, wegen einer Mission.

Doch – und das war etwas, das er sich versuchte, auszureden – fühlte es sich anders an. Als er durch die Läden gestreift war, um etwas Passendes für Anya zu finden oder überlegte, ob es unpassend wäre, Yor Schmuck zu kaufen, hatte er vergessen, dass es sich dabei gar nicht um seine echte Familie handelte.

Er hatte sogar ein Geweih für Bond entdeckt, dass dieser nun wie eine Krone glücklich auf dem Kopf trug. Vor allem zu Anyas großer Freude.

Wenn er sich dabei ertappte, dass er es vergessen hatte, um was es wirklich ging, beschwor er sich selbst, nicht den Fokus zu verlieren. Es ging nur darum, die Tarnung aufrecht zu erhalten. Um nichts anderes.

Nach außen hin waren sie eine normale Familie, die sich auf Weihnachten vorbereitete. Während Twilight gerade das Weihnachtsessen kochte – eine Gans mit Klößen und Blaukraut – war Yor so nett gewesen und hatte das Gassi gehen mit Bond übernommen. Anya hatte sie gleich mitgenommen, um ihm beim Kochen ein wenig Ruhe zu verschaffen.

Mittlerweile befand sich die Gans im Ofen und die Klöße waren gerollt. Er rührte gerade Gewürze in die Soße unter als es klingelte.

Twilight sah vom Kochtopf auf. Er legte den Kochlöffel zur Seite und ging zur Eingangstür. Wer mochte das am heutigen Tag sein? Ein feindlicher Spion, der die Gunst der Stunde nutzen wollte, um ihn zu überrumpeln? War seine Tarnung aufgeflogen?

Reiß dich zusammen, Twilight. Das ist sicher nur eine Nachbarin, die sich für die Plätzchen bedanken möchte, die wir verteilt haben oder eine Zutat benötigt, die ihr ausgegangen war.

Als er jedoch durch den Türspion spähte, stand Franky auf der anderen Seite.

Mit einem leisen Seufzen öffnete Twilight die Tür. Für eine Sekunde hatte er zwar noch überlegt, ihn einfach draußen stehen zu lassen, aber es war Weihnachten und Franky … nun einmal Franky.

Und als Franky ihn mit den Worten: „Fröhliche Weihnachten! Ich dachte, du könntest Unterstützung für heute gebrauchen“, begrüßte, fühlte Twilight sich bestätigt. Ähnlich wie er selbst, gab es in Frankys Leben niemanden, mit dem er zusammen hätte feiern können.

Kaum hatte Franky die Wohnung betreten, folgte er dem Duft, der aus der Küche kam.

„Zum Glück bin ich da. Das wäre doch nur für drei viel zu viel.“

„Yors Bruder kommt auch“, erwiderte Twilight. Dass er außerdem schon halb mit Frankys Erscheinen gerechnet hatte, sparte er sich allerdings.

„Ah. Verstehe. Umso besser, dass ich da bin.“

„Sicher. Anya wird sich freuen, dass sie jemanden zum Spielen hat.“ Twilight lehnte gegen den Türrahmen zur Küche und beobachtete Franky ausdruckslos wie dieser begierig die Gans betrachtete. Nicht, dass ihm bereits Speichel aus dem Mund lief.

„Apropos. Wo sind der kleine Giftzwerg und deine Frau eigentlich?“ Franky sah endlich auf.

„Sie sind noch eine Runde mit Bond draußen.“
 

Die Wohnung der Familie Forger war zwar bereits seit dem ersten Advent vollständig geschmückt und seit drei Tagen stand nun auch der Weihnachtsbaum in einer Ecke des Wohnzimmers, aber Franky schien das anders zu sehen.

Die Girlanden, Schleifen und kleinen Figuren, die Twilight aufgestellt hatte, um es weihnachtlich winterlich zu gestalten, schienen wohl nicht ausreichend zu sein. Selbst die Fensterdeko aus Watte und einer kleinen Stadt darauf, missfiel Franky, der noch ein paar Engel und einen weiteren Baum hinzustellte. Woher er all diese Sachen hervorzauberte, wusste Twilight nicht, aber er hatte keine Nerven dafür, Franky von diesem Vorhaben abzuhalten.

Sollte er machen, was er wollte. In ein paar Tagen würde das Ganze sowieso wieder verschwinden – und Franky würde definitiv dabei helfen.

Das Einzige, bei dem Twilight kurz Anstalten machte, zu protestieren, war ein Mistelzweig, den Franky über die Tür der Küche aufhängte. Auf seinen halbherzigen Protest reagierte Franky damit, ein rot-goldenes Band darum zu einer Schleife zu binden.

Dann eben nicht. Wie hoch mochte überhaupt die Wahrscheinlichkeit sein, dass sich darunter zeitgleich zwei Personen widerfinden würden?

Nach Frankys Schmückaktion hatte Twilight gerade noch genügend Zeit, den Tisch zu decken, als die Eingangstür erneut aufging.

„Wuschelkopf“, hörte er Anya rufen und kurz darauf: „Oh, Franky. Schön dich zu sehen. Frohe Weihnachten“, von Yor.

Als Reaktion pustete Franky in eine Tröte und kurz darauf er tönte ein schiefes Konzert. Anscheinend hatte er Anya ebenfalls eine übergeben.

Twilight schloss die Augen und atmete tief durch. Das würde ein anstrengender Abend werden.

„Hallo Loid.“ Yor trat zu ihm an den Esstisch. Ihre Wangen waren von der Kälte gerötet. Automatisch begann er zu lächeln. Es war ein wenig angsteinflößend wie natürlich er mittlerweile auf sie reagierte. Er musste sich selbst nicht mehr daran erinnern, zu schauspielern.

„Yor. Schön, dass ihr wieder da seid. Das Essen ist in gut einer halben Stunde fertig. Denkst du, Yuri schafft es rechtzeitig?“

Nicht, dass er besonders erpicht auf seinen Schwager gewesen wäre, aber er wusste, was es Yor bedeutete und vielleicht würde er bei dieser Gelegenheit auch ein paar neue Infos aus Yuri herauszubekommen.

Yor warf einen Blick auf die Uhr.

„Er sollte eigentlich jeden Moment hier sein.“

„Gut. Dann kann ich die Klöße ins Wasser geben.“

Die nächsten Minuten verliefen genauso wie Twilight sich den Weihnachtsabend vorgestellt hatte. Er stand in der Küche und kümmerte sich um die letzten Details des Weihnachtsessens. Yor war mit Bond im Badezimmer, der vom Spaziergang im Nasskalten schmutzig geworden war und wusch ihn gründlich ab, damit er keine weiteren Dreckspuren in der Wohnung hinterließ.

Und Anya und Franky spielten zusammen im Wohnzimmer. Twilight wartete darauf, dass es scheppern würde, weil einer von beiden gegen den Baum oder den Adventskranz rannte. Da er allerdings wusste, dass er Anya anders nicht beschäftigten konnte, ging er das Risiko ein. Und Franky passte hoffentlich auf seine eigen errichteten Dekorationen auf.

Es klingelte und Twilight legte einmal mehr seinen Kochlöffel zur Seite und ging zur Tür.

„Hallo Schwe- oh, du bist es“, wurde er von Yuri begrüßt, der seine vor Freude hochgestreckten Arme sofort sinken ließ.

Twilight setzte sein bestes freundliches Lächeln auf und ging einen Schritt zur Seite, um Yuri die Möglichkeit zu geben, die Wohnung zu betreten.

„Schön, dass du es geschafft hast. Das bedeutet Yor wirklich viel. Und frohe Weihnachten.“ Einfach nicht auf Yuris spitze Kommentare eingehen.
 

Es hatte noch einiges an Twilights Nerven gekostet, bis endlich alles am Tisch stand und auch jeder Platz genommen hatte. Er war Anya nicht zu bremsen gewesen, dann hatte Yuri unbedingt Yor direkt sein riesiges Weihnachtsgeschenk überreichen müssen, das sie natürlich auch sofort hatte auspacken müssen.

Twilight hatte zwar darauf hingewiesen, dass sie die Geschenke bis zur Bescherung unter dem Baum sammelten, aber das war Yuri herzlich egal und Yor unangenehm gewesen.

Um endlich damit durch zu sein, hatte sie es schließlich doch geöffnet. Es war ein Koffer gefüllt mit neuer Kleidung und zwei Paar Schuhe gewesen.

Twilight, der die Gans geschnitten und auf den Tellern verteilt hatte und somit als Letzter saß, schnitt gerade in sein Stück Fleisch, als Anya plötzlich rief: „Anya zündet noch die Kerzen an!“

Sie hielt schon die geöffnete Streichholzschachtel in der Hand als Twilight sie gerade noch rechtzeitig erreichte. Dieses Kind würde ihn irgendwann noch ins Grab bringen.

Er hob sie hoch und blickte sie böse an.

„Wie oft muss ich dir noch sagen, dass man mit Feuer nicht spielt?“

Sie sah ihn mit großen Augen an, bevor sich Tränen in ihren Augen sammelten.

„A-aber … das gehört doch zu… zu Weihnachten dazu“, schluchzte sie und begann zu weinen.

Twilight seufzte und setzte sie wieder auf dem Boden ab. Zur Sicherheit aller hatte er eigentlich beschlossen, heute kein offenes Feuer in der Wohnung zu entfachen. Noch bevor Franky aufgetaucht war, hatte Twilight daran gezweifelt, dass das eine sichere Sache sei. Neben Anyas Drang beim Spielen mit Bond alles umzuwerfen, was ihr im Weg stand – weshalb die Kerzen auch nur an den Sonntagen während des Frühstückens gebrannt hatten – war er sich nicht sicher gewesen, ob Yuri und Yor Alkohol konsumieren würden.

Und die beiden waren im betrunkenen Zustand eine viel größere Gefahr als Anya.

„Na gut. Aber nur bis wir vom Tisch wieder aufstehen.“ Anyas Augen begannen zu strahlen und sie sah Twilight aufgeregt dabei zu, wie er einen Docht nach dem anderen entzündete.

„So schön“, flüsterte sie und betrachtete die brennenden Kerzen einen Moment ehrwürdig. Twilight fragte sich, ob Anya im Waisenhaus jemals in den Genuss eines Adventskranzes gekommen oder dieser ihr erster war.

Bei dem Gedanken machte sich eine kaum spürbare Traurigkeit in ihm breit. Um darüber nicht länger nachdenken zu müssen, scheuchte er seine Tochter wieder zum Tisch, damit sie endlich anfangen konnten zu essen. Immerhin warteten die anderen drei auf sie.

„Das schmeckt großartig“, sagte Franky, kaum hatte er den ersten Bissen hinuntergeschluckt und Yor stimmte ihm begeistert zu.

„Papa ist ein Superkoch“, bestätigte Anya und nahm ein viel zu großes Stück Klos in den Mund. Sie sah aus wie ein Eichhörnchen, dass seine Nüsse in den Backen verstaute, während sie begann zu kauen.

„Ja, es ist ganz gut. Allerdings hat Yor früher für uns jedes Jahr Fische gebraten“, warf Yuri ein, der seinen Teller bereits halb geleert hatte. Twilight nahm es als Kompliment auf.

„Ich wusste leider nicht, dass ihr sonst immer Fisch hattet“, sagte Twilight pflichtbewusst und sah nun zu Yor hinüber.

„D-das ist schon lange her. In den letzten Jahren haben wir meistens etwas bestellt.“

„Und es war genauso schön wie früher, Yor. Nur du und ich und ein hübsch geschmückter Baum.“

Ah ja, dachte Twilight. Er wusste, dass Yuri am Liebsten nur mit seiner Schwester den Abend verbracht hätte, aber da sie nun eine verheiratete Frau war, würde es seltsam wirken, wenn sie Mann und Kind allein zurücklassen würde.

Er wusste auch, dass Yuri über die Einladung nicht sonderlich erfreut gewesen war. Allerdings wäre die Alternative – ohne seine Schwester zu feiern – auch nicht in Frage gekommen.
 

„Puh, ich bin pappsatt“, sagte Franky schließlich. Er war der Letzte, der noch gegessen hatte. Anya, die bereits vor zehn Minuten mit dem Essen fertig gewesen war, rutschte schon seit geraumer Zeit auf ihrem Stuhl hin und her.

Twilight wusste, dass sie nichts lieber tun würde, als sofort zu den Geschenken unter dem Baum zu rennen, aber sie hatten sich darauf verständigt, erst zu essen, dann den Tisch abzuräumen und dann zur Bescherung überzugehen.

„Wenn ihr wollt, könnt ihr euch schon mal aufs Sofa setzen. Ich räume den Tisch ab“, bot Twilight, als guter Familienvater, der er nun einmal war, an.

Anya sprang sofort von ihrem Stuhl und rannte zum Sofa. Franky folgte ihr, sein Glas Bier in der Hand, während Yuri sitzen blieb, bis Yor damit fertig war, für Twilight die Teller zusammenzuräumen, während Twilight bereits die ersten Überbleibsel des Weihnachtsessens in die Küche trug.

„Ich puste schnell die Kerzen aus“, hörte er sie sagen, doch als er keine dreißig Sekunden später, die Küche wieder verlassen wollte, um den restlichen Gänsebraten zu holen, stieß er im Türrahmen beinahe mit ihr zusammen. Sie hielt das benutze Geschirr in ihren Händen.

Twilight konnte nicht sagen, wieso, aber instinktiv sah er nach oben zu diesem verdammten Mistelzweig, den Franky aufgehängt hatte.

„Entschuldige Loid. Yuri hat mir die Kerzen abgenommen und ich … ich dachte …“ Sie folgte seinem Blick, während sie sprach und verstummte schließlich.

Twilight hatte gewusst, er würde es noch bereuen, Franky nicht vom Aufhängen des Mistelzweigs abgehalten zu haben. Sie sahen beide gleichzeitig wieder vom Zweig weg und sich somit dummerweise direkt in die Augen.

Yor starte ihn völlig entsetzt an. Er schluckte. Das waren nicht die Augen einer Frau, die versuchte herauszufinden, ob ihr Fake-Ehemann sie küssen wollte.

Bei diesem Gedanken wanderte sein Blick für eine Hundertstel Sekunde zu ihren Lippen und er fragte sich, nach was sie wohl schmecken mochten.

Reiß dich zusammen, Twilight. Außerdem würden sie wahrscheinlich nach dem Essen von gerade schmecken.

„Haha. Ich denke wir sollten weiter abräumen, nicht wahr?“ Bevor noch jemand bemerkte, in welcher Situation sie sich gerade befanden. Nicht, dass er viel auf diesen Brauch gab, aber irgendwie … fühlte es sich trotzdem seltsam an.

Außerdem konnte er auf Frankys dumme Kommentare und Yuris fehlgeleitete Eifersucht gut verzichten. Und was Anya von sich geben würde, wollte er gar nicht wissen. Ihre regelmäßigen Unterstellungen, er und Yor würden miteinander flirten oder sich küssen wollen, reichten vollkommen aus, um sich gewisse Vorstellungen über ihre Reaktion machen zu können.

„D-du hast Recht!“

Und wie von der Tarantel gestochen, floh Yor regelrecht zurück zum Esstisch – noch das Geschirr in ihren Händen.

Definitiv nicht das Verhalten einer Frau, die gerne ihren Fake-Ehemann küssen würde. Das Stechen in seiner Brust überging er.
 

Auch wenn beide versuchten, sich nichts anmerken zu lassen, musste Twilight doch recht schnell feststellen, dass sie sehr verkrampft miteinander umgingen. Yor konnte ihm kaum in die Augen schauen und als er ihr schließlich sein Geschenk überreichte, bekam sie gerade so ein Dankeschön heraus.

Das wiederrum blieb Yuri nicht verborgen, der Twilight selbstverständlich sofort zur Rede stellte.

„A-ach weißt du, Yor hat letztes Jahr von mir – immerhin war es unser erstes Jahr als Ehepaar – ein unverschämt übertriebenes Weihnachtsgeschenk bekommen. Also ehrlich gesagt mehrere. Ich glaube, deshalb hatte sie wohl ein wenig Panik, dass ich dieses Jahr wieder so über die Stränge schlage.“ Man merkte, dass er ein geübter Lügner war. Es klang zumindest plausibel genug für den Moment.

„Wie? Was hast du ihr denn bitte geschenkt, damit sie so reagiert?“ Ja, Yuri kaufte ihm diese Lüge definitiv ab. Leider sorgte sie allerdings dafür, dass er drauf und dran war, einen Wettbewerb aus ihren bisherigen Geschenken zu machen.

„Eine Handtasche, einen teuren Schal und ein Wochenende im Hotel für zwei.“ Das Dritte würde Yuri hoffentlich davon abhalten, weiter nachzufragen.

„W-was?! Ihr wart nur zu zweit im Hotel?“ Ja, würde es.

Yuri sah seine ältere Schwester, die noch immer Twilights ungeöffnete Geschenk in den Händen hielt mit großen Augen an.

„I-ist das wahr?“

Yor brauchte eine Sekunde, doch dann sagte sie völlig trocken: „Natürlich. Wir sind immerhin verheiratet.“

Twilight hatte befürchtet, sie würde ins Stottern verfallen und anfangen irgendeinen Unsinn von sich zu geben. Aber zu seinem Glück schien ihr Drang, ihre Scheinehe vor ihrem Bruder geheimzuhalten, größer zu sein als ihre Scham.

Yuri ließ sich geschlagen auf das Sofa fallen.

„Mama, du musst das Geschenk aufmachen. Sonst kannst du Anyas gar nicht öffnen.“ Ihre Tochter saß zwischen einem Spionagekasten, mehreren Packungen Erdnüssen und ein paar Schachteln mit Kleidern, die Yor für sie ausgesucht hatte.

„Oh, entschuldigt bitte.“

Yors Finger zitterten ein wenig, als sie das silberne Geschenkpapier löste und zum Vorschein kam eine schmale, rote Schachtel.

Zu Twilights großem Glück war Yuri noch immer abwesend, sodass er nicht mitbekam wie ihr die Schachtel vor lauter Zittern beinahe aus den Händen fiel.

„Oh“, flüsterte sie, als sie den Deckel geöffnet und den Inhalt entdeckt hatte. Sie sah auf und sah Twilight mit großen Augen, die definitiv Überraschung ausdrückten, an.

„Ich hoffe, sie gefällt dir.“ Twilight schenkte ihr ein liebevolles Lächeln, das ihm viel zu einfach fiel.

„Sie ist wunderschön“, erwiderte Yor und strahlte ihn nun an.

Twilight wusste nicht, wie lange sie sich wohl in die Augen geblickt hätten, wenn Anya nicht aufgesprungen und zu Yor hingelaufen wäre, um herauszufinden, was sich in der Schachtel befindet.

„Da ist ja ein Foto von uns. Und vom Onkel auch.“

Twilight hatte eine goldene Kette mit einem herzförmigen Anhänger gefunden, in dem man kleine Fotos stecken konnte. Er war sich sicher gewesen, dass Yor sich vor allem über die Fotos freuen würde.

„Nicht schlecht“, stimmte auch Franky zu. Leider schienen diese Reaktionen Yuri neues Leben einzuhauchen. Er sprang auf und war mit drei Schritten bei seiner Schwester, um ebenfalls in die Schachtel blicken zu können.

„Wie … wie kitschig!“, rief er und drehte sich zu Twilight. „Das halt ich nicht aus Loidie.“ Und dann tat er das, was er immer tat, wenn ihm Twilights gespielte Zuneigung zu Yor zu viel wurde. Er rannte aus der Wohnung.

Oh man.

„Yuri!“, rief ihm Yor hinterher. „Du hast deine Geschenke noch gar nicht ausgepackt.“

Keine Sekunde später stand er vor dem Weihnachtsbaum, packte die Tüte, auf der groß sein Name stand und stürmte erneut aus der Wohnung.

„Sei vorsichtig auf dem Heimweg! Es ist rutschig!“, rief Yor nun.

Es war wirklich erschreckend wie normal diese absurden Szenen für Twilight mittlerweile waren. Kopfschmerzen bekam er dennoch.
 

Yor hatte ihr Versprechen gehalten und keinen Tropfen Alkohol angerührt. Franky wiederrum lag nun schnarchend auf dem Sofa. Er hatte irgendwann seine mitgebrachte Glühweinflasche geöffnet und sie allein geleert. Warum, das konnte er wahrscheinlich nicht einmal selbst sagen.

Twilight hatte ihm schließlich eine Decke drübergelegt und würde ihm morgen wohl einen starken Kaffee zubereiten dürfen.

Der Abend war damit allerdings beendet gewesen. Anya war bereits vor zwei Stunden von Yor und Bond, der gleich bei ihr im Zimmer geblieben war, ins Bett gebracht worden und so wie Yor mittlerweile gähnte, würde es sowieso keinen Sinn mehr machen, das Schlafen gehen künstlich in die Länge zu ziehen.

Immerhin war es aber mittlerweile sowieso fast Mitternacht und sie hatten doch einige – mehr oder wenig – besinnliche Stunden miteinander verbringen können.

„Ich denke, wir sollten auch langsam ins Bett“, sagte Twilight. Die Turteltäubchentarnung, die er immer herrichtete, wenn er wusste, dass Yuri sie besuchen kam, musste er auch noch wegräumen.

„Ja.“ Yor streckte sich und ein lautes Gähnen verließ ihre Kehle.

Sie erhoben sich vom Esstisch und Twilight löschte die Lichter am Weihnachtsbaum, indem er den Stecker der Lichterkette zog. Yor ging währenddessen bereits ins Badezimmer.

Da Twilight mittlerweile geübt im Auf- und Abbau ihrer Tarnung war, dauerte das Verräumen der Kissen und Fotos keine fünf Minuten und auch Yors Bett war mit ein paar Griffen neu überzogen.

Er trat gerade wieder auf den Gang, als Yor aus dem Badezimmer kam und ihm entgegenlief.

„Vielen Dank für dieses schöne Weihnachtsfest“, sagte sie und lächelte ihn an.

„Ich muss mich bedanken. Anya hat es unglaublich gut gefallen und das verdanke ich vor allem dir.“

„A-ach was. Du hast doch die meiste Arbeit gemacht.“

Twilight hatte ihr ein Kompliment machen wollen, doch anscheinend waren seine Worte der Grund, warum sie nun bedrückt zur Seite blickte.

„Ich kann noch immer nicht kochen, das Dekorieren musste ich dir überlassen und sonderlich kreativ im Kaufen von Geschenken war ich auch nicht.“ Sie hatte ihm einen neuen Hut und Krawattennadel geschenkt.

„Dafür hast du dich um Bond gekümmert und im Vorfeld die Wohnung geputzt. Außerdem gefallen mir der Hut und die Nadel sehr gut. Ich würde sogar sagen, du hast ein gutes Händchen für die richtigen Geschenke. Anya war auch sofort in ihre neuen Kleider verliebt.“

Yor starrte ihn einen Moment mit offenem Mund an, bevor sich ihre Lippen endlich wieder zu einem Lächeln verzogen. „Danke. Du weißt einfach immer, was du sagen musst.“

Twilight wurde bei diesen Worten ein wenig rot, überspielte diese Gefühlsregung aber damit, in dem er darauf erwiderte: „Dafür ist ein Ehemann schließlich da. Und als Ehemann sage ich auch, dass du ins Bett gehen solltest. Es war ein langer Tag.“

„Du hast recht. Gute Nacht, Loid. Und nochmal vielen Dank für alles.“

„G…“ Twilight räusperte sich. Yor schaffte es viel zu leicht, ihn aus dem Konzept zu bringen. „Gern. Und dir auch eine gute Nacht.“

Da sie nichts mehr sagte, drehte er sich um und ging in Richtung seines eigenen Zimmers. Er war allerdings erst gut drei Meter weit gekommen, als er nochmals ihre Stimme vernahm.

„L-loid?“

Twilight drehte sich zu Yor, die mit verknoteten Fingern vor ihm stand und gen Boden blickte.

„Ja?“

Sie stotterte etwas Unverständliches, stoppte und kam auf ihn zu. Ihr Blick hob sich und sie sah ihn nun mit einer solchen Entschlossenheit an, dass Twilight nicht wusste, wie er darauf reagieren sollte. Hätte sie ihn töten wollen, sie hätte in diesem Moment viel zu leichtes Spiel mit ihm gehabt.

„Y-yor?“, brachte er gerade noch heraus. Doch sie reagierte nicht. Im Gegenteil sie verkleinerte ihren Abstand so weit wie möglich.

Twilight bildete sich noch ein, sie „Ich schaff das“ sagen zu hören, bevor er plötzlich etwas auf seinen Lippen spürte.

Yors Lippen. Auf seinen.

Er erstarrte und konnte auch nicht reagieren als sie sich wieder von ihm löste und mit einem entschlossenen Nicken und geballten Fäusten vor ihm stand. Dass ihre Wangen tiefrot waren, half seiner aktuellen Situation noch weniger.

„Ich gebe mein Bestes“, sagte sie noch und eilte dann zurück in ihr Zimmer.

Twilight ließ sie in eine Salzsäule verwandelt zurück.

Was zum …?



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  fallenmarie
2024-04-26T18:21:34+00:00 26.04.2024 20:21
Awww!
Du hast Yuri echt sehr gut getroffen! XD
Ansonsten echt süß geschrieben c:
Von:  Boahencock-
2024-01-24T05:44:10+00:00 24.01.2024 06:44
Gurdmorng

Na das kann was werden wenn Yuri aufkreutzt, denn seine Schwester ist das wichtigste für ihn.

Oh ja wenn Yor was trinkt dann kann alles pasieren.

Küssen oder nicht küssen das ist hier die Frage?

Yuri hats in sich wenn er damit nicht um gehen kann und jedes mal aus der Wohnung rent.

Yor hat wassssssssss ihn geküsst
Was ist den in sie gefahren.

Was für ein Herliche Geschichte.

😼😉😼
Antwort von:  Goetterspeise
16.02.2024 20:40
Und alle guten Dinge sind wohl drei :D
Auch für diesen lieben Kommentar bedanke ich mich ganz herzlich.
Dass Yor die Initiative ergriffen hat, ist ein bisschen der Tatsache geschuldet, dass es mal vorangehen muss, meiner Meinung nach XD

:)


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