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Der Wolf der Berge

von

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Der Wolf der Berge

Dunkel hallte das Lachen über den Schlosshof.

Eine zusammengesunkene blonde Gestalt streckte eine Hand aus, um sich in Sicherheit zu bringen, doch sie kam nicht weit.

Ein großer schwerer Schuh raste auf den zierlichen Arm zu und zerschmetterte diesen unter sich.

Den gepeinigten Schrei konnte man in der nahen Stadt noch hören.

Der große Körper neben ihr beugte sich herunter, ein spöttisches Grinsen auf den dunklen Lippen. „Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich dich so einfach gehen lasse? Keine Angst. Es hat mich genug Anstrengungen gekostet, hier zu stehen. Und du wirst meine Trophäe sein.“

„Nein.“ Die leise Stimme klang jung und vor Tränen undeutlich. „Ich werde nicht zulassen, dass du unser Land in Finsternis tauchst.“

Ein Zucken huschte über das dunkle Gesicht, welches von einem tiefen Knurren begleitet wurde. Er langte nach dem schwächeren Körper unter sich und hob ihn so weit an, dass sie in der Luft baumelte. Mit der zweiten Hand griff er an ihrem Kinn, um dieses zu ihr zu drehen. Dass sie vor Schmerzen aufschrie, beachtete er nicht. „Tu nicht so dumm, Trägerin der Weisheit. Du musst doch mittlerweile wissen, dass ich nicht den Mächten der Finsternis erlegen bin. Meine Mütter mögen der Meinung gewesen sein, dass diese die einzige Möglichkeit sei, unser Volk vor dem Aussterben zu retten. Doch wie du merkst, ich habe es auch ohne sie geschafft.“

Der trotzige Ausdruck, welcher sie traf, veranlasste ihn dazu, sie weit von sich zu schmeißen. „Sieh dich um, Prinzessin von Hyrule! Sieh genau hin, was für Mächte deine vorherrschende Arroganz gebrochen haben!“

Doch sie hatte nicht mehr die Kraft, sich auf zu richten.

Schnaubend drehte er sie mit seinem Fuß um. „Keine Angst. Ich werde dich nicht töten. Du wirst mit eigenen Augen sehen, was deine Familie über Generationen dem Volk der Wüste angetan hat.“ Er kniete sich vor sie hin und hob ihren Kopf dieses Mal sanfter hoch. „Sage mir, weshalb solltet nur ihr das Recht auf Rache haben?“

„Rache ist nie gut.“ Ihre Stimme war um einiges leiser wie zu Beginn.

„Und warum ermorden deine Soldaten dann meine Frauen, wenn sie zum Handeln in dein Land kommen?“

„Das ist nicht wahr!“

„Doch, Zelda. Das ist wahr.“ Er hatte sich beruhigt. „Oder soll ich dir die Waisen vorstellen, deren Mütter deine Leute auf dem Gewissen haben?“ Weg war die Ruhe, er fing wieder an zu brüllen.

Sie zuckte zusammen, brachte aber keinen Ton hervor.

„Das dachte ich mir.“ Er ließ sie los, richtete sich auf und stieß einen hohen Schrei aus.

Sofort lösten sich großgewachsene dunkle Figuren aus den Schatten des Hofes.

Zeitgleich kam sogar die Sonne hinter den Wolken hervor und begrüßte ihre Kinder.

Eine der Frauen sah sichtlich besser genährt aus, als die Anderen. Sie war die Einzige, die vor trat und neigte ihren Kopf. „König Ganondorf.“

Er nickte ihr zu. „Kümmere dich um die ehemalige Prinzessin. Wenn sie sich benimmt, dann soll es ihr gut gehen.“

„Sehr wohl.“ Sie drehte sich zu der Jüngeren um.

„Ach, und Thelma?“ Er wartete nur kurz, damit sie ihm auch ja zuhörte: „Ich möchte wissen, wer deiner kleinen Untergrundorganisation eine Bedrohung für uns sein könnte.“
 

Ihren Arm dick eingepackt trat die ehemalige Prinzessin in ihren alten Thronsaal.

Als Erstes sah sie sich um und musste feststellen, dass dieser zwar umgeräumt war, es aber nicht allzu schlecht aussah. Klar hatte ein Kind der Wüste andere Vorlieben wie ein Bewohner der hyrulanischen Weiten.

Alles in allem musste sie zugeben, dass sie eine krassere Umgestaltung erwartet hatte, eine dunklere.

„Beweg deinen Hintern hier her.“ Ganondorfs Stimme hallte durch den Saal. „Wir haben zu reden.“

Trocken schluckend folgte Zelda der Anweisung. So kam sie in einen kleineren Nebenraum, welcher schnell zu einem Arbeitsplatz für den Gerudo hergerichtet worden war. Ihr wurden einige Blätter gegeben mit der Aussage: „Durchlesen.“

Während sie sich erst einmal einen Platz suchte, um sich zu setzten, kämpfte sich Ganondorf durch seinen eigenen Stapel Papiere.

So war es eine Weile ruhig zwischen den Zweien.

Zelda war die Erste, die aufsah. „Meinst du das hier ernst?“

Ungehalten die Stirn runzelnd zwang Ganondorf sich, seinen Blick zu heben. „Glaubst du, ich würde dir das geben, wenn ich es nicht ernst meinen würde?“

„Du garantierst meinem Volk die Freiheit, solange ich nicht gegen dich arbeite?“

Er lehnte sich etwas zurück und brachte damit den Stuhl zum Knarren. „Nein.“

Wut flammte auf ihrem Gesicht auf. „Dachte ich es mir doch!“

„Hast du das Dokument überhaupt vollständig gelesen?“

Zelda öffnete den Mund, bevor sie ihn wieder schloss und zurück auf das Papier starrte. Sie hatte es sich nicht komplett angesehen. Nur Momente später sah sie erneut auf. „Du garantierst jedem Sicherheit, der nichts anstellt?“

„Ja. Der Einzige, dessen Handlungen für alle zählen werden, wirst du sein.“

„Warum?“

„Weil ich dich nicht anders ruhig kriegen werde und das wissen wir beide.“

„DU!“ Wütend sprang Zelda auf. „Du willst mich als Geisel?“

„Wenn ich damit endlich Frieden erreichen kann, dann würde ich dich sogar nackt auf dem Marktplatz ausstellen. Aber ich werde nichts tun, solange es nicht nötig ist.“

„Ich verfluche dich und deine Arroganz!“

Mit einem wütenden Ausdruck im Gesicht richtete sich Ganondorf auf. „Du bezeichnest mich als arrogant? Ich habe immer und immer wieder vor deinem Vater gekniet und um Hilfe für mein Volk gebeten. Aber er meinte mich auslachen zu müssen! Und mich nennst du arrogant?“

„Du hast ihn ermordet!“

Er stieß ein freudloses Lachen aus. „Nein. Ich war es nicht.“

„Und wer dann?“

„Es waren die letzten Überlebenden der Shiekah.“

„Die Shiekah sind ausgestorben!“

„Weil deine Familie sie umgebracht hat!“

„Das ist nicht wahr!“

Er starrte sie an. „Du weißt gar nichts. Deine Familie versucht seit Jahrhunderten, die anderen hyrulanischen Völker auszurotten. Sogar die Kinder des Waldes.“

„Die Kokiri sind eine urbane Legende!“

„Dann geh in den Wald und überzeuge dich selbst! Aber dazu hast du den Mut nicht, oder?“

Tatsächlich wurde sie stiller. „Vater sagte, außerhalb des Schlosses sei es nicht sicher für mich.“

„Und das von dem Mann der deine Mutter hat umbringen lassen.“

„Was?“

„Oh, weißt du das nicht? Es ist nicht nur bei den Gerudo bekannt. Die Zora und Goronen wissen ebenfalls davon. Er hat es nicht verkraftet, dass ausgerechnet sein Weib nur anderen Weibern das Leben geschenkt hat.“ Ganondorf kniff die Augen zusammen. „Oder dachstest du wirklich, du seist die Einzige? Vor dir gab es schon drei weitere Prinzessinnen.“

„Du lügst.“

„Geh nach Kakariko auf den alten Friedhof. Dort liegen die Körper deiner Mutter und deiner Schwestern. Auch wenn es das Dorf nicht mehr gibt, der Friedhof wird weiterhin genutzt und gepflegt.“

Zelda vergrub ihr Gesicht in ihren Händen und fing jämmerlich an zu weinen.

Genervt ließ Ganondorf seine Stirn auf den Tisch fallen. „Ich hasse weinende Frauen.“
 

Ein aufgeschlagenes Buch in der Hand betrat Zelda das mittlerweile anständig eingerichtete Büro des neuen Königs.

„Kannst du nicht einmal mehr anklopfen?“

Kommentarlos legte sie ihm das Buch vor die Nase. „Wusstest du davon?“

Genervt seufzend besah er sich die Seite. „Die Legende um das Triforce? Natürlich kenne ich sie.“ Er sah sie belustigt an. „Jetzt sag nicht, du hast nie von ihr gehört.“

„Schon, aber ich wusste nicht, dass es drei Teile sein sollten.“

„Was glaubst du, warum es Triforce und nicht Dvaforce heißt.“

Zelda zuckte mit den Schultern. „Darum geht es mir doch grade nicht.“

„Sondern?“

„Wo ist der dritte Teil?“ Zelda atmete tief ein, bevor sie zu einer weiteren Erklärung ansetzte: „Ich meine, laut den Legenden, sollte es einen Helden geben, welcher das dritte Teil, das Fragment des Mutes, trägt. Aber so jemand ist nie aufgetaucht.“

Ganondorf zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung, und es ist mir auch ehrlich gesagt schnurz.“

„Wie kann dir das egal sein? Überleg doch mal, was man alles mit den Kräften des vereinigten Triforce erreichen könnte!“

„Kriege führen.“

Zelda sah ihn sprachlos an. „Ist es das, was dir als Erstes einfällt?“

„Ist es nicht das, was automatisch geschehen wird, wenn so viel Macht gebündelt auftaucht?“

Zelda sah wieder auf ihr Buch. „Ich weiß es nicht. Ist das so?“

„Ja.“ Ganondorf lehnte sich zurück, diesmal ohne dass der Stuhl protestierte. „Jedes Mal, wenn in der Vergangenheit die drei Teile des Triforce aufeinander getroffen sind, gab es eine Zeit der Finsternis. Ich kann dankend darauf verzichten, dass es zu meinen Lebzeiten erneut dazu kommt.“

„Hm.“ Ihr Blick wanderte aus dem Fenster. „Hast du etwas dagegen, wenn ich weiter in diese Richtung forsche?“

„Sollte dieser Held eine Waffe gegen mich erheben, bist du die Erste, die stirbt.“

Genervt verdrehte Zelda die Augen. „Schon klar.“

Es klopfte.

