Zum Inhalt der Seite

Der hellste Stern am Himmel

Regulus lives-AU
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Und hier kommt Drama, Baby, ganz viel Drama! :D
Wir wechseln mal wieder die Perspektive zu James, weil Sirius viel zu befangen und emotional entangled ist, wenn es um seinen Bruder geht. Komplett anzeigen

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Finde mich

Regulus Black steht in ihrem Wohnzimmer.

James braucht einen Moment, um das zu verdauen. Offenbar ist er nicht der Einzige, denn Sirius sieht ebenfalls aus, als hätte er grade einen Klatscher an den Kopf gekriegt.
 

Vielleicht ist er hier, um sie umzubringen. Aber irgendwie glaubt James das nicht.

Regulus hat die Hände halbherzig erhoben, sein Zauberstab befindet sich in James‘ Hand. Dafür, dass man ihn gerade entwaffnet hat, macht er einen relativ ungerührten Eindruck.
 

„Bist du gekommen, um uns nachts die Kehle durchzuschneiden?“ fragt Sirius, dessen Gedanken offensichtlich in eine ähnliche Richtung gewandert sind. Seine Stimme ist kalt und gefasst, aber James kennt ihn gut genug, um nicht darauf reinzufallen. Sirius ist alles, aber nicht gefasst. „Feige wie alle Todesser.“
 

„Wenn das meine Absicht gewesen wäre, hätte ich es besser angestellt.“
 

„Oh ja klar. Sei beleidigt, weil man dir mangelnde Kompetenz unterstellt“, zischt Sirius. „Gott bewahre, dass dir das Fehlen jeglicher Integrität oder Ehrgefühl irgendwie zu schaffen machen könnte.“
 

„Ich bin kein Gryffindor.“ Baby Black entblößt die Zähne. „Euer Verhältnis zu Kompetenz ist ja bekannt. Nicht vorhanden!“
 

James blickt hin und her, wie bei einem Tennismatch. „Äh, Leute…“, fängt er an, aber niemand hört auf ihn.
 

„Was hast du mit meinem Plattenspieler gemacht?“
 

„Diese Höllenmaschine?“ Regulus blickt mit Todesverachtung auf den zerschmolzenen Haufen schwarzes Plastik hinab. „Ich habe mich nur verteidigt.“
 

Sirius knirscht so laut mit den Zähnen, dass man es hören kann. „Wie hast du uns gefunden?“
 

„Wieso? Sollte das eine Schwierigkeit darstellen?“
 

„Wenn du mir nicht sofort sagst…“
 

„Weil ein fliegendes Motorrad ja vor allem auf Subtilität ausgelegt ist…!“
 

„WAS MACHST DU HIER?“
 

„DU hast mir geschrieben!“
 

„WAS?“
 

Schwer atmend starren sie sich an.

Jeder Spott ist aus Regulus hochmütigen Gesicht verschwunden. Seine schwarzen, halblangen Haare kleben nass in seinem Gesicht und James sieht, wie seine Kehle sich bewegt als er schluckt. Er ist so jung, denkt er mit einer plötzlichen Aufwallung von Mitgefühl. So jung. Er sieht aus wie eine halb ertrunkene Katze, und schlimmer, viel schlimmer, er sieht aus wie eine jüngere, schmalere Version von Sirius, und James kann beinah spüren, wie sämtliche seiner Beschützerinstinkte darauf anspringen.

„Du hast mir geschrieben“, wiederholt Regulus trotzig. Aber da ist ein Unterton in seiner Stimme, rau und verzweifelt, beinah flehend, und plötzlich fällt bei James der Groschen.

Oh. OH!

Shit.
 

