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Die Tragödie in der Buchhandlung

von

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Befragungen

 

~ Takagi ~

 

Zehn Minuten. So lange hatte es gedauert, bis sowohl jemand von der Polizei als auch die Notärzte eingetroffen waren.

„Guten Tag, mein Name ist Wataru Takagi und das hier ist meine Kollegin Miwako Sato, wir beide sind die zuständigen Inspektoren für diese Angelegenheit. Bitte bewahren Sie Ruhe und Geduld, ich bin mir sicher, dass wir das hier recht bald geklärt haben werden“, sagte er, während Sato die Ladentür hinter sich schloss. Die Notärzte hatten sich bereits auf den Weg zum Lager gemacht, um sich um die Person darin zu kümmern. Conan nutzte die Gelegenheit und blickte, so unschuldig er konnte, sich im Raum um.

Wir sind insgesamt sieben Personen hier im Raum, mich einberechnet, begann Conan mit seinen ersten Überlegungen. Am liebsten hätte er den Notärzten bei ihrer Arbeit über die Schulter gesehen, ein paar erste Indizien und Beweise gesammelt, doch das war ihm nicht möglich. Schuld daran war die Person, welche in der Ecke des Raumes stand und wirkte, als hätte sie mit all dem hier nicht zu tun. Als könnte sie es kaum erwarten, so schnell wie möglich wieder in der Dunkelheit verschwinden zu können.

Gin, einer der gefährlichsten Männer, denen Conan je begegnet war. Zwar hatte er den kleinen Jungen nicht direkt im Visier, dennoch wusste Conan, dass er sich auf einem Mienenfeld befand. Eine falsche Bewegung, eine falsche Anmerkung und schon würde er unnötigerweise Gins Aufmerksamkeit auf sich selbst lenken. Er wusste, dass Gin nicht auf den Kopf gefallen war und möglicherweise vielleicht sogar in der Lage war, eine Verbindung zwischen ihm und Shinichi aufbauen zu können.

Während Conan dieser Gedanke alles andere als gefiel, sah er im Augenwinkel, dass sich die Notärzte aus dem Lager heraus den beiden Polizisten näherten. Die Mienen, die die beiden im Gesicht trugen, waren alles andere zuversichtlich.

„Wir haben alles getan, was in unserer Macht stand, aber wir waren leider zu spät. Wir konnten nichts mehr für ihn tun“, sagte einer von ihnen und beide verbeugten sich leicht vor Sato. Diese seufzte ein wenig.

„Das ist nicht sehr schön, aber dafür können Sie ja nichts. Vielen Dank jedoch, dass sie es versucht haben“, sagte sie aufrichtig und begann sich in Takagis Richtung zu drehen.

„So wie es aussieht, hätte wohl doch nicht eine einfache Streifenpolizistin gereicht, wie du es zuerst vermutet hast. Das mit dem Eis werden wir wohl auf später verschieben müssen“, sagte sie trockenernst, woraufhin Takagi mit einer deutlichen Enttäuschung im Gesicht reagierte. Doch dann besann er sich eines Besseren.

„Können Sie uns etwas über die Todesursache sagen?“, fragte Sato die beiden Notärzte, während Takagi damit beschäftigt war, seine Kollegen von der Spurensicherung an den Tatort zu ordern.

„Nun, viel haben wir nicht erkennen können, das müsste man erst in einer Autopsie klären können. Was wir aber mit Sicherheit sagen können, ist, dass er von jemanden erwürgt worden ist, vermutlich von hinten. Das ist auch die Todesursache, Ersticken“, gab einer der Notärzte als erste Rückmeldung, wofür Sato sich bei Ihnen bedankte.

„Die Kollegen sind bereits auf dem Weg, es wird nicht lange dauern“, ließ Takagi sie wissen, woraufhin Sato sich erneut an die Notärzte wandte.

„In Ordnung, Sie werden bitte beide hier warten, bis unsere Kollegen alles aufgenommen haben, dann können Sie die Leiche gerne mitnehmen. In welches Krankenhaus würde er denn gefahren werden?“, wollte sie wissen und bekam eine Adresse genannt. Dies alles notierte sie sich und während die beiden Notärzte den Laden verließen, um auf ihren Einsatz zu warten, drehte Sato sich zu den restlichen Anwesenden an.

„In Ordnung. Wir hatten zuerst mit einem Unfall gerechnet, aber offenbar ist die Person im Lager von jemanden ermordet worden. Genaueres können wir erst sagen, sobald die Spurensicherung hier ist, aber ist es mehr als offensichtlich, dass es jemand von Ihnen gewesen sein muss. Es hat doch niemand in der Zwischenzeit die Buchhandlung betreten oder verlassen?“, wollte sie nun von der einzigen Mitarbeiterin wissen, doch diese schüttelte den Kopf.

„Nein, als letztes kam der kleine Conan herein, aber hinausgegangen ist danach niemand mehr. Es ist generell nicht so viel los, aber das ist es an einem Dienstag hier nie. Dafür ist es sehr übersichtlich, was in Ihrem Fall Ihre Arbeit wohl erleichtern dürfte“, gab Frau Izanagi an, schien jedoch sehr mit den Tränen zu kämpfen.

„Verstehe, danke für die Auskunft. Und bei der getöteten Person im Lager, um wen handelt es sich?“, wollte Sato nun von ihr wissen.

„Das ist mein Chef, der freundliche Herr Masahito Kitai. Er ist auch immer für das Lager zuständig, während ich hier vorne an der Kasse arbeite. Seine Aufgabe ist es, die Lieferungen anzunehmen und im System einzupflegen. Ich hätte nicht gedacht, dass ihm etwas passieren könnte, immerhin war er doch ein sehr netter, junger Mann. Er war doch gerade einmal 38 Jahre alt, wie konnte es nur passieren? Ein Mord, sagen sie? Wie schrecklich!“, sagte sie mit bebender Stimme, bis sie schließlich doch noch in Tränen ausbrach. Herr Yagami, welcher sich neben ihr befand, spendete ihr eine tröstende Schulter. Es dauerte jedoch mehrere Minuten, bis sie sich wieder beruhigt hatte.

Takagi und Sato hatten sich während ihrer ganzen Ausführungen alles notiert und sahen sich an.

„In Ordnung, Takagi, nimm du dir schon mal die ganzen Verdächtigen vor, nehme schon mal ein paar erste Angaben und Protokolle auf. Ich werde mir derweil das Lager ansehen, ob es nicht doch schon irgendwelche Hinweise gibt. Oder etwas, was auf eine Fremdeinwirkung von außen hindeuten würde.“

Takagi hob seine Hand, als würde er Sato salutieren. Wenn auch nur für ein paar Sekunden.

„Verstanden, das werde ich machen. Sobald die Kollegen angekommen sind, werde ich sie zu dir hinter schicken.“

Sato nickte als Antwort, dann verschwand sie zum Lager. Takagi dagegen sah sich die anwesenden Personen an, überlegte sich, bei wem er anfangen sollte und seufzte. Zwar befanden sich mit ihm nur noch fünf weitere Personen im Raum, dennoch würde sich durch die Befragung aller einzelner Beteiligten die gesamte Angelegenheit für mehrere Stunden in die Länge ziehen. Eine Aussieht, die ihm bereits jetzt schon nicht gefiel. Doch es war sein Job und da musste Takagi nun durch, ob es ihm gefiel oder nicht.

 

„Gut, während meine Kollegin das Lager in Augenschein nimmt, werde ich schon einmal anfangen, ihre Personalien aufzunehmen. Dabei werde nach der Reihe vorgehen und sie auch schon mal ein wenig zu ihrem Alibi befragen. Allerdings“, stockte er und sah zu Conan hinunter.

„Allerdings werde ich nur die Erwachsenen nehmen, ich denke, die Befragung eines Kindes ergibt in einem Mordfall nicht sehr viel Sinn. Tut mir leid, aber ich kann dich leider noch nicht gehen lassen, zumindest nicht, bis die ganze Angelegenheit geklärt ist.“

Conan zuckte mit den Schultern, doch um nicht ganz aus seiner Rolle zu fallen, sagte er so kindlich wie es ihm möglich war: „In Ordnung, Onkel Polizist, ich werde hier brav warten!“

Verwundert hob Takagi die Augenbraue hoch, da Conan ihn noch nie mit „Onkel Polizist“ angesprochen hatte. Doch darum konnte er sich nun keine Gedanken machen, seine Arbeit wartete darauf, von ihm verrichtet zu werden.

Dazu nahm er Stift und Notizbuch in die Hand, sah sich einen Erwachsenen nach dem anderen an und entschloss sich schließlich dazu, mit einem der Kunden anzufangen.

„In Ordnung, dann werde ich mit Ihnen beginnen“, sagte Takagi, während er sich an den ersten Herren wandte. Dessen Mundwinkel begannen zu zucken, doch nach ein paar Sekunden zeigte er sich bereit zur Kooperation.

„Was möchten Sie denn wissen, Herr Takagi?“, begann er zu fragen, während Takagi sein Notizbuch aufklappte.

„Nun, für den Anfang benötigen wir nur ein paar Grunddaten, wie Ihren Namen, Ihr Alter und Ihren Beruf. Außerdem wäre es gut zu wissen, was sie in den letzten Stunden getan haben und was der Grund für Ihren Besuch hier ist“, kratzte Takagi in seinem Kopf alles zusammen, was er als wissenswerte Information erachtete. Der Herr vor ihm seufzte laut auf, doch er kam nicht umher, der Aufforderung des Polizisten nachzugeben.

„In Ordnung, dann werde ich Ihnen sagen, was sie wissen möchten. Mein Name ist Keichi Haruta, ich bin 37 Jahre alt und ich bin vom Beruf her Schneider. Seit ein paar Jahren bin ich in einer Änderungsschneiderei beschäftigt, nur fünf Blocks von diesem hier entfernt. Da diese Buchhandlung hier recht nah an meiner Arbeit ist, komme ich gerne hierher, um berufsrelevante Bücher zu kaufen. Auch heute hat es mich deshalb hierhergeführt. Sehen Sie…“, sagte er und zeigte Takagi mehrere Bücher, die er die ganze Zeit unter dem Arm getragen hatte.

„Das sind alles Bücher rund ums Thema Schneidern, außer das hier, darin geht es um die Pflege verschiedener Stoffe.“

Takagi hörte eifrig zu und notierte sich noch eifriger alle Informationen, die er soeben erhalten hatte, in seinem kleinen Notizbuch. Kaum hatte er das getan, sah er von seinem Heftchen auf zu seinem Gesprächspartner.

„Ich nehme mal an, dass sie zuerst auf der Arbeit waren und dann im Anschluss hier? Wie lange ist es her, dass Sie hierhergekommen sind?“

Dieses Mal musste Herr Haruta für ein paar Sekunden lang nachdenken, bevor er sich erneut äußerte.

„Nun, mal überlegen, unsere Arbeitszeiten sind heute nur bis Mittag, aber da wir einen längeren Auftrag hatten, hat es doch ein wenig länger gedauert, bis wir in den Feierabend gehen konnten. Danach bin ich aber direkt hierhergekommen, es dürfte jetzt also etwa eine Stunde oder ein bisschen mehr sein, dass ich hier bin. Hier kann man zum Glück noch in Ruhe stöbern und sich die Bücher vor dem Kauf genau ansehen, um herauszufinden, ob einem das Buch liegt oder nicht. In vielen modernen Büchergeschäften ist das ja leider nicht möglich, da ist man gezwungen, die Katze im Sack zu kaufen. Leider sind viele der Bücher, die ich privat oder für die Arbeit benötige, gerne mal recht teuer, da kann ich mir einen Fehlkauf absolut nicht leisten. Oder nicht wieder erst zur Buchhandlung zurückgehen müssen, um ein Buch wieder umzutauschen. Dazu ist mir meine Freizeit doch zu kostbar“, erklärte Herr Haruta in aller Ausführlichkeit, während Takagi sich nur das Nötigste in Stichpunkten notierte. Kurz überprüfte er, ob er noch irgendwelche Informationen brauchte.

 

„Vielen Dank, damit haben Sie mir schon ein Stück weitergeholfen“, sagte Takagi und wollte sich bereits an den nächsten wenden, als er von seinen Kollegen von der Spurensicherung unterbrochen wurde.

„Schön, dass ihr gekommen seid! Ja, das wundert mich nicht, die östliche Straße in die Richtung hier ist gerne mal vollgestopft. Aber das macht nichts, jetzt seid ihr ja hier. Einfach durchgehen, die Person liegt hinten im Lager. Sato ist auch bereits dort und macht sich ein Bild von der Lage dort. Sobald ihr mehr wisst, müsst ihr es uns so schnell wie möglich wissen lassen. Danke!“, sagte er und deutete in die Richtung der Tür, die zum Lager führen würde. Anschließend klappte er die nächste Seite in seinem Notizbuch um und wandte sich an den zweiten Kunden, den Herrn mit dem Dreitagebart.

„Von mir werden Sie dann wohl die gleichen Sachen wissen wollen, nicht wahr?“

Er räusperte sich ein wenig.

„Gut, dann werde ich Ihnen sagen, was Sie über mich wissen müssen, auch, wenn es nicht sonderlich viel ist.“

Ein erneutes Räuspern, entweder machte ihn die Anwesenheit der Polizei nervös oder er hatte spontan einen Frosch im Hals bekommen. So recht konnte Conan sich nicht festlegen, als er wie schon zuvor Takagis Befragung von der Seite beobachtete. Nur dass er, im Gegensatz zu Takagi, die Informationen nirgendwo niederschreiben konnte, sondern sich ganz auf die Leistung seines Erinnerungsvermögens verlassen musste. Alles andere wäre zu auffällig gewesen. Zwar schenkte ihm Gin nach wie vor keine Beachtung, in seinen Augen war er nur ein kleiner, uninteressanter Grundschüler, dennoch wollte Conan kein Risiko eingehen. So blieb ihm für den Moment nur das neugierige Beobachten. Zu seinem Glück war Takagi da wesentlich offener als Kogoro, dieser hätte ihn bereits längst zum Teufel gejagt oder persönlich dorthin getragen. Bei Takagi konnte er dagegen in der Nähe bleiben und lauschen, so viel er wollte.

Kaum hatte der Herr mit dem Dreitagebart sein Räuspern beendet, stand er Takagi auch sofort Rede und Antwort.

„Mein Name ist Mikami Yagami, mein Alter ist 29 und ich bin hier des Öfteren, man könnte sagen, ich bin ein Stammgast, genauso wie Herr Haruta. Nur, dass er viel mehr Bücher kauft als ich es tue… derzeit bin ich arbeitslos, meine alte Firma hat leider unerwartet schließen müssen, aber ich bin recht zuversichtlich, dass ich bald was finden werde. Um ihre Frage bezüglich des Alibis zu beantworten, nun, ich bin etwa eine halbe Stunde vor Herrn Haruta gekommen. Davor habe ich den gesamten Vormittag in einem Conbini in der Nähe verbracht, genauer gesagt ist es der am Ende der Straße, wenn Sie rausgehen und in diese Richtung gehen“, sagte er, während er in die ungefähre Richtung deutete.

„Dann können Sie den Conbini schnell sehen und auch erreichen. Die haben dort leckeres Essen und freundliches Personal, ich bin mir sicher, dass sie sich dort noch an mich und meinen Besuch erinnern können.“

Takagi nahm dies alles zur Kenntnis, nickte aber kommentierte es nicht. Kurz sah er Herrn Yagami an, ob dieser noch etwas dazu äußern wollte und wurde nicht enttäuscht.

„Nun, ich bin heute hierhergekommen, da mir Herr Kitai hier und da die alten Angelmagazine gibt, damit ich mich dort über die neusten Dinge aus der Anglerwelt informieren kann. Nun, gut, der Inhalt der Magazine ist dann schon mal ein paar Wochen alt, aber für mich das frisch genug. Dafür bekomme ich die Magazine geschenkt und Herr Kitai erspart sich dafür die Rücksendegebühren. Das ist sehr freundlich von ihm.“

Takagi notierte sich auch dies und sah dann von seinem Notizbuch auf.

„Sie sind also gekommen, um diese kostenlosen Magazine mitzunehmen, die Ihnen der Besitzer dieser Buchhandlung zur Verfügung stellt? Da stellt sich mir nur die Frage, warum sie sich dafür über eine Stunde hier aufhalten. Oder hatten Sie dafür andere Gründe?“, begann Takagi ein wenig zu bohren, was Herrn Yagami erschrocken zusammenzucken ließ. Conan dagegen schüttelte ganz leicht mit dem Kopf.

„Nun, das hat einen einfachen Grund. Normalerweise kommt Herr Kitai mir immer entgegen, begrüßt mich und bringt mir dann immer die Magazine aus dem Lager. Ich wäre auch schon längst wieder weg, wenn das heute wieder der Fall gewesen wäre. Aber ich habe ihn heute noch gar nicht gesehen und er ist doch ein viel beschäftigter Mann, da wollte ich ihn nicht stören. Außerdem habe ich mittlerweile genug Geld für ein Angelbuch zusammenkratzen können, also wollte ich die Gelegenheit nutzen und mich ein wenig umsehen. Dabei habe ich dann wohl die Zeit aus den Augen verloren, weshalb ich mich dann schließlich bei Frau Izanagi nach ihrem Vorgesetzten erkundigt habe. Nun, sie hat ihn dann im Lager gefunden, aber …“

Seine Stimme brach ab und als er seinen Blick nach ein paar Sekunden wieder auf den Beamten vor sich richtete, konnte Conan aufrichtiges Bedauern in dessen Augen erkennen. Es dauerte jedoch nicht lange, bis sich sein Blick wieder klärte.

„Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich gerne zu Frau Izanagi gehen und sie ein wenig beruhigen, ich befürchte, die Gute hat das alles zu sehr mitgenommen“, schlug Herr Yagami vor und warf ein paar sorgenvolle Blicke in Frau Izanagis Richtung. Diese hatte sich, seit Herr Yagami die Polizei gerufen hatte, auf ihren Platz an der Kasse gesetzt und immer wieder in ein Taschentuch hineingeweint. Dass der Stammkunde zu ihr ging und sie sachte, aber bestimmt in eine Umarmung nahm, schien sie sehr zu beruhigen.

 

Takagi dagegen schrieb seine letzten Notizen auf, die er von Herrn Yagami erhalten hatte und sah sich um. Dass er Frau Izanagi im Augenblick nicht befragen konnte, lag für ihn klar auf der Hand. Auch musste er Conan nicht berücksichtigen, dass dieser wie Kogoro Mori von einem Verbrechen nach dem anderen angezogen wurde, war selbst für ihn kein Geheimnis mehr. Blieb dem jungen Polizisten nur noch eine Verdachtsperson, die er für den Augenblick noch vernehmen musste. Der junge Mann, welcher in der Ecke stand und bereits wieder diverse Bücher betrachtete, als würde ihn die gesamte Angelegenheit nichts angehen. Oder als würde es ihn gar nicht interessieren. Takagi konnte nicht sagen, warum, aber sein Bauchgefühl gefiel ihm nicht, während er den Mann mit den langen, silbernen Haaren betrachtete. Die Art, wie er in der Ecke stand, unauffällig und desinteressiert, aber auch auf eine seltsame Weise bedrohlich. Doch Takagi musste auch nur seiner Arbeit nachgehen und dazu gehörte es auch, jeden möglichen Zeugen oder Verdächtigen zu befragen.

Jegliches ungute Gefühl, das ihn gerade in der Bauchgegend beschlichen hatte, ignorierte er und ging auf den jungen Mann zu, der nach wir vor keinerlei Notiz von ihm nahm. Erst, als Takagi neben ihm, in einem noch respektvollen Abstand, zum Stehen kam, warf Gin einen kühlen Blick zu ihm herüber.

Anschließend klappt er sein Buch zu, eins, welches wieder einen deutschen Titel hatte, soweit Conan das erkennen konnte.

Gin musterte Takagi von oben bis unten, und noch bevor der junge Polizist sein Anliegen vorbringen konnte, drehte Gin seinen Körper ein kleines Stück in dessen Richtung.

„Gut, damit wir das hinter uns bringen können, man nennt mich Jun Kendaichi, ich bin 25 Jahre alt und derzeit Medizinstudent. Wie lange ich hier im Laden bin, kann ich nicht sagen, sicherlich auch über eine Stunde. Auf die anderen Kunden habe ich nicht geachtet, ich bin nur hier, um mir Medizinbücher zu kaufen.“

Conan, der nicht allzu auffällig in Gins Richtung schauen wollte, musste innerlich mit dem Kopf schütteln. Ihm war sofort bewusst, dass Gin einen falschen Namen angegeben hatte, doch Conan hatte mehr als genug Gründe, es dabei sein zu lassen. Dass sich nun ausgerechnet hier, in diesem Moment, an diesem Ort ein mögliches Verbrechen ereignet hatte und Gin nun zum Kreis der Verdächtigen zählen könnte, war für ihn sicherlich alles andere als angenehm. Dass er damit nicht in Verbindung gebracht werden sollte, lag sicherlich auch nicht im Interesse der Organisation. Ebenso bezweifelte Conan Gins restliche Aussage, was sowohl das Alter als auch seinen derzeitigen beruflichen Status anging. Er konnte sich nicht vorstellen, hier einen 25-jährigen Studenten vor sich zu haben. Conan sah zu Takagi, sollte dieser irgendwelche Zweifel an der Aussage hegen, so ließ er es sich nicht anmerken. Für einen Moment wirkte er so, als wollte er doch noch etwas sagen, doch dann schien Takagi es sich doch anders überlegt zu haben.

Dies fiel auch Gin auf und dessen Miene verfinsterte sich dezent.

„Wars das? Oder wollen Sie noch etwas wissen?“, knurrte er in Takagis Richtung, doch dieser schüttelte mit dem Kopf.

„Nein, vielen Dank, ich denke, ich habe vorerst alle Informationen, die ich von ihnen benötige … nur eine kurze Frage hätte ich doch noch“, nahm er jeden Mut zusammen, den er im Leibe trug.

„Welche Art von Büchern haben Sie sich ausgesucht?“, wollte er zu Conans und Gins Überraschung wissen. „Nun, jeder andere Kunde hat es mir erzählt und wer weiß, jede Information könnte uns helfen, egal wie …“

„Schon gut, ich weiß doch, wie neugierig die Polizei sein kann. Aber wenn es unbedingt sein muss, von mir aus. Es sind Bücher über die aktuellen Erkenntnisse der Hirnforschung und der Inneren Medizin. Sie sind alle auf Deutsch verfasst, da es dort sehr erfahrene Mediziner gibt… Ist damit die Neugierde befriedigt?“

Takagi überlegte kurz, ob er Gin fragen sollte, ob dieser die Bücher überhaupt lesen könne, doch die Frage schluckte er herunter. Sein Bauchgefühl riet ihm, diesen mysteriösen Mann so schnell wie möglich hinter sich zu lassen und sich wieder auf den Fall zu konzentrieren, wenn es denn überhaupt einer war. Noch musste er auf die Ergebnisse der Spurensicherung warten, doch irgendwas in seinem Hinterkopf sagte ihm, dass es vielleicht nicht doch ein Unfall oder eine Krankheit waren, die Herrn Kitai niedergestreckt hatten.

„Vielen Dank, Sie sind damit entlassen … fürs erste“, sagte Takagi, nachdem er Gins Angaben ebenfalls notiert hatte. Dieser dagegen erwiderte nichts, warf dem jungen Polizisten einen letzten, kalten Blick zu. Was das ungute Gefühl in Takagis Magengegend nur verstärkte.

 

Takagi ging noch einmal seine Notizen durch, versuchte zu überlegen, ob und was er vielleicht bereits jetzt übersehen haben könnte. Doch so recht schlau wurde er daraus nicht. Seufzend drehte er sich von Gin weg, welcher sich bereits wieder voll und ganz auf das dünne Buch in seinen Händen konzentrierte. Vermutlich wartete er darauf, dass die Polizei die Situation so schnell wie möglich auflösen würde, damit er die Bücher bezahlten und gehen konnte. Dennoch, was Gin gesagt hatte, brachte Conan zum Nachdenken.

Warum interessiert sich Gin, nein, die Organisation für derartige Dinge? Aktuelle Erkenntnisse der Hirnforschung und der Inneren Medizin? Wozu möchte die Organisation das Wissen aus Deutschland dazu? Hat es etwas mit dem Gift zu tun, welches sie entwickelt haben? Oder mit etwas anderem?

Doch so sehr Conan darauf geistig kaute, er kam und kam zu keinem Ergebnis, was ihn mehr als deutlich frustrierte. Er hatte eine Spur bekommen, die ihn in eine Sackgasse führte, für den Moment zumindest. Dennoch versuchte er, sich alles aus Gins Aussage gut einzuprägen. Wissen, welches er später gut gebrauchen könnte, um der gesamten Organisation auf die Spur zu kommen.

Takagi dagegen hatte sich Frau Izanagi genähert und weckte dadurch Conans Aufmerksamkeit, indem er die ältere Dame so sanft wie möglich ansprach.

„Frau Izanagi, geht es Ihnen mittlerweile wieder besser?“, wollte er von ihr wissen, woraufhin sie ihren Kopf hob und den Polizisten für ein paar Sekunden schweigend ansah. Dann nickte sie schwach.

Als Conan die roten Augen auffiel, an welchen sie nach wie vor Tränen mit einem Taschentuch wegwischte, bekam er sofort Mitleid mit der älteren Dame.

„Ist es in Ordnung, wenn ich Ihnen ein paar Fragen stelle? Natürlich nur, wenn Sie sich in der Lage dazu fühlen…“, sagte Takagi einfühlsam und kurz überlegte er, ob er die Befragung nicht doch weiter aufschieben sollte, da faltete Frau Izanagi ihr Taschentuch zusammen und legte es auf dem Tresen ab.

„Nein, stellen sie ruhig Ihre Fragen, Herr Takagi, ich denke, ich werde sie Ihnen jetzt beantworten können“, sagte Frau Izanagi so gefasst wie möglich. Dennoch beobachtete Takagi sie für mehrere Augenblicke, bevor er sie nach all den Daten befragte, welche er schon von den anwesenden Herren wissen wollte. Frau Izanagi hörte sich die Fragen an, atmete mehrere Male tief ein und aus. Als sie das Gefühl hatte, sich wieder komplett gefangen zu haben und sich sicher fühlte, sah sie Takagi direkt in die Augen.

„Nun, meinen Namen kennen Sie ja bereits, er lautet Kiyo Izanagi. Ich bin vor wenigen Wochen erst 50 Jahre alt geworden und ich arbeite seit über 10 Jahren als Verkäuferin in dieser Buchhandlung. Heute sind Herr Kitai und ich hier alleine eingeteilt, er arbeitet erst seit fünf Jahren hier, seit er den Laden von seinem Vater übernommen hat. Schlimme Sache, was mit ihm passiert ist, aber seine fortgeschrittene Rheumaerkrankung hat es ihm am Ende nicht mehr so einfach gemacht. Wie dem auch sei, ich bin hier seit dem frühen Morgen, wie auch Herr Kitai. Heute ist ein sehr ruhiger Tag, das ist es immer, weshalb wir hier nie so viele Angestellte benötigten. Um ehrlich zu sein, ich habe nicht darauf geachtet, wann Herr Kitai vorhin ins Lager gegangen war. Ich habe ihn auch nicht gesucht, da er für das Lager zuständig ist und dort ständig irgendwelche Dinge erledigt. Wenn er nicht gerade hier ist und die Kundschaft begrüßt.“

Sie blickte zur Seite und fing zu überlegen an. Dann teilte sie mit Takagi, was ihr noch in Erinnerung gekommen war.

„Die genauen Uhrzeiten kann ich ihnen nicht nennen, wann die Herren hier einzeln reingekommen sind, aber vom Gefühl her würde ich ihnen doch zustimmen. Als letztes kam der kleine Conan hier, er hat sich ein Buch vorbestellt und ich hatte die Freude, ihn davon unterrichten zu dürfen“, sagte sie und lächelte in Conans Richtung. Dieser erwiderte das Lächeln, so gut es ging und winkte zu ihr herüber.

„Mal sehen, danach hat mich erst Herr Haruta in ein Gespräch verwickelt, er wollte wissen, ob wir irgendwelche neuen Bücher über Kleidungsschnitte haben. Naja, wir haben uns dann ein bisschen im Gespräch verloren, wie es nun mal so passiert. Danach hatte ich ein bisschen Zeit für mich, bis mich Herr Yagami auf meinen Vorgesetzten angesprochen hatte. Erst dann fiel mir auf, dass ich ihn schon länger nicht mehr gesehen hatte, was mir doch merkwürdig vorkam. Vor allem, da er gerne die Kundschaft begrüßt, sobald sie den Laden betritt, oder kurz danach. Dann habe ich nachgesehen und er, er lag einfach auf dem Boden und hat nicht mehr geatmet, er …“

Schluchzend und um Atem ringend, nahm sie ihr Taschentuch wieder in die Hand und wischte sich neue Tränen von den Augen weg. Takagi legte ihr eine Hand auf die Schulter und streichelte diese, versuchte die ältere Dame wieder zu beruhigen.

„Es wird alles wieder gut, Frau Izanagi, das verspreche ich Ihnen. Versuchen Sie nicht zu sehr daran zu denken. Sie haben mir schon mehr als ausreichend geholfen. Wenn ich das richtig verstanden habe, waren Sie die ganze Zeit hier am Tresen. Damit wären Sie sowieso aus dem Schneider, sollte … es doch kein Unfall sein. Wir können im Augenblick noch nichts ausschließen, solange die Spurensicherung noch nicht mit ihrem Teil der Arbeit fertig ist.“

Woraufhin Takagi ihr ein hoffnungsvolles Lächeln schenkte, welches sie zögernd erwiderte. Es war eine Hoffnung, doch Conan war bewusst, dass diese schon längst auf wackeligen Beinen stand und jederzeit zusammenbrechen konnte. Zumal er die Wahrheit bereits längst erkannt hatte.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Das Kapitel ist am Ende doch länger geworden, also hatte ich mich dazu entschlossen, es in zwei Teile aufzuteilen. Das nächste Kapitel wird allerdings erst in zwei Wochen rum kommen^^° Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Mangafan0
2022-06-23T18:20:40+00:00 23.06.2022 20:20
Schön das es länger wird, es liest sich sehr flüssig und macht neugierig wie es weiter geht.
Die Befragung von Gin durch Takagi kann man sich bildlich seht gut vorstellen und dessen ungutes Bauchgefühl nur zu gut nachvollziehen.
Das Conan hier durch die Anwesenheit von Gin behindert wird gibt dem ganzen noch einen zusätzlichen Reiz.

Antwort von:  KiraNear
24.06.2022 11:37
Hallo und danke wieder für deinen Kommentar :-)
Ja, das Kapitel wäre fast noch viel länger geworden, aber dann hätte es längenmäßig nicht mehr zum Rest gepasst, deshalb wird es jetzt vier Kapitel geben statt drei.
Takagi hat mir in dem Moment echt leid getan, aber da musste er durch^^°
Stimmt, normalerweise würde er den Fall wie immer lösen, aber jetzt, wo Gin mit dabei ist ... schwierig.

Bis zum nächsten Mal :-)


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