Ebenfalls einen genervten Ton von sich gebend, richtete Ganondorf sich auf. „Ja?“

Eine Gerudo in Rüstung trat herein, nahm eine grade Position ein. „Mein König.“

„Naboru, was gibt es?“

„Ein Bote aus den hohen Bergen ist eingetroffen. Er bittet um eine Unterredung.“

„Wenn es denn sein muss. Schick ihn rein.“ Ganondorf sah stirnrunzelnd zu Zelda. „Falls du willst, kannst du hierbleiben.“

Sie haderte etwas mit sich, bevor sie nickte und sich auf einen Stuhl in der Ecke setzte.

Ein Mann mittleren Alters trat herein. Er war mindestens zwei Köpfe kleiner als die Kriegerin neben ihm und fühlte sich alleine deswegen schon unwohl. Kaum sah er dann zu seinem König, spürte man förmlich, wie ihm das Herz in die Hose sank.

„Sprich, was willst du.“ Eigentlich hatte Ganondorf keine Lust, sich mit daher gelaufenen Hylianern zu befassen, aber vielleicht war es wichtig.

„Mein König.“ Der Mann ging auf die Knie. „Ich bin Sauz, Schmied aus dem Dorf Anouki an den Hängen der Hebraberge. Ich erbitte euer Gehör.“

„Jaja.“ Ganondorf winkte genervt ab. „Du bist hier, jetzt rede.“

Er schluckte. „In der Nähe unseres Dorfes treibt sich ein Monster herum. Es greift die Jäger und Holzfäller an, wenn sie in die Berge gehen. Wir haben schon etliche Dinge versucht, es zu vertreiben, aber wir sind nicht mächtig genug dazu.“

„Was für ein Monster ist das?“ Ganondorf runzelte die Stirn. Warum hatte er bisher nichts davon gehört?

Sauz schluckte trocken. „Ich bin ihm noch nicht begegnet. Aber den Berichten nach handelt es sich um ein wolfsähnliches Wesen, welches die Größe eines Hauses hat.“

Der arme Schmied wurde von alles Seiten aus angestarrt.

„Sprich weiter.“ Ganondorf zog aus einem Stapel Blätter ein unbeschriebenes, tunkte die Feder in das Tintenfass und setzte an. „Was weißt du sonst noch?“

„Das Monster ist kräftig genug, Stahlwerkzeuge mit seinen Zähnen zu verbiegen. Es taucht meistens auf, wenn der Himmel voller Wolken hängt, und bei Schneestürmen jagt es die Männer so weit, dass sie zitternd vor Angst in das Dorf zurückkehren.“

Zelda runzelte die Stirn. Etwas an dieser Aussage kam ihr komisch vor. „Hat dieses Monster bereits jemanden getötet?“

Sauz öffnete den Mund, schloss ihn wieder und überlegte kurz. „Meines Wissens nach nicht. Es gab zwar Verletzungen, auch schwere, aber niemand ist direkt beim Kontakt mit diesem Monster gestorben.“

„Könnte es nicht sein, dass das Wesen nur irgendwas bewacht?“ Sie sah zu Ganondorf, der mit den Schultern zuckte. „Vielleicht einen der alten Tempel?“

„Keiner der Tempel hat seine Wächter außerhalb.“ Er sah zurück zu dem anderen Mann. „Habt ihr schon einmal nach Hilfe gesucht?“

„Ja.“ Er nickte. „Vor einigen Jahren, aber damals hat man uns gesagt, dass der König keine Zeit für unsere Dorfprobleme hätte und wir uns gefälligst selber darum kümmern sollen.“

Ganondorf sah nur zu Zelda, welche die Augen verdrehte. „Ja, ich habe verstanden. Mein Vater war ein Arsch.“

Er nickte.
 

„Mein König, ihr solltet nicht hier sein.“

„Naboru, halts Maul. Ich will mir dieses Monster selber ansehen. Außerdem denke ich gar nicht daran, eine von euch zu gefährden.“

Seufzend ließ sie sich etwas zurückfallen, nur um von hier ihrem König in den Rücken zu starren.

Das ging eine ganze Weile gut, bis Ganondorf sich plötzlich umdrehte. „Wenn ich dich daran erinnern darf, bin ich nicht nur der stärkste Krieger unseres Volkes, sondern auch einer der besten Magier. Ich werde mich schon gegen dieses Tier behaupten können.“

„Aber Ihr seid kein Jäger.“

Er sagte nichts darauf. Stattdessen drehte er den Kopf wieder nach vorne und trieb sein Pferd etwas an.
 

„Mein König!“ Von allen Seiten hallten ihm Begrüßungen entgegen.

Diese nicht beachtend, stieg Ganondorf vom Pferd und trat zu einem Mann, den er einfach als Ältester identifizierte. „Seid Ihr der Bürgermeister?“

„Ja.“

„Wann ist es am wahrscheinlichsten, dass dieses Monster auftaucht?“

Der Ältere sah den jungen Mann vor sich verwundert an. Konnte es sein, dass sich der neue König wirklich um die Belange hier kümmern wollte und nicht nur um den kalten Brei herum redete? „Wir vermuten, dass der Wind noch zunehmen wird und wir morgen einen Schneesturm haben werden. Dann ist das Auftauchen der Bestie fast schon garantiert.“

Ganondorf nickte. „Ich werde mich also morgen mal umsehen. Mit etwas Glück finde ich es.“

„Das halte ich für keine gute Idee! Es mag zwar sein, dass bisher noch niemand gestorben ist, aber es war nie jemand alleine unterwegs. Vielleicht wartet das Monster nur darauf.“

Ganondorf nickte und rieb sich dabei über den rechten Handrücken. „Ich schätze mal, ich habe ein paar Tricks drauf, welche mir einiges an Zeit erkaufen können.“
 

Am nächsten Morgen stand Ganondorf dick eingepackt und nur mit seinem Dreizack bewaffnet am Rande des Dorfes und durfte sich noch eine Predigt von seiner Mutter anhören. Ach nein, Moment, Naboru war ja jünger als er.

Seufzend drehte er sich einfach von ihr weg. „Wenn es mich wirklich findet und tötet, dann darfst du mir gerne den Hals abreißen.“

„Das werde ich auch! Verlass dich drauf!“

In den wolkenverhangen Himmel blickend flehte Ganondorf die Götter und seine Ahnen um Geduld an.

„Das habe ich gehört!“

„Das solltest du auch!“ Das sollte sie nicht, aber das würde er ihr nie sagen. Bevor sie noch einen Gedankenblitz hatte, um ihn aufzuhalten, flüchtete er fast schon in den fallenden Schnee.

Bereits nach ein paar Schritten hatte er das Gefühl, jegliche Orientierung verloren zu haben.

Alles war weiß. Würde er nicht stehen, wäre er sich nicht einmal sicher, wo oben und unten war.

Aber jetzt hatte er sich das eingebrockt, jetzt würde er es auch wieder auslöffeln. So ging er einfach weiter, hoffentlich geradeaus.

Eine Gruppe Bäume passierte er und hatte spätestens in dem Moment nicht nur die Orientierung, sondern auch das Zeitgefühl verloren.

Als er die ersten Schritte über die offene Schneelandschaft tat, blieb er stehen und sah sich um. Irgendwie hatte er das Gefühl, beobachtet zu werden. Aber das war nicht möglich. Er selbst konnte kaum fünf Schritte weit sehen, wie sollte ihn dann etwas beobachten können?

Weiter in seine Richtung gehend, verscheuchte er diesen Gedanken. Es war unmöglich und Punkt!

Ganondorf wusste nicht, wie lange er mittlerweile gelaufen war, als er erneut stehen blieb.

Da war doch ein Geräusch im Wind! Also, außer dem Wind.

Da war es wieder!

Ein Heulen kam von weiter vor ihm. Grade laut genug, dass es sich gegen das Heulen des Windes durchsetzen konnte.

Gab es hier auch normale Wölfe oder nur dieses Biest? Das hatte er vergessen zu fragen.

Nun ja, zumindest war es ihm überhaupt eingefallen. Und im Gegensatz zu einer gewissen Ex-Prinzessin war er nicht der Meinung, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben. Leider könnte ihm das genauso gut den Kopf kosten.

Na egal, dann brauchte Naboru ihn nicht mehr abreißen.

Ganondorf lief in Richtung des Heulens, welches urplötzlich abbrach.

Er stockte, ging dann aber weiter. Stillstehen und vielleicht noch erfrieren, war nun wirklich nicht der Tod, den er sich wünschte.

Seinem Gefühl folgend blieb er doch stehen und zog seine Waffe vom Rücken. Wenn er gleich angegriffen werden würde, wollte er wenigstens bewaffnet sein!

Schritt für Schritt ging er weiter in die vorher eingeschlagene Richtung. Die Augen hatte er zu Schlitzen verengt, im Glauben dadurch etwas mehr zu sehen.

Und tatsächlich ragte vor ihm ein riesiger Schatten auf.

Nun gut, das würde bestimmt nur ein Felsen sein. So groß konnte die Bestie doch wirklich nicht sein.

Wenn er sich da mal nicht täuschte.

Als er erneut ein paar Schritte nach vorne trat, kam der Schatten plötzlich auf ihn zu.

Ganondorf blieb stehen, hielt den Atmen an und machte sich zum Angriff bereit.

Durch das Schneegestöber kam wirklich ein Wesen, welches einem Wolf glich. Bis auf die kleine Tatsache, dass es auch einen Riesen wie den neuen König Hyrules um Längen überragte.

Der Wolf blieb ein paar Meter von Ganondorf entfernt stehen und besah sich seinen Gegenüber nur. Er war so riesig, dass man bestenfalls noch die Vorderbeine sehen konnte, sein Körper allerdings verschwand im Schneetreiben.

Reflexartig hob Ganondorf sein Dreizack, tat gleichzeitig einen Schritt nach hinten. Er wusste nicht warum, aber diese strahlend blauen Augen machten ihm Angst. Oder war es das durchgehend graue Fell, dass nur an der Stirn ein seltsames weißes Muster aufwies? Ein Muster, welches genau wie die Augen den Eindruck erweckte, von innen zu leuchten?

Ganondorf trat noch einen Schritt zurück.

Das Wesen vor ihm schien kein Monster und auch keine Bestie. Er war sich sicher, dass es sich um eine alte Gottheit handelte.

Ganondorf trat erneut einen Schritt weg. Ob er es schaffen würde, zu flüchten?

Der Wolf senkte den Kopf leicht und gab ein Knurren von sich.

Stolpernd wich Ganondorf weiter zurück. Er wollte nicht sterben!

Mit zwei Sätzen war das Tier um ihn herum und versperrte ihm den Weg.

Jetzt nahm Ganondorf die Beine in die Hand und rannte, so schnell es in diesem Schnee ging, ein paar Meter an der Bestie vorbei. Wenn sie ihm schon den Weg blockierte, würde es da zum Dorf zu gehen.

Der Wolf gab ein Jaulen von sich, als ob er verletzt worden wäre. Das konnte aber nicht sein, oder waren hier noch weitere Wesen?

Erneut verdoppelte Ganondorf seine Anstrengung. Unter allen Umständen musste er weg von hier! Im Dorf wäre er sicher, denn dort hatte sich das Tier bisher nicht blicken lassen.

Doch der Wolf holte schnell auf, mit einem Hieb seiner Pranke langte er nach dem Mann, verfehlte ihn aber.

Ganondorf spürte den Windhauch der Attacke und konnte grade so ausweichen. Er wäre so etwas von Tod, wenn er erwischt werden würde!

Als er hörte, wie die Schritte hinter ihm langsamer wurden, drehte er den Kopf leicht.

Und tatsächlich schien das Tier ihm nicht mehr direkt an den Fersen zu hängen.

Kaum war sich Ganondorf sicher, dass er einige Meter Abstand hatte, blieb er stehen und zog zischend die kalte Luft ein. War das anstrengend gewesen!

Aber warum sollte das Tier mit einem Mal die Jagd abbrechen?

Er drehte sich auf der Stelle und sah direkt auf den Wolf.

Dieser stand nur ein paar Meter entfernt, hatte den Kopf gesenkt und die Ohren angelegt. Er gab ein leises Knurren von sich und fixierte seine Beute weiterhin.

Ganondorf trat einen Schritt zurück und das Knurren wurde lauter.

Doch es war ihm egal, er musste weg von hier!

Mit jedem Schritt, den er rückwärts trat, wurde das Knurren ein bisschen kraftvoller.

Bis ein Knirschen ertönte.

Verwundert sah Ganondorf nach unten. Was war das gewesen? Eher am Rande bemerkte er, dass der Wolf still geworden war.

Als er noch einen Schritt zurücktrat und das Knirschen dieses Mal lauter und langer erklang, schluckte er.

Die Schneedecke unter ihm gab nach und er fiel schreiend in die Dunkelheit.
 

Es war warm.

Es war hell.

Stöhnend versuchte Ganondorf die Augen zu öffnen.

Er sah verschwommen.

Über ihn gebeugt war ein Gesicht, umrandet von goldenen Haaren.

Geschafft ließ Ganondorf die Augen zufallen.

Es war warm.

Er schlief wieder ein.
 

Es war warm.

Es war nicht mehr ganz so hell.

Blinzeln öffnete Ganondorf die Augen und sah direkt in den wolkenverhangenen Himmel über sich.

Stöhnend griff er sich an den schmerzenden Kopf. Was war geschehen?

Ach ja, die vom Schnee versteckte Schlucht. Hätte er mal besser auf die Dorfbewohner gehört.

Aber Moment, wenn er den Himmel sah und es hier warm war ... Wo war er?

Mühsam richtete er sich auf. Dabei bemerkte er erst, dass sein linker Arm verbunden war und in einer Schlinge an seinem Hals lag.

Vorsichtig tastete er den Verband ab.

Es tat darunter zwar höllisch weh, aber er schien sich nichts gebrochen zu haben.

Eine weitere Bestandsaufnahme seines Körpers ergab einige gut verbundene Prellungen und ein überdehntes Sprunggelenk. Keine Brüche, was ihn erst einmal beruhigte.

Sein dicker Mantel war unter ihm ausgebreitet worden und diente ihm damit als Lager. Eine Decke hatte er nicht. Nicht, dass er eine bei der Wärme hier benötigte.

Wo war er?

Unter Schmerzen kam er zum Stehen. Sein eines Bein wollte ihn nicht tragen, weshalb er erst einmal hinfiel.

„Verdammt!“ So lag er wieder auf seinem Mantel.

Also vorsichtiger dieses Mal.

Als er schwankend zum Stehen kam, brauchte er ein paar Minuten, um das Gleichgewicht zu finden, ohne erneut umzukippen.

Jetzt erst sah er sich genauer um.

Er hatte inmitten einer Wiese gelegen. Ein paar Meter entfernt lag ein Haufen Stoff, welcher wohl den Rest seiner Kleidung darstellen sollte.

So humpelte und stolperte er mehr, als das er lief, darauf zu. Tatsächlich fand er hier das Gesuchte, seinen Dreizack.

Diesen als Krücke missbrauchend und sich daraus stützend, sah er sich noch einmal genauer um.

Auf der Wiese wuchsen Blumen, welche er nie zuvor gesehen hatte. An jeder Ecke summte und brummte es, als ob eine ganze Armee Bienen die Gegend wegtragen wollten. Und auch der Schmetterling, der Ganondorf fast ins Gesicht flog, schillerte in solchen Farben, wie er sie noch nie gesehen hatte.

So weit, wie er in jede Richtung blicken konnte, sah er eine teils grüne, größtenteils aber einfache braune Wand. Befand er sich in einem Tal?

Er humpelte zurück zu seinem Lager.

Täuschte es ihn, oder wurde es mit diesen paar Schritten wieder wärmer?

Er folgte dem Gefühl einige Meter, bis er den Grund für diesen Temperaturunterschied sah.

Aus der blanken Steinwand trat ein Fluss flüssige Lava und fiel in einem kleinen leuchtenden Wasserfall in einen glühend heißen See.

Irgendwo schien es auch einen Abfluss zu geben, welchen Ganondorf aber nicht erblicken konnte.

Tatsache war, mit dieser Quelle war es kein Wunder, dass es hier so warm war. Wo auch immer ´hier´ war.

Um der langsam unangenehmen Hitze zu entgehen, trat Ganondorf zurück. Er kam an seinem Lager vorbei und begann leicht ziellos durch die Gegend zu streifen.

Wo bei den heiligen Göttern Hyrules war er hier nur gelandet? Er hatte noch nie von einem solchen Ort gehört. Oder war es einfach niemanden bekannt? Und vor allem, wie war er hier her gekommen?

Vom stetigen Nachdenken bekam er stechende Kopfschmerzen.

Ein Bild flammte in seinem Geist auf. Wer ist diese blonde Gestalt gewesen? War es eine Göttin, welche ihn gerettet hatte? Befand er sich hier in ihren Sphären? War er überhaupt noch in Hyrule?

Er sollte aufhören, so gewaltsam nachzudenken, es bekam ihm nicht.

Seufzend und die ganzen wirren Ideen erst einmal zur Seite schiebend, irrte er weiter umher.

Irgendwann stutzte er, drehte den Kopf nach links und trat ein paar Schritte zurück.

Tatsächlich befand sich dort an der Wand eine gut versteckte Öffnung, welche man nur aus einem bestimmten Winkel sehen konnte.

Auf dem Weg dorthin stolperte er fast in eine kleine Wasserkuhle. Wahrscheinlich würde es grade reichen, um schnell zu baden, größer war das Wasserloch nicht. Auch hier tummelten sich Insekten in Hülle und Fülle. Dafür schien es aber keine Fische zu geben.

Einen weiten Bogen um das Gewässer schlagend tastete sich Ganondorf dieses Mal vorsichtiger in Richtung des Tunnels vor. Er umging dabei erneut ein Fastbad.

Im Tunnel angekommen musste er erst einmal blinzeln. War das dunkel hier.

Dann begann er zu schaudern. Außerdem war es hier wesentlich kühler als auf der Wiese. Da es allerdings in Höhlen meistens kälter war als draußen, machte er sich erst einmal keine Sorgen.

In der Hoffnung eine Antwort auf seine Fragen zu erhalten, folgte er diesem Weg. Bereits nach ein paar Metern bemerkte er, dass es leicht abwärts ging. Ohne sich darum den Kopf zu zerbrechen, lief er weiter. Einige Kristalle spendeten genug Licht, sodass man nicht über seine eigenen Füße stolperte.

Ob es diese auch im Tal gab und man sie nur aufgrund der dort herrschenden Helligkeit nicht sehen konnte?

Den Kopf über seine eigenen Gedanken schüttelnd tastete sich Ganondorf weiter vor.

Ein Windhauch fuhr über seine blanke Haut, welcher ihm zum Frösteln brachte. War das normal, dass es so eiskalt wurde? Oder waren das seine Nerven?

Als er einen Lichtschein von vorne wahrnahm, blieb er kurz stehen, verschnaufte und humpelte dann weiter.

Einer leichten Biegung des Ganges folgend sah er plötzlich Schnee.

Blinzelnd blieb Ganondorf erneut stehen.

Schnee? War er nicht irgendwie im Süden gelandet?

Anscheinend nicht, aber wo war er?

Einige Meter vor dem Loch im Gang blieb er stehen. Das Loch war nicht kreisförmig, wie man erwarten könnte, oder ähnlich diesem. Es sah aus, wie eine Mondsichel. Und bewegte sich diese?

Nein, es lag einfach nur eine große Kugel im Eingang, welche jetzt den Kopf hob.

Ganondorf stolperte zurück.

Der riesige Wolf sah ihn erneut an und richtete sich auf, so weit es ging. Ganz stehend passte er nicht in diesen Gang, nur mit gebeugten Beinen. Langsam kam er auf seine Beute zu.

Schaudernd stolperte Ganondorf zurück und das lag nicht nur an dem kalten Wind, welcher ihn mit einem Mal traf. Da es ihm sowieso nicht möglich wäre, mit dem verletzten Fuß zu flüchten, hob er seinen Dreizack hoch. Dieser zitterte.

Der Wolf stockte in seiner Bewegung, dann schiene es, als verdrehte er die Augen. Da dies jedoch unmöglich war, musste man sich das einbilden.

Als der Dreizack noch stärker schwankte, machte das Tier einen Satz nach vorne, schnappte sich die Waffe und riss sie aus den kalten Händen des Gerudo.

Ganondorf stolperte erneut zurück, kam allerdings nicht weit.

Der Wolf hatte ihn eingeholt und öffnete sein Maul.

Ganondorf schrie, vor Schreck und Schmerz auf.

Das Tier hatte sich einfach den hinteren Bund von dessen Hose geschnappt und ihn daran hochgehoben.

Fluchend versuchte Ganondorf sich zu wehren. Allerdings geschah dadurch nur eines, er pendelte hin und her. Sich die Hand vor den Mund haltend, unterließ er das Geschaukel lieber wieder. Götter war ihm schlecht!

Der Wolf erreichte währenddessen die Wiese. Dort schüttelte er sich die restlichen Schneeflocken auf dem Fell, dabei seine Last nicht beachtend. In einem eher gemütlichen Tempo ging er zum Lager des Zweibeiners, blieb davor stehen. Unvermittelt öffnete er das Maul und lies das schreiende Etwas zu Boden fallen.

Stöhnend tastete Ganondorf seine Nase ab. Sie war nicht gebrochen.

Da sein Magen noch immer rebellierte, blieb er erst einmal liegen. Sollte das Vieh ihn doch fressen. War ihm egal.

Da dies auch nach mehreren Minuten nicht geschah und die Wärme der Lava die Lebensgeister in Ganondorfs Körper wieder erweckte, stemmte er sich hoch. Als sein Blick auf den neben ihm liegendenden Wolf fiel, krachte er vor Schreck zurück auf seinen Mantel.

Da ihm erneut nichts geschah, versuchte er es noch einmal. So kam er schließlich zum Sitzen.

Das Gesicht des Wolfes schwebte keine Armlänge von ihm entfernt. Er hatte den Kopf leicht schief gelegt und besah sich die verrückte Gestalt vor sich.

Mit seiner unverletzten Hand stricht sich Ganondorf durch die Haare. Da ihm auch danach nichts geschah, öffnete er den Mund: „Ich lebe noch.“

Es erklang ein Geräusch, ähnlich eines Schnaubens.

Ganondorf blinzelte verwirrt. „Du verstehst mich?“

Jetzt traf ihn ein Blick, der irgendwie hochmütig aussah. Alles Dinge, die ein Wolf nicht können sollte. Also blieb nur eine Erklärung:

„Bist du eine Gottheit?“

Das Wesen stand auf und ging.
 

Als Ganondorf das nächste Mal erwachte, war es über ihm dunkel.

Stöhnend richtete er sich auf.

Die Lava einige Meter entfernt spendete noch immer Wärme und genug Licht. Auf diese Weise konnte er sich sicher sein, dass der Wolf im Moment nicht in seiner Nähe war.

Mit einem Blick in den Himmel versuchte Ganondorf herauszufinden, wie spät es war. Viel erkannte er nicht, da nur vereinzelte Sterne dort zu finden waren.

Sich sicher seiend, dass es Nacht war, erhob er sich komplett. Erfreut stellte er fest, dass er sein Bein wieder besser belasten konnte. Gebrochen war demzufolge nichts gewesen.

Noch immer leicht humpelnd ging Ganondorf ein Stück. Er hielt Ausschau nach dem Wolf und auch nach dieser blonden Traumgestalt. Nun, wahrscheinlich hatte er sich Letztere nur eingebildet, aber er musste sichergehen. Sollte hier oben wirklich jemand leben, konnte es nur ein heiliges Wesen sein.

Seinen Blick erhoben, um auch den oberen Rand des Tales absuchen zu können, begann er eine Runde zu drehen.

Tatsächlich fand er fast am anderen Ende der Senke etwas, das bestimmt der Wolf war. Eine große atmende Kugel lag auf dem oberen Rand, den Blick nach draußen gerichtet.

Ganondorf blieb in gebührenden Abstand stehen und besah sich das Wesen aus der Entfernung.

Alleine mit der Körpergröße konnte es kein normales Tier sein. Auch schien es ihm zu intelligent. Aber was war es? Ein Wesen der Finsternis bestimmt nicht, das hätte ihn umgebracht und würde nicht diesen friedlichen Ort beschützen.

Der Wolf hob den Kopf und blickte gen Himmel.

Ganondorf folgte dieser Bewegung.

Das Einzige, was er dort oben sah, war der Mond, welcher sich langsam hinter einer schwarzen Wolke hervortraute. Er legte den Kopf leicht schief und überlegte, was er da sah. Die Wolke wirkte nicht, als ob er hier warm war. Die kam eindeutig aus kälteren Gefilden.

Das erst einmal zur Seite schiebend, sah er wieder zu dem Wolf.

Dieser hatte sich aufgerichtet und sprang katzengleich von seinem erhöhten Platz nach unten auf die Wiese. Es war doch ein Wolf und keine Katze?

Obwohl Ganondorf zugeben musste, dass er null Ahnung hatte, was typisch für einen Wolf war, schließlich hatte er bisher nie einen gesehen.

Das Tier schien zu stutzen, denn es sah auf, direkt zu seinem Gast. Durch diese Ablenkung vergaß es, was es eigentlich tun wollte, und das Licht des Mondes hüllte ihn ein.

Staunend beobachtete Ganondorf, wie das Tier von innen heraus zu strahlen schien und gleichzeitig förmlich erstarrte. Es zuckte zusammen und fing an zu zittern. Dabei stieß es ein Wimmern aus, als ob es Schmerzen hatte. Dies war wahrscheinlich auch der Falle, da es begann zu schrumpfen. Das Fell zog sich zurück, die Ohren wurden kleiner, spitzer und rutschen seitlich an den Kopf.

Als die Veränderung abgeschlossen war, stolperte Ganondorf auf das im Gras liegende Wesen zu. Er ließ sich daneben zu Boden gleiten und drehte es um.

Der Äußerlichkeit nach schien es sich um einen männlichen Hylianer zu handeln.

Er hatte die Augen nur halb geöffnet und atmete schwer. Die Verwandlung musste anstrengend gewesen sein.

Ganondorf schluckte trocken, als ihm bewusst wurde, dass das Wesen vor ihm keine Kleidung trug. Zwar gab er gerne zu, dass die Aussicht nicht die schlechteste war, aber vor ihm lag mit aller Wahrscheinlichkeit sein Retter. Ohne wirklichen Kraftaufwand holte er sich das Wesen auf die Arme und stand auf. Letzteres war eher das Problem.

Die viel zu geringe Last brachte er zu seinem eigenen Lager und legte ihn darauf nieder. Erst hier besah er ihn sich genau.

Tatsächlich handelte es sich um die blonde Gestalt, welche er im Traum gesehen hatte. Gut, offensichtlich war es doch kein Traum.

Für einen Hylianer sah es sehr jung aus. Klein, zart und keine Spur eines Bartwuchses. War dieses Wesen überhaupt schon auf dem Weg ins erwachsene Alter?

Ganondorf schluckte. Sollte er weiter reifen, wer wusste schon, wie groß der Wolf noch werden würde. Er fragte sich doch jetzt bereits, wie dieses Biest satt wurde.

Ein Stöhnen erklang, während sich die fast schon filigranen Hände zu Fäusten ballten. Mit einiger Anstrengung öffneten sich zwei strahlende blaue Augen.

Staunend beobachtete Ganondorf die tiefen Gebirgsseen, welche sich nach einem kurzen Moment auf ihn richteten. Trocken schluckte er. Hatte er in seinem Leben jemals ein schöneres Wesen gesehen?

Der augenscheinlich Jüngere setzte sich auf, fuhr sich mit den Fingern durch die Haare und hielt sich dann den Kopf. „Nicht schon wieder.“ Der genervte Unterton in der Stimme konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie viel zu selten verwendet wurde.

Im ersten Moment wollte Ganondorf nach dem kleinen Körper greifen, doch dann fiel ihm auf, dass es vielleicht nicht das Beste war, ein heiliges Wesen zu berühren.

Dieses sah zu dem Mann neben sich, musterte ihn ausführlich und öffnete im Anschluss den Mund: „Wie kommt ein Kind des Sandes auf die dämliche Idee, die Welt des Eises heraus zu fordern? Haben die Götter bei dir den Selbsterhaltungstrieb vergessen?“

Blinzelnd brauchte Ganondorf einige Momente, um das Gesagte zu verstehen, erst dann bekam er nur ein intelligentes „Ähm“ heraus.

Der Blonde verdrehte die Augen. „Okay, höre zu: Sobald es dir wieder gut geht, bringe ich dich in das Dorf der Dummen zurück. Solltest du noch einmal hier auftauchen, dann reiße ich dir den Kopf vom Hals. Ist das klar?“

Ganondorf konnte nichts anderes tun, als zu nicken.

„Erinnere dich daran, wenn dich dieses verfluchte Symbol erneut in meine Richtung zieht.“ Damit deutete er grob auf die rechte Hand des Größeren.

Ganondorf sah stirnrunzelnd auf das Triforce auf seinem Handrücken. „Das ist ein Symbol der Göttinnen. Es zeigt, dass ich von ihnen gesegnet bin.“

„Pah!“ Es war erstaunlich, wie viel Wut in so einem kleinen Körper stecken konnte. „Wo auch immer es auftaucht, gibt es Krieg und Zerstörung. Es ist nichts Gutes daran, von den Göttern erwählt zu sein.“

„Aber-“

„Nichts aber!“ Er stand auf, schwankte leicht und beugte sich dann endlich wieder zu dem Größeren herunter. „Ganze Völker wurden in der Vergangenheit vernichtet, weil irgendein größenwahnsinniges Schwein der Meinung war, diese Kräfte für sich verwenden zu müssen. Der Einfluss der Götter kennt kein Gut und kein Böse. Es kennt nur seine Macht und jene die zu schwach sind, danach zu greifen.“

Ganondorf schluckte, doch sein Mund blieb trocken.

Knurrend trat er ein paar Schritte weg, ballte die Fäuste fester und drehte sich noch einmal um. „Ich verfluche die Götter. Ich verfluche sie für all das Leid, was sie über uns Sterbliche gebracht haben.“

Dieses Mal schaltete Ganondorf schneller. Immerhin hatte der Junge ihm praktisch ins Gesicht gesagt, dass er kein heiliges Wesen war. So sprang er auf, lief ihm hinterher und drehte ihn fast schon zu kraftvoll zu sich um. Dabei stellte er am Rande fest, dass das Kind ihm nicht einmal bis zur Brust ging. „Wie kannst du es wagen, die Götter zu verunglimpfen? Sie-“

Doch das Kind schlug die Hand gewaltsam zur Seite, bevor er seinen Handrücken erhob. Darauf war ein ebenso glühendes Dreieck abgebildet, wie auf der Hand seines Gegenübers. „Die Götter haben mir nie etwas Gutes gebracht. Ich soll gesegnet sein? Verflucht trifft es wohl eher.“

„Aber-“

„Was denkst du, warum ich hier wohne? So weit ab von jedem meines Volkes?“ Er wartete kurz, bevor er schnaubte. „Glaubst du etwa, ich verwandel mich freiwillig in dieses Tier? Glaubst du, mir gefällt es, jeden Tag aufs Neue, um mein Leben zu kämpfen?“

Ganondorf griff nach dem Handgelenk, als es erneut kurz vor seinen Augen vorbei huschte. Hatte er nicht eben ...? Ja, hatte er.

Auf dem Handrücken des Jungen leuchtete ein Dreieck, dem seinen nicht ganz unähnlich. Somit schien es kein Wunder, woher dieses Kind die Frechheit besaß, die Götter zu verfluchen.

Aber etwas war trotzdem komisch.

Den ganzen Arm und somit auch den Kerl näher an sich ziehend, begutachtete Ganondorf das Zeichen genauer.

Es schien fast, als ob ein Bruch durch das Symbol ging. Nachdem er sich an das helle Licht gewöhnt hatte, konnte er mehrere Risse erkennen.

Verwirrt darüber ließ Ganondorf seine Beute wieder frei. „Es ist unmöglich, dem Triforce selber Schaden zuzufügen.“

Das Kind schnaubte. „Dann existiere ich halt nicht. Schön. Brauche ich mich weniger mit den Dummen aus dem Dorf zu beschäftigen.“

„Warum nennst du die Leute dumm?“

„Weil sie die ganzen Berge und die Wälder hier zerstören.“ Er kniff die Augen zusammen und starrte den Größeren damit fast in Grund und Boden. „Und jetzt holen sie sich noch ein Kind des Sandes, da sie nicht einmal den Mumm haben, selber für sich einzutreten. Ich sage doch, dumm.“ Er drehte sich erneut um und stapfte davon.

„Wer bist du?“ Diese Frage musste Ganondorf noch los werden.

Er blieb stehen, fuhr herum und verschränkte die Arme vor der Brust. Es war nicht zu sehen, aber bestimmt tippte er wartend mit dem Fuß auf den Boden.

Einige Momente besah sich Ganondorf dieses Bild, bis ihm auffiel, was sein Gegenüber wahrscheinlich wollte. So räusperte er sich. „Mein Name ist Ganondorf Dragmire. Ich bin der König der Gerudo und seit etwas mehr als einem halben Jahr auch der König Hyrules. Die Bewohner des Dorfes haben mich um Hilfe gebeten, da ein Monster in den Bergen sein Unwesen treibt.“

Der Junge blinzelte, bevor er begann, laut zu lachen. Grade so bekam er ein Wort heraus: „König?“

„Ja, König. Ist das ein Problem?“

„Du glaubst doch wohl nicht, dass dir das hier irgendwas bringt?“ Er grinste leicht hämisch. „In den Bergen muss jeder selber sehen, wo er bleibt. Hier bringen dir solche Titel nichts.“

„Besten Dank, das ist mir bewusst.“, antwortete Ganondorf leicht beleidigt.

„Und warum rennst du dann alleine hier rum? Wenn du nicht einmal merkst, dass du auf einer Bodenspalte stehst?“ Amüsiert schnaubend schüttelte er den Kopf. „Ernsthaft, so etwas Naives wie dich habe ich hier die letzten Jahre nicht gesehen.“

„Und das ist schon so lange her.“

„Keine Ahnung. Hier gibt es nur Schnee, keine Jahreszeiten.“ Mit den Schultern zuckend kam er wieder ein paar Schritte heran. „Wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht, ist mein Name Link und ich komme aus dem Dorf Kakariko.“

Ganondorf stutzte. „Kakariko ist vor dreizehn Jahren bei einem Brand zerstört worden. Soweit ich weiß, hat niemand überlebt.“

„Offensichtlich doch.“

„Aber wie kommst du hier her? Kakariko liegt am anderen Ende Hyrules.“

„Mein Vater hat mich nach dem Brand hergebracht und in die Wälder gejagt. Er sagte, mit diesem Fluch sei ich für die Auslöschung unserer Heimat verantwortlich.“ Link hob die Hand mit dem Triforce. „Und darum wird es für mich immer ein Fluch bleiben, denn es hat mir meine Familie genommen.“ Bevor er erneut aufgehalten werden konnte, drehte er sich weg und ging.

Eine Wolke schob sich vor den Mond.

Als der Junge zusammenbrach, wollte Ganondorf hin, um ihm zu helfen, doch er blieb nach ein paar Schritten stehen.

Der Wolf stand auf, schüttelte sich und lief, ohne noch einmal zurückzublicken, auf den Gang zu. Nur Sekunden später war er verschwunden.

Ganondorf hingegen humpelte zurück zu seinem Lager. Sein Bein schmerzte wieder.

Wer hätte gedacht, dass sich das Monster als den Helden der Legenden herausstellte? Das erklärte zumindest, warum er nicht zum Schutz Hyrules herbei geeilt war.

Aber ein Überlebender aus Kakariko? Konnte er dieser Information glauben? Andererseits, woher sollte ein Wolf aus den Hebrabergen wissen, dass es eine Ortschaft mit diesem Namen gegeben hatte.

Er hob die Hand mit dem Triforce vor sein Gesicht.

Sollte dieser Bruch im Fragment des Jungen der Grund für alles sein? Dafür, dass die Kraft endlich gegen die Weisheit gewinnen konnte, weil dieser der Mut fehlte? Hatte er somit ohne zu wissen warum, erreicht, was seine Ahnen über Jahrtausende versucht hatten? Hyrule zu einen?

Stimmte also, was er gesagt hatte? Das Triforce existierte nur, damit es Krieg gegeneinander führen konnte? Hatte er vor Zelda nicht nur Schwarzmalerei betrieben?

Seufzend ließ er den Arm neben sich fallen.

Der Mond kam wieder hinter seiner Wolke hervor.
 

Ein lautes Fluchen riss Ganondorf dieses Mal aus dem Schlaf.

Er kam mit dem Schock bis ins Sitzen, bevor er merkte, dass er sich ausgerechnet auf seine verletzte Hand abgestützt hatte. Selber fluchend hielt er sich das Handgelenk. Vorsichtig bewegte er es. Den Göttern sei Dank war es nicht gebrochen, es tat nur höllisch weh.

Seine Arme sinken lassend, sah Ganondorf sich um. Er war nun wirklich groß genug, um auch im Sitzen alles zu überblicken.

Mitten im Rasen tauchte ein zerzauster blonder Schopf auf. Der dazugehörige Arm hob sich und drohte mit einer Faust der Sonne.

Dieses Mal langsamer und vorsichtiger erhob sich Ganondorf vollständig. So ging er auf den Jüngeren zu, welcher sich einfach wieder in das Gras fallen ließ. Fast am Kopf dessen blieb er stehen und sah nach unten. „Ist alles in Ordnung mit dir?“

„Höre auf, Beileid zu heucheln. Das nimmt dir keiner ab.“ Stöhnend kämpfte Link sich hoch.

„Ich heuchel kein Mitleid. Ich mache mir wirklich Sorgen um die Leute um mich herum.“

„Klar und ich bin der Kaiser von China.“

„Dafür seid ihr sehr weit im Westen, eure Hoheit.“ Wenn der Junge ihm pampig kommen konnte, konnte Ganondorf das schon lange.

Link sah ihn kurz an, als ob er ernsthaft überlegte, von dem König ein Niederknien zu verlangen, bevor er schnaubte und zu einer weiteren flach gedrückten Stelle im Gras trat.

Dort hob er ein totes Reh an, legte es sich über die Schulter und ging gradewegs zum Lavasee.

Als Ganondorf die zerfetzte Kehle des Kadavers entdeckt hatte, wich ihm jegliches Blut aus dem Gesicht. Allerdings fiel dies aufgrund seiner Hautfarbe nicht so wirklich auf. „Was ...“

„Glaubst du, ich ernähre mich nur von Gras?“ Link schüttelte den Kopf. „Diese verdammte Verwandlung frisst Energie zuhauf. Nur mit Grünfutter wäre ich schon vor Ewigkeiten verhungert.“

„Warum verwandelst du dich dann so häufig?“

„Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich den Scheiß freiwillig mache? Ich kann nur ein Hylianer sein, wenn die Sonne oder der Mond mich direkt bescheinen. Ansonsten bin ich dazu verdammt, auf vier Pfoten durch die Gegend zu rennen.“ Kurz hob er den Blick. „Ich sagte doch, ich bin verflucht.“

Ganondorf blieb an Ort und Stelle stehen, dem Kleineren hinterherblickend. Er schüttelte den Kopf und holte schnell auf. „Das könnte von dem Riss in deinem Triforce kommen.“

„Es ist mir egal, woher es kommt.“ In der Nähe des flüssigen Gesteins ließ Link seine Last auf den Boden fallen. „Ich bin verdammt, irgendwie damit zu leben, also werde ich mich irgendwie durchschlagen. Ich habe nämlich keine Lust, elendig zu verrecken.“

„Du hast eine sehr direkte Ausdrucksweise.“

„Beschwer dich bei den dummen Dorfbewohnern. Der größte Teil kommt von denen.“

„Warum bezeichnest du sie immer als dumm?“ Ganondorf ließ sich in ein paar Metern Entfernung auf den warmen Boden nieder. „Sie schaffen es immerhin, hier zu überleben. Da können sie doch nicht so dumm sein.“

Schnaubend kam Link zurück, nachdem er etwas aus einer Felsnische geholt hatte. „Oh, die sind dümmer als jedes Tier, welches hier in den Bergen rumrennt.“ Er ließ sich neben seiner Beute nieder, packte ein Messer aus dem Lederumschlag aus und begann, das Tier zu zerlegen. Man sah eindeutig, dass er es nicht zum ersten Mal tat. „Zum einen beschweren sie sich, dass die Wölfe und Bären die Rehe jagen. Dann rotten sie die Jäger fast aus und schon ist es falsch, dass die Rehe die jungen Bäume anknabbern. Ich sage doch, die Dorfbewohner sind dumm.“

„Du kennst dich gut in den Vorgängen der Natur aus?“

„Ich bin ein Teil von ihr.“ Die ersten abgetrennten Stücken Fleisch warf er gezielt in die Nähe der Lava auf den Felsen, wo es sofort begann vor sich hinzubrutzeln. „Die merken ja nicht einmal, dass ich sie immer nur aus dem Wald heraus jage, weil sie ihn sonst noch ganz kaputt machen.“

„Weil sie Bäume fällen?“

„Es wäre kein Problem, wenn sie nur vereinzelt einige Bäume schlagen würden, aber die roden gleich ganze Landstriche.“

Ganondorf blieb ruhig und sah dem Tun vor sich weiter zu. Erst als das Tier komplett zerlegt war, erhob er wieder die Stimme: „Du bist also der Meinung, die Dorfbewohner benehmen sich nicht richtig.“

Link sah auf, einen Knochen, an dem er bis eben genagt hatte, aus dem Mund ziehend. „Sie greifen zu stark ein. Würden sie die Jäger in Frieden lassen, wäre der Wald gesünder, da er nicht so vielen Pflanzenfressern ausgeliefert wäre. Und die Rehe und Hasen wären auch gesünder, da die kranken und verletzten Tiere schneller aus den Herden entfernt werden würden.“ Mit einem gespaltenen Knochen angelte er nach einem der Fleischstücke, pustete kurz und biss dann hinein.

Den Blick auf die Lava gerichtet, begann Ganondorf scharf nachzudenken. Das Reh war schon zu einem guten Teil gegessen, als er zurück zu seinem Gesprächspartner blickte. „Das heißt, wenn die Dorfbewohner keine Wölfe mehr jagen würden und weniger dafür gezielter Bäume aus den Wäldern holen würden, würdest du sie in Frieden lassen?“

„Wenn die Dummköpfe dann noch lernen, die Felsspalten zu vermeiden, gerne.“

Das Gesicht verziehend, gab Ganondorf einen beleidigten Ton von sich. „Das wirst du mir ewig vorhalten.“

„Wieso?“ Unverständlich sah link von einem großen Stück Leber auf. „Glaubst du, die Dorfbewohner sind nicht so dumm, da regelmäßig rein zu rennen? Ich kann gar nicht so weit zählen, wie oft ich die da schon raus geholt habe.“

„Und bis wohin kannst du zählen?“ Bewusst versuchte Ganondorf interessiert und nicht abwertend zu klingen.

„Ich weiß, dass ich zehn Finger habe. Aber ich weiß nicht, wie ich dorthin komme.“
 

Mit schlechter Laune suchte Ganondorf seine Kleidung zusammen. Der größte Teil war kaputt. Ob das an seinem Sturz lag, oder ob Link die Sachen einfach zerrissen hatte, um an seine Verletzungen heranzukommen, wusste er nicht. Und ehrlich gesagt war es ihm auch egal.

Sein Blick glitt zu dem Kind, welches nicht weit von ihm im Gras lag, sich die Sonne auf den Bauch scheinen ließ und schlief.

Seufzend setzte sich Ganondorf hin und beobachtete ihn. Wusste dieses Kind eigentlich, was es mit ihm antat? Götter, er mag unter Frauen aufgewachsen sein, das hieß aber nicht, dass der Körper dieses Jungen ihn nicht ansprach. Junge, klar. Laut seiner Aussage war er zum Zeitpunkt des Brandes von Kakariko fünf Jahre alt gewesen. Das hieß, er zählte mindestens achtzehn Jahre. Er war ein Mann. Wie man es auch drehte und wendete, er war ein Mann.

Da war es Ganondorf fast lieber, dem Wolf gegenüber zu stehen. Er vertraute dem Tier zwar nicht halb so weit, wie er es werfen konnte – falls er es denn überhaupt anheben konnte – aber wenigstens verriet sein Körper ihn dann nicht.

Was musste dieser Junge auch die ganze Zeit unbekleidet herum laufen? Das machte es eher schlimmer statt besser!

Wie als ob Link den scharfen Blick bemerkt hatte, gab er ein abgehacktes Schnarchen von sich und wachte von seinem eigenen Geräusch auf. Blinzelnd orientierte er sich kurz, bevor sein Blick auf Ganondorf haften blieb und er sich zurück in das Gras fallen ließ. „Verdammt, kein Albtraum.“

„Ich würde ja gerne gehen, wenn ich wüsste wohin.“ Ganondorf klang pampiger, als er wollte. Aber es sei ihm verziehen, schließlich hatte er sein seinem Aufbruch aus dem Dorf nichts gegessen.

„Immer der Nase nach. Dort wo es nach Dummheit riecht, bist du richtig.“

„Tut mir leid, aber ich habe nicht die Nase eines Wolfes.“

Link gab einen amüsierten Ton von sich. „Oh, keine Angst. Ich werde dir schon Beine machen, damit du deinen Weg zurück von ganz alleine findest.“

„Deswegen jagst du die Holzschläger?“

„Und in der Hoffnung, dass sie sich irgendwann vollkommen aus den Bergen zurückziehen.“ Mit leichter Mühe setzte Link sich auf und streckte sich.

Erneut musterte Ganondorf den jungen Körper vor sich ganz ungeniert. Wenn es den Jungen nicht störte, warum sollte es ihm dann ein schlechtes Gewissen bereiten? Erst als der Jüngere begann, sich zu erheben, kam er selber zu einem Schluss.

Mit leichter Mühe, da es eine ungewohnte Bewegung war, löste Ganondorf seine Kette und hielt sie Link hin. „Hier.“

Auch wenn ihm anzusehen war, dass er keine Ahnung hatte, was das grade werden sollte, nahm er den Gegenstand an sich.

„Der Anhänger symbolisiert das Volk der Gerudo.“ Ganondorf atmete tief durch. „Ich schwöre dir, bei meinen Titeln und bei der Existenz der Wüste, ich werde versuchen, die Dorfbewohner zum Einlenken zu bewegen. Ich werde mein Möglichstes tun, damit die Wälder der Berge wieder so werden, wie sie eigentlich sein sollen.“

„Was willst du dafür?“ Link hob die Kette an, um sie gegen das Sonnenlicht begutachten zu können.

„Dass du mich da runterbringst. Ich habe keine Lust, mich hier zu verlaufen.“

Link runzelte die Stirn, während er jetzt wieder ihn ansah. „Das kann nicht alles sein. Was willst du noch?“

„Nichts.“

„Lüge mich nicht an!“ Ganz unvermittelt, begann Link ihn anzuschreien. „Keiner tut etwas, ohne möglichst viel daraus zu gewinnen! Also was willst du?“

Verblüfft sah Ganondorf seinen Gegenüber an. Mit dieser Reaktion hätte er nicht gerechnet.

Oh, es gab viel, was er von dem Jungen wollte. Beginnend damit, dass er die Berge hinter sich ließ und ihm in die Stadt folgte. Allerdings wäre diese Bitte wohl das Todesurteil des Königs.

„Ich will, dass du keinem der Dorfbewohner Leid zufügst. Ich will, dass du den Leuten nicht ihre ganze Existenzgrundlage nimmst. Ich will, dass du, wenn du ein Wolf bist, das Dorf nie betrittst.“

„Das sind alles Dinge, die ich sowieso nicht mache. Also hör auf, mich verarschen zu wollen!“

Seufzend strich sich Ganondorf über das Gesicht. „Höre mir mal genau zu. Nein, sei ruhig, jetzt rede ich!“ Erst nach einem scharfen Blick war er sich sicher, nicht erneut unterbrochen zu werden. „Ich bin ein König. Ich bin damit ein Anführer, oder wie du das auch immer nennen möchtst. Also bin ich für die Leute im Dorf verantwortlich. Somit bin ich ebenfalls für dich verantwortlich. Es liegt in meinem Bestreben, dass es allen Einwohnern Hyrules so gut wie möglich geht, egal welchem Volk sie angehören. Ist das so weit klar?“

Einen verdatterten Ausdruck im Gesicht tragend, nickte Link.

„Wenn du mir hier nun sagst, dass das Verhalten des Dorfes dem Wald schadet und ihnen damit längerfristig die Lebensgrundlage nimmt, dann muss ich handeln. Denn ich habe nicht nur eine Verantwortung den jetzt lebenden gegenüber, sondern auch den kommenden Generationen.“

Link senkte seinen Blick zu Seite weg. Ja, er hatte es verstanden. Was er nicht verstand, war die Tatsache, dass sich dieser Mann für ihn zuständig fühlte. Das hatte seit Ewigkeiten niemand.

Ganondorf langte vor und legte eine Hand auf die nackte Schulter. „Sollten die Dorfbewohner nicht wollen, dann stelle meinetwegen irgendetwas an, was sie dazu bringt, zu mir zu rennen. Hiermit verspreche ich dir, dass ich ihnen die Hammelbeine langziehen werde.“

„Hammel schmeckt aber besser als die.“

Langsam zog Ganondorf seine Hand zurück. „Ich glaube nicht, dass ich wissen möchte, woher du das weißt.“

Link ging gar nicht darauf ein. Stattdessen stand er auf und drehte sich in Richtung des Verbindungsganges nach draußen. „Zieh dir dein Fell über. Die Wolken fangen an, den nächsten Sturm zu bilden.“

Mit seinen Fetzen von Kleidung alleine gelassen, seufzte Ganondorf tief. Er hatte keine Ahnung, ob seine Worte auch bei dem wilden Tier im Inneren des Jungen angekommen waren. Und er war sich nicht sicher, ob er es wissen wollte.

Seufzend band er sich die Sachen zu, dabei den Gurt seines Dreizackes benutzen. So zerfleddert folgte er dem Jüngeren.

Kurz vor dem Tunnel sah er noch einmal nach oben, wo die Wolken grade die Sonne verdeckten. Da dies hier manchmal im Stundenwechsel geschah, wunderte es ihn nicht, dass Link von der Sonne nur genervt war. Er selber wollte nicht in solch regelmäßigen Abständen durch eine schmerzende Verwandlung gezwungen werden.

So machte er sich auf dem Weg nach unten. Und nein, er hatte noch immer keine Ahnung, wo er hier überhaupt war und wie sich die Wärme in diesem Tal hielt. Aber andererseits wollte er das auch nicht wissen, da er sonst vielleicht auf dumme Gedanken kam.

Der große Wolf stand schon außerhalb der Höhle und ließ sich den beginnenden Schneesturm um das Fell jagen. Er schien ruhiger, als wenn er ein Hylianer war.

Ganondorf trat zu ihm, jederzeit darauf bedacht, zurück rennen zu können. Sollte Naboru je erfahren, dass er vor einem relativ harmlosen Tier solch eine unerklärliche Angst hatte, dann würde er das für den Rest seines Lebens aufs Butterbrot geschmiert kriegen. Nein danke, er verzichtete. Allerdings musste es nicht sein, dass sie das Tier je sah. „Also? In welche Richtung muss ich?“

Das Tier sah ihn an und Ganondorf schwor, dass es an seinem Verstand zweifelte. Dann legte es sich einfach auf den Schnee. Als nichts geschah, nickte es auf seinen Rücken und als dann immer noch nichts geschah, verdrehte es theatralisch die Augen.

„Du willst, dass ich auf dir reite?“

Den Blick, den er daraufhin erhielt, war nicht sonderlich nett.

Seufzend folgte Ganondorf der Anweisung. Etwas ungelenk setzte er sich auf den ungewohnt breiten Rücken und regte sich dann nicht. Sollte er sich festhalten? Würde er dem Wolf nicht damit weh tun?

Die Frage wurde beantwortet, indem das Tier eine Bewegung machte und seinen Reiter so in den Schnee schickte.

Der Länge nach ausgestreckt liegend, beschloss Ganondorf, dass er auf das funktionierende Fell des Wolfes pfeifen würde. Sollte doch der sehen, was für eine Kraft ein Träger des Triforce in den Händen hatte. Kommentarlos stand er auf, setzte sich erneut auf den breiten Rücken und krallte sich dieses Mal richtig fest.

Jetzt schien das Tier zufriedener zu sein, denn als sein Reiter auch nach einigem Herumgewackle nicht herunter fiel, sprintete es aus dem Stand los.

Ganondorf blieb nichts anderes übrig, als sich noch fester zu krallen und sein Gesicht in dem dichten Nackenfell vor ihm zu vergraben. Der Luftwiderstand der Bewegung würde ihn sonst herunter reißen.

Das Heulen des Windes wurde nur vom Knirschen des Schnees und des Eises um ihn herum unterbrochen. Nicht mal ein Hecheln erklang, so sehr schien das Tier diese Geschwindigkeit gewohnt zu sein. Manchmal war es für Sekunden still, nur um dann mit einem starken Aufschlag abgelöst zu werden.

Auf diese Weise verlor Ganondorf bereits nach ein paar Minuten jegliche Orientierung und nur wenig später auch sein Zeitgefühl.

So merkte er erst sehr spät, dass sie langsamer wurden. Erst als sie schon standen, wagte er es, aufzublicken.

Alles war weiß, wo war er?

Kaum merkte das Tier, wie sich der Griff um sein Fell lockerte, schüttelte es sich und warf damit die Last ab.

Schreiend landete Ganondorf abermals im Schnee.

Es sollte einem Wolf nicht möglich sein, aber er grinste eindeutig.

Noch während sich Ganondorf aufrappelte, wurde er erneut umgeschubst. Mit angstgeweiteten Augen drehte er sich auf der Stelle um und erwartete fast schon, sofort gefressen zu werden.

Nichts geschah.

Der Wolf sah ihn nur an und schien zu warten.

Ganondorf versuchte noch einmal, aufzustehen, und dieses Mal gelang es ihm auch.

Das Tier kam wieder näher und schupste ihn dieses Mal vorsichtiger.

Sich in die angedeutete Richtung drehend, bekam Ganondorf noch einen Schubs.

Er schluckte trocken, kratzte seine Hoffnung zusammen und setzte einen Schritt auf den angepeilten Weg. Und noch einen.

Als er endlich die ersten Häuser im Schneefall ausmachen konnte, ertönte hinter ihm ein langgezogenes Heulen.

Ganondorf drehte sich noch einmal um, erblickte den Wolf und sah schließlich, wie er im ewigen Weiß verschwand.

Eine Weile blieb er so stehen, auf die Stelle starrend, wo das Tier zuletzt gestanden hatte.

Seufzend drehte er sich wieder zum Dorf. Er würde nie verstehen, wie ein so kleiner Junge solch eine große Bestie im Herzen tragen konnte.
 

„Danke.“ Ganondorf nahm die Tasse Tee entgegen und wärmte sich an dieser die Finger. Wer hätte gedacht, dass er während der paar Meter, die er gegangen war, so durchkühlen konnte? Er nicht.

„Ich kann nicht glauben, dass du hier nach vier Tagen plötzlich wie aus dem Nichts auftauchst!“ Naboru schrie so laut, dass sie fast das ganze Dorf unterhielt. „Was glaubst du, was ich mir für Sorgen um dich gemacht habe?“

Ganondorf sagte keinen Ton dazu. Er deutete einfach auf seine zerschlissene Kleidung. Seiner Meinung nach sollte dies alles sagen, dass er nicht freiwillig so lange durch den Schnee gewandert war. Und wenn er ihr erzählte, dass er das ganze gefrorene Wasser insgesamt nur dreimal gesehen hatte, würde sie nur noch lauter werden.

Die Tür des Hauses öffnete sich und ließ neben Kälte und Schnee zwei Personen eintreten. Die eine war der Schmied, während es sich bei dem zweiten um einen älteren Mann handelte, den Bürgermeister.

Ganondorf stand auf, trat auf die zwei Männer zu und starrte sie von oben herab an. Dabei klammerte er sich fest an seine Tasse. „Der Riesenwolf wird nicht gejagt.“

„Aber-“, der Bürgermeister setzte an, kam allerdings nicht weit.

„Nein. Das Tier wird in Frieden gelassen. Wie vermutet ist es ein heiliger Beschützer der Berge.“ Einen Schluck nehmend, überlegte Ganondorf, wie er das ausweiten sollte, ohne zu viel zu verraten. „Er attackiert euch nur, weil ihr die Berge gefährdet. Also lasst ihn in Ruhe und niemanden wird etwas geschehen.“

Der Bürgermeister war sichtlich weiß geworden. „Dieses Biest greift unsere Leute an, nur weil wir Holz hacken!“

Mit den Fingern schnipsend, deutete Ganondorf auf den Mann. „Na sage ich doch.“

Der Bürgermeister stand mit offenem Mund da und brachte keinen Ton heraus.

Stattdessen räusperte sich der Schmied. „Wir leben aber vom Holz. Es ist hier oben unsere einzige Einnahmenquelle.“

Ganondorf verdrehte theatralisch die Augen. „Ich habe ja auch nicht gesagt, dass ihr das Holzhacken stoppen sollt. Es ist nur so, dass ihr aufhören müsst, ganze Wälder zu roden. Dort wird nämlich nie wieder etwas wachsen.“

„Das können wir nicht.“

„Dann wird der Wolf in Zukunft nicht mehr so nett sein und euch nur aus seinem Gebiet jagen.“ Die Tasse abstellend, verschränkte Ganondorf die Arme. „Dank des Triforce konnte ich mit dem Tier reden und es war sehr wütend auf euch. Es hat immer nur von Dummköpfen gesprochen. Ich glaube, es hat dem ganzen Dorf jegliche Intelligenz aberkannt, weil ihr willentlich die Natur in den Bergen zerstört.“

Bevor der Bürgermeister erneut etwas sagen konnte, mischte sich der Schmied ein: „Was können wir tun, damit wir friedlich nebeneinander leben können?“

„Das Tier muss sterben!“

Nach draußen deutend, sprach der Schmied wütend: „Dann bitte! Dich hält niemand auf, es zu versuchen. Ich war von Anfang an dagegen, einem Wesen, welches nur von den Göttern geschickt worden sein kann, etwas anzutun. Würde es uns wirklich feindlich gesonnen sein, würden unsere Holzfäller und Jäger nicht mit ein paar Kratzern wiederkommen. Sie wären Tod und niemand würde sie in den ewigen Eiswüsten finden!“

„Ich sehe, wer von euch zweien der Intelligentere ist.“

„Nein, mein Vater hat nur Altersstarrsinn.“ Wütend ballte der Schmied die Hände zu Fäusten. „Er glaubt, alles genau zu wissen, und schickt nur uns Junge raus, um den Wolf zu vertreiben. Als das Tier unsere Werkzeuge nur mit seinem Kiefer verbogen hat, meinte er, ich solle besser schmieden. Kein Ton davon, dass wir einfach versuchen, nicht in sein Revier einzudringen.“

„Das wird nicht möglich sein.“ Ganondorf griff wieder nach seiner Tasse. „Der Wolf sieht das gesamte Gebirge als sein Gebiet an. Er wird jeden davon jagen, der sich nicht zu benehmen weiß.“

„Das Vieh kann uns nicht vertreiben! Wir waren zuerst hier!“

„Woher willst du das wissen? Woher glaubst du, zu ahnen, wie alt so ein Wesen wird? Du tust fast so, als sei es ein Welpe. Aber das ist es nicht. Es ist eine ausgewachsene Kreatur der Berge, ein Wesen welches wir nie verstehen können und werden. Es hätte jedes Recht uns alle umzubringen und aufzufressen!“

„Laut seiner Aussage schmecken Hylianer nicht.“ Ganondorf konnte es sich nicht verkneifen.

„Siehst du? Wir sind so schwach, dass er uns nicht einmal fressen würde!“ Er stutzte, schüttelte sich und sah schließlich zu seinem König. „Wir schmecken nicht?“

Ganondorf zuckte nur mit den Schultern. „Er sagte es so.“

Der Bürgermeister wollte erneut seinen Mund öffnen, doch da wurde er von seinem eigenen Sohn gepackt und vor die Tür gesetzt. „Ich hasse es, wie er mit unseren Leben spielt.“

„Was glaubst du, warum ich meine Vorgängerin entmachtet habe?“

Der Schmied zuckte zusammen, bevor er vorsichtig den Kopf drehte. „Ähm ...“

Doch Ganondorf ging einfach zurück zu seinem Stuhl. „Setz dich. Mit dir scheint man ja reden zu können.“ Als sein Gegenüber der Anweisung nachgekommen war, überbrachte er die Forderungen. „Ihr müsst aufhören, die natürlichen Jäger zu töten, und ihr müsst die Bäume, welche ihr fällt sorgfältiger auswählen. Andernfalls wird der Wolf sich das nicht mehr lange mit ansehen.“

Zaghaft nickte er.

Seufzend setzte Ganondorf zu einer ausführlicheren Erklärung an.
 

Mit sichtbaren Unwillen nahm Ganondorf den nächsten Brief von irgendeinem Adligen eines Nachbarlandes von seinem Stapel. Er konnte zwar zum Schluss nicht mehr sagen, was auf dem Papier gestanden hatte, aber trotzdem schrieb er eine Antwort.

Kaum war er damit fertig, ließ er den Stapel noch zu bearbeitender Briefe liegen und stand stattdessen auf. Er trat zum Fenster, um hinaus zu sehen. Es schneite.

Seufzend lehnte er den Kopf gegen die Scheibe.

Wie es Link wohl ging?

Er hatte die letzten Jahre nichts von ihm gehört. Auch nicht aus dem Dorf, was ihn vermuten ließ, dass alles in Ordnung war. Eigentlich sollte es ihn freuen. Tatsache war allerdings, er vermisste diesen Jungen.

Das konnte nicht möglich sein, da er ihn kaum drei Tage gekannt hatte, aber er dachte jeden Tag an diesen Jungen. Schlimm wurde es vor allen an Zeiten wie diesen, wenn es schneite. Manchmal bildete er sich ein, den Wolf im Schnee zu sehen. Von seinen Träumen redete er lieber gar nicht erst.

Die Tür in seinem Rücken wurde geöffnet, ohne dass ihn das interessierte. Zwar würde er wahrscheinlich erneut einen Stapel Briefe zum beantworten erhalten, aber er konnte sich beim besten Willen nicht dazu durchringen, etwas zu tun.

„Mein König.“ Naboru war anscheinend nicht der Meinung, ihn einfach in Frieden zu lassen.

„Was ist?“ Er wollte nicht gestört werden!

„Hier ist ein Brief gekommen.“

„Dann lege ihn zu den Anderen.“

„Aber dieses Schreiben ist außergewöhnlich.“

Genervt löste sich Ganondorf von der Scheibe und trat zu seiner rechten Hand. „Was ist an einem Brief so seltsam?“

Naboru hob den Umschlag. Als ihr König diesen an sich nehmen wollte, drehte sie ihn einfach um und ließ den Inhalt auf seine Hand fallen.

Verwundert nahm Ganondorf diesen Gegenstand an sich und besah ihn sich. Es handelte sich um eine Kette, an welcher das Symbol der Gerudo hing. „Was?“

„Wir wissen es nicht.“ Sie gab ihm den Umschlag. „Es steht auch nicht darauf, dass er an dich ist. Der Bote weiß nicht, wo ihm der Brief zugelaufen ist. Er war halt plötzlich in seiner Tasche.“

Ganondorf besah sich den Umschlag genauer. Vorne war eine eher gekrakelte und verwischte Krone drauf. Es schien mit Holzkohle gezeichnet zu sein. Aber es war noch etwas drinnen.

Tatsächlich holte er eine gepresste Blüte hervor, die er schon mal irgendwo gesehen hatte.

Er sah auf, direkt in Naborus Gesicht. „Ist der Mann an den Hebrabergen vorbei gereist?“

„Er ist so weit ich weiß durch die Berge erst ins Land gekommen.“

Den Umschlag und die Blüte warf Ganondorf auf sein Schreibtisch, während er die Kette einsteckte. Dann rannte er an ihr vorbei nach draußen.

Verwirrt und das auch nach Außen zur Schau tragend, lief Naboru ihm hinterher. „Was ist los?“

„Ich muss in dieses Dorf, wo wir vor ein paar Jahren waren!“

Sie blieb stehen, überlegte und brüllte ihm nach: „Aber warum!“
 

Noch im Galopp sprang Ganondorf von seinem Pferd. „Wo ist euer Bürgermeister?“

Die meisten Leute sahen ihn einfach nur mit aufgerissenen Augen an.

Die größte Gestalt löste sich von der Meute, welche sich vor dem Neuankömmling trotzdem sehr klein vorkam. „Das wäre ich, euere Hoheit.“

Ganondorf nickte, öffnete den Mund und stutzte. „Warst du nicht der Schmied?“

„Das bin ich auch heute noch. Aber mein Vater hat, den Göttern sei Dank, nichts mehr zu sagen.“

Ganondorf nickte erneut. „Ich muss wissen, ob irgendetwas mit dem Wolf ist.“

Der Schmied runzelte die Stirn. „Eigentlich nicht. Wir haben ihn seit einer ganzen Weile nicht einmal mehr gesehen. Aber die normalen Wölfe sind wieder in der Gegend.“

„Gut. Hat einer von euch-“ Ganondorf holte die Kette seines Volkes aus seiner Hosentasche hervor. „- das hier in den Bergen gefunden?“

„Nicht dass ich wüsste.“

Einen Blick in den Himmel werfend, stellte Ganondorf fest, dass es bewölkt war und es nicht so wirkte, als ob es demnächst aufklaren würde. „Ich muss los.“ Damit rannte er an dem Mann vorbei und raus aus dem Dorf.

Auch wenn viele Bewohner ihren König aufhalten wollten, sprangen sie doch lieber aus dem Weg, statt umgerannt zu werden.

Ganondorf kam nicht weit. Er war immer noch in Sichtweite des Dorfes und auch nicht an den ersten Ausläufern der Wälder, als aus eben diesem eine große Gestalt trat. Sofort wurde er langsamer und blieb schließlich stehen.

Der Wolf schien noch gigantischer zu sein, wie vor ein paar Jahren. Entweder war er wirklich weiter gewachsen, oder Ganondorf hatte gewaltig an seinen Erinnerungen gespielt.

Doch auf solche Kleinigkeiten achtete das Tier grade nicht. Er trat zu dem Mann, senkte den Kopf zu ihm und stieß ihn sachte an.

Dieses Mal landete Ganondorf nicht im Schnee. Stattdessen hob er eine Hand und begann das Fell in Reichweite zu kraulen. „Warum hatte ich mal Angst vor dir?“

Die riesigen blauen Augen sahen ihn einfach an, bevor sie sich schlossen und er sich leicht in die Berührung lehnte.

„Ich habe deine Nachricht erhalten.“ Eigentlich wollte Ganondorf noch mehr sagen, doch er ließ es. Er wusste nicht, was.

Der Wolf stieß ihn erneut an und gab ein tiefes Brummen von sich, welches sehr zufrieden klang.

„Da du dich einfach so in der Nähe des Dorfes zeigst, gehe ich davon aus, dass die letzten Jahre alles gut gelaufen ist?“

Ein sachtes Nicken kam als Antwort.

„Und jetzt?“

Erneut wurde Ganondorf angestupst und erhielt ein Brummen.

Seufzend lehnte er seine Stirn gegen die des Tieres. Bei dem direkten Kontakt begann plötzlich sein Triforce zu pulsieren und im gleichen Takt das weiße Muster auf dem Kopf des Wolfes.

Ganondorf horchte etwas auf die göttliche Macht in seinem Körper und kam zu einem Schluss. „Möchtest du mit? Mehr von Hyrule sehen? In der Freiheit, jederzeit wieder zu gehen?“

Ein weiteres Nicken.

„Mein König!“ Mit einiger Verspätung traf auch Naboru ein. „Ich werde-“

„-gar nichts tun.“ Seine Hand weiterhin in dem weichen Fell haltend, trat Ganondorf einen Schritt zur Seite, um die Frau ansehen zu können. „Er ist harmlos, solange man ihn regelmäßig füttert.“

Der Stoß dieses Mal war stark genug, um ihn umzuschubsen.

Grummelnd richtete Ganondorf sich auf und wischte sich den Schnee aus dem Gesicht. „Zumindest, wenn man sich nicht über ihn lustig macht. Umpf!“

Das Tier hatte sich auf ihn drauf geschmissen.
 

Schreiend rannte Zelda weg.

Etwas beleidigt drehte der Wolf ihr den Rücken zu und setzte sich hin.

Und Ganondorf strich sich genervt über das Gesicht. „Habe ich ihr nicht gesagt gehabt, dass er harmlos ist?“

Naboru stand in einigen Metern Entfernung, den Blick immer auf das riesige Tier gerichtet. „Was noch zu beweisen wäre.“

„Ach, komm. Du hast gesehen, wie ich auf seinem Rücken gesessen habe. Glaubst du wirklich, eine hirnlose Bestie würde das zulassen?“

„Wenn sie der Meinung ist, auf diesem Weg schneller an was zu Fressen zu kommen.“

Während das Tier tief knurrte, zog Ganondorf den Ärmel seines Oberteils zurück und schob den nackten Arm zwischen die kräftigen Kiefer.

Naboru wollte schreien. Das erschrockene Gesicht des Wolfes ließ sie dann allerdings lachen. Nein, dieses Tier war beim besten Willen keine Bestie.
 

Stöhnend ließ sich Ganondorf in seinen Stuhl fallen, nur um gleich darauf vor Schmerz zusammen zu zucken. „Verdammt!“

Zelda sah erst ihn an, bevor ihr Blick zu dem riesigen Wolf hinter dem König wanderte. „Vielleicht solltet ihr nicht so wild herum reiten.“

Ganondorf zuckte noch einmal, dieses Mal allerdings nicht vor Schmerz. „Was?“

„Du solltest nicht so oft und so doll auf ihm reiten.“ Zelda hob ihre Tasse an. „Wenn ich das immer sehe, wie wild der mit dir auf dem Rücken durch die Gegend rennt, das kann doch nur zu Schmerzen führen.“

Den Mund offen stehend und den eindeutig amüsierten Wolf nicht beachtend starrte Ganondorf die Ex-Prinzessin und mittlerweile Gelehrte an. Als er sich sicher war, sich nicht verhört zu haben, ließ er seinen Kopf auf seinen Teller fallen.

„Was hat er?“

Naboru grinste nur. „Du hast da wohl etwas-“

„Naboru!“ Noch immer den Kopf auf dem Teller hörte Ganondorf leider alles mit. „Belassen wir es dabei.“

„Aber-“

„Nein!“ Sich aufrichtend sah der König sie wütend an. „Belassen wir es dabei!“

Naboru schluckte und nickte. Sie hatte keine Ahnung, warum er darauf bestand. Aber wenn er so drauf war, dann sollte sie es lieber nicht noch einmal ansprechen.

Als ob nichts gewesen wäre, schob der Wolf seinen Kopf auf Ganondorfs Schoß und ließ den schweren Körper um den Stuhl herum auf den Boden sinken.

Das bewusst nicht beachtend griff sich Ganondorf endlich ein Brötchen vom Frühstückstisch, um es sich zu bestreichen.

„Was ist jetzt am Reiten so schlimm?“ Zelda hatte wieder einmal das Gefühl, etwas sehr wichtig sei voll an ihr vorbeigegangen.

Einen genervten Ton von sich gebend stützte Ganondorf seine Stirn auf seiner Hand ab. „Ich halt es nicht aus.“

Vielleicht hätte er dabei die Hand mit dem Brötchen nicht herunter hängen lassen sollen, denn der Wolf hob den Kopf und klaute das Gebäck aus seinen Fingern.

An der Tischkante vorbei besah sich Ganondorf das Wolfsgrinsen. „Daran bist nur du schuld, du unersättliches Riesenvieh.“
 

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Frohe Weihnachten!



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