Sirius starrt seinen Bruder an, als habe er den Verstand verloren. „Warum sollte ich dir schreiben?“
 

Durch Regulus‘ schwarzgekleidete Gestalt läuft ein Schauer. „Du hast…“
 

„Ähm...“ James hebt die Hand, wie im Schulunterricht. „Ich wars?“
 

Gleichzeitig fahren sie zu ihm herum und einen schwindelerregenden Moment lang fühlt sich, als sähe er doppelt. In ihren Gesichtern spiegelt sich die gleiche wilde Mischung aus Entsetzen und Verrat.
 

Wieso?“ Sirius greift sich an die Brust, eine unwillkürliche Bewegung, die James mehr schmerzt als sein Gesichtsausdruck. Er fühlt sich, als ob er einen tödlichen Pfeil auf ihn abgeschossen hätte. Ein Schuss, ein Treffer. Mitten ins Herz.
 

Regulus sagt nichts. Er schwankt und schließt die Augen, und einen Moment lang sieht er aus, als würde er gleich zusammenklappen. Seine Haare hängen ihm strähnig ins Gesicht und oh man, James ist nicht der Typ, der viel auf Äußerlichkeiten achtet, aber Baby Black sieht echt fertig aus.
 

Merlins modrige Unterhose. Er hat doch nicht ahnen können…

James fährt sich mit beiden Händen über das Gesicht und durch die Haare. Er ringt nach Worten.

Wenn du in Schwierigkeiten steckst - finde mich“, zitiert er. Er sieht Regulus direkt an. „Du brauchst Hilfe… Deswegen bist du hier, nicht wahr?“
 

In Regulus‘ Gesicht fällt eine Jalousie nach unten. Es gibt keine andere Beschreibung für die plötzliche Ausdruckslosigkeit seiner Mimik. Er strafft die Schultern und hebt das Kinn. Als er antwortet, ist seine Stimme kalt und tonlos. „Eine Fehlberechnung meinerseits. Es wird nicht wieder vorkommen.“ Er tritt einen Schritt auf James zu und streckt die Hand aus. „Wenn ich jetzt meinen Zauberstab wiederhaben dürfte.“
 

Es sind nicht nur seine Haare, die nass sind. Jetzt wo er direkt unter dem Schein der Lampe steht, fällt James zum ersten Mal auf, dass er von Kopf bis Fuß durchnässt ist. Sein langer, schwarzer Umhang tropft so sehr, dass sich an der Stelle, an der er eben gestanden hat eine Pfütze gebildet hat. „Was ist mit dir passiert?“ fragt er unwillkürlich.
 

„Nichts, was dich etwas anginge, Potter.
 

Sirius lässt die Hand sinken. Entschlossen richtet er den Zauberstab wieder auf seinen Bruder. „Du musst verrückter sein als Cousine Bellatrix, wenn du denkst, was wir dich gehen lassen, jetzt wo du weißt, wo wir wohnen.“ Er macht einen Schlenker mit seinem Stab und ein Stuhl rauscht von hinten an Regulus heran. „Setz dich.“
 

„Nein.“
 

„Das war keine Bitte!“
 

James stöhnt.
 

„Du hast mir gar nichts zu sagen…“
 

„Regulus, ich schwöre bei Godric, ich werde…“
 

„Schluss jetzt!“ brüllt James. Zu seiner Überraschung gehorchen sie. Huh. Offenbar hat er die Schulsprecher/Quidditch-Kapitäns-Stimme immer noch drauf, wenn er es darauf anlegt. „Baby Black, hinsetzen!“
 

Regulus verdreht angewidert die Augen, aber zu seiner Überraschung gehorcht er. Sobald er die Stuhlfläche berührt, schießen Fesseln aus dem Stuhl hervor und schlingen sich um seine Hand- und Fußgelenke. Er zuckt zusammen und verzieht dann verächtlich den Mund. „Daraus könnte sich sogar ein Kleinkind befreien.“
 

„Ja, aber sogar das Kleinkind ist damit wenigstens eine halbe Stunde beschäftigt“, erwidert James, der diesen Stuhl persönlich verzaubert hat und immer noch sehr stolz darauf ist. „Sirius, mitkommen.“
 

Sirius sieht ihn finster an, aber er folgt ihm ohne Widerworte und ohne den erwarteten Kommentar über Platzhirsche. Das verrät James mehr als alles andere, wie aufgewühlt er innerlich gerade sein muss. Aufgewühlt und verletzt. Wenn Sirius eine Sache nicht gut wegsteckt, dann wenn Freunde ihn hintergehen oder Dinge verschweigen, ganz egal, ob es zu seinem Besten ist.
 

Shit, denkt James zerknirscht, er muss das wieder grade biegen. Er ist dafür verantwortlich, dass Regulus hier ist. Aber er hat ja nicht ahnen können, dass er gleich persönlich hier auftaucht. Mitten in der Nacht! Er hat angenommen, dass er vielleicht… na ja, zurückschreibt? Eine Art Lebenszeichen sendet. Irgendwas, was normale Leute tun würden.
 

Sobald sie im Nebenzimmer (James‘ Schlafzimmer) sind, lässt Sirius den Zauberstab sinken und geht auf ihn los. „Wieso hast du das getan?!“
 

„Es war nur ein Satz“, beteuert James und hebt verteidigend die Hände. „Kein Name. Keine Adresse. Ich… ich habe es an den Grimmauldplatz geschickt. Ich dachte nicht, dass er… ich habe nicht erwartet, dass er reagieren würde. Ich wollte ihm nur eine Chance geben!“
 

„Einem Todesser!“
 

„Deinem Bruder. Allein, dass er jetzt hier ist…“
 

„Das bedeutet nichts! Nichts!
 

„Sollten wir ihm nicht wenigstens zuhören?“
 

„Es ist eine FALLE, kapierst du das nicht?!“
 

„Hast du nicht gesehen, wie er aussieht…? Ich meine…“
 

Sirius verkrallt die Hände in seinem T-Shirt, etwas Wildes, Verzweifeltes in seinem Gesicht. „Bist du jetzt auf seiner Seite, ist es das?“
 

Fassungslos starrt James ihn an. „Ich bin auf DEINER Seite! Ich bin immer auf deiner Seite. Ich habe es für dich getan.“
 

„Wieso?“
 

Schweratmend stehen sie voreinander.

Es gibt so viele Antworten auf diese Frage, dass James gar nicht weiß, wo er anfangen soll. Es war eine impulsive Entscheidung. Es fühlte sich richtig an. Als er schließlich antwortet, ist er selbst überrascht davon, was er sagt. „Weil du mir in der vierten Klasse die Zunge an den Gaumen gehext hast, als ich deinen Bruder beim Quidditch vom Besen geholt habe.“
 

„Ich habe dir die Zunge an den Gaumen gehext, weil du nach dem Sieg ein unerträglicher Angeber warst und ich dein Gelaber nicht mehr ertragen habe.“
 

„Aber ich habe dein Gesicht gesehen...“, sagt er leise.

Sein Gesicht als Regulus am Boden lag. James hat es gesehen und er hat es nie vergessen.
 

Sucher sind immer die kleinsten und schmalsten Spieler im Team. Aber gleichzeitig sind es auch die Spieler, die die meisten und die brutalsten Spielverletzungen davontragen.

James war vierzehn, fast fünfzehn, Regulus war einen Kopf kleiner und er sah aus wie zwölf. Und James hat ihn vom Besen gerammt, weil es nicht anders ging, weil sie sonst verloren hätten, weil James mit vierzehn, fast fünfzehn ein unerträglich schlechter Verlierer (und ein noch unerträglicher Gewinner) gewesen ist. Er hat ihn vom Besen gerammt, ohne abzubremsen und mit voller Wucht, Regulus‘ hungrigen Fingerspitzen nur noch Millimeter vom Schnatz entfernt.

Es musste sein.
 

Hey Sirius, ist das ein Problem für dich, wenn wir das Team von deinem Bruder fertig machen?“
 

„Mir doch egal. Mach sie platt!
 

Er war vierzehn, fast fünfzehn und dachte wie ein Idiot, dass Sirius das ernst meint, was er vor dem Spiel gesagt hat. Als ob nicht die Hälfte von allem, was aus Sirius Mund kommt leeres Bravado ist.
 

Es tat ihm schon in dem Moment leid, als Regulus am Boden lag. Der linke Arm in einem unnatürlichen Winkel verdreht, Blut an der Schläfe, das Gesicht weiß und still. Und so klein. Winzig klein aus der Entfernung, fast noch kleiner aus der Nähe.
 

James hatte den Schnatz, Regulus lag am Boden. Sie haben gewonnen. Sirius hat gejubelt, wie alle anderen Gryffindors auch. (Denn Gryffindors sind manchmal ganz schöne Arschlöcher.) Aber erst mit einer Sekunde Verspätung.

Und in dieser einen Sekunde hatte er einen Gesichtsausdruck, den James weder vorher noch nachher je wieder bei ihm gesehen hat. Bis zu jener Nacht vor wenigen Wochen, als er seinen Bruder unter den Todessern erkannt hat.

Als ob ihm jemand ein Messer in die Brust rammt. Direkt nach dem initialen Schock. Genau in der Sekunde bevor der Schmerz einsetzt.

Und dann hat er gelacht und gejubelt.
 

„Wieso hast du mir nicht einfach gesagt, dass ich deinen Bruder nicht anrühren soll?“ fragt James.
 

Sirius schüttelt den Kopf. Seine Lippen bewegen sich, aber er bekommt nichts hinaus. Er weicht zurück, reibt sich mit der Hand über das Gesicht, als versucht er alles wegzuwischen, was er empfindet.

Er muss gar nichts sagen, weil James die Antwort sowieso schon weiß.

Weil Sirius immer mehr als jeder andere das Gefühl hatte beweisen zu müssen, dass er ein Gryffindor ist, dass er wirklich dazu gehört. Und weil das schon immer bedeutet hat sich gegen seine Familie entscheiden zu müssen. Immer und immer wieder. Laut und deutlich. Auch wenn es bedeutet, einen Teil seines Herzens in Ketten zu legen und wegzusperren. Aber das ist nicht in Ordnung. So kann niemand leben.
 

„Wir können ihn nicht wegschicken. Siehst du nicht…?“ Allein der Gedanke schnürt ihm die Kehle zu. „Er steckt bis zum Hals in Schwierigkeiten. Wenn wir ihm nicht helfen, wird es niemand tun. Und dann ist es vielleicht zu spät. Dann wird er in ein paar Wochen blutüberströmt vor unserer Tür zusammenklappen und ich kann das nicht nochmal… ich kann nicht…“

Er bricht ab.
 

Über Sirius‘ Gesicht flackern in rascher Abfolge Verwirrung, dann plötzliche Erkenntnis. Mitgefühl. Schuld. „James…“
 

Dieses Mal ist James derjenige, der den Blick abwendet.
 

„Jamie… Es tut mir leid.“
 

„Das war nicht… ich meinte nicht… pfft.“ Er wedelt mit der Hand. Als ob er freiwillig auf den schlimmsten Nachmittag seines Lebens zu sprechen kommen würde. „Das meinte ich nicht. Das war… hypothetisch.“
 

„Okay.“ Sirius nickt, aber sein Blick ist weich und verständnisvoll. Seine Hand zuckt in James‘ Richtung, als möchte er ihn packen und zu sich ziehen, aber unmittelbar vor seinem Brustkorb hält er inne und lässt sie wieder sinken. „Was machen wir denn jetzt mit ihm?“ fragt er leise.
 

