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die Hölle steht Kopf

Ausschnitte aus dem Leben der Lia Kim
von

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6|der Tod hat keine Füße

Würde mich Jemand fragen was meine Stärken sind, wäre meine Antwort auf jeden Fall, Diplomatie definitiv nicht. Wenn es nach mir ginge würde ich alle in der Hölle auftretenden Problematiken mit meinem neuen Lieblingsspielzeug regeln. Ein Schuss und das Problem verpufft. Leider musste auch ich einsehen, dass selbst in der Hölle nicht alles mit Waffengewalt aus der Welt zu schaffen ist und das sich gigantisch große Berge an höllischen Papieren relativ wenig von einer Kugel aus einem Dämonenrevolver beeindrucken lassen. Ebenso wie Situationen die einfach so abstrus waren, dass ich einfach zu nichts mehr in der Lage war, als meinen Gegenüber ungläubig anzustarren. Wie zum Beispiel bei unserem aller ersten schwerwiegenden Fall, den wir in unserer neuen Position zu bewältigen hatten.

Nämlich das Verhindern eines Streiks. Nicht irgendeinen Streik. Sondern dem Streik des Todes.
 

Ich werde nie vergessen wie der Vertreter der so genannten vereinten Sensenleistungsgewerkschaft kurz VER-SE-GE durch die Tür trat um als Repräsentant aller seiner Kollegen ihr Anliegen vorzutragen und gleichzeitig mit den folgenden Konsequenzen zu drohen, sollten wir nicht auf deren Forderungen eingehen. Diese Konsequenzen sahen wie folgt aus: Das sofortige Auslassen herbeigeführter Tode bei hohen Alter, Krankheit oder schwerwiegender Verletzungen. Ebenso wie bei Selbstmördern oder Unfallopfern. Kurz um, er drohte uns mit dem Überleben eines jeden Einzelnen, egal ob seine Zeit abgelaufen war oder nicht. Eine Zunächst rätselhafte Drohung, da zumindest Damien, der liebenswerteste Kerl, der eben Jedes noch so herablassende Leben schätzte, nicht ansatzweise die daraus resultierenden Probleme erahnen konnte. Mir wiederum schwirrte immer noch so der Kopf vom Erscheinungsbild des Vertreters, dass ich nicht drum herum kam ihn nach wie vor wortlos Millimeter genau von oben bis unten zu begutachten. Angefangen bei seinen Füßen. Oder dem Ort wo sie hätten sein sollen.

Denn der gute Herr, ich vermute, dass er ein Herr war, schien wenige Zentimeter über den Boden zu schweben. Der Saum seines Gewannt, schwang in leichten Bewegungen kurz über dem uralten Perserteppich hin und her. Ein erstaunliches Bild, da es aussah, als wäre diese Bewegung durch eine leichte Brise verursacht worden. Doch befanden wir uns definitiv in absoluter Windstille, nämlich in Damiens Büro, das nicht ein einziges Fenster besaß. Da wir uns in Mitten der Hölle befanden. Hier gibt es einfach keine Fenster. Und Klimaanlagen auch nicht.

Lilith und Abby hatten mir schon mehr als einmal versucht zu erklären, dass mein größtes Problem die Hölle zu verstehen darin bestand, dass mein Verstand sich zu sehr von Menschen festgelegten Bahnen leiten ließe, was meinen Kopf viel zu schnell und viel zu oft an den Rand der absoluten Verwirrung trieb. Dies ließ mich wiederum oft daran zweifeln ob alles hier nur ein Konstrukt meiner seit der Kindheit durchaus überschüssigen Fantasie war und ein eindeutiges Zeichen dafür, dass ich den Verstand verlor. Sie beteuerten mir, dass ich nicht verrückt sei, aber einen Weg finden müsse die für mich realitätsfernen Eindrücke zu verarbeiten und als selbstverständlich hinzunehmen, weil sie sonst befürchteten, dass ich schlussendlich doch noch als Opfer der Logik, den Verstand verlieren könnte. Die Kutte unseres Gegenübers schwang in langen Bahnen an ihm hinunter und fing an ein wenig zappeliger zu flattern, als Damien seine Drohungen nicht als eben solche wahrnahm.

Der Vertreter schien darüber ziemlich frustriert, wenn nicht sogar erbost, denn innerhalb weniger Sekunden erschien ein leichter, aber doch furchteinflößende, schon fast bedrohlich wirkender Nebel um ihm herum, der sich von seinen nicht vorhandenen Füßen langsam am Gewand hinauf schlängelte. Der Nebel hatte etwas grünlich, gräuliches und ich könnte schwören, darin kleine rauchende Totenköpfe erkannt zu haben. Sofort versuchte ich meinen Blick davon loszureißen um unserem Gesprächspartner ins Gesicht zu sehen. Wenn dort ein Gesicht gewesen wäre. Langsam fing diese Gestalt an mich zu frustrieren. Seit frühster Kindheit hatte ich ein Problem damit anderen Menschen beim Reden ins Gesicht zu sehen. Augenkontakt fiel mir schwerer als den meisten anderen und wurde permanent von Erwachsenen bemängelt. ‘ Sieh‘ mir gefälligst in die Augen wenn du mit mir sprichst‘! Dies gehöre zum guten Ton, hätte was mit Anstand zu tun und würde meinem Gegenüber Selbstbewusstsein vermitteln. Was diese allerdings vielleicht nicht bedacht hatten ist, dass es schwierig ist Jemanden in die Augen zu gucken um ihm Selbstbewusstsein zu vermitteln, wenn dieser scheinbar gar keine Augen besaß. Oder sie zumindest nicht zeigen wollte. Denn da, wo sich normaler weise das Gesicht eines Menschen befinden würde, befand sich nur ein tiefschwarzer Schatten unter einer gigantisch großen Kapuze, die einfach alles zu verschlingen schien. So lange ich auch versuchte irgendwo die Schemen eines Gesichts zu erkennen, so ergriff mich nur ein sehr mulmiges Gefühl, dass sich Stück für Stück Richtung Panikattacke schob. So lange bis ich beschloss, dass es nicht Wert war einen hysterischen Anfall herauf zu beschwören, nur um eventuell den menschlichen Benimmregeln gerecht zu werden. Vielleicht trug er ja auch gerade deswegen diese alles verschlingende Kapuze. Weil er es genau so wenig leiden konnte angestarrt zu werden wie ich. Mein Blick wanderte weiter zu seiner Sense, die er in der rechten Hand hielt und deren Stab zu meiner Verwunderung außerordentlich hübsch anzusehen war. Erwartet hatte ich einen tristen Stab auf dem am oberen Ende halt das scharfe Messer befestig war, rostig und blutverschmiert. Aber tatsächlich war der Starb aus einer Art schwarzen Metall oder mir unbekannten Stein gegossen beziehungsweise geformt worden, dessen Erscheinungsbild und Verzierungen mich stark an im Barock typischen Kerzenständer erinnerten. Obendrauf die Sichelförmige klinge, glänzend, als wäre sie aus Kristall geformt. Meinen Blick konnte ich erst davon losreißen, als sich die mir mittlerweile mehr als bekannte Stimme von Schildkrötenpinguin zu Wort meldete. Mit aller Empörung gab er zu verstehen, dass die Forderungen, ebenso wie die Drohungen des VER-SE-GE eine absolute Unverschämtheit seien und Hölle, so wie Menschenwelt in ein nie dagewesenes Chaos versetzen würden. Nun horchte ich endlich auf. Ganz offenbar fühlten sich die Sensenmänner und gegeben falls auch Frauen, sollte es sie geben - ich war da noch nicht wirklich auf dem Laufenden- schwer mit ihrer Arbeit überfordert. Durch die in den letzten Jahrhunderten entstehende Überbevölkerung war es zu einem gigantischen Maß an Todesfällen gekommen, die diese tagtäglich abzuarbeiten hatten und nun nach einer neuen Reglung verlangten. Diese sollte entweder in Form von Hilfskräften bewerkstelligt werden oder durch das Aufstocken der Altersgrenzen. Teufel Seniors persönlicher Butler grunzte wie ein Schwein, als wir die Forderungen erneut zu hören bekamen. Die Altersgrenzen waren bereits höher als genug angesetzt worden, was wie Lilith zu verstehen gab unteranderem die Schuld des VER-SE-GEs gewesen sei. Lilith, Abby und Mister Schildkrötenpinguin hatten scheinbar alle schon geahnt, dass uns diese Situation weit überfordern würde und hatten sich allesamt kurz vor Besprechungsbeginn natürlich ganz zufällig bei uns im Büro eingefunden. Lilith erinnerte den Vertreter mit strengen Ton daran, dass nur durch ihr Kopfloses bestreiken ihrer Aufgaben es immer wieder zu erhöhten Arbeitsaufkommen kam. Ganz offensichtlich schien der Tod sich gerne mal mit dem Niederlegen seiner Aufgaben zu beschäftigen, denn Lilith zählte eine lange Liste auf, die eben darauf schließen ließ. Unteranderem soll es im 14. Jahrhundert schon einmal zu einem Streik gekommen sein.
 

Die Sensenmänner legten Monate lang ihre Sensen nieder und als Resultat musste anschließend ein Sonderformular der Kategorie Seuchenverodnung, den in der Zeit als Menschenüberschuss geltenden Lebewesensaufkommen mit einer nie dagewesenen Epidemie, unser eins als Pest bekannt entgegengewirkt werden. Sprich, der Tod schoss sich mit der Aktion selbst ins Knie, da er die Verhandlungen verlor und anschließend mehr Arbeit in kürzerer Zeit zu bewältigen hatte als bereits zuvor. Noch dazu ungeachtet von Alter oder Liebenswertigkeit seiner Opfer.

Jahrhunderte später forderten sie, dass Aufstocken der Altersgrenzen. In Bezug auf den sich damals in der Menschenwelt weiterentwickelnden medizinischen Kenntnissen, ging der Teufel tatsächlich auf die Forderungen ein. Resultat war ein kurzes Aufschieben des Todes, so dass den Menschen ab sofort weitere Lebensjahre zur Verfügung standen, bis Alter oder Krankheit sie dahinrafften. Was VER-SE-GE offensichtlich nicht bedacht hatte, dass die Todesfälle nach Ablaufen dieser Jahre trotzdem bewältigt werden mussten. Kurz um, es änderte sich zu diesem Zeitpunkt in gewisser Weise nichts an ihrem Arbeitspensum, außer vielleicht an der Tatsache, dass die Zahl der Bevölkerung in dieser Zeit stetig anstieg und es abzusehen war, dass dies später einmal zu deutlich mehr Arbeitsaufkommen führen musste. Damien verstand die Welt nicht mehr. Er war so festgefahren in seinem -Leben ist Wertvoll- Denken, dass er das damit im Zusammenhang stehende Resultat einfach nicht wahrnehmen konnte. Abby opferte sich auf es ihm zu erläutern, da die anderen deutlich genervt aussahen und seit unserer Anwesenheit nichts anderes mehr konnten als mit den Augen zu rollen, wenn sie schon wieder solch naivem Denken ausgesetzt waren.
 

Der Planet Erde hat nur ein begrenztes Aufkommen an Ressourcen, die bereits beim momentanen Menschenaufkommen angefangen haben zu fluktuieren. Ebenso den unsagbaren Dreck den die Menschheit in die Welt pustet und somit schon lange an ihrer eigenen Zerstörung arbeitet. Ganz ohne Zutun der Hölle. Sollte es nun abrupt zu keinen Toden mehr kommen, hätte es nur zur Folge, dass die Bevölkerungszahlen unplanmäßig ansteigen und innerhalb weniger Jahre kein Platz, geschweige denn Ressourcen zur Verfügung ständen. Ebenso wie die Tatsache, dass uralte Menschen gezwungen wären, auch nach dem Beginn des Zerfallen ihres Körpers noch viele weitere Jahre in Krankenhäusern und Pflegestätten vor sich hinzuvegetieren, sich chronisch und unheilsame Menschen ewig mit Schmerzen durchs Leben quälen müssten, so wie Menschen die Lebensgefährlich verletzte wurden auf ewig mit klaffenden Wunden, zerquetschten Organen oder aufgeschnittenen Arterien leiden müssten. Der Tod sei nicht immer etwas Schlechtes. Sondern er dient auch in gewisser Weise als eine Art der Erlösung. Eine Tatsache, der vor allem Menschen sich gerne verschließen aus Angst vor dem damit in Verbindung stehenden Verlust. Abbys doch recht anschaulich gestaltende Erläuterungen ließen mich schwer Schlucken. Und offenbar hatte sie auch den sanftmütigen Damien damit erreicht, dem hinter seiner Brille jede Art von Farbe verloren gegangen war und nun den Farbton ‘Gespenst‘ angenommen hatte. Das letzte was er wollte war, jemanden Leid zuzufügen und so teilte er der schwarzen Gestallt am anderen Ende seines Schreibtisches mit, dass es ihm Leid tut, aber ein Streik stünde nicht zur Debatte. Bevor er die nächste Dummheit begehen oder wohlmöglich einknicken konnte, sprang ihm auch schon wieder Lilith ins Wort. Sie erinnerte unter stetigen nicken von Mister Schildkrötenpinguin daran, dass es kein weiteres Personal gäbe zur Bewältigung selbstverschuldeter Arbeit. Ebenso wie das heranschaffen und Ausbilden neuer Arbeitskräfte zu viel politisches Aufkommen fordern würde und dass sie sich nicht vorstellen kann, dass Sensenmänner gerne Unterstützung vom Himmel in Anspruch nehmen wollten. Da dies offenbar die einzige Möglichkeit wäre zusätzliche Arbeitskräfte zu erhalten. Natürlich nachdem man einen ewig langen Papierkrieg hinter sich hatte. Daraufhin schreckte die furchteinflößende Gestalt ein wenig zurück. Der Nebel, der noch immer um das Gewand herumwaberte verflüchtigte sich. Niemand, ich betone nochmal – NIEMAND in der Unterwelt arbeitet freiwillig mit den Angestellten des Himmels zusammen. Und der Tod am aller wenigsten. Was wohl unteranderem mit dem Pflichtbewusstsein der guten Engel zu tun hat und wie mir Abby zuflüsterte, der Tatsache, dass dies alles hoch arrogante Ärsche seien, die vor allem den Tod gern bei jeder Gelegenheit vorführen. Ihnen sei es wohl zu verdanken, dass der Tod in der heutigen Gesellschaft gar nicht mehr wirklich als angsteinflößende Gestalt wahrnehmen, sondern als süßer Charakter von Computerspielen, Bildercomic oder sogar in Form von Merchandise als Plüschfiguren, Müslipackungen oder Tassen so wie Suppenschüsseln vertreiben werde. Schildkrötenpinguin stellte mit ein paar letzten Zitaten aus irgendwelchen Gesetzestexten sicher, dass es nicht doch noch zu einem Streik kommen würde. Damit erinnerte er den Vertreter, dass durch das eben getätigtes Gespräch und Zustimmen, dass himmlische Unterstützung unerwünscht sei, der VER-SE-GE nun keinerlei Befugnis mehr zur Niederlegung ihrer Sense hätten. Kurzerhand drehte dieser sich mit um und verließ Damiens Büro mit gebeugter Haltung, frustriert darüber ihre Forderungen nicht durchgesetzt zu haben.
 

DAS war unsere aller erste Aufgabe, die wir- naja eigentlich Damien zu bewältigen hatte. Und bereits an diesem Tag wussten wir, wir würden die Hölle, so wie unsere eigene Welt ins absolute Chaos stürzen, wenn wir nicht dauerhaft unsere Babysitter um uns hätten.



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