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Ausgerechnet Bali

Inmitten Kosire, einem der zehn Stadtteile Prags steht das gehobene Anwesen, in dem ich seit fast 21 Jahren mit meinen Eltern lebe und doch über mein eigenes Reich verfüge. Fast schon ländlich schmiegt sich der fünfte Stadtteil in die Großstadt ein und in nur wenigen Minuten ist man mit der Straßenbahn im Zentrum. Perfekt für mich, ich kann ausschlafen und mit dem Rad rüber nach Barrandov fahren, wo sich die berühmten Filmstudios befinden. Als Kind konnte ich davon nur träumen. Heute fahre ich täglich an ihnen vorbei und in wenigen Wochen habe ich ein Shooting am Filmset. Zuvor aber steht Bali auf dem Plan und ist genau das Gegenteil. Tropisch, wunderschön und ziemlich weit weg. Besonders für meine Mutter, die das Thema schon wieder anschneidet.
 

„Bali? Wieso denn Bali?" Entgeistert sieht meine Mutter mich an, dann wieder in ihre Zeitung und schließlich zu meinem Vater, der leise seufzt.
 

„Was sagt denn Dominik dazu?", will er wissen.
 

„Nichts, weil er mit seinen Kollegen nach Kapstadt fliegt", antworte ich ruhig, ehe ich zur Kaffeemaschine gehe und mir einen Kaffee nehme.
 

„Und mit wem fliegst du? Sicher doch nicht alleine, oder?"
 

„Nein, Jiri fliegt mit, ebenso unsere Fotografen Lukas und Marty und noch zwei andere Jungs, die ich aber nicht kenne."
 

Typisch meine Mutter, die sich noch immer sorgt und das, obwohl ich mittlerweile 20 Jahre alt bin und mein eigenes Leben lebe. Obendrauf gehe ich arbeiten, stehe oft vor der Kamera und ein Shooting jagt das nächste. Mein Aussehen ist gefragt, dazu meine Art und erst recht mein Blick, der die Kunden allesamt anzieht und mich auf zig nennenswerte Cover katapultiert hat. Ich bin also gut im Geschäft und doch gibt es Leute, die das mit ganz anderen Augen sehen.
 

Sebastian und Kai. Meine besten Freunde und doch scheinen sie immer wieder ein Problem damit zu haben, wenn ich mit anderen Jungs vor der Linse stehe und das in Badehosen. Sie sehen einfach die Gefahr und den schmalen Grat zu gewissen Filmen. Zwar habe ich beiden immer wieder gesagt, dass Pornos für mich nicht infrage kommen, aber Einsicht zeigen sie nur wenig.
 

Mein Freund Dominik sieht das zum Glück eher locker. Er ist selber Model, war vor wenigen Monaten noch Pornodarsteller und damit habe ich genauso wenig ein Problem, wie er mit meinen Hosen. Wir sind ein eingespieltes Team, wenn auch darunter hin und wieder die Beziehung leidet und man sich nicht ganz so oft sieht, wie man es sich vielleicht anfangs gewünscht hat.
 

„Ich passe schon auf. Außerdem bin ich gegen alles geimpft und ich hatte nicht vor, mich im Busch zu verirren", murre ich daher ironisch in meine Tasse, erhebe mich dann aber doch von meinem Platz und gehe raus in den Garten.
 

„Mates." Meine Mutter folgt mir, legt ihre Hand auf meine Schulter und lächelt schwach. „Ich mache mir doch nur Sorgen. Du bist zwar bereits erwachsen, aber du wirst immer mein Kind bleiben. Egal, wie alt du bist."
 

„Das weiß ich auch", nuschele ich vor mich hin, seufze leise und lasse es zu, dass meine Mutter mich in eine Umarmung zieht, mich sanft an sich drückte.
 

„Wann fliegt ihr denn?"
 

„Schon morgen Nachmittag", erkläre ich, werde losgelassen und ernst angesehen.
 

„Hast du schon gepackt?"
 

Hatte ich bereits gestern schon und nickte daher stumm.
 

„Was ist mit Dominik? Seht ihr euch nochmal?"
 

Mit einem Kopfschütteln verneine ich die Frage und ebenso, ob ich mich bereits von Kai und Sebastian verabschiedet habe.
 

„Mum bitte, ich bin nur sechs Wochen weg und nicht die nächsten Jahre."
 

Himmel, nein, sie stellt sich aber auch an.
 

„Schön, aber von Ben wirst du dich noch verabschieden können. Er kommt heute Abend und dann kannst du ihm von deinem Job endlich mal erzählen."
 

Der Ton klingt nicht nur streng, er spiegelt einen Vorwurf wider und letztendlich ist es das auch. Ben weiß weder von meinem Freund, noch von Bali und ebenso wenig, wie ich mein Geld verdiene. Er ist zu beschäftigt mit seinem Studium und die wenige Zeit, die er hat, verbringt er dann lieber mit James, den ich mittlerweile via Skype, einmal gesehen habe.
 

Scheint ganz nett zu sein, hat ein freches Grinsen auf den Lippen und scheinbar den Schalk im Nacken sitzen. Ergänzen sich genauso wie Sebastian und Kai und die beiden sind noch schlimmer, als mein Bruder es je sein könnte. Alleine ihr Gerede, ich will nicht mal darüber nachdenken und so manches Mal schüttelt es mich und ich werfe mit Bierdeckeln. Anders ist denen nicht mehr zu helfen und ich bin froh, dass Dominik da anders tickt. Hin und wieder jedoch zu meinem Leidwesen.
 

„Ich rede mit ihm, sofern er alleine kommt."
 

„Tut mir leid, aber er bringt James mit und ihr solltet das endlich einmal klären, wie Brüder das so machen." Meine Mutter scheint ziemlich genervt zu sein, sie sieht mich mahnend an und noch ehe ich protestieren kann, ist sie auch schon wieder nach drinnen verschwunden. Schöne Scheiße und das kurz bevor ich nach Bali fliege und neben dem Job endlich mal ausspannen kann. Die Schuld trage ich jedoch selber, ich hätte mich melden und mit Ben reden müssen. Von James hat er mir gleich erzählt und ich habe es nicht mal geschafft reinen Tisch zu machen. Ich bin nicht nur dumm, ich bin obendrauf auch noch feige.
 

Ben wird mir nicht den Kopf abreißen, nur weil ich meinen Freund im Chat kennengelernt habe, er einen fragwürdigen Beruf und diesen erst vor kurzem an den Nagel gehängt hatte. Vermutlich wird er ähnlich wie Kai reagieren, wobei ich mir da nicht ganz so sicher bin. Von meinem Outing weiß er genauso wenig, ebenso, dass ich mich zu Jungs mehr hingezogen fühle als zu Mädchen. Von denen weiß er einiges und Ben weiß sogar, dass ich immer noch nicht zum letzten Schritt gegangen bin.
 

Er fand es damals völlig okay, hat sich darüber nie lustig gemacht oder Anzeichen, dass ich ein Spätzünder bin. Ich weiß echt nicht, warum ich mich so anstelle, Schiss vor meinem eigenen Bruder habe? So schlimm ist er nicht. Er war immer für mich da, selbst als James neu in sein Leben trat. Ich bin es, der sich kaum meldet, sich zu viele Gedanken macht und am Ende Angst hat, er könnte sich distanzieren. Warum? Ben ist genau wie ich, steht auf Jungs, ist verliebt und glücklich mit James. Nichts Unnatürliches, nur mit dem Unterschied, dass James in einer Anwaltskanzlei arbeitet und mein Freund die Hüllen fallen lässt.



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