Zum Inhalt der Seite

Apnoe

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Dieses ganze Gift-Thema, das sich in den letzten Kapiteln einfach so unter meinen Augen eingeschlichen hat, war gar nicht mal geplant - außer bei Alvaro in diesem Kapitel.
Aber ich schätze, hier ist es nun und es bleibt wohl vorerst noch eine Weile. Komplett anzeigen

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Der Skorpion & der Revolverheld

 

Seinen Plan, sich zu entschuldigen und dann so schnell es ging hier wegzukommen, blieb Alvaro augenblicklich im Hals stecken, als er das Wohnzimmer betrat und sah, was Jules in der Zwischenzeit, in der er das Essen bestellt und den Flyer des Abyss entdeckt hatte, alles vorbereitet hatte. Der kleine ovale Wohnzimmertisch war nicht nur abgeräumt, sondern komplett gedeckt. Tischdecke, Teller, Besteck und vermutlich die besten Gläser, die sie hier hatten, waren sorgfältig darauf angeordnet, so dass Alvaro sein Vorhaben, Jules zu sagen, dass er leider doch wieder gehen musste, sofort abbrach.

"Hast du Feuer?" Jules zeigte auf ein großes Glas, das wie ein Einmachglas aussah und bei dem Alvaro erst auf den zweiten Blick erkannte, dass es sich um eine Kerze mit mehreren Dochten handelte.

Nacheinander zündete Alvaro alle Dochte an, deren warmes Licht sogleich den ansonsten eher tristen Raum ein wenig freundlicher wirken ließ.

Was für eine bizarre Szene er hier vorfinden würde, wenn Gabe doch schon heute nach Hause käme. Alvaro musste bei dem Gedanken schmunzeln. Zufrieden erwiderte Jules sein Lächeln, wenn auch aus einem anderen Grund.

 

Als es an der Tür klingelte, sprangen Alvaro und Jules gleichzeitig von ihren Sitzplätzen auf.

"Ich gehe schon", wimmelte Alvaro Jules' einsetzenden Protest ab und wartete, bis sie sich wieder hingesetzt hatte, bevor er das Wohnzimmer verließ.

Jules lachte laut auf, als Alvaro wenige Minuten später mit den Armen voller Kartons und silbernen Schalen in der Tür zwischen Flur und Wohnzimmer auftauchte. Sein ratloses Gesicht setzte dem Ganzen erst die Krone auf.

"Wen hast du denn noch alles eingeladen?", rief Jules mit Lachtränen in den Augen.

Vorsichtig stellte Alvaro den Stapel auf der Küchentheke ab. Das erklärte dann die drei irrwitzig großen Flaschen mit Getränken, die man ihnen dazu geschenkt hatte und die noch draußen im Flur auf der wackeligen Kommode standen. Man dachte wohl, hier fände eine Party statt.

"Tiramisu!", jubelte Jules, die die Kartons und Schalen nacheinander öffnete und den Inhalt mit immer größer werdenden Augen inspizierte. "Das hatte ich schon ewig nicht mehr." Sie trug die Schale mit dem Dessert feierlich wie etwas wirklich kostbares zum Wohnzimmertisch und stellte sie dort ab. Und Alvaro folgte ihr mit dem Rest.

"Davon habe ich immer schon geträumt!" Mit glücklich strahlenden Augen verteilte Jules Löffel in den Schalen mit Pasta und Salaten. "Einfach bestellen, was man möchte und dann von allem probieren. Wie bei einem Buffet. Nur ohne fremde Menschen." Sie schob einen niedrigen Hocker an den Tisch und nahm darauf Platz.

Was für eine Katastrophe, dachte Alvaro und sah auf das Chaos aus Pizzakartons, Silberschalen mit dampfender Pasta und Knoblauchbrot. Seine Blicke blieben an Jules hängen, die eifrig von allem etwas auf einen Teller schöpfte, den sie dann Alvaro, der ihr gegenüber auf dem Sofa saß, in die Hand drückte. Er hatte nicht mal sonderlich Hunger, aber Jules wirkte so glücklich und der aufgeregte Moment, das unruhige Kribbeln, das ihn erfasst hatte, als er das Abyss gefunden hatte und das ihn beinahe sofort losstürmen gelassen hätte, hatte sich endgültig gelegt, als er die Freude gesehen hatte, mit der Jules jede einzelne Speise betrachtet und daran gerochen hatte.

