Zum Inhalt der Seite

Zwischen den Zeilen

Mimato Woche
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Blumen

Ich fühle mich beschissen. Seit ich Yamato in Matsushima besucht habe, habe ich nichts mehr von ihm gehört. Aber das habe ich auch nicht erwartet, nachdem er mich rausgeschmissen hat. Ich habe nicht mal mehr versucht, mich bei ihm zu entschuldigen, weil ich weiß, es hätte ohnehin keinen Sinn. Er ist wütend. Und das zurecht. Er hat mir so vieles anvertraut, hat mir so oft von Sora und ihrer Beziehung erzählt, hat mir sein Herz ausgeschüttet. Und ich dumme Kuh schenke ihm diese verfluchten Plätzchen, mit denen alles angefangen hat. Es muss ihm vorkommen, als hätte ich ihn heimlich verhöhnt und ausgelacht, weil er die ganze Zeit keine Ahnung hatte. Er kennt immer noch nicht die ganze Geschichte von damals und nun wird er sie auch niemals erfahren. Ich kann ihn verstehen, wahrscheinlich hätte ich an seiner Stelle genauso reagiert. Wenn ich mir vorstelle, jemand, den ich sehr mag, hätte einen Einfluss darauf gehabt, dass ich überhaupt erst mit Kouji zusammengekommen bin, wird mir ganz übel. Es würde sich nicht mehr echt anfühlen. Als wäre das Fundament unserer Liebe auf einer Lüge errichtet worden.

Ich komme mir so lächerlich vor. Warum habe ich es überhaupt so weit kommen lassen?

Schweren Herzens gehe ich nach Feierabend die Straßen entlang und kann einfach nicht aufhören, an ihn zu denken. Inzwischen habe ich eine Ahnung, wie er sich gefühlt haben muss, als er Wochenlang nichts von mir gehört hat. Dieses Gefühl ist schrecklich. Am liebsten würde ich ihn anrufen, nur, um kurz seine Stimme zu hören. Ich vermisse ihn. Ich vermisse meinen Freund.

Als ich zu Hause ankomme, schäle ich mich aus meinen Klamotten und werfe mich in Jogginghose und XXL-Shirt aufs Sofa. Ich bestelle mir eine Pizza übers Handy und bin sehr überrascht, als es eine viertel Stunde später schon an der Tür klingelt.

»Das ging aber schnell«, wundere ich mich, gehe zur Tür und öffne sie mit knurrendem Magen. Doch anstatt des Pizzaboten, steht ein junger Mann, mit weißem Shirt und einem Cappy vor mir. In der Hand hält er einen riesigen Strauß Blumen - und einen Brief.

»Bin ich hier richtig bei …« Er wirft einen Blick auf den Umschlag. » … Tachikawa?«

»Ja«, nicke ich und schon drückt er mir den Blumenstrauß in die Hand.

»Bitteschön.«

»Äh … Dankeschön?«, stammle ich verwirrt. »Von wem ist der?«

»Steht auf dem Briefumschlaf. Ciao!«

Der hat es aber eilig. Irritiert schließe ich die Tür und sehe mir den Strauß genauer an. Er ist so schwer, dass ich ihn mit beiden Händen halten muss. Rosa Rosen, lila farbene und weiße Anemonen und noch einige andere Blumen, die ich nicht kenne. Er ist atemberaubend schön. Ein seltsames Gefühl beschleicht mich und bestätigt sich auch sogleich, als ich auf den Briefumschlag schaue. Die Blumen sind von Yamato.

Oh, Gott.

Ich versuche mich, erst ein mal zu sammeln und stelle die Blumen ins Wasser. Dann setze ich mich zurück aufs Sofa und starre auf den Brief in meiner Hand. Er hat mir geschrieben. Er hat mir wirklich geschrieben. Ich kann es gar nicht fassen.

Mit zittrigen Fingern, öffne ich den Brief und fange an zu lesen.
 

»Liebe Mimi, …«
 

Ich schlucke den Kloß in meinem Hals hinunter, als ich sofort seine Handschrift erkenne. Mein Herz springt fast aus meiner Brust … es ist so lange her, dass er mir geschrieben hat.
 

»Leidest du eigentlich immer noch an Privinismus? Falls ja, sollen dir diese Blumen baldige Genesung bringen …«
 

Stirnrunzelnd hebe ich den Kopf.

»Was?«
 

»… das ist natürlich ein Witz und soll das überspielen, was mir so schwer fällt, auszusprechen. Ich habe immer noch nicht deine Handynummer. Das ist nicht in Ordnung. Du hast schließlich auch meine und dich nicht ein mal bei mir gemeldet. Aber ich kann dich verstehen. Warum solltest du auch, nachdem ich dich so behandelt habe?! Ich fühle mich wahnsinnig schlecht deswegen, weißt du das? Es war nicht okay von mir, dich nicht ausreden zu lassen und dich einfach rauszuschmeißen. Das war kindisch und impulsiv von mir und es tut mir leid.

So, jetzt ist es raus.