„Die Wahrheit aus ihm rauskriegen?“
 

„Wie denn!“
 

„Vorzugsweise ohne, dass ihr euch dabei an die Kehle geht?“
 

Sirius verzieht das Gesicht. „Ich garantiere für nichts.“
 

-
 

Als sie wenige Minuten später zurück ins Wohnzimmer kommen, sitzt Regulus trotz aller Verachtung noch genau dort, wo sie ihn zurückgelassen haben. Sein Kopf ist nach vorne gesunken, die nassen Haare hängen ihm tief ins Gesicht. Er sieht gedemütigt aus, jämmerlich und gebrochen, wie eine Krähe mit zerfledderten Flügeln, aber dann hebt er den Kopf und die Fesseln fallen links und rechts neben ihm zu Boden (und James ist vielleicht ein bisschen beeindruckt davon wie schnell das ging). Sein Gesicht ist eine kalte, hochmütige Maske, als er sich vorwurfsvoll die dünnen Handgelenke reibt.

„Ich verabschiede mich jetzt.“ Fordernd streckt er die Hand aus. „Meinen Stab, bitte.“
 

„Wieso bist du hier?“ fragt Sirius. Sein Gesicht und seine Stimme sind sorgsam befreit von jeglicher Emotion und geben nichts preis.
 

Regulus sieht ihn nicht an. „Es war ein Fehler. Vergiss es. Du bist ohnehin zu inkompetent, um mir von Nutzen zu sein.“
 

„Du unausstehliche Pestbeule…!“
 

„Ich habe dir nichts zu sagen.“ Regulus beißt die Zähne so fest aufeinander, dass James erst jetzt bemerkt, dass sie klappern. Natürlich. Er ist immer noch von Kopf bis Fuß durchnässt. Er muss inzwischen komplett durchgefroren sein.
 

„Darf ich?“ fragt er und hebt seinen Zauberstab.
 

Regulus schweigt finster, aber Sirius nickt, was James als Einverständnis wertet. Er macht eine langsame Handbewegung und sieht dabei zu, wie Regulus‘ Umhang und seine Haare im Zeitraffer trocknen.

Das verschafft ihm Zeit zum Nachdenken und die braucht er grade.

James hat keine Geschwister. Er hat nicht mal Cousins oder Cousinen, nicht mal welche zweiten Grades. Es gibt niemanden, mit dem er je verglichen worden ist oder für den er sich je verantwortlich gefühlt hat.
 

Remus, er und Peter sind alle Einzelkinder.

Die Einzige, die sonst noch Geschwister hat, ist Lily, aber sie spricht fast nie über Petunia. James ist sogar beinah sicher, dass der einzige, mit dem sie jemals länger über ihre Schwester geredet hat, Sirius ist.

Und als James sie - eifersüchtig und übergriffig – zur Rede gestellt hat, wieso sie das ausgerechnet mit Sirius bespricht und nicht mit ihm, mit ihrem FREUND, hat sie ihn nur angesehen und gesagt: „Weil du es nicht verstehen würdest.
 

Vielleicht ist das jetzt auch so eine Situation, wo James einfach… nicht versteht.

Sirius und Regulus starren sich an, als würden sie sich hassen und sie haben noch nicht ein einziges nettes Wort zueinander gesagt. Es ist offensichtlich, dass niemand Sirius in so kurzer Zeit so auf die Palme bringen kann wie sein Bruder - und umgekehrt. Und doch ist da etwas in ihrer Interaktion, dass die Vorstellung in ihm weckt, dass sie vor einen herannahenden Zug springen würden, um den anderen zu beschützen.
 

Wenn du in Schwierigkeiten steckst - finde mich.
 

Als ob er ebenfalls an den Brief denken muss, atmet Sirius tief durch und verschränkt die Arme. „Du hast mich gefunden. Ich bin hier. Ich höre zu. Diese Gelegenheit bekommst du nicht noch einmal. Also rede, Reggie.“
 

Reggie.

Vielleicht liegt es an dem Spitznamen, dass ein Teil der Anspannung aus Regulus Körper weicht, als habe man die Luft aus ihm herausgelassen. Sein Kopf sinkt nach vorne und er schweigt so lange, dass James schon fast nicht mehr mit einer Antwort rechnet.

Als er schließlich den Kopf hebt, sieht er Sirius zum ersten Mal direkt ins Gesicht. „Ich muss etwas tun.“
 

„Was?“
 

„Ich… werde Hilfe brauchen, um es zu vollenden.“ Es ist ein widerwilliges Zugeständnis.
 

„Werde spezifischer oder das Gespräch ist zu Ende.“
 

Einen Augenblick lang ist Regulus still. Sein Blick geht ins Leere und Sirius kann sehen wie es hinter seiner unbewegten Fassade arbeitet. „Würdet ihr alles tun, um den dunklen Lord aufzuhalten?“ fragt er schließlich. „Alles?“
 

„Ja“, sagt Sirius.
 

„Nein“, sagt James.
 

Jetzt wird er von zwei Blacks gleichzeitig und mit beinah identischen Mienen von Überraschung und Herablassung angestarrt. Verteidigend hebt er die Hände. „Entschuldigt mal, es gibt Dinge, die ich nicht tun würde. Du übrigens auch nicht“, sagt er zu Sirius.
 

„Pfft.“
 

„Würdet ihr sterben, um ihn aufzuhalten?“ fragt Regulus ungeduldig.
 

Sirius verschränkt die Arme. „Ja.“
 

„Ja“, sagt James und das ist nicht gelogen. Aber hinter seinem Rücken kreuzt er die Finger und denkt: Aber ich würde Sirius nicht sterben lassen. Niemals.

Niemals.
 

„Verzeih meine Verwirrung, kleiner Bruder“, sagt Sirius kühl. „Ich nehme an, dass das keine hypothetischen Fragen sind.“
 

„Nein.“
 

„Wieso sollte ich dir glauben, dass DU ein Interesse daran hast Voldi aufzuhalten? Das letzte Mal als ich nachgesehen habe, warst du einer seiner getreusten Untertanen, bereit über Leichen zu gehen und die ‚wertlosen Muggel‘ auf dem Altar der Blutreinheit zu opfern.“
 

Regulus wendet den Blick ab. „Er muss aufgehalten werden“, sagt er schließlich. „Und ich habe das Einzige gefunden, was ihn aufhalten kann.“ Er hebt das Kinn und sein Blick ist trotzig, als fordere er sie heraus ihm zu widersprechen.
 

James atmet scharf ein. Sirius hebt ungläubig die Augenbrauen. „Wieso solltest du das wollen?“
 

„Spielt keine Rolle.“
 

„Ich glaube dir kein Wort.“
 

Elektrisiert packt James Sirius am Arm. „Wir sollten Dumbledore holen“, schlägt er leise vor. „Wenn das stimmt, muss er es erfahren!“
 

„Nicht Dumbledore!“, faucht Regulus, im gleichen Augenblick als Sirius heftig sagt: „Nein!“

Seine scharfe Kompromisslosigkeit bremst James sekundenlang aus.

Er würde seinen kleinen Bruder niemals ausliefern, wird ihm klar. Nicht an den Orden, nicht an Dumbledore. Nicht an Azkaban und die Dementoren. James weiß nicht, wieso er jemals geglaubt hat, dass das eine realistische Option sei.
 

„Ich bin sicher, dass er zuhören würde“, sagt er langsam. „Und im Zweifel für den Angeklagten entscheiden würde. Außerdem… naja…“ Er zuckt verlegen mit den Schultern. „Er könnte seine Gedanken lesen und dann wüssten wir, dass er die Wahrheit sagt?“
 

Regulus versteift sich.
 

Sirius schnaubt. „Da gibt es nur ein kleines Problem. Klein Regulus hier kann Okklumentik. Nicht wahr?“
 

Regulus schweigt, aber er widerspricht auch nicht.
 

„Das hatten wir nie in der Schule.“
 

„Blacks lernen das im Kindergartenalter.“
 

James blinzelt. „Ist das legal?
 

Sirius lacht rau. „Willkommen im noblen und ehrwürdigen Hause Black, wo die Regeln nicht gelten und wir unsere eigenen Gesetze machen. Nein, Okklumentik bringt uns nicht weiter.“ Seine Augen werden schmal und dann gleitet ein berechnendes Lächeln über seine Lippen. „Aber wir haben noch Veritaserum hier.“ Er stützt die Hände links und rechts von Regulus ab und beugt sich soweit vor, bis ihre Nasenspitzen sich beinah berühren. „Trink eine Dosis, Bruder. Dann bin ich bereit dir zu glauben.“
 

Regulus Gesicht ist unbewegt. Nur sein Kehlkopf bewegt sich als er schluckt. „Nicht vor ihm.“ Er wirft James einen feindseligen Blick zu.
 

In Anbetracht der Tatsache, dass James derjenige ist, der dafür gesorgt hat, dass er überhaupt hier gelandet ist und die Chance bekommt mit ihnen zu reden, ist das ein wenig undankbar.
 

Sirius zuckt gleichgültig mit den Schultern. „Tja Pech. Wir hören dir beide zu oder keiner.“
 

-
 

Das Veritaserum ist das Ergebnis einer Wette, die Lily (natürlich) gewonnen hat, und das sie seitdem hier herumstehen haben. Seit Wochen haben sie vor, das kleine Fläschchen an Moody oder Dumbledore weiterzugeben, weil der Orden es zur Zeit besser gebrauchen kann, nur irgendwie sind sie nie dazu gekommen.
 

Sirius kippt großzügig und direkt vor Regulus Augen drei Tropfen in eine Tasse und füllt sie mit kaltem Tee auf, bevor er sie ihm reicht. „Trink.“
 

Regulus nimmt die Tasse entgegen als enthalte sie Schierlingsgift, und er trinkt sie mit Todesverachtung.
 

James wirft einen Blick auf die Uhr. „Wie schnell wirkt das Zeug?“
 

„Schnell“, erwidert Sirius nachdenklich. Blitzschnell beugt er sich vor und fragt: „Bist du immer noch eifersüchtig, dass mein Zauberstab länger ist als deiner?“
 

„Ja“, sagt Regulus. Seine Augen weiten sich abrupt. „Hör auf damit!“ zischt er.
 

Sirius grinst wie ein Zwölfjähriger. „Oh ja. Es wirkt.“
 

„Ist alles, was du bisher gesagt hast, die Wahrheit?“ unterbricht James, bevor das ganze weiter eskaliert. Irgendjemand muss die wichtigen Fragen stellen, bevor Sirius anfängt sämtliche peinliche Kindheitserinnerungen durchzugehen und Regulus ihm an die Gurgel geht.
 

„Nein“, erwidert Regulus prompt und mit einem finsteren Blick in seine Richtung.
 

„Was war gelogen?“ fragt Sirius.
 

„Ich denke nicht, dass du inkompetent bist. Hitzköpfig, stur und überdramatisch. Aber nicht… generell inkompetent.“ Regulus presst verärgert die Lippen zusammen.
 

„Vielen Dank, ich fühl mich geschmeichelt.“
 

James wirft ihm einen mahnenden Blick zu. „Hat Voldemort dich geschickt?“ lenkt er das Gespräch wieder zurück zu den wesentlichen Punkten.
 

„Nein.“
 

„Weiß er, dass du hier bist?“ übernimmt Sirius.
 

Regulus lacht humorlos. „Wenn er wüsste, dass ich hier bin, würde er mich umbringen. Er würde uns alle umbringen.“
 

„Arbeitest du noch für Voldemort?“
 

„Nein.“ Auch diese Antwort kommt so schnell und ohne zu zögern, dass James bereit ist, sie zu glauben. Er hat schon erlebt, dass Zauberer unter Veritaserum lügen, aber das können nur die wenigstens, und es geschieht meistens unter sichtbarer Anstrengung.
 

Sirius hebt die Augenbrauen. „Planst du etwa überzulaufen?“ Er klingt ungläubig.
 

Regulus zögert und Schweißperlen treten plötzlich auf seine Stirn und man sieht, dass er sich Mühe gibt seine Worte genau zu wählen. „Nein. Ich trau eurer Seite genauso wenig wie seiner.“
 

„Was ist dann dein Ziel bei dieser ganzen Aktion?“
 

„Ihn aufhalten“, erwidert Regulus mit zusammengebissenen Zähnen. „Er hat Dinge getan… ich habe…“ Er atmet schwer und Schweiß steht auf seiner Stirn. James kann den Kampf beinah sehen, den er innerlich gegen das Veritaserum ausfechtet. Offensichtlich will er über diese Dinge nicht sprechen. „Er muss aufgehalten werden.“
 

„Das wissen wir selbst. Dafür brauchen wir dich nicht. Ein unverzeihlicher Fluch zur passenden Zeit und er ist Voldematsch…“
 

„Nein.“ Regulus schüttelt heftig den Kopf. „Nein. Er hat Vorkehrungen getroffen. Ihr könnt ihn nicht so einfach töten. Es gibt nur einen Weg. Ich bin der Einzige, der es tun kann.“ Er klingt seltsam resigniert.
 

„Das glaube ich dir nicht“, sagt Sirius gefährlich leise.
 

Erschöpft sinkt Regulus in seinem Stuhl zurück. „Das ist dann wohl dein Problem.“
 

„Wieso bist du hergekommen?“
 

Schweißperlen stehen auf Regulus‘ Stirn. James kann sehen, wie er dagegen ankämpft. „Ich bereue es inzwischen, glaub mir“, bringt er mit zusammengebissenen Zähnen zusammen.
 

Sirius‘ Augen werden schmal und gefährlich. James kann sehen, wie es hinter seiner Stirn arbeitet.

„Wieso hast du Lily nicht getötet?“
 

„Ich will niemanden töten.“
 

„Bist du noch ein Todesser?“
 

„Nein.“
 

„Willst du ihn wirklich aufhalten?“
 

Sirius feuert die Fragen auf ihn ab, wie ein Maschinengewehr, eine nach der anderen, ohne Luft zu holen. Er läuft hin und her wie ein Staatsanwalt und er lässt Regulus keine Zeit zum Nachdenken. Keine Zeit, um dagegen anzukämpfen oder nach Ausweichmöglichkeiten zu suchen.

Regulus wird blasser und blasser, und feuchte Haarsträhnen kleben in seiner Stirn. Er ist schweißgebadet und seine Fingerknöchel treten weiß hervor, so fest umklammert er den Stuhl.
 

„Wie hast du unsere Wohnung gefunden?“
 

„Kreacher. Er hat dein Motorrad ausfindig gemacht.“ Sein Atem geht schwer, seine Sätze werden immer abgehackter.
 

„Versuchst du uns eine Falle zu stellen?“
 

„Nein.“
 

„Arbeitest du für Voldemort?“
 

„Nein!“
 

Sirius wirbelt zu ihm herum. „Wieso bist du zu mir gekommen?
 

„Weil ich nicht sterben wollte, ohne dich noch einmal zu sehen.“
 

Sirius erstarrt mitten in der Bewegung.

Regulus wird blass.
 

Im Wohnzimmer wird es so still, dass man eine Stecknadel fallen hören könnte.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich habe ein sehr ausgiebiges und superdramatisches Head Canon über den Sommer, in dem Sirius von zu Hause abhaut und zu den Potters flieht - und wollte dazu immer mal eine schamlose h/c-Kurzgeschichte schreiben. Falls generelles Interesse an so etwas besteht, lasst es mich wissen. Komplett anzeigen

Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück