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Neue (und alte) Abenteuer

Szenen, die es nicht in die Hauptfic geschafft haben
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo alle miteinander,

heute machen wir nochmal einen kleinen Zeitsprung. Ich weiß ja, der ein oder andere wollte noch etwas mehr von ein paar bestimmten Charakteren. Also, bitteschön, viel Spaß dabei ;-)

Liebe Grüße Komplett anzeigen

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Extrakapitel 26 - Fluch und Segen - Teil 1

Fluch und Segen – Teil 1

 

-Mihawk-

„Achte auf deine Atmung. Vergiss nicht, gleichmäßig, sonst verspannst du dich und dann werden deine Bewegungen nicht nur unsauber, es wird auch noch deutlich anstrengender.“

Gemächlichen Schrittes kam er näher. Er mochte es, Lorenor in diesem Ton reden zu hören. Schweigend stellte er sich neben ihn, legte eine Hand auf seine Schulter und beobachtete das junge Ding, welches Lorenor mitgebracht hatte.

Wenn Dulacre ehrlich war, so sah er immer noch nicht, was Lorenor in ihr sah, aber er gestand ihr zu, dass sie ehrgeizig war und diszipliniert ihr Training verfolgte. Allerdings nicht wie Lorenor damals, bei ihm war es stets ein Hunger gewesen, mehr zu sein, besser zu werden. Bei ihr war es… verzweifelter, ein Kampf ums Überleben. Aber Dulacre war neugierig zu sehen, wie sie sich entwickeln würde, wenn es nicht mehr der Überlebenswille war, der sie antrieb. Ob sie dann überhaupt noch etwas hatte, was sie antrieb.

Doch davon war sie noch weit entfernt, die mentalen Wunden noch zu frisch. Dulacre wusste nicht im Detail, was sie erlebt hatte – und es interessierte ihn auch nicht – aber sie würde noch Zeit brauchen, um es zu verarbeiten. Sie zeigte es nicht offen, was er begrüßte, da es anstrengend wäre, aber es war dennoch offensichtlich.

Das Training schien ihr zu helfen, aber sie misstraute Dulacre – verständlicherweise – und der Abschied der lebhaften Strohhutcrew vor wenigen Tagen war für sie schwierig gewesen. So sehr sie Lorenor verehrte, so sehr sie Nico Robin und Doktor Chopper respektierte, niemand von ihnen brachte diese Leichtigkeit mit, die auf dem Schiff der Strohhüte vorgeherrscht hatte. Und während sie Dulacre misstraute, so hatte sie vor Perona doch schlicht Angst, konnte mit ihr nichts anfangen, sie nicht einordnen, mit ihrem lauten Auftreten, ihrer herrischen Art, ihren wie aus dem Nichts auftauchenden Geistern.

„Führe deine Bewegungen bis ganz zum Ende durch. Die Spannung muss bis in die Fingerspitzen gehen, und vergiss die Zehen nicht.“

Er konnte ganz deutlich sehen, wie seine Stimme sie zusammenzucken ließ, wie jedes Mal, wenn er sie ansprach, aber natürlich folgte sie seinem Wort. Sie war wirklich noch eine Anfängerin und ihr fehlte es noch an allem, Körpergefühl, Ausdauer, Kraft, Selbstbewusstsein, Stärke, Ruhe, die Liste war endlos. Sie hatte eigentlich nichts, außer diesem beeindruckenden Drang, überleben zu wollen. Doch ob aus Selbsterhaltungstrieb oder nicht, ihr Wille war stark, sie erlaubte sich nicht, zu brechen. Die Frage war, was aus ihr herausbrechen würde, wenn sie nicht mehr um ihr Leben fürchten würde.

„Ah, du hast dich verzählt“, bemerkte Lorenor mit einem leichten Schmunzeln, als sie aus dem Rhythmus kam. „Fang nochmal von vorne an, aber dieses Mal etwas langsamer als vorher.“

Er klopfte auf sein Bein und gab ihr für die ersten Sekunden das Tempo vor. Sie redete wenig in Einheiten – oder generell – aber nun holte sie tief Luft und sah fragend zu Lorenor hinüber.

„Ja, langsamer heißt nicht, dass es einfacher wird“, antwortete er und sein Schmunzeln wuchs etwas. „Aber du schaffst das. Fünf Wiederholungen.“

Sie nickte kurz, während Dulacre eine Augenbraue hochzog. Lorenors Wortwahl mochte sanfter sein als seine, aber er war nicht weniger streng. Nein, er war sogar deutlich strenger, erwartete deutlich mehr, doch das war ihre einzige Stärke. Sie würde es schaffen, aus dem simplen Grund, dass Lorenor es von ihr verlangte.

„Jiroushin hat angerufen“, erklärte er nun sein Erscheinen, da er eigentlich nicht vorgehabt hatte, dieser Einheit beizuwohnen, aber wenn er schon mal da war. „Er würde gerne vorbeikommen, nächste Woche, mit Ray, auf unbestimmte Zeit.“

„Huh?“ Lorenor sah zu ihm auf, während er selbst das Mädchen im Blick behielt und sie ermahnte, ihre Schultern nicht hochzuziehen. „Unbestimmte Zeit? Was ist passiert? Sie waren doch erst vor drei Wochen oder so hier.“

„Ray wurde wohl suspendiert. Anscheinend passiert das heutzutage, wenn man die eigene körperliche Überlegenheit demonstriert.“

„Du meinst, wenn man sich prügelt?“

Er zuckte nur mit den Schultern.

„War nicht das erste Mal, oder?“, bemerkte Lorenor und sah auch wieder zu seiner Schülerin. „Schon die zweite Schule oder so.“

„Die Dritte, und das macht es nun recht kompliziert, denn mehr Schulen haben die fünf Inseln nicht anzubieten. Deshalb möchte Jiroushin, dass Ray hier bleibt, bis eine passende Schule gefunden wurde, möglicherweise das restliche Schuljahr. Er hat Nico Robin und mich gebeten, den Unterricht zu übernehmen; anscheinend ist das Lehren der eigenen Kinder sehr schwierig für Eltern.“

Lorenor schnaubte leise auf. „Aber er weiß schon, dass er damit genau das macht, was Ray die ganze Zeit erreichen wollte? Für dein Patenkind ist Kuraigana doch der reinste Abenteuerspielplatz.“

Dulacre seufzte schwer. „Ich denke, Jiroushin gehen so langsam die Optionen aus, nachdem ihm bereits vier private Tutoren innerhalb der letzten drei Wochen davongelaufen sind – Der linke Fuß, nicht der rechte, nochmal – aber deshalb möchte er mitkommen. Ihm ist sehr wohl bewusst, dass Ray es als kleinen Sieg feiern würde, daher möchte er den Aufpasser spielen.“

„Uff“, machte Lorenor nur und rieb sich den Nacken. „Was sagt Lirin denn dazu?“

Dulacre schmunzelte. „Sie lässt Jiroushin geradewegs in sein Verderben laufen. Aber er ist es nun mal selbst schuld. Er könnte ja einfach mal zuhören. Wie dem auch sei, für sie ist es vielleicht ganz hilfreich, zwei so fröhliche Gestalten im Schloss zu haben.“ Er nickte zu Lorenors Schülerin hinüber.

Lorenor schwieg, doch nach der dritten Wiederholung sah er auf.

„Und was sagst du? Bist du bereit, den Schullehrer für ein unerzogenes Gör zu mimen? Hört sich für mich ziemlich nach Zeitverschwendung für dich an.“

„Ach, er hatte leider sehr überzeugende Argumente.“

„Wa… oh, mich.“

Sie grinsten einander an.

„Es ist ein fairer Preis. Außerdem beabsichtige ich so oder so, Nico Robin die meiste Arbeit erledigen zu lassen.“

„Natürlich.“

„Auf der anderen Seite habe ich bereits des Öfteren überlegt, dass es für dieses Kind von Vorteil wäre, wenn sie sich nicht nur im Schwertkampf bildet, und vielleicht würde Rays Anwesenheit ihnen beiden nützen. Eine gesunde Rivalität hat noch niemandem geschadet. Und vielleicht würde Ray dann endlich mal etwas strebsamer.“

„Wunschdenken.“

„Tze.“

In Stille beobachteten sie weiter, wie Lorenors Schülerin seine Vorgaben erfüllen wollte. Mittlerweile zitterten ihre dünnen Waden und sie hatte vor Anstrengung die Augen geschlossen, es würde noch Zeit brauchen, bis ihr Körper die Zeiten des Mangels überwinden würde.

„Aber eigentlich passt das ganz gut“, murmelte Lorenor schließlich nachdenklich. „Vielleicht kann Jiroushin dann für ein paar Tage auf Roshan aufpassen.“

„Du hast vor, zu vereisen?“, fragte Dulacre direkt nach. Lorenor war doch noch nicht mal einen Monat zurück und nun wollte er bereits wieder fort?

