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Fremde in der Nacht

Where the streets have no name ...
von

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Warten

Der Lärm wird nicht weniger, nicht wirklich. Die letzte Rushhour ist inzwischen durch, aber der Geräuschpegel ebbt nicht ab. Eine Großstadt ist immer laut, egal um welche Uhrzeit. Diese Stadt hier bildet da keine Ausnahme, sie entspricht eher der Regel.

Die Nacht ist inzwischen all gegenwärtig und die winterliche Kälte erobert sich mehr und mehr Raum zwischen den Wolkenkratzern. Dunstwolken bilden sich vor den Mündern der vorbeilaufenden Menschen und über den Gullydeckeln. Die Masse an Heimkehrenden nimmt allmählich ab, doch wirklich Enden wird der Strom erst in ein, zwei Stunden. Die Bürogebäude strahlen zu ihren Fensterfronten hinaus und spiegeln sich auf den feuchten Straßen. Schnee liegt bereits in der Luft und Weihnachten rückt langsam näher.

Vor einem der unzähligen Hochhäusern steht eine schwarze Limousine. Sie steht immer hier, wenn der Eigentümer der Firma im Gebäude ist. Es ist seine Limousine und der Mann, der gegen die Tür gelehnt steht und raucht, ist sein Fahrer.

Ein dicker schwarzer Mantel hüllt den Chauffeur ein und schirmt ihn gegen die Dezemberkälte ab. Seine dunklen Haare wirken ein wenig zerzaust und wild. Die braunen Augen sind auf die Passanten gerichtet die vorüber laufen und die Gesichtszüge wirken entspannt. Er wartet, wie so oft. Ein Löwenanteil seines Berufs verbringt er damit zu warten, und zu beobachten. Jedem im Unternehmen dürfte klar sein, dass der Mann hier kein einfacher Fahrer ist. Er ist ebenso einer der Leibwächter des Geschäftsführers.

Eine weitere Limousine nährt sich. Eine herkömmliche Oberklassen Straßenlimousine. Mit einem gleichmäßigen, tiefen Brummen fährt sie vor und parkt hinter dem bereits stehenden Wagen.

Der Mann richtet seine Aufmerksamkeit auf den Neuankömmling. Kennzeichen, Marke, Modell, Farbe; alles wird sofort im Gedächtnis gespeichert. Mit einer entspannten, fast schon gelangweilt anmutenden Bewegung lässt er seine Zigarette fallen und tritt sie aus.

Die Tür des anderen Autos öffnet sich und eine junge Frau steigt aus. Sie ist in eine dicke Jacke gepackt und trägt eine Wollmütze. In der einen Hand hat sie einen To-Go-Becher der vor sich hin dampft, in der anderen den Autoschlüssel.

Der Leibwächter mustert sie. Sie wirkt nicht wie ein Fahrer, ein Chauffeur. Ihre Kleidung und ihre Haltung sprechen für sich. Eine Zivilistin, notiert er sich gedanklich, lässt sie aber weiterhin nicht aus den Augen. Man kann nie wissen.

Mit einem Klack verriegelt sich der Wagen und die junge Frau steckt den Schlüssel ein. Gleichzeitig kramt sie ihr Handy aus der Tasche, während sie um den Wagen herum läuft. Ihr Blick geht hoch, das erste Mal seit sie ausgestiegen ist und kreuzt den des Leibwächters. Einen Moment sieht sie ihn ein wenig überrascht an, dann lächelt sie wortlos und dreht sich seitlich. Sie setzt sich auf den Kotflügel des Autos und zieht die Beine an. Ihre Füße, die in dicke Boots gepackt sind, stellt sie auf das Rad. Die Unbekannte nimmt den Deckel des Bechers ab und führt ihn zum Mund. Doch statt zu trinken kaut sie gedankenverloren auf dem Papprand herum während sie auf ihrem Smartphone herumwischt.

Ein wenig argwöhnisch beobachtet der Mann das Ganze. Diese kleine Frau wird wohl eher keine Bedrohung sein, aber ihr plötzliches Auftauchen und die Selbstverständlichkeit mit der sie den Wagen hier parkt findet er eigenartig. Da sie wohl eher kein Chauffeur ist, zumindest würde es ihn extrem wundern, wenn dem so wäre, bedeutet, dass sie privat jemanden abholt. Doch dafür verhält sie sich ihm gegenüber ein wenig zu abgeklärt.

Der Leibwächter ist sich seiner Präsenz und Außenwirkung bewusst. Die meisten Leute machen eher einen Bogen um ihn, oder tun ihr Möglichstes ihn zu ignorieren. Die meisten fühlen sich unwohl in seiner Gegenwart. Er selbst ignoriert seinerseits ebenfalls den Großteil der Menschen um ihn herum. Er beobachtet sie, ordnet sie ein; mehr nicht. Er ist groß, kräftig und wirkt mit der Narbe auf der Wange und seinem schwer zu bändigenden Haaren auch alles andere als harmlos. Ein Pluspunkt für seinen Job.

Und auch für sein Privatleben hin und wieder. Zumindest das weibliche Geschlecht schien sich davon manchmal mehr angezogen wie abgeschreckt zu fühlen. Das erleichterte die Kontaktaufnahme, weil sie meist von den Frauen ausging. Nein, er war nicht schüchtern, aber es minimierte den Zeitaufwand, wenn die Dame den Anfang machte. Außerdem konnte man bei Frauen die Männer ansprachen, innerhalb der ersten Minuten meist sehr gut unterscheiden was sie wollten. Er ist Chauffeur und Leibwächter; ein Job bei dem er immer auf Abruf ist. Immer. Er will keine Frau die zu Hause auf ihn wartet und ihm Vorhaltungen macht. Was nicht heißt, dass er nicht doch ab und zu eine Frau will, zumindest auf rein körperlichen Ebene.

Während die junge Frau weiter auf ihr Smartphone sieht und doch hin und wieder am Inhalt des Bechers nippt und nicht nur den Rand zerknabbert, zündet er sich eine neue Zigarette an. Er würde sie auf Mitte Zwanzig schätzen, eher der Mittel- oder Nordeuropäischer Typ. Ihre Augen sind blau und das, was an Haaren unter der Wollmütze hervorschaut, sieht Richtung Hellbraun oder Dunkelblond aus. Keine Bedrohung ist sein Fazit und er wendet seinen Blick ab.

Er beobachtet die Passanten die immer weniger werden. Schließlich richtet er seine Augen Richtung Himmel. Die Sterne sind hier mitten in der Großstadt kaum zu erkennen, dafür strahlt der Mond heute umso mehr. Groß, rund und hell leuchtet er. Der Mann verliert sich in der Betrachtung des Gestirns und in seinen Erinnerungen.



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