Alvaro spießte eine Garnele auf seine Gabel und hob sie zu seinem Mund. Der scharfe ölige Geschmack von Knoblauch und fruchtig süßer Tomatensauce ließ ihn die Gabel direkt eine zweite Portion aufspießen. Es war das erste Mal, dass er diese Kombination aß und sie schmeckte fantastisch.

Jules' vergnügtes Lächeln stoppte für den Windhauch einer Erinnerung an einer Schale vor sich. Ihre Mundwinkel sanken einen Sekundenbruchteil nach unten und sprangen gleich wieder in die Höhe.

"Das hatte sich Thomas immer bestellt", sagte sie und zeigte auf die Nudeln und Garnelen in roter Sauce, von denen Alvaro gerade etwas aß.

Alvaro sah auf seine Gabel hinab, auf der er schon den nächsten Bissen aufgespießt hatte. Die gerade aufgewickelten Spaghetti wickelten sich in Spiralen wieder ab. Das hier wurde immer skurriler. Egal, wie er es versuchte, er konnte sich LaRue nicht vorstellen, wie er hier in dieser winzigen Bude saß und Pasta mit Garnelen aß. Er kannte ihn nur wie er mit Geschäftsleuten in aberwitzig teuren Restaurants essen ging, in denen man noch an den Tisch begleitet wurde und auf deren Menükarten garantiert keine einzige "Kinderportion" existierte. Selbst die Restaurants, in denen er mal mit seiner Familie essen ging, hatten Servietten aus Stoff, statt Papier.

Obwohl das hier den Gören sicher tausend mal lieber wäre, als irgendwo in einem sterbenslangweiligen Restaurant still am Tisch sitzen zu müssen...

Alvaro schob sich den mittlerweile kalten Bissen in den Mund und stieß jeden Gedanken an LaRue beiseite.

 

"Also", begann Jules, nachdem sie mit Essen fertig und beim Dessert angelangt waren. Sie thronte im Schneidersitz auf ihrem Hocker vor Alvaro und betrachtete ihn genau, als müsste sie noch etwas neues an ihm entdecken. Ein kleiner schimmernder See aus Wachs bedeckte die schief heruntergebrannte Oberfläche der Kerze, so dass zwei der drei Dochte bereits mit einem leisen Zischen darin erloschen waren und Jules Gesicht nun etwas mehr im Schatten lag, als am Beginn ihrer Mahlzeit.

Still wartete Alvaro auf das Ende des Satzes, an dem Jules wohl noch gedanklich etwas feilen musste.

"Was war das Dümmste, was du bisher getan hast?", platzte es schließlich aus ihr heraus, als ihre Neugierde überwog. Gebannt sah sie Alvaro an, der nachdenklich blinzelte.

"Du meinst so etwas, wie: für zehn Leute Essen zu bestellen, wenn man nur zu Zweit ist?"

Jules legte den Kopf in den Nacken und lachte hell auf. "Nein, was richtig Dummes!"

Alvaro schwieg. "Geht auch das Zweitdümmste?", hakte er vorsichtig nach.

"Okay, ausnahmsweise. Aber nur, wenn es auch wirklich sensationell ist!", willigte Jules großzügig ein und rückte den Hocker noch etwas näher an den Tisch heran. Sie wollte keine einzige Information verpassen! Ihre Blicke hafteten aufmerksam an Alvaro, der einen Moment an ihr vorbei sah, bis er sich entschlossen hatte.

"Ich habe mal einen giftigen Skorpion angefasst."

Jules Augenbrauen hoben sich erstaunt. "Das ist wirklich dumm", murmelte sie beeindruckt.

"Ich war ja noch ein Kind", wiegelte Alvaro schnell ab. "Mit Neun hatte ich nur Unfug im Kopf."

Alvaro erinnerte sich noch gut an die Faszination, die er als kleines Kind bei diesen hübschen glänzenden Tierchen empfunden hatte, die unter den sonnengewärmten Steinen im kühlen Sand gelegen und dort im Schatten vor sich hin gedöst hatten. Und er erinnerte sich an die unzähligen Steine, die er auf der Suche nach den Tierchen umgedreht hatte, bis er endlich ein schönes gefunden hatte. Ihre fragilen Körperglieder glichen Perlen, die man an Drähten aufgereiht hatte und er hatte unbedingt wissen wollen, wie sie sich anfühlten.