Es tut mir leid.«
 

Ich blinzle ein paar Mal und lese diese Zeile immer und immer wieder, um sicherzugehen, dass ich es mir nicht eingebildet habe. Er entschuldigt sich bei mir? Das habe ich, offengestanden, nicht erwartet.
 

»Die Wahrheit ist, dass ich dich einfach unheimlich vermisse. Ich wollte dich nicht vermissen, aber ich tue es trotzdem. Das klingt so gar nicht nach mir, oder? Normalerweise schließe ich Menschen sehr schnell aus meinem Leben aus, wenn sie mir wehgetan haben. Bei dir ist das anders und ich habe keine Ahnung, warum. Ich habe versucht, sauer auf dich zu sein und ich bin es auch, aber … ich vermisse dich viel mehr, als dass ich wütend auf dich bin. Ich vermisse meine Freundin Mimi. Ich vermisse unsere Gespräche. Ich vermisse deine Briefe. Und ich vermisse deine Nähe.

Wir haben uns, wie oft, persönlich getroffen?

Wenn man unser erstes Treffen in der Schule nicht mitzählt, waren es genau zwei Mal. Zwei Treffen, die ausreichten, um zu wissen, dass ich dich in meinem Leben haben möchte. Und diese Tatsache wiegt für mich mehr als das, was da zwischen uns steht.

Ich bin sauer, weil du mich angelogen hast. Ich komme mir wie eine Spielfigur vor, die von dir und Sora genau da platziert worden ist, wo ihr sie haben wolltet. Es fällt mir nicht leicht, meine Gefühle in Worte zu fassen, aber es geht besser, wenn ich sie dir aufschreibe. Würde ich jetzt vor dir stehen, würde ich garantiert keinen Ton herausbekommen.

Was du mir erzählt hast, hat mich verwirrt. Es hat meine Sicht auf damals mit einem Mal verändert. Ich habe mich gefragt, ob wir auch zusammengekommen wären, wenn du nicht deine Finger im Spiel gehabt hättest? Wie wäre mein Leben verlaufen, wenn du es nicht getan hättest? Ganz sicher nicht so, denn ich wäre nicht verletzt worden. Ich hätte mir all das Leid erspart, was Sora mir an dem Tag angetan hat, als sie gegangen ist.

Aber ich hätte auch all das Schöne verpasst.

Am Ende einer Beziehung neigt man anscheinend häufig dazu, nur noch das Schlechte zu sehen. Besonders, wenn man selbst derjenige ist, der verlassen wird. Das war damals bei der Scheidung meiner Eltern nicht anders. Aber das ist ein Trugschluss. Es war nicht alles schlecht und auch Sora und ich hatten unsere schönen, unsere guten Jahre. Ich habe aufrichtige Liebe für sie empfunden und ich kann nur hoffen, dass es ihr genauso ging.

Letztendlich kannst du nichts dafür, dass mein Leben sich so entwickelt hat. Du hast zwar den ersten Stein gelegt, weil du es damals (warum auch immer) so wolltest, aber den Weg sind wir selbst gegangen - bis an unser Ende. Und für dieses Ende kannst du nichts, das ist mir nun klar geworden.

Was ich damit sagen will … es tut mir leid … nochmal!

Das Ganze ist schon mehr als ein Jahrzehnt her, also … verhalten wir uns wie die Erwachsenen, die wir sein sollten. Keine Geheimnisse mehr zwischen uns!

Du wolltest etwas sagen, kurz bevor ich dich rausgeschmissen habe. (Habe ich schon erwähnt, dass mir das leidtut?) Ich möchte dir die Möglichkeit geben, dich zu erklären. Wenn du das nicht möchtest, ist das auch okay. Aber wenn da noch etwas ist, was du mir sagen möchtest, dann tu es. Ich verspreche dir, dass ich diesmal besser damit umgehen werde. Ich verspreche dir, dass ich dir zuhören werde. Das bin ich dir schuldig.«
 

Ich stoße die Luft aus, die ich die ganze Zeit über angehalten habe. Natürlich war da noch mehr. Aber ich weiß nicht, ob es jetzt noch klug wäre, es zu sagen. Es laut auszusprechen, macht es irgendwie … real. Und das habe ich doch damals, als wir beide jung waren, so gut vermieden. Ich habe erfolgreich verdrängt, warum ich Sora damals überredet habe, mit Yamato zusammenzukommen. Und jetzt kommt alles wieder hoch.
 

»Ansonsten wünsche ich mir eigentlich nur, dass du mir antwortes. Bitte antworte mir, Mimi. Ich halte diese Funkstille zwischen uns nicht mehr aus. Das sind doch nicht wir, oder? Und was deine Zweifel angeht, du weißt schon … dass du mich zu gern hast, um weiter Kontakt mit mir zu haben (was ist das denn eigentlich für eine Logik?). Da kann ich dich beruhigen: wir gehen nicht weiter, wenn du das nicht willst. Wir können einfach befreundet sein und es wäre mir genug. Ich will dich einfach nur wieder bei mir haben, Mimi.«
 

Kopfschüttelnd werfe ich mich zurück in die Sofakissen und lasse den Brief wie betäubt auf meine Beine sinken. Seine Worte gehen mir direkt unter die Haut. Ich kann mir vorstellen, was für ein riesen Schritt das für ihn war, mir diese Zeilen zu schreiben.

»Wir können einfach befreundet sein und es wäre mir genug.«

Das ist wohl das Problem: nämlich, dass ich keine Ahnung habe, was ich eigentlich will.

Will ich nur mit ihm befreundet sein?

Was soll ich ihm antworten?

Soll ich überhaupt antworten?

Ich könnte diesen Brief einfach ignorieren, so wie all seine vorherigen Briefe auch. Aber das würde ich niemals übers Herz bringen, jetzt, wo er sich mir so sehr geöffnet hat. Er hat mir einen Einblick in sein Innerstes gewährt und das bedeutet mir viel. Ein schweres Seufzen kommt mir über die Lippen, während ich mit mir hadere, was ich nun tun soll. Mein Blick fällt auf diese wunderschönen Blumen. Dann schlage ich die Hände über den Kopf zusammen und fluche laut.

»Oh, verdammte Scheiße!«

Bevor ich es mir anders überlegen kann, lege ich den Brief zur Seite und springe auf. Ich renne aus meiner Wohnung und die Treppen hinunter, in den Keller, wo allerhand alte Kisten von mir gestapelt sind. Ich gehe sie nacheinander durch und ziehe dann genau die richtige Kiste heraus. Als ich sie öffne und den Inhalt sehe, wird mir übel, denn der Geruch von alten Büchern schlägt mir entgegen. Ich finde schnell, wonach ich gesucht habe. Als ich es in den Händen halte, schlucke ich schwer.

Mein altes Tagebuch …

Den Karton klappe ich wieder zu und stelle ihn zurück an seinen Platz. Nicht ganz so eilig gehe ich wieder nach oben in meine Wohnung und lasse mich zurück aufs Sofa fallen. Mit den Fingern fahre ich über den roten Einband des Buches, während bereits all die Erinnerungen an die zahlreichen Seiten, die ich damals in diesem Buch mit meinen Gedanken gefüllt habe, wieder hochkommen.

Soll ich das wirklich tun?

Vielleicht bin ich es mir und ihm schuldig. Aber vielleicht ist das auch die dümmste Idee, die ich je hatte. Ehe ich es bereuen kann, greife ich nach meinem Handy und scrolle durch meine Kontakte.

»Du bist so dumm, Mimi«, wiederhole ich Yamatos Worte, bevor ich seine Nummer wähle. Es tutet ein paar quälende Sekunden und ich denke schon, dass er sowieso nicht abheben wird. Doch dann …

»Hallo? Wer ist da?«

»Yamato …«, kommt es mir flüsternd und mit trockener Kehle über die Lippen. Ich hole tief Luft und fasse all meinen Mut zusammen. »Ich bin es, Mimi.«



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Linchen-86
2021-10-02T09:59:35+00:00 02.10.2021 11:59
Guten morgen liebes,

Alsoooo... puh, ich glaube da wieder Kontakt aufzubauen, nachdem sie so auseinander gegangen sind, ist gar nicht so einfach.

Da ist es mit dem Brief wohl noch am besten gewesen.
An Mimis Stelle hätte ich es auch nicht mehr versucht, sowie er sie zuletzt angefahren hatte, gab er ihr klar zu verstehen, dass sie sich melden soll...

Das mit dem Blumenstrauß war ja schon mal eine liebe Geste und immerhin hatte er ja ein einsehen.
Ich bin gespannt was Mimi jetzt vor hat. Es klingt ein wenig so, als wäre Mimi damals auch schon in Matt verliebt gewesen und hätte Sora einfach nur den Vortritt überlassen.

Ich bin gespannt auf das nächste... 🙂🙃


Antwort von:  Khaleesi26
02.10.2021 17:57
Hey Liebes :)

Du bist echt pfiffig :D Mal sehen, was Mimi Matt jetzt erzählen wird... auf jeden Fall musste er jetzt den ersten Schritt tun und sich entschuldigen und das hat er gemacht. Vielleicht können sie ja die Wogen wieder glätten ;-)
Von:  Hallostern2014
2021-10-01T19:42:41+00:00 01.10.2021 21:42
Huhu meine Liebe ❤😍😘

Ich finde es toll wie Matt sich entschuldigt. Der Brief ist echt mega schön..man merkt das er sich sehr viel Mühe gegeben hatte. Ich bin gespannt ob Mimi ihn endlich die ganze Wahrheit sagt.

Jetzt hat sie ihn auf jedenfall schon mal angerufen. Ein guter Schritt. Nun hat er auch endlich ihre Nummer 😁.

Ich bin gespannt auf das nächste Kapitel ❤😘
Antwort von:  Khaleesi26
02.10.2021 17:55
Hey meine Liebe :)

Ich glaube, wenn Matt sich jetzt nicht entschuldigt hätte, würde diese Geschichte kein Happy End haben :D Er hat Mimi ja ganz schön abserviert. Aber immerhin ist er nun einsichtig...

Mal sehen, was da noch passiert *pfeif*


Zurück