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Der Untergang der Isekai

von

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Taubheit

Du warst nie etwas anderes als ein Werkzeug für ihn. Diese Worte hallten seit Tagen in meinem Kopf wie tausend Schreie. Er hatte recht. Wenn irgendjemandem mehr an mir liegen würde, hätten sie mir geholfen. Mich hier rausgeholt. Oder mir zumindest etwas Wasser gegeben. Beim Gedanken daran fühlte ich, wie trocken meine Kehle brannte. Schwer lag mein Körper auf der Matratze. Die Kraft aufzustehen hatte ich längst nicht mehr. Langsam schloss ich meine Augen. Was für ein trauriger Weg zu gehen. Ein letztes Mal noch, hätte ich gern seine Stimme gehört. Ein letztes Mal sein Lächeln gesehen. Aber dieser Wunsch blieb unerfüllt. Es war ihm egal, dass ich hier unten am Ende meiner Kräfte war. Es war jedem egal. Selbst Tränen vergießen konnte ich nicht mehr. Ich fühlte mich leer. Taub. Ich wollte nicht mehr kämpfen.
 

Sternenstaubdrache rief nach mir. Er wollte nicht aufgeben. Er wollte, dass ich lebe. Ein trauriges Lächeln kämpfte sich in mein Gesicht. Da war er der einzige. Selbst mit ihm, habe ich mich in meinem Leben nie einsamer gefühlt. Niemand würde mir helfen. Dann hilf dir selbst, hallte es in meinem Kopf. Nur wie? Plötzlich kamen mir die Insignien wieder in den Sinn. Wenn ich nur Magie beherrschen könnte. Den Zauber, der mir helfen würde, kannte ich. Wie oft hatte ich ihn in den letzten Tagen probiert? Meine letzte Kraft dafür aufgebracht, ihn zu wirken. Wäre die astrale Energie von Sternenstaubdrache nicht gewesen, wäre ich bei dem Versuch längst gestorben. Aber er bestand darauf, es noch einmal zu probieren. Nur noch ein letztes Mal. Ich war so müde…
 

„Warum willst du sterben?“ fragte eine vertraute Stimme. Verwundert sah ich mich um. Wohin man auch sah, da war nur ein Meer aus Wolken, die in violettes Licht gehüllt waren. Dunkel erinnerte ich mich an den Anblick. Ich war auf dem Nebelberg. Im Reich der Schatten.

„Bin ich tot?“ fragte ich die schmale Gestalt. Der königsblaue Umhang umspielte Atemus Körper. Besorgt musterte er mich.

„Noch nicht, aber bald. Willst du denn gar nichts dagegen tun?“

„Und was?“ fragte ich verzweifelt. „Ich komme nicht aus dieser Zelle und habe den Patet Aqua Zauber unzählige Stunden versucht. Es hilft nichts, ich kann es nicht!“ Mein Blick senkte sich. Zumindest in dieser Welt flossen die Tränen, die ich längst nicht mehr vergießen konnte. „Ich kann nicht mehr“ wisperte ich.

„Bleib am Leben“ hörte ich eine leise Stimme und sah überrascht auf. Vor mir stand nicht mehr Atemu. Immer größer wurden meine Augen, als ich die Gestalt meines Vaters erblickte. Ein trauriges Lächeln legte sich auf seine Lippen. „Dass du mich hier und jetzt klar vor dir sehen kannst, ist ein schlechtes Zeichen.“ Ungläubig schüttelte ich den Kopf, doch er sprach weiter. „Hast du denn nichts wofür es sich zu leben lohnt?“

Habe ich das? Ich weiß es nicht mehr. „Haou“ murmelte ich. Spürte schon wieder eine Träne, die über meine Wange rollte. Warum dachte ich als erstes ausgerechnet an ihn? Er hatte mich mein Leben lang belogen. Doch er war nicht das einzige, wofür es sich lohnte zu leben. Yugi, Mana, Mai, Yubel. Sternenstaubdrache. Die Isekai. Ich wollte doch mein Land beschützen. Ich wollte meine Heimat beschützen. Jetzt kämpfte sich auch in mein Gesicht ein Lächeln und ich sah wieder auf. Zufrieden betrachtete mich mein Vater.

„Versuch es noch einmal.“
 

Langsam öffnete ich meine Augen. Versuchte meine trägen Muskeln zum Aufstehen zu bewegen. Ein letztes Mal. Ein letztes Mal wollte ich es versuchen. Ich wollte leben. Ich kämpfte mich aus dem Bett und wankte zu meinem Übungsplatz. Auf dem Boden war bereits der Bannkreis gezeichnet, die Insignien waren an ihrem Platz. In der Mitte stand eine kleine Schale, die ich mit Wasser füllen wollte. Ich hatte Mühe aufrecht sitzen zu bleiben, nahm all meine verbliebene Kraft zusammen. Ein letztes Mal atmete ich tief durch, spürte die Energie meines Drachen durch mich hindurch fließen und legte meine Hände auf den Bannkreis. Ich musste es einfach schaffen. Ein seltsames Kribbeln durchflutete meinen Körper. So weit war ich bereits einige Male gekommen. Ich musste mich nur darauf fokussieren, die Energie in den Bannkreis umzuleiten, doch so schnell, wie ich das kribbelnde Gefühl spürte, flaute es wieder ab. Resigniert seufzte ich. Komm schon. Du musst es schaffen. „Hör auf zu denken.“ Diese Worte hatte Yubel im unterirdischen Dorf an mich gerichtet. Wieder atmete ich tief durch, ließ mich von den Gefühlen leiten. Meine Arme zitterten, meine Hände fühlten sich kalt an. Ich dachte nicht nach, konzentrierte mich nur auf die Energie meines Drachen. Eine wohlige Wärme durchflutete mich. Ich muss leben. Ich muss kämpfen. Ich muss sie beschützen. Ich will sie beschützen. Meine Beine waren kalt, meine Hände spürte ich kaum noch. Langsam ging mir auch das letzte bisschen Kraft aus. Ich kämpfte verbissen gegen das Gefühl der Ohnmacht an. Es war zwecklos. Ich würde es nie schaffen. Zumindest hatte ich es probiert. Es tut mir leid, Vater. Ich habe es wirklich versucht. Der Energiefluss stoppte, und ich öffnete meine Augen. Mir stockte der Atem. Immer weiter riss ich sie auf, konnte nur die kleine Schale im Bannkreis anstarren. Wasser. Nicht nur die Schale war voll damit, auch die Zelle hatte ich einige Zentimeter unter Wasser gesetzt. Hastig griff ich nach der Schale, setzte sie an meine Lippen. Das kühle Wasser war wohltuend. Ich vergaß fast Luft zu holen, hörte ein Plätschern, als die Schale ins Wasser viel. Das Gefühl der Ohnmacht wurde stärker. Aber ich hatte es geschafft. Ein kleines Schmunzeln bildete sich in meinem Gesicht, doch dann verschwamm meine Welt gänzlich.
 

Die Dunkelheit wog mich in eine angenehme Ruhe. Die Kälte spürte ich nicht mehr. Ich hatte es geschafft. Nur leider war es zu spät. Die Stille um mich herum war so friedlich. Entfernt hörte ich das Brüllen meines Drachen, aber es kam nicht zu mir hindurch. Als wäre ich in eine dicke Schicht Watte gepackt. In der Ferne sah ich ein Licht. Ich sträubte mich darauf zuzugehen. Zu sehr fühlte es sich nach Schmerz an. Nach Kälte. Die sanfte Dunkelheit und Ruhe waren mir lieber. Vor mir tauchten seltsame Visionen auf. Von einem Dolch und einem Stück Pergament. „Sie dürfen es nicht an sich nehmen“ hauchte eine Stimme. Lebe oder sterbe ich? Ist das ein Traum oder eine seltsame Zwischenwelt? Ich wusste es wirklich nicht. Das Licht wurde heller, zog mich magisch an. Es bedeutete Schmerz, es bedeutete Leid. Es bedeutete Liebe und Wärme. Es bedeutete Leben. Ich riss die Augen auf, versuchte einen tiefen Atemzug zu nehmen, doch meine Lunge füllte sich nicht. Mir war, als würde ich ertrinken. Die wohlige Dunkelheit wurde kälter, zäher. Ich war im Wasser. Mühsam kämpfte ich mich durch das Blau, immer weiter bis zum Licht. Weit war es nicht mehr, ich konnte die Sonne hinter der Oberfläche schon sehen. Als ich sie durchbrochen hatte, füllte sich meine Lunge endlich wieder mit Luft. Auf einen Schlag war ich von einer wohligen Wärme umgeben.
 

Das Nächste, was ich sah, waren grelle Neonröhren, die auf mich herabschienen. Kaltweiße Wände, wohin man auch sah. In dem großen Raum verteilt standen Betten. Einige waren belegt. Ein stechender Geruch lag in der Luft, den ich nicht zuordnen konnte. Ich stutzte, brauchte einen Moment, um mich zu erinnern. Diesen Raum kannte ich. Neben mir hing ein großer Spiegel. Ich erschrak. Meine Haut war blass, meine Lippen spröde. Dunkle Ringe umrahmten meine Augen. Selbst unter der weißen Kleidung, die ich in meinem Traum immer trug, konnte man erahnen, dass ich zu dünn war. Sehe ich wirklich so aus?

Ich verließ den Raum, ging durch den langen Gang. Eine Gruppe Menschen kam mir entgegen. Wieder glitten sie einfach durch mich hindurch. Dieses Mal jagte es mir keine Angst ein, nur seltsam war es immer noch. Als ich wieder an der schweren Eisentür halt machte, war sie geöffnet. Einige Menschen saßen vor Bildschirmen, klickten sich durch unbekannte Codes und schienen gestresst. „Ich fasse es nicht, dass keiner eine Sicherheitskopie gemacht hat!“ sagte ein Mann mit schwarzem Haar und einer Narbe unter seinem Auge vorwurfsvoll.

Eine blonde Frau rückte ihre Brille zurecht, sah den schwarzhaarigen genervt an. „Vorwürfe bringen uns hier nicht weiter. Sie können noch nichts ausrichten, Trudge. Also verschwinden Sie!“

Ein Zischen und der Mann rauschte wütend auf mich zu. Ich machte ihm Platz, auch wenn er ohnehin durch mich hätte durchgehen können.

Neugierig sah ich mich um. Die Leute an den Maschinen sahen gestresst aus, hatten ebenfalls dunkle Schatten unter den Augen. Doch keiner dachte daran aufzuhören. An irgendetwas arbeiteten sie wie im Wahn. „Na schön, die Tests sehen soweit ganz gut aus, wir versuchen es nochmal!“ rief die Frau mit der Brille. Jemand bediente einen Hebel, fuhr irgendeine Maschine hoch. Durch die Kabel, die zum großen Tor in der Mitte führten, floss eine seltsame Energie. Ein Summen hallte von den Wänden wider. Alle betrachteten gespannt das Schauspiel, bis ein ohrenbetäubender Lärm mich zusammenzucken ließ. Plötzlich leuchteten die grellen Neonröhren rot, alle wuselten aufgeregt durcheinander. Hebel wurden umgelegt, Knöpfe gedrückt. Es war ein einziges Chaos. Schließlich hörte das Geräusch auf, die Neonröhren leuchteten wieder weiß. Die blonde Frau seufzte. „So ein Mist“ murmelte sie, wandte sich an ihre Kollegen. „Für heute ist Schluss, wir machen morgen weiter.“

„Aber wir müssen sie zum Laufen bekommen, Dr. Hawkins!“ wandte ein anderer ein.

Doch sie schüttelte nur milde den Kopf. „Wenn wir jetzt weiterarbeiten, werden wieder Fehler passieren. Wann haben Sie das letzte Mal geschlafen? Und zwar länger als zwei, drei Stunden?“ Er mied ihren Blick, was ihr als Antwort zu reichen schien. Dann wandte sie sich wieder allen zu. „Morgen früh acht Uhr. Bitte ruht euch bis dahin aus.“

Damit verließ sie den Raum. Die anderen erledigten noch einige letzte Handgriffe und schlossen sich ihr an. An was sie wohl arbeiten? Sicher an dieser großen Maschine in der Mitte, aber was ist ihr Zweck? Noch einmal sah ich mich um. Jetzt, wo alle verschwunden waren, war dieser Raum so friedlich wie in meiner Erinnerung. Alle Bildschirme waren schwarz, bis auf einen blinkenden, grünen Strich am oberen Bildrand. Ein kleines Schmunzeln legte sich auf meine Lippen. Eine leere Leinwand. Das hätte mein Vater jetzt gesagt. Verstohlen sah ich wieder zurück, doch ich war allein. Also setzte ich mich an den Stuhl vor dem größten Bildschirm. Ich dachte nicht darüber nach, tippte einfach den Wald ein, wie ich ihn in meiner Erinnerung sah. Ohne ihn fehlte in diesem Raum einfach etwas. Als ich fertig war, betrachtete ich zufrieden mein Werk. Jetzt sieht es gleich viel besser aus. Ich stand auf, drehte mich zu der großen Maschine, doch stockte. In der Tür stand wieder dieser blonde Mann, sah sich suchend um. Ein kleinerer Mann, etwa in meinem Alter, mit orangefarbenem Haar und grauen Augen stand neben ihm, sah ihn mahnend an. „Schon vergessen, dass wir Zutrittsverbot haben?“ flüsterte er.

„Hast du das nicht auch gespürt?“ antwortete er leise.

„Schon, aber beim letzten Mal hat dir Trudge die Hölle heiß gemacht, als er dich hier erwischt hat.“

Irgendwas murmelte der Blonde, doch ich verstand es nicht. Plötzlich traf sein Blick meinen, er verengte seine Augen zu Schlitzen, als ob er etwas besser erkennen wollte. Schließlich weiteten sie sich. Der Blonde stupste seinen Freund mit dem Ellbogen an, ließ mich nicht aus den Augen. Der kleinere folgte seinem Blick, sah mich ebenso überrascht an. „Du hattest recht“ hauchte er. Verwundert drehte ich mich um. Ich stand direkt vor dem Bildschirm. Vermutlich sehen sie sich nur den Wald an. Schritte kamen näher. Plötzlich berührte etwas meinen Arm und ich wich automatisch vor der Bewegung zurück, wich zur Seite aus. Überrascht stellte ich fest, dass der Blonde mich berührt hatte. Er war zurückgetreten, schien mich sorgenvoll zu mustern. In dem Gesicht des kleineren lag ein gewisser Schmerz. Moment… Normalerweise konnten mich die Menschen in meinen Träumen nicht berühren. Sie glitten einfach durch mich hindurch. Aber er… hatte mich anfassen können. „Yusei?“ fragte der kleinere mit brüchiger Stimme.

Ihr könnt mich sehen? Ich versuchte die Frage zu stellen, doch nur meine Lippen bewegte sich. Kein Laut drang aus meiner Kehle. Mein Herz schlug schneller. Ob vor Aufregung oder Furcht, konnte ich nicht sagen. Wieder streckte der größere seinen Arm nach mir aus, doch ich wich zurück. Stolperte über eine Kante und fiel nach hinten. Ich sah noch ihre schockgeweiteten Augen. Plötzlich wurde alles in feuerrotes Licht getaucht.
 

Ich riss die Augen auf, saß aufrecht im Bett, atmete nur stoßweise. Mein Arm brannte. Mein Herz schlug so laut, dass es in meinen Ohren rauschte. Nur vage hörte ich vertraute Stimmen, spürte sanfte Berührungen. Es dauerte einen Moment, bis ich wirklich in der Realität landete. Doch so real schien sie mir nicht zu sein. Mana saß neben mir in Bett, tätschelte meine Schulter, Yugi hielt meinen Arm auf der anderen Seite. Beide sahen mich verwirrt, vielleicht etwas verstört an. Aber ich war doch in meiner Zelle. Wie kann das sein? Träume ich immer noch? „Geht’s wieder?“ fragte Yugi unsicher.

„J-Ja“ antwortete ich. Doch es klang mehr nach einem Krächzen. Ein Husten schüttelte mich, mein Hals fühlte sich staubtrocken an. Mana reichte mir ein Glas Wasser. Dankend nahm ich es an, trank es in einem Zug leer.

„Ich hole Fonda“ verkündete Yugi, huschte aus dem Raum heraus.

Als ich mich endlich wieder im Griff hatte, sah ich Mana durchdringend an. „Was macht ihr hier? Ihr werdet schrecklichen Ärger bekommen.“ Schließlich durfte kein Außenstehender das Palastgelände ohne Einladung betreten.

Sie lächelte sanft, nahm mir das Glas ab und drückte mich behutsam in die Matratze. „Mach dir darüber keine Sorgen. Wie geht’s dir?“

Flüchtig sah ich mich um. Der lichtdurchflutete Raum war mir unbekannt. Gemütlicher als in meiner Zelle war es hier allemal. Plötzlich ging dir Tür auf. Eine rothaarige Dämonin betrachtete mich fröhlich. „Schön, dass du wieder zu dir gekommen bist, Yusei. Mana, würdest du uns für einen Moment entschuldigen?“ Meine Freundin nickte, sah noch einmal lächelnd zu mir und drückte meine Hand. Dann verschwand sie aus dem Raum. „Ich bin froh, dass du wieder wach bist“ sagte sie, legte ihre Hand auf meine Stirn. Dann fühlte sie meinen Puls und lächelte zufrieden. „Du hast uns einen ganz schönen Schrecken eingejagt.“

„Was ist passiert? Warum sind meine Freunde hier? Wo bin ich?“

Sie seufzte ermattet, legte ihre Hand auf meine Schulter. „Ganz ruhig, es ist alles in Ordnung. Du bist in einem Behandlungsraum. Es tut mir alles so leid. Wirklich. Ich habe versucht mit dem Hauptmann zu reden, aber du kennst ihn ja. Er ist stur, wie eine Herde Grimore… Er wollte dir keine Nahrung und kein Wasser bringen lassen. Ehrlich gesagt war ich überrascht, dass du so lange überlebt hast. Du hast es deinen beiden Freunden da draußen zu verdanken, dass du noch lebst. Sie haben sich auf das Palastgelände geschlichen, dich in deiner Zelle am Boden gesehen, und dann dem König bescheid gegeben. Er ist sofort zu dir geeilt und bat mich zu helfen. Als ich in die Zelle kam, hast du mir einen Riesenschreck eingejagt. Du lagst bereits im Sterben. Wärst du nur etwas später gefunden worden, wäre es zu spät gewesen.“

Überrascht musterte ich sie. Yugi und Mana haben sich meinetwegen in Gefahr begeben? Und Haou ist zu mir geeilt, als er davon erfahren hat? Dann wusste er nichts davon? Ich dachte, das wäre alles auf seinen und Jesses Befehl hin passiert. Erschöpft ließ ich mich in das weiche Kissen sinken, atmete langanhaltend aus. „Dann wusste König Haou nichts davon.“

„Nein“ bekräftigte sie. „Unser König war besorgt um dich, glaub mir.“ Ein wenig beugte sie sich zu mir, hielt ihre Hand vor den Mund, als ob ihre nächsten Worte ein Staatsgeheimnis wären. „Als er dich gefunden hat, musste ich ihm gut zureden, damit ich dich in den Behandlungsraum bringen konnte. Er wollte dich nicht aus seinen Armen lassen.“

Dann war er wirklich besorgt um mich? Auf einen Schlag fühlten sich meine Wangen ganz warm an. Doch ich wollte das Kribbeln in meinem Bauch beiseiteschieben. Er war sicher nur besorgt um mich, weil sein Plan ohne mich nicht aufgehen konnte. Ich war eben nur ein Werkzeug…
 

Das Geräusch der sich öffnenden Tür riss mich aus meinen Gedanken. Herein trat ein Heiler. In seiner Hand hielt er eine Schüssel mit dampfendem Inhalt. Es roch verführerisch und ich spürte das Stechen in meinem Magen wieder deutlich. „Ich danke dir“ sagte Fonda, nahm ihm die Schüssel ab. Du kannst den Beiden sagen, dass sie gleich wieder reinkommen können.“ Der Heiler nickte und verließ den Raum. Der köstliche Duft ließ mich trocken schlucken. An meine letzte warme Mahlzeit konnte ich mich kaum erinnern. Das war definitiv vor meiner Reise zum Nebelberg. „Du musst erst wieder zu Kräften kommen“ bemerkte Fonda freundlich und stellte die Schale auf den kleinen Beistelltisch ab. Dann griff sie sich ein Kissen aus einem anderen Bett und kam wieder zu mir. „Kannst du dich aufsetzen?“ Ich stemmte meine Hände in die Matratze und versuchte mich hochzudrücken. Fonda stützte mich im Rücken. Allein diese kurze Bewegung brachte mich bereits an den Rand der Erschöpfung. Meine ganze Energie hatte ich in den letzten Tagen verbraucht. Da fiel mir etwas ein und ich sah zu Fonda, während sie mich wieder in das Kissen drückte. Dieses Mal saß ich dank der Stütze im Rücken jedoch beinahe aufrecht. „Wie lange war ich weggetreten?“

Einen Moment schien sie zu überlegen. „Nicht lange, wenn man deinen Zustand bedenkt. Vielleicht 15 Stunden.“ Überrascht betrachtete ich sie. 15 Stunden sollen nicht lang sein? Das entlockte ihr ein belustigtes Grinsen. „Den Schlaf hattest du nötig, um deine Energiereserven zu füllen. Aber jetzt iss erstmal etwas, damit du wirklich wieder zu Kräften kommst.“ Mein Magen bestätigte ihre Aussage.

In diesem Moment ging erneut die Tür auf und meine Freunde betraten lächelnd das Zimmer. Fonda überließ den beiden das Feld, flüsterte Mana noch etwas zu, ehe die beiden sich wieder an meine Seite setzten.
 

Yugi strahlte mich an. „Ich bin so froh, dass du wieder wach bist. Wir hatten wirklich Angst um dich!“

„Entschuldige“ sagte ich, lächelte milde. „Und danke, dass ihr euch so für mich eingesetzt habt. Das werde ich euch nie vergessen.“

„Das war selbstverständlich. Du bist unser Freund“ erwiderte er glücklich.

„Yugi hat recht.“ Sie griff sich die Schüssel und schöpfte etwas von dem Inhalt auf einen Löffel. Hielt ihn mir auffordernd entgegen. Will sie mich jetzt etwa füttern? Skeptisch betrachtete ich sie, was sie lachen ließ. „Anordnung deiner Heilerin. Du sollst dich schonen, also Mund auf!“

Da sie keine Anstalten machte mir die Schale einfach zu überlassen, beugte ich mich widerwillig und öffnete meinen Mund. Es war nur eine klare Brühe mit einigen Gewürzen und etwas Reis, aber es tat unheimlich gut. Das schmerzhafte Stechen in meinem Magen wurde mit jedem Löffel erträglicher. „Wie habt ihr es überhaupt geschafft mich zu finden?“ fragte ich. Schließlich war ich im Hochsicherheitstrakt eingesperrt. Das Fenster zu meiner Zelle lag im Innenhof des Gebäudekomplexes.

„Wir hatten Hilfe“ antwortete Mana, während sie mir den nächsten Löffel entgegenhielt. „Mai hat herausgefunden wo du steckst, also hat sie uns zu dir geführt. Zumindest bis zum Fenster deiner Zelle. Als wir dich nur auf dem Boden liegen sahen, hat Joey uns geholfen ein wenig Chaos zu stiften, damit wir in den Palast eindringen konnten.“

„An Yubel vorbeizukommen war schwieriger“ schaltete sich Yugi ein. „Sie wollte uns nicht in den Thronsaal lassen, obwohl wir gesagt haben, dass es dringend ist. Also hat Mana sie mit dem schwarzen Magiermädchen überrascht, während ich einen Blendzauber auf sie geworfen habe. Mich hat sie sofort erwischt, aber Mana konnte zumindest so weit durchkommen, dass sie dem König von dir berichten konnte.“

„Ja, und er hat sich sofort auf den Weg gemacht!“

„Habt ihr keinen Ärger bekommen?“ fragte ich irritiert. Schließlich hatten sie sicher ein duzend Gesetze gebrochen.

„Wir hatten wirklich Angst vor der Strafe“ sagte Mana, lächelte aber. „Die ist aber nicht schlimm ausgefallen, im Gegenteil. Der König hat uns aufgetragen bei dir zu bleiben. Wir können auf das Gelände, wann immer wir wollen, um dich zu besuchen.“

„Das war eure Strafe?“ murmelte ich irritiert.

Yugi nickte. „Er war uns dankbar, dass wir dich rechtzeitig gefunden haben. Ich glaube, er hat sich wirklich große Sorgen um dich gemacht.“

Ich senkte den Blick, hörte ein leises Klirren, als Mana die Schale neben mir abgestellt hatte. Ihre warme Hand legte sich auf meinen Unterarm, doch ich traute mich nicht aufzusehen. Haou hatte sich nur Sorgen um seinen Plan gemacht, nicht um mich. Da war ich mir sicher. „Was ist los?“ fragte sie behutsam, doch ich schüttelte nur den Kopf. Ich konnte es ihnen nicht sagen. Noch so ein Geheimnis, das ich für mich behalten musste.

„Du hast dich bestimmt einsam gefühlt in den letzten Tagen“ bemerkte Yugi. „Wie geht’s dir denn?“

„Schon okay“ sagte ich, versuchte zu lächeln. „Ich hatte Sternenstaubdrache, also war ich nicht allein.“ Da fiel mir etwas ein und ich sah wieder auf. „Wart ihr bei meiner Prüfung dabei?“

Mana nickte zerknirscht. „Tut uns leid, wie dich das Publikum behandelt hat. Deswegen wollten wir uns überhaupt erst zu dir schleichen. Das war bestimmt hart für dich.“

Doch ich winkte ab. „Schon in Ordnung, das meine ich nicht. Ich wollte eigentlich wissen, wie sie auf Sternenstaubdrache reagiert haben. Nachdem er aufgetaucht ist, konnte ich um mich herum nichts mehr sehen.“

Überrascht wechselten die beiden einen Blick. Es war Yugi, der mir seine Antwort gab. „Naja zuerst gab es eine kurze Panik. Aber nachdem uns gesagt wurde, dass das dein Schutzgeist war, ist sie ziemlich schnell wieder verflogen. In der Stadt gibt es gerade kein anderes Gesprächsthema mehr.“

„Also haben sie Angst vor mir“ schlussfolgerte ich leise.

Mana schüttelte den Kopf. „Nicht alle, glaub mir. Die meisten nehmen dich nicht als Bedrohung wahr, sondern als Wunder.“ Irritiert betrachtete ich Mana. Sie schien ihre Worte abzuwägen. „Das letzte Mal, als uns ein Drache erschienen ist, ist etwa 150 Jahre her. Die Meisten haben in ihrem Leben noch nie einen gesehen. Als vor 100 Jahren der letzte Drache starb, dachten alle, das Land wäre schutzlos ohne sie. Schließlich sind es die mächtigsten Schutzgeister die es gibt. Und ein Dämon, der sich mit einem Drachen verbunden hat, hatte in der gesamten Geschichte noch nie böse Absichten. Die meisten Dämonen sehen jetzt zu dir auf. Angst haben nur ganz wenige, aber das liegt bestimmt daran, dass sie verunsichert sind.“

Sie haben keine Angst vor mir? Diese Tatsache erleichterte mich, wie sie mich auch überraschte.
 

„Eine Frage hab ich noch“ sagte Yugi, sah mich unschlüssig an.

„Welche?“

„Naja… Was ist das?“ Er deutete dabei auf meinen rechten Arm.

Ich sah an mir hinab, seufzte lautlos. Das Drachenmal. „Keine Ahnung, ich weiß nichts darüber. Ich habe es, seit ich mich mit meinem Drachen verbunden habe.“

„Weißt du… Vorhin, kurz bevor du aufgewacht bist, hat es angefangen zu leuchten. Aber als du hochgeschreckt bist, ist es kurz darauf wieder erloschen. Ich habe mich nur gefragt, was das zu bedeuten hat.“

„Hm.“
 

Ob das mit meinem Traum zu tun hatte? Schließlich brannte es immer dann, wenn ich aus diesen seltsamen Träumen aufgewacht war. Atemus Antwort auf diese Frage war eher vage. Und sie verriet mir nicht, warum es ab und an leuchtete.



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