Jules' ergriffene Blicke wichen keinen Millimeter aus Alvaros Gesicht. "Wurdest du gestochen?"

Alvaro nickte.

"War es knapp?", hakte Jules atemlos nach.

Alvaro nickte noch einmal. "Ziemlich."

Jules hatte das Tiramisu jetzt völlig vergessen, das vor ihr auf dem Tisch stand. Die Gabel mit dem ersten Bissen davon sank auf den Teller zurück und verharrte dort in der Kakaobestäubten Creme des süßen Desserts. Sie wollte unbedingt wissen, was passiert war, auch wenn sie ja direkt vor Augen hatte, dass es gut ausgegangen war.

"Weißt du noch, wohin du gestochen wurdest?"

Alvaro rückte näher zur Tischplatte und hielt Jules zwischen Pizzakartons und Salatschalen hindurch seine linke Hand hin. Unter seinem Zeigefinger zog sich eine schmale, gerade Narbe über die Handfläche hinunter zu seinem Daumen.

Jules nahm Alvaros Hand in ihre und zog sie näher zu sich heran. Ihr Zeigefinger fuhr sachte an der silbrig schimmernden Narbe entlang, die man kaum sah, wenn man nichts von ihr wusste.

"Ich dachte immer, die Stiche seien kleiner", wisperte sie mit brüchiger Stimme.

"War er auch", erwiderte Alvaro. Er nickte zu seiner Hand. "Das war mein Vater." Er hatte die Einstichstelle mit seinem Taschenmesser aufgeschnitten und mit seinen riesigen Händen so fest zugedrückt, dass sich Alvaros Handknochen darunter verschoben und wie trockene Äste geknackt hatten. Er hatte vor Schmerzen geschrien, als die fragilen Knochen unter der Kraft seines Vaters brachen und er erinnerte sich an die Angst, die er als kleiner Junge gehabt hatte, als er den rubinroten Blutstrom sah, der aus dem Schnitt in seiner Hand quoll, zwischen den Fingern, die taub vor Schmerzen waren, hinablief und in den Sand tropfte.

Er hatte das Blut noch schlimmer als den Stich gefunden, aber sein Vater, den er das erste Mal panisch vor Angst erlebte, hatte ihm schnell klargemacht, dass das Ergebnis des Stichs tödlich sei. Das Blut bilde sich wieder neu und die Knochen würden auch wieder zusammenwachsen.

Und dann wusste er nur noch, wie es grell in seinen Ohren gerauscht hatte, kurz bevor er das Bewusstsein verloren und dann neben der Pfütze seines eigenen Blutes in den Sand gefallen war.

Am gleichen Abend hatte er auf dem lauten und überfüllten Flur im Krankenhaus gesessen, auf seine verbundene Hand hinab geschaut und den Schnitt, die gebrochenen Knochen und den Skorpion, den sein Vater zertreten hatte, beweint.

"Pass auf, was du anfasst", hatte ihm sein Vater noch energisch eingetrichtert, während er ihm den Schmutz, in dem seine Tränen helle Spuren hinterlassen hatten, aus dem Gesicht gewischt hatte. "Auch wenn es harmlos aussieht, kann es tödlich sein. Gift ist meistens farblos und nicht jedes Lebewesen warnt dich vor, bevor es zubeißt oder sticht. Verstanden?"

Ohne aufzusehen hatte Alvaro stumm genickt. Er hatte sich zu sehr geschämt, um noch mal in das Gesicht seines Vaters zu schauen, in dem man selbst Stunden nach dem Vorfall noch die Angst in den Augen sehen konnte, die er wohl das erste Mal in seinem Leben wirklich gehabt haben musste.

Erst Jahre später hatte ihm sein Vater dann erzählt, was in dem Moment in ihm vorgegangen war, die Vorwürfe, die er sich selbst gemacht hatte, seinen Sohn selbst schwer verletzen zu müssen, um ihm das Leben zu retten.

 

Als der letzte Docht der Kerze erlosch und eine dünne starre Haut das aushärtende Wachs überzog, hob Jules endlich wieder ihre Blicke von Alvaros Hand, die sie in ihren eigenen Händen hielt, als wollte sie ihm die Zukunft daraus vorhersagen.

Alvaro hätte sterben können, wenn sein Vater nicht in der Nähe gewesen wäre, war der einzige Gedanke, der es in ihrem übervollen Kopf gerade an die Oberfläche schaffte. Welche Angst er wohl gehabt haben musste, obwohl er als Kind sicher nicht gewusst haben konnte, was es tatsächlich bedeutete, zu Sterben. Es war die gleiche Angst die sie selbst fühlte, seit ihre Mutter starb, als sie gerade nicht bei ihr war, und sie war kein Kind mehr...

"Wenn das das Zweitdümmste war, das du jemals getan hast, will ich das Dümmste lieber doch nicht wissen", murmelte Jules bedrückt, als sie endlich ihre Sprache wiedergefunden hatte.

"Jetzt bist du dran", erinnerte Alvaro sein Gegenüber an ihre unausgesprochene Abmachung.

"Die Geschichte mit dem Skorpion kann ich nicht toppen", lachte Jules trocken auf.

"Das ist ja eine wirklich billige Ausrede." Grinsend wartete Alvaro auf Jules' weitere Ausreden, doch die junge Frau war ungewöhnlich still geworden. Ihre Hände, die Alvaros Hand noch immer umklammerten, wurden kälter. Irgendetwas stimmte nicht, dachte Alvaro, während er langsam aufstand, ohne Jules' Hände loszulassen und sie von ihrem Hocker auf die Beine hoch zog.

"Was ist denn?", sprach er sie so ruhig wie möglich an. Sie wirkte wie weggetreten, ihre Blicke fanden keinen Halt und schwirrten wie ängstliche, gefangene Vögel durch den Raum, auf der Suche nach dem Ausweg. Vorsichtig führte er sie um den Tisch herum zum Sofa, wo er ihr half, sich hinzusetzen.

"Erinnerst du dich noch an die Ärztin, bei der wir waren?", stieß sie kaum hörbar aus. "Ich fühle mich wieder wie damals, kurz bevor du mich dorthin gebracht hast."

Er hatte keinen Schimmer, was Jules meinte. Sie verwechselte ihn wohl mit Gabe, oder mit Nate - oder mit LaRue.

"Wir rufen Gabe an, der hat die Nummer sicher", redete Alvaro Jules möglichst sorglos zu, die stumm nickte und ihr Telefon in die zitternden Hände nahm.

"Könntest du? Ich-meine Hände", stammelte sie mit brüchiger Stimme und gab ihr Telefon an Alvaro.

Ohne Jules aus den Augen zu lassen, wählte er Gabes Nummer. Bei seiner Schwester würde er ja sicher drangehen - doch der Anruf wurde ebenso wie seine eigenen direkt an die Mailbox geleitet. Ratlos sah Alvaro auf die Anrufliste und wählte dann den Kontakt, den Jules davor als Letztes angerufen hatte.

 

"Hey Jules, alles klar?", begrüßte Nate die vermeintliche Anruferin und zuckte erschrocken zusammen, als ihm stattdessen eine männliche Stimme antwortete.

"Hier ist ganz und gar nichts klar", raunte die Stimme, die er nicht gleich zuordnen konnte, die ihm aber aus irgendeinem anderen Zusammenhang seltsam vertraut war.

"Der Psycho mit dem Schlüssel", stieß Nate fassungslos aus, als es ihm schließlich wie Schuppen von den Augen fiel.

Jules zuliebe ignorierte Alvaro diese neue, nicht besonders schmeichelhafte Bezeichnung vorerst. "Gib mir mal Gabe, hier stimmt was nicht."

Es raschelte und Alvaro hörte die kurze Diskussion am anderen Ende der Leitung.

"Was willst du denn?", zischte ihn Gabe wütend an, noch ehe Alvaro ein Wort herausbrachte. "Hast du es dir endlich überlegt und verrätst mir, wovor du uns in Sicherheit bringen sollst?"

Schockiert sah Nate zu Gabe, doch der schüttelte nur abweisend den Kopf, während er Alvaros Erklärung zuhörte.

"Ich komme", antwortete Gabe nun nicht mehr ganz so ungehalten und beendete den Anruf.

"Was sollte das mit dem-", begann Nate und wurde auf der Stelle von Gabe unterbrochen.

"Nicht jetzt, Nate!" Gabe griff nach seinem Rucksack und riss seine Jacke vom Haken. Dann würde Liam heute eben umsonst warten auf ihn warten. Wer wusste, wozu das gut war. "Fährst du mich nach Hause?"

"Klar." Nate zuckte mit den Schultern. Offenbar war er irgendwann in den letzten Wochen zum Statisten degradiert worden... Er schlüpfte in seine Schuhe und folgte Gabe, der mit finsteren Blicken die Treppe hinunter eilte.

 

 

Kurz nach dem Telefonat mit ihrem Bruder war Jules in Alvaros Arm eingeschlafen. Sie hatte auf einmal so erschöpft gewirkt, dass er den Versuch, sie noch zu ihrem Bett zu bringen, sein gelassen und sich zu ihr auf das Sofa gesetzt hatte, wo schon bald ihr müder Kopf gegen seine Brust gesunken war.

Den Arm um Jules' Schultern gelegt, achtete Alvaro auf jede noch so winzige Bewegung von ihr und dachte dabei über das Dümmste nach, das er Jules nicht hatte erzählen wollen. Und es war wirklich dumm gewesen. Nicht spektakulär, nicht mutig - auch wenn er das zuerst so sah - nein, einfach dämlich, auch wenn es genaugenommen eine direkte Folge von dem Erlebnis als Kind gewesen war. So dämlich, dass außer ihm nur zwei andere Personen davon wussten und bei einer davon war er sich sicher, dass er, sollte er noch leben, kein einziges Wort mehr darüber verlor, weil sein sogenanntes Geschäft davon abhing.

Und trotzdem hatte sich Alvaro in dem Moment alles andere als dumm gefühlt, als er dieses dreckige Hinterhof-Tattoo-Studio betreten und dem Besitzer ein kleines verschlossenes Plastik-Röhrchen in die Hand gedrückt hatte.

Dieser abgewrackte Typ hatte Alvaro eine Weile stumm mit diesem stechenden Blick in seinem wie in Stein gemeißelten Gesichtsausdruck angesehen und dann mit frostiger Stimme gesagt, dass er weder für Schäden wie Blutvergiftung verantwortlich sei, noch für irgendeine andere Scheiße, die mit seinem Körper passierte. Und erst recht hatte er nicht wissen wollen, wie Alvaro an das Skorpiongift gekommen war, das er ihm mit zusammengekniffenen Lippen unter die schwarze Tinte gemischt hatte.

Alvaro hatte allem zugestimmt und dann ruhig dabei zugesehen, wie die Nadeln die mit Gift versetzte Tinte unter seine Haut stachen.

Nichts davon war es am Ende wert gewesen. Die Wunde hatte sich infiziert und nach Nächtelangen Fieberträumen war nichts weiter als ein ausgeblichener vernarbter Fleck von dem Tattoo auf seiner rechten Brust zurückgeblieben, auf der jetzt Jules' Kopf ruhte.

Alles nur, weil er damals wissen wollte, ob er das Gift auch ohne seinen Vater aushalten konnte, und weil er nie wieder vor Angst ohnmächtig werden wollte, was beides auf eine beklemmend groteske Art und Weise funktioniert hatte, denn jedes Mal, wenn er nach der Pistole griff, streifte die Narbe in seiner Hand das misslungene Tattoo, so dass er niemals vergaß, was sein Vater ihm gesagt hatte: auch wenn es harmlos aussah, konnte es ihn das Leben kosten. Und entweder war er schneller oder er ließ die Finger davon!

Daran hatte sich Alvaro immer gehalten - bis er Gabe kennengelernt hatte, und da er den Punkt schon längst überschritten hatte, an dem er die Finger hätte davonlassen können, musste er ab sofort schneller sein. Und mit dem Abyss fing er an. Er musste wissen, warum Gabe ihm diesen Ort verschwiegen hatte.

 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Das nächste, quasi super-special-Vergangenheits-Bonus-Kapitel gehört dann ganz alleine Alvaro, dessen Vater, der seinen Sohn von dem vermeintlichen Fluch des Skorpionstichs heilen lassen will, und Diego, dem diese Aufgabe förmlich aufgedrängt wird.

Und ja, "Chuparrosa" wird ein bisschen heiterer, als der Rest hier, weil danach das letzte Viertel beginnt, von dem ich mich ein bisschen ablenken will, bevor ich mich von allen hier verabschieden muss. ^^ Komplett anzeigen

Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück