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Tappen im Dunkeln

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Tappen im Dunkeln

Claire erwachte mitten in der Nacht. Eigentlich ging das schon seit ihrer Ankunft hier in diesem Schlafsaal so. Doch hatte sie dies all die Monate nicht weiter beachtet. Manchmal schlief man halt schlecht. Punkt. Das kannte ein jeder und war nichts Ungewöhnliches.

Heute aber war es nur schwer zu ignorieren. Und ausserdem schien es einen Rhythmus zu geben. Claire hatte vor drei Monaten angefangen sich in Gedanken Notizen darüber zu machen. Und tatsächlich - heute - pünktlich auf den Tag - wurde sie mal wieder Nachts wach. Das konnte natürlich auch an einem Placebo Effekt liegen. Immerhin - sie erwartete schlecht zu schlafen, also tat sie das auch. Eine sich selbsterfüllende Prophezeiung. Psychologisch gab es dieses Phänomen.

Aber die Rothaarige glaubte nicht daran. Sie lauschte in ihrem Bett in die Stille hinein.

Es war als läge ein Rauschen in der Luft. 
Im Hintergrund, ganz leise. Wie ein Windzug.

Doch die Fenster waren zu. Die Dichtungen hatte sie schon vor dem Schlafen gehen abgetastet. Kein Windhauch war zu spüren. Das leise Atmen ihrer Mitschülerinnen machten es fast unmöglich für normale Ohren etwas anderes wahrzunehmen. Doch Claire war sich sicher, dass heute etwas anders war. Etwas, dass sie geweckt hatte. Auf Zehenspitzen stand sie auf, lautlos.

Claire wusste wie man schlich und wusste wie man sich im Dunkeln bewegte. Immerhin war für sie die Welt stets in Schwärze gehüllt.

Sie wollte dem Mysterium auf den Grund gehen. Geschickt umging sie jegliche Bettpfosten, jeden Stuhl, jede Stoßfalle für kleine Zehen und navigierte sich durch den Raum. Den nahezu lautlosen Rauschen hinterher. Das Flüstern, das sachte an ihrem Ohr kitzelte.

Leise wie eine Katze folgte sie dem undefinierbaren Laut, raus aus ihrem Schlafsaal. Sie befand sich nun im Flur und hielt inne. Hatte sie das Geräusch verloren? Etwas kam näher. Sie spannte sich an.

Plötzlich flog die Tür zum Aufenthaltsraum auf, gefolgt von Schritten, die sie nur einer Person zuordnen konnte.

„Claire was machst du denn noch hier?“, erklang eine vorwurfsvolle Stimme aus dem Aufenthaltsraum heraus und der Geruch von Parfum und Pasta ( und nicht zuletzt die Stimme) vermittelte der Blinden, dass es sich um Louise handeln musste - die vermutlich aus Essen gewesen war. Mitternachtssnack, huh?

Sie richtete ihr Gesicht aus reiner Höflichkeit in Richtung der Rousseau - denn sehen oder erkennen konnte sie diese natürlich nicht. Eigentlich präferierte Claire es ihren Gesprächspartnern leicht seitlich gegenüber zu stehen, quasi das Ohr zugewandt.

„Ich dachte ich hätte etwas gehört.“, erklärte sie und seufzte innerlich. „Vermutlich warst nur du es.“, schloss sie und zuckte mit den Schultern.

Ihr Abenteuer war unfreiwillig zu einem jähen Ende gekommen und so wünschte sie Louise eine gute Nacht und tappste Barfuß zurück in den Schlafsaal. Noch einige Zeit lang lag sie wach und lauschend da… es kitzelte an ihren Ohren.

Am nächsten Morgen, es mochte 9 Uhr gewesen sein, schlug sie die Augen auf. Doch das leise Rauschen war nicht mehr da.

Wie von Zauberhand weggeblasen.

Sie würde nun erneut einen Monat warten müssen.
 

Einen Monat später saß sie Abends spät mit Lola im Gemeinschaftsraum. Sie waren die letzten Anwesenden. Das Kaminfeuer knisterte leise. Claire hatte es sich auf einen der Sessel bequem gemacht, einen Fuß angezogen. Lola lehnte mit dem Rücken an dem Sessel. Auf dem flauschigen Teppich sitzend und ein Buch in der Hand. Manchmal hörte sie Papier rascheln - immer dann, wenn die Spanierin eine Seite umblätterte.