„Ja, ich würde gerne in den East Blue.“

Natürlich. Er vermisste sie, seine Freunde, seinen Kapitän.

„Ich verstehe.“

Vermutlich würden Nico Robin und Doktor Chopper ihn begleiten. Da konnte Dulacre wirklich nur dankbar sein, dass Jiroushin zu Besuch kommen würde, sollte er sich diesem Mädchen annehmen.

„Mhm, aber hätte ein schlechtes Gewissen gehabt, wenn wir beide unterwegs wären und niemand hier wäre, um Roshan zu unterrichten. Sie ist noch nicht so weit, dass sie alleine trainieren könnte.“

Oh.

„Und du möchtest sie nicht mitnehmen?“

„Nicht wirklich. Sie ist noch nicht mal hier angekommen, da kann ich sie ja schlecht direkt wieder rausreißen. Ich dachte, ich könnte noch etwas länger warten, aber ich merke, dass ich unruhig werde; es ist Zeit, in den East Blue zurückzukehren.“

Dulacre zögerte, wiedermal hatte er zu schnelle Schlüsse gezogen.

„Aber du möchtest, dass ich dich begleite?“

Nun sah Lorenor zu ihm auf.

„Natürlich, ich hab dir doch gesagt, dass ich dir Meister Koshiro vorstellen will. Außerdem ist das Sargboot viel schneller und ich krieg es immer noch nicht in die richtige Richtung gesteuert, kompliziertes Teil“, setzte er missmutig hinterher.

Schmunzelnd verschränkte Dulacre die Arme und vermied, Lorenor hinzuweisen, dass etwaige Kursabweichungen nicht am Sargboot lagen.

„Oder willst du etwa nicht mit?“ Diese Frage überraschte ihn und er neigte den Kopf. „Naja, jetzt, wenn Jiroushin kommt, vielleicht willst du ja lieber…“

„Ich würde dich sehr gerne begleiten, Lorenor. Ich möchte den Ort kennenlernen, an dem du aufgewachsen bist.“

Lorenor nickte nur und wandte sich dann wieder seiner Schülerin zu, doch Dulacre hatte das Gefühl, dass er nicht ganz so hart dreinblickte wie sonst.

 

„Ach, es ist zum Verzweifeln, so langsam weiß ich wirklich nicht mehr weiter.“

Dulacre ignorierte das Klagen seines besten Freundes, während er die Gläser füllte.

„Wir haben schon die nächste Absage bekommen, eigentlich bleiben uns jetzt nur noch Internate übrig, alles andere ist zu weit weg. Es ist hoffnungslos“, jammerte Jiroushin und fläzte sich über Lorenors Sofa. „Ich bin wirklich dankbar, dass du und Robin so bereitwillig einspringt, ich weiß langsam echt nicht mehr weiter. Langsam bin ich mit meinen Nerven echt am Ende.“

„Wir beide wissen, dass ich nur zugesagt habe, weil du mich damals in Lorenors Ausbildung unterstützt hast“, bemerkte Dulacre trocken und stellte dem anderen sein Glas hin. „Was sagt Lirin denn zu der Sache?“

„Tze“, schnaubte Jiroushin auf und Dulacre war doch überrascht zu hören, wie dieser hingebungsvolle Familienvater und Ehemann von Frau und Kind sprach. „Sie nimmt das alles nicht so ernst und spielt diesen ganzen Unsinn auch noch mit. Sie sagt, ich sei das Problem und solle mich nicht so anstellen, aber…“

„Was für eine kluge Frau sie doch ist.“

„Du stimmst ihr zu?!“ Jiroushin sprang auf. „Habt ihr euch denn alle gegen mich verschworen? Wir reden hier von nichts geringerem als Rays Zukunft und…“

„Hör mit dieser Theatralik auf, Jiroushin, es ist anstrengend. Und nein, ich sage nicht, dass ich Lirin uneingeschränkt zustimme, aber ich weiß, dass die Jugend Dinge anders sieht und ich das nicht immer alles nachvollziehen muss, um es akzeptieren zu können. Daher…“

Er unterbrach sich, als Jiroushin höhnisch auflachte.

„Ach du, der Menschenversteher?“, murrte er sarkastisch und Dulacres Geduld bröckelte augenblicklich.

Kalt starrte er Jiroushin an, während er an seinem Getränk nippte.

„Wie du dich erinnern magst, ist mein Partner zwanzig Jahre jünger als ich, daher habe ich durchaus das ein oder andere Mal lernen müssen, dass es Dinge gibt, die ich nicht verstehe und zum…“

„Hier geht es aber weder um Zorro noch um dich. Ihr beide habt euch entschieden, gefährliche Wege einzuschlagen, Verbrecher zu werden, Monster zu werden, aber hier geht es um mein Kind, Dulacre, mein Kind! Glaubst du wirklich, ich würde tatenlos zusehen wie Ray aufgrund irgendeiner beschissenen Phase…“

„Und du glaubst, dass dein Verhalten irgendetwas sinnvolles zu Rays Zukunft beitragen würde?“, unterbrach er den anderen, der ihn eine Sekunde wortlos anstarrte. „Ich muss dir doch nicht erklären, dass diese kindischen Aktionen der Gewalt und Rebellion ihren Ursprung in deinem Verhalten haben, oder?“

„Was? Willst du mir jetzt etwa erklären, wie ich mein eigenes…“

Dulacre unterbrach Jiroushin mit einer deutlichen Handgeste, als dieser auf ihn zustakste.

„Bitte, wir beide wissen, dass es mir einerlei ist, was du mit deiner Brut anstellst. Aber wenn du mich um meine Meinung und meinen Rat fragst, dann höre zu und höre vor allem auf, dich so unbeherrscht zu benehmen.“

„Ich lass mich hier doch nicht von dir belehren“, knurrte Jiroushin, ließ sich jedoch wieder aufs Sofa fallen. „Du hast keine Ahnung von Kindererziehung.“

„Nein, das habe ich nicht“, stimmte Dulacre zu. „Aber ich weiß sehr wohl, wie es sich anfühlt, vom eigenen Vater missverstanden und abgelehnt zu werden, du etwa nicht?“

Und da wurden Jiroushins Augen groß, ihm war es tatsächlich nicht bewusst gewesen.

„Was redest du da, Dulacre? Das ist doch Unsinn! Das hier ist nicht das gleiche, weder bei dir noch bei mir. Ich liebe mein Kind! Ich würde alles für Ray tun, warum glaubst du bin ich hier? Ich würde Ray nie aufgeben, wie mein oder dein Vater es getan haben. Dein Vater hat dich gefürchtet, mein Vater hat mich…“

Kopfschüttelnd seufzte Dulacre.

„Jiroushin, erinnerst du dich an den Sommer 1490?“ Er wartete das verwirrte Nicken des anderen ab. „Dein Vater war sehr unzufrieden mit deinem Auftreten und wollte dich zum Internat Dureza schicken, erinnerst du dich? Du warst verzweifelt, ich überaus erbost, dass mein Einspruch nicht gehört wurde, nur weil ich noch ein Kind war.“

„Was soll diese alte Sache? Das hat nichts…“

„Wir verschanzten uns auf der alten Burg Sadaos, für vier Tage, wenn ich mich recht erinnere. Sharak hat uns gefunden. Deine Eltern waren in heller Aufregung, meine eher verstimmt. Du hattest eine solche Angst auf dieses Internat geschickt zu werden und ich habe dir versprochen, dass ich dich dort im Zweifel herausholen würde.“

„Dulacre, ja, ich weiß, ich erinnere mich, aber…“

„Letzten Endes konnte der Konflikt gelöst werden. Meine Mutter überzeugte deinen Vater, dass die Privatlehrer der Familie Mihawk auch für dich eine gute Schule darstellen würden, und dass unsere Freundschaft für dich auf gesellschaftlicher Ebene nur von Vorteil sein sollte, wenn auch nicht unbedingt auf emotionaler Ebene. Wusstest du überdies, dass meine Mutter dies nur getan hatte, weil meine Schwester ihr glaubhaft vermitteln konnte, dass es für meine soziale Entwicklung nicht förderlich sein würde, meinen einzigen Freund zu verlieren?“

Jiroushin schnaubte auf.

„Nun ja, zumindest dieser Teil ist wenig überraschend, aber wofür kramst du diese alte Geschichte hervor. Das hier hat nichts mit Ray zu tun. Ich wollte zur Schule, nur nicht auf dieses Internat! Ray hingegen…“

„Ich habe hier nicht Rays und deine Situation verglichen, werter Freund, sondern dein Verhalten mit dem deines Vaters.“

Augenblicklich wurde Jiroushin leichenblass. „Ich bin nicht wie mein…!“

„Herrgott! Ich bin nicht gewillt, mir dieses Benehmen länger anzutun, also lass es mich ganz frei heraussagen. Natürlich bist du nicht dein Vater, du bist liebevoll, gutmütig und so weiter und so weiter. Dein Vater hat dich damals nicht verstanden, du hast gestottert, du warst unsicher, nicht geeignet, um die Familiengeschäfte eines Tages zu übernehmen, und anstatt auf deine Stärken zu setzen, wollte er deine Schwächen mit Gewalt austreiben, damit du so wirst, wie er es für sinnvoll erachtet. Ein Mann wirst, wie er es gutheißt. Und was hat dieses Verhalten dir gebracht? Vier Tage auf einer zugigen Burg mit anschließendem Schüttelfrost, durchweinte Nächte – die ich dir immer noch übelnehme – und wärest du nach Dureza gekommen, wärest du dort jämmerlich vor die Hunde gegangen.“ Er sprach direkt weiter, als Jiroushin ihn unterbrechen wollte. „Aber so kam es nicht, dein Vater hat seinen Willen, was angeblich das Beste für dich sei, nicht durchgesetzt, und wo stehst du jetzt? Vertreter der fünf Inseln und ebenbürtiger Geschäftspartner der Familie Mihawk, Würdenträger und hochdekorierter Marinesoldat. Darüber hinaus hast du die Zukunft der Familie Cho gesichert. Weißt du, dass dein Vater Lorenor damals auf Rays Taufe erzählt hat, wie stolz er auf dich sei? Und dass du dich deines familiären Erbes mehr als würdig gemacht habest? Nicht, dass er dazu irgendetwas beigetragen hätte, denn letztendlich waren es deine Stärken, dein Harmoniebedürfnis gepaart mit überlegenem Verstand, deine Hilfsbereitschaft gepaart mit emsiger Zielstrebigkeit, deine beeindruckende Willensstärke gepaart mit unvergleichlicher Güte, all das ist der Grund, warum du es so weit gebracht hast.“

Er trank seinen Wein, ließ Jiroushin seine Worte verdauen. Dieser hatte die Arme auf den Knien abgelegt, die Hände verschränkt und starrte den Boden an, ohne aber wirklich zu sehen.

„Du willst mir also sagen, dass mein Weg Ray zum Scheitern verurteilen würde, und dass nur dieser… dieser Unsinn meinem Kind eine Zukunft bieten kann?“

„Nein, mit keiner Silbe.“

Mit einem Ruck sah der andere zu ihm auf und Dulacre seufzte.

„Alles, was ich dir sagen möchte, ist, dass du Ray zuhören und diesen… kindlichen Unsinn nicht zu sehr verurteilen solltest. Vielleicht ist dein Weg der bessere, vielleicht hast du Recht darin, konservative, alte Werte hochzuhalten, denen Ray sich fügen sollte. Vielleicht ist all das nur eine Phase, die Ray irgendwann in Zukunft bereuen wird, das mag sein. Aber wenn du dein Kind nicht mal anhörst, nicht mal versuchst, zu verstehen, sondern mit Gewalt – sei physischer oder psychischer Natur – Ray in deine Bahnen zwingen willst, dann wird Ray über dich irgendwann genauso denken wie du über deinen Vater.“ Er seufzte. „Und in Anbetracht dessen, dass du ein viel besserer Vater bist, weiß ich nicht, ob es nicht Ray und dir gegenüber ungerecht wäre, wenn du versuchst, seinem Vorbild nachzueifern, wo du doch nie werden wolltest wie deine Eltern.“

Er erhob sich, um sein Glas zu füllen, Jiroushin hatte seins noch nicht angerührt.

„Sagen wir, du hättest Recht“, kam es schließlich nach mehreren Sekunden hölzern vom anderen, „wie würde ich es umsetzen?“

„Fragst du mich das wirklich, oh friedvoller Krieger? Tze.“ Kopfschüttelnd ließ er sich wieder auf seinen Platz sinken. „Du weißt doch am besten, wie man zwischen Parteien vermittelt und du kennst das Spiel. Was ist dir wichtiger? In jedem kleinen Konflikt zu gewinnen oder das große Ganze. Dir ist wichtig, dass Ray eine gute Ausbildung genießt, konzentriere dich darauf. Was musst du tun, damit Ray sich in der Schule wieder benimmt? Höre zu und frage, auf Augenhöhe, nicht von oben herab. Was sind Dinge, über die du mit dir nicht verhandeln lassen kannst? Erkläre warum, bleib bei dir und biete dafür Eingeständnisse in anderen Bereichen.“

Er nahm einen tiefen Schluck und lehnte sich zurück. In Stille saßen sie für mehrere Atemzüge da.

„Dass du mir mal Rat im Umgang mit Kindern geben würdest“, murmelte Jiroushin schließlich.

„Ich bin genauso schockiert wie du“, seufzte Dulacre. „Eigentlich wiederhole ich nur – in leicht abgewandelter Form - den Unsinn, den du mir immer gepredigt hast, wann immer ich mich mit Lorenor gestritten habe. Ich halte das Meiste davon für absolut unnötig, aber ich gestehe zu, dass ich so manche Diskussion… verkürzen konnte. Allerdings gehört zur Wahrheit auch, dass ich meist nicht die Geduld an den Tag lege, um wohlwollend zu verhandeln. Außerdem bevorzugt Lorenor ebenfalls den direkten Konflikt.“

Endlich nahm Jiroushin sein Glas und nippte am Wein, ehe er sich kopfschüttelnd durchs Gesicht rieb.

„Ich habe keine Ahnung, wie ich Ray überzeugen soll. Die Fronten sind so verhärtet, wir haben nicht ein Wort auf der Fahrt hierhin gewechselt.“ Dann entkam ihm ein überraschter Laut. „Du hast Recht. Es ist wirklich wie mit Vater damals.“

„Natürlich habe ich Recht. Es ist der Fluch von Kindern, dass sie – bewusst oder unbewusst – Verhaltensmuster ihrer Eltern übernehmen.“

„Du meine Güte, was ist…? Jetzt weiß ich, was los ist. Nico Robin, oder?“

Unschuldig hob er nur eine Augenbraue hoch.

„Du bist viel zu feinfühlig und… umsichtig der Gefühle deiner Mitmenschen gegenüber. Du hast mit ihr hierüber gesprochen?“

Er zuckte mit den Schultern. „Es gibt immer irgendwelche Gesprächsthemen beim Abendessen und schließlich hast du uns beide gebeten, Ray zu unterrichten.“

Nun zeigte Jiroushin ein schwaches Lächeln. „Du könntest auch einfach ja sagen. Ich bin dir nicht böse.“ Seufzend nahm er noch einen Schluck. „Aber es ist Vergebens. Ray würde am liebsten den ganzen Tag hier sein, den Schwertkampf üben und Zorros und deine Geschichten hören. Keine Schule, keine Lehrer, kein Unterricht.“

„Was für eine schlechte Idee“, bemerkte Dulacre und weigerte sich, dieses halbherzige Herumhampeln als Schwertkampf anzusehen, „noch heute arbeite ich an Lorenors Defiziten, nein, eine vernünftige Bildung ist unverzichtbar, insbesondere in der gegenwärtigen Zeit. Reine Kampfkraft ist schon längst nicht mehr das beste Mittel, um den eigenen Willen zu bekommen. Auf der anderen Seite verstehe ich Rays Wunsch, die Schule war auch mir immer ein Graus. Du musst einsehen, dass sich Lirins Kampfeswille in deinem Kind durchgesetzt hat, nicht deiner.“

„Das würde zumindest diese Starrköpfigkeit erklären“, murrte der andere und leerte sein Glas.

„Aber ich will nicht so sein. Ich bin gewillt, dass du mich als Einsatz in deiner Verhandlung darbietest.“

„Wie bitte?“

Dulacre rollte mit den Augen.

„Es ist doch ganz einfach. Ich bin gewillt, Ray langfristig im Schwertkampf zu unterrichten.“

„Aber, Dulacre, das ist nicht…“

„Allerdings habe ich eine Bedingung, die Ray erfüllen muss, damit ich mich zu dazu herablassen werde. Schließlich hat Lorenor bereits eine Schülerin mitgebracht, die viel Aufmerksamkeit bedarf und eher in der Lage ist, meinen Ansprüchen zu genügen. Außerdem haben sowohl ich als auch Lorenor noch andere Verpflichtungen und ich sehe gar nicht ein, den Lehrmeister für irgendein dahergelaufenes Balg zu spielen, nur weil es dein Kind ist.“

„Und die Bedingung wäre?“, fragte Jiroushin misstrauisch nach.

„Erstklassige Noten.“ Kalt sah er Jiroushin an, der nach einer Sekunde fassungslos lächelte. „Ich bin nicht gewillt, Dummköpfe oder Faulpelze zu unterrichten. Dein Kind kommt aus den besten gesellschaftlichen Kreisen und hat die besten Möglichkeiten, ganz anders als Lorenor oder dieses Mädchen. Aber diese beiden arbeiten hart, um ihre Defizite auszugleichen, wenn Ray nicht gewillt ist, ebenso hart zu arbeiten, gibt es in diesem Schloss keinen Platz. Ich unterrichte nur, wen ich für würdig erachte, und Privilegien gibt es bei mir nicht.“

„Das klingt ganz schön streng.“

„Natürlich, ich bin ein strenger Lehrer. Sofern Ray diese Bedingung ab nächstem Schuljahr erfüllt, steht mein Heim wochenends und in den Ferien offen. Sofern Lorenor oder ich in der Nähe der fünf Inseln sind, spricht auch nichts gegen etwas Nachmittagsunterricht.“ Er lehnte sich nach vorne und faltete die Hände. „Nun sag mir, Jiroushin, bin ich nicht gut? Druckmittel und Belohnung in einem.“

Das brachte den anderen zum Grinsen.

„Du bist vor allem verschlagen und immer noch ein verdammt guter Lügner. Warum willst du das tun? Du beschwerst dich doch jetzt immer schon, wenn Ray wieder ausbüchst und du für drei Tage den Babysitter spielen musst, bis ich hier bin. Also, was davon ist gelogen?“

„Nichts. Versteh mich nicht falsch, ich tue das hier nur für dich. Es wäre eine Schande, wenn du nach allem, was geschehen ist, so kläglich an deinen Vaterpflichten scheitern würdest.“

Autsch, das war gemein.“

„Aber um es deutlich zu sagen, ich mag dein Kind nicht. Ausruhen auf Privilegien, rumpöbeln in der Schule, Unsinn anstellen und Fantasien nacheifern, das alles kann man sich erlauben, wenn man am besten ist. Für Ray gilt dies allerdings nicht. Dein Kind ist schlicht verwöhnt, selbstbewusst und selbstgefällig, aufgrund deiner und Lirins Erfolge.“

Jiroushin holte tief Luft und lehnte sich zurück, das Gesicht verzogen.

„Du warst als Kind auch nicht einfach“, murmelte er, obwohl er etwas anderes sagen wollte.

„Natürlich nicht, ich war genauso, wenn nicht sogar deutlich schlimmer, und ich habe mir viel auf meinen Namen und die Errungenschaften meiner Vorfahren eingebildet. Aber ich war auch der Beste, Ray hingegen ist alles andere als herausragend und benimmt sich dennoch so, als bestünde ein Anrecht auf mein oder Lorenors Wissen, nur weil du mein Freund bist.“

„Bitte rede nicht so von Ray und bitte hör auf, solch gemeine Dinge zu sagen. Ich weiß, dass du mit Kindern nicht gut umgehen kannst und sie dir eher ein Dorn im Auge sind, aber ich will nicht glauben, dass du keinerlei Sympathie für dein eigenes Patenkind empfindest.“

Ernst sahen sie einander an, ehe Dulacre schließlich seufzte und bereitwillig seine Beweggründe erklärte: „Ray nimmt die Kunst des Schwertes nicht ernst, Jiroushin, es ist nicht mehr ein Mittel der Rebellion gegen dich und deine Verhaltensregeln. Ausbrechen, auf die Insel eines mächtigen Verbrechers reisen, dort gefährliche Waffen wie Spielzeuge umherschwingen und mit einem gesuchten Pirat Kämpfen spielen. Ich halte dieses Verhalten aus, weil es sich um dein Kind handelt, aber ganz gleich, was ich sonst empfinde mag, ich akzeptiere niemanden, der die Schwertkunst nicht respektiert, ganz gleich, um wen es sich handelt.“

„Ach so, jetzt verstehe ich“, bemerkte Jiroushin. „Ich war schon verwirrt – schließlich kann ich dir ganz genau ansehen, wie sehr du Ray magst, sonst hättest du nie freiwillig deine Hilfe angeboten – aber du kannst nicht verzeihen, wenn jemand deine geliebte Schwertkunst als Spiel und Ausrede ansieht.“

„Gewiss. Nur dir zuliebe bin ich gewillt, jemanden zu unterrichten, den ich nicht für würdig erachte, Jiroushin. Aber wer weiß, vielleicht werden diese zwei Kinder einander guttun. Ray hat eindeutig die Leichtigkeit, welche diesem Mädchen fehlt, und dieses Mädchen… sie wird Ray in nicht mal zwei Wochen übertroffen haben.“

„Wa… was? So schnell? Sie… sie ist doch noch so mager, sie kann kaum laufen. Ray ist viel stärker und hat schon viel mehr Stunden mit dem Schwertkampf verbracht.“

„Das, mein lieber Freund, ist der Unterschied, und vielleicht wird es Ray endlich mal die nötige Ernsthaftigkeit einbläuen, das würde mich sehr freuen. Schließlich waren die Einheiten bisher wahrlich frustrierend. Ich weiß, Lorenor hat mich damals sehr verwöhnt, hat seine eigenen Worte und Versprechungen stets übertroffen, aber Ray, tze.“ Leise schnalzte er mit der Zunge. „Große Worte und noch größere Versprechungen, größte Ambitionen, aber sobald es auch nur ein bisschen anstrengend wird… Dieses Mädchen schafft in einer Stunde, was Ray in 20 schafft, und das hat nichts mit Talent oder Stärke zu tun. Ray mag Jahre an halbherzigem Training voraushaben, aber ja, ich bin überzeugt, dass dieser Vorteil keine 14 Tage halten wird.“

Dann erhob er sich. „Aber du kannst mir ja dann berichten, ob ich Recht habe.“

„Du denkst, dass ihr ganze zwei Wochen unterwegs sein werdet?“

Dulacre zuckte mit den Schultern.

„Keine Ahnung, um ehrlich zu sein, vielleicht kürzer, vielleicht sogar länger. Lorenor freut sich auf den East Blue, vielleicht wird er auch seine Freunde besuchen wollen, wer weiß das schon. Gewiss wird er seinem ehemaligen Meister seine Fortschritte zeigen wollen.“

„Dein Urteil ist echt hart, zwei Wochen nur. Ist Ray wirklich so faul?“ Jiroushin stand ebenfalls auf und seufzte schwer. „Und was mit dir?“

Überrascht begegnete er dem Blick seines besten Freundes.

„Was soll mit mir sein?“

„Na, die Reise? Du bist doch mit Sicherheit nervös?“

Verwirrt neigte Dulacre leicht den Kopf. „Über eine Reise in den Schwächsten der Blues? Warum sollte ich?“

Nun weiteten sich Jiroushins Augen.

„Naja, weil er…, weil du Zorros ehemaligen Meister kennenlernen wirst. Macht dich das nicht nervös?“ Er rieb sich den Nacken. „Ich meine, du bist Zorros Partner, deutlich älter als er, ehemaliger bester Schwertkämpfer der Welt, ehemaliger Samurai – der grausamste noch dazu - und er ist… nun ja, soweit ich weiß, hatte Zorro neben seiner Mutter nie wirklich einen Vater. Nach ihrem Tod wird dieser Lehrmeister also seine einzige Bezugsperson als Kind gewesen sein… vielleicht ein Mentor oder eine Art… Vaterersatz.“

Oh.

„Und ich weiß, dass solche Dinge Zorro wahrscheinlich nicht besonders wichtig sind, aber du hast nicht gerade einen… einfachen Charakter und wenn dieser Lehrmeister euch nicht seinen Segen geben sollte…“

Jiroushin sprach nicht weiter, doch das musste er auch gar nicht. Schluckend fuhr Dulacre sich durchs Haar und lehnte sich gegen die Rückenlehne seines Sessels. Natürlich, darüber hatte er noch überhaupt nicht nachgedacht. Lorenor hielt wenig von der Meinung anderer, aber er hatte es gar nicht gut aushalten können, als Dulacre sich mit dessen Crew angelegt hatte. Er sprach äußerst respektvoll von diesem Meister Koshiro und hatte mit einem gezwungenen Lächeln erzählt, dass jener Meister es wohl nicht gutgeheißen haben konnte, dass Lorenor zum Piraten geworden war.

„War dir das… war dir das etwa nicht bewusst?“

Er starrte Jiroushin an.

„Mir ist ja bewusst, dass ich äußerst hart über dein Kind urteile, Jiroushin, aber das war wirklich nicht nett von dir.“

 



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: RuffysKreationen
2023-10-08T09:19:24+00:00 08.10.2023 11:19
Privatunterricht für Ray, das kann ja auch noch lustig werden ^^°
Schön, dass Jirou es schafft, Mihawk so nervös zu machen XD er hätte ruhig still bleiben können :'D
Antwort von:  Sharry
09.10.2023 20:11
Es gibt genau vier Leute auf der Welt, die Mihawk nervös machen können. In aufsteigender Reihenfolge: Zorro, Jirou, Chopper, Kanan.
Aber selten passiert es Jiroushin ausversehen, im Nachhinein wird er stolz sein ;-)


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