Zum Inhalt der Seite

Seasons of life.

If it's meant to happen, it will.
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Time flies by.


 

early summer

Ihr Vorhaben schien simpel: Die Begegnung mit Robin sollte als eine angenehme Erinnerung abgespeichert werden. Diesen Entschluss hatte Nami gefasst, als das Taxi verschwand und sie die Karte betrachtete. Eigentlich hätte sie diese sofort entsorgen müssen, aber stattdessen steckte sie sie ein und kehrte in die Unterkunft zurück.

Nach einer schnellen Erfrischung begab sie sich in einen der Pubs, um den Abend entspannt ausklingen zu lassen. Was zunächst wie ein einfacher Flirt begann, entwickelte sich rasch zu einem netten One-Night-Stand – etwas, das sie nach dieser, noch immer unwirklichen, Begegnung gebraucht hatte. Die kalte Dusche und die Drinks hatten nicht die Wirkung erzielt, sich mit einer Unbekannten amüsieren, schon eher. Danach war sie schnell verschwunden. Der nächste Tag wartete mit den letzten Punkten, die sie unbedingt vor der Rückreise noch abhaken wollte.

Seither waren ein paar Tage vergangen und Nami zurück im Alltag. Als sie schließlich nach einer ausgiebigen Dusche auf ihrem Balkon saß, konnte sie den Blick über die beleuchteten Straßen schweifen lassen. Der Donnerstagabend war mild, und die Lichter glitzerten wie funkelnde Juwelen. Wie so oft kreisten ihre Gedanken nicht um die Schönheit der klaren Nacht, sondern um die Erinnerung an Robin. Die Visitenkarte hatte Nami nie weggeworfen und ihr war klar, dass das Hauptproblem in der unverkennbaren Anziehung zwischen ihnen lag.

Ein schwerer Seufzer entwich ihr, und sie biss nachdenklich auf ihre Lippe. Nami hatte verdeutlicht, dass es für sie am Ende nur um das Körperliche ging, es würde nie eine andere Basis geben, außer man entwickelte eine reine Freundschaft. Warum also diese quälenden Gedanken? Lag es daran, wie locker und unterhaltsam ihre Gespräche waren und an den unbekannten Emotionen?

»Vielleicht ist es das Beste«, nuschelte sie in ihre Teetasse. Anstatt sich weiterhin im Kreis zu drehen, griff sie nach ihrem Handy. Sie beschloss, den Mut aufzubringen, und es einfach zu tun. Hatte sie Glück, würde sich alles von allein klären. Eine andere Umgebung führte oft dazu, dass man Dinge in einem anderen Licht sah. Gut möglich, dass die Faszination einfach der Situation geschult war. Ein Urlaubsfeeling, aber zurück in der Heimat, im Alltag, wurde alles in ein anderes Licht erstrahlt.

Langsam wählte sie die Nummer und wartete mit klopfendem Herzen, bis sie die vertraute Stimme hörte: »Nikolaeva.«

»Hey, mir ist nach etwas Unterhaltung zumute. Störe ich dich?«, sagte sie und erntete ein sanftes Lachen als Antwort. Ihr Herz schlug schneller.

»Ich habe mich schon gefragt, wann du dich meldest.« Vielleicht war es ein Risiko, vielleicht nicht, aber in diesem Moment entschied sich Nami dafür, den Gedanken loszulassen, um dem Gespräch eine Chance zu geben.
 

Nach einem langen und anstrengenden Tag erreichte Nami endlich ihre gemütliche Wohnung. Der Himmel hatte sich bereits in ein sanftes Abendrot getaucht, das von ein paar Wolken durchbrochen wurde, als sie die Türe öffnete und den vertrauten Geruch ihrer eigenen vier Wände einatmete.

Erschöpft sehnte sie sich nach Entspannung und Erholung.

Im Flur legte sie ihre Tasche ab und schlüpfte aus den Schuhen, während sie den Weg ins Wohnzimmer einschlug. Das warme Licht der untergehenden Sonne warf weiche Schatten auf die Wände und tauchte den Raum in eine behagliche Atmosphäre. Mit einem erleichterten Seufzen ließ sie sich auf das weiche Sofa fallen, das sie wie eine Umarmung empfing.