Und zu dem Knistern des Feuers und das Rascheln des Buches, dem leisen, regelmäßigen Atmen der Spanierin und ihrem ruhigen Herzschlag gesellte sich erneut ein leises Rauschen. Es kam fast aus dem Nichts heraus und hinterliess ein prickelndes Gefühl an ihrer Ohrmuschel.

Claire hielt die Luft an um besser hören zu können.

Lola rutschte unruhig auf ihren Hintern herum. „Uch - meine Beine schlafen ein“, meinte sie und Claire glaubte, dass Lola sie ansah. Sie spürte ihren Blick. „Was ist los?“, wollte die Spanierin wissen, die - entgegen den Glauben der Meisten, recht feine Sensoren hatte in bestimmten Situationen. Diese aber auch oft genug zu ignorieren schien.

Claire beschloss dass Lola ruhig wissen durfte, was sie beschäftigte.

„Hörst du das auch?“, wollte sie daher wissen und Lola hielt inne - scheinbar nun auch lauschend.

Ein paar schweigende Augenblicke verstrichen, ehe sie ihr Haar hörte, wie es leicht von linkte nach rechts über ihren Wollpullover strich. Lola schüttelte den Kopf. „Nein… was soll ich denn hören?“, wollte sie wissen und klang interessiert.

„Ich weiß nicht… es kommt mir so vor als …wäre da ein Rauschen? Ich glaube ich höre es schon länger.“

Claire sah nicht, wie die Dunkelhaarige die Augenbrauen hob. Spürte aber weiterhin ihren Blick auf sich. „Mh“, machte sie schliesslich und dachte wohl nach. Sie stellte nicht einmal in Frage, ob Claire sich dieses ‚Rauschen‘ nur einbildete. Zweifelte nicht eine Sekunde daran, dass Claire nicht wirklich etwas hörte.

Stattdessen hörte die Kanadierin, wie die andere aufstand, sich geräuschvoll Streckte, das Buch mit einem Klappen beiseite legte und ihre Hand ergriff.

„Dann wird es wohl Zeit dem Rauschen nachzugehen.“, meinte diese spontan und zog Claire sachte an der Hand hoch. Claire spürte ihre warme Haut zwischen den Fingern und schmunzelte.

Es gab tatsächlich Augenblicke, da mochte sie Lola.

Diese gab der Blinden Zeit um sich zu orientieren. Mucksmäuschenstill standen sie im Gemeinschaftsraum. Da Lola selbst nichts hörte, musste Claire die Führung übernehmen. Und diese konzentrierte sich auf ihre geschärften Sinne. Hoffte, dass diese sie nun nicht im Stich lassen würden. Und tatsächlich konnte sie die Richtung verorten.

„Da entlang“, meinte sie ruhig und deutete in eine Richtung.

Lola nickte und folgte der Blinden…

Ins Bad.

„Also wenn du nur die Klospülung gehört hast…“, scherzte ihre Freundin

„Psst“, machte Claire und rollte kurz mit den blauen Augen, ehe sie an der Wand entlang tastete, hinein in die hinterste Duschkabine.

Lola tappte ihr hinterher und nun standen sie beide in der Dusche. Mh.

Sie spürte den Blick der Jüngeren auf sich. Abwartend. Klar. Sie hatte sich das Ganze ja auch eingebrockt.

Vielleicht hatte sie wirklich nur die Wasserleitungen gehört? Das Rauschen durch die Rohre?

Claires Wangen erröteten. „Ich war mir sicher dass hier…“, sie erstarrte und deutete schliesslich mit dem Finger in Richtung einer Fliese, fühlte davor einen Lufthauch.. einen leichten Strom. Von hier kam das Geräusch!
„Da.. es kommt von dort“, meinte sie und Lola drückte sich auf dem begrenzten Raum an der Rothaarigen vorbei um die Stelle zu begutachten.

„Mh..“, machte diese, während Claire hörte wie die Finger der Spanierin über die kalten, glatten Fliesen strichen. Schliesslich klopfte Lola gegen diese. Ein „ah…“, folgte - fast wie ein laut des Erkennens. „Ich muss mich bücken - kannst du ein Stück rücken?“, wollte die Spanierin wissen und Claire merkte wie diese nun auf dem Boden hockte, an irgendetwas herum werkelte und schliesslich ein mechanischer Laut erklang.

Klack, Klack. Klack - es schien als würden Fliesen gegeneinander geschlagen. Gefolgt von einem ‚Ha!‘ - das ganz nach Sieg klang.

Ein kalter Wind wehte Claire entgegen und ein Geruch nach… Moder.

„Was siehst du?“, wollte sie wissen und Lola - heute Herrin der vielen Worte, gab ein „Oh!“ Von sich. „Entschuldige. Auf dem Boden kamen mir ein ein paar Fliesen seltsam vor und nach dem ich sie mir genauer angeschaut hatte habe ich sie… gedrückt. Die Fliesen falteten sich zusammen und gaben ein Loch preis. Vielleicht so… 130cm hoch und… mh 60cm breit. Nicht sehr groß.“

Claire hielt inne und nickte. Ein Geheimgang also.

„Sollen wir weiter?“

Lola schien Abenteuer zu wittern. Noch eben ruhig in ihr Buch vertieft, war sie nun voller Energie. Man wollte kaum glauben, dass es schon ein Uhr Nachts war.

Claire zögerte… doch dann nickte sie. Sie würde nicht wieder einen Monat warten.

„Zieh den Kopf ein“, kam es von der Mitschülerin, ehe sie vor ging und Claire so ihren Schritten folgen konnte. Ihre Hand tastete automatisch die Höhe ab um ihren Kopf vor etwaigen Stößen zu schützen. Uch. Schleimig.

Der Gang war lang und schmal. Lola berichtete nichts - demnach gab es wohl nicht viel zu sehen.

Er führte mehrere hundert Meter ins Innere. Ehe ihre Schritte hallten. Ihre Umgebung weiter wirkte als noch zuvor.

„Ein Raum.“, kommentierte Lola und sah sich um. Sie entfernte sich ein wenig von ihrer Freundin um die Ecken zu begutachten. Der Lumos erreichte die Augen der Blinden nicht, doch hörte sie Lolas Worte.

„Hier ist ein Sessel… sieht schon älter aus. Und ein hölzerner Schrank. Dazu Pergament und eine Feder. Die Tinte ist schon lang eingetrocknet.“

Stille folgte. „Öffne den Schrank.“, wies Claire an und hörte daraufhin ein Knarzen von Scharnieren. Diese schienen ebenfalls alt.. „Hier ist ein Safe!“, rief Lola ihr entgegen und Claire kam näher. Ein Safe? Was zum Teufel….

Doch sie konnte dem nicht nachgehen. Stimmen kamen näher. Wirkten fast so als seien sie direkt neben ihr oder zumindest nicht mehr als 4,5 Meter entfernt. „Lola?“, flüsterte Claire und die Spanierin kam näher. „Keine Ahnung.. hier.. hier ist niemand.“, erklärte diese irritiert und hörte die Stimmen ebenso deutlich wie die Franko-Kanadierin. Sie versteckten sich dennoch hinter dem Schrank. Doch die Stimmen… kamen nicht näher. Sie blieben wo sie waren und nach einigen Sekunden trauten sie sich aus der Deckung hervor. Claire folgte dem Ursprung der Stimmen bis zu dem Sessel. Sacht schob sie diesen zur Seite. Sie selbst sah nichts. Sie hörte nur zu.

“Ich weiss nicht was sie sich dabei gedacht hat… ich meine - einen Nazi?!… wieso hat sie dem zugestimmt?“ „Ehemaliger… Nazi“ - „Als ob sich Menschen ändern würden - ich bitte dich.“

Lehrer.

Sie hörte eindeutig zwei Lehrer, die über den neuen Muggelkundelehrer redeten! Verstärkt durch das Echo des Geheimgangs verstand von jedes einzelne Wort, was dort gesprochen wurde.

Claire schreckte zurück und spürte Lolas Blick auf sich.

„Ach du scheiße. Ich glaube das ist das Lehrerzimmer.“, kam es von der Dunkelhaarigen amüsiert und Claire nickte. Ja… das musste es sein. Oder eines der Büros.

„Komm lass uns den Safe anschauen.“, erklärte Lola schliesslich doch öffnen konnte sie ihn nicht. „Vielleicht sollten wir ihn einfach sprengen?“, kam der riskante Vorschlag zu Claires rechten doch diese hob die Hände, abwehrend. „Nein.. das würden sie sicher hören.“ - Auch wenn fraglich war, ob die Lehrer herausfinden würden, von wo das Geräusch gekommen war. Der Geheimgang schien schon lang lang nicht mehr benutzt worden zu sein.

„Lass mich mal daran.“, meinte Claire und hockte sich hinunter, auf die Knie, den Kopf in den Schrank steckend. Das Ohr an das Schloss drückend.

„Und sei leise!“, ermahnte sie die wippende Jüngere, die direkt innehielt.

Probeweise drehte Claire an dem Schloss, hörte das Knacken der Zahnräder. Dann drehte sie langsamer. Lauschte wie das Metall ineinander griff . Tick.. Tick… klick. Es rastete ein! Ein Hochgefühl durchströmte ihren Körper, während Claire den Vorgang wiederholte und schliesslich das Schloss so knackte.

Ein beeindruckender Laut entfuhr ihrer Begleitung und die Rothaarige fühlte wie Stolz in ihrer Brust schwoll. Sie war nicht nutzlos oder eingeschränkt. Sie… hatte es tatsächlich geschafft.

Die schwere Tür des Bierkasten-großen Safes schwang auf.

„Bücher“, kommentierte Lola - plötzlich enttäuscht. Und seufzte. Claire tastete in den Safe hinein und spürte tatsächlich klamme Ledereinbände. Schnell zählte sie mit den Händen ab. 7 dicke Bücher. Sie schätzte jedes auf 600-800 Seiten.

Mit zarten Fingerspitzen zog sie eines der Bücher heraus. Schwer…

„Was steht drin?“, wollte sie wissen und hielt es Lola hin. Diese schlug es auf und überflog die geschriebenen Worte.

„Es ist handgeschrieben.. nicht gedruckt… und nicht gerade sehr modern. Ich denke ein Theaterstück… oder mh.. Nein. Vielmehr eine Abschrift. Ich glaube hier hat jemand gesessen und das Gehörte transkribiert!“

Claire hob eine Augenbraue. Also lauschte jemand Lehrergesprächen und hatte diese…. Verschriftlicht. Das war super interessant.

„Kannst du erkennen von wann diese Abschriften sind, oder wer sie gemacht hat?“, wollte Claire wissen und hörte Lola daraufhin blättern. „Mh.. nein.. aber die Worte wirken sehr… alt. Hier höre dir das an“. Sie wollte gerade anfangen vorzulesen, als Claire innehielt.

Sie hörte ein Knarzen! Stein über Stein. Ein langsames Schleifen.

„Lola ich glaube wir müssen hier raus! Nimm das Buch mit und dann los. Ich glaube das Tor schliesst sich“

Lola schaute fragend, doch nahm sie Claires Hand. Und zog sie mit sich. Claire vergaß allerdings sich zu ducken und haute mit dem Kopf gegen die niedrige Decke des Ganges. Blut lief ihr warm über die Stirn, automatisch fuhr ihre Hand zu der Stirn, wo der Schmerz heftig pochte. Aber nicht schlimm genug um ihr das Bewusstsein zu rauben.

„Autsch… Verdammt!“, meinte sie im gehen und blinzelte. Wenn sie nicht für den nächsten Monat hier festsitzen wollten - und Claire war sich sicher, dass sie hier niemand finden würde! - dann mussten sie sich beeilen. Und so ignorierte die junge Schülerin den Schmerz und stolperte Lola hinterher.

Sie schafften es gerade noch rechtzeitig durch den Gang, ehe dieser von einem Dicken Stein magisch verschlossen wurde.

Schwer atmend sah Lola wie sich die Fliesen hinter ihnen wieder schlossen, das Buch in den klammen Fingern haltend.

„Fuck. Das war knapp“, meinte sie und Claire verschwieg ihr wie knapp es gewesen war.

„Und das alles für ein paar Bücher“, murrte Lola und wäre mit einem Goldschatz oder Drachen wohl zufriedener gewesen. Claire allerdings war weniger enttäuscht. Sie hatte Aufzeichnungen gefunden, Zeitzeugen Berichte. Und sie würde diese nun studieren. Einmal im Monat. Immer dann, wenn sich das magische Tor öffnen würde. Eine Welt voller Geheimnisse und Intrigen breitete sich vor ihr aus und sie hatte vor diese zu ergründen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Luthien-Tasartir
2023-01-06T17:33:56+00:00 06.01.2023 18:33
Oh mein Goooooott!!!! Ich hab echt an den Worten gehangen! Das war echt richtig interessant aufgebaut. Die Hälfte der Zeit hab ich über dich geflucht, dass ich endlich wissen, will, was das ist und hab selbst wilde Spekulationen aufgestellt. Super spannend! Finde, ist dir echt gut gelungen, auch wenn der Mini-Cliffhanger gemein ist. Was steht denn jetzt da drin?! :D


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