Zum Inhalt der Seite

Als die Dunkelheit das Licht verschlang

Buch I: Hohepriester Chaths
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Prolog

Amsu entglitten die Gesichtszüge, als er beim Essen inne hielt. „Vater, ich soll was? Du bist doch kerngesund und es herrscht Frieden, also warum soll ich denn jetzt schon die Weihe bekommen?!“, entfuhr es ihm fassungslos. Sah er doch sein relativ unbeschwertes Leben den Nil hinunter schwimmen.

Hanbal seufzte tonlos und er brauchte sich nicht zu seinen besten Freund und Hohepriester Ausar umzudrehen, um zu wissen, dass dieser Mühe hatte, nicht laut los zulachen.

„Amsu. Wie oft muss ich dir das noch erklären, dass die Erben des Pharaos bereits bei der Geburt die Weihe zum Thronerben erhalten. Wir haben das nicht getan, damit du so normal wie möglich aufwachsen kannst. Du bist jetzt alt genug und hast bereits Fünfzehn Sonnenwenden gesehen. Ich verlange, dass du deine Weihe bei der kommenden Sonnenwende erhältst! Natürlich liegt mir nichts ferner, als in naher Zukunft den Thron abzutreten, aber es gibt den Volk Sicherheit und Vertrauen, wenn sie wissen, dass ein Thronerbe da ist.“

Amsu grollte innerlich. Sein Pa hatte ja recht, aber er wollte nicht von den alten Opas bevormundet werden... Da kam ihn eine Idee.

„Also gut, Papa. Ich lasse mich weihen. Unter einer Bedingung! Ich suche mir meine Vertrauten und meinen Hohepriester selber aus! Ich will nur von meinem Hohepriester die Weihe erhalten!“

Hanbal öffnete schon den Mund, um etwas zu sagen, als Ausar sich leise und kaum vernehmlich räusperte. So atmete der Pharao tief durch. Er hatte sich auch nur von seinem besten Freund Ausar weihen lassen und so nickte er ergeben. Er war nicht ungerecht. „Also gut, du empfängst die Weihe von deinem von dir ausgesuchten Hohepriester. Ausar wird ihn ausbilden und belehren“, gab er also nach und Amsu strahlte über das ganze Gesicht. Es fühlte sich wie ein Sieg über seinen Papa und die ganzen strengen Regeln des Hofes an!

„Super, Papa! Ich hab dich lieb, Papa!“, jauchzte er und sah sich in Gedanken schon in der Stadt, um das zu feiern!
 

Chaths näherte sich dem feiernden Volk. Die Stimmung war ausgelassen und kaum jemand achtete auf seine Wertsachen. Das war DIE Chance! Wenn Chaths es richtig anstellen würde, konnte er hier reich werden oder zumindest wieder einen längeren Zeitraum überleben.

Er lief gemütlich zwischen den Menschen entlang. Man nahm keinerlei Notiz von ihm. Er besaß nur das, was er am Leibe trug und lebte auf der Straße oder wo er einen Unterschlupf fand. Wegelagerer wie er waren noch weniger wert als Sklaven und demzufolge unsichtbar. Was in solchen Menschenmengen ein Vorteil war.

Da fiel ihm ein junger Mann auf. Dieser trug zwar Kleidung des einfachen Volkes, doch seine Haltung und Bewegungen erzählten etwas anderes. Chats Augen blitzten amüsiert auf. Oh ja, wenn die hohen Herrschaften sich unter das Volk mischten, bedeutete dies meist einfache und reichliche Beute! Und so näherte er sich gemütlich den jungen Mann, blieb neben ihn stehen, um den Feuerschlucker zu beobachten und ließ seine Hand auf Wanderschaft gehen. Schon erfühlte er den Goldbeutel, als sein Handgelenk blitzschnell und fest gepackt wurde und sein Opfer sich mit einem scharfen Blick zu ihm wandte.

Auch Chaths wandte sich um und blickte nun ruhig in funkelnde blaue Seen. „Ich glaube du hast da etwas, was mir gehört“, spottete Chaths, während seine Augen wie flüssiges Silber herausfordernd blitzten. Sein Gegenüber hob beinahe gelangweilt eine Augenbraue und blickte runter zum Handgelenk, was er immer noch umschlossen hielt. „Und warum sollte ich es dir wieder zurückgeben?“, kam es mindestens genauso spottend zurück.

Chaths schnaubte nun leicht genervt. „Weil ich dir dein Gold lasse.“

Sein Gegenüber neigte erhaben und doch so alles verachtend den Kopf und ließ das Handgelenk los. „Hast du Mut, kleiner Dieb?“, fragte er dann ruhig.

Chaths verengte nun beleidigt die Augen. „Mein Name ist Chaths. Und ich darf dich daran erinnern, dass du unter Garantie genauso alt bist wie ich...“, grollte er.

„Sehr gut gekontert. Mein Name ist Amsu. Und ich möchte mich etwas amüsieren. Wie sieht es aus? Du bekommst den gesamten Goldbeutel, wenn du es schaffst mehr zu trinken als ich.“

Chaths blinzelte verdutzt und brach dann in leises Lachen aus, als er den Inhalt der Worte begriff. Oh das würde ja so einfach werden! Jeder wusste, dass die vom Hof nichts vertrugen und schon beim Geruch diverser Getränke des einfachen Volkes umkippten!

„Die Herausforderung ist angenommen, Amsu!“, gluckste er, legte einen Arm vertraut um die Schulter des anderen und ging mit ihm zum ersten Stand, wo vergorene Säfte verkauft wurden.
 

Chaths blinzelte in die Sonne. Leise stöhnend griff er sich an den Kopf, während er es sich auf seiner weichen und warmen Unterlage bequem machte. Sein Mund war trocken und seine Zunge schien ein einziges totes Pelztier zu sein. Sie war so schwer und einfach alles war... Bäh! Er vergrub sein Gesicht in die Matratze unter sich und döste wieder weg.

Plötzlich wurde er brutal gepackt und von seiner Matratze gerissen. Er schrie leise auf, als brutaler Schmerz durch seine Schläfen hämmerte. Er wurde irgendwo dagegen geschmettert, was ihm die Luft aus den Lungen presste und dann hielten Schraubstöcke ihn an den Armen fest und auf den Beinen. Chaths war schlecht. Alles drehte sich um ihn, die Sonne brannte zu hell und die Stimmen, die brüllten, drohten nicht nur seine Ohren zu zerstören, sondern schienen darauf angelegt, seinen Kopf zum Platzen zu bringen!

Langsam konnte er etwas erkennen, während er so gehalten wurden. Und das, was er erkennen konnte, gefiel ihm gar nicht. Es erinnerte an einem Albtraum oder an einem schlechten Scherz!

Langsam kam auch sein Verstand auf touren und er fing an zu begreifen, was er da sah:

Seine warme und weiche Matratze war Amsu gewesen. Sie hatten wohl irgendwo am Straßenrand genächtigt. Soweit war dies ja nicht wirklich besorgniserregend. Nur irgendwie gefiel es ihm nicht, wie Amsu, der so aussah, wie er sich selber fühlte, auf der einen Seite besorgt untersucht wurde, ob ihm ja nichts fehlte und auf der anderen Seite eine Standpauke erhielt, vor der selbst der große Seth den Kopf eingezogen hätte.

Amsu wurden die Kleider regelrecht vom Leib gerissen, damit er gleich direkt durch standesgemäße Roben gekleidet wurde. Doch der kurze Blick auf Amsus Körper ließen Chaths die Gesichtszüge entgleisen. Er hatte die Armreife gesehen. Er hatte die Tätowierungen nicht nur gesehen, sondern auch erkannt! Bei Seth! Er hatte mit dem Kronprinz die ganze Nacht durchgezecht und war dann irgendwie AUF ihm eingeschlafen!

Chaths stöhnte gepeinigt auf. Oh, er war ja so was von tot!

Und da trafen sich seine Augen mit denen von Amsu. Amsus Blick bat um Verzeihung und schon wurde der Kronprinz weggeführt, während Chaths gefesselt und einmal gründlich durchgeprügelt wurde.
 

Amsu klingelten noch immer die Ohren. Nicht nur die Standpauke des Generals von Papas Leibgarde hatte es in sich, auch die Standpauke von Ausar war nicht ohne. Ja und dann das Gebrüll von seinem Papa. Papa hatte noch nie gebrüllt.

Komplett erledigt, ließ er sich aufs Bett fallen und stöhnte gepeinigt auf. Sein Kopf schmerzte so tierisch und ihm war so schlecht. Bei Ra, was hatten sie denn alles getrunken?!

Und plötzlich schreckte er hoch und schrie schmerzgepeinigt auf. Sofort waren Diener bei ihm, doch er kämpfte sich auf die Beine und verließ sein Gemach. Er musste zu seinem Papa! Er musste Chaths retten! Bei Seth, wie konnte er das nur vergessen? Sie würden Chaths umbringen! Nicht nur dass er ihn, den Kronprinzen angeschaut hatte, nein, er hatte ihn auch berührt und auf ihn gelegen und geschlafen und... Chaths war so was von tot!

Mittlerweile rannte er und stürzte in den Thronsaal, wo Hanbal gerade Audienzen gewährte. Der gesamte Saal blickte zu Amsu.

„Chaths soll mein Hohepriester werden!“, rief er laut aus und gespenstische Stille folgte.
 

Chaths konnte später nicht sagen, wie lange er ohne Wasser und Brot im Kerker gewesen war. Er hatte viele gebrochene Knochen und er hustete immer wieder Blut. Er staunte, dass man ihn nicht totgeprügelt hatte.

Nun wurde er aus den Kerkern gezerrt, gefesselt und einfach mitgeschliffen. Gierig schnappte er nach der frischen Luft, nur um dann halb zu ersticken vor Husten, während man ihn nun auch mit brutalen Schlägen vorwärts trieb. Oder es versuchte.

Vage konnte er erkennen, dass er zur Tempelanlage geschleift wurde. „Nicht...“, kam es ihn panisch über die Lippen. Er hatte so viele Schauermärchen gehört, wie brutal die Priester bei Bestrafungen vorgingen.

Schließlich erreichten sie den Platz, auf den riesige Götterstatuen standen. Chaths erkannte, dass schon andere arme Sünder jeweils bei einer Statue wie aufgehängt waren. Mühsam blickte er auf und erkannte Anubis, unter dem er nun gefesselt und dann an Seilen hochgezogen wurde, die Arme gespreizt. Er schrie gellend auf, als seine Füße den Boden nicht mehr berührten und er nun so da hing.

Vage nahm er war, wie sie ihn auslachten, anspien und noch eine ganze Weile malträtierten.

Endlich waren sie gegangen und er hing da. In der glühenden Sonne und mehr tot als lebendig. Immer wieder wurde ihm schwarz vor Augen. Sein Körper zitterte unkontrolliert, wenn ihm ein Kälteschauer überkam und er sah das Blut aus seinem Mund tropfen.

Wie lange er da hing, wusste Chaths nicht, als er langsam und behutsam abgelassen wurde, so dass er wieder Boden unter die Füße bekam und er stöhnte erleichtert auf. Allerdings hatte er keine Kraft mehr, aufzublicken und sich für diese Wohltat zu bedanken.

„Was wird dir zur Last gelegt?“, wollte eine tiefe Stimme ruhig wissen. Chaths runzelte die Stirn. Ihm kam diese Stimme so bekannt vor. „Hohepriester Ausar...“, entwich es Chaths leise und er wusste nicht, ob er erleichtert oder besorgt sein sollte.

„Richtig, mein Kind. Nun antworte mir bitte.“

Chaths atmete schwer und es tat weh. Doch bemühte er sich der Aufforderung nach zu kommen.

„Ich weiß es nicht genau. Ich wollte Amsu um seinen Goldbeutel erleichtern, aber er erwischte mich und dann hat er mir angeboten, dass ich den ganzen Beutel bekomme, wenn ich mehr trinken kann, als er. Und dann bin ich auf ihn aufgewacht...“, presste er mühevoll jedes Wort leise hervor.

„Trink...“, raunte der Hohepriester nachsichtig und hielt eine Schale an Chaths Lippen.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück