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Vermeintliche Verspätung

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Vermeintliche Verspätung

Shuichi saß nervös in dem kleinen Büro, welches James in Tokyo gemietet hatte, und starrte auf den Schreibtisch von Jodie. Dieser war immer aufgeräumt. Links hatte sie alle Unterlagen an denen sie gerade aktiv arbeitete oder die sie für weitere Ermittlungen brauchte. Manchmal lag dort auch ein Stapel, den die Agentin noch einmal durchlesen wollte, um wieder auf dem aktuellen Stand zu sein. Rechts davon standen sämtliche Gegenstände die sie für ihre alltägliche Arbeit brauchen konnte: Taschenrechner, Büroklammern, Locher, Stifte und und und… Außerdem gab es ein altes Familienfoto, welches Jodie mit ihren Eltern darstellte und sie immer an die damalige Zeit erinnern sollte. Zusätzlich hatte es auch noch ein Foto von ihm, James und Camel auf den Tisch geschafft, allerdings immer nur dann, wenn sie alleine im Büro war. Shuichi hatte schon häufiger bemerkt, dass sie dieses Bild im Schrank verwahrte, wenn auch er im Büro war. Nach dem Grund hatte er allerdings nie gefragt.

Nur wenn Jodie Urlaub machte oder lange im Außendienst tätig war – was eigentlich nie vorkam – stapelten sich die Unterlagen auf ihrem Tisch. Manchmal legte auch er ihr ein paar Akten hin und hoffte, dass sie sich um den lästigen Papierkram kümmerte oder diesen für ihn wegsortierte.

Im Vergleich zu Jodies Tisch stand auf seinem Tisch nur das notwendigste, was am häufigsten sein Computer war. In seltenen Fällen lag eine Zeitung auf seinem Tisch oder andere interessante Artikel, die er mit der Arbeit in Verbindung brachte. Andere Gegenstände brauchte er nicht. Jodie hatte es in der Vergangenheit bereits mit Fotos versucht, aber die waren alle irgendwann im Müll oder Schrank gelandet.

Da Jodie häufiger im Büro war, brauchte sie die Sachen mehr, aber er arbeitete lieber außerhalb. Das war bereits in den Vereinigten Staaten so und hatte sich auch in Japan nicht geändert. Eine Ausnahme war die Observation, wenn er sie aus dem Büro vollziehen konnte oder in seinem Wagen saß und wartete.

Eigentlich hatte Shuichi mit einer Kollegin wie Jodie Glück. Sie erinnerte ihn immer an wichtige Termine, die er sonst gar nicht wahrnehmen würde, brachte ihm Kaffee oder Mittagessen mit und unterstützte ihn bei seinen anderen Aufgaben und Pflichten. Manchmal wusste er gar nicht, was er ohne sie machen würde. Selbstverständlich arbeitete er auch alleine und übernahm die gefährlichen Aufträge und Angelegenheiten, aber es tat gut, jemanden zu haben, der ihm den Rücken stärkte.

Akai nahm das Handy und überprüfte seine Nachrichten. Nichts. Er seufzte. Sie hatte sich nicht gemeldet und das war untypisch für Jodie. Sie meldete sich immer, wenn sie zu spät oder gar nicht mehr ins Büro kam. Sie meldete sich sogar, wenn sie noch einen kleinen Abstecher in den Supermarkt machte oder etwas Anderes entdeckt hatte. Shuichi warf einen Blick auf die Uhr. Seine Gedanken begannen sich selbstständig zu machen. Was, wenn ihr auf dem Weg ins Büro etwas passiert war? Ein Unfall? Oder war am Abend zuvor schon etwas passiert? Vielleicht lag Jodie in ihrer Wohnung und konnte sich gar nicht mehr bewegen? Vielleicht hatte aber auch die Organisation zugeschlagen. Verflucht, dachte sich der Agent und begann eine Nachricht an Jodie zu schreiben. Er rang mit sich selbst. Sollte er sie abschicken? Oder lieber doch nicht? Und gerade als er eine Entscheidung getroffen hatte, ging die Tür des Büros auf.

„Da bin ich endlich“, kam es von Jodie.

An ihrem Tonfall erkannte er, dass irgendwas nicht so lief, wie sie wollte. Aber musste sie ihm dennoch so einen Schrecken einjagen? Er musterte sie. „Na? Auch schon da?“

„Mhm? Du klingst sauer“, meinte die Agentin und ging an ihren Schreibtisch.

„Du bist zu spät.“ Shuichi steckte sein Handy weg und sah wieder auf seinen Bildschirm. Er versuchte möglichst neutral zu klingen. „Gib beim nächsten Mal einfach Bescheid.“

Jodie wirkte überrascht und setzte sich. „Ich hab dir doch eine Nachricht geschrieben, dass mein Wagen heute früh gestreikt hat.“

„Nein, hast du nicht.“

„Doch.“

„Nein.“

„Doch.“

„Jodie, wenn ich es dir doch sage…“ Er seufzte. „Schau doch selbst nach.“

Jodie nahm ihr Handy aus der Tasche und rief die letzten Nachrichten auf. „Oh.“

„Und? Du hast mir keine geschickte.“ Warum diskutierte sie eigentlich mit ihm, wenn die Antwort so offensichtlich war?

Sie kratzte sich verlegen an der Wange. „Ich hab sie getippt, aber scheinbar in der Eile nicht abgeschickt. Sie steht noch im Textfeld.“

„Das ist nicht dein erst…“ Und deswegen hatte er sich Sorgen gemacht.

„Doch, tut mir leid“, murmelte sie entschuldigend. „Das kann doch mal passieren. Sieh es mir bitte nach, ja? Ich wollte nicht, dass du dir Sorgen um mich machst.“

„Ich hab mir keine Sorgen gemacht“, entgegnete er, wohlwissend, dass es eine Lüge war. „Ich sollte nur wissen, wo du bist, falls Black fragt oder für den Fall, dass die Organisation wieder zuschlägt und ich deine Unterstützung brauche. Wenn ich nicht weiß, wo du bist, muss ich immer von dem Schlimmsten ausgehen.“ Letzteres wollte er eigentlich nicht sagen, doch dafür war es bereits zu spät.

„War keine Absicht“, gab Jodie von sich. „Kannst du mir noch einmal verzeihen?“

„Ausnahmsweise“, antwortete Shuichi. „Was ist jetzt mit deinem Wagen?“

Jodie seufzte. „Er ist in der Werkstatt. Aber sie können mir leider kein Ersatzfahrzeug zur Verfügung stellen, da gerade keines verfügbar ist. Also darf ich die nächsten Tage entweder mit dem Taxi herkommen oder mit Bus und Bahn. Naja…es gibt Schlimmeres und bevor du fragst, ich werde natürlich auf der Hut sein, dass mir keiner hierher folgt.“

„Tage?“, wollte der Agent erstaunt wissen. „Vielleicht solltest du dir stattdessen ein neues Auto kaufen.“

„Daran hab ich auch schon gedacht, aber wenn der Wagen in einen größeren Disput mit der Organisation gerät, wär mir mein altes Auto lieber.“ Jodie lehnte sich nach hinten. „Die Werkstatt hat derzeit wohl viele Aufträge und sie gehen davon aus, dass die Reparatur länger dauern wird. Vermutlich müssen sie auch noch ein paar Ersatzteile bestellen. Naja…ich halt das schon aus.“

Shuichi überlegte. „Wenn du willst, hol ich dich morgen früh ab.“

„Echt?“ Jodie lächelte. „Das würdest du wirklich machen?“

„Sonst hätte ich es dir nicht vorgeschlagen“, entgegnete der Agent ruhig. „Überleg es dir.“

„Da muss ich nicht lange überlegen“, antwortete Jodie. „Ich nehme dein Angebot gerne an.“



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