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Erdbeeren im Schnee

Fanfiction Adventskalender 2021 - Tag 18
von

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Erdbeeren im Winter

Yukines Herz schlug schneller, während sich ihr Wagen langsam, aber stetig die Straße hinabbewegte. Zu beiden Seiten der Fahrbahn waren hohe Schneewehen angehäuft, doch zum Glück war die Straße befahrbar. Endlich wieder. Sie war die ganze Woche lang nicht bei Tane gewesen. Umso mehr hatte sie sich gefreut, als sie an diesem Morgen die Nachricht von ihr erhalten hatte, dass die Strecke endlich geräumt war.

Es war nicht mehr weit. Vielleicht noch zwanzig Minuten fahrt. Der kleine Solarwagen war nicht schnell, aber man kam mit ihm am Ziel an. Einzig eine bessere Heizung wünschte sie sich, wenn das Wetter so war, wie diesen Winter.

Sie blinkte, bog auf die kleine Seitenstraße ab, die weiter ins Gebirge und in Richtung des Akan führte, der sich über die umliegenden Berge erhob, selbst wenn nur ein Teil von ihm dank der tief hängenden Wolken zu erkennen war.

Während die Photovoltaikzellen in der Hauptstraße dafür sorgten, dass sich dort nicht so leicht Schnee ansammeln konnte, war die Seitenstraße schon wieder mit einer dünnen Schneeschicht bedeckt. Allerdings war es nichts, womit die Schneeketten von Yukines Wagen nicht klarkamen.

Gleich wäre sie da. Gleich.

Ach, die Tatsache, dass Tane soweit draußen wohnte, machte es im Winter häufig so kompliziert. Letzten Winter hatten sie sich einmal für zehn Tage nicht gesehen, weil die Straßen einfach nicht frei waren. Es hatte innerhalb von wenigen Tagen mehr als zwei Meter Schnee gegeben. Dagegen war die Straßenräumung nicht angekommen.

Nun aber kam in der Ferne das kleine Gebäude mit seinen Solarzellen und dem großen Gewächshaus in Sicht. Die Zellen auf dem Dach waren von Schnee bedeckt, aber das Gewächshaus war frei.

Tanes eigener kleiner Wagen stand neben dem Gewächshaus und sah beinahe aus, als würde er komplett aus Schnee bestehen.

Nun endlich fuhr Yukine auf das Gelände hinauf und stellte ihren blauen Wagen neben dem Tanes ab. Sie streckte sich, als sie aus dem Wagen ausstieg. Der Atem vor ihren Lippen kondensierte. Es war wirklich eisig.

Sie öffnete die Hintertür des Wagens und holte die große Bentobox heraus, die sie heute Mittag noch vorbereitet hatte. Auf der anderen Seite der Rückbank lagen zwei volle Einkaufstüten, die sie für Tane geholt hatte. Das aber konnte warten.

Mit beschwingtem Schritt ging sie zur gläsernen Tür des Gewächshauses. Als sie durch das beschlagene Glas hineinspähte, konnte sie Tanes Umrisse bereits ausmachen. Sie hockte zwischen zwei Büschen.

Yukine klopfte an der Tür und winkte, auch wenn auch Tane nur ihre Umrisse würde sehen können.

Allerdings bewegte sich im Innern etwas. Ja, Tane war aufgestanden und kam auf die Tür zu. Dann ertönte ein Zischen und die automatische Tür glitt zur Seite auf.

Yukine konnte sich nicht helfen glücklich zu grinsen. Sie schlang die Arme um Tane. „Oh, ich habe dich so vermisst.“

Tane lachte leise. „Es waren nur sechs Tage.“

„Eine gefühlte Ewigkeit“, erwiderte Yukine und seufzte.

Nun nahm Tane sie bei den Schultern und drückte sie etwas weg. „Du siehst müde aus.“

„Ach, es war eine anstrengende Woche. Aber ich bin so froh, dass die Straßen frei sind.“

Mit einem Lächeln drückte Tane ihr einen Kuss auf die Wange. „Komm erst mal rein, bevor du die ganze Kälte hineinlässt.“

„Natürlich.“ Damit trat sie in das Gewächshaus ein.

Aus den Augenwinkeln sah sie zwei kleine Kamui, die zwischen ein paar Bodengewächsen verschwanden, als sie sie bemerkten. Die kleinen Naturgeister waren ihr gegenüber auch nach eineinhalb Jahren etwas misstrauisch.

Anders als draußen, war es im Gewächshaus angenehm warm. Eine Anzeige am Rand von Yukines Blickfeld sagte, es waren knapp zwanzig Grad. Nach der Kälte draußen fühlte es sich an wie dreißig. Das wurde durch ihren dicken Filzmantel nicht besser.

Tane war den Temperaturen hier drin entsprechend gekleidet. Sie trug ein T-Shirt und eine einfache Gartenschürze.

„Hast du etwas geerntet?“, fragte Yukine.

„Das könnte durchaus sein.“ Tane grinste verschmitzt. „Aber komm erst einmal. Setz dich.“

Trotz der fast vierzig Minuten Autofahrt, war Yukine nicht undankbar für diesen Vorschlag. Immerhin hatte sie den ganzen Tag vorher gestanden und war in der Klasse hin und her gelaufen.

So folgte sie Tane einen der Wege zwischen den vielen Pflanzen, die in diesem Gewächshaus kreuz und quer wuchsen, hin zu dem kleinen Platz, den sich Tane mitten zwischen ein paar kleinen Apfelbäumen eingerichtet hatte. Hier stand ein kleiner, weißer Tisch aus Metall, zusammen mit zwei passenden Stühlen. Ein Buch lag auf dem Tisch neben einer leeren Teetasse.

„Du hättest dir nicht die Mühe machen sollen“, meinte Tane mit Blick auf das Bento in Yukines Hand.

„Ach, mir war danach“, erwiderte sie. „Kochen ist gut zur Entspannung.“

Tane musterte sie prüfend. „Ich weiß die Aufmerksamkeit zu schätzen.“

Ihr eigentlicher Name war Tanelankemats, doch war dieser Name lang und schwer auszusprechen. Umso mehr war Yukine dankbar dafür, dass sie ihr den Spitznamen schon kurz, nachdem sie sich kennengelernt hatten, angeboten hatte.

Nun klatschte Tane mit den Händen. „Siwnin. Hure. Kommt raus und helft mir mal.“

Ein Piepsen erklang. Dann ein Surren. Dann tauchten die beiden kleinen Roboter vor ihnen auf und entfalteten sich. Ihre optischen Sensoren waren auf Tane gerichtet, während sie auf die nächste Anweisung warteten.

„Die Erdbeeren sind reif“, sagte Tane. „Helft mir, sie zu ernten.“

„Oh, Erdbeeren?“, rief Yukine aus.

Tane lächelte. „Ja. Erdbeeren.“

Yukine strahlte. Erdbeeren im Winter. Es war schon ein Vorteil mit einer Frau zusammen zu sein, die ein so großes Gewächshaus hatte. Ein Grund mehr, sich über die freien Straßen zu freuen.

Die beiden Roboter piepsten eine Bestätigung und surrten dann in Richtung der Erdbeerbüsche davon.

Derweil öffnete Yukine ihren Mantel und zog ihn sich aus, hängte ihn über die Rückenlehne des Stuhls. „Soll ich dir beim Ernten helfen?“

„Ich denke, du hast heute genug gearbeitet“, erwiderte Tane mit einem Lächeln. „Also setz dich hin und erzähl mir einfach, wie deine Woche war.“ Sie hielt inne. „Willst du noch einen Tee?“

„Sehr gerne.“

Tane nickte und ging in die Richtung, in der Yukine wusste, dass der Durchgang zum kleinen Haus war.

Sie atmete tief durch. Die Luft hier im Gewächshaus roch immer süßlich, da es eigentlich immer irgendwelche blühenden Pflanzen gab. Dabei halfen die Automatisierung des Gewächshauses und natürlich die geothermische Wärme, das Wachstum der verschiedenen Früchte zu kontrollieren. Yukine mochte es hier zu sein. Das einzige, was daran fehlte, sich einen schönen Frühlingstag vorstellen zu können, war der Gesang von Vögeln.

Kurz darauf hörte sie die Schritte Tanes, die mit einem Tablett zurückkam, auf dem eine Teekanne, sowie eine weitere Tasse stand.

„Hier. Frischer Kräutertee aus dem Garten“, sagte sie mit einem Lächeln.

Yukine nickte dankend. Sie mochte Kräutertee sowieso lieber als Matcha, auch wenn sie sich damit häufig unbeliebt machte. Doch alles in allem hielt sie Matcha für überbewertet.

„Dann erzähl doch mal von deiner Woche.“ Tane verschwand wieder zwischen den Büschen, offenbar um mit den beiden Robotern zusammen die reifen Erdbeeren zu ernten.

„Was soll ich dir denn erzählen?“, fragte Yukine und überlegte. „Fuji ist aktuell sehr anstrengend. Er nutzt jeden Tag die Fragestunde für Fragen über Dinosaurier. Ich habe die Woche so viele Onlineartikel zu Dinos gelesen, das glaubst du nicht.“ Immerhin wollte sie die Neugierde des Jungens ja eigentlich stützen.

„Dinos also? Dazu solltest du dir vielleicht ohnehin ein größeres Repertoire aufbauen“, kam Tanes Stimme zwischen den Büschen hervor.

„Ja. Zu Dinos, Zügen und Luftschiffen. Das sind die Topthemen.“

Tane lachte ihr übliches seichtes Lachen.

„Na ja, ansonsten ... Die Kinder können anstrengend sein, aber wir sind diese Woche ganz gut mit Mathematik und den Kanji vorangekommen.“ Dabei war sie durchaus dankbar, das mittlerweile die Klassengrößen kleiner waren. Sie unterrichtete gerade einmal fünfzehn Kinder. Aber sie wusste, dass es ganz früher weitaus mehr gewesen wären. Zum Glück war die Zeit mittlerweile seit gut eineinhalb Jahrzehnten vorbei.

„Das ist doch schön“, erwiderte Tane.

„Ja, ich denke auch. Wir kommen voran. Irgendwie kommen wir voran.“ Yukine lehnte sich im Stuhl zurück und schloss die Augen. Sie genoss die Wärme, die sie umgab, ein wenig. „Und bei dir? Gibt es bei dir neues zu berichten?“

„Nicht viel. Die Erdbeeren sind reif. Ansonsten ... Die Woche über war kaum Räumdienst, ich war nicht wieder in der Stadt, aber die Zellen auf dem Dach produzieren noch genug Strom.“

„Das ist gut.“

Manchmal fragte Yukine sich, ob es nicht angenehmer für Tane wäre unten in der Stadt zu leben, doch wusste sie genau, dass sie niemals das Gewächshaus und ihren Waldgarten aufgeben würde. Außerdem hatte sie es in ihrem kleinen Haus eigentlich ganz schön. Die lange Fahrt in die Stadt war jedoch auf jeden Fall ein Minuspunkt und genau der Grund, warum Yukine nicht bei ihr lebte.

„Außerdem hatte Sinwin am Montag ein paar Probleme gemacht. Seine Armgelenke haben blockiert. Also musste ich ihn reparieren.“

„Das hattest du noch gar nicht erwähnt.“

„Würde ich alles immer sofort erwähnen, hätten wir bei diesen Treffen nichts, worüber wir reden könnten.“

„Ja, da magst du Recht haben.“ Yukine holte tief Luft. „Ich habe übrigens für dich eingekauft.“

„Das ist lieb, danke.“

Dann herrschte ein wenig Stille zwischen ihnen, während Tane weiter mit dem Pflücken beschäftigt war und Yukine die Ruhe genoss.

Zwischendurch raschelten ein paar Blätter, was fraglos weitere der Kamuy waren, von denen sich einige gern in das Gewächshaus zurückzogen. Schließlich aber kam Tane zwischen den Büschen hervor, einen kleinen Korb gefüllt mit frischen Erdbeeren in der Hand. „Ich bin fertig.“

„Super.“ Begierig streckte Yukine eine Hand nach dem Korb aus und stibitzte eine der Erdbeeren. Sie biss hinein und genoss den süßen Geschmack, der sich sofort in ihrem Mund ausbreitete. Sie liebte Erdbeeren einfach. Eigentlich mochte sie alle Beeren, aber Erdbeeren waren ein definitiver Favorit.

„Du könntest wenigstens fragen“, meinte Tane, schmunzelte aber. Sie beugte sich hinab und drückte Yukine einen kurzen Kuss auf die Stirn. „Nun, du hast dir die Mühe mit dem Bento gemacht. Was hältst du davon, wenn wir das jetzt essen und dann gibt es Erdbeeren zum Nachtisch.“

„Ach man.“ Yukine zog einen Schmollmund. Dann jedoch kicherte sie leise. „Ist gut. Können wir so machen.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Votani
2022-01-08T21:01:01+00:00 08.01.2022 22:01
Das ist eine sehr niedliche Idee. Ich mochte das Setting mit dem tiefen, kalten Winter draussen und das Gewaechshaus, das friedlich und warm ist. Ein guter Kontrast und es war sehr angenehm, etwas solarpunk zu lesen. :) Die Charas waren auch sehr niedlich, ebenfalls die Details, die du eingebaut hast, z.B. mit den Naturgeistern.

LG
Antwort von:  Alaiya
09.01.2022 21:28
Aww. Danke. Es freut mich, dass es dir gefallen hat ^-^


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