Kaum hatte sie sich niedergelassen, vibrierte ihr Handy. Eine Nachricht von Robin leuchtete auf dem Bildschirm auf. Sie schrieb, dass sie Ablenkung brauchte und fragte, ob sie vorbeikommen könnte. Nami lächelte bei den Worten und spürte, wie die Erschöpfung langsam von ihr abfiel. Mit flinken Fingern tippte sie eine Antwort. Mit jedem geschrieben Wort stieg ihre Vorfreude und das Wohlgefühl in ihr.

Nachdem die Nachricht abgeschickt war, legte Nami das Handy behutsam beiseite und schloss für einen Moment die Augen. Ein zufriedenes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht, während sie sich auf den Abend freute, der nun vielversprechend aussah. Da trat der Stress des Tages gleich in den Hintergrund.

Als eine weitere Nachricht kam, öffnete sie ihre Augen und stand langsam auf. Sie begab sich ins Badezimmer, wo sie eine erfrischende Dusche genoss, die ihren Körper belegte und alles andere fortspülte.

Ihr Blick fiel auf den Spiegel, und sie sah eine Veränderung in ihrem Gesichtsausdruck – ein Funkeln in den Augen und den Hauch von Vorfreude. Vor zwei Wochen hatte sie die richtige Entscheidung getroffen und seither wusste Robin, wie sie ihren Tag versüßen konnte. In dieser Zeit hatten sie sich öfters getroffen, auch schon mal tagsüber auf einen Kaffee oder letztens zum Shoppen.

Nami hatte aufgehört sich den Kopf zu zerbrechen, stattdessen genoss sie die Stunden in vollen Zügen und es tat ihr überraschend gut.
 

Freudig öffnete sie die Türe und starrte auf eine Tüte Essen, die Robin vor sich hochhielt. Nami blinzelte, ehe sie aufsah.

»Sag mir bitte, du hast Hunger«, begrüßte Robin mit einem breiten Lächeln. Namis Augen leuchteten. Wirklich gegessen hatte sie heute nicht.

»Du bist die Beste«, lachte sie und trat zur Seite. Sie spürte, wie ihr warm wurde und das nicht des Essens wegen.

Während Robin mit zwei Teller zum Sofa ging, nahm Nami eine Flasche Wein aus dem Regal und suchte nach dem Korkenzieher. Geschickt öffnete sie die Flasche und spürte den intensiven Duft ihres Lieblingsweines. Sie goss den dunkelroten Tropfen in zwei filigrane Weingläser, wobei ihr Blick immer wieder zu Robin glitt, die das mitgebrachte Sushi arrangierte.

In diesen Momenten fragte sich Nami wieder, ob sie irgendwann auf den Kopf gefallen war. Selbst kleine, eigentlich unsinnige Bewegungen, fand sie bei ihr anziehend.

Als die Gläser abgestellt wurden und sich Nami neben Robin niederließ, hielt ihr diese ein Paar Stäbchen entgegen.

»Also war auch dein Tag heute nicht das Wahre?«, wollte sie nun wissen, während sie die Stäbchen auspackte und auseinanderriss.

»Was denkst du, warum ich Ablenkung geschrieben habe?«, feixte Robin. Schnell hatte Nami herausgefunden, dass Robin in erster Linie für MOLA arbeitete. »Die Stücke bleiben verschollen.« Verstehend, nickte Nami. Darüber hatten sie letztens noch geschrieben. Eine Ausgrabungsstätte bereitete Kopfzerbrechen. Die Funde wurden zwar dokumentiert, aber ein paar waren vor dem Transport verschwunden. Nami konnte sich ausmalen, was das bedeutete. »Bei dir?«

Auf diese Frage hin, seufzte sie und tauchte ihr Maki gefrustet in die Sojasoße. »Gestern haben uns die Server Schwierigkeiten bereitet. Folglich sind Wetterstationen beeinträchtigt. Ein paar speisen fehlerhafte Daten ein. Drei verweigern die Abfrage. Und den ganzen Tag über durfte ich mir das Gejammere unserer Zicke anhören. Der Kerl raubt einem den letzten Nerv!«

Leise lachend griff Robin nach ihrem Glas und hob es zum Anstoßen. »Da haben wir uns den Feierabend verdient.«

»Das macht einiges wett«, stieß Nami an, wobei sie die Worte mehr in ihr Glas murmelte. Obwohl sie heute immer nur gehofft hatte, endlich nach Hause zu kommen und niemanden mehr sehen zu müssen, hatte Robin die Begabung diese Gedanken in den Hintergrund zu schieben. Dabei wäre alles anders gekommen, wäre sie ihrem Vorhaben treu geblieben. Sie war dankbar darüber, dass sich ihr Sturkopf nicht durchgesetzt hatte, sondern die Sehnsucht herauszufinden, was es mit ihnen auf sich hatte. Mit dieser sonderbaren Anziehung. Und dass sie nicht nur sexuell verstanden, sondern auch so miteinander reden und lachen konnten, war das beste Extra. Obwohl Nami nie näher mit ihren Bettgeschichten sein wollte, aber sie hatte schnell gemerkt, dass mit Robin nicht alles in gewohnter Manier ablief.

Das Gleichgewicht hatte sich nach zwei Treffen rasch verschoben.
 

Ein ohrenbetäubender Donnerschlag riss Nami aus dem Schlaf. Der Sturm, der draußen tobte, brachte heftigen Regen und grelle Blitze mit sich, die den Raum immer wieder in ein gespenstisches Licht tauchten.

Ihr Herz schlug wild in der Brust und sie brauchte ein paar Atemzüge, auch um das leichte Zittern abzuschütteln. Sie hasste nächtliche Unwetter. Dank dieser einen Nacht in ihrer Vergangenheit reagierte ihr Körper von allein. Dieser Punkt war der einzige, den sie all die Jahre nicht überwand, der sie jedes Mal daran erinnerte, obwohl sie ihr Leben ansonst ohne großen Kummer lebte.

Dann gewöhnten sich ihre Augen langsam an die Dunkelheit, und sie bemerkte auch eine sanfte Bewegung neben sich im Bett, die sie vorsichtig den Kopf drehen ließ. Robin lag neben ihr und schlief. Sie stockte. Sie waren tatsächlich eingeschlafen. Übernachten stand nie auf dem Plan, das hatten sie eigentlich mit Absicht vermieden. Dieses Mal hatte die Erschöpfung wohl einen Sieg errungen.

Der nächste Blitz erhellte das Zimmer und enthüllte Robins entspannte Züge, ihren gleichmäßigen Atem. Als wäre sie vom Sturm unberührt. Unweigerlich zuckten ihre Mundwinkel. Es war eine merkwürdige Situation, in der ihre Alarmglocken laut schrillen sollten. Das taten sie nicht. Stattdessen beobachtete sie Robin einfach und genoss die ausgehende Wärme. Nami fühlte sich überraschend ruhig, vielmehr geborgen. In den nächsten Minuten blieb sie einfach still liegen und beobachtete, während sie sogar die Versuchung spürte, näher zu rücken.

Ein Licht, ein tiefes hörbares und spürbares Grollen. Der Sturm war direkt über ihnen und wie ein Signal, das Robin aufwachen ließ. Leicht hob sie den Kopf, wirkte für einen Moment desorientiert, bis sie vermutlich realisierte. Wie Nami zuvor.

»Lästiger Sturm, was?«, murmelte sie und spürte eine leichte Unsicherheit. Nun stützte sich Robin am Unterarm ab, sah direkt zu ihr. Schlau wurde sie nicht daraus.

»Du hättest mich wecken sollen.«

»Wir sind beide eingeschlafen. Ich bin selbst durch einen Donner wach geworden.«

»Sieht gemütlich aus.« Robin schaute an ihr vorbei zum Fenster. Der Regen wurde vom Wind gegen die Scheibe gepeitscht.

»Denk lieber nicht ans Heimfahren«, neckte Nami, und fragte sich zeitgleich, ob ihr der Gedanke tatsächlich in den Sinn kam. Bisher hatten sie das eben partout vermieden. »Die Tagen haben uns beide zu schaffen gemacht.«

»Als ob du mich bei dem Wetter vor die Türe setzen würdest«, lachte Robin rau und rückte das Kissen zurecht.

»Kommt drauf an … fordere mich nicht heraus.«

»Ich habe dich verköstigt.«

»Ist kein Garant«, antwortete Nami gelassen, wobei ihr Blick zurück zum Sturm glitt. Der Zauber des Moments war vorbei. Während die andere schlief, hatte es sich federleicht angefühlt. Jetzt kroch die Unsicherheit zurück und der Grund für ihr Aufwachen.

»Wie lange bist du schon wach?«, fragte Robin leise.

»Seit er angefangen hat, schätze ich.« Keine Schätzung, eine Feststellung. Sobald der Sturm Fahrt aufnahm und der erste, stärkere Donner kam, wachte sie auf.

»Du magst sie nicht«, reimte Robin zusammen.

»So in der Art … aber dann wieder nicht.«

Einen Augenblick lang schwieg Robin und Nami dachte bereits, sie hatte ihre Antwort, aber dem war nicht so. »Was ist passiert?« Als würde sie verstehen, dass ein tiefer gehender Grund dahinter lag. Zögernd drehte sie den Kopf und als der Blitz kam, erkannte sie es nicht nur an Robins ernster Miene, sie erkannte es auch in ihren Augen.

»Meine Mutter starb in einer Nacht wie dieser. Bis heute wache ich bei einem stärkeren Unwetter automatisch auf.« Überraschend leicht kamen ihr die Worte über die Lippen. Dabei wussten nur drei Menschen Bescheid. Robin war jetzt der vierte. Eine spärliche Erklärung, aber bedeutend. Und dass sie Robin davon erzählte und sich wohl fühlte, ließ ihr Herz bis zum Hals schlagen. Warum war ihr Robin vertraut genug? Solche Informationen sollten sie nicht miteinander teilen. Hätte man über die Familie gesprochen, hätte sie den Tod ihrer Mutter erwähnt, aber nicht dieses Detail. Das ging über die Nähe hinaus, nach der sie eigentlich suchte.

Und doch kam Nami nicht drumherum, dass ihr genau diese Intimität zwischen ihnen, guttat, obwohl sie sie nicht haben sollte. Robin neben sich gab ihr eine unbekannte Geborgenheit, eine Sicherheit, dass sie alles erzählen könnte und genau dem wirkte das unschöne Gefühl, dass das zu einer anderen Sorte von Sturm führen konnte, entgegen. Genau das versuchte sie zu überspielen. »Bei dem Donner kann sowieso niemand schlafen.«

Robin akzeptierte augenscheinlich die knappe Erklärung, gab ihr dabei jedoch nicht das Gefühl, als läge es an einem möglichen Desinteresse. Eher strahlte sie aus, dass Robin ihr die Entscheidung überließ. Ob sie näher darauf eingehen wollte oder es eben ruhen ließ.

»Er lässt langsam nach. Wenn dir das Einschlafen Schwierigkeiten macht, könnte ich dir mit einem langweiligen Vortrag helfen.« Das war der Moment, in dem Nami lachen musste und das erdrückende Gefühl zurückdrängte.

»Erzähl, was hast du auf Lager?«
 

Langsam erwachte Nami in den Morgenstunden und streckte sich im Bett. Ein paar Sonnenstrahlen durchbrachen die Wolkendecke. Es dauerte bis sie wieder realisierte, was in der Nacht geschehen war und eilig zur Seite schaute. Neben ihr war das Bett leer, aber sie sollte nicht allein sein. Nicht heute. Außer Robin war wortlos gegangen. Ein Gedanke, der ihr nicht gefiel.

Sie spürte die verräterische Enttäuschung, obwohl es das Beste wäre und zur gewohnten Routine zurückführte. Um herauszufinden, was nun war, stand sie auf und zog sich eilig an. Aus dem Schrank holte sie ein einfaches Shirt, ihre Jogginghose lag noch auf der Kommode. Bequem brauchte sie jetzt.

Kaum trat sie aus dem Schlafzimmer, schon roch sie Kaffee. Es war nicht intensiv, aber er war da. Allein der Duft brachte ein Flattern und das Gefühl der Freude durchzuckte sie. Die Balkontüre stand offen und sie fand Robin mit der Kaffeetasse zeitungslesend vor. Ihre Haare waren zu einem lockeren Zopf gebunden, und ihr Profil zeigte wie vertieft sie den Artikel studierte. Dabei fiel ihr auch auf, wie spärlich ihre Bluse zugeknöpft war, die Ärmel zurückgekrempelt. Ein Anblick, der sich in ihre Erinnerung brannte. Es war das erste Mal, das sie Robin morgens bei sich hatte und es war erst der Anfang.

Das leichte Grinsen, das sie nun aufsetzte, ließ Nami eine Braue heben. Wurde sie bemerkt?

»Starrst du mich an, weil ich noch da bin oder weil du nicht anders kannst?«, wurde sie von der älteren aufgezogen. War sie ehrlich, war beides der Fall.

»Für einen Moment habe ich dir das zugetraut.« Die Zeitung sank und Robin lehnte den Kopf zur Seite, sah sie prüfend an.

»Denkst du so über mich?« Nami lehnte unschlüssig gegen die Sofalehne. In der Regel würde sie das glauben. Es wäre passend. »Ich bezweifle, dass dir das Klischee lieber wäre, und seien wir ehrlich, den Punkt haben wir längst hinter uns. Sicher, mein Übernachten war nicht geplant, aber wie würde es aussehen, wenn ich mich wortlos rausschleiche und ein paar Stunden später schreiben wir normal oder wir sehen uns bald wieder … bisschen sinnlos?«

Nachdenklich sah Nami auf ihre Hände. Unrecht hatte Robin nicht. So wie sie miteinander umgingen, wäre es irgendwie bescheuert. Das Ungewohnte war eher das, was Nami durcheinanderbrachte. Was wäre erst gewesen, wären sie zusammen aufgewacht.

»Vergiss was ich gesagt habe«, seufzte sie laut und erst jetzt schweifte ihr Blick genauer umher. »Du warst beim Bäcker«, stellte sie fest. Frisches Gebäck stand am Tisch und natürlich die Zeitung. »Wie lange bist du wach?« Gegen acht war Nami aufgewacht, also eine Weile musste es her sein.

»Frühaufsteherin«, meinte sie mit einem Schulterzucken. Dann legte sie die Zeitung endgültig beiseite und drehte den Oberkörper, sodass sie den Arm an der Lehne ablegte. »Du hast geschlafen und bevor ich dich aufwecke … herumliegen ist nichts für mich.« Vor sich hin nickend, stieß sich Nami ab.

»Okay. Ich verschwinde kurz im Bad und dann frühstücken wir.« Ob gut oder schlecht, darüber konnte ihr Verstand diskutieren, aber was ihre Gefühle anging, so war das hier ein guter Morgen und Nami war glücklich darüber, dass sie gestern eingeschlafen waren.
 

Mit einem leisen Brummen stieß sie ihrem Freund den Ellbogen gegen die Rippen, wodurch er leicht zurückwich. Zwar hielt er sich die Seite, aber das Lachen flachte nicht ab. »Tasha, tu etwas!«, flüsterte sie mit zischendem Unterton. »Er ist unerträglich!«

Doch anstatt ihrem Mann Einhalt zu gebieten, korrigierte sie ihre Brille. Nami kannte die Geste nur allzu gut. Es war eine Taktik, um Zeit zu gewinnen, denn Tasha schien unschlüssig zu sein, ob sie lachen oder eine neutrale Miene bewahren sollte. Alles, nur eben nicht ihren Mann rügen. Das Aufsetzen eines Pokerface gehörte nicht zu ihren Stärken. In solchen Momenten hinterfragte sie gerne Tashas Berufswahl.

»Komm schon, er meint es nicht böse«, versuchte Tasha zu beschwichtigen, was Nami nur ein Schnauben entlockte.

»In Zukunft halte ich meinen Mund«, murmelte sie und strich eine ihrer Locken zurück. Ihr Blick schweifte zur Terrassentüre, die weit geöffnet war und die warme Luft hereinbrachte. Vor ein paar Monaten hatten die beiden das Reihenhaus am Stadtrand für sich entdeckt. Mit einem kleinen Garten und Raum für zukünftige Entscheidungen. Dabei lag die Einrichtung eindeutig in Tashas Händen. Sie besaß ein ausgeprägtes Gespür dafür, ganz anders als Zoro. Vor seiner Frau war alles spärlich und lieblos gewesen, überall lagen seine Trainingsutensilien herum, von Dekoration fehlte jede Spur. Seine Wohnung war ein Mittel zum Zweck. Doch seit sie in sein Leben getreten war, hatte sich das grundlegend verändert. Plötzlich hatte er sogar Pflanzen gehabt und sogar die Wohnung hatte eine gewisse Gemütlichkeit erlangt. Zoro hatte das nie gestört, er ließ sie machen und das neue Heim strahlte eine wohltuende Wärme aus.

Für Nami war der Umzug bis heute immer noch eine gewöhnungsbedürfte Veränderung. Früher lebten sie in unmittelbarer Nähe zueinander, jetzt waren sie am anderen Ende der Stadt. Dies hatte ihrer Beziehung jedoch keinen Abbruch getan, die Anpassung brauchte einfach seine Zeit. Sie sahen sich ohnehin regelmäßig beim wöchentlichen Essen, das zu einem Ritual geworden war, das Tasha eingeführt hatte.

»Zicke«, neckte Zoro mit einem Grinsen. »Du hast dir eine Frau geangelt, was hast du erwartet?« Sein Grinsen wurde noch breiter, als er aufstand und begann, das Geschirr abzuräumen. Jetzt würde sie ihm kaum einen Stoß verpassen können.

»Idiot«, zischte sie, vergrub ihr Gesicht in den Händen und schüttelte den Kopf. Manchmal schien er nicht alle Tassen im Schrank zu haben. Sie hätte lieber nichts gesagt, aber mitten im Gespräch war ihr Robins Name und die eine oder andere Information herausgerutscht. »Wir haben nichts Ernstes am Laufen.«

»Das kommt mir bekannt vor«, rief er aus der Küche, während Nami zu Tasha blickte, die offensichtlich dasselbe dachte. Die beiden zusammen waren manchmal eine zermürbende Kombination.

»Vergleicht euch nicht mit mir. Er wollte eine lockere Bindung, du hast immer auf etwas Festes spekuliert«, ermahnte sie Tasha, die nun mit den Augen rollte.

»Vom Reden her, sein Handeln hat schnell anderes aufgezeigt – Oder?«, rief sie letzteres ihrem Mann zu, der den Kopf aus der Küche streckte. Sein zustimmender Blick reichte, um Namis Augenbraue heben zu lassen. Sein Ernst? Verräter. »Aber nochmal in Ruhe. Ihr trefft euch ab und an?« Neugierig beugte sich Tasha vor, wobei sie sich auf den Unterarmen abstützte.

»Jeder braucht Entspannung.«

»Dir geht’s nur um den Sex?«, fragte Tasha mit einem verhörmäßigen Tonfall.

»Oh, der zahlt sich aus«, antwortete sie zwinkernd. »Und stell dir vor, Robin ist auf der gleichen Wellenlänge. Sie sucht keine Beziehung. Es ist perfekt und das Drumherum sehe ich als nettes Extra.« Tasha sah sie mit zusammengekniffenen Augen an.

»Wie alt ist sie? Was macht sie?«

»Verhörst du mich?«

»Trinken wir den Kaffee draußen?« Zoro lehnte mit verschränkten Armen im Türrahmen. Vom Blick her konnte sie nur schwer auf seine Gedanken schließen.

»Gern.« Nami nahm die Atempause mit Kusshand. Genau aus dem Grund hatte sie Vivi noch nicht eingeweiht. Eigentlich waren die beiden die angenehmeren. Vivi würde ihr eher in den Ohren liegen. Wobei sie alle drei sofort verstanden haben, dass es zwischen ihr und Carina nie etwas geben würde. Lag daran, dass sie die andere kannten und selbst sahen, dass sie – was Nami anging – nie zusammenfinden konnten. Sie schoss aus dem Stuhl hoch. »Soll ich dir helfen?«

»Nein, geh nur vor«, entgegnete Tasha und sah verschwörerisch zu ihrem Mann.
 

Der warme Junitag tauchte den Garten in ein weiches, goldenes Licht. Die Terrasse war von üppigem Grün umgeben, mit dufteten Blumenbeeten und dem sanften Summen von Bienen in der Luft. Eine leichte Sommerbrise war spürbar, während die Sonne vom wolkenlosen Himmel strahlte. Inmitten der heiteren Atmosphäre genossen die drei ihren Kaffee und die leckeren Kuchenstücke.

Es war Zorro, der entspannt zurücklehnte und das Gespräch fortsetzte: »Du bist wortkarg. Ich will Details. Wie in den guten alten Zeiten.« Tasha warf ihm einen bedeutungsvollen Blick zu, den er jedoch mit einer Kopfbewegung abtat. »Über dich habe ich nur das Beste erzählt«, verteidigte er sich lachend.

Diese zog skeptisch die Augenbrauen hoch. »Das macht’s nicht besser. Du vergisst, dass ich deine alten Muster kenne.«

Nami konnte sich ein leichtes Grinsen nicht verkneifen, bevor sie ein Stück Kuchen genoss. Sie erinnerte sich an die Zeiten, in denen Zoro gerne über seine Abenteuer plauderte, aber sie wusste auch, dass er über die Beziehung mit Tasha sehr schweigsam war. Für ihn war sie von Anfang an besonders gewesen.

»Glaub mir, er sagt die Wahrheit und er hat genug ausgelassen«, nahm sie ihren Freund in Schutz.

Zoro lächelte warm und drückte für einen Moment Tashas Hand. »Siehst du?« Offensichtlich nahm sie all das auf die leichte Schulter, sie neckte ihn. Nach dieser kleinen Ablenkung wandte sich Zoro wieder an Nami. »Nun, da wir das geklärt haben, hätte ich gerne einen kleinen Überblick. Du hast erwähnt, du hättest sie zufällig auf deinem Trip getroffen. Das ist untypisch und macht die Sache interessant.«

Tasha stimmte zu. »Carina war für uns alle nur eine Frage der Zeit. Dass du nur Sex wolltest, war unübersehbar. Ihre Seite allerdings … ist ein anderes Thema.«

Nami blickte über den Rand ihrer Kaffeetasse hinweg.

»Ist mir erst zu spät aufgefallen. Mein Fehler.« Sie erinnerte sich, wie sie im April das erste Anzeichen bemerkt hatte, das sich später wieder gelegt hatte. Reisen und Ablenkungen kamen dazwischen, bis im Mai alles zu heiß geworden war. »Das ist endgültig vorbei. Seither herrscht auch Funkstille.« Die beste Entscheidung, für sie beide. Nami wollte nicht zu sehr auf ihren Gefühlen herumtanzen und würden sie weitermachen, würde es Carina nicht leichter fallen.

»Wo wir bei deiner neuesten Flamme wären«, ließ Zorro nicht locker und bohrte nach, das Nami ein leises Seufzen entlockte.

»Warum bist du so erpicht darauf?«

Nun verschränkte er die Arme und grinste sie herausfordern an.

»Ich kenne dich, Nami. Zugesteckte Nummern wirfst du in der Regel sofort fort. Hast du eine gefunden, mit der du öfter ins Bett gehst, erwähnst du es beiläufig. Von manchen kenne ich bis heute keinen Namen. Und mit keiner triffst du dich einfach so – wehe du erwähnst Carina. Freundschaft Plus zählt hier nicht.« Bedacht stellte Nami die Tasse ab. Obwohl sie ihm gerne eine schnippische Antwort gegeben hätte, konnte sie das nicht. Er hatte recht und Nami fühlte sich ertappt. »Siehst du, genau das ist der Punkt, der mich neugierig macht. Wer ist sie, dass sie deine Einstellung verändert.«

»Moment!«, fand sie ihre Sprach wieder und hob ermahnend den Zeigefinger. »Ich ändere nichts. Wir verstehen uns, okay?«

»Bist du dir sicher?«

»Tasha!« Diese hob entschuldigend die Arme.

»Was? Irgendetwas an deiner Art lässt mich an deinen Worten zweifeln … du weißt, dass das mein Job ist, oder?«

»Ihr nervt«, stöhnte sie und rutschte tiefer in den Sessel. »Okay, sie ist älter, ein wandelndes Lexikon und ihr gefällt London«, erzählte sie knapp mit mürrischem Unterton. Wobei letzteres besonders aufstieß. Der Punkt war in einem der Gespräche aufgekommen. Robin mochte ihr jetziges Leben. Die Stadt. Die Arbeit. Deshalb hatte sie sich beim Umzug auch eine Eigentumswohnung gekauft. Für sie fand das Leben hier statt. Das war der springende Punkt gewesen, der Nami in dieser Angelegenheit erstmals wieder zurück in die Realität geholt hatte.

»Ihr gefällt London«, wiederholte Zoro langsam, er ließ die Worte sacken, ehe er die Hand vors Gesicht schlug. »Ist das der Grund, warum du zögerst?«

»Hat Gewicht«, entgegnete sie und fuchtelte mit der Gabel. »Und ich halte mich daran.«

»Was, dass du eine Frau deshalb ziehen lässt? Weil dich nicht verlieben, ist gescheitert. Was? Du rufst eine Frau an, die du irgendwo kennenlernst, triffst dich regelmäßig mit ihr und ich wette ihr telefoniert oder schreibt oft genug und dann erwähnst du beiläufig, aber mit dem gewissen Etwas in deinen Augen und in der Stimme, dass sie bei dir übernachtet hat? Nicht nur das, ihr habt auch den restlichen Tag miteinander verbracht … tut mir leid, Nami, aber wenn man dich kennt, ist das keine gefühllose Nummer. Du hast dich in sie verschossen, du kannst dir das noch so oft ausreden, es ist so.«

Schwer schluckte sie den Bissen hinunter.

»Genieß den Moment, du hast Zeit, Nami«, fügte Tasha sanft hinzu, wobei Nami dem Blick rasch auswich. Nein. Nicht so ganz. Sie biss sich auf die Lippe. Eigentlich wollte sie damit warten.

»Ich bin dem Schritt näher als jemals zuvor.« Schwer hob sie den Kopf und sah sie beide an. »Wenn alles gut geht, verlasse ich England mit Ende September.« Damit hatte sie endlich ausgesprochen, was sie seit Wochen geheim hielt.

»Oh …«, war alles, das Tasha sagte und die Untertasse belegt hin und her schob.

Auf Zoros starrendes Schweigen hin, lächelte sie schwach. »Eine endgültige Antwort bekomme ich erst Anfang, Mitte Juli. Mittwoch hatte ich nochmal ein Gespräch und … es sieht gut aus.« Zoro holte daraufhin tief Luft. Bislang hatte sie nie etwas gesagt, also nie, dass es bald passieren könnte.

»Und welcher Teil von Kanada wird’s?«, fragte er dann einfach und Nami wollte lachen. Ja, er kannte sie und wusste von ihren Träumen. Deshalb konnte sie seine Reaktion auch deuten. Der Schock lag nicht darin, dass sie England verließ, sondern dass es schon sehr bald der Fall sein würde.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Dark777
2024-02-28T19:40:16+00:00 28.02.2024 20:40
Ok, jetzt muss ich nachdenken. Robin hat zwar bei Nami übernachtet, aber es ist doch nichts passiert.....oder doch? Das Gespräch mit Tasha und Zorro lässt eher vermuten, dass Nami und Robin in dieser (oder einer Nacht kurz darauf) mehr als nur das Bett geteilt haben. Von der besagten Szene mit dem Gewitter, hätte ich das allerdings nicht so eingeschätzt.
Es ist auf jeden Fall süß zu sehen, wie bei beiden diese unerklärliche Anziehung da ist und sie sich nicht voneinander lösen können. Sie müssen sich einfach sehen und klar dürfen sie sich dabei erst mal einreden, dass es einfach nur um die guten Gespräche geht ;).

Das war ein locker-flockiges Kapitel, welches die Beziehung von Nami und Robin ein klein weniger weiter vorangebracht hat. Bin gespannt was da noch auf mich wartet :).

V(~_^)


Zurück