Zum Inhalt der Seite

Als die Dunkelheit das Licht verschlang

Buch I: Hohepriester Chaths
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Kapitel II

Hanbal ließ seinen Blick gleiten, während er aus dem Schälchen trank, was ihn Ausar gegeben hatte.

„Wie macht sich der Straßenjunge?“, wollte er ruhig wissen und musterte dann seinen Hohepriester kühl. Dieser schmunzelte leicht. „Was möchtest du hören?“, fragte er dagegen.

Der Pharao zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Am liebsten etwas wie, dass er keine Gefahr für Amsu ist. Ich weiß nicht warum, aber mein Sohn hängt an den Straßenjunge.“

Ausar legte leicht amüsiert den Kopf schief. „Weißt du das wirklich nicht? Hanbal, hat Amsu denn einen Kameraden? Hat er Gleichaltrige, die ihn auf Augenhöhe begegnen?“ Der Pharao schüttelte den Kopf. „Nein, bloß nicht!“, erwiderte er. „Ich will nicht, dass er etwas tut, dass seiner Position nicht würdig ist!“

Ausar biss sich kurz auf die Lippen, während seine Augen blitzten. „Hanbal, mein Freund. Denke doch nur an deine Kindheit zurück. Du warst doch auch nicht gerade ein artiger Bursche.“

Hanbal funkelte seinen Hohepriester an. „Erstens: Wer hat mich denn ständig dazu verführt? Und zweitens heißt es ja, wie der Vater so der Sohn. Ich möchte nicht, dass Amsu auch in diesen Bereich in meine Fußstapfen tritt!“

Nun lachte Ausar warm auf und legte einen Arm um Hanbals Schultern. „Ist er das denn nicht schon? Mal ganz ehrlich, mein Pharao. So wie die beiden gefunden wurden, in dem zustand und in der Art und Weise, scheint dein Sohn nicht das erste mal sich außerhalb der Palastmauern vergnügt zu haben.“

Hanbal knurrte und machte dabei einen großen Wolf Konkurrenz. Dann jedoch atmete er tief durch. „Aber warum dieser Straßenjunge?“, wollte er nun beinahe verzweifelt wissen.

„Weißt du, mein Freund, Chaths stand nicht nur auf Augenhöhe mit Amsu, sondern war gleich direkt mit dabei, etwas normales zu tun. Chaths hat Amsu wie einen Menschen behandelt. Deshalb ist dein Sohn in den Straßenjunge so vernarrt. Und natürlich hat da Chaths Charme auch so einiges mit dazu beigetragen. Lass sie Freunde werden. Und alles wird gut. Der Straßenjunge wird deinem Sohn kein Leid zufügen. Und mal ehrlich... Was soll denn schon groß passieren, wenn sie zusammen sind?“, meinte Ausar beruhigend.

Hanbal lehnte sich zurück und nippte wieder an der Trinkschale.

„Ausar... ich war mit meinem Sohn beim Orakel des Amun. Wir kommen direkt von dort und es hat dunkle Zeiten vorhergesagt. Mein Sohn ist in Gefahr und in den angrenzenden Reichen herrscht Unruhe. Verstehst du? Ich möchte nur, dass Amsu in Sicherheit ist“, erklärte er und schrak hoch als es plötzlich laut donnerte, krachte und schepperte. Der Pharao wurde leichenblass. „Was kann kaputt gehen?“, keuchte er, als er auch schon aus dem Tempel stürmte, gefolgt von dem Hohepriester, um dessen Mundwinkel es verräterisch zuckte.
 

Amsu und Chaths standen im Mondenschein vor der Ma'at und schauten mit blitzenden Augen an ihr hoch. „Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, das wir gestört werden?“, wollte Chaths ruhig wissen und Amsu grinste. „Nicht existent. Papa und Ausar sind beste Freunde und kennen sich schon von klein auf. Die werden in Erinnerungen schwelgen!“

Chaths nickte und lachte leise auf. „Also dann. Einmal hochgeklettert!“ Da räusperte sich Amsu leicht. „Meinst du nicht, dass es Ärger gibt? Ich meine, wir sind im Begriff auf einem Gott herum zu klettern.“

Chaths drehte sich langsam zu Amsu und musterte ihn ungläubig. Er überlegte, ob die Frage ernst gemeint war. Scheinbar ja! So atmete er tief durch,

„Amsu. Auch wenn das hier die Götter darstellen, so sind sie es nicht. Es ist nur Stein, Sand und Dreck. Es kann nichts passieren! Ich bin die letzten Tage auf den Statuen geklettert und es hat sich nichts geregt oder jemand hat sich beschwert. Also keine Sorge. Es wird keinen Ärger geben, weil es niemand erfahren wird und es keine Götter gibt. Es sind einfach nur Geschichten, die man den Kinder vor dem Schlafen gehen erzählt!“

Amsu blinzelte verdutzt. „Du glaubst, das sind alles nur Geschichten? Aber ich habe gehört, dass es einen Tempel gibt, der wie eine Grabanlage gebaut ist und in dem man die Prüfung des Herzens vornehmen kann, ohne tot zu sein.“

Chaths schnaubte abfällig. „Das ist Schwachsinn! Wir können da gerne mal hingehen und schauen. Nun lass uns hochklettern!“

Amsu musterte Chaths eine Weile. „Ich nehme dich bei Wort!“, sagte er dann, blickte wieder hoch und sprang ab, um die Säule hochzuklettern – gefolgt von seinem Freund.
 

Die beiden Jünglinge hangelten sich geschickt die Säule hinauf und wurden immer langsamer, je höher sie kamen. Die Kräfte ließen nach und sie rutschten immer öfter ab, da ihre Finger und Zehenspitzen immer seltener Halt fanden. Schließlich erreichten sie die Spitze der Säule und zogen sich mit letzter Kraft auf die Querstreben hinauf.

Chaths lag schwer atmend auf der Felsenstrebe, die den einen Schenkel der Waage bildete und ließ seinen Blick nach unten gleiten.

„Wir sind ganz schön hoch“, stellte er trocken fest. „Hätte ich dir sagen können!“, schoss Amsu atemlos zurück, als er sich langsam aufrichtete. „Wenn du die Bilder des Totengericht und ganz besonders die Prüfung des Herzens vor Augen hast, dann weißt du, dass Ma'at größer als alle anwesende Götter ist. Nun schau dir nur die Götterstatuen an und du weißt, wie groß diese Ma'at hier ist.“

Chaths verdrehte leicht genervt die Augen und setzte sich nun auch auf. „Falls du es nicht bemerkt haben solltest, es war lediglich eine Feststellung, wie wenn ich auf einem Felsvorsprung stehe und sage, dass ist hoch“, murrte er und ließ seinen Blick über die Landschaft gleiten.

„Schau mal, die Lichter von Ipet!“, rief da Amsu freudig aus und zeigt in Richtung Osten. Chaths folgte mit seinem Blick dem Fingerzeig und er war ergriffen von der Schönheit, die ihm entgegenschlug. „Und du siehst sogar das Wasser glitzern...“, raunte er leise, während Amsu andächtig nickte.

So verharrten sie und sogen die Ruhe und den Frieden der Nacht tief in sich auf.

„Wollen wir mal nachschauen, ob wir in den Schalen etwas Interessantes finden?“, durchbrach da Amsu die Stille und funkelte Chaths herausfordernd an. Dieser hob spöttisch eine Augenbraue und blickte zu den Waagschalen. Sie hingen an Ketten, die aus Stein gemeißelt waren.

„Von mir aus“, zuckte er mit den Schultern und erhob sich. Er lief zu Amsu und bedeutete ihn aufzustehen. „Schauen wir bei deiner Schale als erstes nach.“ Amsu nickte und stand ebenfalls auf. Gemeinsam liefen sie den Schenkel entlang, bis sie direkt über der Schale standen. Amsu atmete tief durch und ließ sich fallen. Geschickt griff er nach der Kette und fing seinen Sturz ab. Durch den Ruck lief ein Beben durch die Ma'at und Chaths runzelte misstrauisch die Stirn.

„Amsu, komm lieber wieder hoch“, rief er da besorgt und der Kronprinz lachte spöttisch auf, als er sich nun an der Kette zur Schale hinunter hangelte. Chaths beschloss nicht zu folgen, um nicht noch unnötig Gewicht auf die Kette und die Schale zu bringen, denn Erstere rieselte und knirschte bedrohlich.

„Amsu, bitte! Das Gestein gibt nach. Komm wieder hochgeklettert. Bitte!“, rief Chaths nun energischer und wurde immer nervöser. „Feigling!“, kam es da nur von Amsu und er ließ sich auf die Schale fallen. Geschickt kam er auf seinen Füßen auf. Da gab es einen Ruck und die Schale sackte etwas nach unten. „Woah...“, rief Amsu lachend auf und blickte hoch. „Siehst du? Alles gut!“

Chaths schnaubte und knirschte mit den Zähnen. Fieberhaft suchte er eine Möglichkeit, wie er Amsu dazu bewegen konnte, wieder hoch zu klettern.

„Amsu, bitte...“, versuchte es Chaths noch einmal, doch der Prinz lachte nur. „Schau, alles gut!“, rief er und sprang zum Beweis mehrmals auf und ab, um dann durch die Schale zu brechen. Amsu schrie auf und krallte sich irgendwie fest. So hing er nun über der Erde, sich an den Resten der Schale festhaltend.

„AMSU!“, rief Chaths panisch auf und wider besseren Wissens ließ er sich fallen, griff nach der Kette und hangelte sich zu Amsu hinab, um ihn zu retten. Doch hatte er gerade die Hälfte der Strecke hinter sich gebracht, als es über ihn knirschte und Staub rieselte. Er blickte auf und da sprang die Kette entzwei. Chaths Augen weiteten sich, als sie fielen. Verzweifelt versuchte er sich soweit zu drehen, dass er nach unten schauen konnte. Da schlug Amsu brutal auf dem Boden auf und über ihn die schweren Steine der Schale. Und nur Sekundenbruchteile später knallte Chaths auf den Steinhaufen.

Schmerzen rasten durch seinen Körper und es wurde ihm schwarz vor Augen, doch kämpfte er dagegen an und schließlich bekam er wieder etwas Luft. Mühsam stemmte er sich hoch und blickte sich suchend um, bevor er begriff, dass er auf Amsu lag.

Mühsam begann er den Schutt wegzuräumen. Seine Ohren rauschten und immer wieder wurde es ihm schwarz vor Augen. „Amsu! Amsu!“, wisperte er wie ein Mantra und da wurde er von zwei kräftigen Händen gepackt, die ihn wegzerrten und irgendwo dagegen lehnten.
 

Hanbal und Ausar blieben wie angewurzelt stehen, als sie den Steinhaufen sahen. Auf dem Haufen kniete Chaths, der versuchte sich einen Weg freizuräumen und unter dem Steinhaufen konnten sie einen Arm von Amsu erkennen.

Sofort war Ausar bei Chaths, packte ihn und zerrte ihn weg, um ihn zu setzen und gegen die Beine von Anubis zu lehnen, während Hanbal bereits sich an die Arbeit machte, Amsu freizulegen.

Mit vereinten Kräften konnten der Pharao und der Hohepriester schließlich den Prinzen bergen und Ausar verschwand mit ihm direkt in seine Kräuterkammer, wo er sich um Amsu kümmerte und ihn versorgte. Er betete dabei leise zu allen Göttern, dass Hanbal Chaths nicht umbringen würde. Ihm war bewusst, dass es ein Unfall war, ausgelöst durch die Unbekümmertheit der Jugend. Doch das würde der Pharao nicht gelten lassen – nicht nach der Nachricht vom Orakel!
 

Hanbal näherte sich nun bedrohlich Chaths, der müde aufblickte und Mühe hatte zu erkennen, wer vor ihm stand. Immer wieder drohte er bewusstlos zu werden.

„Wessen Idee war es, da hinauf zu klettern?“, wollte der Pharao ruhig wissen. Chaths dachte gar nicht daran etwas anderes, als die Wahrheit zu sagen. „Es war meine Idee gewesen“, antwortete er leise. „Wir haben uns gefragt, ob sie sich bewegt.“

Hanbal verengte gefährlich seine Augen. „Ist dir nichts heilig, Straßenkind?“ Chaths runzelte verwirrt die Stirn und verstand nicht, was der Pharao von ihm wollte. „Warum? Wir sind doch nur auf Felsen geklettert“, erwiderte er leise. Das dies wohl die falsche Antwort war, wurde Chaths in dem Moment klar, als er plötzlich gepackt und wie Dreck weggeschmissen wurde.

Mit Fußtritten wurde er vom Pharao wie ein räudiger Köter in einen Gebetsraum getrieben. Wimmernd blieb Chaths zusammengekauert auf dem Boden liegen. Er zitterte und verstand nicht, was los war. Er verstand nicht, warum Amsus Papa so gemein zu ihm war. Sollte ein Pharao nicht jedes noch so kleine Leben achten und ehren?

Schwach lauschte er den Geräuschen, die Hanbal machte und plötzlich wurde er im Nacken gepackt.

„Ich werde dir Respekt beibringen! Du wirst erst wieder das Tageslicht erblicken, wenn du Demut gegenüber den Göttern gelernt hast!“, zischte der Pharao und zog einen Zeremoniendolch, den er vorher in einen Kräutersud gelegt hatte, kraftvoll quer über Chaths Augen. Dieser schrie gellend auf, als die Klinge durch seine Augäpfel schnitt und riss sich los, nur um dann zu Boden zu krachen. Er wimmerte und zitterte vor Panik, da er nichts mehr sah. Er spürte die Flüssigkeit und das Blut über sein Gesicht laufen.
 

Ausar hörte den gellenden Schrei und er war froh, dass Amsus Bewusstlosigkeit zu tief war. Da der Prinz außer Lebensgefahr war, eilte er dorthin, wo er den Schrei lokalisiert hatte und blieb wie angewurzelt stehen, als er Chaths wie ein Haufen Elend am Boden zittern sah, zusammengekrümmt wie ein Kleinkind. Seine Augen wanderten zu Hanbal. „Was hast du getan?“, wollte er mit mühsam beherrschter Stimme wissen.

„Er wird erst wieder sehen können, wenn er Demut den Göttern gegenüber gelernt hat!“, kam es trocken von dem Pharao, als er den Zeremoniendolch zur Seite legte. Ausar atmete tief durch, als er begriff, was passiert war. „Mein Pharao, ich erinnere dich daran, dass es dir nicht zusteht solche Strafen zu verhängen! Verlasse im Morgengrauen mit Amsu den Tempel! Du hast dich erst wieder Chaths zu nähern, wenn Amsu den Thron besteigt!“, donnerte Ausars Stimme bedrohlich durch den ganzen Tempel. Er war außer sich vor Wut über Hanbals Anmaßung.

Mit zitternden Händen und beruhigende Worte murmelnd, trat der Hohepriester an seinen Schüler, hob ihn auf die Arme und trug ihn behutsam in seine Räume, um ihn zu versorgen.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück